Neue Rheinische Zeitung. Nr. 136. Köln, 7. November 1848.liegen, zur Schönbrunner Schloß-Hauptwache abzuführen. Alle anderen Waffen sind von den einzelnen Corps bezirksweise zu sammeln, unter einer behördlichen Intervenirung in der Stadt im K. Zeughause, in den Vorstädten, in jedem Gemeindehause längstens binnen 12 Stunden niederzulegen, wo sie dann der nächsten vom Militair besetzten Kaserne commissionaliter zu übergeben sein werden. Sämmtliche Munition ist alsogleich, je nach dem Orte ihrer gegenwärtigen Niederlegung, an die Truppen-Commandanten des Neugebäudes, des Schönbrunner Schlosses, der Türkenschanze und jenem in der Leopoldstadt zu übergeben. 4) Sämmtliche Baarschaften und Kassen, die sich in den Händen der Nationalgarden und bewaffneten Körper befinden, sammt den Rechnungen, sind ohne Verzug vom Gemeinderathe zu übernehmen und vom Uebergeber und Uebernehmer gesiegelt aufzubewahren. 5) Von der im Absatze 3 erwähnten Entwaffnung ist vor der Hand jener Theil der Nationalgarde auszunehmen, der bis zum Einrücken der Kaiserlichen Truppen durch den Gemeinderath zur Bewachung der Kaiserlichen Hofburg, der Gesandschaften und der Gebäude zu bestimmen sein wird, welcher Theil ordnungmäßig abzulösen kommt. Dasselbe gilt auch von jenen Wachen, welche der Gemeinderath zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung aufzustellen, für nothwendig findet, sowie auch von der Sicherheitswache. 6) Die Waffen der aus Grätz, Brünn und Linz in Wien unter ordentlicher Führung anwesenden Nationalgarden sind abgesondert abzulegen, und es werden die ihnen eigenthümlichen Waffen in ihre Heimatorte geschickt werden. 7) Der Gemeinderath hat bis 8 Uhr Abends den 30. October 1848 die Annahme der in den vorstehenden Punkten enthaltenen Bestimmungen, bei sonstiger Fortsetzung der bisherigen militairischen Maaßregeln, an Se. Durchlaucht den Fürsten Windischgrätz anzuzeigen, sowie auch nach dieser Annahme längstens bis 12 Uhr Vormittags am 31. Oktober 1848 die vollständige Durchführung sämmtlicher Bedingungen der Eingangs erwähnten Proklamation und der Bestimmung der Erläuterung, sowie der vorstehenden Punkte, angezeigt sein müssen. Hauptquartier Hetzendorf am 30. Oktober 1848, um 3 Uhr Nachmittags. Im Namen und Vollmacht Sr. Durchlaucht des Herrn Feldmarschalls Alfred Fürsten zu Windischgrätz: Cordon m. p. Nachdem der Herr Ober-Commandant erklärt hat, daß von Seiten der ungarischen Armee keine Hülfe mehr zu erwarten sei, indem dieselbe geschlagen und das Feuer seit 5 Uhr von jener Seite verstummt, hiermit keine Veränderung in der Lage der Stadt eingetreten und keinerlei Aussicht auf eine Verbesserung derselben gerechtfertigt ist, und der Gemeinderath bis 8 Uhr Abends des 30sten sich über die unbedingte Annahme der Bedingungen ausgesprochen hat, widrigenfalls die Stadt und die Vorstadte beschossen und in Brand gesteckt werden würden, sieht sich derselbe genothigt, seine Mitbürger aufzufordern, ihrem bereits früher ausgesprochenen Willen nachzukommen und ihm die Rettung der Stadt vor Zerstörung möglich zu machen. Die Einleitungen zur geforderten Niederlegung der Waffen werden getroffen und hiervon Herr Fürst Windischgrätz in Kenntniß gesetzt. In Folge dessen ist auch die Ablieferung der Kanonen zu veranlassen, wobei Herr Fürst Windischgrätz die Deputation aufgefordert hat, dieselben zu bezeichnen, damit seiner Zeit dasselbe Geschütz den Bürgern Wiens zurückgestellt werden konne, wobei denselben wiederholt feierlich versichert wird, daß die Errungenschaft des 15. März und Mai durch den vorübergehenden Belagerungszustand nicht geschmälert oder aufgehoben werde, wofür das Kaiserliche Wort bürge. Wien, den 31. Oct. 1848. Vom Gemeinderath der Stadt Wien. V. An die Nationalgarden der Hauptstadt Wien. Im Nachhange zur Procklamation vom 30. October, 8 Uhr Abends, sehe ich mich verpflichtet, bekannt zu geben, welche Ursachen mich bestimmen, zu der Vermittelung mit Sr. Durchlaucht dem Feldmarschall Hrn. Fürst Windischgratz anzurathen. - Es fehlte seit drei Tagen schon an Munition, welche verrätherisch von mehreren Individuen theilweise unterschlagen wurde. Mangel an Lebensmitteln machte sich fühlbar und wäre in längstens zwei Tagen sehr drückend geworden. Die Geschützbedienung wurde von Tag zu Tag weniger. Der Mangel an geschulten und geübten Truppen, welcher die Entsendung von Succurs an die bedrohten Punkte unmöglich machte, indem die Garde bisher nur den Beruf hatte, sich bloß in ihrem Bezirke zu vertheidigen, wobei ich auch dankend jener Garden gedenke, welche mit muthiger Aufopferung überall hin sich verwendeten. Weitere Motive waren: Die wiederholte Versicherung, daß die von Sr. Majestät dem Kaiser gewährleisteten Volksrechte nicht beeinträchtigt werden sollten; - die bestimmte Ueberzeugung, daß das nicht gerufene ungarische Heer der Zahl nach im Mißverhältnisse zur jetzt cernirenden Truppenmacht stehend, keinen Entsatz der Stadt bringen konnte. Die durch fortgesetzten bewaffneten Widerstand unvermeidliche Zerstörung des Wohlstandes unserer herrlichen Stadt, das gränzenlose Elend der armen Klasse bei herannahendem Winter, der gestörte Verkehr und Handel, alle die Gräuel eines vorauszusetzenden Bürgerkrieges mit den entsetzlichen Folgen - Vom Standpunkt der Menschlichkeit und Vernunft, ehrlicher Ueberzeugung und verständiger Beurtheilung mußte ich für eine Capitulation stimmen, denn Wien mit einer halben Million Einwohner und die ganze Bevölkerung Oesterreichs lag auf der einen Waagschale - Fügung in ein zwar hartes aber vorübergehendes Loos auf der andern. Hier hatte Verstand und Gewissen zu entscheiden - sanguinische Wallungen sind in solchen Momenten Verbrechen am Volke. - Die heute von Sr. Durchlaucht dem Feldmarschall Fürsten Windischgrätz zurückgekehrte Deputation brachte das Versprechen mit, daß die im März und Mai errungenen Freiheiten nicht geschmälert u. die fürs Volkeingetretenen Militairs möglichst mild behandelt werden, ferner, daß der National-Garde ihre eigenthümlichen Waffen und Geschütze bei Reorganisation der Garde gleich zurückgestellt werden sollen. - Garden aus Wien! Ich harrte bei Euch aus, während der mit blutiger Flammenschrift in die Geschichte gezeichneten Oktober-Periode. Wenn zwanzig mühevolle Tage, wenn zwanzig schlaflose Nächte, wenn der redlichste Wille, Euch zu dienen, wenn die durch viele Hemmnisse benachtheiligten Anstrengungen einigen Werth haben, so hoffe ich, daß Ihr auf mein Wort höret und mit dem Muthe das Unabwendbare ertragen werdet, welchen Ihr den feindlichen Kugeln gegenüber bewiesen habt. - Ich trete von meinem harten Posten mit dem Bewußtsein treuer Pflichterfüllung zurück, und danke Euch Kameraden für das Vertrauen und die heldenmüthige Hingebung im Dienste fürs Volk und Volksrechte. Wien; am 31. Oct. 1848. Ernst Haug, Chefd es Generalstabes der Wiener Nationalgarde. Prerau, 2. Nov. Die Berichte der Reisenden sind zu widersprechend. Wien sei schon am 31. Nachmittags um 6 Uhr übergeben worden, die Aula sei gestern gefallen, nachdem in das Burgthor zwei Breschen geschossen und die Armee Windischgrätz's und Jellachich's ohne Widerstand sich über die innere Stadt verbreitet hatten. Dort seien 600 Soldaten geblieben, aber beim rothen Thurme habe die Nationalgarde freiwillig die Gewehre gestreckt, die Studenten seien alle entflohen (?). Andere dagegen berichten, daß die Einnahme Wiens erst um 11 Uhr Abends am 31. erfolgt sei, nachdem von 9 Uhr früh bis Abends um 6 1/2 Uhr 10,700 Kanonenschüsse gefallen seien und jede einzelne Barrikade mit 3-7 Batterien beschossen worden war. 220 Kanonen sollen von Windischgrätz in der Stadt postirt sein und Mann an Mann seine Truppen sich durch die Straßen ausbreiten! Die Aula habe sich noch nicht ergeben, in welcher sich die Studenten sich verbarrikadirt hätten, nachdem sie von der Nationalgarde im Stiche gelassen worden seien. Ja es soll sogar zwischen Studenten und Nationalgarden in der Stadt gekämpft worden sein. Das Militär sei an der Taborlinie zuerst eingedrungen und die deutschen Regimenter seien dazu gezwungen worden, indem man ihnen slawische mit geladenem Gewehre und gespanntem Hahne im Rücken aufgestellt habe. Der Wassermangel sei hauptsächlich die Ursache der Uebergabe Wiens gewesen. Am 31. Mittags habe das Bombardement von allen Seiten begonnen und bis in die Nacht hinein gedauert. Der Durchbruch eines Hauses habe dem Militär den Eingang in die Stadt verschafft. Schon am 30. Sei der Stadtrath von Wien entschlossen gewesen, die Stadt zu übergeben und habe 2,000,000 Gulden von Windischgrätz verlangt, um den Arbeitern die Gewehre abzukaufen. Reisende, die aus Ungarn kommen, erzählen dagegen, daß Wien erst gestern Vormittag sich ergeben habe. Ueber die Ungarn theilten sie uns Folgendes mit: Bei Fischamend habe Jellachich eine Brücke über die Donau geschlagen, diese sei von den Ungarn zerstört worden, worauf Fischamend in Brand gesteckt wurde. Ebenso soll Manzwürth von Jellachich angezündet worden sein. Bei einem Angriffe auf die St. Marxer Linie seien die Ungarn zurückgeschlagen und bis Schwadorf gedrängt worden. Ebenso in Trentschin und im Neutraer Komitate, wo sie in die Waag geworfen wurden. In Neustadt sind gestern 6000 reguläre und eben so viele irreguläre Truppen aus Galizien auf dem Marsche gegen Ungarn angelangt. In den Vorstädten Wiens plündern und morden die Croaten mit unerhörter Bestialität. Sie verkaufen 5-Gulden Banknoten für 20 Kreuzer. In den letzten 9 Tagen und Nächten sind 23,500 Kanonenschüsse nach und von Wien gefallen. (A. D. Z.)Gänserndorf, 31. Oct., 9 Uhr Abends. Leider kann ich Ihnen nur traurige Nachrichten mittheilen. Obgleich sich das Gerücht von der Uebergabe Wiens am 30. d. M., welche Fürst Windischgrätz nach Ollmütz telegraphirt, nicht bestätigt hat, so ist kaum daran zu zweifeln, daß vielleicht schon, während ich schreibe, die beklagenswerthe Katastrophe eingetreten. Von 9 Uhr Morgens bis 1 Uhr Mittags wurde die Wieden beschossen. Das Resultat ist noch ungewiß. Aus der Stadt wurde mit schwerem Geschütz gegen die Leopoldstadt gefeuert, welches Feuer nicht erwidert wurde. Nachmittags wurde in der Richtung des Belveders und Schwarzenberg'schen Palais ein heftiges Bombardement gegen die Stadt unterhalten. Abends um halb 7 Uhr aber eingestellt. In der Stadt brennt es in der Gegend der Universität und des Mehlmarktes. Die Ungarn, heißt es, sind bis Schwadorf, 1 1/2 Stunde von Wien zurückgedrängt, wahrscheinlich nur die Avantgarde. Auch heißt es, daß sich in der Nähe von Wagram Magyaren befinden. So eben erzählen uns Reisende, daß die Burg, die Bibliothek und das Naturalienkabinet brennen sollen, daß der Thurm der Augustinerkirche eingestürzt und das Militär bis zum Stephansplatze vorgerückt. Viele und meist unschuldige Menschen, Weiber und Kinder, sollen muthwillig gemißhandelt und gemordet werden. Von dem Aussehen der eingenommenen Stadttheile erzählt man haarsträubende Geschichten. Namentlich wurde die Leopoldstadt von den Truppen durch Plünderung und Zerstörung hart mitgenommen. Ein Condukteur der Eisenbahn berichtet, daß er bei der Ankunft in seinem Quartier schrecklich überrascht ward: in einem Zimmer eine geplatzte Granate und in dem andern Croaten, welche mit zertrümmerten Möbeln ein Feuer anmachten, um dabei ihr Fleisch zu kochen. (A. D. Z.)Wien, 30. Okt. Nachstehende Kundmachung ist hier erschienen: "Von Seiten des Truppen-Divisions-Kommando des Herrn Feldmarschall-Lieutenants von Namberg ist an die Grundgerichte Leopoldstadt und Jägerzeile folgender hoher Auftrag gekommen, als:""Nachdem die unter mir stehenden Truppen heute und gestern alle Theile der Leopoldstadt besetzt haben, so mache ich sämmtlichen Bezirks-Obrigkeiten der Leopoldstadt anmit bekannt, daß dieselben nach dem Wortlaute der erlassenen Proklamationen Sr. Durchlaucht des Feldmarschalls Fürsten zu Windischgrätz in Folge des eingetretenen Belagerungszustandes der Stadt Wien und ihrer Vorstädte, mir, als der obersten Militärbehörde der Leopoldstadt, in Allem und Jedem untergeordnet und verantwortlich sind. Demnach hat alsogleich die Entwaffnung sämmtlicher Einwohner der Leopoldstadt von den Bezirks-Obrigkeiten eingeleitet zu werden, und es ist durch den Druck sogleich zu veröffentlichen: Erstens: daß alle Schuß- Stich- und Hiebwaffen jeder Art, so wie auch Munition, gleichviel, ob sie Privat-Eigenthum oder nicht Privat-Eigenthum sind, alsogleich von Jedermann, Nationalgarde oder nicht Nationalgarde, bei den Bezirks-Obrigkeiten deponirt werden müssen. Eigene Waffen, so wie jene der Nationalgarde, sind mit angehefteten, vom Eigenthümer mit der eigenen Namens-Unterschrift bezeichneten und dessen Siegel versehenen Zetteln abzuliefern. Zweitens: Alle nicht in diese zwei Kategorieen gehörigen ärarischen Waffen sind von der Bezirks-Obrigkeit, als aus dem Zeughause entwendet, mit Specification sogleich in's Neugebäude bei Schwechat abzuliefern. Drittens: Die Lokale der Waffen-Depots sind anzuzeigen, um durch Pikets bewacht zu werden. Viertens: Derjenige, welcher Waffen und Munition versteckt hält, verfällt dem Standrechte. Es werden deshalb militärische Visitirungen stattfinden. Fünftens: Für heute hat jeder Bezirk für die in seinem Bereiche dislozirten Truppen die Verpflegung zu liefern. Das Fleisch wird von der Mannschaft baar bezahlt werden. Die Bezirks-Obrigkeiten wollen sich in's Einvernehmen setzen, um die gesetzliche Ordnung herzustellen und aufrecht zu erhalten. Namberg, m. p. Feldmarschall-Lieutenant."" - wovon Jedermann zur genauesten Danachachtung und Befolgung hiermit in Kenntniß gesetzt wird. Wien, 29. Okt. 1848. Vom Grungerichte Leopoldstadt. Klang, Richter." (Schl. Z.)Ratibor, 2. November. Am 31. Oktober gegen Nacht ist Wien mit Sturm genommen worden. In der Aula fand man anstatt der Pulverfässer, mit denen die Demokraten gedroht haben, nur 30 Arbeiter, die sofort gerichtet wurden. - General Bem gefangen; desgleichen Messenhauser. Akademische Legion gefangen. Die Bürger übergeben mit Freuden die Waffen an das Militär. Beim Sturm bildeten Auersperg und Jellachich die Avantgarde, Windischgrätz das Gros. Viele Gebäude brennen. Gegen 500 Proletarier sollen erschlagen sein; die andern werden zu einzelnen Trupps gefangen, entwaffnet und nach Befund gerichtet. (N. Pr. Z.) * Brünn, 1. Novbr. Wir haben drei bewegte Tage hinter uns. Die Nachrichten, welche wir am 29. Okt. aus Wien erhielten, wirkten erschütternd und empörend auf die hiesige Einwohnerschaft, namentlich auf die Arbeiter. Die letzteren zogen die Sturmglocken, verlangten Waffen und die schnellste Organisation des Landsturmes: sie wollten für die Wiener leben und sterben. Leider wurde diesen Demonstrationen mit Aufstellung von Nationalgarde und Militär begegnet, was die Arbeiter erbitterte und noch am 29. Abends zur Demolirung der Rathhausfenster wie zur Stürmung der Kaserne der Polizeiwache veranlaßte. Tags darauf kam es zu einem ernstlichen Konflikt. Das Volk zog vor die Maschinenfabrik des Engländlers Bracegirdle, um sich der dort verfertigten Gewehre zu bemächtigen; die Nationalgarde trat ihm entgegen, und vertrieb es, nach einigem vergeblichem Parlamentiren, mit einer Gewehrsalve. 