Neue Rheinische Zeitung. Nr. 134. Köln, 4. November 1848.Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 134. Köln, Samstag den 4. November. 1848. Zu Nr. 133 der "Neuen Rheinischen Zeitung" ist am Freitag, 3. November, Morgens eine zweite Beilage ausgegeben und so viel als thunlich versandt worden; ein Theil der geehrten auswärtigen Abonnenten erhält dieselbe mit dieser Nummer. Die Expedition der "Neuen Rhein. Ztg." Uebersicht. Deutschland. Düsseldorf. (Eine Bataille). Berlin. (Die Sturmpetition und ihr Schicksal. - Das Jagdgesetz. - Pfuel. - Die Abschaffung des Adels. - Eichmann's Erlaß). Aus dem Mecklenburgischen (Hegel II.) Aus dem deutschen Reiche. (Fürst Heinrich LXXII. Lippe-Detmold). Italien. Turin. (Die "Concordia" über Garibaldi. - Die obre Lombardei und das Beltlin im Aufstande). Schweiz. Basel. (Metternich aus Straßburg verwiesen). Franz. Republik. Paris. (Pariser Zustand. - Bourgeois und Arbeiter. - Theater Dumas. - Die "Presse" und der "National." - Vermischtes). Dänemark. Kopenhagen. (Reichstag). Egypten. (Ibrahim Pascha). Amerika. New-York. (Die Wahlen. - Magee. - Handelsnachrichten. Canada. - Quebeck). Mexiko. (Paredes und Bravo. - Cuba). Asien. Bombay. (Die Belagerung von Mooltan aufgegeben. - Abfall Shere Singh's. - Rückzug General Whish. - Truppenbewegungen. - Handelsnachrichten). Deutschland. 109 Düsseldorf, 2. Nov. Gestern hat sich hier eine kleine Bataille ereignet, welche, so heiter auch ihr Ausgang war, dennoch auf eine wahrhaft empörende Weise zeigt, wie noch ganz wie ehedem im alten Polizeistaat, die unverschämtesten und brutalsten Mißhandlungen bei unsrer Polizei und Gensdarmerie an der Tagesordnung sind. Hören Sie, auf welche Weise die Düsseldorfer Polizei die vor Kurzem erst erlassene Habeas-Corpus-Acte respektirt. Vorgestern Abend traf bei dem hiesigen Polizei-Inspektor Zeller die Denunciation ein, daß sich der flüchtige Redakteur der N. Rhein. Ztg. Heinrich Bürgers in Düsseldorf im Hause der Gräfin Hatzfeld befinde. Gestern früh erscheint ein Lohndiener aus dem Europäischen Hofe im Hause der Gräfin mit der Bestellung, ein aus Köln angekommener Herr wünsche Herrn Bürgers auf's Eiligste und ohne jeden Verzug zu sprechen. Wie fein! Hrn. Bürgers aber, wenn er sich anders wirklich im Hause der Gräfin befand, war diese Unterredung nicht so eilig, sie schien ihm überhaupt nicht wünschenswerth zu sein; kurz, er begab sich nicht zu dem Rendezvous mit den Dienern der heiligen Hermandad, zu welchem er so freundlich eingeladen war. Die Polizei, da Herr Bürgers ihre Aufmerksamkeitsbezeugungen so schnöde unerwidert ließ, beschloß andere Maßregeln zu ergreifen. Nachmittags kurz vor 5 Uhr erscheint ein Polizeikommissar mit zwei Sergeanten und einem Gensd'armen am Hause der Gräfin von Hatzfeldt, erzwingen mit Gewalt und unter Mißhandlung des erschreckten Hausmädchens, welches die Thür nicht öffnen will, den Eintritt, und stürmen die Treppe hinauf. Kaum hatte die Gräfin, welche sich grade beim Diner befand, Zeit, durch den Lärm avertirt, vom Tisch aufzuspringen und sich mit Hrn. Lassalle und ihrem Sohne vor die Thür des Speisezimmers zu postiren, in welchem sich Hr. Bürgers jedenfalls wohl befunden haben würde, wenn er wirklich im Hause war. Die heranstürzende Polizeimannschaft begehrte stürmisch Einlaß ins Zimmer, um Herrn Bürgers zu sahen. Die Gräfin erklärte, daß nach den in der unlängst publizirten Habeas-Corpus-Akte enthaltenen Bestimmungen über die Unverletzlichkeit des Domizils, die Polizei nur dann gegen den Willen des Hausbesitzers in ein Haus eindringen dürfe, wenn sie einen richterlichen Befehl vorzeige, der sie dazu ermächtige. Die Polizisten aber erwiederten, dies seien überflüssige Formalitäten, sie seien herbeordert, um eine Haussuchung zu halten, und würden das mit Gewalt durchsetzen. Unmöglich kann ich Ihnen den Höllenskandal beschreiben, der sich jetzt erhob. Auf die wiederholte Protestation der Gräfin, ohne richterlichen Befehl die Polizisten keinen Schritt vorwärts zu lassen, ergossen sich diese in eine Fluth der rohesten Beleidigungen gegen die Gräfin und Hrn. Lassalle, drohten mit den Fäusten und schickten sich an, Gewalt zu brauchen. Die Gräfin, da alle Berufungen auf Recht und Gesetz unnütz blieben, befahl jetzt ihren Bedienten die vorgesetzte Behörde, den Hrn. Polizeiinspektor Zeller, herbeizuholen. Das aber wollten die Polizisten, im Bewußtsein der Brutalitäten, welche sie sich bereits hatten zu Schulden kommen lassen, um jeden Preis verhindern. Der Polizeikommissar eilte die Treppe hinunter und verbot dem an der Hausthür stehenden Gensd'armen irgend Jemand zum Hause hinauszulassen. Als Hr. Lassalle erklärte, selbst sich zum Polizeiinspektor begeben zu wollen und hierzu die Treppe hinunterstieg, stürzte ihm der Polizeikommissar entgegen, packte ihn an der Kehle und riß ihn zu Boden. Sein ihm zu Hülfe eilender Diener wurde von den andern Polizisten mit Faustschlägen mißhandelt. Die Gräfin selbst wurde von dem Polizeikommissar mit Fäusten angepackt, herumgestoßen und so empfindlich am Arm gedrückt, daß sie ein in allen Farben schillerndes Andenken davon behielt. Als es ihr und Hrn. Lassalle dennoch gelang, das Hausthor zu erreichen, zog der daselbst postirte Gensd'arm seinen Säbel zur Hälfte, stieß die Gräfin vor die Brust und rief donnernd, weder die Gräfin noch Hrn. Lassalle oder sonst Jemand zum Hause hinaus zu lassen. Auf ihre desfallsige Frage, ob sie eine Gefangene in ihrem Hause sei, wurde dieselbe nebst ihrer ganzen Hausgenossenschaft vom Polizeikommissar förmlich zu Gefangenen in ihrem eigenen Hause erklärt! So oft Jemand den Versuch wiederholte, sich zum Haus hinauszubegeben um den Polizeiinspektor zu holen, wurde er von den Polizisten durch körperlichen Widerstand daran gehindert und mit Fäusten zurückgestoßen. Inzwischen überzeugten sich die Polizisten durch den Löwenmuth, mit welchem die Gräfin den innern Eingang vertheidigte und durch die beständigen Versprechungen des Hrn. Lassalle, Ihnen die "schönste Kriminalanklage von der Welt" anhängig machen zu wollen, etwas abgekühlt, daß sie ohne weitere Verstärkung nicht im Stande sein würden, die Haussuchung zu erzwingen. Da nun inzwischen bereits ein Hausbewohner über die hintere Gartenmauer entkommen war um den Polizeiinspektor zu holen, wurde jetzt auch von Seiten der Polizei nach diesem geschickt. Als Hr. Zeller erschien, endete der tosende Lärm, welchen die Polizeibeamten bis dahin gemacht hatten und die Scene nahm einen mehr parlamentarischen Charakter an. Hr. Zeller fommirte die Gräfin mehremal feierlichst, die Haussuchung zu gestatten. Die Gräfin erklärte eben so feierlichst unter Bezugnahme auf die Habeas-Corpus-Akte, keine Haussuchung zu dulden, die nicht auf Grund eines besondern richterlichen Befehls, der hierzu autorisire, vorgenommen werde. Hr. Zeller zog den gegen Hrn. Bürgers erlassenen Steckbrief aus seiner Tasche und wollte diesen als einen solchen Befehl geltend machen. Die Gräfin erklärte, daß ein Steckbrief gegen einen beliebigen Menschen - deren die Polizei ja stets zu Dutzenden besitzt - kein passe par tout durch die Häuser aller Bürger sei, in welchem Falle die Bestimmungen über die Unverletzlichkeit des Domizils in der Habeas-Corpus-Akte rein illusorisch wären, daß vielmehr ein die Haussuchung verfügender spezieller richterlicher Befehl von nöthen sei. Hr. Zeller erklärte im Nothfall Gewalt anwenden zu müssen und die Gräfin erklärte, daß sie sich einer gewaltthätigen und illegalen Haussuchung mit derselben Gewalt widersetzen werde. Da unterdeß eine Masse Publikum vor das Haus herbeigeströmt war, hätte letzterer Erklärung sehr wohl ein geeigneter Nachdruck gegeben werden können. "Inzwischen - mitten unter allen diesen Erklärungen und Gegenerklärungen - schlug die dumpfe Geisterstunde" nehmlich 6 Uhr, wo, wie Sie wissen, der Polizeispuck verschwinden muß. Wie Bertram in Robert dem Teufel wenn die Glocke Eins schlägt, verschwanden die Polizeidämonen und Bürgers wenn er wirklich im Hause war, war gerettet. Nur 14 Gensdarmen wurden in die dem Hause gegenüberliegenden Gesträuche versteckt um das Entfliehen Bürgers zu verhindern. Inzwischen hatte sich in der Stadt das Gerücht von den stattgehabten Vorgängen verbreitet, man erzählte: die Gräfin, ihr Sohn, Herr Lassalle wären verhaftet worden, und so fanden sich denn gegen 10 Uhr Abends an hundert Bürger und Arbeiter - eine Vereinigung so ausnehmend handfester Männer, wie ich sie selten gesehen habe, - vor dem Hause der Gräfin ein. Nach einem Hoch auf die Gräfin, ausgebracht um sie für die erlittnen Mißhandlungen zu entschädigen und einem Hoch auf Herrn Bürgers aus Köln wurden die Massen, um diese Artigkeit zu vergelten, ins Haus eingelaßen welches sie einige Minuten drauf wieder verließen. Wäre nun Herr Bürgers wirklich im Hause gewesen, so wird er wohl jedenfalls dasselbe mitten unter dieser mannhaften Bedeckung verlassen und sich in Sicherheit gebracht haben. Die 14 Gensdarmen hielten es nicht für rathsam den Zug als er das Haus verließ zu belästigen, und so erreichten denn alle Mitglieder desselben, wie ich Sie versichern kann, unbehelligt ihr Ziel. Heute früh fand nun die