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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 133. Köln, 3. November 1848. Zweite Beilage.

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2. Beilage zu Nr. 133 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Freitag, 3. November 1848.
Deutschland.
* Köln, 3. November.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Berlin, 1. Nov.

Der preuß. Staats-Anzeiger meldet: Wir erhalten aus Wien folgendes Plakat des Gemeinderaths:

"Mitbürger!

Nachdem der Herr Ober-Kommandant so eben dem Gemeinderathe die Nachricht überbracht hat, daß die stabile und mobile Nationalgarde, so wie die akademische Legion sich entschlossen haben, die Waffen niederzulegen und in die vom Herrn Fürsten Windischgrätz gestellten Bedingungen sich zu fügen, ist sogleich eine aus Gemeinderäthen und Mitgliedern der gesammten Volkswehr bestehende Deputation zum Herrn Fürsten abgegangen, um ihm die betreffende Mittheilung zu machen.

Wien, den 29. Oktober 1848.

Der Gemeinderath der Stadt Wien.

Mar erfährt über den Hergang folgendes Nähere:

Am 29. Morgens hatte eine Deputation des Gemeinderathes den Feldmarschall bewegen wollen, von der Bedingung der Fortdauer des Belagerungszustandes nach der Unterwerfung der Stadt abzugehen; der Fürst hatte sich indessen hierauf nicht eingelassen, und auf der unbedingten Unterwerfung bestanden; gleichzeitig jedoch versprochen, an dem Tage nicht mehr auf die Stadt schießen zu lassen, damit sie bis zum 30. Zeit habe, zur Besinnung zu kommen. Um halb 3 Uhr Nachmittags hatten einzelne Theile der Stadt wieder ein Kanonenfeuer eröffnet; dasselbe war jedoch bald eingestellt worden.

In Folge der Antwort des Fürsten versammelte sich am 29sten Abends der Gemeinderath, und berief den Ober-Kommandanten, so wie alle Bezirks-Vorsteher der Nationalgarde, um zu berathen, ob eine längere Vertheidigung der Stadt möglich und gerathen sei, Herr Messenhauser soll erklärt haben, daß er zwar zur Fortsetzung des Kampfes bereit sei, wenn der Gemeinderath es befehle; daß aber bei der jetzigen Stellung der kaiserlichen Truppen an eine wirksame Vertheidigung der Stadt nicht zu denken sei; darauf soll die Unterwerfung mit 2/3 der Stimmen gegen 1/3 beschlossen worden sein. Noch in der Nacht ging die Deputation an den Fürsten (während gleichzeitig das obige Plakat veröffentlicht wurde), um die unbedingte Unterwerfung anzukündzgen, und zu bitten, daß die kaiserlichen Truppen der städtischen Behörde bei der Entwaffnung hülfreiche Hand leisten möchten. In Folge dessen hat der Feldmarschall die Feindseligkeiten gegen die Stadt nicht wieder eröffnet, und die Truppen am 30sten ohne Widerstand die Glacis besetzt. An demselben Tage hatten die Vorstädte schon größtentheils die Waffen niedergelegt; schon am 29sten sollen 27 Compagnien Nationalgarde in der Vorstadt Wieden die Waffen gestreckt haben.

Aus der Stadt erfuhr man noch, daß die Nationalgarde mit Erfolg Angriffe von Arbeitern auf die Burg abgewiesen hatte, und daß General Bem verwundet im Gasthofe "Stadt London" liege.

Ueber die Ungarn wußte man in der nächsten Umgegend Wien's nichts Gewisses. Am 30. hatten Truppenbewegungen gegen dieselben in der Richtung von Kaiser-Ebersdorf und Schwechat stattgefunden, und man hatte dort schießen hören. In Breslau wollte man am 31. Oktober Nachmittags wissen, daß die Ungarn vorgerückt, aber geschlagen, und theils in die Donau geworfen, theils zu den kaiserlichen Truppen übergegangen seien.

Aus der Stadt erhielt man noch folgenden Anschlag des Gemeinderaths:

Alle Arbeiter, welche bewaffneten Corps oder der Mobilgarde eingereiht worden, undb estimmte Bezüge bisher von der Kommune empfangen haben, eben so die unbemittelten Nationalgarden, welche bisher von der Kommune unterstützt wurden, erhalten nach Ablieferung der Waffen an die hierzu näher zu bestimmende Kommission von dem Tage, als dies erfolgt ist, und so lange die bisher bezogene Unterstützung, bis die gegenwärtig gestörten Erwerbsverhältnisse werden geordnet und ihnen der selbstständige Erwerb wieder möglich geworden sein wird.

Wien, den 29. Oktober 1848.

Vom Gemeinderathe der Stadt Wien.

Die Breslauer Zeitung berichtet:

Breslau, 30. Oktbr. Abends 10 Uhr.

Wir sind von Wien so vollständig abgeschnitten, daß weder heute Nachmittag noch heute Abend nur einigermaßen zuverlässige Nachrichten über die dortigen blutigen Ereignisse eingetroffen sind (Also die Breslauer Zeitung hat nicht einmal Nachrichten durch ihren Weinreisenden empfangen? Dies wird die "Kölnische" sehr in Verlegenheit setzen.) Auf Zeitungen und Briefe aus Wien müssen wir natürlich schon von vorn herein verzichten. Ja, diese Ungewißheit über das, was jenseits der Gränze vorgeht, ist so groß, daß wir nicht einmal mit Sicherheit erfahren konnten, ob der Wiener Postzug auf der ersten preußischen Gränzstation angekommen sei, oder nicht. So viel steht fest, daß heute zum ersten Male selbst die Nachrichten aus Brünn und Ollmütz ausgeblieben sind, was allerdings auch für das Ausbleiben des Wiener Postzuges spräche.

Nichtsdestoweniger haben sich mannigfache Gerüchte und Erzählungen verbreitet, welche Reisende wieder von Reisenden gehört haben wollen, (also doch der Weinreisende? die "Kölnische" ist gerettet!) oder die den Personen aufgetischt werden, welche vorgeben unmittelbar vom Schauplatze der Begebenheiten zu kommen. Wem soll man hier trauen, und was soll man als glaubwürdig annehmen, wenn wir selbst einer telegraphischen Depesche nicht mehr trauen dürfen, die wir heute gelesen haben und die eine Vorstadt (Franz Allee) abbrennen läßt, während eine dieses Namens in Wien nicht existirt! - (Während die Breslauer Zeitung selbst, an den Gerüchten ihrer Weinreisenden zweifelt, giebt die "Kölnische" in ihren Extrablättern diese Gerüchte ohne im Geringsten die obigen erbaulichen Betrachtungen der Breslauerin hinzuzufügen).

Die Allg. Oder-Zeitung meldet:

Breslau, 30.Okt. Der so eben, 3 ein halb Uhr Nachmittags eintreffende Oberschlesische Bahnzug bringt abermals weder Briefe noch Zeitungen aus Wien; doch fehlt es nicht an höchst wichtigen Nachrichten, welche allerdings noch der Bestätigung bedürfen. Wir schicken gleich das Wichtigste voran, was in Ratibor von dort eintreffenden Reisenden berichtet worden.

Windischgrätz ist in die Leopoldstadt eingedrungen und hat sich darin festgesetzt. Brünn ist in hellem Aufruhr.

Das so oft und auch heute von gewisser Seite her gemeldete Eintreffen der Ungarn scheint nach anderweitig erhaltenen Nachrichten nicht wahrscheinlich. - Ein Privatschreiben aus Preßburg vom 25. Okt. meldete Koffuth's Ankunft im ungarischen Hauptquartier bei Preßburg und das gleichzeitige Eintreffen von 8000 Sensenmännern aus Komorn, welche bestimmt waren, im Verein mit dem Landsturm aus dem Wieselburger und Oedenburger Comitate gen Wien zu marschiren.

Ein anderer Beief aus Preßburg vom 27. meldet:

"So eben wird in allen Straßen Allarm geschlagen und es ergeht an die Bevölkerung der Aufruf, sich mit dem Heere zu vereinigen um gen Wien zu marschiren - ein Aufruf, welcher mit Begeisterung aufgenommen wird, da die gesammte Einwohnerschaft über die bisherige Zögerung Koffuth's empört, im Begriff stand, auf eigene Faust den Marsch anzutreten."

Ein Reisender dagegen, welcher vorgestern Abend in Angern, an der ungarischen Gränze, ankam und von dort gestern Abend abreiste, wußte von dem Einmarsch der Ungarn nichts; bemerkte übrigens, daß bei Angern nur ein ganz geringfügiger Posten österreichischen Militärs stehe. Ueber Wien erzählt er, daß das Bombardement den gestrigen Tag (den 29.) fortgedauert hätte; das Feuer, welches am 28. die Vorstädte verheerte, aber gestern Abend vollständig gelöscht worden war. - Kaiserl. Offiziere gestanden ihm, daß die Truppen fürchterlich gelitten hatten.

Ein Schreiben aus Olmütz enthält folgende Mittheilungen vom 20.:

"Wien war am 28. früh 7 Uhr noch ruhig; der Bahnhof von Militär besetzt und dasselbe beauftragt, bis 9 Uhr abgekocht zu haben, um dann die Leopoldstadt und Jägerzeile anzugreifen. Dies geschah auch, und es wurde die feste Barrikade am Eingang des Praters mit Sturm genommen. Die Soldaten rückten in die Jägerzeile ein, wo die zwei großen Eckhäuser in Flammen aufgingen.

Die Posten von sechs Tagen werden eine Station vor Wien zurückgehalten und von sechszehn dort weilenden Postkondukteuren bewacht. - Es sind bereits mehr als zwei Millionen Gulden baar und in Effekten eingelaufen. - Gegen Verlegung des Reichstags nach Kremsier haben sämmtliche Deputirte energisch protestirt.