30 Verwundete und 2 Todte waren die Opfer des Heldenmuths der Garde. Verkündigung des Aufruhrgesetzes und zahlreiche Verhaftungen vollendeten die Wiederherstellung der Ruhe. Heute sind die Arbeiter aus der Stadt hinausgezogen, vor der Hand, wie es scheint, ohne weitern Plan. Olmütz, 31. Okt. Die böhmische Deputation hat über die Art und Weise ihres Empfanges am kaiserlichen Hoflager bereits folgenden Protest eingelegt: "Herr Minister! Ein Gefühl der gerechtesten Entrüstung durchdringt alle Glieder der prager Deputation. Sie war berufen gewesen, um 10 Uhr vor Sr. Majestät zu erscheinen. Das wußte die Umgebung Sr. Majestät, das wußte insbesondere der Generaladjudant Fürst Joseph Lobkowiz Angelangt in der Residenz, wurde die Deputation von einem Offizier angehalten, der angab, von der Audienz nichts zu wissen. Der Bürgermeister allein wurde vor den Fürsten gelassen, dieser wußte also, daß die Deputation der ihr zugesicherten Audienz harre. Gleichwohl nahm man nicht Anstand, die Deputation der böhmischen Nation, auf der Treppe, endlich in der Treppenhalle beinahe eine halbe Stunde stehen zu lassen, und der Fürst Lobkowiz erdreistete sich, der in dieser Treppenhalle harrenden Deputation vom Korridor hinaus die neue Stunde der Audienz auf 12 ein halb Uhr anzusetzen. - Wir Abgeordnete der böhmischen Nation erklären dieses Benehmen des Fürsten Lobkowiz für unwürdig, ihn selbst für verantwortlich, und protestiren hiermit feierlichst gegen diese Art, die Deputation einer Nation zu empfangen, zu bescheiden. Wir verwahren es uns, diese Unwürdigkeit Sr. Maj. selbst zur Kenntniß zu bringen, und auf Genugthuung zu dringen. Olmütz, den 31. Oktober 1848. (Folgen die Unterschriften.) (Br. Z.)Olmütz, 1. Nov. Mittags 12 Uhr. Der Ordner des zukünftigen Reichstages, Abgeordneter Jelen, war bereits hier, um mit den betreffenden Behörden wegen der Einrichtung des Reichstagssaales in Kremsier zu unterhandeln. Der Kommissär der deutschen Centralgewalt, Welcker, hat sich gestern von hier nach Prag begeben. Auch die Abgeordneten Fische, Hawliczek, Helfert, Lasser, Mayer haben gestern Olmütz verlassen. - 4 Uhr Nachmittag. So eben werden hier folgende zwei telegraphische Depeschen durch Maueranschlag bekannt gemacht: "I. Telegraphische Depesche. 12 Uhr 10 Minuten. 1. Nov. Feldmarschall-Lieutenant Namberg bei Wien. Die Salzgries-Kaserne, Kaiserl. Zeughaus in der Renngasse und das Kriegsgebäude unterhalb den Wällen, Thore und Burg sind von uns besetzt. Sämmtliche Vorstädte sind besetzt und werden entwaffnet. Es herrscht volle Ruhe. Die Entwaffnung in der Stadt beginnt. Olmütz, 1. Nov. 1848. Lazanski, Kaiserl. m. schles. Gubernial-Vice-Präsident." "II. Feldmarschall-Lieutenant Namberg aus Wien an den Minister v. Wessenberg. Ich lasse so eben die Verrammlungen am rothen Thurmthor wegnehmen und werde binnen einer halben Stunde die rothe Thurm-, Bieber- und Dominikaner-Bastei mit Infanterie und Geschütz besetzt haben. Widerstand findet durchaus keiner Statt. Die Proletarier und Studenten erscheinen nirgends. Die feindlichen Geschütze werden eben von den Wällen in das Zeughaus abgeführt, ein großer Haufe niedergelegter Gewehre liegt bei dem Rothen-Thurmwachtthor aufgeschichtet. In der Burg, im Naturalienkabinet und der Bibliothek hat der Brand keine bedeutenden Verheerungen angerichtet. Olmütz, 1. November 1848. Lazanski, K. K. m. schles. Gubernial-Vice. Präsident." (Schl. Z.) 103 Berlin, 4. November. National-Versammlung. Der dringende Antrag, welcher in der gestrigen Nachmittagssitzung von den Abgeordneten Waldeck, Schulz (Wanzleben), Jacoby und Temme gestellt und dem die Priorität zur heutigen Sitzung eingeräumt worden ist, lautet: "Die hohe National-Versammlung wolle beschließen: sofort durch das Plenum eine Kommission von 21 Mitgliedern in der bei der Wahl der Vicepräsidenten vorgeschriebenen Art zu erwählen und derselben den Auftrag zu ertheilen, die bedrohliche Lage des Landes in Berathung zu nehmen und darauf bezügliche geeignete Vorschläge innerhalb der Kompetenz der National-Versammlung zu machen." Motive: Die Lage des Landes rechtfertigt diese Maßregel zur Genüge. Um 10 1/2 Uhr erscheinen die Minister Eichmann, Bonin und Kisker und der Viceprasident Bornemann (da der Präsident Unruh durch Heiserkeit abgehalten ist) beginnt damit, daß er die gestern vertagte Sitzung als geschlossen erklärt und die heutige eröffnet. Nach Verlesung des Protokolls, wird der obige Antrag verlesen. Waldeck: Als wir vorgestern einen dem gegenwärtigen Antrag gleichen stellten, wurde es vorgezogen, eine Adresse an den König abzusenden. Wir erwarteten, daß dieser Schritt zu keinem Resultate führen werde und wir haben uns nicht getäuscht. In der uns gestern verkündeten königl. Botschaft, welche von dem Minister Eichmann gegengezeichnet, der daher dafür verantwortlich ist, wird unseren in der Adresse ausgesprochenen Ansichten geradezu widersprochen und dem konstitutionellen Prinzip entgegengetreten. Man beharrt darauf, den Grafen Brandenburg ein Ministerium bilden zu lassen, welches den Wünschen des Landes noch mehr entgegentreten würde, als das gegenwärtige. Bilden Sie daher eine Kommission, welche die Aufgabe haben würde, uns Vorschläge zu machen über alle die Schritte, welche für das Wohl des Landes und zur Abwendung der Gefahr nöthig sind. Solche wichtige Vorschläge müssen vorbereitet werden und daher ist eine Kommission nothwendig. Ziegel spricht sich gegen die Dringlichkeit aus. Er sieht die gegenwärtige Sache nur als eine betrübende an, denn Ungesetzliches ist noch nicht geschehen. v. Daniels für die Dringlichkeit. Er will später den ganzen Antrag als gänzlich unhaltbar verwerfen. Kunth gegen die Dringlichkeit. Durch die Ausführung des Antrages mache sich die Versammlung zum Convent und die Kommission würde der Sicherheitsausschuß sein. Wenn es sich nicht leugnen läßt, daß durch wühlerische Umtriebe die Ruhe und Ordnung oft gestört wird, so ist doch der großere Theil des Landes bereit, sich mit der Regierung gegen solche Aufreizungen zu verbinden. Das Land verlangt nur die Verfassung und eine konstitutionelle Regierung. Die Dringlichkeit des Antrags wird mit 247 gegen 114 Stimmen verworfen. Kämpf beantragt die Vertagung der Sitzung bis Montag Vormittag 9 Uhr, da es ihm nicht angemessen erscheint, auf die Tagesordnung, den Bericht der Petitionskommission, einzugehen. Gegen den Schluß der Sitzung muß er sich jedoch erklären, er will nur Vertagung. Dierschke und Andere beantragen, sich mit dem Petitionsberichte zu beschäftigen. Meusebach und die rechte Seite wollen die Sitzung heute regelmäßig geschlossen wissen und die nächste auf Montag anzuberaumen. Berg erklärt sich gegen den Schluß aber für die Vertagung. Obgleich die Wirkung beider Anträge eigentlich dieselbe sei, so erfolgt doch aus einem Schlusse der Sitzung, daß wir Montag unsere Sitzung mit der Berathung der Verfassung beginnen müssen. Da aber zu erwarten ist, daß sich Montag noch kein neues Ministerium hier einfinden wird, so will ich nur eine Vertagung der heutigen Sitzung bis Montag, dann können wir mit unsern heutigen Anträgen fortfahren. Die Versammlung beschließt sich bis Montag Morgens 9 Uhr zu vertagen: Die äußerste Linke giebt noch eine Erklärung zu Protokoll, welche vom Sekretär verlesen wird, sie lautet: "Der schon vorgestern gestellte Antrag, eine Kommission, die bedrohliche Lage des Landes betreffend, zu ernennen, um von ihr die Vorschläge zu erwarten, welche dem schwankenden, gefahrvollen Zustande, in welchem das Land sich befindet, ein Ende machen sollen, mußte den Unterzeichneten in Folge der von dem Minister des Innern, Herrn Eichmann, gegengezeichneten königl. Botschaft von gestern als eine dringende Nothwendigkeit erscheinen. In einem Augenblick der höchsten Spannung wagt Herr Eichmann darin dem fast einstimmigen Votum der Versammlung, welche durch die Annahme der Adresse die vollständige Mißbilligung des bisher befolgten Systems aussprach, mit der Behauptung entgegenzutreten, daß die in der Adresse angedeuteten Gerüchte über die Reaktion in keiner Handlung der Regierung sich bestätigt fänden. Ein Ministerium, unter dessen Obhut die bekannten Armeebefehle bestanden, das durch seine Erlasse auf bureaukratischem Wege das Versammlungs- und Vereinigungsrecht völlig knechten wollte und zuletzt noch in ganz ungesetzlicher Weise mit dem Einschreiten der Militärgewalt drohte, findet der großen Mehrheit der National-Versammlung gegenüber, die ausgesprochenen Besorgnisse unbegründet. Es genügt ferner Herrn Eichmann, wenn das neue Ministerium sich Ansprüche auf das Vertrauen des Landes zu erwerben wissen werde, während die National-Versammlung zu dem Verlangen berechtigt sein muß, die Leitung der Staatsregierung in den Händen von Männern zu sehen, welche sich bereits das Vertrauen des Landes erworben haben und unmöglich ruhig zusehen darf, daß dem Zufall, der durch ein noch unbekanntes Verhalten zu begründenden Ansprüche auf dieses Vertrauen die Geschicke des Landes, besonders in einer so sturmbewegten Zeit wie die unsrige, übertragen werde. Ein Wechsel der Personen, nicht ein Wechsel des Systems wird in Aussicht gestellt, während die National-Versammlung und das Volk entschieden das Letztere erwarten. Die Unterzeichneten hielten es für ihre heiligste Pflicht, durch Niedersetzung der beantragten Kommission die Maßregeln aufs Schleunigste vorzubereiten, welche gegenwärtig geeignet sind, die Sache des Landes und durch Beendigung des schwankenden, gefahrvollen Zustandes zugleich seine materielle Wohlfahrt wieder herbeizuführen. Sie wollen nicht verantwortlich sein für die Folgen einer Versäumniß." (Folgen die Unterschriften des größten Theils der äußersten Linken). Nach Verlesung dieser Erklärung wird die Sitzung bis Montag Morgens 9 Uhr vertagt. 103 Berlin, 4. Nov. Das würdige Auftreten des Abgeordneten Jacobi dem Könige gegenüber, findet die allgemeinste Anerkennung. Nicht allein die äußerste Linke, wie das nicht anders zu erwarten ist, sondern auch 28 Mitglieder der Partei Rodbertus-Berg haben Jacobi ihre Zustimmung und ihren Dank durch eine Adresse zu erkennen gegeben. Von den letztern ist es um so auffallender, da ihre Parteichefs, welche sich mit in der Deputation befanden, ihre Mißbilligung über das Benehmen und die Worte Jacobi's dem Könige schriftlich zu erkennen gaben und in der Nationalversammlung gestern offen erklärten. Das Benehmen der Herrn Rodbertus und Berg seit vorgestern, zielt offenbar nur dahin, sich als Minister möglich zu halten. In diesem Sinne drängen sie sich daher dem Könige förmlich auf. - So viel ist gewiß, daß Rodbertus erklärt hat, in kein Ministerium einzutreten, welches er nicht als Ministerpräsident selbst bildet, und liegen, zur Schönbrunner Schloß-Hauptwache abzuführen. Alle anderen Waffen sind von den einzelnen Corps bezirksweise zu sammeln, unter einer behördlichen Intervenirung in der Stadt im K. Zeughause, in den Vorstädten, in jedem Gemeindehause längstens binnen 12 Stunden niederzulegen, wo sie dann der nächsten vom Militair besetzten Kaserne commissionaliter zu übergeben sein werden. Sämmtliche Munition ist alsogleich, je nach dem Orte ihrer gegenwärtigen Niederlegung, an die Truppen-Commandanten des Neugebäudes, des Schönbrunner Schlosses, der Türkenschanze und jenem in der Leopoldstadt zu übergeben. 4) Sämmtliche Baarschaften und Kassen, die sich in den Händen der Nationalgarden und bewaffneten Körper befinden, sammt den Rechnungen, sind ohne Verzug vom Gemeinderathe zu übernehmen und vom Uebergeber und Uebernehmer gesiegelt aufzubewahren. 5) Von der im Absatze 3 erwähnten Entwaffnung ist vor der Hand jener Theil der Nationalgarde auszunehmen, der bis zum Einrücken der Kaiserlichen Truppen durch den Gemeinderath zur Bewachung der Kaiserlichen Hofburg, der Gesandschaften und der Gebäude zu bestimmen sein wird, welcher Theil ordnungmäßig abzulösen kommt. Dasselbe gilt auch von jenen Wachen, welche der Gemeinderath zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung aufzustellen, für nothwendig findet, sowie auch von der Sicherheitswache. 