Fortsetzung der gestrigen Vorfälle Statt. Um 10 Uhr erschien Herr Polizeiinspektor Zeller mit zwei Sergeanten und befragte die Gräfin, ob Herr Bürgers in ihrem Hause wäre. Die Gräfin erklärte, jede Auslassung hierüber zu verweigern. Hierauf eröffnete ihr Herr Zeller, daß er verpflichtet sei, eine Haussuchung vorzunehmen. Die Gräfin erklärte zu Protokoll, daß sie auf Grund des § 6 des Gesetzes vom 24. September d. J. (welcher lautet: "Haussuchungen dürfen nur in den Fällen und nach den Formen des Gesetzes, unter Mitwirkung des Richters, der gerichtlichen Polizei und, wo diese noch nicht eingeführt ist, der Polizeikommissarien etc. geschehen") sich jeder Haussuchung als einer völlig ungesetzlichen widersetzen werde, welche nicht unter Mitwirkung eines Richters erfolge, da sie sämmtliche Zimmerthüren verschlossen habe und es dem Polizeiinspektor überlassen müsse, diese gewaltsam zu erbrechen, woran sie ihn jedoch nicht durch Anwendung von Gewalt hindern werde. Der Polizeiinspektor zog sich hierauf mit seinen Leuten zurück, um mit der obern Behörde über diesen kritischen Fall zu konferiren. Gegenwärtig - 2 1/2 Uhr Mittag - ist noch nichts weiteres erfolgt. Wir haben in der angenehmen Spannung eine Art von Belagerungszustand. Die Gräfin hat übrigens sofort über die gestrigen Vorfälle Protokoll aufnehmen lassen, um über die durch den Polizeikommissar, seine Sergeanten und den Gensd'armen verübten körperlichen Mißhandlungen und Ueberschreitungen ihrer Amtsbefugnisse sowie Verletzung der Gesetze über die persönliche Freiheit eine ernste Prozedur einzuleiten. Der § 6 der Habeas-Corpus-Acte ist auf das schreiendste verletzt worden. Noch deutlicher wird das brutale und willkührliche Auftreten des Polizeikommissars und seiner Leute durch das vergleichungsweise bei weitem legalere Handeln des Polizei-Inspektors, welcher sich auf die oben mitgetheilte Erklärung der Gräfin hin ruhig zurückzog, während der Polizeikommissar gestern um den richterlichen Befehl befragt unter der Antwort: "Ach was, wir haben Ihnen gar nichts vorzuzeigen; das geht uns nichts an, wir gebrauchen Gewalt," gewaltsam und unter Mißhandlung der davor befindlichen Personen, den Eintritt in die Zimmer zu erzwingen versucht hatte. Wir werden sehen, ob unsere Justizbehörde, welche, wenn man den Gensdarmen Brutalitäten vorhält, sofort auf Grund der beleidigten "Delicatesse" derselben Correctionellproceduren einleitet, nun andrerseits die offenbarsten Verbrechen, welche sich dieselben in Ausübung ihres Amtes ungescheut erlauben, zu verfolgen wissen wird, oder ob die Strafen des Code penal wirklich nur für die Bürger und nie für die Beamten da sind. - Die Denunciation über den Aufenthalt des Hrn. Bürgers im Hause der Gräfin ist übrigens, wie ich aus dem Protokolle des Polizei-Inspektors selbst erhoben habe, auf folgende Weise zu demselben gelangt. Am 31. hatte die Gräfin einen Sieglungstermin auf Calcum, dem Schlosse ihres Gemahls. Hr. Bürgers, der nicht glaubte, daselbst bekannt zu sein, soll die Gräfin dahin begleitet haben. Sofort aber ging von Schloß Calcum die betreffende Denunziation an den Bürgermeister zu Kaiserswerth und von diesem an den hiesigen Polizei-Inspektor. Graf Hatzfeld hat seinen sonstigen Verdiensten somit jetzt auch noch das Verdienst hinzugefügt, politische Flüchtlinge zu denunziren. 14 Berlin, 1. Nov. Die Vereinbarer begannen um 5 Uhr das Wohl oder Wehe Deutschlands zu berathen. Es währte lange, sehr lange, ehe sie mit letzterem zu Stande kamen. Draußen das Volk wurde unruhig. Gegen 6 Uhr fand es, daß die da drinnen so hell erleuchtet säßen und sie da draußen im Dunkeln sich beregnen lassen müßten. Rasch wurden Fackeln geholt, die gleich riesenhaften Irrlichtern, durch die dunkelen Massen flackerten. Drinnen ließen sie den Antrag Waldecks fallen und mit ihm war eigentlich die Petition des Volkes schon gefallen. Noch aber gab es Auswege, die Versammlung erkannte sie nicht. Das Amendement des Berliner Genies Duncker fiel auch, und die gutmüthigen Seelen der Linken hatten ihre kleine Freude. Da kam Hr. Rodbertus, der Mann der Möglichkeit, mit seinem Amendement, das die Reichsverwesung ersucht, Hülfe zu leisten. Draußen machte ein Redner dem Volke diese Mittheilung, und tausende von Stimmen riefen: "Nicht die Reichsverwesung, die wir verachten, die da drinnen sollen helfen!" Vergebens, manchem von denen da drinnen mochten die Zähne klappern, aber das Gewissen schlug ihnen nicht. Sie beriethen weiter. Eine Stunde später (nach 8 Uhr) sahen wir, daß alle Ausgänge des Schauspielhauses vom Volke besetzt waren. Die hintern Thüren wurden vernagelt und vor jeder bewegten sich Gruppen mit Fackeln. Weder Abgeordnete noch Zuhörer konnten aus dem Hause. Das Volk hatte nur noch einen Gedanken: die da drinnen verrathen uns. So wurde es 9 Uhr. Das Horn der Bürgerwehr klang, die Trommel rasselte, die bewaffneten Herren rückten mit gefälltem Bajonnette an, und es gelang ihnen, die unbewaffneten Haufen von den Eingängen des Schauspielhauses zu vertreiben. Jetzt wäre es Zeit gewesen, wenn die "Veranlasser" der Sturmpetition sich gezeigt hätten. Aber kein großer Geist Berlins ließ sich blicken. Ein Fremder erlaubte sich die Herren von der Bürgerwehr anzureden, und sie zu fragen, weshalb sie denn gegen das Volk zögen. Ein Bajonnetstich war die Antwort. Die Annahme des Rodbertus'schen Unsinns wurde bekannt gemacht. Ein Schrei der Entrüstung. Dennoch mochte es den Abwieglern gelungen sein, den Maschinenbauern blauen Dunst vorzumachen. Die edlen Menschen kamen mit einer weißen Friedensfahne. Zum Danke wurde dem Fahnenträger der Finger abgehauen, ein Andrer erhielt einen Bajonnetstich durch den Leib, und soll todt sein. Heute ist eine drückende Stille. Der Katholizismus rettet die Herren der Rechten vor Insulten: es ist heute nämlich wegen eines katholischen Festtags keine Kammersitzung. Trotzdem treibt sich eine Masse Menschen vor dem Sitzungslokale umher, und unterhält sich im bittern Gefühle ihrer gestrigen Entwürdigung. Nachträglich erfahre ich, daß außer den obenerwähnten noch mehrere Andere vom Volke schwer verwundet wurden, und wie das Gerücht sagt, einige muthige Abgeordnete erst heute in aller Frühe aus den Kellern des Schauspielhauses hervorkrochen. * Berlin. Die "Neue Preußische Zeitung", Ritterin vom Landwehrkreuz, schildert die Folgen der Aufhebung des feudalen Jagdrechts also: Wenn das jetzige Jagdrecht zerstört sein wird, so werden es nicht blos die Eigenthümer auf ihrem Grund und Boden ausüben, sondern Jeder, dem es beliebt, ja die Reaction wird so weit gehen, daß ein privilegirtes Jagdrecht auf Menschen eintreten wird. Wie wir hören, hatte das Ministerium Pfuel das Veto des Königs gegen das neue Jagdgesetz in der Tasche, wagte es aber nicht, den Vereinbarern mitzutheilen. Und den folgenden Tag zog der König sein Veto zurück und gab statt dessen seine Sanktion. ** Berlin, 1. November. Aus sicherer Quelle geht uns noch folgende Nachricht vom gestrigen Abend zu: Der Premier-Minister General v. Pfuel fand nur darin Rettung vor der dringendsten persönlichen Gefahr, daß er sich unter den Schutz des Abgeordneten Jung begab. Dieser nahm ihn mit in seine Wohnung, wo Herr v. Pfuel bis nach Mitternacht verweilte, und sodann durch die Herren Jung, Schramm, Jakoby eskortirt, in das Kriegsministerium zurück kam. - Auch mehrere andere Minister und Abgeordnete konnten erst spät in der Nacht in ihre Wohnungen zurückkehren. So berichtet die "Neue Preußische Zeitung." Dasselbe Blatt macht folgende witzige Bemerkungen über die Abschaffung des Adels: "Der Adel ist abgeschafft und der "plebejische" Theil der hohen National-Versammlung hat jetzt das Glück erobert, nicht hinter Dessau zurückgeblieben zu sein, auch sich vorläufig wenigstens im Reiche der Phantasie unter seines Gleichen bewegen zu können. Kiolbassa und Mroß, Graf Reichenbach und von Lisiecki, jetzt ganz gleiche Brüder, die wohl auch der Unterschied des "ungerechten Mammons" nicht mehr trennt. Mit dem Jagdgesetze der erste Eingriff in den Besitz überhaupt, mit der Abschaffung des Adels der erste Eingriff in das Erbrecht, und wer jetzt dazu ermuntert hat, den innern Adel durch Ablegung des äußern zu beweisen, wird bald daran erinnert werden, daß sich mit dem innern und äußern Reichthum ein ähnliches Wortspiel treiben läßt." Berlin. Pröbchen aus der deutschen Reform über die Ereignisse in Wien, um das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden: Den 27. Morgens. "Das Windischgrätz das Bombardement Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 134. Köln, Samstag den 4. November. 1848. Zu Nr. 133 der „Neuen Rheinischen Zeitung“ ist am Freitag, 3. November, Morgens eine zweite Beilage ausgegeben und so viel als thunlich versandt worden; ein Theil der geehrten auswärtigen Abonnenten erhält dieselbe mit dieser Nummer. Die Expedition der „Neuen Rhein. Ztg.“ Uebersicht. Deutschland. Düsseldorf. (Eine Bataille). Berlin. (Die Sturmpetition und ihr Schicksal. ‒ Das Jagdgesetz. ‒ Pfuel. ‒ Die Abschaffung des Adels. ‒ Eichmann's Erlaß). Aus dem Mecklenburgischen (Hegel II.) Aus dem deutschen Reiche. (Fürst Heinrich LXXII. Lippe-Detmold). Italien. Turin. (Die „Concordia“ über Garibaldi. ‒ Die obre Lombardei und das Beltlin im Aufstande). Schweiz. Basel. (Metternich aus Straßburg verwiesen). Franz. Republik. Paris. (Pariser Zustand. ‒ Bourgeois und Arbeiter. ‒ Theater Dumas. ‒ Die „Presse“ und der „National.