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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 131. Köln, 1. November 1848.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 131. Köln, Mittwoch den 1. November. 1848.

Die Wiener Briefe und Zeitungen sind wieder ausgeblieben.

Uebersicht.

Deutschland. Wien. (Eine Proclamation von Windischgrätz. - Der Pr. Staatsanzeiger.) Olmütz. (Nachrichten aus Wien Reichstag in Kremsier. - Die Entwaffnung der Brünner Garden.) Lundenburg. Windischgrätz und Wien.) Prag. (Cernirung Wiens. - Eine Paralele.) Dortmund. (Köln-Mindener Eisenbahn.) Berlin. (Congreß der linken Deputirten. - Demokratischer Congreß. - Bekanntmachung Bardelebens. - Bekanntmachung des Magistrats.) Schönwaldau. (Verbrechen und Strafe.) Frankfurt. (Paulskirchenjammer.) Thiengen. (Hecker.) Botzen. (Armeebefehl Radetzkis.)

Italien. (Zustand von Mailand. - Fortdauernde Bewegung. - Unruhen von Livorno.)

Französische Republik. Paris. (Vermischtes. - Bugeaud. (Louis Napoleon.)

Großbritanien. London. (Die Breslauer Zeitung. - Cobden. (Wellington. - Friedenscongreß zu Brüssel.)

Türkei. Constantinopel. (Feuersbrunst.) Investitur Ibrahim Pascha's zu Cairo.)

Deutschland.
Wien, 24. Okt.

Soeben erschien folgende Kundmachung:

Durch den Parlamentär Herrn Hauptmann und Oberkommandanten-Stellvertreter Thurn sind dem Unterzeichneten eine Anzahl Exemplare der nachfolgenden Proklamation des Feldmarschalls Fürsten zu Windischgrätz mit dem Auftrage zugekommen, selbe ungesäumt zur öffentlichen Kenntniß zu bringen. Ungeachtet das Oberkommando unter den Befehlen des Ministeriums des Innern, des hohen Reichstages und des Gemeinderaths steht; so sieht der Gefertigte dennoch keinen Grund, dem zwar in seltsamer Weise ausgedrückten Wunsche des Herrn Feldmarschalls nicht nachzukommen.

Wien, am 24. Oktober 1848.

Messenhauer, prov. Oberkommandant.

Proklamation.

Im Verfolge des von mir in meiner ersten Proklamation vom 20. d. M. verkündeten Belagerungszustandes und Standrechtes für die Stadt Wien, die Vorstädte und nächste Umgebung habe ich befunden, als fernere Bedingung zu stellen:

1) Die Stadt Wien, deren Vorstädte und die nächsten Umgebungen haben 48 Stunden nach Erhalt dieser Proklamation ihre Unterwerfung auszusprechen und legion- oder Compagnienweise die Waffen an einen zu bestimmenden Ort an eine Commission abzuliefern, so wie alle nicht in der Nationalgarde eingereihten Individuen zu entwaffnen, mit Bezeichnung der Waffen, welche Privateigenthum sind.

2) Alle bewaffneten Corps und die Studenten-Legion werden aufgelöst, - die Aule gesperrt, die Vorsteher der akademischen Legion und 12 Studenten als Geißeln gestellt.

3) Mehrere von mir noch zu bestimmende Individuen sind auszuliefern.

4) Auf die Dauer des Belagerungszustandes sind alle Zeitungsblätter zu suspendiren, mit Ausnahme der Wiener Zeitung, welche sich bloß auf officielle Mittheilungen zu beschränken hat.

5) Alle Ausländer in der Residenz sind mit legalen Nachweisungen der Ursache ihres Aufenthaltes namhaft zu machen, die Paßlosen zur alsogleichen Ausweisung anzuzeigen.

6) Alle Clubbs bleiben während des Belagerungszustandes aufgehoben und geschlossen.

7) Ein Jeder, der sich

a. obigen Maßregeln entweder durch eigene That oder durch aufwieglerische Versuche bei andern widersetzt; - wer

b. des Aufruhrs oder der Theilnahme an demselben überwiesen, oder

c. mit Waffen in der Hand ergriffen wird - verfällt der standrechtlichen Behandlung.

Die Erfüllung dieser Bedingungen hat 48 Stunden nach Veröffentlichung dieser Proklamation einzutreten, widrigen Falls ich mich gezwungen sehen werde, die allerenergischsten Maßregeln zu ergreifen, um die Stadt zur Unterwerfung zu zwingen.

Hauptquartier Hetzendorf, am 23. October 1848.

Fürst zu Windischgrätz, Feldmarschall.

Wien.

Der Preuß. Staats-[unleserliches Material] schreibt: Nachrichten, welche aus der Umgegend Wiens über Breslau hierher gelangt sind, stellen fest, daß bis zum 27. Mittags noch kein Angriff auf die Stadt stattgefunden hatte. Dagegen waren von der Stadt aus mehrfache Angriffe auf die kaiserl. Truppen gemacht worden; so war am Breitensee und in der Vorstadt Lerchenfeld bedeutend gekämpft worden. Durch die wiederholten Angriffe hatte sich ein Theil des mährischen Armeekorps zum Vorrücken genöthigt gesehen und war bei dem schmelzer Kirchhof auf ein starkes Kartätschenfeuer gestoßen, wogegen eine Batterie herbeigeholt und der Kirchhof von den Füsilieren genommen, später aber, wegen zu exponirter Lage, wieder verlassen wurde. Auf der Nußdorfer Seite waren die Städtischen völlig in die Linie zurückgedrängt und alle Punkte der Umgegend besetzt, so auch Fünf- und Sechshaufen.

Der Fürst Windischgrätz hatte Befehl gegeben, das Feuer überall einzustellen, wo dasselbe nicht durch Angriffe von der Stadt aus unvermeidlich sei; auch waren keine Bomben in die Stadt geworfen. Der Banus hatte das Lusthaus im Prater und die Pulverthürme besetzt und lehnte sich an die Donau unterhalb der Stadt. Die Wasser- und Gasleitungen waren der Stadt abgeschnitten; erstere waren auf der Nußdorfer Seite von den Städtern mit großer Tapferkeit durch einen energischen Angriff genommen, aber bald darauf an die kaiserl. Truppen wieder verloren.

Es wurde erzählt, daß sechs Dampfböte mit Ungarn die Donau herabgekommen, aber wieder umgekehrt seien, als das erste davon heftig beschossen worden.

Aus der Stadt kamen fortwährend Deputationen an den Fürsten Windischgrätz; in Folge einer derselben, an deren Spitze ein Abgeordneter Pillersdorf gestanden haben soll, hatte der Fürst Windischgrätz die unten folgende Proklamation "an die Bewohner Wiens" erlassen.

Vom Reichstage hatte sich eine Deputation von 3 Mitgliedern, an deren Spitze der Minister Kraus (welcher schon früher vom Kaiser nach Olmütz berufen war), ans Hoflager begeben, um gegen die Verlegung des Reichstage nach Kremsier zu remonstriren.

Es wurde behauptet, der Fürst habe dem Gemeinderath die Personen namhaft gemacht, auf deren Auslieferung er bestehen werde.

In der Nacht vom 26. zum 27. hörte man von mehreren Seiten den Donner des groben Geschützes, auch am Morgen des 27. hier und da vereinzeltes Feuern; am Mittag herrschte aber vollkommene Stille, und es hieß, daß sich wieder eine Deputation bei dem Fürsten befinde.

Der Nordbahnhof und der Prater bis nahe an die Leopold-Stadt waren bei Abgang der letzten Reisenden vom Banus besetzt; man wollte 50 bis 60 Gefangene aus der Stadt haben ins Hauptquartier abführen sehen.

Nach allen Nachrichten schlugen die Städtischen sich mit Tapferkeit; man wollte an ihrem guten Schießen besonders die Polen erkennen. Dagegen soll die Erbitterung der Truppen durch die fortwährend auf sie gemachten Angriffe, welche sie noch nicht erwiedern durften, aufs höchste gestiegen seyn.

An die Bewohner Wiens!

Es ist mir der Antrag gestellt worden, eine friedliche Vermittelung mit der Stadt einzugehen und mit meinen Truppen nach Wien einzurücken, um die von mir vorgeschriebenen Bedingungen selbst in Ausführung zu bringen.

Ich appellire an den Rechtlichkeitssinn eines gewiß großen Theiles der Bewohner Wiens und frage sie, ob es möglich ist, daß ich nach allem Vorgefallenen, nachdem auf meine Truppen ohne allen Anlaß gleich bei ihrem Erscheinen gefeuert wurde, mit denselben nach Wien einziehen könne, in die Stadt, die nach Aussage Aller, von bewaffneten Uebelgesinnten wimmelt, ehe diese Menge entwaffnet ist, ohne einen mörderischen Straßenkampf herbeizuführen. Ich frage, ob diejenigen, welche mir Frieden anbieten, welche mich auffordern, ungescheut nach Wien einzuziehen, auch wenn sie es gut mit mir meinten, im Stande wären, denen Ruhe und Mäßigung zu gebieten, die nun schon seit Wochen mit Waffen in der Hand die Stadt terrorisiren.