Aus Lemberg erfahren wir noch, daß Dwernicki, an der Spitze von 8000 Polen, meistens solche, welche aus österreichischen Regimentern übergetreten - den Ungarn zu Hülfe eilt.

Endlich erhalten wir heut Abend 10 Uhr noch ein Schreiben aus Ratibor vom 30., welches die obigen Nachrichten bestätigt und noch anderweitige höchst wichtige Meldungen bringt. Es lautet wie folgt:

Aus Wien oder seinen Umgebungen sind keine Reisende eingetroffen. Die übrigen jedoch, die theils aus Brünn, theils aus noch entfernteren Stationen hier angelangt sind, stimmen in der Aussage überein, daß am 28. Abends nach hartnäckigem Kampfe die Barrikade an der Jägerzeile, nachdem die beiden Eckhäuser (die Brendelschen) in Grund geschossen waren, gefallen ist, wodurch die Leopoldstadt mit der Jägerzeile, der Franzensgasse, dem Rennwege in die Hände des Militärs gekommen ist. Die weit wichtigeren Vorstädte Mariahilf und Wieden sind jedoch, wie früher, noch von bewaffneten Arbeitern und Nationalgarden besetzt, welche sich statt ihrer bisherigen, wenig energischen Anführer Mitglieder der akademischen Legion dazu erwählt haben. Auf keinen Fall ist an die Einnahme der letztgenannten Vorstädte von Seiten des Militärs zu denken, da sie durch ihre Lage zu sehr geschützt sind, während die Leopoldstadt überall offen und zugänglich ist.

Der General Bem soll auf einmal verschwunden sein; man vermuthet, daß er wegen der Verzögerung des Angriffes von der Bevölkerung mit Argwohn angesehen und demzufolge ermordet worden ist (?) Ein bedeutender Geldtransport ist neuerdings in Wien vom Volke aufgefangen, das Silbergeld an sicherer Stelle in die Donau versenkt worden, während 100 Millionen Banknoten vernichtet wurden. Die Ungarn stehen, 80,000 Mann stark, von denen jedoch nur der kleinere Theil zu den regulären gehört, in Raab. Gestern sollten sie sicher vor Wien eintreffen. Heute läuft der 24stündige Waffenstillstand ab, der nach Einnahme der Leopoldstadt abgeschlossen worden war.

In Brünn ist gestern (29.) das Rathhaus erstürmt, das Militär entwaffnet, der Landsturm aufgeboten und eine Deputation an den Kaiser nach Ollmütz abgeschickt worden.

In Teschen ist der Landsturm organisirt, wie es in Oestreich.-Schlesien überhaupt nur am Aufrufe fehlt, um Alles unter die Waffen zu bringen und zum Abmarsche nach Wien zu bewegen.

In Prag war am 28. Okt. große Volksversammlung wegen des Abmarsches nach Wien; die Nationalgarde hat sich organisirt.

Jellachich steht unthätig vor Wien. Der Verlust des Militärs beträgt daselbst im Ganzen schon 8000 Mann, während nur ein Drittheil so viel von den Bürgern gefallen sind.

20 Berlin, 1. Nov.

Der gestrige Tag endete nicht ohne ernste Vorfälle. Bei Wiedereröffnung der Sitzung der Vereinbarer hatte sich die Menge wiederum am Schauspielhause versammelt, um den Beschluß, von welchem, wie die Politiker sagten, das Wohl und Wehe Deutschlands abhänge, abzuwarten. Fackeln wurden herbeigeschafft, Reden gehalten, Reaktionäre ausgelacht und verfolgt; Heiterkeit mischte sich mit dem Ernst, der die versammelte Menge durchdrang, als plötzlich unter Trommelschlag Bürgerwehr anrückte und mit gefälltem Bajonett auf die Massen eindrang. Es ist möglich, daß die Bourgeois von Einzelnen geneckt worden sind und die Geduld verloren haben; es fiel auch wieder ein Pistolenschuß; aber rechtfertigt das ihr wirklich wüthiges Einschreiten gegen das Volk? Es scheint aber, als wenn die Bourgeoisie Nichts lernen wolle; es scheint, daß sie sich ein Vergnügen daraus mache, auf Unbewaffnete zu schießen und zu stechen. Denn was nun geschah, übersteigt alle Begriffe von Unverstand und Niederträchtigkeit. Sie wissen, daß der Maschinenbauer-Verein in einem öffentlichen Anschlage erklärt hatte, bei jedem vorkommenden Excesse zwischen Bürgerwehr unbewaffnet als Vermittler eintreten zu wollen, damit jeder Zwist zwischen Bürgern und Arbeitern vermieden würde. Ihrem Vorsatze getreu rückte der Maschinenbauer-Verein mit einer weißen Fahne nach dem Gensd'armenmarkte, um hier zum erstenmal seine Vermittlerrolle zu übernehmen. Aber welche Früchte erndtete der Verein für seinen guten Willen! Mit wahrhaft bestialischer Wuth stürzte die Bourgeoisgarde, ohne Rücksicht auf die weiße Friedensfahne, über die Vermittler her. Dem Fahnenträger wurden vom Hauptmann des 31. Bezirks, einem Fuhrmann Wolff, zwei Finger abgehauen; andere Verwundungen fielen zahlreich vor und einer der Verwundeten ist bereits an seinen Wunden gestorben. Dies also ist die gepriesene Einigkeit, die immer von den Bourgeois gepredigt wird, daß sie nicht nur wie Tiger über das unbewaffnete Volk herfallen, weil sie Exzesse befürchten, sondern sogar die nicht schonen, die als Vermittler zwischen Volk und Bourgeois Frieden stiften wollten? Die Bourgeoisie will durchaus nicht einsehen, daß sie ohne das Volk im Rücken Nichts ist; sie will nicht einsehen, daß das empörte Volk sie endlich sich selbst überlassen würde und daß es dann um ihren Liberalismus geschehen sei. Wehe dann der Bourgeoisie, wenn die Camarilla die Fehde offen beginnt. Sie wird verloren sein.

Nachschrift. Man sagt, das Volk habe gestern die Thüren des Sitzungssaales vernagelt, um die Vereinbarer auf diese Weise zu einem günstigen Beschlusse zu zwingen. Es sollen sogar einige Stricke zu gewissen Zwecken bereit gehalten worden sein. Die Abgeordneten haben den Sitzungssaal erst gegen 12 Uhr unter dem Schutze der Bürgerwehr verlassen. Selbst Abgeordnete der Linken, sagt man, seien bedroht gewesen. - Die Stimmung ist heut eine sehr gedrückte. Zahlreiche Attroupements an allen Ecken, besonders aber auf dem Gensd'armenmarkte besprechen den gestrigen Krawall. Niemand wagt es, die Bourgeoisie in Schutz zu nehmen. Der Maschinenarbeiter-Verein war heut den ganzen Tag unter den Waffen versammelt. In einem Plakate zeigt er an, daß er einen Todten und 9 mehr oder minder Verwundete habe. Die Erbitterung ist groß.

Heute Nachmittag um 4 Uhr hatte sich Volk unter den Zelten versammelt, wohin Ruge gestern eine Volksversammlung angesagt hatte. Das Volk wartete und wartete, aber wer nicht kam, war der große Bürger Ruge. Hatte er vielleicht Katzenjammer von wegen der gestrigen Demonstration, wo er als Statist großartig mitgewirkt hat? Das versammelte Volk hörte Statt des Bürgers Ruge die Abwiegelung des bekannten Dr. Eichler, und verlief sich wieder. - Bis jetzt ist Alles ruhig geblieben. Wer weiß, was der Abend bringt! Die um Berlin lagernden Truppen haben Befehl, sich marschfertig zu halten.

Belgien.
* Brüssel.

Fast alle unsere politischen Blätter ergehen sich in diesem Augenblicke in Anschuldigungen der skandalösesten Art gegen das ministerielle Journal, die "Independance," die Quelle und Freundin der "Kölnischen Zeitung." Der "Nation," welche schon häufig der Independance Käuflichkeit gradezu vorgeworfen, folgt bald der "Observateur" mit Anspielungen auf gewisse kitzliche Punkte, die das arme Journal ruhig über sich ergehen ließ. Der "Observateur" ist selbst ein ministerielles Blatt, und diese beiden saubern Rivalen kennen sich. Die "Independance," welche wie ähnliche Blätter zu thun pflegen, allen bisherigen Angriffen der unabhängigen Journale Nichts entgegenzusetzen hatte, als Verläumdungen und Beleidigungen der Redakteure verstummte, bei diesem Angriff eines sonst gleichgesinnten Blattes. Ein ähnlicher Angriff der "Emancipation" blieb ebenfalls ohne Erwiderung. Heute nun tritt der "Politique" wieder auf mit einem wüthenden Artikel gegen die tugendhafte "Independance," worin er dieselbe direkt wegen ihrer Käuflichkeit interpellirt. Er wirft ihr vor, daß sie für flandrisches (Antwerpener) Interesse bestochen sei; er bedauert einen solchen Skandal, der in Belgien unerhört sei; gewiß würde ein vaterländischer Schriftsteller die öffentliche Meinung seiner Landsleute nicht gegen Geld irre führen, denn der Redakteur der Independance gebe hiervon der belgischen Journalistik das erste

2. Beilage zu Nr. 133 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Freitag, 3. November 1848.
Deutschland.
* Köln, 3. November.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Berlin, 1. Nov.

Der preuß. Staats-Anzeiger meldet: Wir erhalten aus Wien folgendes Plakat des Gemeinderaths:

„Mitbürger!