“ ‒ Vermischtes). Dänemark. Kopenhagen. (Reichstag). Egypten. (Ibrahim Pascha). Amerika. New-York. (Die Wahlen. ‒ Magee. ‒ Handelsnachrichten. Canada. ‒ Quebeck). Mexiko. (Paredes und Bravo. ‒ Cuba). Asien. Bombay. (Die Belagerung von Mooltan aufgegeben. ‒ Abfall Shere Singh's. ‒ Rückzug General Whish. ‒ Truppenbewegungen. ‒ Handelsnachrichten). Deutschland. 109 Düsseldorf, 2. Nov. Gestern hat sich hier eine kleine Bataille ereignet, welche, so heiter auch ihr Ausgang war, dennoch auf eine wahrhaft empörende Weise zeigt, wie noch ganz wie ehedem im alten Polizeistaat, die unverschämtesten und brutalsten Mißhandlungen bei unsrer Polizei und Gensdarmerie an der Tagesordnung sind. Hören Sie, auf welche Weise die Düsseldorfer Polizei die vor Kurzem erst erlassene Habeas-Corpus-Acte respektirt. Vorgestern Abend traf bei dem hiesigen Polizei-Inspektor Zeller die Denunciation ein, daß sich der flüchtige Redakteur der N. Rhein. Ztg. Heinrich Bürgers in Düsseldorf im Hause der Gräfin Hatzfeld befinde. Gestern früh erscheint ein Lohndiener aus dem Europäischen Hofe im Hause der Gräfin mit der Bestellung, ein aus Köln angekommener Herr wünsche Herrn Bürgers auf's Eiligste und ohne jeden Verzug zu sprechen. Wie fein! Hrn. Bürgers aber, wenn er sich anders wirklich im Hause der Gräfin befand, war diese Unterredung nicht so eilig, sie schien ihm überhaupt nicht wünschenswerth zu sein; kurz, er begab sich nicht zu dem Rendezvous mit den Dienern der heiligen Hermandad, zu welchem er so freundlich eingeladen war. Die Polizei, da Herr Bürgers ihre Aufmerksamkeitsbezeugungen so schnöde unerwidert ließ, beschloß andere Maßregeln zu ergreifen. Nachmittags kurz vor 5 Uhr erscheint ein Polizeikommissar mit zwei Sergeanten und einem Gensd'armen am Hause der Gräfin von Hatzfeldt, erzwingen mit Gewalt und unter Mißhandlung des erschreckten Hausmädchens, welches die Thür nicht öffnen will, den Eintritt, und stürmen die Treppe hinauf. Kaum hatte die Gräfin, welche sich grade beim Diner befand, Zeit, durch den Lärm avertirt, vom Tisch aufzuspringen und sich mit Hrn. Lassalle und ihrem Sohne vor die Thür des Speisezimmers zu postiren, in welchem sich Hr. Bürgers jedenfalls wohl befunden haben würde, wenn er wirklich im Hause war. Die heranstürzende Polizeimannschaft begehrte stürmisch Einlaß ins Zimmer, um Herrn Bürgers zu sahen. Die Gräfin erklärte, daß nach den in der unlängst publizirten Habeas-Corpus-Akte enthaltenen Bestimmungen über die Unverletzlichkeit des Domizils, die Polizei nur dann gegen den Willen des Hausbesitzers in ein Haus eindringen dürfe, wenn sie einen richterlichen Befehl vorzeige, der sie dazu ermächtige. Die Polizisten aber erwiederten, dies seien überflüssige Formalitäten, sie seien herbeordert, um eine Haussuchung zu halten, und würden das mit Gewalt durchsetzen. Unmöglich kann ich Ihnen den Höllenskandal beschreiben, der sich jetzt erhob. Auf die wiederholte Protestation der Gräfin, ohne richterlichen Befehl die Polizisten keinen Schritt vorwärts zu lassen, ergossen sich diese in eine Fluth der rohesten Beleidigungen gegen die Gräfin und Hrn. Lassalle, drohten mit den Fäusten und schickten sich an, Gewalt zu brauchen. Die Gräfin, da alle Berufungen auf Recht und Gesetz unnütz blieben, befahl jetzt ihren Bedienten die vorgesetzte Behörde, den Hrn. Polizeiinspektor Zeller, herbeizuholen. Das aber wollten die Polizisten, im Bewußtsein der Brutalitäten, welche sie sich bereits hatten zu Schulden kommen lassen, um jeden Preis verhindern. Der Polizeikommissar eilte die Treppe hinunter und verbot dem an der Hausthür stehenden Gensd'armen irgend Jemand zum Hause hinauszulassen. Als Hr. Lassalle erklärte, selbst sich zum Polizeiinspektor begeben zu wollen und hierzu die Treppe hinunterstieg, stürzte ihm der Polizeikommissar entgegen, packte ihn an der Kehle und riß ihn zu Boden. Sein ihm zu Hülfe eilender Diener wurde von den andern Polizisten mit Faustschlägen mißhandelt. Die Gräfin selbst wurde von dem Polizeikommissar mit Fäusten angepackt, herumgestoßen und so empfindlich am Arm gedrückt, daß sie ein in allen Farben schillerndes Andenken davon behielt. Als es ihr und Hrn. Lassalle dennoch gelang, das Hausthor zu erreichen, zog der daselbst postirte Gensd'arm seinen Säbel zur Hälfte, stieß die Gräfin vor die Brust und rief donnernd, weder die Gräfin noch Hrn. Lassalle oder sonst Jemand zum Hause hinaus zu lassen. Auf ihre desfallsige Frage, ob sie eine Gefangene in ihrem Hause sei, wurde dieselbe nebst ihrer ganzen Hausgenossenschaft vom Polizeikommissar förmlich zu Gefangenen in ihrem eigenen Hause erklärt! So oft Jemand den Versuch wiederholte, sich zum Haus hinauszubegeben um den Polizeiinspektor zu holen, wurde er von den Polizisten durch körperlichen Widerstand daran gehindert und mit Fäusten zurückgestoßen. Inzwischen überzeugten sich die Polizisten durch den Löwenmuth, mit welchem die Gräfin den innern Eingang vertheidigte und durch die beständigen Versprechungen des Hrn. Lassalle, Ihnen die „schönste Kriminalanklage von der Welt“ anhängig machen zu wollen, etwas abgekühlt, daß sie ohne weitere Verstärkung nicht im Stande sein würden, die Haussuchung zu erzwingen. Da nun inzwischen bereits ein Hausbewohner über die hintere Gartenmauer entkommen war um den Polizeiinspektor zu holen, wurde jetzt auch von Seiten der Polizei nach diesem geschickt. Als Hr. Zeller erschien, endete der tosende Lärm, welchen die Polizeibeamten bis dahin gemacht hatten und die Scene nahm einen mehr parlamentarischen Charakter an. Hr. Zeller fommirte die Gräfin mehremal feierlichst, die Haussuchung zu gestatten. Die Gräfin erklärte eben so feierlichst unter Bezugnahme auf die Habeas-Corpus-Akte, keine Haussuchung zu dulden, die nicht auf Grund eines besondern richterlichen Befehls, der hierzu autorisire, vorgenommen werde. Hr. Zeller zog den gegen Hrn. Bürgers erlassenen Steckbrief aus seiner Tasche und wollte diesen als einen solchen Befehl geltend machen. Die Gräfin erklärte, daß ein Steckbrief gegen einen beliebigen Menschen ‒ deren die Polizei ja stets zu Dutzenden besitzt ‒ kein passe par tout durch die Häuser aller Bürger sei, in welchem Falle die Bestimmungen über die Unverletzlichkeit des Domizils in der Habeas-Corpus-Akte rein illusorisch wären, daß vielmehr ein die Haussuchung verfügender spezieller richterlicher Befehl von nöthen sei. Hr. Zeller erklärte im Nothfall Gewalt anwenden zu müssen und die Gräfin erklärte, daß sie sich einer gewaltthätigen und illegalen Haussuchung mit derselben Gewalt widersetzen werde. Da unterdeß eine Masse Publikum vor das Haus herbeigeströmt war, hätte letzterer Erklärung sehr wohl ein geeigneter Nachdruck gegeben werden können. „Inzwischen ‒ mitten unter allen diesen Erklärungen und Gegenerklärungen ‒ schlug die dumpfe Geisterstunde“ nehmlich 6 Uhr, wo, wie Sie wissen, der Polizeispuck verschwinden muß. Wie Bertram in Robert dem Teufel wenn die Glocke Eins schlägt, verschwanden die Polizeidämonen und Bürgers wenn er wirklich im Hause war, war gerettet. Nur 14 Gensdarmen wurden in die dem Hause gegenüberliegenden Gesträuche versteckt um das Entfliehen Bürgers zu verhindern. Inzwischen hatte sich in der Stadt das Gerücht von den stattgehabten Vorgängen verbreitet, man erzählte: die Gräfin, ihr Sohn, Herr Lassalle wären verhaftet worden, und so fanden sich denn gegen 10 Uhr Abends an hundert Bürger und Arbeiter ‒ eine Vereinigung so ausnehmend handfester Männer, wie ich sie selten gesehen habe, ‒ vor dem Hause der Gräfin ein. Nach einem Hoch auf die Gräfin, ausgebracht um sie für die erlittnen Mißhandlungen zu entschädigen und einem Hoch auf Herrn Bürgers aus Köln wurden die Massen, um diese Artigkeit zu vergelten, ins Haus eingelaßen welches sie einige Minuten drauf wieder verließen. Wäre nun Herr Bürgers wirklich im Hause gewesen, so wird er wohl jedenfalls dasselbe mitten unter dieser mannhaften Bedeckung verlassen und sich in Sicherheit gebracht haben. Die 14 Gensdarmen hielten es nicht für rathsam den Zug als er das Haus verließ zu belästigen, und so erreichten denn alle Mitglieder desselben, wie ich Sie versichern kann, unbehelligt ihr Ziel. Heute früh fand nun die Fortsetzung der gestrigen Vorfälle Statt. Um 10 Uhr erschien Herr Polizeiinspektor Zeller mit zwei Sergeanten und befragte die Gräfin, ob Herr Bürgers in ihrem Hause wäre. Die Gräfin erklärte, jede Auslassung hierüber zu verweigern. Hierauf eröffnete ihr Herr Zeller, daß er verpflichtet sei, eine Haussuchung vorzunehmen. Die Gräfin erklärte zu Protokoll, daß sie auf Grund des § 6 des Gesetzes vom 24. September d. J. (welcher lautet: „Haussuchungen dürfen nur in den Fällen und nach den Formen des Gesetzes, unter Mitwirkung des Richters, der gerichtlichen Polizei und, wo diese noch nicht eingeführt ist, der Polizeikommissarien etc. geschehen“) sich jeder Haussuchung als einer völlig ungesetzlichen widersetzen