Es ist meine Pflicht, den guten Theil der Bewohner Wiens von dem in Kenntniß zu setzen, was seit der kurzen Zeit meines Erscheinens und vor derselben geschehen ist, da diese Vorfälle gewiß auf das Höchste entstellt werden. Seit mehreren Tagen finden stete Angriffe auf meine Truppen statt, die den Befehl haben, nur im dringendsten Falle dieselben zu erwiedern, was denn auch bereits an mehreren Orten geschehen ist. Die Partei, welche für die Urheber jener unerhörten Schandthat, die an dem Kriegs-Minister Grafen Latour und selbst noch an seiner Leiche begangen wurde, von Sr. Majestät Amnestie begehrt, welche die Entfernung der Truppen, die so schändlich angegriffen wurden, verlangt, einen Antrag auf Verbannung mehrerer Glieder des kaiserlichen Hauses stellte, noch vor Kurzem gegen die mir von Sr. Majestät dem Kaiser verliehene Vollmacht protestirte und meine ganze Sendung als ungesetzlich erklärte, - diese Partei schickt Friedensboten zu mir, um mich mit meinen Truppen ohne alle Garantie in die Stadt zu ziehen!

Fern ist von mir der Gedanke unnöthiger Gewalt-Maßregeln; es erfüllt mich mit Schmerz, gegen die Hauptstadt der Monarchie feindlich auftreten zu müssen; doch ich frage nochmals die rechtlich gesinnten Bewohner derselben: ist Vermittlung in der mir angetragenen Form unter solchen Voraussetzungen möglich?

Hauptquartier Hetzdorff, den 25. Okt. 1848.

(gez.) Fürst zu Windischgrätz.

Ollmütz, 25. Okt.

Das Einrücken in die Vorstädte, wovon ich Ihnen gestern schrieb, ist dem Fürsten Windischgrätz nicht so leicht gewesen, als es die voraneilenden Nachrichten kundthaten. Wir erhielten gestern hier um 4 Uhr Nachmittag eine telegraphische Nachricht, daß Windischgrätz am Tabor heftig mit Kanonenfeuer begrüßt wurde, das er noch heftiger erwiderte. Die Stadtkanonen wurden zum Schweigen gebracht und die Truppen marschirten im Sturmschritt ein. Auch hat Windischgrätz von seinen Truppen einige Bataillone an Jellachich abgegeben. Der Reichstag soll sich nicht mehr versammeln und die heftigsten Führer der ultradeutschen Partei, ein Tausenau, Mahler u. dgl. haben sich nach Pesth begeben. Hier bei uns in Ollmütz wollen Viele schon das kaiserl. Manifest gelesen haben - das den Wiener Reichstag nicht auf unbestimmt vertagt, sondern ihn nach Kremsier in Mähren auf den 15. November einberuft. Heute oder morgen soll es an unsern Straßenecken angeschlagen werden. Dreihundert Quartiere seien schon in Kremsier ermittelt und die drei Wochen bis zum 15. Nov. sollen nur dazu verwendet werden, im erzbischöflichen Palais den großen Saal zum Empfange der Deputirten herzurichten. Anfänglich soll man Brünn als Reichstagsstadt bestimmt haben, als aber Brünner Garden nach Wien zogen, hielt man Brünn nicht für neutral genug.

Bei der Entwaffnung der Brünner Garden in Lundenburg - die den heftigsten Aufstand in Brünn selbst zur Folge hatte - soll von beiden Seiten gefehlt worden sein. Man erzählt nämlich hier, daß die Brünner Garden unbewaffnet!. nach Wien gezogen, bewaffnet aber zurückgekehrt seien. Statt aber nur die Wiener Gewehre abzufordern, sollen die Soldaten auch manches Andere abgefordert haben. Das Brünner Plakat schließt mit den Worten: Der Wolf hat das Lamm zerfleischt - und nennt als abgenommene Dinge auch Uhren, Geld etc. Die Prager, welche die Pfingstwoche durchgelebt, werden diesem Glauben beimessen.

(C. Bl. a. B.)
Lundenburg, 26. Okt.

Am 24. gegen 2 Uhr Nachmittags wurden zwischen der ärarischen und der Eisenbahnbrücke Wiener Seits die ersten Kanonenschüsse gegen das am linken Ufer der Donau postirte Militär abgefeuert, wodurch drei Kanoniere getödtet [Fortsetzung]

Venus und Adonis. Von
Shakespeare.
Uebersetzt von F. Freiligrath.
Als von dem thränenreichen Morgen g'rade
Die Sonne schied mit purpurnem Gesicht,
Da sucht' Adonis schon des Waldes Pfade;
Zu jagen liebt' er, doch zu lieben nicht.
Von Liebe siech, tritt Venus ihm entgegen
Und wirbt um ihn, wie kecke Werber pflegen.
"Du, dreimal schöner, als ich selbst," begann
Die Liebliche mit buhlerischem Kosen,
"Süß über Alles, holder als ein Mann,
Mehr weiß und roth, als Tauben sind und Rosen,
Sich selbst besiegend, da sie Dich vollendet,
Sagt die Natur, daß mit Dir Alles endet.
"Geruh', Du Wunder, Dich vom Roß zu schwingen,
Und an den Sattelbogen festzuzäumen
Sein stolzes Haupt; zum Lohn von tausend Dingen
Erfährst Du auch, so süßen als geheimen.
O, komm - dies Moos birgt keiner Schlangen Tücke! -
Daß ich mit meinen Küssen Dich ersticke.
"Und fürchte nicht, verhaßte Sattheit müsse
Den Mund Dir schließen; nein, im Ueberfluß
Soll er noch hungern, wundgeküßt: zehn Küsse
Wie Einer kurz, wie zwanzig lang Ein Kuß.
Ein Sommertag muß einer Stunde gleichen,
Läßt unter solchem Spiel man ihn verstreichen." -
Mit dem ergreift sie seine schweiß'ge Hand,
Die Botin seiner Kraft und Männlichkeit.
"'s ist edler Balsam," zittert sie, "gesandt,
Daß eine Göttin seiner sich erfreut."
So rasend, gibt ihr Stärke die Begier,
Ihn sich herabzuziehn von seinem Thier.
Des Renners Zügel über einem Arm,
Schlägt sie den andern um des Knaben Leib,
Der dämisch schmollt, und roth wird, doch nicht warm,
Und abhold ist dem süßen Zeitvertreib.
Sie roth und heiß, wie Kohlen recht im Feuer;
Er roth vor Schaam, allein ein frost'ger Freier.
O, Lieb' ist schnell! - um einen knorr'gen Ast
Weiß sie behend den bunten Zaum zu winden;
Das Roß ist aufgestallt, und jetzt in Hast
Versucht sie auch den Reiter festzubinden.
Ihn rückwärts stoßend, wie er sie es müßte,
Lenkt seinen Leib sie, doch nicht seine Lüste.
Kaum sinkt er hin, so fällt auch sie zur Erde,
Gleich ihm auf Hüft' und Ellenbogen lehnend;
Sie streichelt ihn, doch er mit Zorngeberde
Verweist es ihr; - ihn zu beschwicht'gen wähnend,
Vor Wollust stammelnd, sagt sie unter Küssen:
"Ja, wenn Du schmälst, muß ich den Mund Dir schließen."
Er brennt vor Schaam; sein mädchenhaft Erglühn
Löscht sie mit Thränen; drauf mit ihren Locken
Und ihren Seufzern wieder kühlt sie ihn,
Und fächelt seine Wangen wieder trocken.
Er nennt sie frech und schilt ihr zuchtlos Werben;
Was folgen soll, läßt sie durch Küsse sterben.
Und wie ein Aar, der lange Zeit gefastet,
Den Schnabel senkt in Federn, Fleisch und Bein,
Die Schwingen schüttelt und nicht eher rastet,
Als bis er voll ist, und der Raub herein:
So küßt sie Stirn ihm, Kinn und Mund und Wangen,
Um, wo sie endet, wieder anzufangen.
Er muß es schmollend wohl zufrieden sein;
Er liegt und keucht, und athmet ihr entgegen.
Sie saugt begierig seinen Odem ein,
Und nennt ihn Wonnedüften, Himmelsregen;
Und wünscht, ihr Antlitz trüge Blumenbeete,
Daß ewig sie ein solcher Thau umwehte.
Sieh, wie ein Netz den Vogel, so umstricken
Der Göttin Arme den Gefangenen; - Wuth
Und finstres Zürnen sprüht aus seinen Blicken,
Und läßt sie glühn mit doppelt schöner Glut.
Wird Regen sich in volle Ström' ergießen,
Dann müssen wohl die Ufer überfließen.
Noch bittet sie, und artig bittet sie;
Denn art'gen Ohren ja tönt ihre Stimme.
Noch brütet er, noch lohnt er ihre Müh'
Mit rother Schaam und aschefarbnem Grimme.
Roth zieht sie vor, doch Blaß auch läßt sie gelten,
Der Neuheit wegen, denn blaß ist er selten.
Gleichviel, ob er sie liebt; sie muß ihn lieben,
Und schwört es laut bei ihrer Hand, der schönen,
Unsterblichen: "Durch nichts werd' ich vertrieben
Von Deiner Brust, als bis mit meinen Thränen
Du Frieden machst; für Dich rinnt diese Flut;
Ein süßer Kuß macht Alles, Alles gut."
Als dies Versprechen ihrer Lipp' entflieht,
Hebt er das Kinn, wie Taucher sich erheben,
Und schnell versinken, wenn man sie ansieht: -
So will er ihr, was sie begehrte, geben;
Doch plötzlich blinzelt er, und kehrt zur Seite
Die Lippe, die zum Kusse schon bereite.
Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 131. Köln, Mittwoch den 1. November. 1848.