Nachdem der Herr Ober-Kommandant so eben dem Gemeinderathe die Nachricht überbracht hat, daß die stabile und mobile Nationalgarde, so wie die akademische Legion sich entschlossen haben, die Waffen niederzulegen und in die vom Herrn Fürsten Windischgrätz gestellten Bedingungen sich zu fügen, ist sogleich eine aus Gemeinderäthen und Mitgliedern der gesammten Volkswehr bestehende Deputation zum Herrn Fürsten abgegangen, um ihm die betreffende Mittheilung zu machen.

Wien, den 29. Oktober 1848.

Der Gemeinderath der Stadt Wien.

Mar erfährt über den Hergang folgendes Nähere:

Am 29. Morgens hatte eine Deputation des Gemeinderathes den Feldmarschall bewegen wollen, von der Bedingung der Fortdauer des Belagerungszustandes nach der Unterwerfung der Stadt abzugehen; der Fürst hatte sich indessen hierauf nicht eingelassen, und auf der unbedingten Unterwerfung bestanden; gleichzeitig jedoch versprochen, an dem Tage nicht mehr auf die Stadt schießen zu lassen, damit sie bis zum 30. Zeit habe, zur Besinnung zu kommen. Um halb 3 Uhr Nachmittags hatten einzelne Theile der Stadt wieder ein Kanonenfeuer eröffnet; dasselbe war jedoch bald eingestellt worden.

In Folge der Antwort des Fürsten versammelte sich am 29sten Abends der Gemeinderath, und berief den Ober-Kommandanten, so wie alle Bezirks-Vorsteher der Nationalgarde, um zu berathen, ob eine längere Vertheidigung der Stadt möglich und gerathen sei, Herr Messenhauser soll erklärt haben, daß er zwar zur Fortsetzung des Kampfes bereit sei, wenn der Gemeinderath es befehle; daß aber bei der jetzigen Stellung der kaiserlichen Truppen an eine wirksame Vertheidigung der Stadt nicht zu denken sei; darauf soll die Unterwerfung mit 2/3 der Stimmen gegen 1/3 beschlossen worden sein. Noch in der Nacht ging die Deputation an den Fürsten (während gleichzeitig das obige Plakat veröffentlicht wurde), um die unbedingte Unterwerfung anzukündzgen, und zu bitten, daß die kaiserlichen Truppen der städtischen Behörde bei der Entwaffnung hülfreiche Hand leisten möchten. In Folge dessen hat der Feldmarschall die Feindseligkeiten gegen die Stadt nicht wieder eröffnet, und die Truppen am 30sten ohne Widerstand die Glacis besetzt. An demselben Tage hatten die Vorstädte schon größtentheils die Waffen niedergelegt; schon am 29sten sollen 27 Compagnien Nationalgarde in der Vorstadt Wieden die Waffen gestreckt haben.

Aus der Stadt erfuhr man noch, daß die Nationalgarde mit Erfolg Angriffe von Arbeitern auf die Burg abgewiesen hatte, und daß General Bem verwundet im Gasthofe „Stadt London“ liege.

Ueber die Ungarn wußte man in der nächsten Umgegend Wien's nichts Gewisses. Am 30. hatten Truppenbewegungen gegen dieselben in der Richtung von Kaiser-Ebersdorf und Schwechat stattgefunden, und man hatte dort schießen hören. In Breslau wollte man am 31. Oktober Nachmittags wissen, daß die Ungarn vorgerückt, aber geschlagen, und theils in die Donau geworfen, theils zu den kaiserlichen Truppen übergegangen seien.

Aus der Stadt erhielt man noch folgenden Anschlag des Gemeinderaths:

Alle Arbeiter, welche bewaffneten Corps oder der Mobilgarde eingereiht worden, undb estimmte Bezüge bisher von der Kommune empfangen haben, eben so die unbemittelten Nationalgarden, welche bisher von der Kommune unterstützt wurden, erhalten nach Ablieferung der Waffen an die hierzu näher zu bestimmende Kommission von dem Tage, als dies erfolgt ist, und so lange die bisher bezogene Unterstützung, bis die gegenwärtig gestörten Erwerbsverhältnisse werden geordnet und ihnen der selbstständige Erwerb wieder möglich geworden sein wird.

Wien, den 29. Oktober 1848.

Vom Gemeinderathe der Stadt Wien.

Die Breslauer Zeitung berichtet:

Breslau, 30. Oktbr. Abends 10 Uhr.

Wir sind von Wien so vollständig abgeschnitten, daß weder heute Nachmittag noch heute Abend nur einigermaßen zuverlässige Nachrichten über die dortigen blutigen Ereignisse eingetroffen sind (Also die Breslauer Zeitung hat nicht einmal Nachrichten durch ihren Weinreisenden empfangen? Dies wird die „Kölnische“ sehr in Verlegenheit setzen.) Auf Zeitungen und Briefe aus Wien müssen wir natürlich schon von vorn herein verzichten. Ja, diese Ungewißheit über das, was jenseits der Gränze vorgeht, ist so groß, daß wir nicht einmal mit Sicherheit erfahren konnten, ob der Wiener Postzug auf der ersten preußischen Gränzstation angekommen sei, oder nicht. So viel steht fest, daß heute zum ersten Male selbst die Nachrichten aus Brünn und Ollmütz ausgeblieben sind, was allerdings auch für das Ausbleiben des Wiener Postzuges spräche.

Nichtsdestoweniger haben sich mannigfache Gerüchte und Erzählungen verbreitet, welche Reisende wieder von Reisenden gehört haben wollen, (also doch der Weinreisende? die „Kölnische“ ist gerettet!) oder die den Personen aufgetischt werden, welche vorgeben unmittelbar vom Schauplatze der Begebenheiten zu kommen. Wem soll man hier trauen, und was soll man als glaubwürdig annehmen, wenn wir selbst einer telegraphischen Depesche nicht mehr trauen dürfen, die wir heute gelesen haben und die eine Vorstadt (Franz Allee) abbrennen läßt, während eine dieses Namens in Wien nicht existirt! ‒ (Während die Breslauer Zeitung selbst, an den Gerüchten ihrer Weinreisenden zweifelt, giebt die „Kölnische“ in ihren Extrablättern diese Gerüchte ohne im Geringsten die obigen erbaulichen Betrachtungen der Breslauerin hinzuzufügen).

Die Allg. Oder-Zeitung meldet:

Breslau, 30.Okt. Der so eben, 3 ein halb Uhr Nachmittags eintreffende Oberschlesische Bahnzug bringt abermals weder Briefe noch Zeitungen aus Wien; doch fehlt es nicht an höchst wichtigen Nachrichten, welche allerdings noch der Bestätigung bedürfen. Wir schicken gleich das Wichtigste voran, was in Ratibor von dort eintreffenden Reisenden berichtet worden.

Windischgrätz ist in die Leopoldstadt eingedrungen und hat sich darin festgesetzt. Brünn ist in hellem Aufruhr.

Das so oft und auch heute von gewisser Seite her gemeldete Eintreffen der Ungarn scheint nach anderweitig erhaltenen Nachrichten nicht wahrscheinlich. ‒ Ein Privatschreiben aus Preßburg vom 25. Okt. meldete Koffuth's Ankunft im ungarischen Hauptquartier bei Preßburg und das gleichzeitige Eintreffen von 8000 Sensenmännern aus Komorn, welche bestimmt waren, im Verein mit dem Landsturm aus dem Wieselburger und Oedenburger Comitate gen Wien zu marschiren.

Ein anderer Beief aus Preßburg vom 27. meldet:

„So eben wird in allen Straßen Allarm geschlagen und es ergeht an die Bevölkerung der Aufruf, sich mit dem Heere zu vereinigen um gen Wien zu marschiren ‒ ein Aufruf, welcher mit Begeisterung aufgenommen wird, da die gesammte Einwohnerschaft über die bisherige Zögerung Koffuth's empört, im Begriff stand, auf eigene Faust den Marsch anzutreten.“

Ein Reisender dagegen, welcher vorgestern Abend in Angern, an der ungarischen Gränze, ankam und von dort gestern Abend abreiste, wußte von dem Einmarsch der Ungarn nichts; bemerkte übrigens, daß bei Angern nur ein ganz geringfügiger Posten österreichischen Militärs stehe. Ueber Wien erzählt er, daß das Bombardement den gestrigen Tag (den 29.) fortgedauert hätte; das Feuer, welches am 28. die Vorstädte verheerte, aber gestern Abend vollständig gelöscht worden war. ‒ Kaiserl. Offiziere gestanden ihm, daß die Truppen fürchterlich gelitten hatten.

Ein Schreiben aus Olmütz enthält folgende Mittheilungen vom 20.:

„Wien war am 28. früh 7 Uhr noch ruhig; der Bahnhof von Militär besetzt und dasselbe beauftragt, bis 9 Uhr abgekocht zu haben, um dann die Leopoldstadt und Jägerzeile anzugreifen. Dies geschah auch, und es wurde die feste Barrikade am Eingang des Praters mit Sturm genommen. Die Soldaten rückten in die Jägerzeile ein, wo die zwei großen Eckhäuser in Flammen aufgingen.

Die Posten von sechs Tagen werden eine Station vor Wien zurückgehalten und von sechszehn dort weilenden Postkondukteuren bewacht. ‒ Es sind bereits mehr als zwei Millionen Gulden baar und in Effekten eingelaufen. ‒ Gegen Verlegung des Reichstags nach Kremsier haben sämmtliche Deputirte energisch protestirt.

Aus Lemberg erfahren wir noch, daß Dwernicki, an der Spitze von 8000 Polen, meistens solche, welche aus österreichischen Regimentern übergetreten ‒ den Ungarn zu Hülfe eilt.