6) Die Waffen der aus Grätz, Brünn und Linz in Wien unter ordentlicher Führung anwesenden Nationalgarden sind abgesondert abzulegen, und es werden die ihnen eigenthümlichen Waffen in ihre Heimatorte geschickt werden. 7) Der Gemeinderath hat bis 8 Uhr Abends den 30. October 1848 die Annahme der in den vorstehenden Punkten enthaltenen Bestimmungen, bei sonstiger Fortsetzung der bisherigen militairischen Maaßregeln, an Se. Durchlaucht den Fürsten Windischgrätz anzuzeigen, sowie auch nach dieser Annahme längstens bis 12 Uhr Vormittags am 31. Oktober 1848 die vollständige Durchführung sämmtlicher Bedingungen der Eingangs erwähnten Proklamation und der Bestimmung der Erläuterung, sowie der vorstehenden Punkte, angezeigt sein müssen. Hauptquartier Hetzendorf am 30. Oktober 1848, um 3 Uhr Nachmittags. Im Namen und Vollmacht Sr. Durchlaucht des Herrn Feldmarschalls Alfred Fürsten zu Windischgrätz: Cordon m. p. Nachdem der Herr Ober-Commandant erklärt hat, daß von Seiten der ungarischen Armee keine Hülfe mehr zu erwarten sei, indem dieselbe geschlagen und das Feuer seit 5 Uhr von jener Seite verstummt, hiermit keine Veränderung in der Lage der Stadt eingetreten und keinerlei Aussicht auf eine Verbesserung derselben gerechtfertigt ist, und der Gemeinderath bis 8 Uhr Abends des 30sten sich über die unbedingte Annahme der Bedingungen ausgesprochen hat, widrigenfalls die Stadt und die Vorstadte beschossen und in Brand gesteckt werden würden, sieht sich derselbe genothigt, seine Mitbürger aufzufordern, ihrem bereits früher ausgesprochenen Willen nachzukommen und ihm die Rettung der Stadt vor Zerstörung möglich zu machen. Die Einleitungen zur geforderten Niederlegung der Waffen werden getroffen und hiervon Herr Fürst Windischgrätz in Kenntniß gesetzt. In Folge dessen ist auch die Ablieferung der Kanonen zu veranlassen, wobei Herr Fürst Windischgrätz die Deputation aufgefordert hat, dieselben zu bezeichnen, damit seiner Zeit dasselbe Geschütz den Bürgern Wiens zurückgestellt werden konne, wobei denselben wiederholt feierlich versichert wird, daß die Errungenschaft des 15. März und Mai durch den vorübergehenden Belagerungszustand nicht geschmälert oder aufgehoben werde, wofür das Kaiserliche Wort bürge. Wien, den 31. Oct. 1848. Vom Gemeinderath der Stadt Wien. V. An die Nationalgarden der Hauptstadt Wien. Im Nachhange zur Procklamation vom 30. October, 8 Uhr Abends, sehe ich mich verpflichtet, bekannt zu geben, welche Ursachen mich bestimmen, zu der Vermittelung mit Sr. Durchlaucht dem Feldmarschall Hrn. Fürst Windischgratz anzurathen. ‒ Es fehlte seit drei Tagen schon an Munition, welche verrätherisch von mehreren Individuen theilweise unterschlagen wurde. Mangel an Lebensmitteln machte sich fühlbar und wäre in längstens zwei Tagen sehr drückend geworden. Die Geschützbedienung wurde von Tag zu Tag weniger. Der Mangel an geschulten und geübten Truppen, welcher die Entsendung von Succurs an die bedrohten Punkte unmöglich machte, indem die Garde bisher nur den Beruf hatte, sich bloß in ihrem Bezirke zu vertheidigen, wobei ich auch dankend jener Garden gedenke, welche mit muthiger Aufopferung überall hin sich verwendeten. Weitere Motive waren: Die wiederholte Versicherung, daß die von Sr. Majestät dem Kaiser gewährleisteten Volksrechte nicht beeinträchtigt werden sollten; ‒ die bestimmte Ueberzeugung, daß das nicht gerufene ungarische Heer der Zahl nach im Mißverhältnisse zur jetzt cernirenden Truppenmacht stehend, keinen Entsatz der Stadt bringen konnte. Die durch fortgesetzten bewaffneten Widerstand unvermeidliche Zerstörung des Wohlstandes unserer herrlichen Stadt, das gränzenlose Elend der armen Klasse bei herannahendem Winter, der gestörte Verkehr und Handel, alle die Gräuel eines vorauszusetzenden Bürgerkrieges mit den entsetzlichen Folgen ‒ Vom Standpunkt der Menschlichkeit und Vernunft, ehrlicher Ueberzeugung und verständiger Beurtheilung mußte ich für eine Capitulation stimmen, denn Wien mit einer halben Million Einwohner und die ganze Bevölkerung Oesterreichs lag auf der einen Waagschale ‒ Fügung in ein zwar hartes aber vorübergehendes Loos auf der andern. Hier hatte Verstand und Gewissen zu entscheiden ‒ sanguinische Wallungen sind in solchen Momenten Verbrechen am Volke. ‒ Die heute von Sr. Durchlaucht dem Feldmarschall Fürsten Windischgrätz zurückgekehrte Deputation brachte das Versprechen mit, daß die im März und Mai errungenen Freiheiten nicht geschmälert u. die fürs Volkeingetretenen Militairs möglichst mild behandelt werden, ferner, daß der National-Garde ihre eigenthümlichen Waffen und Geschütze bei Reorganisation der Garde gleich zurückgestellt werden sollen. ‒ Garden aus Wien! Ich harrte bei Euch aus, während der mit blutiger Flammenschrift in die Geschichte gezeichneten Oktober-Periode. Wenn zwanzig mühevolle Tage, wenn zwanzig schlaflose Nächte, wenn der redlichste Wille, Euch zu dienen, wenn die durch viele Hemmnisse benachtheiligten Anstrengungen einigen Werth haben, so hoffe ich, daß Ihr auf mein Wort höret und mit dem Muthe das Unabwendbare ertragen werdet, welchen Ihr den feindlichen Kugeln gegenüber bewiesen habt. ‒ Ich trete von meinem harten Posten mit dem Bewußtsein treuer Pflichterfüllung zurück, und danke Euch Kameraden für das Vertrauen und die heldenmüthige Hingebung im Dienste fürs Volk und Volksrechte. Wien; am 31. Oct. 1848. Ernst Haug, Chefd es Generalstabes der Wiener Nationalgarde. Prerau, 2. Nov. Die Berichte der Reisenden sind zu widersprechend. Wien sei schon am 31. Nachmittags um 6 Uhr übergeben worden, die Aula sei gestern gefallen, nachdem in das Burgthor zwei Breschen geschossen und die Armee Windischgrätz's und Jellachich's ohne Widerstand sich über die innere Stadt verbreitet hatten. Dort seien 600 Soldaten geblieben, aber beim rothen Thurme habe die Nationalgarde freiwillig die Gewehre gestreckt, die Studenten seien alle entflohen (?). Andere dagegen berichten, daß die Einnahme Wiens erst um 11 Uhr Abends am 31. erfolgt sei, nachdem von 9 Uhr früh bis Abends um 6 1/2 Uhr 10,700 Kanonenschüsse gefallen seien und jede einzelne Barrikade mit 3-7 Batterien beschossen worden war. 220 Kanonen sollen von Windischgrätz in der Stadt postirt sein und Mann an Mann seine Truppen sich durch die Straßen ausbreiten! Die Aula habe sich noch nicht ergeben, in welcher sich die Studenten sich verbarrikadirt hätten, nachdem sie von der Nationalgarde im Stiche gelassen worden seien. Ja es soll sogar zwischen Studenten und Nationalgarden in der Stadt gekämpft worden sein. Das Militär sei an der Taborlinie zuerst eingedrungen und die deutschen Regimenter seien dazu gezwungen worden, indem man ihnen slawische mit geladenem Gewehre und gespanntem Hahne im Rücken aufgestellt habe. Der Wassermangel sei hauptsächlich die Ursache der Uebergabe Wiens gewesen. Am 31. Mittags habe das Bombardement von allen Seiten begonnen und bis in die Nacht hinein gedauert. Der Durchbruch eines Hauses habe dem Militär den Eingang in die Stadt verschafft. Schon am 30. Sei der Stadtrath von Wien entschlossen gewesen, die Stadt zu übergeben und habe 2,000,000 Gulden von Windischgrätz verlangt, um den Arbeitern die Gewehre abzukaufen. Reisende, die aus Ungarn kommen, erzählen dagegen, daß Wien erst gestern Vormittag sich ergeben habe. Ueber die Ungarn theilten sie uns Folgendes mit: Bei Fischamend habe Jellachich eine Brücke über die Donau geschlagen, diese sei von den Ungarn zerstört worden, worauf Fischamend in Brand gesteckt wurde. Ebenso soll Manzwürth von Jellachich angezündet worden sein. Bei einem Angriffe auf die St. Marxer Linie seien die Ungarn zurückgeschlagen und bis Schwadorf gedrängt worden. Ebenso in Trentschin und im Neutraer Komitate, wo sie in die Waag geworfen wurden. In Neustadt sind gestern 6000 reguläre und eben so viele irreguläre Truppen aus Galizien auf dem Marsche gegen Ungarn angelangt. In den Vorstädten Wiens plündern und morden die Croaten mit unerhörter Bestialität. Sie verkaufen 5-Gulden Banknoten für 20 Kreuzer. In den letzten 9 Tagen und Nächten sind 23,500 Kanonenschüsse nach und von Wien gefallen. (A. D. Z.)Gänserndorf, 31. Oct., 9 Uhr Abends. Leider kann ich Ihnen nur traurige Nachrichten mittheilen. Obgleich sich das Gerücht von der Uebergabe Wiens am 30. d. M., welche Fürst Windischgrätz nach Ollmütz telegraphirt, nicht bestätigt hat, so ist kaum daran zu zweifeln, daß vielleicht schon, während ich schreibe, die beklagenswerthe Katastrophe eingetreten. Von 9 Uhr Morgens bis 1 Uhr Mittags wurde die Wieden beschossen. Das Resultat ist noch ungewiß. Aus der Stadt wurde mit schwerem Geschütz gegen die Leopoldstadt gefeuert, welches Feuer nicht erwidert wurde. Nachmittags wurde in der Richtung des Belveders und Schwarzenberg'schen Palais ein heftiges Bombardement gegen die Stadt unterhalten. Abends um halb 7 Uhr aber eingestellt. In der Stadt brennt es in der Gegend der Universität und des Mehlmarktes. Die Ungarn, heißt es, sind bis Schwadorf, 1 1/2 Stunde von Wien zurückgedrängt, wahrscheinlich nur die Avantgarde. Auch heißt es, daß sich in der Nähe von Wagram Magyaren befinden. So eben erzählen uns Reisende, daß die Burg, die Bibliothek und das Naturalienkabinet brennen sollen, daß der Thurm der Augustinerkirche eingestürzt und das Militär bis zum Stephansplatze vorgerückt. Viele und meist unschuldige Menschen, Weiber und Kinder, sollen muthwillig gemißhandelt und gemordet werden. Von dem Aussehen der eingenommenen Stadttheile erzählt man haarsträubende Geschichten. Namentlich wurde die Leopoldstadt von den Truppen durch Plünderung und Zerstörung hart mitgenommen. Ein Condukteur der Eisenbahn berichtet, daß er bei der Ankunft in seinem Quartier schrecklich überrascht ward: in einem Zimmer eine geplatzte Granate und in dem andern Croaten, welche mit zertrümmerten Möbeln ein Feuer anmachten, um dabei ihr Fleisch zu kochen. (A. D. Z.)Wien, 30. Okt. Nachstehende Kundmachung ist hier erschienen: „Von Seiten des Truppen-Divisions-Kommando des Herrn Feldmarschall-Lieutenants von Namberg ist an die Grundgerichte Leopoldstadt und Jägerzeile folgender hoher Auftrag gekommen, als:„„Nachdem die unter mir stehenden Truppen heute und gestern alle Theile der Leopoldstadt besetzt haben, so mache ich sämmtlichen Bezirks-Obrigkeiten der Leopoldstadt anmit bekannt, daß dieselben nach dem Wortlaute der erlassenen Proklamationen Sr. Durchlaucht des Feldmarschalls Fürsten zu Windischgrätz in Folge des eingetretenen Belagerungszustandes der Stadt Wien und ihrer Vorstädte, mir, als der obersten Militärbehörde der Leopoldstadt, in Allem und Jedem untergeordnet und verantwortlich sind. Demnach hat alsogleich die Entwaffnung sämmtlicher Einwohner der Leopoldstadt von den Bezirks-Obrigkeiten eingeleitet zu werden, und es ist durch den Druck sogleich zu veröffentlichen: Erstens: daß alle Schuß- Stich- und Hiebwaffen jeder Art, so wie auch Munition, gleichviel, ob sie Privat-Eigenthum oder nicht Privat-Eigenthum sind, alsogleich von Jedermann, Nationalgarde oder nicht Nationalgarde, bei den Bezirks-Obrigkeiten deponirt werden müssen. Eigene Waffen, so wie jene der Nationalgarde, sind mit angehefteten, vom Eigenthümer mit der eigenen Namens-Unterschrift bezeichneten und dessen Siegel versehenen Zetteln abzuliefern. Zweitens: Alle nicht in diese zwei Kategorieen gehörigen ärarischen Waffen sind von der Bezirks-Obrigkeit, als aus dem Zeughause entwendet, mit Specification sogleich in's Neugebäude bei Schwechat abzuliefern. Drittens: Die Lokale der Waffen-Depots sind anzuzeigen, um durch Pikets bewacht zu werden. Viertens: Derjenige, welcher Waffen und Munition versteckt hält, verfällt dem Standrechte. Es werden deshalb militärische Visitirungen stattfinden. Fünftens: Für heute hat jeder Bezirk für die in seinem Bereiche dislozirten Truppen die Verpflegung zu liefern. Das Fleisch wird von der Mannschaft baar bezahlt werden. Die Bezirks-Obrigkeiten wollen sich in's Einvernehmen setzen, um die gesetzliche Ordnung herzustellen und aufrecht zu erhalten. Namberg, m. p. Feldmarschall-Lieutenant.““ ‒ wovon Jedermann zur genauesten Danachachtung und Befolgung hiermit in Kenntniß gesetzt wird. Wien, 29. Okt. 1848. Vom Grungerichte Leopoldstadt. Klang, Richter.“ (Schl. Z.)Ratibor, 2. November. Am 31. Oktober gegen Nacht ist Wien mit Sturm genommen worden. In der Aula fand man anstatt der Pulverfässer, mit denen die Demokraten gedroht haben, nur 30 Arbeiter, die sofort gerichtet wurden. ‒ General Bem gefangen; desgleichen Messenhauser. Akademische Legion gefangen. Die Bürger übergeben mit Freuden die Waffen an das Militär. Beim Sturm bildeten Auersperg und Jellachich die Avantgarde, Windischgrätz das Gros. Viele Gebäude brennen. Gegen 500 Proletarier sollen erschlagen sein; die andern werden zu einzelnen Trupps gefangen, entwaffnet und nach Befund gerichtet. (N. Pr. Z.) * Brünn, 1. Novbr. Wir haben drei bewegte Tage hinter uns. Die Nachrichten, welche wir am 29. Okt. aus Wien erhielten, wirkten erschütternd und empörend auf die hiesige Einwohnerschaft, namentlich auf die Arbeiter. Die letzteren zogen die Sturmglocken, verlangten Waffen und die schnellste Organisation des Landsturmes: sie wollten für die Wiener leben und sterben. Leider wurde diesen Demonstrationen mit Aufstellung von Nationalgarde und Militär begegnet, was die Arbeiter erbitterte und noch am 29. Abends zur Demolirung der Rathhausfenster wie zur Stürmung der Kaserne der Polizeiwache veranlaßte. Tags darauf kam es zu einem ernstlichen Konflikt. Das Volk zog vor die Maschinenfabrik des Engländlers Bracegirdle, um sich der dort verfertigten Gewehre zu bemächtigen; die Nationalgarde trat ihm entgegen, und vertrieb es, nach einigem vergeblichem Parlamentiren, mit einer Gewehrsalve. 