Die Wiener Briefe und Zeitungen sind wieder ausgeblieben.

Uebersicht.

Deutschland. Wien. (Eine Proclamation von Windischgrätz. ‒ Der Pr. Staatsanzeiger.) Olmütz. (Nachrichten aus Wien Reichstag in Kremsier. ‒ Die Entwaffnung der Brünner Garden.) Lundenburg. Windischgrätz und Wien.) Prag. (Cernirung Wiens. ‒ Eine Paralele.) Dortmund. (Köln-Mindener Eisenbahn.) Berlin. (Congreß der linken Deputirten. ‒ Demokratischer Congreß. ‒ Bekanntmachung Bardelebens. ‒ Bekanntmachung des Magistrats.) Schönwaldau. (Verbrechen und Strafe.) Frankfurt. (Paulskirchenjammer.) Thiengen. (Hecker.) Botzen. (Armeebefehl Radetzkis.)

Italien. (Zustand von Mailand. ‒ Fortdauernde Bewegung. ‒ Unruhen von Livorno.)

Französische Republik. Paris. (Vermischtes. ‒ Bugeaud. (Louis Napoleon.)

Großbritanien. London. (Die Breslauer Zeitung. ‒ Cobden. (Wellington. ‒ Friedenscongreß zu Brüssel.)

Türkei. Constantinopel. (Feuersbrunst.) Investitur Ibrahim Pascha′s zu Cairo.)

Deutschland.
Wien, 24. Okt.

Soeben erschien folgende Kundmachung:

Durch den Parlamentär Herrn Hauptmann und Oberkommandanten-Stellvertreter Thurn sind dem Unterzeichneten eine Anzahl Exemplare der nachfolgenden Proklamation des Feldmarschalls Fürsten zu Windischgrätz mit dem Auftrage zugekommen, selbe ungesäumt zur öffentlichen Kenntniß zu bringen. Ungeachtet das Oberkommando unter den Befehlen des Ministeriums des Innern, des hohen Reichstages und des Gemeinderaths steht; so sieht der Gefertigte dennoch keinen Grund, dem zwar in seltsamer Weise ausgedrückten Wunsche des Herrn Feldmarschalls nicht nachzukommen.

Wien, am 24. Oktober 1848.

Messenhauer, prov. Oberkommandant.

Proklamation.

Im Verfolge des von mir in meiner ersten Proklamation vom 20. d. M. verkündeten Belagerungszustandes und Standrechtes für die Stadt Wien, die Vorstädte und nächste Umgebung habe ich befunden, als fernere Bedingung zu stellen:

1) Die Stadt Wien, deren Vorstädte und die nächsten Umgebungen haben 48 Stunden nach Erhalt dieser Proklamation ihre Unterwerfung auszusprechen und legion- oder Compagnienweise die Waffen an einen zu bestimmenden Ort an eine Commission abzuliefern, so wie alle nicht in der Nationalgarde eingereihten Individuen zu entwaffnen, mit Bezeichnung der Waffen, welche Privateigenthum sind.

2) Alle bewaffneten Corps und die Studenten-Legion werden aufgelöst, ‒ die Aule gesperrt, die Vorsteher der akademischen Legion und 12 Studenten als Geißeln gestellt.

3) Mehrere von mir noch zu bestimmende Individuen sind auszuliefern.

4) Auf die Dauer des Belagerungszustandes sind alle Zeitungsblätter zu suspendiren, mit Ausnahme der Wiener Zeitung, welche sich bloß auf officielle Mittheilungen zu beschränken hat.

5) Alle Ausländer in der Residenz sind mit legalen Nachweisungen der Ursache ihres Aufenthaltes namhaft zu machen, die Paßlosen zur alsogleichen Ausweisung anzuzeigen.

6) Alle Clubbs bleiben während des Belagerungszustandes aufgehoben und geschlossen.

7) Ein Jeder, der sich

a. obigen Maßregeln entweder durch eigene That oder durch aufwieglerische Versuche bei andern widersetzt; ‒ wer

b. des Aufruhrs oder der Theilnahme an demselben überwiesen, oder

c. mit Waffen in der Hand ergriffen wird ‒ verfällt der standrechtlichen Behandlung.

Die Erfüllung dieser Bedingungen hat 48 Stunden nach Veröffentlichung dieser Proklamation einzutreten, widrigen Falls ich mich gezwungen sehen werde, die allerenergischsten Maßregeln zu ergreifen, um die Stadt zur Unterwerfung zu zwingen.

Hauptquartier Hetzendorf, am 23. October 1848.

Fürst zu Windischgrätz, Feldmarschall.

Wien.

Der Preuß. Staats-[unleserliches Material] schreibt: Nachrichten, welche aus der Umgegend Wiens über Breslau hierher gelangt sind, stellen fest, daß bis zum 27. Mittags noch kein Angriff auf die Stadt stattgefunden hatte. Dagegen waren von der Stadt aus mehrfache Angriffe auf die kaiserl. Truppen gemacht worden; so war am Breitensee und in der Vorstadt Lerchenfeld bedeutend gekämpft worden. Durch die wiederholten Angriffe hatte sich ein Theil des mährischen Armeekorps zum Vorrücken genöthigt gesehen und war bei dem schmelzer Kirchhof auf ein starkes Kartätschenfeuer gestoßen, wogegen eine Batterie herbeigeholt und der Kirchhof von den Füsilieren genommen, später aber, wegen zu exponirter Lage, wieder verlassen wurde. Auf der Nußdorfer Seite waren die Städtischen völlig in die Linie zurückgedrängt und alle Punkte der Umgegend besetzt, so auch Fünf- und Sechshaufen.

Der Fürst Windischgrätz hatte Befehl gegeben, das Feuer überall einzustellen, wo dasselbe nicht durch Angriffe von der Stadt aus unvermeidlich sei; auch waren keine Bomben in die Stadt geworfen. Der Banus hatte das Lusthaus im Prater und die Pulverthürme besetzt und lehnte sich an die Donau unterhalb der Stadt. Die Wasser- und Gasleitungen waren der Stadt abgeschnitten; erstere waren auf der Nußdorfer Seite von den Städtern mit großer Tapferkeit durch einen energischen Angriff genommen, aber bald darauf an die kaiserl. Truppen wieder verloren.

Es wurde erzählt, daß sechs Dampfböte mit Ungarn die Donau herabgekommen, aber wieder umgekehrt seien, als das erste davon heftig beschossen worden.

Aus der Stadt kamen fortwährend Deputationen an den Fürsten Windischgrätz; in Folge einer derselben, an deren Spitze ein Abgeordneter Pillersdorf gestanden haben soll, hatte der Fürst Windischgrätz die unten folgende Proklamation „an die Bewohner Wiens“ erlassen.

Vom Reichstage hatte sich eine Deputation von 3 Mitgliedern, an deren Spitze der Minister Kraus (welcher schon früher vom Kaiser nach Olmütz berufen war), ans Hoflager begeben, um gegen die Verlegung des Reichstage nach Kremsier zu remonstriren.

Es wurde behauptet, der Fürst habe dem Gemeinderath die Personen namhaft gemacht, auf deren Auslieferung er bestehen werde.

In der Nacht vom 26. zum 27. hörte man von mehreren Seiten den Donner des groben Geschützes, auch am Morgen des 27. hier und da vereinzeltes Feuern; am Mittag herrschte aber vollkommene Stille, und es hieß, daß sich wieder eine Deputation bei dem Fürsten befinde.

Der Nordbahnhof und der Prater bis nahe an die Leopold-Stadt waren bei Abgang der letzten Reisenden vom Banus besetzt; man wollte 50 bis 60 Gefangene aus der Stadt haben ins Hauptquartier abführen sehen.

Nach allen Nachrichten schlugen die Städtischen sich mit Tapferkeit; man wollte an ihrem guten Schießen besonders die Polen erkennen. Dagegen soll die Erbitterung der Truppen durch die fortwährend auf sie gemachten Angriffe, welche sie noch nicht erwiedern durften, aufs höchste gestiegen seyn.