werde, welche nicht unter Mitwirkung eines Richters erfolge, da sie sämmtliche Zimmerthüren verschlossen habe und es dem Polizeiinspektor überlassen müsse, diese gewaltsam zu erbrechen, woran sie ihn jedoch nicht durch Anwendung von Gewalt hindern werde. Der Polizeiinspektor zog sich hierauf mit seinen Leuten zurück, um mit der obern Behörde über diesen kritischen Fall zu konferiren. Gegenwärtig ‒ 2 1/2 Uhr Mittag ‒ ist noch nichts weiteres erfolgt. Wir haben in der angenehmen Spannung eine Art von Belagerungszustand. Die Gräfin hat übrigens sofort über die gestrigen Vorfälle Protokoll aufnehmen lassen, um über die durch den Polizeikommissar, seine Sergeanten und den Gensd'armen verübten körperlichen Mißhandlungen und Ueberschreitungen ihrer Amtsbefugnisse sowie Verletzung der Gesetze über die persönliche Freiheit eine ernste Prozedur einzuleiten. Der § 6 der Habeas-Corpus-Acte ist auf das schreiendste verletzt worden. Noch deutlicher wird das brutale und willkührliche Auftreten des Polizeikommissars und seiner Leute durch das vergleichungsweise bei weitem legalere Handeln des Polizei-Inspektors, welcher sich auf die oben mitgetheilte Erklärung der Gräfin hin ruhig zurückzog, während der Polizeikommissar gestern um den richterlichen Befehl befragt unter der Antwort: „Ach was, wir haben Ihnen gar nichts vorzuzeigen; das geht uns nichts an, wir gebrauchen Gewalt,“ gewaltsam und unter Mißhandlung der davor befindlichen Personen, den Eintritt in die Zimmer zu erzwingen versucht hatte. Wir werden sehen, ob unsere Justizbehörde, welche, wenn man den Gensdarmen Brutalitäten vorhält, sofort auf Grund der beleidigten „Delicatesse“ derselben Correctionellproceduren einleitet, nun andrerseits die offenbarsten Verbrechen, welche sich dieselben in Ausübung ihres Amtes ungescheut erlauben, zu verfolgen wissen wird, oder ob die Strafen des Code pénal wirklich nur für die Bürger und nie für die Beamten da sind. ‒ Die Denunciation über den Aufenthalt des Hrn. Bürgers im Hause der Gräfin ist übrigens, wie ich aus dem Protokolle des Polizei-Inspektors selbst erhoben habe, auf folgende Weise zu demselben gelangt. Am 31. hatte die Gräfin einen Sieglungstermin auf Calcum, dem Schlosse ihres Gemahls. Hr. Bürgers, der nicht glaubte, daselbst bekannt zu sein, soll die Gräfin dahin begleitet haben. Sofort aber ging von Schloß Calcum die betreffende Denunziation an den Bürgermeister zu Kaiserswerth und von diesem an den hiesigen Polizei-Inspektor. Graf Hatzfeld hat seinen sonstigen Verdiensten somit jetzt auch noch das Verdienst hinzugefügt, politische Flüchtlinge zu denunziren. 14 Berlin, 1. Nov. Die Vereinbarer begannen um 5 Uhr das Wohl oder Wehe Deutschlands zu berathen. Es währte lange, sehr lange, ehe sie mit letzterem zu Stande kamen. Draußen das Volk wurde unruhig. Gegen 6 Uhr fand es, daß die da drinnen so hell erleuchtet säßen und sie da draußen im Dunkeln sich beregnen lassen müßten. Rasch wurden Fackeln geholt, die gleich riesenhaften Irrlichtern, durch die dunkelen Massen flackerten. Drinnen ließen sie den Antrag Waldecks fallen und mit ihm war eigentlich die Petition des Volkes schon gefallen. Noch aber gab es Auswege, die Versammlung erkannte sie nicht. Das Amendement des Berliner Genies Duncker fiel auch, und die gutmüthigen Seelen der Linken hatten ihre kleine Freude. Da kam Hr. Rodbertus, der Mann der Möglichkeit, mit seinem Amendement, das die Reichsverwesung ersucht, Hülfe zu leisten. Draußen machte ein Redner dem Volke diese Mittheilung, und tausende von Stimmen riefen: „Nicht die Reichsverwesung, die wir verachten, die da drinnen sollen helfen!“ Vergebens, manchem von denen da drinnen mochten die Zähne klappern, aber das Gewissen schlug ihnen nicht. Sie beriethen weiter. Eine Stunde später (nach 8 Uhr) sahen wir, daß alle Ausgänge des Schauspielhauses vom Volke besetzt waren. Die hintern Thüren wurden vernagelt und vor jeder bewegten sich Gruppen mit Fackeln. Weder Abgeordnete noch Zuhörer konnten aus dem Hause. Das Volk hatte nur noch einen Gedanken: die da drinnen verrathen uns. So wurde es 9 Uhr. Das Horn der Bürgerwehr klang, die Trommel rasselte, die bewaffneten Herren rückten mit gefälltem Bajonnette an, und es gelang ihnen, die unbewaffneten Haufen von den Eingängen des Schauspielhauses zu vertreiben. Jetzt wäre es Zeit gewesen, wenn die „Veranlasser“ der Sturmpetition sich gezeigt hätten. Aber kein großer Geist Berlins ließ sich blicken. Ein Fremder erlaubte sich die Herren von der Bürgerwehr anzureden, und sie zu fragen, weshalb sie denn gegen das Volk zögen. Ein Bajonnetstich war die Antwort. Die Annahme des Rodbertus'schen Unsinns wurde bekannt gemacht. Ein Schrei der Entrüstung. Dennoch mochte es den Abwieglern gelungen sein, den Maschinenbauern blauen Dunst vorzumachen. Die edlen Menschen kamen mit einer weißen Friedensfahne. Zum Danke wurde dem Fahnenträger der Finger abgehauen, ein Andrer erhielt einen Bajonnetstich durch den Leib, und soll todt sein. Heute ist eine drückende Stille. Der Katholizismus rettet die Herren der Rechten vor Insulten: es ist heute nämlich wegen eines katholischen Festtags keine Kammersitzung. Trotzdem treibt sich eine Masse Menschen vor dem Sitzungslokale umher, und unterhält sich im bittern Gefühle ihrer gestrigen Entwürdigung. Nachträglich erfahre ich, daß außer den obenerwähnten noch mehrere Andere vom Volke schwer verwundet wurden, und wie das Gerücht sagt, einige muthige Abgeordnete erst heute in aller Frühe aus den Kellern des Schauspielhauses hervorkrochen. * Berlin. Die „Neue Preußische Zeitung“, Ritterin vom Landwehrkreuz, schildert die Folgen der Aufhebung des feudalen Jagdrechts also: Wenn das jetzige Jagdrecht zerstört sein wird, so werden es nicht blos die Eigenthümer auf ihrem Grund und Boden ausüben, sondern Jeder, dem es beliebt, ja die Reaction wird so weit gehen, daß ein privilegirtes Jagdrecht auf Menschen eintreten wird. Wie wir hören, hatte das Ministerium Pfuel das Veto des Königs gegen das neue Jagdgesetz in der Tasche, wagte es aber nicht, den Vereinbarern mitzutheilen. Und den folgenden Tag zog der König sein Veto zurück und gab statt dessen seine Sanktion. ** Berlin, 1. November. Aus sicherer Quelle geht uns noch folgende Nachricht vom gestrigen Abend zu: Der Premier-Minister General v. Pfuel fand nur darin Rettung vor der dringendsten persönlichen Gefahr, daß er sich unter den Schutz des Abgeordneten Jung begab. Dieser nahm ihn mit in seine Wohnung, wo Herr v. Pfuel bis nach Mitternacht verweilte, und sodann durch die Herren Jung, Schramm, Jakoby eskortirt, in das Kriegsministerium zurück kam. ‒ Auch mehrere andere Minister und Abgeordnete konnten erst spät in der Nacht in ihre Wohnungen zurückkehren. So berichtet die „Neue Preußische Zeitung.“ Dasselbe Blatt macht folgende witzige Bemerkungen über die Abschaffung des Adels: „Der Adel ist abgeschafft und der „plebejische“ Theil der hohen National-Versammlung hat jetzt das Glück erobert, nicht hinter Dessau zurückgeblieben zu sein, auch sich vorläufig wenigstens im Reiche der Phantasie unter seines Gleichen bewegen zu können. Kiolbassa und Mroß, Graf Reichenbach und von Lisiecki, jetzt ganz gleiche Brüder, die wohl auch der Unterschied des „ungerechten Mammons“ nicht mehr trennt. Mit dem Jagdgesetze der erste Eingriff in den Besitz überhaupt, mit der Abschaffung des Adels der erste Eingriff in das Erbrecht, und wer jetzt dazu ermuntert hat, den innern Adel durch Ablegung des äußern zu beweisen, wird bald daran erinnert werden, daß sich mit dem innern und äußern Reichthum ein ähnliches Wortspiel treiben läßt.“ Berlin. Pröbchen aus der deutschen Reform über die Ereignisse in Wien, um das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden: Den 27. Morgens. „Das Windischgrätz das Bombardement <TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="0677"/> <front> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart> <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart> <docImprint> <docDate>No 134. Köln, Samstag den 4. November. 1848.</docDate> </docImprint> </titlePage> </front> <body> <div type="jExpedition"> <p>Zu Nr. 133 der „Neuen Rheinischen Zeitung“ ist am Freitag, 3. November, Morgens eine zweite Beilage ausgegeben und so viel als thunlich versandt worden; ein Theil der geehrten auswärtigen Abonnenten erhält dieselbe mit dieser Nummer. Die Expedition der „Neuen Rhein. Ztg.“</p> </div> <div type="contents" n="1"> <head>Uebersicht.</head> <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Düsseldorf. (Eine Bataille). Berlin. (Die Sturmpetition und ihr Schicksal. ‒ Das Jagdgesetz. ‒ Pfuel. ‒ Die Abschaffung des Adels. ‒ Eichmann's Erlaß). Aus dem Mecklenburgischen (Hegel II.) Aus dem deutschen Reiche. (Fürst Heinrich LXXII. Lippe-Detmold).</p> <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> Turin. (Die „Concordia“ über Garibaldi. ‒ Die obre Lombardei und das Beltlin im Aufstande).</p> <p><hi rendition="#g">Schweiz.</hi> Basel. (Metternich aus Straßburg verwiesen).</p> <p><hi rendition="#g">Franz. Republik.</hi> Paris. (Pariser Zustand. ‒ Bourgeois und Arbeiter. ‒ Theater Dumas. ‒ Die „Presse“ und der „National.