30 Verwundete und 2 Todte waren die Opfer des Heldenmuths der Garde. Verkündigung des Aufruhrgesetzes und zahlreiche Verhaftungen vollendeten die Wiederherstellung der Ruhe. Heute sind die Arbeiter aus der Stadt hinausgezogen, vor der Hand, wie es scheint, ohne weitern Plan. Olmütz, 31. Okt. Die böhmische Deputation hat über die Art und Weise ihres Empfanges am kaiserlichen Hoflager bereits folgenden Protest eingelegt: „Herr Minister! Ein Gefühl der gerechtesten Entrüstung durchdringt alle Glieder der prager Deputation. Sie war berufen gewesen, um 10 Uhr vor Sr. Majestät zu erscheinen. Das wußte die Umgebung Sr. Majestät, das wußte insbesondere der Generaladjudant Fürst Joseph Lobkowiz Angelangt in der Residenz, wurde die Deputation von einem Offizier angehalten, der angab, von der Audienz nichts zu wissen. Der Bürgermeister allein wurde vor den Fürsten gelassen, dieser wußte also, daß die Deputation der ihr zugesicherten Audienz harre. Gleichwohl nahm man nicht Anstand, die Deputation der böhmischen Nation, auf der Treppe, endlich in der Treppenhalle beinahe eine halbe Stunde stehen zu lassen, und der Fürst Lobkowiz erdreistete sich, der in dieser Treppenhalle harrenden Deputation vom Korridor hinaus die neue Stunde der Audienz auf 12 ein halb Uhr anzusetzen. ‒ Wir Abgeordnete der böhmischen Nation erklären dieses Benehmen des Fürsten Lobkowiz für unwürdig, ihn selbst für verantwortlich, und protestiren hiermit feierlichst gegen diese Art, die Deputation einer Nation zu empfangen, zu bescheiden. Wir verwahren es uns, diese Unwürdigkeit Sr. Maj. selbst zur Kenntniß zu bringen, und auf Genugthuung zu dringen. Olmütz, den 31. Oktober 1848. (Folgen die Unterschriften.) (Br. Z.)Olmütz, 1. Nov. Mittags 12 Uhr. Der Ordner des zukünftigen Reichstages, Abgeordneter Jelen, war bereits hier, um mit den betreffenden Behörden wegen der Einrichtung des Reichstagssaales in Kremsier zu unterhandeln. Der Kommissär der deutschen Centralgewalt, Welcker, hat sich gestern von hier nach Prag begeben. Auch die Abgeordneten Fische, Hawliczek, Helfert, Lasser, Mayer haben gestern Olmütz verlassen. ‒ 4 Uhr Nachmittag. So eben werden hier folgende zwei telegraphische Depeschen durch Maueranschlag bekannt gemacht: „I. Telegraphische Depesche. 12 Uhr 10 Minuten. 1. Nov. Feldmarschall-Lieutenant Namberg bei Wien. Die Salzgries-Kaserne, Kaiserl. Zeughaus in der Renngasse und das Kriegsgebäude unterhalb den Wällen, Thore und Burg sind von uns besetzt. Sämmtliche Vorstädte sind besetzt und werden entwaffnet. Es herrscht volle Ruhe. Die Entwaffnung in der Stadt beginnt. Olmütz, 1. Nov. 1848. Lazanski, Kaiserl. m. schles. Gubernial-Vice-Präsident.“ „II. Feldmarschall-Lieutenant Namberg aus Wien an den Minister v. Wessenberg. Ich lasse so eben die Verrammlungen am rothen Thurmthor wegnehmen und werde binnen einer halben Stunde die rothe Thurm-, Bieber- und Dominikaner-Bastei mit Infanterie und Geschütz besetzt haben. Widerstand findet durchaus keiner Statt. Die Proletarier und Studenten erscheinen nirgends. Die feindlichen Geschütze werden eben von den Wällen in das Zeughaus abgeführt, ein großer Haufe niedergelegter Gewehre liegt bei dem Rothen-Thurmwachtthor aufgeschichtet. In der Burg, im Naturalienkabinet und der Bibliothek hat der Brand keine bedeutenden Verheerungen angerichtet. Olmütz, 1. November 1848. Lazanski, K. K. m. schles. Gubernial-Vice. Präsident.“ (Schl. Z.) 103 Berlin, 4. November. National-Versammlung. Der dringende Antrag, welcher in der gestrigen Nachmittagssitzung von den Abgeordneten Waldeck, Schulz (Wanzleben), Jacoby und Temme gestellt und dem die Priorität zur heutigen Sitzung eingeräumt worden ist, lautet: „Die hohe National-Versammlung wolle beschließen: sofort durch das Plenum eine Kommission von 21 Mitgliedern in der bei der Wahl der Vicepräsidenten vorgeschriebenen Art zu erwählen und derselben den Auftrag zu ertheilen, die bedrohliche Lage des Landes in Berathung zu nehmen und darauf bezügliche geeignete Vorschläge innerhalb der Kompetenz der National-Versammlung zu machen.“ Motive: Die Lage des Landes rechtfertigt diese Maßregel zur Genüge. Um 10 1/2 Uhr erscheinen die Minister Eichmann, Bonin und Kisker und der Viceprasident Bornemann (da der Präsident Unruh durch Heiserkeit abgehalten ist) beginnt damit, daß er die gestern vertagte Sitzung als geschlossen erklärt und die heutige eröffnet. Nach Verlesung des Protokolls, wird der obige Antrag verlesen. Waldeck: Als wir vorgestern einen dem gegenwärtigen Antrag gleichen stellten, wurde es vorgezogen, eine Adresse an den König abzusenden. Wir erwarteten, daß dieser Schritt zu keinem Resultate führen werde und wir haben uns nicht getäuscht. In der uns gestern verkündeten königl. Botschaft, welche von dem Minister Eichmann gegengezeichnet, der daher dafür verantwortlich ist, wird unseren in der Adresse ausgesprochenen Ansichten geradezu widersprochen und dem konstitutionellen Prinzip entgegengetreten. Man beharrt darauf, den Grafen Brandenburg ein Ministerium bilden zu lassen, welches den Wünschen des Landes noch mehr entgegentreten würde, als das gegenwärtige. Bilden Sie daher eine Kommission, welche die Aufgabe haben würde, uns Vorschläge zu machen über alle die Schritte, welche für das Wohl des Landes und zur Abwendung der Gefahr nöthig sind. Solche wichtige Vorschläge müssen vorbereitet werden und daher ist eine Kommission nothwendig. Ziegel spricht sich gegen die Dringlichkeit aus. Er sieht die gegenwärtige Sache nur als eine betrübende an, denn Ungesetzliches ist noch nicht geschehen. v. Daniels für die Dringlichkeit. Er will später den ganzen Antrag als gänzlich unhaltbar verwerfen. Kunth gegen die Dringlichkeit. Durch die Ausführung des Antrages mache sich die Versammlung zum Convent und die Kommission würde der Sicherheitsausschuß sein. Wenn es sich nicht leugnen läßt, daß durch wühlerische Umtriebe die Ruhe und Ordnung oft gestört wird, so ist doch der großere Theil des Landes bereit, sich mit der Regierung gegen solche Aufreizungen zu verbinden. Das Land verlangt nur die Verfassung und eine konstitutionelle Regierung. Die Dringlichkeit des Antrags wird mit 247 gegen 114 Stimmen verworfen. Kämpf beantragt die Vertagung der Sitzung bis Montag Vormittag 9 Uhr, da es ihm nicht angemessen erscheint, auf die Tagesordnung, den Bericht der Petitionskommission, einzugehen. Gegen den Schluß der Sitzung muß er sich jedoch erklären, er will nur Vertagung. Dierschke und Andere beantragen, sich mit dem Petitionsberichte zu beschäftigen. Meusebach und die rechte Seite wollen die Sitzung heute regelmäßig geschlossen wissen und die nächste auf Montag anzuberaumen. Berg erklärt sich gegen den Schluß aber für die Vertagung. Obgleich die Wirkung beider Anträge eigentlich dieselbe sei, so erfolgt doch aus einem Schlusse der Sitzung, daß wir Montag unsere Sitzung mit der Berathung der Verfassung beginnen müssen. Da aber zu erwarten ist, daß sich Montag noch kein neues Ministerium hier einfinden wird, so will ich nur eine Vertagung der heutigen Sitzung bis Montag, dann können wir mit unsern heutigen Anträgen fortfahren. Die Versammlung beschließt sich bis Montag Morgens 9 Uhr zu vertagen: Die äußerste Linke giebt noch eine Erklärung zu Protokoll, welche vom Sekretär verlesen wird, sie lautet: „Der schon vorgestern gestellte Antrag, eine Kommission, die bedrohliche Lage des Landes betreffend, zu ernennen, um von ihr die Vorschläge zu erwarten, welche dem schwankenden, gefahrvollen Zustande, in welchem das Land sich befindet, ein Ende machen sollen, mußte den Unterzeichneten in Folge der von dem Minister des Innern, Herrn Eichmann, gegengezeichneten königl. Botschaft von gestern als eine dringende Nothwendigkeit erscheinen. In einem Augenblick der höchsten Spannung wagt Herr Eichmann darin dem fast einstimmigen Votum der Versammlung, welche durch die Annahme der Adresse die vollständige Mißbilligung des bisher befolgten Systems aussprach, mit der Behauptung entgegenzutreten, daß die in der Adresse angedeuteten Gerüchte über die Reaktion in keiner Handlung der Regierung sich bestätigt fänden. Ein Ministerium, unter dessen Obhut die bekannten Armeebefehle bestanden, das durch seine Erlasse auf bureaukratischem Wege das Versammlungs- und Vereinigungsrecht völlig knechten wollte und zuletzt noch in ganz ungesetzlicher Weise mit dem Einschreiten der Militärgewalt drohte, findet der großen Mehrheit der National-Versammlung gegenüber, die ausgesprochenen Besorgnisse unbegründet. Es genügt ferner Herrn Eichmann, wenn das neue Ministerium sich Ansprüche auf das Vertrauen des Landes zu erwerben wissen werde, während die National-Versammlung zu dem Verlangen berechtigt sein muß, die Leitung der Staatsregierung in den Händen von Männern zu sehen, welche sich bereits das Vertrauen des Landes erworben haben und unmöglich ruhig zusehen darf, daß dem Zufall, der durch ein noch unbekanntes Verhalten zu begründenden Ansprüche auf dieses Vertrauen die Geschicke des Landes, besonders in einer so sturmbewegten Zeit wie die unsrige, übertragen werde. Ein Wechsel der Personen, nicht ein Wechsel des Systems wird in Aussicht gestellt, während die National-Versammlung und das Volk entschieden das Letztere erwarten. Die Unterzeichneten hielten es für ihre heiligste Pflicht, durch Niedersetzung der beantragten Kommission die Maßregeln aufs Schleunigste vorzubereiten, welche gegenwärtig geeignet sind, die Sache des Landes und durch Beendigung des schwankenden, gefahrvollen Zustandes zugleich seine materielle Wohlfahrt wieder herbeizuführen. Sie wollen nicht verantwortlich sein für die Folgen einer Versäumniß.“ (Folgen die Unterschriften des größten Theils der äußersten Linken). Nach Verlesung dieser Erklärung wird die Sitzung bis Montag Morgens 9 Uhr vertagt. 103 Berlin, 4. Nov. Das würdige Auftreten des Abgeordneten Jacobi dem Könige gegenüber, findet die allgemeinste Anerkennung. Nicht allein die äußerste Linke, wie das nicht anders zu erwarten ist, sondern auch 28 Mitglieder der Partei Rodbertus-Berg haben Jacobi ihre Zustimmung und ihren Dank durch eine Adresse zu erkennen gegeben. Von den letztern ist es um so auffallender, da ihre Parteichefs, welche sich mit in der Deputation befanden, ihre Mißbilligung über das Benehmen und die Worte Jacobi's dem Könige schriftlich zu erkennen gaben und in der Nationalversammlung gestern offen erklärten. Das Benehmen der Herrn Rodbertus und Berg seit vorgestern, zielt offenbar nur dahin, sich als Minister möglich zu halten. In diesem Sinne drängen sie sich daher dem Könige förmlich auf. ‒ So viel ist gewiß, daß Rodbertus erklärt hat, in kein Ministerium einzutreten, welches er nicht als Ministerpräsident selbst bildet, und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar136_002" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="0692"/> liegen, zur Schönbrunner Schloß-Hauptwache abzuführen. Alle anderen Waffen sind von den einzelnen Corps bezirksweise zu sammeln, unter einer behördlichen Intervenirung in der Stadt im K. Zeughause, in den Vorstädten, in jedem Gemeindehause längstens binnen 12 Stunden niederzulegen, wo sie dann der nächsten vom Militair besetzten Kaserne commissionaliter zu übergeben sein werden. Sämmtliche Munition ist alsogleich, je nach dem Orte ihrer gegenwärtigen Niederlegung, an die Truppen-Commandanten des Neugebäudes, des Schönbrunner Schlosses, der Türkenschanze und jenem in der Leopoldstadt zu übergeben. 4) Sämmtliche Baarschaften und Kassen, die sich in den Händen der Nationalgarden und bewaffneten Körper befinden, sammt den Rechnungen, sind ohne Verzug vom Gemeinderathe zu übernehmen und vom Uebergeber und Uebernehmer gesiegelt aufzubewahren. 5) Von der im Absatze 3 erwähnten Entwaffnung ist vor der Hand jener Theil der Nationalgarde auszunehmen, der bis zum Einrücken der Kaiserlichen Truppen durch den Gemeinderath zur Bewachung der Kaiserlichen Hofburg, der Gesandschaften und der Gebäude zu bestimmen sein wird, welcher Theil ordnungmäßig abzulösen kommt. Dasselbe gilt auch von jenen Wachen, welche der Gemeinderath zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung aufzustellen, für nothwendig findet, sowie auch von der Sicherheitswache. 6) Die Waffen der aus Grätz, Brünn und Linz in Wien unter ordentlicher Führung anwesenden Nationalgarden sind abgesondert abzulegen, und es werden die ihnen eigenthümlichen Waffen in ihre Heimatorte geschickt werden. 7) Der Gemeinderath hat bis 8 Uhr Abends den 30. October 1848 die Annahme der in den vorstehenden Punkten enthaltenen Bestimmungen, bei sonstiger Fortsetzung der bisherigen militairischen Maaßregeln, an Se. Durchlaucht den Fürsten Windischgrätz anzuzeigen, sowie auch nach dieser Annahme längstens bis 12 Uhr Vormittags am 31. Oktober 1848 die vollständige Durchführung sämmtlicher Bedingungen der Eingangs erwähnten Proklamation und der Bestimmung der Erläuterung, sowie der vorstehenden Punkte, angezeigt sein müssen. Hauptquartier Hetzendorf am 30. Oktober 1848, um 3 Uhr Nachmittags. Im Namen und Vollmacht Sr. Durchlaucht des Herrn Feldmarschalls Alfred Fürsten zu Windischgrätz: <hi rendition="#g">Cordon m. p.