An die Bewohner Wiens!

Es ist mir der Antrag gestellt worden, eine friedliche Vermittelung mit der Stadt einzugehen und mit meinen Truppen nach Wien einzurücken, um die von mir vorgeschriebenen Bedingungen selbst in Ausführung zu bringen.

Ich appellire an den Rechtlichkeitssinn eines gewiß großen Theiles der Bewohner Wiens und frage sie, ob es möglich ist, daß ich nach allem Vorgefallenen, nachdem auf meine Truppen ohne allen Anlaß gleich bei ihrem Erscheinen gefeuert wurde, mit denselben nach Wien einziehen könne, in die Stadt, die nach Aussage Aller, von bewaffneten Uebelgesinnten wimmelt, ehe diese Menge entwaffnet ist, ohne einen mörderischen Straßenkampf herbeizuführen. Ich frage, ob diejenigen, welche mir Frieden anbieten, welche mich auffordern, ungescheut nach Wien einzuziehen, auch wenn sie es gut mit mir meinten, im Stande wären, denen Ruhe und Mäßigung zu gebieten, die nun schon seit Wochen mit Waffen in der Hand die Stadt terrorisiren.

Es ist meine Pflicht, den guten Theil der Bewohner Wiens von dem in Kenntniß zu setzen, was seit der kurzen Zeit meines Erscheinens und vor derselben geschehen ist, da diese Vorfälle gewiß auf das Höchste entstellt werden. Seit mehreren Tagen finden stete Angriffe auf meine Truppen statt, die den Befehl haben, nur im dringendsten Falle dieselben zu erwiedern, was denn auch bereits an mehreren Orten geschehen ist. Die Partei, welche für die Urheber jener unerhörten Schandthat, die an dem Kriegs-Minister Grafen Latour und selbst noch an seiner Leiche begangen wurde, von Sr. Majestät Amnestie begehrt, welche die Entfernung der Truppen, die so schändlich angegriffen wurden, verlangt, einen Antrag auf Verbannung mehrerer Glieder des kaiserlichen Hauses stellte, noch vor Kurzem gegen die mir von Sr. Majestät dem Kaiser verliehene Vollmacht protestirte und meine ganze Sendung als ungesetzlich erklärte, ‒ diese Partei schickt Friedensboten zu mir, um mich mit meinen Truppen ohne alle Garantie in die Stadt zu ziehen!

Fern ist von mir der Gedanke unnöthiger Gewalt-Maßregeln; es erfüllt mich mit Schmerz, gegen die Hauptstadt der Monarchie feindlich auftreten zu müssen; doch ich frage nochmals die rechtlich gesinnten Bewohner derselben: ist Vermittlung in der mir angetragenen Form unter solchen Voraussetzungen möglich?

Hauptquartier Hetzdorff, den 25. Okt. 1848.

(gez.) Fürst zu Windischgrätz.

Ollmütz, 25. Okt.

Das Einrücken in die Vorstädte, wovon ich Ihnen gestern schrieb, ist dem Fürsten Windischgrätz nicht so leicht gewesen, als es die voraneilenden Nachrichten kundthaten. Wir erhielten gestern hier um 4 Uhr Nachmittag eine telegraphische Nachricht, daß Windischgrätz am Tabor heftig mit Kanonenfeuer begrüßt wurde, das er noch heftiger erwiderte. Die Stadtkanonen wurden zum Schweigen gebracht und die Truppen marschirten im Sturmschritt ein. Auch hat Windischgrätz von seinen Truppen einige Bataillone an Jellachich abgegeben. Der Reichstag soll sich nicht mehr versammeln und die heftigsten Führer der ultradeutschen Partei, ein Tausenau, Mahler u. dgl. haben sich nach Pesth begeben. Hier bei uns in Ollmütz wollen Viele schon das kaiserl. Manifest gelesen haben ‒ das den Wiener Reichstag nicht auf unbestimmt vertagt, sondern ihn nach Kremsier in Mähren auf den 15. November einberuft. Heute oder morgen soll es an unsern Straßenecken angeschlagen werden. Dreihundert Quartiere seien schon in Kremsier ermittelt und die drei Wochen bis zum 15. Nov. sollen nur dazu verwendet werden, im erzbischöflichen Palais den großen Saal zum Empfange der Deputirten herzurichten. Anfänglich soll man Brünn als Reichstagsstadt bestimmt haben, als aber Brünner Garden nach Wien zogen, hielt man Brünn nicht für neutral genug.

Bei der Entwaffnung der Brünner Garden in Lundenburg ‒ die den heftigsten Aufstand in Brünn selbst zur Folge hatte ‒ soll von beiden Seiten gefehlt worden sein. Man erzählt nämlich hier, daß die Brünner Garden unbewaffnet!. nach Wien gezogen, bewaffnet aber zurückgekehrt seien. Statt aber nur die Wiener Gewehre abzufordern, sollen die Soldaten auch manches Andere abgefordert haben. Das Brünner Plakat schließt mit den Worten: Der Wolf hat das Lamm zerfleischt ‒ und nennt als abgenommene Dinge auch Uhren, Geld etc. Die Prager, welche die Pfingstwoche durchgelebt, werden diesem Glauben beimessen.

(C. Bl. a. B.)
Lundenburg, 26. Okt.

Am 24. gegen 2 Uhr Nachmittags wurden zwischen der ärarischen und der Eisenbahnbrücke Wiener Seits die ersten Kanonenschüsse gegen das am linken Ufer der Donau postirte Militär abgefeuert, wodurch drei Kanoniere getödtet [Fortsetzung]