Endlich erhalten wir heut Abend 10 Uhr noch ein Schreiben aus Ratibor vom 30., welches die obigen Nachrichten bestätigt und noch anderweitige höchst wichtige Meldungen bringt. Es lautet wie folgt:

Aus Wien oder seinen Umgebungen sind keine Reisende eingetroffen. Die übrigen jedoch, die theils aus Brünn, theils aus noch entfernteren Stationen hier angelangt sind, stimmen in der Aussage überein, daß am 28. Abends nach hartnäckigem Kampfe die Barrikade an der Jägerzeile, nachdem die beiden Eckhäuser (die Brendelschen) in Grund geschossen waren, gefallen ist, wodurch die Leopoldstadt mit der Jägerzeile, der Franzensgasse, dem Rennwege in die Hände des Militärs gekommen ist. Die weit wichtigeren Vorstädte Mariahilf und Wieden sind jedoch, wie früher, noch von bewaffneten Arbeitern und Nationalgarden besetzt, welche sich statt ihrer bisherigen, wenig energischen Anführer Mitglieder der akademischen Legion dazu erwählt haben. Auf keinen Fall ist an die Einnahme der letztgenannten Vorstädte von Seiten des Militärs zu denken, da sie durch ihre Lage zu sehr geschützt sind, während die Leopoldstadt überall offen und zugänglich ist.

Der General Bem soll auf einmal verschwunden sein; man vermuthet, daß er wegen der Verzögerung des Angriffes von der Bevölkerung mit Argwohn angesehen und demzufolge ermordet worden ist (?) Ein bedeutender Geldtransport ist neuerdings in Wien vom Volke aufgefangen, das Silbergeld an sicherer Stelle in die Donau versenkt worden, während 100 Millionen Banknoten vernichtet wurden. Die Ungarn stehen, 80,000 Mann stark, von denen jedoch nur der kleinere Theil zu den regulären gehört, in Raab. Gestern sollten sie sicher vor Wien eintreffen. Heute läuft der 24stündige Waffenstillstand ab, der nach Einnahme der Leopoldstadt abgeschlossen worden war.

In Brünn ist gestern (29.) das Rathhaus erstürmt, das Militär entwaffnet, der Landsturm aufgeboten und eine Deputation an den Kaiser nach Ollmütz abgeschickt worden.

In Teschen ist der Landsturm organisirt, wie es in Oestreich.-Schlesien überhaupt nur am Aufrufe fehlt, um Alles unter die Waffen zu bringen und zum Abmarsche nach Wien zu bewegen.

In Prag war am 28. Okt. große Volksversammlung wegen des Abmarsches nach Wien; die Nationalgarde hat sich organisirt.

Jellachich steht unthätig vor Wien. Der Verlust des Militärs beträgt daselbst im Ganzen schon 8000 Mann, während nur ein Drittheil so viel von den Bürgern gefallen sind.

20 Berlin, 1. Nov.

Der gestrige Tag endete nicht ohne ernste Vorfälle. Bei Wiedereröffnung der Sitzung der Vereinbarer hatte sich die Menge wiederum am Schauspielhause versammelt, um den Beschluß, von welchem, wie die Politiker sagten, das Wohl und Wehe Deutschlands abhänge, abzuwarten. Fackeln wurden herbeigeschafft, Reden gehalten, Reaktionäre ausgelacht und verfolgt; Heiterkeit mischte sich mit dem Ernst, der die versammelte Menge durchdrang, als plötzlich unter Trommelschlag Bürgerwehr anrückte und mit gefälltem Bajonett auf die Massen eindrang. Es ist möglich, daß die Bourgeois von Einzelnen geneckt worden sind und die Geduld verloren haben; es fiel auch wieder ein Pistolenschuß; aber rechtfertigt das ihr wirklich wüthiges Einschreiten gegen das Volk? Es scheint aber, als wenn die Bourgeoisie Nichts lernen wolle; es scheint, daß sie sich ein Vergnügen daraus mache, auf Unbewaffnete zu schießen und zu stechen. Denn was nun geschah, übersteigt alle Begriffe von Unverstand und Niederträchtigkeit. Sie wissen, daß der Maschinenbauer-Verein in einem öffentlichen Anschlage erklärt hatte, bei jedem vorkommenden Excesse zwischen Bürgerwehr unbewaffnet als Vermittler eintreten zu wollen, damit jeder Zwist zwischen Bürgern und Arbeitern vermieden würde. Ihrem Vorsatze getreu rückte der Maschinenbauer-Verein mit einer weißen Fahne nach dem Gensd'armenmarkte, um hier zum erstenmal seine Vermittlerrolle zu übernehmen. Aber welche Früchte erndtete der Verein für seinen guten Willen! Mit wahrhaft bestialischer Wuth stürzte die Bourgeoisgarde, ohne Rücksicht auf die weiße Friedensfahne, über die Vermittler her. Dem Fahnenträger wurden vom Hauptmann des 31. Bezirks, einem Fuhrmann Wolff, zwei Finger abgehauen; andere Verwundungen fielen zahlreich vor und einer der Verwundeten ist bereits an seinen Wunden gestorben. Dies also ist die gepriesene Einigkeit, die immer von den Bourgeois gepredigt wird, daß sie nicht nur wie Tiger über das unbewaffnete Volk herfallen, weil sie Exzesse befürchten, sondern sogar die nicht schonen, die als Vermittler zwischen Volk und Bourgeois Frieden stiften wollten? Die Bourgeoisie will durchaus nicht einsehen, daß sie ohne das Volk im Rücken Nichts ist; sie will nicht einsehen, daß das empörte Volk sie endlich sich selbst überlassen würde und daß es dann um ihren Liberalismus geschehen sei. Wehe dann der Bourgeoisie, wenn die Camarilla die Fehde offen beginnt. Sie wird verloren sein.

Nachschrift. Man sagt, das Volk habe gestern die Thüren des Sitzungssaales vernagelt, um die Vereinbarer auf diese Weise zu einem günstigen Beschlusse zu zwingen. Es sollen sogar einige Stricke zu gewissen Zwecken bereit gehalten worden sein. Die Abgeordneten haben den Sitzungssaal erst gegen 12 Uhr unter dem Schutze der Bürgerwehr verlassen. Selbst Abgeordnete der Linken, sagt man, seien bedroht gewesen. ‒ Die Stimmung ist heut eine sehr gedrückte. Zahlreiche Attroupements an allen Ecken, besonders aber auf dem Gensd'armenmarkte besprechen den gestrigen Krawall. Niemand wagt es, die Bourgeoisie in Schutz zu nehmen. Der Maschinenarbeiter-Verein war heut den ganzen Tag unter den Waffen versammelt. In einem Plakate zeigt er an, daß er einen Todten und 9 mehr oder minder Verwundete habe. Die Erbitterung ist groß.

Heute Nachmittag um 4 Uhr hatte sich Volk unter den Zelten versammelt, wohin Ruge gestern eine Volksversammlung angesagt hatte. Das Volk wartete und wartete, aber wer nicht kam, war der große Bürger Ruge. Hatte er vielleicht Katzenjammer von wegen der gestrigen Demonstration, wo er als Statist großartig mitgewirkt hat? Das versammelte Volk hörte Statt des Bürgers Ruge die Abwiegelung des bekannten Dr. Eichler, und verlief sich wieder. ‒ Bis jetzt ist Alles ruhig geblieben. Wer weiß, was der Abend bringt! Die um Berlin lagernden Truppen haben Befehl, sich marschfertig zu halten.

Belgien.
* Brüssel.

Fast alle unsere politischen Blätter ergehen sich in diesem Augenblicke in Anschuldigungen der skandalösesten Art gegen das ministerielle Journal, die „Independance,“ die Quelle und Freundin der „Kölnischen Zeitung.“ Der „Nation,“ welche schon häufig der Independance Käuflichkeit gradezu vorgeworfen, folgt bald der „Observateur“ mit Anspielungen auf gewisse kitzliche Punkte, die das arme Journal ruhig über sich ergehen ließ. Der „Observateur“ ist selbst ein ministerielles Blatt, und diese beiden saubern Rivalen kennen sich. Die „Independance,“ welche wie ähnliche Blätter zu thun pflegen, allen bisherigen Angriffen der unabhängigen Journale Nichts entgegenzusetzen hatte, als Verläumdungen und Beleidigungen der Redakteure verstummte, bei diesem Angriff eines sonst gleichgesinnten Blattes. Ein ähnlicher Angriff der „Emancipation“ blieb ebenfalls ohne Erwiderung. Heute nun tritt der „Politique“ wieder auf mit einem wüthenden Artikel gegen die tugendhafte „Independance,“ worin er dieselbe direkt wegen ihrer Käuflichkeit interpellirt. Er wirft ihr vor, daß sie für flandrisches (Antwerpener) Interesse bestochen sei; er bedauert einen solchen Skandal, der in Belgien unerhört sei; gewiß würde ein vaterländischer Schriftsteller die öffentliche Meinung seiner Landsleute nicht gegen Geld irre führen, denn der Redakteur der Independance gebe hiervon der belgischen Journalistik das erste