</hi> </p> <p>Nachdem der Herr Ober-Commandant erklärt hat, daß von Seiten der ungarischen Armee keine Hülfe mehr zu erwarten sei, indem dieselbe geschlagen und das Feuer seit 5 Uhr von jener Seite verstummt, hiermit keine Veränderung in der Lage der Stadt eingetreten und keinerlei Aussicht auf eine Verbesserung derselben gerechtfertigt ist, und der Gemeinderath bis 8 Uhr Abends des 30sten sich über die unbedingte Annahme der Bedingungen ausgesprochen hat, widrigenfalls die Stadt und die Vorstadte beschossen und in Brand gesteckt werden würden, sieht sich derselbe genothigt, seine Mitbürger aufzufordern, ihrem bereits früher ausgesprochenen Willen nachzukommen und ihm die Rettung der Stadt vor Zerstörung möglich zu machen. Die Einleitungen zur geforderten Niederlegung der Waffen werden getroffen und hiervon Herr Fürst Windischgrätz in Kenntniß gesetzt. In Folge dessen ist auch die Ablieferung der Kanonen zu veranlassen, wobei Herr Fürst Windischgrätz die Deputation aufgefordert hat, dieselben zu bezeichnen, damit seiner Zeit dasselbe Geschütz den Bürgern Wiens zurückgestellt werden konne, wobei denselben wiederholt feierlich versichert wird, daß die Errungenschaft des 15. März und Mai durch den vorübergehenden Belagerungszustand nicht geschmälert oder aufgehoben werde, wofür das Kaiserliche Wort bürge.</p> <p>Wien, den 31. Oct. 1848.</p> <p> <hi rendition="#g">Vom Gemeinderath der Stadt Wien.</hi> </p> <p><hi rendition="#g">V. An die Nationalgarden der Hauptstadt Wien.</hi> Im Nachhange zur Procklamation vom 30. October, 8 Uhr Abends, sehe ich mich verpflichtet, bekannt zu geben, welche Ursachen mich bestimmen, zu der Vermittelung mit Sr. Durchlaucht dem Feldmarschall Hrn. Fürst Windischgratz anzurathen. ‒ Es fehlte seit drei Tagen schon an Munition, welche verrätherisch von mehreren Individuen theilweise unterschlagen wurde. Mangel an Lebensmitteln machte sich fühlbar und wäre in längstens zwei Tagen sehr drückend geworden. Die Geschützbedienung wurde von Tag zu Tag weniger. Der Mangel an geschulten und geübten Truppen, welcher die Entsendung von Succurs an die bedrohten Punkte unmöglich machte, indem die Garde bisher nur den Beruf hatte, sich bloß in ihrem Bezirke zu vertheidigen, wobei ich auch dankend jener Garden gedenke, welche mit muthiger Aufopferung überall hin sich verwendeten. Weitere Motive waren: Die wiederholte Versicherung, daß die von Sr. Majestät dem Kaiser gewährleisteten Volksrechte nicht beeinträchtigt werden sollten; ‒ die bestimmte Ueberzeugung, daß das nicht gerufene ungarische Heer der Zahl nach im Mißverhältnisse zur jetzt cernirenden Truppenmacht stehend, keinen Entsatz der Stadt bringen konnte. Die durch fortgesetzten bewaffneten Widerstand unvermeidliche Zerstörung des Wohlstandes unserer herrlichen Stadt, das gränzenlose Elend der armen Klasse bei herannahendem Winter, der gestörte Verkehr und Handel, alle die Gräuel eines vorauszusetzenden Bürgerkrieges mit den entsetzlichen Folgen ‒ Vom Standpunkt der Menschlichkeit und Vernunft, ehrlicher Ueberzeugung und verständiger Beurtheilung mußte ich für eine Capitulation stimmen, denn Wien mit einer halben Million Einwohner und die ganze Bevölkerung Oesterreichs lag auf der einen Waagschale ‒ Fügung in ein zwar hartes aber vorübergehendes Loos auf der andern. Hier hatte Verstand und Gewissen zu entscheiden ‒ sanguinische Wallungen sind in solchen Momenten Verbrechen am Volke. ‒ Die heute von Sr. Durchlaucht dem Feldmarschall Fürsten Windischgrätz zurückgekehrte Deputation brachte das Versprechen mit, daß die im März und Mai errungenen Freiheiten nicht geschmälert u. die fürs Volkeingetretenen Militairs möglichst mild behandelt werden, ferner, daß der National-Garde ihre eigenthümlichen Waffen und Geschütze bei Reorganisation der Garde gleich zurückgestellt werden sollen. ‒ Garden aus Wien! Ich harrte bei Euch aus, während der mit blutiger Flammenschrift in die Geschichte gezeichneten Oktober-Periode. Wenn zwanzig mühevolle Tage, wenn zwanzig schlaflose Nächte, wenn der redlichste Wille, Euch zu dienen, wenn die durch viele Hemmnisse benachtheiligten Anstrengungen einigen Werth haben, so hoffe ich, daß Ihr auf mein Wort höret und mit dem Muthe das Unabwendbare ertragen werdet, welchen Ihr den feindlichen Kugeln gegenüber bewiesen habt. ‒ Ich trete von meinem harten Posten mit dem Bewußtsein treuer Pflichterfüllung zurück, und danke Euch Kameraden für das Vertrauen und die heldenmüthige Hingebung im Dienste fürs Volk und Volksrechte.</p> <p>Wien; am 31. Oct. 1848.</p> <p><hi rendition="#g">Ernst Haug,</hi> Chefd es Generalstabes der Wiener Nationalgarde.</p> </div> <div xml:id="ar136_003" type="jArticle"> <head>Prerau, 2. Nov.</head> <p>Die Berichte der Reisenden sind zu widersprechend. Wien sei schon am 31. Nachmittags um 6 Uhr übergeben worden, die Aula sei gestern gefallen, nachdem in das Burgthor zwei Breschen geschossen und die Armee Windischgrätz's und Jellachich's ohne Widerstand sich über die innere Stadt verbreitet hatten. Dort seien 600 Soldaten geblieben, aber beim rothen Thurme habe die Nationalgarde freiwillig die Gewehre gestreckt, die Studenten seien alle entflohen (?). Andere dagegen berichten, daß die Einnahme Wiens erst um 11 Uhr Abends am 31. erfolgt sei, nachdem von 9 Uhr früh bis Abends um 6 1/2 Uhr 10,700 Kanonenschüsse gefallen seien und jede einzelne Barrikade mit 3-7 Batterien beschossen worden war. 220 Kanonen sollen von Windischgrätz in der Stadt postirt sein und Mann an Mann seine Truppen sich durch die Straßen ausbreiten! Die Aula habe sich noch nicht ergeben, in welcher sich die Studenten sich verbarrikadirt hätten, nachdem sie von der Nationalgarde im Stiche gelassen worden seien. Ja es soll sogar zwischen Studenten und Nationalgarden in der Stadt gekämpft worden sein. Das Militär sei an der Taborlinie zuerst eingedrungen und die deutschen Regimenter seien dazu gezwungen worden, indem man ihnen slawische mit geladenem Gewehre und gespanntem Hahne im Rücken aufgestellt habe. Der Wassermangel sei hauptsächlich die Ursache der Uebergabe Wiens gewesen. Am 31. Mittags habe das Bombardement von allen Seiten begonnen und bis in die Nacht hinein gedauert. Der Durchbruch eines Hauses habe dem Militär den Eingang in die Stadt verschafft. Schon am 30. Sei der Stadtrath von Wien entschlossen gewesen, die Stadt zu übergeben und habe 2,000,000 Gulden von Windischgrätz verlangt, um den Arbeitern die Gewehre abzukaufen.</p> <p>Reisende, die aus Ungarn kommen, erzählen dagegen, daß Wien erst gestern Vormittag sich ergeben habe. Ueber die Ungarn theilten sie uns Folgendes mit:</p> <p>Bei Fischamend habe Jellachich eine Brücke über die Donau geschlagen, diese sei von den Ungarn zerstört worden, worauf Fischamend in Brand gesteckt wurde. Ebenso soll Manzwürth von Jellachich angezündet worden sein. Bei einem Angriffe auf die St. Marxer Linie seien die Ungarn zurückgeschlagen und bis Schwadorf gedrängt worden. Ebenso in Trentschin und im Neutraer Komitate, wo sie in die Waag geworfen wurden. In Neustadt sind gestern 6000 reguläre und eben so viele irreguläre Truppen aus Galizien auf dem Marsche gegen Ungarn angelangt.</p> <p>In den Vorstädten Wiens plündern und morden die Croaten mit unerhörter Bestialität. Sie verkaufen 5-Gulden Banknoten für 20 Kreuzer. In den letzten 9 Tagen und Nächten sind 23,500 Kanonenschüsse nach und von Wien gefallen.</p> <bibl>(A. D. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar136_004" type="jArticle"> <head>Gänserndorf, 31. Oct.,</head> <p>9 Uhr Abends. Leider kann ich Ihnen nur traurige Nachrichten mittheilen. Obgleich sich das Gerücht von der Uebergabe Wiens am 30. d. M., welche Fürst Windischgrätz nach Ollmütz telegraphirt, nicht bestätigt hat, so ist kaum daran zu zweifeln, daß vielleicht schon, während ich schreibe, die beklagenswerthe Katastrophe eingetreten. Von 9 Uhr Morgens bis 1 Uhr Mittags wurde die Wieden beschossen. Das Resultat ist noch ungewiß. Aus der Stadt wurde mit schwerem Geschütz gegen die Leopoldstadt gefeuert, welches Feuer nicht erwidert wurde. Nachmittags wurde in der Richtung des Belveders und Schwarzenberg'schen Palais ein heftiges Bombardement gegen die Stadt unterhalten. Abends um halb 7 Uhr aber eingestellt. In der Stadt brennt es in der Gegend der Universität und des Mehlmarktes. Die Ungarn, heißt es, sind bis Schwadorf, 1 1/2 Stunde von Wien zurückgedrängt, wahrscheinlich nur die Avantgarde. Auch heißt es, daß sich in der Nähe von Wagram Magyaren befinden. So eben erzählen uns Reisende, daß die Burg, die Bibliothek und das Naturalienkabinet brennen sollen, daß der Thurm der Augustinerkirche eingestürzt und das Militär bis zum Stephansplatze vorgerückt. Viele und meist unschuldige Menschen, Weiber und Kinder, sollen muthwillig gemißhandelt und gemordet werden. Von dem Aussehen der eingenommenen Stadttheile erzählt man haarsträubende Geschichten. Namentlich wurde die Leopoldstadt von den Truppen durch Plünderung und Zerstörung hart mitgenommen. Ein Condukteur der Eisenbahn berichtet, daß er bei der Ankunft in seinem Quartier schrecklich überrascht ward: in einem Zimmer eine geplatzte Granate und in dem andern Croaten, welche mit zertrümmerten Möbeln ein Feuer anmachten, um dabei ihr Fleisch zu kochen.</p> <bibl>(A. D. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar136_005" type="jArticle"> <head>Wien, 30. Okt.</head> <p>Nachstehende Kundmachung ist hier erschienen: „Von Seiten des Truppen-Divisions-Kommando des Herrn Feldmarschall-Lieutenants von Namberg ist an die Grundgerichte Leopoldstadt und Jägerzeile folgender hoher Auftrag gekommen, als:„„Nachdem die unter mir stehenden Truppen heute und gestern alle Theile der Leopoldstadt besetzt haben, so mache ich sämmtlichen Bezirks-Obrigkeiten der Leopoldstadt anmit bekannt, daß dieselben nach dem Wortlaute der erlassenen Proklamationen Sr. Durchlaucht des Feldmarschalls Fürsten zu Windischgrätz in Folge des eingetretenen Belagerungszustandes der Stadt Wien und ihrer Vorstädte, mir, als der obersten Militärbehörde der Leopoldstadt, in Allem und Jedem untergeordnet und verantwortlich sind. Demnach hat alsogleich die Entwaffnung sämmtlicher Einwohner der Leopoldstadt von den Bezirks-Obrigkeiten eingeleitet zu werden, und es ist durch den Druck sogleich zu veröffentlichen: Erstens: daß alle Schuß- Stich- und Hiebwaffen jeder Art, so wie auch Munition, gleichviel, ob sie Privat-Eigenthum oder nicht Privat-Eigenthum sind, alsogleich von Jedermann, Nationalgarde oder nicht Nationalgarde, bei den Bezirks-Obrigkeiten deponirt werden müssen. Eigene Waffen, so wie jene der Nationalgarde, sind mit angehefteten, vom Eigenthümer mit der eigenen Namens-Unterschrift bezeichneten und dessen Siegel versehenen Zetteln abzuliefern. Zweitens: Alle nicht in diese zwei Kategorieen gehörigen ärarischen Waffen sind von der Bezirks-Obrigkeit, als aus dem Zeughause entwendet, mit Specification sogleich in's Neugebäude bei Schwechat abzuliefern. Drittens: Die Lokale der Waffen-Depots sind anzuzeigen, um durch Pikets bewacht zu werden. Viertens: Derjenige, welcher Waffen und Munition versteckt hält, verfällt dem Standrechte. Es werden deshalb militärische Visitirungen stattfinden. Fünftens: Für heute hat jeder Bezirk für die in seinem Bereiche dislozirten Truppen die Verpflegung zu liefern. Das Fleisch wird von der Mannschaft baar bezahlt werden. Die Bezirks-Obrigkeiten wollen sich in's Einvernehmen setzen, um die gesetzliche Ordnung herzustellen und aufrecht zu erhalten. Namberg, m. p. Feldmarschall-Lieutenant.““ ‒ wovon Jedermann zur genauesten Danachachtung und Befolgung hiermit in Kenntniß gesetzt wird. Wien, 29. Okt. 1848. Vom Grungerichte Leopoldstadt. Klang, Richter.“</p> <bibl>(Schl. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar136_006" type="jArticle"> <head>Ratibor, 2. November.</head> <p>Am 31. Oktober gegen Nacht ist Wien mit Sturm genommen worden. In der Aula fand man anstatt der Pulverfässer, mit denen die Demokraten gedroht haben, nur 30 Arbeiter, die sofort <hi rendition="#g">gerichtet</hi> wurden. ‒ General Bem gefangen; desgleichen Messenhauser. Akademische Legion gefangen. Die Bürger übergeben mit Freuden die Waffen an das Militär. Beim Sturm bildeten Auersperg und Jellachich die Avantgarde, Windischgrätz das Gros. Viele Gebäude brennen. Gegen 500 Proletarier sollen erschlagen sein; die andern werden zu einzelnen Trupps gefangen, entwaffnet und nach Befund <hi rendition="#g">gerichtet.</hi> </p> <bibl>(N. Pr. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar136_007" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl>Brünn, 1. Novbr.</head> <p>Wir haben drei bewegte Tage hinter uns. Die Nachrichten, welche wir am 29. Okt. aus Wien erhielten, wirkten erschütternd und empörend auf die hiesige Einwohnerschaft, namentlich auf die Arbeiter. Die letzteren zogen die Sturmglocken, verlangten Waffen und die schnellste Organisation des Landsturmes: sie wollten für die Wiener leben und sterben. Leider wurde diesen Demonstrationen mit Aufstellung von Nationalgarde und Militär begegnet, was die Arbeiter erbitterte und noch am 29. Abends zur Demolirung der Rathhausfenster wie zur Stürmung der Kaserne der Polizeiwache veranlaßte. Tags darauf kam es zu einem ernstlichen Konflikt. Das Volk zog vor die Maschinenfabrik des Engländlers Bracegirdle, um sich der dort verfertigten Gewehre zu bemächtigen; die Nationalgarde trat ihm entgegen, und vertrieb es, nach einigem vergeblichem Parlamentiren, mit einer Gewehrsalve. 30 Verwundete und 2 Todte waren die Opfer des Heldenmuths der Garde. Verkündigung des Aufruhrgesetzes und zahlreiche Verhaftungen vollendeten die Wiederherstellung der Ruhe. Heute sind die Arbeiter aus der Stadt hinausgezogen, vor der Hand, wie es scheint, ohne weitern Plan.