Venus und Adonis. Von
Shakespeare.
Uebersetzt von F. Freiligrath.
Als von dem thränenreichen Morgen g′rade
Die Sonne schied mit purpurnem Gesicht,
Da sucht′ Adonis schon des Waldes Pfade;
Zu jagen liebt′ er, doch zu lieben nicht.
Von Liebe siech, tritt Venus ihm entgegen
Und wirbt um ihn, wie kecke Werber pflegen.
„Du, dreimal schöner, als ich selbst,“ begann
Die Liebliche mit buhlerischem Kosen,
„Süß über Alles, holder als ein Mann,
Mehr weiß und roth, als Tauben sind und Rosen,
Sich selbst besiegend, da sie Dich vollendet,
Sagt die Natur, daß mit Dir Alles endet.
„Geruh′, Du Wunder, Dich vom Roß zu schwingen,
Und an den Sattelbogen festzuzäumen
Sein stolzes Haupt; zum Lohn von tausend Dingen
Erfährst Du auch, so süßen als geheimen.
O, komm ‒ dies Moos birgt keiner Schlangen Tücke! ‒
Daß ich mit meinen Küssen Dich ersticke.
„Und fürchte nicht, verhaßte Sattheit müsse
Den Mund Dir schließen; nein, im Ueberfluß
Soll er noch hungern, wundgeküßt: zehn Küsse
Wie Einer kurz, wie zwanzig lang Ein Kuß.
Ein Sommertag muß einer Stunde gleichen,
Läßt unter solchem Spiel man ihn verstreichen.“ ‒
Mit dem ergreift sie seine schweiß′ge Hand,
Die Botin seiner Kraft und Männlichkeit.
„′s ist edler Balsam,“ zittert sie, „gesandt,
Daß eine Göttin seiner sich erfreut.“
So rasend, gibt ihr Stärke die Begier,
Ihn sich herabzuziehn von seinem Thier.
Des Renners Zügel über einem Arm,
Schlägt sie den andern um des Knaben Leib,
Der dämisch schmollt, und roth wird, doch nicht warm,
Und abhold ist dem süßen Zeitvertreib.
Sie roth und heiß, wie Kohlen recht im Feuer;
Er roth vor Schaam, allein ein frost′ger Freier.
O, Lieb′ ist schnell! ‒ um einen knorr′gen Ast
Weiß sie behend den bunten Zaum zu winden;
Das Roß ist aufgestallt, und jetzt in Hast
Versucht sie auch den Reiter festzubinden.
Ihn rückwärts stoßend, wie er sie es müßte,
Lenkt seinen Leib sie, doch nicht seine Lüste.
Kaum sinkt er hin, so fällt auch sie zur Erde,
Gleich ihm auf Hüft′ und Ellenbogen lehnend;
Sie streichelt ihn, doch er mit Zorngeberde
Verweist es ihr; ‒ ihn zu beschwicht′gen wähnend,
Vor Wollust stammelnd, sagt sie unter Küssen:
„Ja, wenn Du schmälst, muß ich den Mund Dir schließen.“
Er brennt vor Schaam; sein mädchenhaft Erglühn
Löscht sie mit Thränen; drauf mit ihren Locken
Und ihren Seufzern wieder kühlt sie ihn,
Und fächelt seine Wangen wieder trocken.
Er nennt sie frech und schilt ihr zuchtlos Werben;
Was folgen soll, läßt sie durch Küsse sterben.
Und wie ein Aar, der lange Zeit gefastet,
Den Schnabel senkt in Federn, Fleisch und Bein,
Die Schwingen schüttelt und nicht eher rastet,
Als bis er voll ist, und der Raub herein:
So küßt sie Stirn ihm, Kinn und Mund und Wangen,
Um, wo sie endet, wieder anzufangen.
Er muß es schmollend wohl zufrieden sein;
Er liegt und keucht, und athmet ihr entgegen.
Sie saugt begierig seinen Odem ein,
Und nennt ihn Wonnedüften, Himmelsregen;
Und wünscht, ihr Antlitz trüge Blumenbeete,
Daß ewig sie ein solcher Thau umwehte.
Sieh, wie ein Netz den Vogel, so umstricken
Der Göttin Arme den Gefangenen; ‒ Wuth
Und finstres Zürnen sprüht aus seinen Blicken,
Und läßt sie glühn mit doppelt schöner Glut.
Wird Regen sich in volle Ström' ergießen,
Dann müssen wohl die Ufer überfließen.
Noch bittet sie, und artig bittet sie;
Denn art′gen Ohren ja tönt ihre Stimme.
Noch brütet er, noch lohnt er ihre Müh′
Mit rother Schaam und aschefarbnem Grimme.
Roth zieht sie vor, doch Blaß auch läßt sie gelten,
Der Neuheit wegen, denn blaß ist er selten.
Gleichviel, ob er sie liebt; sie muß ihn lieben,
Und schwört es laut bei ihrer Hand, der schönen,
Unsterblichen: „Durch nichts werd′ ich vertrieben
Von Deiner Brust, als bis mit meinen Thränen
Du Frieden machst; für Dich rinnt diese Flut;
Ein süßer Kuß macht Alles, Alles gut.“
Als dies Versprechen ihrer Lipp′ entflieht,
Hebt er das Kinn, wie Taucher sich erheben,
Und schnell versinken, wenn man sie ansieht: ‒
So will er ihr, was sie begehrte, geben;
Doch plötzlich blinzelt er, und kehrt zur Seite
Die Lippe, die zum Kusse schon bereite.
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        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>No 131. Köln, Mittwoch den 1. November. 1848.</docDate>
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        <p>Die Wiener Briefe und Zeitungen sind wieder ausgeblieben.</p>
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        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Wien. (Eine Proclamation von Windischgrätz. &#x2012; Der Pr. Staatsanzeiger.) Olmütz. (Nachrichten aus Wien Reichstag in Kremsier. &#x2012; Die Entwaffnung der Brünner Garden.) Lundenburg. Windischgrätz und Wien.) Prag. (Cernirung Wiens. &#x2012; Eine Paralele.) Dortmund. (Köln-Mindener Eisenbahn.) Berlin. (Congreß der linken Deputirten. &#x2012; Demokratischer Congreß. &#x2012; Bekanntmachung Bardelebens. &#x2012; Bekanntmachung des Magistrats.) Schönwaldau. (Verbrechen und Strafe.) Frankfurt. (Paulskirchenjammer.) Thiengen. (Hecker.) Botzen. (Armeebefehl Radetzkis.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> (Zustand von Mailand. &#x2012; Fortdauernde Bewegung. &#x2012; Unruhen von Livorno.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Französische Republik.</hi> Paris. (Vermischtes. &#x2012; Bugeaud. (Louis Napoleon.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Großbritanien.</hi> London. (Die Breslauer Zeitung. &#x2012; Cobden. (Wellington. &#x2012; Friedenscongreß zu Brüssel.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Türkei.</hi> Constantinopel. (Feuersbrunst.) Investitur Ibrahim Pascha&#x2032;s zu Cairo.)</p>
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        <head>Deutschland.</head>
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          <head>Wien, 24. Okt.</head>
          <p>Soeben erschien folgende Kundmachung:</p>
          <p>Durch den Parlamentär Herrn Hauptmann und Oberkommandanten-Stellvertreter Thurn sind dem Unterzeichneten eine Anzahl Exemplare der nachfolgenden Proklamation des Feldmarschalls Fürsten zu Windischgrätz mit dem Auftrage zugekommen, selbe ungesäumt zur öffentlichen Kenntniß zu bringen. Ungeachtet das Oberkommando unter den Befehlen des Ministeriums des Innern, des hohen Reichstages und des Gemeinderaths steht; so sieht der Gefertigte dennoch keinen Grund, dem zwar in seltsamer Weise ausgedrückten Wunsche des Herrn Feldmarschalls nicht nachzukommen.</p>
          <p>Wien, am 24. Oktober 1848.</p>
          <p><hi rendition="#g">Messenhauer,</hi> prov. Oberkommandant.</p>
          <p>Proklamation.</p>
          <p>Im Verfolge des von mir in meiner ersten Proklamation vom 20. d. M. verkündeten Belagerungszustandes und Standrechtes für die Stadt Wien, die Vorstädte und nächste Umgebung habe ich befunden, als fernere Bedingung zu stellen:</p>
          <p>1) Die Stadt Wien, deren Vorstädte und die nächsten Umgebungen haben 48 Stunden nach Erhalt dieser Proklamation ihre Unterwerfung auszusprechen und legion- oder Compagnienweise die Waffen an einen zu bestimmenden Ort an eine Commission abzuliefern, so wie alle nicht in der Nationalgarde eingereihten Individuen zu entwaffnen, mit Bezeichnung der Waffen, welche Privateigenthum sind.</p>
          <p>2) Alle bewaffneten Corps und die Studenten-Legion werden aufgelöst, &#x2012; die Aule gesperrt, die Vorsteher der akademischen Legion und 12 Studenten als Geißeln gestellt.</p>
          <p>3) Mehrere von mir noch zu bestimmende Individuen sind auszuliefern.</p>
          <p>4) Auf die Dauer des Belagerungszustandes sind alle Zeitungsblätter zu suspendiren, mit Ausnahme der Wiener Zeitung, welche sich bloß auf officielle Mittheilungen zu beschränken hat.</p>
          <p>5) Alle Ausländer in der Residenz sind mit legalen Nachweisungen der Ursache ihres Aufenthaltes namhaft zu machen, die Paßlosen zur alsogleichen Ausweisung anzuzeigen.</p>
          <p>6) Alle Clubbs bleiben während des Belagerungszustandes aufgehoben und geschlossen.</p>
          <p>7) Ein Jeder, der sich</p>
          <p>a. obigen Maßregeln entweder durch eigene That oder durch aufwieglerische Versuche bei andern widersetzt; &#x2012; wer</p>