“ ‒ Vermischtes).</p> <p><hi rendition="#g">Dänemark.</hi> Kopenhagen. (Reichstag).</p> <p><hi rendition="#g">Egypten.</hi> (Ibrahim Pascha).</p> <p><hi rendition="#g">Amerika.</hi> New-York. (Die Wahlen. ‒ Magee. ‒ Handelsnachrichten.</p> <p>Canada. ‒ Quebeck). Mexiko. (Paredes und Bravo. ‒ Cuba).</p> <p><hi rendition="#g">Asien.</hi> Bombay. (Die Belagerung von Mooltan aufgegeben. ‒ Abfall Shere Singh's. ‒ Rückzug General Whish. ‒ Truppenbewegungen. ‒ Handelsnachrichten).</p> </div> <div n="1"> <head>Deutschland.</head> <div xml:id="ar134_001" type="jArticle"> <head><bibl><author>109</author></bibl> Düsseldorf, 2. Nov.</head> <p>Gestern hat sich hier eine kleine Bataille ereignet, welche, so heiter auch ihr Ausgang war, dennoch auf eine wahrhaft empörende Weise zeigt, wie noch ganz wie ehedem im alten Polizeistaat, die unverschämtesten und brutalsten Mißhandlungen bei unsrer Polizei und Gensdarmerie an der Tagesordnung sind. Hören Sie, auf welche Weise die Düsseldorfer Polizei die vor Kurzem erst erlassene Habeas-Corpus-Acte respektirt. Vorgestern Abend traf bei dem hiesigen Polizei-Inspektor Zeller die Denunciation ein, daß sich der flüchtige Redakteur der N. Rhein. Ztg. Heinrich Bürgers in Düsseldorf im Hause der Gräfin Hatzfeld befinde. Gestern früh erscheint ein Lohndiener aus dem Europäischen Hofe im Hause der Gräfin mit der Bestellung, ein aus Köln angekommener Herr wünsche Herrn Bürgers auf's Eiligste und ohne jeden Verzug zu sprechen. Wie fein! Hrn. Bürgers aber, wenn er sich anders wirklich im Hause der Gräfin befand, war diese Unterredung nicht so eilig, sie schien ihm überhaupt nicht wünschenswerth zu sein; kurz, er begab sich nicht zu dem Rendezvous mit den Dienern der heiligen Hermandad, zu welchem er so freundlich eingeladen war. Die Polizei, da Herr Bürgers ihre Aufmerksamkeitsbezeugungen so schnöde unerwidert ließ, beschloß andere Maßregeln zu ergreifen.</p> <p>Nachmittags kurz vor 5 Uhr erscheint ein Polizeikommissar mit zwei Sergeanten und einem Gensd'armen am Hause der Gräfin von Hatzfeldt, erzwingen mit Gewalt und unter Mißhandlung des erschreckten Hausmädchens, welches die Thür nicht öffnen will, den Eintritt, und stürmen die Treppe hinauf. Kaum hatte die Gräfin, welche sich grade beim Diner befand, Zeit, durch den Lärm avertirt, vom Tisch aufzuspringen und sich mit Hrn. Lassalle und ihrem Sohne vor die Thür des Speisezimmers zu postiren, in welchem sich Hr. Bürgers jedenfalls wohl befunden haben würde, wenn er wirklich im Hause war. Die heranstürzende Polizeimannschaft begehrte stürmisch Einlaß ins Zimmer, um Herrn Bürgers zu sahen.</p> <p>Die Gräfin erklärte, daß nach den in der unlängst publizirten Habeas-Corpus-Akte enthaltenen Bestimmungen über die Unverletzlichkeit des Domizils, die Polizei nur dann gegen den Willen des Hausbesitzers in ein Haus eindringen dürfe, wenn sie einen richterlichen Befehl vorzeige, der sie dazu ermächtige. Die Polizisten aber erwiederten, dies seien überflüssige Formalitäten, sie seien herbeordert, um eine Haussuchung zu halten, und würden das mit Gewalt durchsetzen.</p> <p>Unmöglich kann ich Ihnen den Höllenskandal beschreiben, der sich jetzt erhob. Auf die wiederholte Protestation der Gräfin, ohne richterlichen Befehl die Polizisten keinen Schritt vorwärts zu lassen, ergossen sich diese in eine Fluth der rohesten Beleidigungen gegen die Gräfin und Hrn. Lassalle, drohten mit den Fäusten und schickten sich an, Gewalt zu brauchen. Die Gräfin, da alle Berufungen auf Recht und Gesetz unnütz blieben, befahl jetzt ihren Bedienten die vorgesetzte Behörde, den Hrn. Polizeiinspektor Zeller, herbeizuholen. Das aber wollten die Polizisten, im Bewußtsein der Brutalitäten, welche sie sich bereits hatten zu Schulden kommen lassen, um jeden Preis verhindern. Der Polizeikommissar eilte die Treppe hinunter und verbot dem an der Hausthür stehenden Gensd'armen irgend Jemand zum Hause hinauszulassen. Als Hr. Lassalle erklärte, selbst sich zum Polizeiinspektor begeben zu wollen und hierzu die Treppe hinunterstieg, stürzte ihm der Polizeikommissar entgegen, <hi rendition="#g">packte ihn an der Kehle und riß ihn zu Boden.</hi> Sein ihm zu Hülfe eilender Diener wurde von den andern Polizisten mit Faustschlägen mißhandelt. Die Gräfin selbst wurde von dem Polizeikommissar mit Fäusten angepackt, herumgestoßen und so empfindlich am Arm gedrückt, daß sie ein in allen Farben schillerndes Andenken davon behielt. Als es ihr und Hrn. Lassalle dennoch gelang, das Hausthor zu erreichen, zog der daselbst postirte Gensd'arm seinen Säbel zur Hälfte, stieß die Gräfin vor die Brust und rief donnernd, weder die Gräfin noch Hrn. Lassalle oder sonst Jemand zum Hause hinaus zu lassen. Auf ihre desfallsige Frage, ob sie eine Gefangene in ihrem Hause sei, wurde dieselbe nebst ihrer ganzen Hausgenossenschaft vom Polizeikommissar <hi rendition="#g">förmlich zu Gefangenen in ihrem eigenen Hause erklärt!</hi> So oft Jemand den Versuch wiederholte, sich zum Haus hinauszubegeben um den Polizeiinspektor zu holen, wurde er von den Polizisten durch körperlichen Widerstand daran gehindert und mit Fäusten zurückgestoßen.</p> <p>Inzwischen überzeugten sich die Polizisten durch den Löwenmuth, mit welchem die Gräfin den innern Eingang vertheidigte und durch die beständigen Versprechungen des Hrn. Lassalle, Ihnen die „schönste Kriminalanklage von der Welt“ anhängig machen zu wollen, etwas abgekühlt, daß sie ohne weitere Verstärkung nicht im Stande sein würden, die Haussuchung zu erzwingen. Da nun inzwischen bereits ein Hausbewohner über die hintere Gartenmauer entkommen war um den Polizeiinspektor zu holen, wurde jetzt auch von Seiten der Polizei nach diesem geschickt. Als Hr. Zeller erschien, endete der tosende Lärm, welchen die Polizeibeamten bis dahin gemacht hatten und die Scene nahm einen mehr parlamentarischen Charakter an. Hr. Zeller fommirte die Gräfin mehremal feierlichst, die Haussuchung zu gestatten. Die Gräfin erklärte eben so feierlichst unter Bezugnahme auf die Habeas-Corpus-Akte, keine Haussuchung zu dulden, die nicht auf Grund eines besondern richterlichen Befehls, der hierzu autorisire, vorgenommen werde. Hr. Zeller zog den gegen Hrn. Bürgers erlassenen Steckbrief aus seiner Tasche und wollte diesen als einen solchen Befehl geltend machen. Die Gräfin erklärte, daß ein Steckbrief gegen einen beliebigen Menschen ‒ deren die Polizei ja stets zu Dutzenden besitzt ‒ kein passe par tout durch die Häuser aller Bürger sei, in welchem Falle die Bestimmungen über die Unverletzlichkeit des Domizils in der Habeas-Corpus-Akte rein illusorisch wären, daß vielmehr ein die Haussuchung verfügender spezieller richterlicher Befehl von nöthen sei. Hr. Zeller erklärte im Nothfall Gewalt anwenden zu müssen und die Gräfin erklärte, daß sie sich einer gewaltthätigen und illegalen Haussuchung mit derselben Gewalt widersetzen werde. Da unterdeß eine Masse Publikum vor das Haus herbeigeströmt war, hätte letzterer Erklärung sehr wohl ein geeigneter Nachdruck gegeben werden können.</p> <p>„Inzwischen ‒ mitten unter allen diesen Erklärungen und Gegenerklärungen ‒ schlug die dumpfe Geisterstunde“ nehmlich 6 Uhr, wo, wie Sie wissen, der Polizeispuck verschwinden muß. Wie Bertram in Robert dem Teufel wenn die Glocke Eins schlägt, verschwanden die Polizeidämonen und Bürgers wenn er wirklich im Hause war, war gerettet. Nur 14 Gensdarmen wurden in die dem Hause gegenüberliegenden Gesträuche versteckt um das Entfliehen Bürgers zu verhindern.</p> <p>Inzwischen hatte sich in der Stadt das Gerücht von den stattgehabten Vorgängen verbreitet, man erzählte: die Gräfin, ihr Sohn, Herr Lassalle wären verhaftet worden, und so fanden sich denn gegen 10 Uhr Abends an hundert Bürger und Arbeiter ‒ eine Vereinigung so ausnehmend handfester Männer, wie ich sie selten gesehen habe, ‒ vor dem Hause der Gräfin ein. Nach einem Hoch auf die Gräfin, ausgebracht um sie für die erlittnen Mißhandlungen zu entschädigen und einem Hoch auf Herrn Bürgers aus Köln wurden die Massen, um diese Artigkeit zu vergelten, ins Haus eingelaßen welches sie einige Minuten drauf wieder verließen. Wäre nun Herr Bürgers wirklich im Hause gewesen, so wird er wohl jedenfalls dasselbe mitten unter dieser mannhaften Bedeckung verlassen und sich in Sicherheit gebracht haben. Die 14 Gensdarmen hielten es nicht für rathsam den Zug als er das Haus verließ zu belästigen, und so erreichten denn alle Mitglieder desselben, wie ich Sie versichern kann, unbehelligt ihr Ziel.</p> <p>Heute früh fand nun die Fortsetzung der gestrigen Vorfälle Statt. Um 10 Uhr erschien Herr Polizeiinspektor Zeller mit zwei Sergeanten und befragte die Gräfin, ob Herr Bürgers in ihrem Hause wäre. Die Gräfin erklärte, jede Auslassung hierüber zu verweigern. Hierauf eröffnete ihr Herr Zeller, daß er verpflichtet sei, eine Haussuchung vorzunehmen. Die Gräfin erklärte zu Protokoll, daß sie auf Grund des § 6 des Gesetzes vom 24. September d. J. (welcher lautet: „Haussuchungen dürfen nur in den Fällen und nach den Formen des Gesetzes, <hi rendition="#g">unter Mitwirkung des Richters,</hi> der gerichtlichen Polizei und, wo diese noch nicht eingeführt ist, der Polizeikommissarien etc. geschehen“) sich jeder Haussuchung als einer völlig ungesetzlichen widersetzen werde, welche nicht unter Mitwirkung eines Richters erfolge, da sie sämmtliche Zimmerthüren verschlossen habe und es dem Polizeiinspektor überlassen müsse, diese gewaltsam zu erbrechen, woran sie ihn jedoch nicht durch Anwendung von Gewalt hindern werde.