</p> </div> <div xml:id="ar136_008" type="jArticle"> <head>Olmütz, 31. Okt.</head> <p>Die böhmische Deputation hat über die Art und Weise ihres Empfanges am kaiserlichen Hoflager bereits folgenden Protest eingelegt:</p> <p>„Herr Minister! Ein Gefühl der gerechtesten Entrüstung durchdringt alle Glieder der prager Deputation. Sie war berufen gewesen, um 10 Uhr vor Sr. Majestät zu erscheinen. Das wußte die Umgebung Sr. Majestät, das wußte insbesondere der Generaladjudant Fürst Joseph Lobkowiz Angelangt in der Residenz, wurde die Deputation von einem Offizier angehalten, der angab, von der Audienz nichts zu wissen. Der Bürgermeister allein wurde vor den Fürsten gelassen, dieser wußte also, daß die Deputation der ihr zugesicherten Audienz harre. Gleichwohl nahm man nicht Anstand, die Deputation der böhmischen Nation, auf der Treppe, endlich in der Treppenhalle beinahe eine halbe Stunde stehen zu lassen, und der Fürst Lobkowiz erdreistete sich, der in dieser Treppenhalle harrenden Deputation vom Korridor hinaus die neue Stunde der Audienz auf 12 ein halb Uhr anzusetzen. ‒ Wir Abgeordnete der böhmischen Nation erklären dieses Benehmen des Fürsten Lobkowiz für unwürdig, ihn selbst für verantwortlich, und protestiren hiermit feierlichst gegen diese Art, die Deputation einer Nation zu empfangen, zu bescheiden. Wir verwahren es uns, diese Unwürdigkeit Sr. Maj. selbst zur Kenntniß zu bringen, und auf Genugthuung zu dringen. Olmütz, den 31. Oktober 1848. (Folgen die Unterschriften.)</p> <bibl>(Br. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar136_009" type="jArticle"> <head>Olmütz, 1. Nov.</head> <p>Mittags 12 Uhr. Der Ordner des zukünftigen Reichstages, Abgeordneter Jelen, war bereits hier, um mit den betreffenden Behörden wegen der Einrichtung des Reichstagssaales in Kremsier zu unterhandeln. Der Kommissär der deutschen Centralgewalt, Welcker, hat sich gestern von hier nach Prag begeben. Auch die Abgeordneten Fische, Hawliczek, Helfert, Lasser, Mayer haben gestern Olmütz verlassen. ‒ 4 Uhr Nachmittag. So eben werden hier folgende zwei telegraphische Depeschen durch Maueranschlag bekannt gemacht:</p> <p>„I. Telegraphische Depesche. 12 Uhr 10 Minuten. 1. Nov. Feldmarschall-Lieutenant Namberg bei Wien. Die Salzgries-Kaserne, Kaiserl. Zeughaus in der Renngasse und das Kriegsgebäude unterhalb den Wällen, Thore und Burg sind von uns besetzt. Sämmtliche Vorstädte sind besetzt und werden entwaffnet. Es herrscht volle Ruhe. Die Entwaffnung in der Stadt beginnt. Olmütz, 1. Nov. 1848. Lazanski, Kaiserl. m. schles. Gubernial-Vice-Präsident.“</p> <p>„II. Feldmarschall-Lieutenant Namberg aus Wien an den Minister v. Wessenberg. Ich lasse so eben die Verrammlungen am rothen Thurmthor wegnehmen und werde binnen einer halben Stunde die rothe Thurm-, Bieber- und Dominikaner-Bastei mit Infanterie und Geschütz besetzt haben. Widerstand findet durchaus keiner Statt. Die Proletarier und Studenten erscheinen nirgends. Die feindlichen Geschütze werden eben von den Wällen in das Zeughaus abgeführt, ein großer Haufe niedergelegter Gewehre liegt bei dem Rothen-Thurmwachtthor aufgeschichtet. In der Burg, im Naturalienkabinet und der Bibliothek hat der Brand keine bedeutenden Verheerungen angerichtet. Olmütz, 1. November 1848. Lazanski, K. K. m. schles. Gubernial-Vice. Präsident.“</p> <bibl>(Schl. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar136_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl>Berlin, 4. November.</head> <p>National-Versammlung.</p> <p>Der dringende Antrag, welcher in der gestrigen Nachmittagssitzung von den Abgeordneten Waldeck, Schulz (Wanzleben), Jacoby und Temme gestellt und dem die Priorität zur heutigen Sitzung eingeräumt worden ist, lautet:</p> <p>„Die hohe National-Versammlung wolle beschließen: sofort durch das Plenum eine Kommission von 21 Mitgliedern in der bei der Wahl der Vicepräsidenten vorgeschriebenen Art zu erwählen und derselben den Auftrag zu ertheilen, die bedrohliche Lage des Landes in Berathung zu nehmen und darauf bezügliche geeignete Vorschläge innerhalb der Kompetenz der National-Versammlung zu machen.“</p> <p>Motive: Die Lage des Landes rechtfertigt diese Maßregel zur Genüge. Um 10 1/2 Uhr erscheinen die Minister Eichmann, Bonin und Kisker und der Viceprasident Bornemann (da der Präsident Unruh durch Heiserkeit abgehalten ist) beginnt damit, daß er die gestern vertagte Sitzung als geschlossen erklärt und die heutige eröffnet.</p> <p>Nach Verlesung des Protokolls, wird der obige Antrag verlesen.</p> <p><hi rendition="#g">Waldeck:</hi> Als wir vorgestern einen dem gegenwärtigen Antrag gleichen stellten, wurde es vorgezogen, eine Adresse an den König abzusenden. Wir erwarteten, daß dieser Schritt zu keinem Resultate führen werde und wir haben uns nicht getäuscht. In der uns gestern verkündeten königl. Botschaft, welche von dem Minister Eichmann gegengezeichnet, der daher dafür verantwortlich ist, wird unseren in der Adresse ausgesprochenen Ansichten geradezu widersprochen und dem konstitutionellen Prinzip entgegengetreten. Man beharrt darauf, den Grafen Brandenburg ein Ministerium bilden zu lassen, welches den Wünschen des Landes noch mehr entgegentreten würde, als das gegenwärtige. Bilden Sie daher eine Kommission, welche die Aufgabe haben würde, uns Vorschläge zu machen über alle die Schritte, welche für das Wohl des Landes und zur Abwendung der Gefahr nöthig sind. Solche wichtige Vorschläge müssen vorbereitet werden und daher ist eine Kommission nothwendig.</p> <p><hi rendition="#g">Ziegel</hi> spricht sich gegen die Dringlichkeit aus. Er sieht die gegenwärtige Sache nur als eine betrübende an, denn Ungesetzliches ist noch nicht geschehen.</p> <p><hi rendition="#g">v. Daniels</hi> für die Dringlichkeit. Er will später den ganzen Antrag als gänzlich unhaltbar verwerfen.</p> <p><hi rendition="#g">Kunth</hi> gegen die Dringlichkeit. Durch die Ausführung des Antrages mache sich die Versammlung zum Convent und die Kommission würde der Sicherheitsausschuß sein. Wenn es sich nicht leugnen läßt, daß durch wühlerische Umtriebe die Ruhe und Ordnung oft gestört wird, so ist doch der großere Theil des Landes bereit, sich mit der Regierung gegen solche Aufreizungen zu verbinden. Das Land verlangt nur die Verfassung und eine konstitutionelle Regierung.</p> <p>Die Dringlichkeit des Antrags wird mit 247 gegen 114 Stimmen verworfen.</p> <p><hi rendition="#g">Kämpf</hi> beantragt die Vertagung der Sitzung bis Montag Vormittag 9 Uhr, da es ihm nicht angemessen erscheint, auf die Tagesordnung, den Bericht der Petitionskommission, einzugehen. Gegen den Schluß der Sitzung muß er sich jedoch erklären, er will nur Vertagung.</p> <p><hi rendition="#g">Dierschke</hi> und Andere beantragen, sich mit dem Petitionsberichte zu beschäftigen.</p> <p><hi rendition="#g">Meusebach</hi> und die rechte Seite wollen die Sitzung heute regelmäßig geschlossen wissen und die nächste auf Montag anzuberaumen.</p> <p><hi rendition="#g">Berg</hi> erklärt sich gegen den Schluß aber für die Vertagung. Obgleich die Wirkung beider Anträge eigentlich dieselbe sei, so erfolgt doch aus einem Schlusse der Sitzung, daß wir Montag unsere Sitzung mit der Berathung der Verfassung beginnen müssen. Da aber zu erwarten ist, daß sich Montag noch kein neues Ministerium hier einfinden wird, so will ich nur eine Vertagung der heutigen Sitzung bis Montag, dann können wir mit unsern heutigen Anträgen fortfahren.</p> <p>Die Versammlung beschließt sich bis Montag Morgens 9 Uhr zu vertagen:</p> <p>Die äußerste Linke giebt noch eine Erklärung zu Protokoll, welche vom Sekretär verlesen wird, sie lautet:</p> <p>„Der schon vorgestern gestellte Antrag, eine Kommission, die bedrohliche Lage des Landes betreffend, zu ernennen, um von ihr die Vorschläge zu erwarten, welche dem schwankenden, gefahrvollen Zustande, in welchem das Land sich befindet, ein Ende machen sollen, mußte den Unterzeichneten in Folge der von dem Minister des Innern, Herrn Eichmann, gegengezeichneten königl. Botschaft von gestern als eine dringende Nothwendigkeit erscheinen. In einem Augenblick der höchsten Spannung wagt Herr Eichmann darin dem fast einstimmigen Votum der Versammlung, welche durch die Annahme der Adresse die vollständige Mißbilligung des bisher befolgten Systems aussprach, mit der Behauptung entgegenzutreten, daß die in der Adresse angedeuteten Gerüchte über die Reaktion in keiner Handlung der Regierung sich bestätigt fänden. Ein Ministerium, unter dessen Obhut die bekannten Armeebefehle bestanden, das durch seine Erlasse auf bureaukratischem Wege das Versammlungs- und Vereinigungsrecht völlig knechten wollte und zuletzt noch in ganz ungesetzlicher Weise mit dem Einschreiten der Militärgewalt drohte, findet der großen Mehrheit der National-Versammlung gegenüber, die ausgesprochenen Besorgnisse unbegründet.</p> <p>Es genügt ferner Herrn Eichmann, wenn das neue Ministerium sich Ansprüche auf das Vertrauen des Landes zu erwerben wissen werde, während die National-Versammlung zu dem Verlangen berechtigt sein muß, die Leitung der Staatsregierung in den Händen von Männern zu sehen, welche sich bereits das Vertrauen des Landes erworben haben und unmöglich ruhig zusehen darf, daß dem Zufall, der durch ein noch unbekanntes Verhalten zu begründenden Ansprüche auf dieses Vertrauen die Geschicke des Landes, besonders in einer so sturmbewegten Zeit wie die unsrige, übertragen werde. Ein Wechsel der Personen, nicht ein Wechsel des Systems wird in Aussicht gestellt, während die National-Versammlung und das Volk entschieden das Letztere erwarten.</p> <p>Die Unterzeichneten hielten es für ihre heiligste Pflicht, durch Niedersetzung der beantragten Kommission die Maßregeln aufs Schleunigste vorzubereiten, welche gegenwärtig geeignet sind, die Sache des Landes und durch Beendigung des schwankenden, gefahrvollen Zustandes zugleich seine materielle Wohlfahrt wieder herbeizuführen. Sie wollen nicht verantwortlich sein für die Folgen einer Versäumniß.“ (Folgen die Unterschriften des größten Theils der äußersten Linken).</p> <p>Nach Verlesung dieser Erklärung wird die Sitzung bis Montag Morgens 9 Uhr vertagt.</p> </div> <div xml:id="ar136_011" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl>Berlin, 4. Nov.</head> <p>Das würdige Auftreten des Abgeordneten <hi rendition="#g">Jacobi</hi> dem Könige gegenüber, findet die allgemeinste Anerkennung. Nicht allein die äußerste Linke, wie das nicht anders zu erwarten ist, sondern auch 28 Mitglieder der Partei Rodbertus-Berg haben Jacobi ihre Zustimmung und ihren Dank durch eine Adresse zu erkennen gegeben. Von den letztern ist es um so auffallender, da ihre Parteichefs, welche sich mit in der Deputation befanden, ihre Mißbilligung über das Benehmen und die Worte Jacobi's dem Könige schriftlich zu erkennen gaben und in der Nationalversammlung gestern offen erklärten. Das Benehmen der Herrn Rodbertus und Berg seit vorgestern, zielt offenbar nur dahin, sich als Minister möglich zu halten. In diesem Sinne drängen sie sich daher dem Könige förmlich auf. ‒ So viel ist gewiß, daß <hi rendition="#g">Rodbertus</hi> erklärt hat, in kein Ministerium einzutreten, welches er nicht als Ministerpräsident selbst bildet, und </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0692/0002]
liegen, zur Schönbrunner Schloß-Hauptwache abzuführen. Alle anderen Waffen sind von den einzelnen Corps bezirksweise zu sammeln, unter einer behördlichen Intervenirung in der Stadt im K. Zeughause, in den Vorstädten, in jedem Gemeindehause längstens binnen 12 Stunden niederzulegen, wo sie dann der nächsten vom Militair besetzten Kaserne commissionaliter zu übergeben sein werden. Sämmtliche Munition ist alsogleich, je nach dem Orte ihrer gegenwärtigen Niederlegung, an die Truppen-Commandanten des Neugebäudes, des Schönbrunner Schlosses, der Türkenschanze und jenem in der Leopoldstadt zu übergeben. 4) Sämmtliche Baarschaften und Kassen, die sich in den Händen der Nationalgarden und bewaffneten Körper befinden, sammt den Rechnungen, sind ohne Verzug vom Gemeinderathe zu übernehmen und vom Uebergeber und Uebernehmer gesiegelt aufzubewahren. 5) Von der im Absatze 3 erwähnten Entwaffnung ist vor der Hand jener Theil der Nationalgarde auszunehmen, der bis zum Einrücken der Kaiserlichen Truppen durch den Gemeinderath zur Bewachung der Kaiserlichen Hofburg, der Gesandschaften und der Gebäude zu bestimmen sein wird, welcher Theil ordnungmäßig abzulösen kommt. Dasselbe gilt auch von jenen Wachen, welche der Gemeinderath zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung aufzustellen, für nothwendig findet, sowie auch von der Sicherheitswache. 6) Die Waffen der aus Grätz, Brünn und Linz in Wien unter ordentlicher Führung anwesenden Nationalgarden sind abgesondert abzulegen, und es werden die ihnen eigenthümlichen Waffen in ihre Heimatorte geschickt werden. 7) Der Gemeinderath hat bis 8 Uhr Abends den 30. October 1848 die Annahme der in den vorstehenden Punkten enthaltenen Bestimmungen, bei sonstiger Fortsetzung der bisherigen militairischen Maaßregeln, an Se. Durchlaucht den Fürsten Windischgrätz anzuzeigen, sowie auch nach dieser Annahme längstens bis 12 Uhr Vormittags am 31. Oktober 1848 die vollständige Durchführung sämmtlicher Bedingungen der Eingangs erwähnten Proklamation und der Bestimmung der Erläuterung, sowie der vorstehenden Punkte, angezeigt sein müssen. Hauptquartier Hetzendorf am 30. Oktober 1848, um 3 Uhr Nachmittags. Im Namen und Vollmacht Sr. Durchlaucht des Herrn Feldmarschalls Alfred Fürsten zu Windischgrätz: Cordon m. p.