          <p>b. des Aufruhrs oder der Theilnahme an demselben überwiesen, oder</p>
          <p>c. mit Waffen in der Hand ergriffen wird &#x2012; verfällt der standrechtlichen Behandlung.</p>
          <p>Die Erfüllung dieser Bedingungen hat 48 Stunden nach Veröffentlichung dieser Proklamation einzutreten, widrigen Falls ich mich gezwungen sehen werde, die allerenergischsten Maßregeln zu ergreifen, um die Stadt zur Unterwerfung zu zwingen.</p>
          <p>Hauptquartier Hetzendorf, am 23. October 1848.</p>
          <p>Fürst zu Windischgrätz, Feldmarschall.</p>
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          <head>Wien.</head>
          <p>Der Preuß. Staats-<gap reason="illegible"/> schreibt: Nachrichten, welche aus der Umgegend Wiens über Breslau hierher gelangt sind, stellen fest, daß bis zum 27. Mittags noch kein Angriff auf die Stadt stattgefunden hatte. Dagegen waren von der Stadt aus mehrfache Angriffe auf die kaiserl. Truppen gemacht worden; so war am Breitensee und in der Vorstadt Lerchenfeld bedeutend gekämpft worden. Durch die wiederholten Angriffe hatte sich ein Theil des mährischen Armeekorps zum Vorrücken genöthigt gesehen und war bei dem schmelzer Kirchhof auf ein starkes Kartätschenfeuer gestoßen, wogegen eine Batterie herbeigeholt und der Kirchhof von den Füsilieren genommen, später aber, wegen zu exponirter Lage, wieder verlassen wurde. Auf der Nußdorfer Seite waren die Städtischen völlig in die Linie zurückgedrängt und alle Punkte der Umgegend besetzt, so auch Fünf- und Sechshaufen.</p>
          <p>Der Fürst Windischgrätz hatte Befehl gegeben, das Feuer überall einzustellen, wo dasselbe nicht durch Angriffe von der Stadt aus unvermeidlich sei; auch waren keine Bomben in die Stadt geworfen. Der Banus hatte das Lusthaus im Prater und die Pulverthürme besetzt und lehnte sich an die Donau unterhalb der Stadt. Die Wasser- und Gasleitungen waren der Stadt abgeschnitten; erstere waren auf der Nußdorfer Seite von den Städtern mit großer Tapferkeit durch einen energischen Angriff genommen, aber bald darauf an die kaiserl. Truppen wieder verloren.</p>
          <p>Es wurde erzählt, daß sechs Dampfböte mit Ungarn die Donau herabgekommen, aber wieder umgekehrt seien, als das erste davon heftig beschossen worden.</p>
          <p>Aus der Stadt kamen fortwährend Deputationen an den Fürsten Windischgrätz; in Folge einer derselben, an deren Spitze ein Abgeordneter Pillersdorf gestanden haben soll, hatte der Fürst Windischgrätz die unten folgende Proklamation &#x201E;an die Bewohner Wiens&#x201C; erlassen.</p>
          <p>Vom Reichstage hatte sich eine Deputation von 3 Mitgliedern, an deren Spitze der Minister Kraus (welcher schon früher vom Kaiser nach Olmütz berufen war), ans Hoflager begeben, um gegen die Verlegung des Reichstage nach Kremsier zu remonstriren.</p>
          <p>Es wurde behauptet, der Fürst habe dem Gemeinderath die Personen namhaft gemacht, auf deren Auslieferung er bestehen werde.</p>
          <p>In der Nacht vom 26. zum 27. hörte man von mehreren Seiten den Donner des groben Geschützes, auch am Morgen des 27. hier und da vereinzeltes Feuern; am Mittag herrschte aber vollkommene Stille, und es hieß, daß sich wieder eine Deputation bei dem Fürsten befinde.</p>
          <p>Der Nordbahnhof und der Prater bis nahe an die Leopold-Stadt waren bei Abgang der letzten Reisenden vom Banus besetzt; man wollte 50 bis 60 Gefangene aus der Stadt haben ins Hauptquartier abführen sehen.</p>
          <p>Nach allen Nachrichten schlugen die Städtischen sich mit Tapferkeit; man wollte an ihrem guten Schießen besonders die Polen erkennen. Dagegen soll die Erbitterung der Truppen durch die fortwährend auf sie gemachten Angriffe, welche sie noch nicht erwiedern durften, aufs höchste gestiegen seyn.</p>
          <p>An die Bewohner Wiens!</p>
          <p>Es ist mir der Antrag gestellt worden, eine friedliche Vermittelung mit der Stadt einzugehen und mit meinen Truppen nach Wien einzurücken, um die von mir vorgeschriebenen Bedingungen selbst in Ausführung zu bringen.</p>
          <p>Ich appellire an den Rechtlichkeitssinn eines gewiß großen Theiles der Bewohner Wiens und frage sie, ob es möglich ist, daß ich nach allem Vorgefallenen, nachdem auf meine Truppen ohne allen Anlaß gleich bei ihrem Erscheinen gefeuert wurde, mit denselben nach Wien einziehen könne, in die Stadt, die nach Aussage Aller, von bewaffneten Uebelgesinnten wimmelt, ehe diese Menge entwaffnet ist, ohne einen mörderischen Straßenkampf herbeizuführen. Ich frage, ob diejenigen, welche mir Frieden anbieten, welche mich auffordern, ungescheut nach Wien einzuziehen, auch wenn sie es gut mit mir meinten, im Stande wären, denen Ruhe und Mäßigung zu gebieten, die nun schon seit Wochen mit Waffen in der Hand die Stadt terrorisiren.</p>
          <p>Es ist meine Pflicht, den guten Theil der Bewohner Wiens von dem in Kenntniß zu setzen, was seit der kurzen Zeit meines Erscheinens und vor derselben geschehen ist, da diese Vorfälle gewiß auf das Höchste entstellt werden. Seit mehreren Tagen finden stete Angriffe auf meine Truppen statt, die den Befehl haben, nur im dringendsten Falle dieselben zu erwiedern, was denn auch bereits an mehreren Orten geschehen ist. Die Partei, welche für die Urheber jener unerhörten Schandthat, die an dem Kriegs-Minister Grafen Latour und selbst noch an seiner Leiche begangen wurde, von Sr. Majestät Amnestie begehrt, welche die Entfernung der Truppen, die so schändlich angegriffen wurden, verlangt, einen Antrag auf Verbannung mehrerer Glieder des kaiserlichen Hauses stellte, noch vor Kurzem gegen die mir von Sr. Majestät dem Kaiser verliehene Vollmacht protestirte und meine ganze Sendung als ungesetzlich erklärte, &#x2012; diese Partei schickt Friedensboten zu mir, um mich mit meinen Truppen ohne alle Garantie in die Stadt zu ziehen!</p>
          <p>Fern ist von mir der Gedanke unnöthiger Gewalt-Maßregeln; es erfüllt mich mit Schmerz, gegen die Hauptstadt der Monarchie feindlich auftreten zu müssen; doch ich frage nochmals die rechtlich gesinnten Bewohner derselben: ist Vermittlung in der mir angetragenen Form unter solchen Voraussetzungen möglich?</p>
          <p>Hauptquartier Hetzdorff, den 25. Okt. 1848.</p>
          <p>(gez.) Fürst zu Windischgrätz.</p>
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          <head>Ollmütz, 25. Okt.</head>
          <p>Das Einrücken in die Vorstädte, wovon ich Ihnen gestern schrieb, ist dem Fürsten Windischgrätz nicht so leicht gewesen, als es die voraneilenden Nachrichten kundthaten. Wir erhielten gestern hier um 4 Uhr Nachmittag eine telegraphische Nachricht, daß Windischgrätz am Tabor heftig mit Kanonenfeuer begrüßt wurde, das er noch heftiger erwiderte. Die Stadtkanonen wurden zum Schweigen gebracht und die Truppen marschirten im Sturmschritt ein. Auch hat Windischgrätz von seinen Truppen einige Bataillone an Jellachich abgegeben. Der Reichstag soll sich nicht mehr versammeln und die heftigsten Führer der ultradeutschen Partei, ein Tausenau, Mahler u. dgl. haben sich nach Pesth begeben. Hier bei uns in Ollmütz wollen Viele schon das kaiserl. Manifest gelesen haben &#x2012; das den Wiener Reichstag nicht auf unbestimmt vertagt, sondern ihn nach Kremsier in Mähren auf den 15. November einberuft. Heute oder morgen soll es an unsern Straßenecken angeschlagen werden. Dreihundert Quartiere seien schon in Kremsier ermittelt und die drei Wochen bis zum 15. Nov. sollen nur dazu verwendet werden, im erzbischöflichen Palais den großen Saal zum Empfange der Deputirten herzurichten. Anfänglich soll man Brünn als Reichstagsstadt bestimmt haben, als aber Brünner Garden nach Wien zogen, hielt man Brünn nicht für neutral genug.</p>
          <p>Bei der Entwaffnung der Brünner Garden in Lundenburg &#x2012; die den heftigsten Aufstand in Brünn selbst zur Folge hatte &#x2012; soll von beiden Seiten gefehlt worden sein. Man erzählt nämlich hier, daß die Brünner Garden unbewaffnet!. nach Wien gezogen, bewaffnet aber zurückgekehrt seien. Statt aber nur die Wiener Gewehre abzufordern, sollen die Soldaten auch manches Andere abgefordert haben. Das Brünner Plakat schließt mit den Worten: Der Wolf hat das Lamm zerfleischt &#x2012; und nennt als abgenommene Dinge auch Uhren, Geld etc. Die Prager, welche die Pfingstwoche durchgelebt, werden diesem Glauben beimessen.</p>