</p> <p>Der Polizeiinspektor zog sich hierauf mit seinen Leuten zurück, um mit der obern Behörde über diesen kritischen Fall zu konferiren.</p> <p>Gegenwärtig ‒ 2 1/2 Uhr Mittag ‒ ist noch nichts weiteres erfolgt. Wir haben in der angenehmen Spannung eine Art von Belagerungszustand. Die Gräfin hat übrigens sofort über die gestrigen Vorfälle Protokoll aufnehmen lassen, um über die durch den Polizeikommissar, seine Sergeanten und den Gensd'armen verübten körperlichen Mißhandlungen und Ueberschreitungen ihrer Amtsbefugnisse sowie Verletzung der Gesetze über die persönliche Freiheit eine ernste Prozedur einzuleiten. Der § 6 der Habeas-Corpus-Acte ist auf das schreiendste verletzt worden. Noch deutlicher wird das brutale und willkührliche Auftreten des Polizeikommissars und seiner Leute durch das vergleichungsweise bei weitem legalere Handeln des Polizei-Inspektors, welcher sich auf die oben mitgetheilte Erklärung der Gräfin hin ruhig zurückzog, während der Polizeikommissar gestern um den richterlichen Befehl befragt unter der Antwort: „Ach was, wir haben Ihnen gar nichts vorzuzeigen; das geht uns nichts an, wir gebrauchen Gewalt,“ gewaltsam und unter Mißhandlung der davor befindlichen Personen, den Eintritt in die Zimmer zu erzwingen versucht hatte. Wir werden sehen, ob unsere Justizbehörde, welche, wenn man den Gensdarmen Brutalitäten vorhält, sofort auf Grund der beleidigten „Delicatesse“ derselben Correctionellproceduren einleitet, nun andrerseits die offenbarsten Verbrechen, welche sich dieselben in Ausübung ihres Amtes ungescheut erlauben, zu verfolgen wissen wird, oder ob die Strafen des Code pénal wirklich nur für die Bürger und nie für die Beamten da sind. ‒ Die Denunciation über den Aufenthalt des Hrn. Bürgers im Hause der Gräfin ist übrigens, wie ich aus dem Protokolle des Polizei-Inspektors selbst erhoben habe, auf folgende Weise zu demselben gelangt. Am 31. hatte die Gräfin einen Sieglungstermin auf Calcum, dem Schlosse ihres Gemahls. Hr. Bürgers, der nicht glaubte, daselbst bekannt zu sein, soll die Gräfin dahin begleitet haben. Sofort aber ging von Schloß Calcum die betreffende Denunziation an den Bürgermeister zu Kaiserswerth und von diesem an den hiesigen Polizei-Inspektor. Graf Hatzfeld hat seinen sonstigen Verdiensten somit jetzt auch noch das Verdienst hinzugefügt, politische Flüchtlinge zu denunziren.</p> </div> <div xml:id="ar134_002" type="jArticle"> <head><bibl><author>14</author></bibl> Berlin, 1. Nov.</head> <p>Die Vereinbarer begannen um 5 Uhr das Wohl oder Wehe Deutschlands zu berathen. Es währte lange, sehr lange, ehe sie mit letzterem zu Stande kamen. Draußen das Volk wurde unruhig. Gegen 6 Uhr fand es, daß die da drinnen so hell erleuchtet säßen und sie da draußen im Dunkeln sich beregnen lassen müßten. Rasch wurden Fackeln geholt, die gleich riesenhaften Irrlichtern, durch die dunkelen Massen flackerten. Drinnen ließen sie den Antrag Waldecks fallen und mit ihm war eigentlich die Petition des Volkes schon gefallen. Noch aber gab es Auswege, die Versammlung erkannte sie nicht. Das Amendement des Berliner Genies Duncker fiel auch, und die gutmüthigen Seelen der Linken hatten ihre kleine Freude. Da kam Hr. Rodbertus, der Mann der Möglichkeit, mit <hi rendition="#g">seinem</hi> Amendement, das die Reichsverwesung ersucht, Hülfe zu leisten. Draußen machte ein Redner dem Volke diese Mittheilung, und tausende von Stimmen riefen: „Nicht die Reichsverwesung, die wir verachten, die da drinnen sollen helfen!“ Vergebens, manchem von denen da drinnen mochten die Zähne klappern, aber das Gewissen schlug ihnen nicht. Sie beriethen weiter. Eine Stunde später (nach 8 Uhr) sahen wir, daß alle Ausgänge des Schauspielhauses vom Volke besetzt waren. Die hintern Thüren wurden vernagelt und vor jeder bewegten sich Gruppen mit Fackeln. Weder Abgeordnete noch Zuhörer konnten aus dem Hause. Das Volk hatte nur noch <hi rendition="#g">einen</hi> Gedanken: die da drinnen verrathen uns. So wurde es 9 Uhr. Das Horn der Bürgerwehr klang, die Trommel rasselte, die bewaffneten Herren rückten mit gefälltem Bajonnette an, und es gelang ihnen, die unbewaffneten Haufen von den Eingängen des Schauspielhauses zu vertreiben. Jetzt wäre es Zeit gewesen, wenn die „Veranlasser“ der Sturmpetition sich gezeigt hätten. Aber kein großer Geist Berlins ließ sich blicken. Ein Fremder erlaubte sich die Herren von der Bürgerwehr anzureden, und sie zu fragen, weshalb sie denn gegen das Volk zögen. Ein Bajonnetstich war die Antwort.</p> <p>Die Annahme des Rodbertus'schen Unsinns wurde bekannt gemacht. Ein Schrei der Entrüstung. Dennoch mochte es den Abwieglern gelungen sein, den Maschinenbauern blauen Dunst vorzumachen. Die edlen Menschen kamen mit einer weißen Friedensfahne. Zum Danke wurde dem Fahnenträger der Finger abgehauen, ein Andrer erhielt einen Bajonnetstich durch den Leib, und soll todt sein.</p> <p>Heute ist eine drückende Stille. Der Katholizismus rettet die Herren der Rechten vor Insulten: es ist heute nämlich wegen eines katholischen Festtags keine Kammersitzung. Trotzdem treibt sich eine Masse Menschen vor dem Sitzungslokale umher, und unterhält sich im bittern Gefühle ihrer gestrigen Entwürdigung.</p> <p>Nachträglich erfahre ich, daß außer den obenerwähnten noch mehrere Andere vom Volke schwer verwundet wurden, und wie das Gerücht sagt, einige muthige Abgeordnete erst heute in aller Frühe aus den Kellern des Schauspielhauses hervorkrochen.</p> </div> <div xml:id="ar134_003" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin.</head> <p>Die „Neue Preußische Zeitung“, Ritterin vom Landwehrkreuz, schildert die Folgen der Aufhebung des feudalen Jagdrechts also:</p> <p>Wenn das jetzige Jagdrecht zerstört sein wird, so werden es nicht blos die Eigenthümer auf ihrem Grund und Boden ausüben, sondern Jeder, dem es beliebt, ja die Reaction wird so weit gehen, daß ein <hi rendition="#g">privilegirtes Jagdrecht auf Menschen</hi> eintreten wird.</p> <p>Wie wir hören, hatte das Ministerium Pfuel das <hi rendition="#g">Veto des Königs</hi> gegen das neue Jagdgesetz in der Tasche, wagte es aber nicht, den Vereinbarern mitzutheilen. Und den folgenden Tag zog der König sein Veto zurück und gab statt dessen seine Sanktion.</p> </div> <div xml:id="ar134_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>**</author></bibl> Berlin, 1. November.</head> <p>Aus sicherer Quelle geht uns noch folgende Nachricht vom gestrigen Abend zu: Der Premier-Minister General v. Pfuel fand nur darin Rettung vor der dringendsten persönlichen Gefahr, daß er sich unter den Schutz des Abgeordneten Jung begab. Dieser nahm ihn mit in seine Wohnung, wo Herr v. Pfuel bis nach Mitternacht verweilte, und sodann durch die Herren Jung, Schramm, Jakoby eskortirt, in das Kriegsministerium zurück kam. ‒ Auch mehrere andere Minister und Abgeordnete konnten erst spät in der Nacht in ihre Wohnungen zurückkehren.</p> <p>So berichtet die „Neue Preußische Zeitung.“ Dasselbe Blatt macht folgende witzige Bemerkungen über die Abschaffung des Adels:</p> <p>„Der Adel ist abgeschafft und der „plebejische“ Theil der hohen National-Versammlung hat jetzt das Glück erobert, nicht hinter Dessau zurückgeblieben zu sein, auch sich vorläufig wenigstens im Reiche der Phantasie unter seines Gleichen bewegen zu können. Kiolbassa und Mroß, Graf Reichenbach und von Lisiecki, jetzt ganz gleiche Brüder, die wohl auch der Unterschied des „ungerechten Mammons“ nicht mehr trennt. Mit dem Jagdgesetze der erste Eingriff in den Besitz überhaupt, mit der Abschaffung des Adels der erste Eingriff in das Erbrecht, und wer jetzt dazu ermuntert hat, den innern Adel durch Ablegung des äußern zu beweisen, wird bald daran erinnert werden, daß sich mit dem innern und äußern Reichthum ein ähnliches Wortspiel treiben läßt.“</p> </div> <div xml:id="ar134_005" type="jArticle"> <head>Berlin.</head> <p>Pröbchen aus der deutschen Reform über die Ereignisse in Wien, um das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden:</p> <p>Den 27. Morgens. „Das Windischgrätz das Bombardement </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0677/0001]
Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 134. Köln, Samstag den 4. November. 1848. Zu Nr. 133 der „Neuen Rheinischen Zeitung“ ist am Freitag, 3. November, Morgens eine zweite Beilage ausgegeben und so viel als thunlich versandt worden; ein Theil der geehrten auswärtigen Abonnenten erhält dieselbe mit dieser Nummer. Die Expedition der „Neuen Rhein. Ztg.“
Uebersicht. Deutschland. Düsseldorf. (Eine Bataille). Berlin. (Die Sturmpetition und ihr Schicksal. ‒ Das Jagdgesetz. ‒ Pfuel. ‒ Die Abschaffung des Adels. ‒ Eichmann's Erlaß). Aus dem Mecklenburgischen (Hegel II.) Aus dem deutschen Reiche. (Fürst Heinrich LXXII. Lippe-Detmold).