Nachdem der Herr Ober-Commandant erklärt hat, daß von Seiten der ungarischen Armee keine Hülfe mehr zu erwarten sei, indem dieselbe geschlagen und das Feuer seit 5 Uhr von jener Seite verstummt, hiermit keine Veränderung in der Lage der Stadt eingetreten und keinerlei Aussicht auf eine Verbesserung derselben gerechtfertigt ist, und der Gemeinderath bis 8 Uhr Abends des 30sten sich über die unbedingte Annahme der Bedingungen ausgesprochen hat, widrigenfalls die Stadt und die Vorstadte beschossen und in Brand gesteckt werden würden, sieht sich derselbe genothigt, seine Mitbürger aufzufordern, ihrem bereits früher ausgesprochenen Willen nachzukommen und ihm die Rettung der Stadt vor Zerstörung möglich zu machen. Die Einleitungen zur geforderten Niederlegung der Waffen werden getroffen und hiervon Herr Fürst Windischgrätz in Kenntniß gesetzt. In Folge dessen ist auch die Ablieferung der Kanonen zu veranlassen, wobei Herr Fürst Windischgrätz die Deputation aufgefordert hat, dieselben zu bezeichnen, damit seiner Zeit dasselbe Geschütz den Bürgern Wiens zurückgestellt werden konne, wobei denselben wiederholt feierlich versichert wird, daß die Errungenschaft des 15. März und Mai durch den vorübergehenden Belagerungszustand nicht geschmälert oder aufgehoben werde, wofür das Kaiserliche Wort bürge.
Wien, den 31. Oct. 1848.
Vom Gemeinderath der Stadt Wien.
V. An die Nationalgarden der Hauptstadt Wien. Im Nachhange zur Procklamation vom 30. October, 8 Uhr Abends, sehe ich mich verpflichtet, bekannt zu geben, welche Ursachen mich bestimmen, zu der Vermittelung mit Sr. Durchlaucht dem Feldmarschall Hrn. Fürst Windischgratz anzurathen. ‒ Es fehlte seit drei Tagen schon an Munition, welche verrätherisch von mehreren Individuen theilweise unterschlagen wurde. Mangel an Lebensmitteln machte sich fühlbar und wäre in längstens zwei Tagen sehr drückend geworden. Die Geschützbedienung wurde von Tag zu Tag weniger. Der Mangel an geschulten und geübten Truppen, welcher die Entsendung von Succurs an die bedrohten Punkte unmöglich machte, indem die Garde bisher nur den Beruf hatte, sich bloß in ihrem Bezirke zu vertheidigen, wobei ich auch dankend jener Garden gedenke, welche mit muthiger Aufopferung überall hin sich verwendeten. Weitere Motive waren: Die wiederholte Versicherung, daß die von Sr. Majestät dem Kaiser gewährleisteten Volksrechte nicht beeinträchtigt werden sollten; ‒ die bestimmte Ueberzeugung, daß das nicht gerufene ungarische Heer der Zahl nach im Mißverhältnisse zur jetzt cernirenden Truppenmacht stehend, keinen Entsatz der Stadt bringen konnte. Die durch fortgesetzten bewaffneten Widerstand unvermeidliche Zerstörung des Wohlstandes unserer herrlichen Stadt, das gränzenlose Elend der armen Klasse bei herannahendem Winter, der gestörte Verkehr und Handel, alle die Gräuel eines vorauszusetzenden Bürgerkrieges mit den entsetzlichen Folgen ‒ Vom Standpunkt der Menschlichkeit und Vernunft, ehrlicher Ueberzeugung und verständiger Beurtheilung mußte ich für eine Capitulation stimmen, denn Wien mit einer halben Million Einwohner und die ganze Bevölkerung Oesterreichs lag auf der einen Waagschale ‒ Fügung in ein zwar hartes aber vorübergehendes Loos auf der andern. Hier hatte Verstand und Gewissen zu entscheiden ‒ sanguinische Wallungen sind in solchen Momenten Verbrechen am Volke. ‒ Die heute von Sr. Durchlaucht dem Feldmarschall Fürsten Windischgrätz zurückgekehrte Deputation brachte das Versprechen mit, daß die im März und Mai errungenen Freiheiten nicht geschmälert u. die fürs Volkeingetretenen Militairs möglichst mild behandelt werden, ferner, daß der National-Garde ihre eigenthümlichen Waffen und Geschütze bei Reorganisation der Garde gleich zurückgestellt werden sollen. ‒ Garden aus Wien! Ich harrte bei Euch aus, während der mit blutiger Flammenschrift in die Geschichte gezeichneten Oktober-Periode. Wenn zwanzig mühevolle Tage, wenn zwanzig schlaflose Nächte, wenn der redlichste Wille, Euch zu dienen, wenn die durch viele Hemmnisse benachtheiligten Anstrengungen einigen Werth haben, so hoffe ich, daß Ihr auf mein Wort höret und mit dem Muthe das Unabwendbare ertragen werdet, welchen Ihr den feindlichen Kugeln gegenüber bewiesen habt. ‒ Ich trete von meinem harten Posten mit dem Bewußtsein treuer Pflichterfüllung zurück, und danke Euch Kameraden für das Vertrauen und die heldenmüthige Hingebung im Dienste fürs Volk und Volksrechte.
Wien; am 31. Oct. 1848.
Ernst Haug, Chefd es Generalstabes der Wiener Nationalgarde.
Prerau, 2. Nov. Die Berichte der Reisenden sind zu widersprechend. Wien sei schon am 31. Nachmittags um 6 Uhr übergeben worden, die Aula sei gestern gefallen, nachdem in das Burgthor zwei Breschen geschossen und die Armee Windischgrätz's und Jellachich's ohne Widerstand sich über die innere Stadt verbreitet hatten. Dort seien 600 Soldaten geblieben, aber beim rothen Thurme habe die Nationalgarde freiwillig die Gewehre gestreckt, die Studenten seien alle entflohen (?). Andere dagegen berichten, daß die Einnahme Wiens erst um 11 Uhr Abends am 31. erfolgt sei, nachdem von 9 Uhr früh bis Abends um 6 1/2 Uhr 10,700 Kanonenschüsse gefallen seien und jede einzelne Barrikade mit 3-7 Batterien beschossen worden war. 220 Kanonen sollen von Windischgrätz in der Stadt postirt sein und Mann an Mann seine Truppen sich durch die Straßen ausbreiten! Die Aula habe sich noch nicht ergeben, in welcher sich die Studenten sich verbarrikadirt hätten, nachdem sie von der Nationalgarde im Stiche gelassen worden seien. Ja es soll sogar zwischen Studenten und Nationalgarden in der Stadt gekämpft worden sein. Das Militär sei an der Taborlinie zuerst eingedrungen und die deutschen Regimenter seien dazu gezwungen worden, indem man ihnen slawische mit geladenem Gewehre und gespanntem Hahne im Rücken aufgestellt habe. Der Wassermangel sei hauptsächlich die Ursache der Uebergabe Wiens gewesen. Am 31. Mittags habe das Bombardement von allen Seiten begonnen und bis in die Nacht hinein gedauert. Der Durchbruch eines Hauses habe dem Militär den Eingang in die Stadt verschafft. Schon am 30. Sei der Stadtrath von Wien entschlossen gewesen, die Stadt zu übergeben und habe 2,000,000 Gulden von Windischgrätz verlangt, um den Arbeitern die Gewehre abzukaufen.
Reisende, die aus Ungarn kommen, erzählen dagegen, daß Wien erst gestern Vormittag sich ergeben habe. Ueber die Ungarn theilten sie uns Folgendes mit:
Bei Fischamend habe Jellachich eine Brücke über die Donau geschlagen, diese sei von den Ungarn zerstört worden, worauf Fischamend in Brand gesteckt wurde. Ebenso soll Manzwürth von Jellachich angezündet worden sein. Bei einem Angriffe auf die St. Marxer Linie seien die Ungarn zurückgeschlagen und bis Schwadorf gedrängt worden. Ebenso in Trentschin und im Neutraer Komitate, wo sie in die Waag geworfen wurden. In Neustadt sind gestern 6000 reguläre und eben so viele irreguläre Truppen aus Galizien auf dem Marsche gegen Ungarn angelangt.
In den Vorstädten Wiens plündern und morden die Croaten mit unerhörter Bestialität. Sie verkaufen 5-Gulden Banknoten für 20 Kreuzer. In den letzten 9 Tagen und Nächten sind 23,500 Kanonenschüsse nach und von Wien gefallen.
(A. D. Z.) Gänserndorf, 31. Oct., 9 Uhr Abends. Leider kann ich Ihnen nur traurige Nachrichten mittheilen. Obgleich sich das Gerücht von der Uebergabe Wiens am 30. d. M., welche Fürst Windischgrätz nach Ollmütz telegraphirt, nicht bestätigt hat, so ist kaum daran zu zweifeln, daß vielleicht schon, während ich schreibe, die beklagenswerthe Katastrophe eingetreten. Von 9 Uhr Morgens bis 1 Uhr Mittags wurde die Wieden beschossen. Das Resultat ist noch ungewiß. Aus der Stadt wurde mit schwerem Geschütz gegen die Leopoldstadt gefeuert, welches Feuer nicht erwidert wurde. Nachmittags wurde in der Richtung des Belveders und Schwarzenberg'schen Palais ein heftiges Bombardement gegen die Stadt unterhalten. Abends um halb 7 Uhr aber eingestellt. In der Stadt brennt es in der Gegend der Universität und des Mehlmarktes. Die Ungarn, heißt es, sind bis Schwadorf, 1 1/2 Stunde von Wien zurückgedrängt, wahrscheinlich nur die Avantgarde. Auch heißt es, daß sich in der Nähe von Wagram Magyaren befinden. So eben erzählen uns Reisende, daß die Burg, die Bibliothek und das Naturalienkabinet brennen sollen, daß der Thurm der Augustinerkirche eingestürzt und das Militär bis zum Stephansplatze vorgerückt. Viele und meist unschuldige Menschen, Weiber und Kinder, sollen muthwillig gemißhandelt und gemordet werden. Von dem Aussehen der eingenommenen Stadttheile erzählt man haarsträubende Geschichten. Namentlich wurde die Leopoldstadt von den Truppen durch Plünderung und Zerstörung hart mitgenommen. Ein Condukteur der Eisenbahn berichtet, daß er bei der Ankunft in seinem Quartier schrecklich überrascht ward: in einem Zimmer eine geplatzte Granate und in dem andern Croaten, welche mit zertrümmerten Möbeln ein Feuer anmachten, um dabei ihr Fleisch zu kochen.