          <bibl>(C. Bl. a. B.)</bibl>
        </div>
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          <head>Lundenburg, 26. Okt.</head>
          <p>Am 24. gegen 2 Uhr Nachmittags wurden zwischen der ärarischen und der Eisenbahnbrücke Wiener Seits die ersten Kanonenschüsse gegen das am linken Ufer der Donau postirte Militär abgefeuert, wodurch drei Kanoniere getödtet <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref>                </p>
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          <head>Venus und Adonis.</head>
          <bibl>Von<lb/><hi rendition="#g">Shakespeare.</hi><lb/>
Uebersetzt von F. <hi rendition="#g">Freiligrath.</hi> </bibl>
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[0661/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 131. Köln, Mittwoch den 1. November. 1848. Die Wiener Briefe und Zeitungen sind wieder ausgeblieben. Uebersicht. Deutschland. Wien. (Eine Proclamation von Windischgrätz. ‒ Der Pr. Staatsanzeiger.) Olmütz. (Nachrichten aus Wien Reichstag in Kremsier. ‒ Die Entwaffnung der Brünner Garden.) Lundenburg. Windischgrätz und Wien.) Prag. (Cernirung Wiens. ‒ Eine Paralele.) Dortmund. (Köln-Mindener Eisenbahn.) Berlin. (Congreß der linken Deputirten. ‒ Demokratischer Congreß. ‒ Bekanntmachung Bardelebens. ‒ Bekanntmachung des Magistrats.) Schönwaldau. (Verbrechen und Strafe.) Frankfurt. (Paulskirchenjammer.) Thiengen. (Hecker.) Botzen. (Armeebefehl Radetzkis.) Italien. (Zustand von Mailand. ‒ Fortdauernde Bewegung. ‒ Unruhen von Livorno.) Französische Republik. Paris. (Vermischtes. ‒ Bugeaud. (Louis Napoleon.) Großbritanien. London. (Die Breslauer Zeitung. ‒ Cobden. (Wellington. ‒ Friedenscongreß zu Brüssel.) Türkei. Constantinopel. (Feuersbrunst.) Investitur Ibrahim Pascha′s zu Cairo.) Deutschland. Wien, 24. Okt. Soeben erschien folgende Kundmachung: Durch den Parlamentär Herrn Hauptmann und Oberkommandanten-Stellvertreter Thurn sind dem Unterzeichneten eine Anzahl Exemplare der nachfolgenden Proklamation des Feldmarschalls Fürsten zu Windischgrätz mit dem Auftrage zugekommen, selbe ungesäumt zur öffentlichen Kenntniß zu bringen. Ungeachtet das Oberkommando unter den Befehlen des Ministeriums des Innern, des hohen Reichstages und des Gemeinderaths steht; so sieht der Gefertigte dennoch keinen Grund, dem zwar in seltsamer Weise ausgedrückten Wunsche des Herrn Feldmarschalls nicht nachzukommen. Wien, am 24. Oktober 1848. Messenhauer, prov. Oberkommandant. Proklamation. Im Verfolge des von mir in meiner ersten Proklamation vom 20. d. M. verkündeten Belagerungszustandes und Standrechtes für die Stadt Wien, die Vorstädte und nächste Umgebung habe ich befunden, als fernere Bedingung zu stellen: 1) Die Stadt Wien, deren Vorstädte und die nächsten Umgebungen haben 48 Stunden nach Erhalt dieser Proklamation ihre Unterwerfung auszusprechen und legion- oder Compagnienweise die Waffen an einen zu bestimmenden Ort an eine Commission abzuliefern, so wie alle nicht in der Nationalgarde eingereihten Individuen zu entwaffnen, mit Bezeichnung der Waffen, welche Privateigenthum sind. 2) Alle bewaffneten Corps und die Studenten-Legion werden aufgelöst, ‒ die Aule gesperrt, die Vorsteher der akademischen Legion und 12 Studenten als Geißeln gestellt. 3) Mehrere von mir noch zu bestimmende Individuen sind auszuliefern. 4) Auf die Dauer des Belagerungszustandes sind alle Zeitungsblätter zu suspendiren, mit Ausnahme der Wiener Zeitung, welche sich bloß auf officielle Mittheilungen zu beschränken hat. 5) Alle Ausländer in der Residenz sind mit legalen Nachweisungen der Ursache ihres Aufenthaltes namhaft zu machen, die Paßlosen zur alsogleichen Ausweisung anzuzeigen. 6) Alle Clubbs bleiben während des Belagerungszustandes aufgehoben und geschlossen. 7) Ein Jeder, der sich a. obigen Maßregeln entweder durch eigene That oder durch aufwieglerische Versuche bei andern widersetzt; ‒ wer b. des Aufruhrs oder der Theilnahme an demselben überwiesen, oder c. mit Waffen in der Hand ergriffen wird ‒ verfällt der standrechtlichen Behandlung. Die Erfüllung dieser Bedingungen hat 48 Stunden nach Veröffentlichung dieser Proklamation einzutreten, widrigen Falls ich mich gezwungen sehen werde, die allerenergischsten Maßregeln zu ergreifen, um die Stadt zur Unterwerfung zu zwingen. Hauptquartier Hetzendorf, am 23. October 1848. Fürst zu Windischgrätz, Feldmarschall. Wien. Der Preuß. Staats-_ schreibt: Nachrichten, welche aus der Umgegend Wiens über Breslau hierher gelangt sind, stellen fest, daß bis zum 27. Mittags noch kein Angriff auf die Stadt stattgefunden hatte. Dagegen waren von der Stadt aus mehrfache Angriffe auf die kaiserl. Truppen gemacht worden; so war am Breitensee und in der Vorstadt Lerchenfeld bedeutend gekämpft worden. Durch die wiederholten Angriffe hatte sich ein Theil des mährischen Armeekorps zum Vorrücken genöthigt gesehen und war bei dem schmelzer Kirchhof auf ein starkes Kartätschenfeuer gestoßen, wogegen eine Batterie herbeigeholt und der Kirchhof von den Füsilieren genommen, später aber, wegen zu exponirter Lage, wieder verlassen wurde. Auf der Nußdorfer Seite waren die Städtischen völlig in die Linie zurückgedrängt und alle Punkte der Umgegend besetzt, so auch Fünf- und Sechshaufen. Der Fürst Windischgrätz hatte Befehl gegeben, das Feuer überall einzustellen, wo dasselbe nicht durch Angriffe von der Stadt aus unvermeidlich sei; auch waren keine Bomben in die Stadt geworfen. Der Banus hatte das Lusthaus im Prater und die Pulverthürme besetzt und lehnte sich an die Donau unterhalb der Stadt. Die Wasser- und Gasleitungen waren der Stadt abgeschnitten; erstere waren auf der Nußdorfer Seite von den Städtern mit großer Tapferkeit durch einen energischen Angriff genommen, aber bald darauf an die kaiserl. Truppen wieder verloren. Es wurde erzählt, daß sechs Dampfböte mit Ungarn die Donau herabgekommen, aber wieder umgekehrt seien, als das erste davon heftig beschossen worden. Aus der Stadt kamen fortwährend Deputationen an den Fürsten Windischgrätz; in Folge einer derselben, an deren Spitze ein Abgeordneter Pillersdorf gestanden haben soll, hatte der Fürst Windischgrätz die unten folgende Proklamation „an die Bewohner Wiens“ erlassen. Vom Reichstage hatte sich eine Deputation von 3 Mitgliedern, an deren Spitze der Minister Kraus (welcher schon früher vom Kaiser nach Olmütz berufen war), ans Hoflager begeben, um gegen die Verlegung des Reichstage nach Kremsier zu remonstriren. Es wurde behauptet, der Fürst habe dem Gemeinderath die Personen namhaft gemacht, auf deren Auslieferung er bestehen werde. In der Nacht vom 26. zum 27. hörte man von mehreren Seiten den Donner des groben Geschützes, auch am Morgen des 27. hier und da vereinzeltes Feuern; am Mittag herrschte aber vollkommene Stille, und es hieß, daß sich wieder eine Deputation bei dem Fürsten befinde. Der Nordbahnhof und der Prater bis nahe an die Leopold-Stadt waren bei Abgang der letzten Reisenden vom Banus besetzt; man wollte 50 bis 60 Gefangene aus der Stadt haben ins Hauptquartier abführen sehen. Nach allen Nachrichten schlugen die Städtischen sich mit Tapferkeit; man wollte an ihrem guten Schießen besonders die Polen erkennen. Dagegen soll die Erbitterung der Truppen durch die fortwährend auf sie gemachten Angriffe, welche sie noch nicht erwiedern durften, aufs höchste gestiegen seyn. An die Bewohner Wiens! Es ist mir der Antrag gestellt worden, eine friedliche Vermittelung mit der Stadt einzugehen und mit meinen Truppen nach Wien einzurücken, um die von mir vorgeschriebenen Bedingungen selbst in Ausführung zu bringen. Ich appellire an den Rechtlichkeitssinn eines gewiß großen Theiles der Bewohner Wiens und frage sie, ob es möglich ist, daß ich nach allem Vorgefallenen, nachdem auf meine Truppen ohne allen Anlaß gleich bei ihrem Erscheinen gefeuert wurde, mit denselben nach Wien einziehen könne, in die Stadt, die nach Aussage Aller, von bewaffneten Uebelgesinnten wimmelt, ehe diese Menge entwaffnet