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          <note type="editorial">Edition: <bibl>Karl Marx: Die Wiener Revolution und die &#x201E;Kölnische Zeitung&#x201C;, vorgesehen für: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi>, I/8.         </bibl>                </note>
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 3. November.</head>
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        </div>
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          <head>Berlin, 1. Nov.</head>
          <p>Der preuß. Staats-Anzeiger meldet: Wir erhalten aus Wien folgendes Plakat des Gemeinderaths:</p>
          <p>&#x201E;Mitbürger!</p>
          <p>Nachdem der Herr Ober-Kommandant so eben dem Gemeinderathe die Nachricht überbracht hat, daß die stabile und mobile Nationalgarde, so wie die akademische Legion sich entschlossen haben, die Waffen niederzulegen und in die vom Herrn Fürsten Windischgrätz gestellten Bedingungen sich zu fügen, ist sogleich eine aus Gemeinderäthen und Mitgliedern der gesammten Volkswehr bestehende Deputation zum Herrn Fürsten abgegangen, um ihm die betreffende Mittheilung zu machen.</p>
          <p>Wien, den 29. Oktober 1848.</p>
          <p>Der Gemeinderath der Stadt Wien.</p>
          <p>Mar erfährt über den Hergang folgendes Nähere:</p>
          <p>Am 29. Morgens hatte eine Deputation des Gemeinderathes den Feldmarschall bewegen wollen, von der Bedingung der Fortdauer des Belagerungszustandes nach der Unterwerfung der Stadt abzugehen; der Fürst hatte sich indessen hierauf nicht eingelassen, und auf der unbedingten Unterwerfung bestanden; gleichzeitig jedoch versprochen, an dem Tage nicht mehr auf die Stadt schießen zu lassen, damit sie bis zum 30. Zeit habe, zur Besinnung zu kommen. Um halb 3 Uhr Nachmittags hatten einzelne Theile der Stadt wieder ein Kanonenfeuer eröffnet; dasselbe war jedoch bald eingestellt worden.</p>
          <p>In Folge der Antwort des Fürsten versammelte sich am 29sten Abends der Gemeinderath, und berief den Ober-Kommandanten, so wie alle Bezirks-Vorsteher der Nationalgarde, um zu berathen, ob eine längere Vertheidigung der Stadt möglich und gerathen sei, Herr Messenhauser soll erklärt haben, daß er zwar zur Fortsetzung des Kampfes bereit sei, wenn der Gemeinderath es befehle; daß aber bei der jetzigen Stellung der kaiserlichen Truppen an eine wirksame Vertheidigung der Stadt nicht zu denken sei; darauf soll die Unterwerfung mit 2/3 der Stimmen gegen 1/3 beschlossen worden sein. Noch in der Nacht ging die Deputation an den Fürsten (während gleichzeitig das obige Plakat veröffentlicht wurde), um die unbedingte Unterwerfung anzukündzgen, und zu bitten, daß die kaiserlichen Truppen der städtischen Behörde bei der Entwaffnung hülfreiche Hand leisten möchten. In Folge dessen hat der Feldmarschall die Feindseligkeiten gegen die Stadt nicht wieder eröffnet, und die Truppen am 30sten ohne Widerstand die Glacis besetzt. An demselben Tage hatten die Vorstädte schon größtentheils die Waffen niedergelegt; schon am 29sten sollen 27 Compagnien Nationalgarde in der Vorstadt Wieden die Waffen gestreckt haben.</p>
          <p>Aus der Stadt erfuhr man noch, daß die Nationalgarde mit Erfolg Angriffe von Arbeitern auf die Burg abgewiesen hatte, und daß General Bem verwundet im Gasthofe &#x201E;Stadt London&#x201C; liege.</p>
          <p>Ueber die Ungarn wußte man in der nächsten Umgegend Wien's nichts Gewisses. Am 30. hatten Truppenbewegungen gegen dieselben in der Richtung von Kaiser-Ebersdorf und Schwechat stattgefunden, und man hatte dort schießen hören. In Breslau wollte man am 31. Oktober Nachmittags wissen, daß die Ungarn vorgerückt, aber geschlagen, und theils in die Donau geworfen, theils zu den kaiserlichen Truppen übergegangen seien.</p>
          <p>Aus der Stadt erhielt man noch folgenden Anschlag des Gemeinderaths:</p>
          <p>Alle Arbeiter, welche bewaffneten Corps oder der Mobilgarde eingereiht worden, undb estimmte Bezüge bisher von der Kommune empfangen haben, eben so die unbemittelten Nationalgarden, welche bisher von der Kommune unterstützt wurden, erhalten nach Ablieferung der Waffen an die hierzu näher zu bestimmende Kommission von dem Tage, als dies erfolgt ist, und so lange die bisher bezogene Unterstützung, bis die gegenwärtig gestörten Erwerbsverhältnisse werden geordnet und ihnen der selbstständige Erwerb wieder möglich geworden sein wird.</p>
          <p>Wien, den 29. Oktober 1848.</p>
          <p> <hi rendition="#g">Vom Gemeinderathe der Stadt Wien.</hi> </p>
        </div>
        <div xml:id="ar133b2_003" type="jArticle">
          <head>Die Breslauer Zeitung berichtet:</head><lb/>
          <head>Breslau, 30. Oktbr. Abends 10 Uhr.</head>
          <p>Wir sind von Wien so vollständig abgeschnitten, daß weder heute Nachmittag noch heute Abend nur einigermaßen zuverlässige Nachrichten über die dortigen blutigen Ereignisse eingetroffen sind (Also die Breslauer Zeitung hat nicht einmal Nachrichten durch ihren Weinreisenden empfangen? Dies wird die &#x201E;Kölnische&#x201C; sehr in Verlegenheit setzen.) Auf Zeitungen und Briefe aus Wien müssen wir natürlich schon von vorn herein verzichten. Ja, diese Ungewißheit über das, was jenseits der Gränze vorgeht, ist so groß, daß wir nicht einmal mit Sicherheit erfahren konnten, ob der Wiener Postzug auf der ersten preußischen Gränzstation angekommen sei, oder nicht. So viel steht fest, daß heute zum ersten Male selbst die Nachrichten aus Brünn und Ollmütz ausgeblieben sind, was allerdings auch für das Ausbleiben des Wiener Postzuges spräche.</p>
          <p>Nichtsdestoweniger haben sich mannigfache Gerüchte und Erzählungen verbreitet, welche Reisende wieder von Reisenden gehört haben wollen, (also doch der Weinreisende? die &#x201E;Kölnische&#x201C; ist gerettet!) oder die den Personen aufgetischt werden, welche vorgeben unmittelbar vom Schauplatze der Begebenheiten zu kommen. Wem soll man hier trauen, und was soll man als glaubwürdig annehmen, wenn wir selbst einer telegraphischen Depesche nicht mehr trauen dürfen, die wir heute gelesen haben und die eine Vorstadt (Franz Allee) abbrennen läßt, während eine dieses Namens in Wien nicht existirt! &#x2012; (Während die Breslauer Zeitung selbst, an den Gerüchten ihrer Weinreisenden zweifelt, giebt die &#x201E;Kölnische&#x201C; in ihren Extrablättern diese Gerüchte ohne im Geringsten die obigen erbaulichen Betrachtungen der Breslauerin hinzuzufügen).</p>
        </div>
        <div xml:id="ar133b2_004" type="jArticle">
          <p>Die Allg. Oder-Zeitung meldet:</p>
          <p>Breslau, 30.Okt. Der so eben, 3 ein halb Uhr Nachmittags eintreffende Oberschlesische Bahnzug bringt abermals weder Briefe noch Zeitungen aus Wien; doch fehlt es nicht an höchst wichtigen Nachrichten, welche allerdings noch der Bestätigung bedürfen. Wir schicken gleich das Wichtigste voran, was in Ratibor von dort eintreffenden Reisenden berichtet worden.</p>
          <p>Windischgrätz ist in die Leopoldstadt eingedrungen und hat sich darin festgesetzt. Brünn ist in hellem Aufruhr.</p>
          <p>Das so oft und auch heute von gewisser Seite her gemeldete Eintreffen der Ungarn scheint nach anderweitig erhaltenen Nachrichten nicht wahrscheinlich. &#x2012; Ein Privatschreiben aus Preßburg vom 25. Okt. meldete Koffuth's Ankunft im ungarischen Hauptquartier bei Preßburg und das gleichzeitige Eintreffen von 8000 Sensenmännern aus Komorn, welche bestimmt waren, im Verein mit dem Landsturm aus dem Wieselburger und Oedenburger Comitate gen Wien zu marschiren.</p>
          <p>Ein anderer Beief aus Preßburg vom 27. meldet:</p>
          <p>&#x201E;So eben wird in allen Straßen Allarm geschlagen und es ergeht an die Bevölkerung der Aufruf, sich mit dem Heere zu vereinigen um gen Wien zu marschiren &#x2012; ein Aufruf, welcher mit Begeisterung aufgenommen wird, da die gesammte Einwohnerschaft über die bisherige Zögerung Koffuth's empört, im Begriff stand, auf eigene Faust den Marsch anzutreten.&#x201C;</p>
          <p>Ein Reisender dagegen, welcher vorgestern Abend in Angern, an der ungarischen Gränze, ankam und von dort gestern Abend abreiste, wußte von dem Einmarsch der Ungarn nichts; bemerkte übrigens, daß bei Angern nur ein ganz geringfügiger Posten österreichischen Militärs stehe. Ueber Wien erzählt er, daß das Bombardement den gestrigen Tag (den 29.) fortgedauert hätte; das Feuer, welches am 28. die Vorstädte verheerte, aber gestern Abend vollständig gelöscht worden war. &#x2012; Kaiserl. Offiziere gestanden ihm, daß die Truppen fürchterlich gelitten hatten.</p>
          <p>Ein Schreiben aus Olmütz enthält folgende Mittheilungen vom 20.:</p>