Italien. Turin. (Die „Concordia“ über Garibaldi. ‒ Die obre Lombardei und das Beltlin im Aufstande).
Schweiz. Basel. (Metternich aus Straßburg verwiesen).
Franz. Republik. Paris. (Pariser Zustand. ‒ Bourgeois und Arbeiter. ‒ Theater Dumas. ‒ Die „Presse“ und der „National.“ ‒ Vermischtes).
Dänemark. Kopenhagen. (Reichstag).
Egypten. (Ibrahim Pascha).
Amerika. New-York. (Die Wahlen. ‒ Magee. ‒ Handelsnachrichten.
Canada. ‒ Quebeck). Mexiko. (Paredes und Bravo. ‒ Cuba).
Asien. Bombay. (Die Belagerung von Mooltan aufgegeben. ‒ Abfall Shere Singh's. ‒ Rückzug General Whish. ‒ Truppenbewegungen. ‒ Handelsnachrichten).
Deutschland. 109 Düsseldorf, 2. Nov. Gestern hat sich hier eine kleine Bataille ereignet, welche, so heiter auch ihr Ausgang war, dennoch auf eine wahrhaft empörende Weise zeigt, wie noch ganz wie ehedem im alten Polizeistaat, die unverschämtesten und brutalsten Mißhandlungen bei unsrer Polizei und Gensdarmerie an der Tagesordnung sind. Hören Sie, auf welche Weise die Düsseldorfer Polizei die vor Kurzem erst erlassene Habeas-Corpus-Acte respektirt. Vorgestern Abend traf bei dem hiesigen Polizei-Inspektor Zeller die Denunciation ein, daß sich der flüchtige Redakteur der N. Rhein. Ztg. Heinrich Bürgers in Düsseldorf im Hause der Gräfin Hatzfeld befinde. Gestern früh erscheint ein Lohndiener aus dem Europäischen Hofe im Hause der Gräfin mit der Bestellung, ein aus Köln angekommener Herr wünsche Herrn Bürgers auf's Eiligste und ohne jeden Verzug zu sprechen. Wie fein! Hrn. Bürgers aber, wenn er sich anders wirklich im Hause der Gräfin befand, war diese Unterredung nicht so eilig, sie schien ihm überhaupt nicht wünschenswerth zu sein; kurz, er begab sich nicht zu dem Rendezvous mit den Dienern der heiligen Hermandad, zu welchem er so freundlich eingeladen war. Die Polizei, da Herr Bürgers ihre Aufmerksamkeitsbezeugungen so schnöde unerwidert ließ, beschloß andere Maßregeln zu ergreifen.
Nachmittags kurz vor 5 Uhr erscheint ein Polizeikommissar mit zwei Sergeanten und einem Gensd'armen am Hause der Gräfin von Hatzfeldt, erzwingen mit Gewalt und unter Mißhandlung des erschreckten Hausmädchens, welches die Thür nicht öffnen will, den Eintritt, und stürmen die Treppe hinauf. Kaum hatte die Gräfin, welche sich grade beim Diner befand, Zeit, durch den Lärm avertirt, vom Tisch aufzuspringen und sich mit Hrn. Lassalle und ihrem Sohne vor die Thür des Speisezimmers zu postiren, in welchem sich Hr. Bürgers jedenfalls wohl befunden haben würde, wenn er wirklich im Hause war. Die heranstürzende Polizeimannschaft begehrte stürmisch Einlaß ins Zimmer, um Herrn Bürgers zu sahen.
Die Gräfin erklärte, daß nach den in der unlängst publizirten Habeas-Corpus-Akte enthaltenen Bestimmungen über die Unverletzlichkeit des Domizils, die Polizei nur dann gegen den Willen des Hausbesitzers in ein Haus eindringen dürfe, wenn sie einen richterlichen Befehl vorzeige, der sie dazu ermächtige. Die Polizisten aber erwiederten, dies seien überflüssige Formalitäten, sie seien herbeordert, um eine Haussuchung zu halten, und würden das mit Gewalt durchsetzen.
Unmöglich kann ich Ihnen den Höllenskandal beschreiben, der sich jetzt erhob. Auf die wiederholte Protestation der Gräfin, ohne richterlichen Befehl die Polizisten keinen Schritt vorwärts zu lassen, ergossen sich diese in eine Fluth der rohesten Beleidigungen gegen die Gräfin und Hrn. Lassalle, drohten mit den Fäusten und schickten sich an, Gewalt zu brauchen. Die Gräfin, da alle Berufungen auf Recht und Gesetz unnütz blieben, befahl jetzt ihren Bedienten die vorgesetzte Behörde, den Hrn. Polizeiinspektor Zeller, herbeizuholen. Das aber wollten die Polizisten, im Bewußtsein der Brutalitäten, welche sie sich bereits hatten zu Schulden kommen lassen, um jeden Preis verhindern. Der Polizeikommissar eilte die Treppe hinunter und verbot dem an der Hausthür stehenden Gensd'armen irgend Jemand zum Hause hinauszulassen. Als Hr. Lassalle erklärte, selbst sich zum Polizeiinspektor begeben zu wollen und hierzu die Treppe hinunterstieg, stürzte ihm der Polizeikommissar entgegen, packte ihn an der Kehle und riß ihn zu Boden. Sein ihm zu Hülfe eilender Diener wurde von den andern Polizisten mit Faustschlägen mißhandelt. Die Gräfin selbst wurde von dem Polizeikommissar mit Fäusten angepackt, herumgestoßen und so empfindlich am Arm gedrückt, daß sie ein in allen Farben schillerndes Andenken davon behielt. Als es ihr und Hrn. Lassalle dennoch gelang, das Hausthor zu erreichen, zog der daselbst postirte Gensd'arm seinen Säbel zur Hälfte, stieß die Gräfin vor die Brust und rief donnernd, weder die Gräfin noch Hrn. Lassalle oder sonst Jemand zum Hause hinaus zu lassen. Auf ihre desfallsige Frage, ob sie eine Gefangene in ihrem Hause sei, wurde dieselbe nebst ihrer ganzen Hausgenossenschaft vom Polizeikommissar förmlich zu Gefangenen in ihrem eigenen Hause erklärt! So oft Jemand den Versuch wiederholte, sich zum Haus hinauszubegeben um den Polizeiinspektor zu holen, wurde er von den Polizisten durch körperlichen Widerstand daran gehindert und mit Fäusten zurückgestoßen.
Inzwischen überzeugten sich die Polizisten durch den Löwenmuth, mit welchem die Gräfin den innern Eingang vertheidigte und durch die beständigen Versprechungen des Hrn. Lassalle, Ihnen die „schönste Kriminalanklage von der Welt“ anhängig machen zu wollen, etwas abgekühlt, daß sie ohne weitere Verstärkung nicht im Stande sein würden, die Haussuchung zu erzwingen. Da nun inzwischen bereits ein Hausbewohner über die hintere Gartenmauer entkommen war um den Polizeiinspektor zu holen, wurde jetzt auch von Seiten der Polizei nach diesem geschickt. Als Hr. Zeller erschien, endete der tosende Lärm, welchen die Polizeibeamten bis dahin gemacht hatten und die Scene nahm einen mehr parlamentarischen Charakter an. Hr. Zeller fommirte die Gräfin mehremal feierlichst, die Haussuchung zu gestatten. Die Gräfin erklärte eben so feierlichst unter Bezugnahme auf die Habeas-Corpus-Akte, keine Haussuchung zu dulden, die nicht auf Grund eines besondern richterlichen Befehls, der hierzu autorisire, vorgenommen werde. Hr. Zeller zog den gegen Hrn. Bürgers erlassenen Steckbrief aus seiner Tasche und wollte diesen als einen solchen Befehl geltend machen. Die Gräfin erklärte, daß ein Steckbrief gegen einen beliebigen Menschen ‒ deren die Polizei ja stets zu Dutzenden besitzt ‒ kein passe par tout durch die Häuser aller Bürger sei, in welchem Falle die Bestimmungen über die Unverletzlichkeit des Domizils in der Habeas-Corpus-Akte rein illusorisch wären, daß vielmehr ein die Haussuchung verfügender spezieller richterlicher Befehl von nöthen sei. Hr. Zeller erklärte im Nothfall Gewalt anwenden zu müssen und die Gräfin erklärte, daß sie sich einer gewaltthätigen und illegalen Haussuchung mit derselben Gewalt widersetzen werde. Da unterdeß eine Masse Publikum vor das Haus herbeigeströmt war, hätte letzterer Erklärung sehr wohl ein geeigneter Nachdruck gegeben werden können.
„Inzwischen ‒ mitten unter allen diesen Erklärungen und Gegenerklärungen ‒ schlug die dumpfe Geisterstunde“ nehmlich 6 Uhr, wo, wie Sie wissen, der Polizeispuck verschwinden muß. Wie Bertram in Robert dem Teufel wenn die Glocke Eins schlägt, verschwanden die Polizeidämonen und Bürgers wenn er wirklich im Hause war, war gerettet. Nur 14 Gensdarmen wurden in die dem Hause gegenüberliegenden Gesträuche versteckt um das Entfliehen Bürgers zu verhindern.