ist, ohne einen mörderischen Straßenkampf herbeizuführen. Ich frage, ob diejenigen, welche mir Frieden anbieten, welche mich auffordern, ungescheut nach Wien einzuziehen, auch wenn sie es gut mit mir meinten, im Stande wären, denen Ruhe und Mäßigung zu gebieten, die nun schon seit Wochen mit Waffen in der Hand die Stadt terrorisiren. Es ist meine Pflicht, den guten Theil der Bewohner Wiens von dem in Kenntniß zu setzen, was seit der kurzen Zeit meines Erscheinens und vor derselben geschehen ist, da diese Vorfälle gewiß auf das Höchste entstellt werden. Seit mehreren Tagen finden stete Angriffe auf meine Truppen statt, die den Befehl haben, nur im dringendsten Falle dieselben zu erwiedern, was denn auch bereits an mehreren Orten geschehen ist. Die Partei, welche für die Urheber jener unerhörten Schandthat, die an dem Kriegs-Minister Grafen Latour und selbst noch an seiner Leiche begangen wurde, von Sr. Majestät Amnestie begehrt, welche die Entfernung der Truppen, die so schändlich angegriffen wurden, verlangt, einen Antrag auf Verbannung mehrerer Glieder des kaiserlichen Hauses stellte, noch vor Kurzem gegen die mir von Sr. Majestät dem Kaiser verliehene Vollmacht protestirte und meine ganze Sendung als ungesetzlich erklärte, ‒ diese Partei schickt Friedensboten zu mir, um mich mit meinen Truppen ohne alle Garantie in die Stadt zu ziehen! Fern ist von mir der Gedanke unnöthiger Gewalt-Maßregeln; es erfüllt mich mit Schmerz, gegen die Hauptstadt der Monarchie feindlich auftreten zu müssen; doch ich frage nochmals die rechtlich gesinnten Bewohner derselben: ist Vermittlung in der mir angetragenen Form unter solchen Voraussetzungen möglich? Hauptquartier Hetzdorff, den 25. Okt. 1848. (gez.) Fürst zu Windischgrätz. Ollmütz, 25. Okt. Das Einrücken in die Vorstädte, wovon ich Ihnen gestern schrieb, ist dem Fürsten Windischgrätz nicht so leicht gewesen, als es die voraneilenden Nachrichten kundthaten. Wir erhielten gestern hier um 4 Uhr Nachmittag eine telegraphische Nachricht, daß Windischgrätz am Tabor heftig mit Kanonenfeuer begrüßt wurde, das er noch heftiger erwiderte. Die Stadtkanonen wurden zum Schweigen gebracht und die Truppen marschirten im Sturmschritt ein. Auch hat Windischgrätz von seinen Truppen einige Bataillone an Jellachich abgegeben. Der Reichstag soll sich nicht mehr versammeln und die heftigsten Führer der ultradeutschen Partei, ein Tausenau, Mahler u. dgl. haben sich nach Pesth begeben. Hier bei uns in Ollmütz wollen Viele schon das kaiserl. Manifest gelesen haben ‒ das den Wiener Reichstag nicht auf unbestimmt vertagt, sondern ihn nach Kremsier in Mähren auf den 15. November einberuft. Heute oder morgen soll es an unsern Straßenecken angeschlagen werden. Dreihundert Quartiere seien schon in Kremsier ermittelt und die drei Wochen bis zum 15. Nov. sollen nur dazu verwendet werden, im erzbischöflichen Palais den großen Saal zum Empfange der Deputirten herzurichten. Anfänglich soll man Brünn als Reichstagsstadt bestimmt haben, als aber Brünner Garden nach Wien zogen, hielt man Brünn nicht für neutral genug. Bei der Entwaffnung der Brünner Garden in Lundenburg ‒ die den heftigsten Aufstand in Brünn selbst zur Folge hatte ‒ soll von beiden Seiten gefehlt worden sein. Man erzählt nämlich hier, daß die Brünner Garden unbewaffnet!. nach Wien gezogen, bewaffnet aber zurückgekehrt seien. Statt aber nur die Wiener Gewehre abzufordern, sollen die Soldaten auch manches Andere abgefordert haben. Das Brünner Plakat schließt mit den Worten: Der Wolf hat das Lamm zerfleischt ‒ und nennt als abgenommene Dinge auch Uhren, Geld etc. Die Prager, welche die Pfingstwoche durchgelebt, werden diesem Glauben beimessen. (C. Bl. a. B.) Lundenburg, 26. Okt. Am 24. gegen 2 Uhr Nachmittags wurden zwischen der ärarischen und der Eisenbahnbrücke Wiener Seits die ersten Kanonenschüsse gegen das am linken Ufer der Donau postirte Militär abgefeuert, wodurch drei Kanoniere getödtet [Fortsetzung] Venus und Adonis. Von Shakespeare. Uebersetzt von F. Freiligrath. Als von dem thränenreichen Morgen g′rade Die Sonne schied mit purpurnem Gesicht, Da sucht′ Adonis schon des Waldes Pfade; Zu jagen liebt′ er, doch zu lieben nicht. Von Liebe siech, tritt Venus ihm entgegen Und wirbt um ihn, wie kecke Werber pflegen. „Du, dreimal schöner, als ich selbst,“ begann Die Liebliche mit buhlerischem Kosen, „Süß über Alles, holder als ein Mann, Mehr weiß und roth, als Tauben sind und Rosen, Sich selbst besiegend, da sie Dich vollendet, Sagt die Natur, daß mit Dir Alles endet. „Geruh′, Du Wunder, Dich vom Roß zu schwingen, Und an den Sattelbogen festzuzäumen Sein stolzes Haupt; zum Lohn von tausend Dingen Erfährst Du auch, so süßen als geheimen. O, komm ‒ dies Moos birgt keiner Schlangen Tücke! ‒ Daß ich mit meinen Küssen Dich ersticke. „Und fürchte nicht, verhaßte Sattheit müsse Den Mund Dir schließen; nein, im Ueberfluß Soll er noch hungern, wundgeküßt: zehn Küsse Wie Einer kurz, wie zwanzig lang Ein Kuß. Ein Sommertag muß einer Stunde gleichen, Läßt unter solchem Spiel man ihn verstreichen.“ ‒ Mit dem ergreift sie seine schweiß′ge Hand, Die Botin seiner Kraft und Männlichkeit. „′s ist edler Balsam,“ zittert sie, „gesandt, Daß eine Göttin seiner sich erfreut.“ So rasend, gibt ihr Stärke die Begier, Ihn sich herabzuziehn von seinem Thier. Des Renners Zügel über einem Arm, Schlägt sie den andern um des Knaben Leib, Der dämisch schmollt, und roth wird, doch nicht warm, Und abhold ist dem süßen Zeitvertreib. Sie roth und heiß, wie Kohlen recht im Feuer; Er roth vor Schaam, allein ein frost′ger Freier. O, Lieb′ ist schnell! ‒ um einen knorr′gen Ast Weiß sie behend den bunten Zaum zu winden; Das Roß ist aufgestallt, und jetzt in Hast Versucht sie auch den Reiter festzubinden. Ihn rückwärts stoßend, wie er sie es müßte, Lenkt seinen Leib sie, doch nicht seine Lüste. Kaum sinkt er hin, so fällt auch sie zur Erde, Gleich ihm auf Hüft′ und Ellenbogen lehnend; Sie streichelt ihn, doch er mit Zorngeberde Verweist es ihr; ‒ ihn zu beschwicht′gen wähnend, Vor Wollust stammelnd, sagt sie unter Küssen: „Ja, wenn Du schmälst, muß ich den Mund Dir schließen.“ Er brennt vor Schaam; sein mädchenhaft Erglühn Löscht sie mit Thränen; drauf mit ihren Locken Und ihren Seufzern wieder kühlt sie ihn, Und fächelt seine Wangen wieder trocken. Er nennt sie frech und schilt ihr zuchtlos Werben; Was folgen soll, läßt sie durch Küsse sterben. Und wie ein Aar, der lange Zeit gefastet, Den Schnabel senkt in Federn, Fleisch und Bein, Die Schwingen schüttelt und nicht eher rastet, Als bis er voll ist, und der Raub herein: So küßt sie Stirn ihm, Kinn und Mund und Wangen, Um, wo sie endet, wieder anzufangen. Er muß es schmollend wohl zufrieden sein; Er liegt und keucht, und athmet ihr entgegen. Sie saugt begierig seinen Odem ein, Und nennt ihn Wonnedüften, Himmelsregen; Und wünscht, ihr Antlitz trüge Blumenbeete, Daß ewig sie ein solcher Thau umwehte. Sieh, wie ein Netz den Vogel, so umstricken Der Göttin Arme den Gefangenen; ‒ Wuth Und finstres Zürnen sprüht aus seinen Blicken, Und läßt sie glühn mit doppelt schöner Glut. Wird Regen sich in volle Ström' ergießen, Dann müssen wohl die Ufer überfließen. Noch bittet sie, und artig bittet sie; Denn art′gen Ohren ja tönt ihre Stimme. Noch brütet er, noch lohnt er ihre Müh′ Mit rother Schaam und aschefarbnem Grimme. Roth zieht sie vor, doch Blaß auch läßt sie gelten, Der Neuheit wegen, denn blaß ist er selten. Gleichviel, ob er sie liebt; sie muß ihn lieben, Und schwört es laut bei ihrer Hand, der schönen, Unsterblichen: „Durch nichts werd′ ich vertrieben Von Deiner Brust, als bis mit meinen Thränen Du Frieden machst; für Dich rinnt diese Flut; Ein süßer Kuß macht Alles, Alles gut.“ Als dies Versprechen ihrer Lipp′ entflieht, Hebt er das Kinn, wie Taucher sich erheben, Und schnell versinken, wenn man sie ansieht: ‒ So will er ihr, was sie begehrte, geben; Doch plötzlich blinzelt er, und kehrt zur Seite Die Lippe, die zum Kusse schon bereite.

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 131. Köln, 1. November 1848, S. 0661. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz131_1848/1>, abgerufen am 19.04.2024.