          <p>&#x201E;Wien war am 28. früh 7 Uhr noch ruhig; der Bahnhof von Militär besetzt und dasselbe beauftragt, bis 9 Uhr abgekocht zu haben, um dann die Leopoldstadt und Jägerzeile anzugreifen. Dies geschah auch, und es wurde die feste Barrikade am Eingang des Praters mit Sturm genommen. Die Soldaten rückten in die Jägerzeile ein, wo die zwei großen Eckhäuser in Flammen aufgingen.</p>
          <p>Die Posten von sechs Tagen werden eine Station vor Wien zurückgehalten und von sechszehn dort weilenden Postkondukteuren bewacht. &#x2012; Es sind bereits mehr als zwei Millionen Gulden baar und in Effekten eingelaufen. &#x2012; Gegen Verlegung des Reichstags nach Kremsier haben sämmtliche Deputirte energisch protestirt.</p>
          <p>Aus Lemberg erfahren wir noch, daß Dwernicki, an der Spitze von 8000 Polen, meistens solche, welche aus österreichischen Regimentern übergetreten &#x2012; den Ungarn zu Hülfe eilt.</p>
          <p>Endlich erhalten wir heut Abend 10 Uhr noch ein Schreiben aus Ratibor vom 30., welches die obigen Nachrichten bestätigt und noch anderweitige höchst wichtige Meldungen bringt. Es lautet wie folgt:</p>
          <p>Aus Wien oder seinen Umgebungen sind keine Reisende eingetroffen. Die übrigen jedoch, die theils aus Brünn, theils aus noch entfernteren Stationen hier angelangt sind, stimmen in der Aussage überein, daß am 28. Abends nach hartnäckigem Kampfe die Barrikade an der Jägerzeile, nachdem die beiden Eckhäuser (die Brendelschen) in Grund geschossen waren, gefallen ist, wodurch die Leopoldstadt mit der Jägerzeile, der Franzensgasse, dem Rennwege in die Hände des Militärs gekommen ist. Die weit wichtigeren Vorstädte Mariahilf und Wieden sind jedoch, wie früher, noch von bewaffneten Arbeitern und Nationalgarden besetzt, welche sich statt ihrer bisherigen, wenig energischen Anführer Mitglieder der akademischen Legion dazu erwählt haben. <hi rendition="#g">Auf keinen Fall ist an die Einnahme der letztgenannten Vorstädte von Seiten des Militärs zu denken,</hi> da sie durch ihre Lage zu sehr geschützt sind, während die Leopoldstadt überall offen und zugänglich ist.</p>
          <p>Der General Bem soll auf einmal verschwunden sein; man vermuthet, daß er wegen der Verzögerung des Angriffes von der Bevölkerung mit Argwohn angesehen und demzufolge ermordet worden ist (?) Ein bedeutender Geldtransport ist neuerdings in Wien vom Volke aufgefangen, das Silbergeld an sicherer Stelle in die Donau versenkt worden, während 100 Millionen Banknoten vernichtet wurden. Die Ungarn stehen, 80,000 Mann stark, von denen jedoch nur der kleinere Theil zu den regulären gehört, in Raab. Gestern sollten sie sicher vor Wien eintreffen. Heute läuft der 24stündige Waffenstillstand ab, der nach Einnahme der Leopoldstadt abgeschlossen worden war.</p>
          <p>In Brünn ist gestern (29.) das Rathhaus erstürmt, das Militär entwaffnet, der Landsturm aufgeboten und eine Deputation an den Kaiser nach Ollmütz abgeschickt worden.</p>
          <p>In Teschen ist der Landsturm organisirt, wie es in Oestreich.-Schlesien überhaupt nur am Aufrufe fehlt, um Alles unter die Waffen zu bringen und zum Abmarsche nach Wien zu bewegen.</p>
          <p>In Prag war am 28. Okt. große Volksversammlung wegen des Abmarsches nach Wien; die Nationalgarde hat sich organisirt.</p>
          <p>Jellachich steht unthätig vor Wien. Der Verlust des Militärs beträgt daselbst im Ganzen schon 8000 Mann, während nur ein Drittheil so viel von den Bürgern gefallen sind.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar133b2_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>20</author></bibl> Berlin, 1. Nov.</head>
          <p>Der gestrige Tag endete nicht ohne ernste Vorfälle. Bei Wiedereröffnung der Sitzung der Vereinbarer hatte sich die Menge wiederum am Schauspielhause versammelt, um den Beschluß, von welchem, wie die Politiker sagten, das Wohl und Wehe Deutschlands abhänge, abzuwarten. Fackeln wurden herbeigeschafft, Reden gehalten, Reaktionäre ausgelacht und verfolgt; Heiterkeit mischte sich mit dem Ernst, der die versammelte Menge durchdrang, als plötzlich unter Trommelschlag Bürgerwehr anrückte und mit gefälltem Bajonett auf die Massen eindrang. Es ist möglich, daß die Bourgeois von Einzelnen geneckt worden sind und die Geduld verloren haben; es fiel auch wieder ein Pistolenschuß; aber rechtfertigt das ihr wirklich wüthiges Einschreiten gegen das Volk? Es scheint aber, als wenn die Bourgeoisie Nichts lernen wolle; es scheint, daß sie sich ein Vergnügen daraus mache, auf Unbewaffnete zu schießen und zu stechen. Denn was nun geschah, übersteigt alle Begriffe von Unverstand und Niederträchtigkeit. Sie wissen, daß der Maschinenbauer-Verein in einem öffentlichen Anschlage erklärt hatte, bei jedem vorkommenden Excesse zwischen Bürgerwehr <hi rendition="#g">unbewaffnet</hi> als Vermittler eintreten zu wollen, damit jeder Zwist zwischen Bürgern und Arbeitern vermieden würde. Ihrem Vorsatze getreu rückte der Maschinenbauer-Verein mit einer weißen Fahne nach dem Gensd'armenmarkte, um hier zum erstenmal seine Vermittlerrolle zu übernehmen. Aber welche Früchte erndtete der Verein für seinen guten Willen! Mit wahrhaft bestialischer Wuth stürzte die Bourgeoisgarde, ohne Rücksicht auf die weiße Friedensfahne, über die Vermittler her. Dem Fahnenträger wurden vom Hauptmann des 31. Bezirks, einem Fuhrmann Wolff, zwei Finger abgehauen; andere Verwundungen fielen zahlreich vor und einer der Verwundeten ist bereits an seinen Wunden gestorben. Dies also ist die gepriesene Einigkeit, die immer von den Bourgeois gepredigt wird, daß sie nicht nur wie Tiger über das unbewaffnete Volk herfallen, weil sie Exzesse <hi rendition="#g">befürchten,</hi> sondern sogar die nicht schonen, die als Vermittler zwischen Volk und Bourgeois Frieden stiften wollten? Die Bourgeoisie <hi rendition="#g">will</hi> durchaus nicht einsehen, daß sie ohne das Volk im Rücken <hi rendition="#g">Nichts</hi> ist; sie <hi rendition="#g">will</hi> nicht einsehen, daß das empörte Volk sie endlich sich selbst überlassen würde und daß es dann um ihren Liberalismus geschehen sei. Wehe dann der Bourgeoisie, wenn die Camarilla die Fehde offen beginnt. Sie wird verloren sein.</p>
          <p><hi rendition="#g">Nachschrift.</hi> Man sagt, das Volk habe gestern die Thüren des Sitzungssaales vernagelt, um die Vereinbarer auf diese Weise zu einem günstigen Beschlusse zu zwingen. Es sollen sogar einige Stricke zu gewissen Zwecken bereit gehalten worden sein. Die Abgeordneten haben den Sitzungssaal erst gegen 12 Uhr unter dem Schutze der Bürgerwehr verlassen. Selbst Abgeordnete der Linken, sagt man, seien bedroht gewesen. &#x2012; Die Stimmung ist heut eine sehr gedrückte. Zahlreiche Attroupements an allen Ecken, besonders aber auf dem Gensd'armenmarkte besprechen den gestrigen Krawall. Niemand wagt es, die Bourgeoisie in Schutz zu nehmen. Der Maschinenarbeiter-Verein war heut den ganzen Tag unter den Waffen versammelt. In einem Plakate zeigt er an, daß er einen Todten und 9 mehr oder minder Verwundete habe. Die Erbitterung ist groß.</p>
          <p>Heute Nachmittag um 4 Uhr hatte sich Volk unter den Zelten versammelt, wohin Ruge gestern eine Volksversammlung angesagt hatte. Das Volk wartete und wartete, aber wer nicht kam, war der große Bürger Ruge. Hatte er vielleicht Katzenjammer von wegen der gestrigen Demonstration, wo er als Statist großartig mitgewirkt hat? Das versammelte Volk hörte Statt des Bürgers Ruge die Abwiegelung des bekannten Dr. Eichler, und verlief sich wieder. &#x2012; Bis jetzt ist Alles ruhig geblieben. Wer weiß, was der Abend bringt! Die um Berlin lagernden Truppen haben Befehl, sich marschfertig zu halten.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Belgien.</head>
        <div xml:id="ar133b2_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Brüssel.</head>