Inzwischen hatte sich in der Stadt das Gerücht von den stattgehabten Vorgängen verbreitet, man erzählte: die Gräfin, ihr Sohn, Herr Lassalle wären verhaftet worden, und so fanden sich denn gegen 10 Uhr Abends an hundert Bürger und Arbeiter ‒ eine Vereinigung so ausnehmend handfester Männer, wie ich sie selten gesehen habe, ‒ vor dem Hause der Gräfin ein. Nach einem Hoch auf die Gräfin, ausgebracht um sie für die erlittnen Mißhandlungen zu entschädigen und einem Hoch auf Herrn Bürgers aus Köln wurden die Massen, um diese Artigkeit zu vergelten, ins Haus eingelaßen welches sie einige Minuten drauf wieder verließen. Wäre nun Herr Bürgers wirklich im Hause gewesen, so wird er wohl jedenfalls dasselbe mitten unter dieser mannhaften Bedeckung verlassen und sich in Sicherheit gebracht haben. Die 14 Gensdarmen hielten es nicht für rathsam den Zug als er das Haus verließ zu belästigen, und so erreichten denn alle Mitglieder desselben, wie ich Sie versichern kann, unbehelligt ihr Ziel.
Heute früh fand nun die Fortsetzung der gestrigen Vorfälle Statt. Um 10 Uhr erschien Herr Polizeiinspektor Zeller mit zwei Sergeanten und befragte die Gräfin, ob Herr Bürgers in ihrem Hause wäre. Die Gräfin erklärte, jede Auslassung hierüber zu verweigern. Hierauf eröffnete ihr Herr Zeller, daß er verpflichtet sei, eine Haussuchung vorzunehmen. Die Gräfin erklärte zu Protokoll, daß sie auf Grund des § 6 des Gesetzes vom 24. September d. J. (welcher lautet: „Haussuchungen dürfen nur in den Fällen und nach den Formen des Gesetzes, unter Mitwirkung des Richters, der gerichtlichen Polizei und, wo diese noch nicht eingeführt ist, der Polizeikommissarien etc. geschehen“) sich jeder Haussuchung als einer völlig ungesetzlichen widersetzen werde, welche nicht unter Mitwirkung eines Richters erfolge, da sie sämmtliche Zimmerthüren verschlossen habe und es dem Polizeiinspektor überlassen müsse, diese gewaltsam zu erbrechen, woran sie ihn jedoch nicht durch Anwendung von Gewalt hindern werde.
Der Polizeiinspektor zog sich hierauf mit seinen Leuten zurück, um mit der obern Behörde über diesen kritischen Fall zu konferiren.
Gegenwärtig ‒ 2 1/2 Uhr Mittag ‒ ist noch nichts weiteres erfolgt. Wir haben in der angenehmen Spannung eine Art von Belagerungszustand. Die Gräfin hat übrigens sofort über die gestrigen Vorfälle Protokoll aufnehmen lassen, um über die durch den Polizeikommissar, seine Sergeanten und den Gensd'armen verübten körperlichen Mißhandlungen und Ueberschreitungen ihrer Amtsbefugnisse sowie Verletzung der Gesetze über die persönliche Freiheit eine ernste Prozedur einzuleiten. Der § 6 der Habeas-Corpus-Acte ist auf das schreiendste verletzt worden. Noch deutlicher wird das brutale und willkührliche Auftreten des Polizeikommissars und seiner Leute durch das vergleichungsweise bei weitem legalere Handeln des Polizei-Inspektors, welcher sich auf die oben mitgetheilte Erklärung der Gräfin hin ruhig zurückzog, während der Polizeikommissar gestern um den richterlichen Befehl befragt unter der Antwort: „Ach was, wir haben Ihnen gar nichts vorzuzeigen; das geht uns nichts an, wir gebrauchen Gewalt,“ gewaltsam und unter Mißhandlung der davor befindlichen Personen, den Eintritt in die Zimmer zu erzwingen versucht hatte. Wir werden sehen, ob unsere Justizbehörde, welche, wenn man den Gensdarmen Brutalitäten vorhält, sofort auf Grund der beleidigten „Delicatesse“ derselben Correctionellproceduren einleitet, nun andrerseits die offenbarsten Verbrechen, welche sich dieselben in Ausübung ihres Amtes ungescheut erlauben, zu verfolgen wissen wird, oder ob die Strafen des Code pénal wirklich nur für die Bürger und nie für die Beamten da sind. ‒ Die Denunciation über den Aufenthalt des Hrn. Bürgers im Hause der Gräfin ist übrigens, wie ich aus dem Protokolle des Polizei-Inspektors selbst erhoben habe, auf folgende Weise zu demselben gelangt. Am 31. hatte die Gräfin einen Sieglungstermin auf Calcum, dem Schlosse ihres Gemahls. Hr. Bürgers, der nicht glaubte, daselbst bekannt zu sein, soll die Gräfin dahin begleitet haben. Sofort aber ging von Schloß Calcum die betreffende Denunziation an den Bürgermeister zu Kaiserswerth und von diesem an den hiesigen Polizei-Inspektor. Graf Hatzfeld hat seinen sonstigen Verdiensten somit jetzt auch noch das Verdienst hinzugefügt, politische Flüchtlinge zu denunziren.
14 Berlin, 1. Nov. Die Vereinbarer begannen um 5 Uhr das Wohl oder Wehe Deutschlands zu berathen. Es währte lange, sehr lange, ehe sie mit letzterem zu Stande kamen. Draußen das Volk wurde unruhig. Gegen 6 Uhr fand es, daß die da drinnen so hell erleuchtet säßen und sie da draußen im Dunkeln sich beregnen lassen müßten. Rasch wurden Fackeln geholt, die gleich riesenhaften Irrlichtern, durch die dunkelen Massen flackerten. Drinnen ließen sie den Antrag Waldecks fallen und mit ihm war eigentlich die Petition des Volkes schon gefallen. Noch aber gab es Auswege, die Versammlung erkannte sie nicht. Das Amendement des Berliner Genies Duncker fiel auch, und die gutmüthigen Seelen der Linken hatten ihre kleine Freude. Da kam Hr. Rodbertus, der Mann der Möglichkeit, mit seinem Amendement, das die Reichsverwesung ersucht, Hülfe zu leisten. Draußen machte ein Redner dem Volke diese Mittheilung, und tausende von Stimmen riefen: „Nicht die Reichsverwesung, die wir verachten, die da drinnen sollen helfen!“ Vergebens, manchem von denen da drinnen mochten die Zähne klappern, aber das Gewissen schlug ihnen nicht. Sie beriethen weiter. Eine Stunde später (nach 8 Uhr) sahen wir, daß alle Ausgänge des Schauspielhauses vom Volke besetzt waren. Die hintern Thüren wurden vernagelt und vor jeder bewegten sich Gruppen mit Fackeln. Weder Abgeordnete noch Zuhörer konnten aus dem Hause. Das Volk hatte nur noch einen Gedanken: die da drinnen verrathen uns. So wurde es 9 Uhr. Das Horn der Bürgerwehr klang, die Trommel rasselte, die bewaffneten Herren rückten mit gefälltem Bajonnette an, und es gelang ihnen, die unbewaffneten Haufen von den Eingängen des Schauspielhauses zu vertreiben. Jetzt wäre es Zeit gewesen, wenn die „Veranlasser“ der Sturmpetition sich gezeigt hätten. Aber kein großer Geist Berlins ließ sich blicken. Ein Fremder erlaubte sich die Herren von der Bürgerwehr anzureden, und sie zu fragen, weshalb sie denn gegen das Volk zögen. Ein Bajonnetstich war die Antwort.
Die Annahme des Rodbertus'schen Unsinns wurde bekannt gemacht. Ein Schrei der Entrüstung. Dennoch mochte es den Abwieglern gelungen sein, den Maschinenbauern blauen Dunst vorzumachen. Die edlen Menschen kamen mit einer weißen Friedensfahne. Zum Danke wurde dem Fahnenträger der Finger abgehauen, ein Andrer erhielt einen Bajonnetstich durch den Leib, und soll todt sein.
Heute ist eine drückende Stille. Der Katholizismus rettet die Herren der Rechten vor Insulten: es ist heute nämlich wegen eines katholischen Festtags keine Kammersitzung. Trotzdem treibt sich eine Masse Menschen vor dem Sitzungslokale umher, und unterhält sich im bittern Gefühle ihrer gestrigen Entwürdigung.
Nachträglich erfahre ich, daß außer den obenerwähnten noch mehrere Andere vom Volke schwer verwundet wurden, und wie das Gerücht sagt, einige muthige Abgeordnete erst heute in aller Frühe aus den Kellern des Schauspielhauses hervorkrochen.
* Berlin. Die „Neue Preußische Zeitung“, Ritterin vom Landwehrkreuz, schildert die Folgen der Aufhebung des feudalen Jagdrechts also:
Wenn das jetzige Jagdrecht zerstört sein wird, so werden es nicht blos die Eigenthümer auf ihrem Grund und Boden ausüben, sondern Jeder, dem es beliebt, ja die Reaction wird so weit gehen, daß ein privilegirtes Jagdrecht auf Menschen eintreten wird.
Wie wir hören, hatte das Ministerium Pfuel das Veto des Königs gegen das neue Jagdgesetz in der Tasche, wagte es aber nicht, den Vereinbarern mitzutheilen. Und den folgenden Tag zog der König sein Veto zurück und gab statt dessen seine Sanktion.
** Berlin, 1. November. Aus sicherer Quelle geht uns noch folgende Nachricht vom gestrigen Abend zu: Der Premier-Minister General v. Pfuel fand nur darin Rettung vor der dringendsten persönlichen Gefahr, daß er sich unter den Schutz des Abgeordneten Jung begab. Dieser nahm ihn mit in seine Wohnung, wo Herr v. Pfuel bis nach Mitternacht verweilte, und sodann durch die Herren Jung, Schramm, Jakoby eskortirt, in das Kriegsministerium zurück kam. ‒ Auch mehrere andere Minister und Abgeordnete konnten erst spät in der Nacht in ihre Wohnungen zurückkehren.
So berichtet die „Neue Preußische Zeitung.“ Dasselbe Blatt macht folgende witzige Bemerkungen über die Abschaffung des Adels:
„Der Adel ist abgeschafft und der „plebejische“ Theil der hohen National-Versammlung hat jetzt das Glück erobert, nicht hinter Dessau zurückgeblieben zu sein, auch sich vorläufig wenigstens im Reiche der Phantasie unter seines Gleichen bewegen zu können. Kiolbassa und Mroß, Graf Reichenbach und von Lisiecki, jetzt ganz gleiche Brüder, die wohl auch der Unterschied des „ungerechten Mammons“ nicht mehr trennt. Mit dem Jagdgesetze der erste Eingriff in den Besitz überhaupt, mit der Abschaffung des Adels der erste Eingriff in das Erbrecht, und wer jetzt dazu ermuntert hat, den innern Adel durch Ablegung des äußern zu beweisen, wird bald daran erinnert werden, daß sich mit dem innern und äußern Reichthum ein ähnliches Wortspiel treiben läßt.“
Berlin. Pröbchen aus der deutschen Reform über die Ereignisse in Wien, um das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden:
Den 27. Morgens. „Das Windischgrätz das Bombardement
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Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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