(A. D. Z.) Wien, 30. Okt. Nachstehende Kundmachung ist hier erschienen: „Von Seiten des Truppen-Divisions-Kommando des Herrn Feldmarschall-Lieutenants von Namberg ist an die Grundgerichte Leopoldstadt und Jägerzeile folgender hoher Auftrag gekommen, als:„„Nachdem die unter mir stehenden Truppen heute und gestern alle Theile der Leopoldstadt besetzt haben, so mache ich sämmtlichen Bezirks-Obrigkeiten der Leopoldstadt anmit bekannt, daß dieselben nach dem Wortlaute der erlassenen Proklamationen Sr. Durchlaucht des Feldmarschalls Fürsten zu Windischgrätz in Folge des eingetretenen Belagerungszustandes der Stadt Wien und ihrer Vorstädte, mir, als der obersten Militärbehörde der Leopoldstadt, in Allem und Jedem untergeordnet und verantwortlich sind. Demnach hat alsogleich die Entwaffnung sämmtlicher Einwohner der Leopoldstadt von den Bezirks-Obrigkeiten eingeleitet zu werden, und es ist durch den Druck sogleich zu veröffentlichen: Erstens: daß alle Schuß- Stich- und Hiebwaffen jeder Art, so wie auch Munition, gleichviel, ob sie Privat-Eigenthum oder nicht Privat-Eigenthum sind, alsogleich von Jedermann, Nationalgarde oder nicht Nationalgarde, bei den Bezirks-Obrigkeiten deponirt werden müssen. Eigene Waffen, so wie jene der Nationalgarde, sind mit angehefteten, vom Eigenthümer mit der eigenen Namens-Unterschrift bezeichneten und dessen Siegel versehenen Zetteln abzuliefern. Zweitens: Alle nicht in diese zwei Kategorieen gehörigen ärarischen Waffen sind von der Bezirks-Obrigkeit, als aus dem Zeughause entwendet, mit Specification sogleich in's Neugebäude bei Schwechat abzuliefern. Drittens: Die Lokale der Waffen-Depots sind anzuzeigen, um durch Pikets bewacht zu werden. Viertens: Derjenige, welcher Waffen und Munition versteckt hält, verfällt dem Standrechte. Es werden deshalb militärische Visitirungen stattfinden. Fünftens: Für heute hat jeder Bezirk für die in seinem Bereiche dislozirten Truppen die Verpflegung zu liefern. Das Fleisch wird von der Mannschaft baar bezahlt werden. Die Bezirks-Obrigkeiten wollen sich in's Einvernehmen setzen, um die gesetzliche Ordnung herzustellen und aufrecht zu erhalten. Namberg, m. p. Feldmarschall-Lieutenant.““ ‒ wovon Jedermann zur genauesten Danachachtung und Befolgung hiermit in Kenntniß gesetzt wird. Wien, 29. Okt. 1848. Vom Grungerichte Leopoldstadt. Klang, Richter.“
(Schl. Z.) Ratibor, 2. November. Am 31. Oktober gegen Nacht ist Wien mit Sturm genommen worden. In der Aula fand man anstatt der Pulverfässer, mit denen die Demokraten gedroht haben, nur 30 Arbeiter, die sofort gerichtet wurden. ‒ General Bem gefangen; desgleichen Messenhauser. Akademische Legion gefangen. Die Bürger übergeben mit Freuden die Waffen an das Militär. Beim Sturm bildeten Auersperg und Jellachich die Avantgarde, Windischgrätz das Gros. Viele Gebäude brennen. Gegen 500 Proletarier sollen erschlagen sein; die andern werden zu einzelnen Trupps gefangen, entwaffnet und nach Befund gerichtet.
(N. Pr. Z.) * Brünn, 1. Novbr. Wir haben drei bewegte Tage hinter uns. Die Nachrichten, welche wir am 29. Okt. aus Wien erhielten, wirkten erschütternd und empörend auf die hiesige Einwohnerschaft, namentlich auf die Arbeiter. Die letzteren zogen die Sturmglocken, verlangten Waffen und die schnellste Organisation des Landsturmes: sie wollten für die Wiener leben und sterben. Leider wurde diesen Demonstrationen mit Aufstellung von Nationalgarde und Militär begegnet, was die Arbeiter erbitterte und noch am 29. Abends zur Demolirung der Rathhausfenster wie zur Stürmung der Kaserne der Polizeiwache veranlaßte. Tags darauf kam es zu einem ernstlichen Konflikt. Das Volk zog vor die Maschinenfabrik des Engländlers Bracegirdle, um sich der dort verfertigten Gewehre zu bemächtigen; die Nationalgarde trat ihm entgegen, und vertrieb es, nach einigem vergeblichem Parlamentiren, mit einer Gewehrsalve. 30 Verwundete und 2 Todte waren die Opfer des Heldenmuths der Garde. Verkündigung des Aufruhrgesetzes und zahlreiche Verhaftungen vollendeten die Wiederherstellung der Ruhe. Heute sind die Arbeiter aus der Stadt hinausgezogen, vor der Hand, wie es scheint, ohne weitern Plan.
Olmütz, 31. Okt. Die böhmische Deputation hat über die Art und Weise ihres Empfanges am kaiserlichen Hoflager bereits folgenden Protest eingelegt:
„Herr Minister! Ein Gefühl der gerechtesten Entrüstung durchdringt alle Glieder der prager Deputation. Sie war berufen gewesen, um 10 Uhr vor Sr. Majestät zu erscheinen. Das wußte die Umgebung Sr. Majestät, das wußte insbesondere der Generaladjudant Fürst Joseph Lobkowiz Angelangt in der Residenz, wurde die Deputation von einem Offizier angehalten, der angab, von der Audienz nichts zu wissen. Der Bürgermeister allein wurde vor den Fürsten gelassen, dieser wußte also, daß die Deputation der ihr zugesicherten Audienz harre. Gleichwohl nahm man nicht Anstand, die Deputation der böhmischen Nation, auf der Treppe, endlich in der Treppenhalle beinahe eine halbe Stunde stehen zu lassen, und der Fürst Lobkowiz erdreistete sich, der in dieser Treppenhalle harrenden Deputation vom Korridor hinaus die neue Stunde der Audienz auf 12 ein halb Uhr anzusetzen. ‒ Wir Abgeordnete der böhmischen Nation erklären dieses Benehmen des Fürsten Lobkowiz für unwürdig, ihn selbst für verantwortlich, und protestiren hiermit feierlichst gegen diese Art, die Deputation einer Nation zu empfangen, zu bescheiden. Wir verwahren es uns, diese Unwürdigkeit Sr. Maj. selbst zur Kenntniß zu bringen, und auf Genugthuung zu dringen. Olmütz, den 31. Oktober 1848. (Folgen die Unterschriften.)
(Br. Z.) Olmütz, 1. Nov. Mittags 12 Uhr. Der Ordner des zukünftigen Reichstages, Abgeordneter Jelen, war bereits hier, um mit den betreffenden Behörden wegen der Einrichtung des Reichstagssaales in Kremsier zu unterhandeln. Der Kommissär der deutschen Centralgewalt, Welcker, hat sich gestern von hier nach Prag begeben. Auch die Abgeordneten Fische, Hawliczek, Helfert, Lasser, Mayer haben gestern Olmütz verlassen. ‒ 4 Uhr Nachmittag. So eben werden hier folgende zwei telegraphische Depeschen durch Maueranschlag bekannt gemacht:
„I. Telegraphische Depesche. 12 Uhr 10 Minuten. 1. Nov. Feldmarschall-Lieutenant Namberg bei Wien. Die Salzgries-Kaserne, Kaiserl. Zeughaus in der Renngasse und das Kriegsgebäude unterhalb den Wällen, Thore und Burg sind von uns besetzt. Sämmtliche Vorstädte sind besetzt und werden entwaffnet. Es herrscht volle Ruhe. Die Entwaffnung in der Stadt beginnt. Olmütz, 1. Nov. 1848. Lazanski, Kaiserl. m. schles. Gubernial-Vice-Präsident.“
„II. Feldmarschall-Lieutenant Namberg aus Wien an den Minister v. Wessenberg. Ich lasse so eben die Verrammlungen am rothen Thurmthor wegnehmen und werde binnen einer halben Stunde die rothe Thurm-, Bieber- und Dominikaner-Bastei mit Infanterie und Geschütz besetzt haben. Widerstand findet durchaus keiner Statt. Die Proletarier und Studenten erscheinen nirgends. Die feindlichen Geschütze werden eben von den Wällen in das Zeughaus abgeführt, ein großer Haufe niedergelegter Gewehre liegt bei dem Rothen-Thurmwachtthor aufgeschichtet. In der Burg, im Naturalienkabinet und der Bibliothek hat der Brand keine bedeutenden Verheerungen angerichtet. Olmütz, 1. November 1848. Lazanski, K. K. m. schles. Gubernial-Vice. Präsident.“
(Schl. Z.) 103 Berlin, 4. November. National-Versammlung.
Der dringende Antrag, welcher in der gestrigen Nachmittagssitzung von den Abgeordneten Waldeck, Schulz (Wanzleben), Jacoby und Temme gestellt und dem die Priorität zur heutigen Sitzung eingeräumt worden ist, lautet:
„Die hohe National-Versammlung wolle beschließen: sofort durch das Plenum eine Kommission von 21 Mitgliedern in der bei der Wahl der Vicepräsidenten vorgeschriebenen Art zu erwählen und derselben den Auftrag zu ertheilen, die bedrohliche Lage des Landes in Berathung zu nehmen und darauf bezügliche geeignete Vorschläge innerhalb der Kompetenz der National-Versammlung zu machen.“
Motive: Die Lage des Landes rechtfertigt diese Maßregel zur Genüge. Um 10 1/2 Uhr erscheinen die Minister Eichmann, Bonin und Kisker und der Viceprasident Bornemann (da der Präsident Unruh durch Heiserkeit abgehalten ist) beginnt damit, daß er die gestern vertagte Sitzung als geschlossen erklärt und die heutige eröffnet.
Nach Verlesung des Protokolls, wird der obige Antrag verlesen.
Waldeck: Als wir vorgestern einen dem gegenwärtigen Antrag gleichen stellten, wurde es vorgezogen, eine Adresse an den König abzusenden. Wir erwarteten, daß dieser Schritt zu keinem Resultate führen werde und wir haben uns nicht getäuscht. In der uns gestern verkündeten königl. Botschaft, welche von dem Minister Eichmann gegengezeichnet, der daher dafür verantwortlich ist, wird unseren in der Adresse ausgesprochenen Ansichten geradezu widersprochen und dem konstitutionellen Prinzip entgegengetreten. Man beharrt darauf, den Grafen Brandenburg ein Ministerium bilden zu lassen, welches den Wünschen des Landes noch mehr entgegentreten würde, als das gegenwärtige. Bilden Sie daher eine Kommission, welche die Aufgabe haben würde, uns Vorschläge zu machen über alle die Schritte, welche für das Wohl des Landes und zur Abwendung der Gefahr nöthig sind. Solche wichtige Vorschläge müssen vorbereitet werden und daher ist eine Kommission nothwendig.
Ziegel spricht sich gegen die Dringlichkeit aus. Er sieht die gegenwärtige Sache nur als eine betrübende an, denn Ungesetzliches ist noch nicht geschehen.
v. Daniels für die Dringlichkeit. Er will später den ganzen Antrag als gänzlich unhaltbar verwerfen.
Kunth gegen die Dringlichkeit. Durch die Ausführung des Antrages mache sich die Versammlung zum Convent und die Kommission würde der Sicherheitsausschuß sein. Wenn es sich nicht leugnen läßt, daß durch wühlerische Umtriebe die Ruhe und Ordnung oft gestört wird, so ist doch der großere Theil des Landes bereit, sich mit der Regierung gegen solche Aufreizungen zu verbinden. Das Land verlangt nur die Verfassung und eine konstitutionelle Regierung.
Die Dringlichkeit des Antrags wird mit 247 gegen 114 Stimmen verworfen.
Kämpf beantragt die Vertagung der Sitzung bis Montag Vormittag 9 Uhr, da es ihm nicht angemessen erscheint, auf die Tagesordnung, den Bericht der Petitionskommission, einzugehen. Gegen den Schluß der Sitzung muß er sich jedoch erklären, er will nur Vertagung.
Dierschke und Andere beantragen, sich mit dem Petitionsberichte zu beschäftigen.
Meusebach und die rechte Seite wollen die Sitzung heute regelmäßig geschlossen wissen und die nächste auf Montag anzuberaumen.
Berg erklärt sich gegen den Schluß aber für die Vertagung. Obgleich die Wirkung beider Anträge eigentlich dieselbe sei, so erfolgt doch aus einem Schlusse der Sitzung, daß wir Montag unsere Sitzung mit der Berathung der Verfassung beginnen müssen. Da aber zu erwarten ist, daß sich Montag noch kein neues Ministerium hier einfinden wird, so will ich nur eine Vertagung der heutigen Sitzung bis Montag, dann können wir mit unsern heutigen Anträgen fortfahren.
Die Versammlung beschließt sich bis Montag Morgens 9 Uhr zu vertagen:
Die äußerste Linke giebt noch eine Erklärung zu Protokoll, welche vom Sekretär verlesen wird, sie lautet:
„Der schon vorgestern gestellte Antrag, eine Kommission, die bedrohliche Lage des Landes betreffend, zu ernennen, um von ihr die Vorschläge zu erwarten, welche dem schwankenden, gefahrvollen Zustande, in welchem das Land sich befindet, ein Ende machen sollen, mußte den Unterzeichneten in Folge der von dem Minister des Innern, Herrn Eichmann, gegengezeichneten königl. Botschaft von gestern als eine dringende Nothwendigkeit erscheinen. In einem Augenblick der höchsten Spannung wagt Herr Eichmann darin dem fast einstimmigen Votum der Versammlung, welche durch die Annahme der Adresse die vollständige Mißbilligung des bisher befolgten Systems aussprach, mit der Behauptung entgegenzutreten, daß die in der Adresse angedeuteten Gerüchte über die Reaktion in keiner Handlung der Regierung sich bestätigt fänden. Ein Ministerium, unter dessen Obhut die bekannten Armeebefehle bestanden, das durch seine Erlasse auf bureaukratischem Wege das Versammlungs- und Vereinigungsrecht völlig knechten wollte und zuletzt noch in ganz ungesetzlicher Weise mit dem Einschreiten der Militärgewalt drohte, findet der großen Mehrheit der National-Versammlung gegenüber, die ausgesprochenen Besorgnisse unbegründet.
Es genügt ferner Herrn Eichmann, wenn das neue Ministerium sich Ansprüche auf das Vertrauen des Landes zu erwerben wissen werde, während die National-Versammlung zu dem Verlangen berechtigt sein muß, die Leitung der Staatsregierung in den Händen von Männern zu sehen, welche sich bereits das Vertrauen des Landes erworben haben und unmöglich ruhig zusehen darf, daß dem Zufall, der durch ein noch unbekanntes Verhalten zu begründenden Ansprüche auf dieses Vertrauen die Geschicke des Landes, besonders in einer so sturmbewegten Zeit wie die unsrige, übertragen werde. Ein Wechsel der Personen, nicht ein Wechsel des Systems wird in Aussicht gestellt, während die National-Versammlung und das Volk entschieden das Letztere erwarten.
Die Unterzeichneten hielten es für ihre heiligste Pflicht, durch Niedersetzung der beantragten Kommission die Maßregeln aufs Schleunigste vorzubereiten, welche gegenwärtig geeignet sind, die Sache des Landes und durch Beendigung des schwankenden, gefahrvollen Zustandes zugleich seine materielle Wohlfahrt wieder herbeizuführen. Sie wollen nicht verantwortlich sein für die Folgen einer Versäumniß.“ (Folgen die Unterschriften des größten Theils der äußersten Linken).
Nach Verlesung dieser Erklärung wird die Sitzung bis Montag Morgens 9 Uhr vertagt.
103 Berlin, 4. Nov. Das würdige Auftreten des Abgeordneten Jacobi dem Könige gegenüber, findet die allgemeinste Anerkennung. Nicht allein die äußerste Linke, wie das nicht anders zu erwarten ist, sondern auch 28 Mitglieder der Partei Rodbertus-Berg haben Jacobi ihre Zustimmung und ihren Dank durch eine Adresse zu erkennen gegeben. Von den letztern ist es um so auffallender, da ihre Parteichefs, welche sich mit in der Deputation befanden, ihre Mißbilligung über das Benehmen und die Worte Jacobi's dem Könige schriftlich zu erkennen gaben und in der Nationalversammlung gestern offen erklärten. Das Benehmen der Herrn Rodbertus und Berg seit vorgestern, zielt offenbar nur dahin, sich als Minister möglich zu halten. In diesem Sinne drängen sie sich daher dem Könige förmlich auf. ‒ So viel ist gewiß, daß Rodbertus erklärt hat, in kein Ministerium einzutreten, welches er nicht als Ministerpräsident selbst bildet, und
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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