          <p>Fast alle unsere politischen Blätter ergehen sich in diesem Augenblicke in Anschuldigungen der skandalösesten Art gegen das ministerielle Journal, die &#x201E;Independance,&#x201C; die Quelle und Freundin der &#x201E;Kölnischen Zeitung.&#x201C; Der &#x201E;Nation,&#x201C; welche schon häufig der Independance Käuflichkeit gradezu vorgeworfen, folgt bald der &#x201E;Observateur&#x201C; mit Anspielungen auf gewisse kitzliche Punkte, die das arme Journal ruhig über sich ergehen ließ. Der &#x201E;Observateur&#x201C; ist selbst ein ministerielles Blatt, und diese beiden saubern Rivalen kennen sich. Die &#x201E;Independance,&#x201C; welche wie ähnliche Blätter zu thun pflegen, allen bisherigen Angriffen der unabhängigen Journale Nichts entgegenzusetzen hatte, als Verläumdungen und Beleidigungen der Redakteure verstummte, bei diesem Angriff eines sonst gleichgesinnten Blattes. Ein ähnlicher Angriff der &#x201E;Emancipation&#x201C; blieb ebenfalls ohne Erwiderung. Heute nun tritt der &#x201E;Politique&#x201C; wieder auf mit einem wüthenden Artikel gegen die tugendhafte &#x201E;Independance,&#x201C; worin er dieselbe direkt wegen ihrer Käuflichkeit interpellirt. Er wirft ihr vor, daß sie für flandrisches (Antwerpener) Interesse bestochen sei; er bedauert einen solchen Skandal, der in Belgien unerhört sei; <hi rendition="#g">gewiß würde ein vaterländischer Schriftsteller die öffentliche Meinung seiner Landsleute nicht gegen Geld irre führen,</hi> denn der Redakteur der Independance gebe hiervon der belgischen Journalistik das erste
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
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</TEI>
[0675/0001] 2. Beilage zu Nr. 133 der Neuen Rheinischen Zeitung. Organ der Demokratie. Freitag, 3. November 1848. Deutschland. * Köln, 3. November. _ Berlin, 1. Nov. Der preuß. Staats-Anzeiger meldet: Wir erhalten aus Wien folgendes Plakat des Gemeinderaths: „Mitbürger! Nachdem der Herr Ober-Kommandant so eben dem Gemeinderathe die Nachricht überbracht hat, daß die stabile und mobile Nationalgarde, so wie die akademische Legion sich entschlossen haben, die Waffen niederzulegen und in die vom Herrn Fürsten Windischgrätz gestellten Bedingungen sich zu fügen, ist sogleich eine aus Gemeinderäthen und Mitgliedern der gesammten Volkswehr bestehende Deputation zum Herrn Fürsten abgegangen, um ihm die betreffende Mittheilung zu machen. Wien, den 29. Oktober 1848. Der Gemeinderath der Stadt Wien. Mar erfährt über den Hergang folgendes Nähere: Am 29. Morgens hatte eine Deputation des Gemeinderathes den Feldmarschall bewegen wollen, von der Bedingung der Fortdauer des Belagerungszustandes nach der Unterwerfung der Stadt abzugehen; der Fürst hatte sich indessen hierauf nicht eingelassen, und auf der unbedingten Unterwerfung bestanden; gleichzeitig jedoch versprochen, an dem Tage nicht mehr auf die Stadt schießen zu lassen, damit sie bis zum 30. Zeit habe, zur Besinnung zu kommen. Um halb 3 Uhr Nachmittags hatten einzelne Theile der Stadt wieder ein Kanonenfeuer eröffnet; dasselbe war jedoch bald eingestellt worden. In Folge der Antwort des Fürsten versammelte sich am 29sten Abends der Gemeinderath, und berief den Ober-Kommandanten, so wie alle Bezirks-Vorsteher der Nationalgarde, um zu berathen, ob eine längere Vertheidigung der Stadt möglich und gerathen sei, Herr Messenhauser soll erklärt haben, daß er zwar zur Fortsetzung des Kampfes bereit sei, wenn der Gemeinderath es befehle; daß aber bei der jetzigen Stellung der kaiserlichen Truppen an eine wirksame Vertheidigung der Stadt nicht zu denken sei; darauf soll die Unterwerfung mit 2/3 der Stimmen gegen 1/3 beschlossen worden sein. Noch in der Nacht ging die Deputation an den Fürsten (während gleichzeitig das obige Plakat veröffentlicht wurde), um die unbedingte Unterwerfung anzukündzgen, und zu bitten, daß die kaiserlichen Truppen der städtischen Behörde bei der Entwaffnung hülfreiche Hand leisten möchten. In Folge dessen hat der Feldmarschall die Feindseligkeiten gegen die Stadt nicht wieder eröffnet, und die Truppen am 30sten ohne Widerstand die Glacis besetzt. An demselben Tage hatten die Vorstädte schon größtentheils die Waffen niedergelegt; schon am 29sten sollen 27 Compagnien Nationalgarde in der Vorstadt Wieden die Waffen gestreckt haben. Aus der Stadt erfuhr man noch, daß die Nationalgarde mit Erfolg Angriffe von Arbeitern auf die Burg abgewiesen hatte, und daß General Bem verwundet im Gasthofe „Stadt London“ liege. Ueber die Ungarn wußte man in der nächsten Umgegend Wien's nichts Gewisses. Am 30. hatten Truppenbewegungen gegen dieselben in der Richtung von Kaiser-Ebersdorf und Schwechat stattgefunden, und man hatte dort schießen hören. In Breslau wollte man am 31. Oktober Nachmittags wissen, daß die Ungarn vorgerückt, aber geschlagen, und theils in die Donau geworfen, theils zu den kaiserlichen Truppen übergegangen seien. Aus der Stadt erhielt man noch folgenden Anschlag des Gemeinderaths: Alle Arbeiter, welche bewaffneten Corps oder der Mobilgarde eingereiht worden, undb estimmte Bezüge bisher von der Kommune empfangen haben, eben so die unbemittelten Nationalgarden, welche bisher von der Kommune unterstützt wurden, erhalten nach Ablieferung der Waffen an die hierzu näher zu bestimmende Kommission von dem Tage, als dies erfolgt ist, und so lange die bisher bezogene Unterstützung, bis die gegenwärtig gestörten Erwerbsverhältnisse werden geordnet und ihnen der selbstständige Erwerb wieder möglich geworden sein wird. Wien, den 29. Oktober 1848. Vom Gemeinderathe der Stadt Wien. Die Breslauer Zeitung berichtet: Breslau, 30. Oktbr. Abends 10 Uhr. Wir sind von Wien so vollständig abgeschnitten, daß weder heute Nachmittag noch heute Abend nur einigermaßen zuverlässige Nachrichten über die dortigen blutigen Ereignisse eingetroffen sind (Also die Breslauer Zeitung hat nicht einmal Nachrichten durch ihren Weinreisenden empfangen? Dies wird die „Kölnische“ sehr in Verlegenheit setzen.) Auf Zeitungen und Briefe aus Wien müssen wir natürlich schon von vorn herein verzichten. Ja, diese Ungewißheit über das, was jenseits der Gränze vorgeht, ist so groß, daß wir nicht einmal mit Sicherheit erfahren konnten, ob der Wiener Postzug auf der ersten preußischen Gränzstation angekommen sei, oder nicht. So viel steht fest, daß heute zum ersten Male selbst die Nachrichten aus Brünn und Ollmütz ausgeblieben sind, was allerdings auch für das Ausbleiben des Wiener Postzuges spräche. Nichtsdestoweniger haben sich mannigfache Gerüchte und Erzählungen verbreitet, welche Reisende wieder von Reisenden gehört haben wollen, (also doch der Weinreisende? die „Kölnische“ ist gerettet!) oder die den Personen aufgetischt werden, welche vorgeben unmittelbar vom Schauplatze der Begebenheiten zu kommen. Wem soll man hier trauen, und was soll man als glaubwürdig annehmen, wenn wir selbst einer telegraphischen Depesche nicht mehr trauen dürfen, die wir heute gelesen haben und die eine Vorstadt (Franz Allee) abbrennen läßt, während eine dieses Namens in Wien nicht existirt! ‒ (Während die Breslauer Zeitung selbst, an den Gerüchten ihrer Weinreisenden zweifelt, giebt die „Kölnische“ in ihren Extrablättern diese Gerüchte ohne im Geringsten die obigen erbaulichen Betrachtungen der Breslauerin hinzuzufügen). Die Allg. Oder-Zeitung meldet: Breslau, 30.Okt. Der so eben, 3 ein halb Uhr Nachmittags eintreffende Oberschlesische Bahnzug bringt abermals weder Briefe noch Zeitungen aus Wien; doch fehlt es nicht an höchst wichtigen Nachrichten, welche allerdings noch der Bestätigung bedürfen. Wir schicken gleich das Wichtigste voran, was in Ratibor von dort eintreffenden Reisenden berichtet worden. Windischgrätz ist in die Leopoldstadt eingedrungen und hat sich darin festgesetzt. Brünn ist in hellem Aufruhr. Das so oft und auch heute von gewisser Seite her gemeldete Eintreffen der Ungarn scheint nach anderweitig erhaltenen Nachrichten nicht wahrscheinlich. ‒ Ein Privatschreiben aus Preßburg vom 25. Okt. meldete Koffuth's Ankunft im ungarischen Hauptquartier bei Preßburg und das gleichzeitige Eintreffen von 8000 Sensenmännern aus Komorn, welche bestimmt waren, im Verein mit dem Landsturm aus dem Wieselburger und Oedenburger Comitate gen Wien zu marschiren. Ein anderer Beief aus Preßburg vom 27. meldet: „So eben wird in allen Straßen Allarm geschlagen und es ergeht an die Bevölkerung der Aufruf, sich mit dem Heere zu vereinigen um gen Wien zu marschiren ‒ ein Aufruf, welcher mit Begeisterung aufgenommen wird, da die gesammte Einwohnerschaft über die bisherige Zögerung Koffuth's empört, im Begriff stand, auf eigene Faust den Marsch anzutreten.“ Ein Reisender dagegen, welcher vorgestern Abend in Angern, an der ungarischen Gränze, ankam und von dort gestern Abend abreiste, wußte von dem Einmarsch der Ungarn nichts; bemerkte übrigens, daß bei Angern nur ein ganz geringfügiger Posten österreichischen Militärs stehe. Ueber Wien erzählt er, daß das Bombardement den gestrigen Tag (den 29.) fortgedauert hätte; das Feuer, welches am 28. die Vorstädte verheerte, aber gestern Abend vollständig gelöscht worden war. ‒ Kaiserl. Offiziere gestanden ihm, daß die Truppen fürchterlich gelitten hatten. Ein Schreiben aus Olmütz enthält folgende Mittheilungen vom 20.: „Wien war am 28. früh 7 Uhr noch ruhig; der Bahnhof von Militär besetzt und dasselbe beauftragt, bis 9 Uhr abgekocht zu haben, um dann die Leopoldstadt und Jägerzeile anzugreifen. Dies geschah auch, und es wurde die feste Barrikade am Eingang des Praters mit Sturm genommen. Die Soldaten rückten in die Jägerzeile ein, wo die zwei großen Eckhäuser in Flammen aufgingen. Die Posten von sechs Tagen werden eine Station vor Wien zurückgehalten und von sechszehn dort weilenden Postkondukteuren bewacht. ‒ Es sind bereits mehr als zwei Millionen Gulden baar und in Effekten eingelaufen. ‒ Gegen Verlegung des Reichstags nach Kremsier haben sämmtliche Deputirte energisch protestirt. Aus Lemberg erfahren wir noch, daß Dwernicki, an der Spitze von 8000 Polen, meistens solche, welche aus österreichischen Regimentern übergetreten ‒ den Ungarn zu Hülfe eilt. Endlich erhalten wir heut Abend 10 Uhr noch ein Schreiben aus Ratibor vom 30., welches die obigen Nachrichten bestätigt und noch anderweitige höchst wichtige Meldungen bringt. Es lautet wie folgt: Aus Wien oder seinen Umgebungen sind keine Reisende eingetroffen. Die übrigen jedoch, die theils aus Brünn, theils aus noch entfernteren Stationen hier angelangt sind, stimmen in der Aussage überein, daß am 28. Abends nach hartnäckigem Kampfe die Barrikade an der Jägerzeile, nachdem die beiden Eckhäuser (die Brendelschen) in Grund geschossen waren, gefallen ist, wodurch die Leopoldstadt mit der Jägerzeile, der Franzensgasse, dem Rennwege in die Hände des Militärs gekommen ist. Die weit wichtigeren Vorstädte Mariahilf und Wieden sind jedoch, wie früher, noch von bewaffneten Arbeitern und Nationalgarden besetzt, welche sich statt ihrer bisherigen, wenig energischen Anführer Mitglieder der akademischen Legion dazu erwählt haben. Auf keinen Fall ist an die Einnahme der letztgenannten Vorstädte von Seiten des Militärs zu denken, da sie durch ihre Lage zu sehr geschützt sind, während die Leopoldstadt überall offen und zugänglich ist. Der General Bem soll auf einmal verschwunden sein; man vermuthet, daß er wegen der Verzögerung des Angriffes von der Bevölkerung mit Argwohn angesehen und demzufolge ermordet worden ist (?) Ein bedeutender Geldtransport ist neuerdings in Wien vom Volke aufgefangen, das Silbergeld an sicherer Stelle in die Donau versenkt worden, während 100 Millionen Banknoten vernichtet wurden. Die Ungarn stehen, 80,000 Mann stark, von denen jedoch nur der kleinere Theil zu den regulären gehört, in Raab. Gestern sollten sie sicher vor Wien eintreffen. Heute läuft der 24stündige Waffenstillstand ab, der nach Einnahme der Leopoldstadt abgeschlossen worden war. In Brünn ist gestern (29.) das Rathhaus erstürmt, das Militär entwaffnet, der Landsturm aufgeboten und eine Deputation an den Kaiser nach Ollmütz abgeschickt worden. In Teschen ist der Landsturm organisirt, wie es in Oestreich.-Schlesien überhaupt nur am Aufrufe fehlt, um Alles unter die Waffen zu bringen und zum Abmarsche nach Wien zu bewegen. In Prag war am 28. Okt. große Volksversammlung wegen des Abmarsches nach Wien; die Nationalgarde hat sich organisirt. Jellachich steht unthätig vor Wien. Der Verlust des Militärs beträgt daselbst im Ganzen schon 8000 Mann, während nur ein Drittheil so viel von den Bürgern gefallen sind. 20 Berlin, 1. Nov. Der gestrige Tag endete nicht ohne ernste Vorfälle. Bei Wiedereröffnung der Sitzung der Vereinbarer hatte sich die Menge wiederum am Schauspielhause versammelt, um den Beschluß, von welchem, wie die Politiker sagten, das Wohl und Wehe Deutschlands abhänge, abzuwarten. Fackeln wurden herbeigeschafft, Reden gehalten, Reaktionäre ausgelacht und verfolgt; Heiterkeit mischte sich mit dem Ernst, der die versammelte Menge durchdrang, als plötzlich unter Trommelschlag Bürgerwehr anrückte und mit gefälltem Bajonett auf die Massen eindrang. Es ist möglich, daß die Bourgeois von Einzelnen geneckt worden sind und die Geduld verloren haben; es fiel auch wieder ein Pistolenschuß; aber rechtfertigt das ihr wirklich wüthiges Einschreiten gegen das Volk? Es scheint aber, als wenn die Bourgeoisie Nichts lernen wolle; es scheint, daß sie sich ein Vergnügen daraus mache, auf Unbewaffnete zu schießen und zu stechen. Denn was nun geschah, übersteigt alle Begriffe von Unverstand und Niederträchtigkeit. Sie wissen, daß der Maschinenbauer-Verein in einem öffentlichen Anschlage erklärt hatte, bei jedem vorkommenden Excesse zwischen Bürgerwehr unbewaffnet als Vermittler eintreten zu wollen, damit jeder Zwist zwischen Bürgern und Arbeitern vermieden würde. Ihrem Vorsatze getreu rückte der Maschinenbauer-Verein mit einer weißen Fahne nach dem Gensd'armenmarkte, um hier zum erstenmal seine Vermittlerrolle zu übernehmen. Aber welche Früchte erndtete der Verein für seinen guten Willen! Mit wahrhaft bestialischer Wuth stürzte die Bourgeoisgarde, ohne Rücksicht auf die weiße Friedensfahne, über die Vermittler her. Dem Fahnenträger wurden vom Hauptmann des 31. Bezirks, einem Fuhrmann Wolff, zwei Finger abgehauen; andere Verwundungen fielen zahlreich vor und einer der Verwundeten ist bereits an seinen Wunden gestorben. Dies also ist die gepriesene Einigkeit, die immer von den Bourgeois gepredigt wird, daß sie nicht nur wie Tiger über das unbewaffnete Volk herfallen, weil sie Exzesse befürchten, sondern sogar die nicht schonen, die als Vermittler zwischen Volk und Bourgeois Frieden stiften wollten? Die Bourgeoisie will durchaus nicht einsehen, daß sie ohne das Volk im Rücken Nichts ist; sie will nicht einsehen, daß das empörte Volk sie endlich sich selbst überlassen würde und daß es dann um ihren Liberalismus geschehen sei. Wehe dann der Bourgeoisie, wenn die Camarilla die Fehde offen beginnt. Sie wird verloren sein. Nachschrift. Man sagt, das Volk habe gestern die Thüren des Sitzungssaales vernagelt, um die Vereinbarer auf diese Weise zu einem günstigen Beschlusse zu zwingen. Es sollen sogar einige Stricke zu gewissen Zwecken bereit gehalten worden sein. Die Abgeordneten haben den Sitzungssaal erst gegen 12 Uhr unter dem Schutze der Bürgerwehr verlassen. Selbst Abgeordnete der Linken, sagt man, seien bedroht gewesen. ‒ Die Stimmung ist heut eine sehr gedrückte. Zahlreiche Attroupements an allen Ecken, besonders aber auf dem Gensd'armenmarkte besprechen den gestrigen Krawall. Niemand wagt es, die Bourgeoisie in Schutz zu nehmen. Der Maschinenarbeiter-Verein war heut den ganzen Tag unter den Waffen versammelt. In einem Plakate zeigt er an, daß er einen Todten und 9 mehr oder minder Verwundete habe. Die Erbitterung ist groß. Heute Nachmittag um 4 Uhr hatte sich Volk unter den Zelten versammelt, wohin Ruge gestern eine Volksversammlung angesagt hatte. Das Volk wartete und wartete, aber wer nicht kam, war der große Bürger Ruge. Hatte er vielleicht Katzenjammer von wegen der gestrigen Demonstration, wo er als Statist großartig mitgewirkt hat? Das versammelte Volk hörte Statt des Bürgers Ruge die Abwiegelung des bekannten Dr. Eichler, und verlief sich wieder. ‒ Bis jetzt ist Alles ruhig geblieben. Wer weiß, was der Abend bringt! Die um Berlin lagernden Truppen haben Befehl, sich marschfertig zu halten. Belgien. * Brüssel. Fast alle unsere politischen Blätter ergehen sich in diesem Augenblicke in Anschuldigungen der skandalösesten Art gegen das ministerielle Journal, die „Independance,“ die Quelle und Freundin der „Kölnischen Zeitung.“ Der „Nation,“ welche schon häufig der Independance Käuflichkeit gradezu vorgeworfen, folgt bald der „Observateur“ mit Anspielungen auf gewisse kitzliche Punkte, die das arme Journal ruhig über sich ergehen ließ. Der „Observateur“ ist selbst ein ministerielles Blatt, und diese beiden saubern Rivalen kennen sich. Die „Independance,“ welche wie ähnliche Blätter zu thun pflegen, allen bisherigen Angriffen der unabhängigen Journale Nichts entgegenzusetzen hatte, als Verläumdungen und Beleidigungen der Redakteure verstummte, bei diesem Angriff eines sonst gleichgesinnten Blattes. Ein ähnlicher Angriff der „Emancipation“ blieb ebenfalls ohne Erwiderung. Heute nun tritt der „Politique“ wieder auf mit einem wüthenden Artikel gegen die tugendhafte „Independance,“ worin er dieselbe direkt wegen ihrer Käuflichkeit interpellirt. Er wirft ihr vor, daß sie für flandrisches (Antwerpener) Interesse bestochen sei; er bedauert einen solchen Skandal, der in Belgien unerhört sei; gewiß würde ein vaterländischer Schriftsteller die öffentliche Meinung seiner Landsleute nicht gegen Geld irre führen, denn der Redakteur der Independance gebe hiervon der belgischen Journalistik das erste

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 133. Köln, 3. November 1848. Zweite Beilage, S. 0675. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz133b2_1848/1>, abgerufen am 29.03.2024.