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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 137. Köln, 8. November 1848.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 137. Köln, Mittwoch den 8. November.
Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Arbeiterdeputation an Kyll. - Heckers Erhöhung).

Wien. (Bericht der "A. O.-Z." über die Wiener Ereignisse vom 25. Okt. bis 1. Nov. - Zwei Proklamationen von Windisch-Grätz). Prag. (Die Croaten in Wien). Grätz. (Der liberale Verein. - Dahlen). Breslau. (Windisch-Grätz). Dortmund. (Handwerkerverein. - v. Möller. - Die Köln-Mindener Eisenbahndirektion). Erfurt. (Verwandlung preußischer und sächsischer Truppen in Reichstruppen). Bamberg. (Reichsthaten). Flensburg. (Politische Quarantaine bei Alsen).

Polen. Aus Galizien. (Die städtischen Behörden. - Die Nationalgarde. - Zaluski).

Ungarn. Pesth. (Die Siebenbürger Walachen. - Errichtung eines Pionierkorps).

Italien. Genua. (Unruhen. - Aufruf Manzini's).

Franz. Republik. Paris. (Vermischtes. - Die "Presse" über die "Kölnische Zeitung").

Großbritannien. London. (Die Seeschlange. - Zur irischen Statistik).

Persien. (Esser-ad-Deen-Shah).

Frankfurt. (Bericht der Kommission über Oesterreich. [Schluß.])

Deutschland.
* Köln, 7. Okt.

Eine Deputation des hiesigen Arbeiter-Vereines begab sich gestern zu dem Abgeordneten der Berliner Versammlung, Herrn Kyll, um ihm die Sympathie der hiesigen Arbeiter an den Tag zu legen. Herr Kyll empfing diese Deputation mit großer Herzlichkeit und erwiderte einige Worte, aus denen deutlich hervorging, wie sehr es ihn freut, seine politische Thätigkeit auch von der Arbeiterwelt anerkannt zu sehen. Bemerkenswerth ist, daß die aus sieben Arbeitern bestehende Deputation zwölf Polizei-Beamte in den Straßen aufgepflanzt fand, die in Folge einer durch den Arbeiter-Verein veröffentlichten Anzeige, den Hinweg und die Rückkehr der Deputation zu überwachen schienen.

Köln, 7. Novbr.

Der Preußische Staats-Anzeiger bringt die Nachricht, daß Se. Majestät der König Allergnädigst geruht haben: "Den Prokurator Köster von Kösteritz zu Elberfeld in gleicher Eigenschaft an das Landgericht zu Düsseldorf zu versetzen und den Staatsprokurator Hecker zu Köln zum Oberprokurator bei dem Landgerichte zu Elberfeld zu ernennen."

Wir brauchen unsern Lesern nicht zu versichern, daß es uns ungemein schmerzt, Herrn Hecker als Mitarbeiter an unserm Blatte zu verlieren. Dagegen ist es ein Trost, daß die Empfehlung der "Neuen Rheinischen Zeitung" so guten Erfolg gehabt hat.

Wien.

Auch die "Wiener Zeitung" ist uns nicht zugekommen. Sie scheint also von Windischgrätzen's Interdiktion nicht ausgenommen zu sein. Von unsern beiden Wiener Korrespondenten haben wir zwei Zettel erhalten, worin sie uns anzeigen, daß sie in diesem Augenblicke nicht in der Lage sind, schreiben zu können, sobald als thunlich aber ihre Korrespondenz wieder aufnehmen werden. Wir sind daher genöthigt, für jetzt die Schilderung der Tage vom 25. Okt. bis 1. Nov. der "Allgemeinen Oderzeitung" zu entnehmen.

Wien, 25. Okt.

Abends 8 Uhr. Seit dem Abgang meines heutigen Schreibens erschienen wieder Proklamationen, Reichstagsbeschlüsse, Kundmachungen und Aufrufe aller Art, die die Volkswehren auf den höchsten Grad enthusiasmiren, und die energischen, sehr umsichtigen Vertheidigungs-Anstalten des General Bem wesentlich fördern helfen.

Vor zwei Stunden ist Windischgrätz von Ollmütz zurückgekehrt und wird in Hetzendorf mit Minister Kraus und dem ihn begleitenden Reichstagsdeputirten Brestl vor Beginn der angedrohten Belagerung Wien's, die nach Windischgrätz morgen um zwölf Uhr Mittags, nach Oberkommandant Messenhauser heute Abend 9 Uhr erfolgen soll, noch eine letzte pacificirende Unterredung, von welcher jedoch allen Anzeichen nach kein erfreuliches oder günstiges Resultat zu gewärtigen ist, pflegen.

Den ganzen Tag dauern die Angriffe und Vertheidigungen der Linienwälle und der in der Nähe befindlichen Privatgebäude fort, von beiden Seiten, besonders aber dort wo böhmische Truppen zum Angriffe kommen, wird mit außerordentlicher Erbitterung gekämpft und nichts geschont. Die große Maschinenfabrick von Specker und Comp. wurde durch Granaten vor einer Stunde in Brand gesteckt, das Feuer röthet den Horizont der ganzen Stadt. Kanonendonner und Kleingewehrfeuer von drei Batterien hört man seit zwei Stunden unausgesetzt.

26. Okt. Zum Dienst und zur Ueberwachung des Barrikadenbaues der in allen an den Linien Wien's zunächst liegenden Straßen mit großer Umsicht und rastloser Thätigkeit betrieben wird, aufgefordert, konnte ich den gestern Abend angefangenen Bericht über den Zustand unserer Stadt nicht weiter fortsetzen und trage heute die wesentlichen Ereignisse nach.

Der gestern in der Brigittenau stattgefundene Kampf zwischen einem Jäger-Bataillon und einer Abtheilung Legionärs war sehr blutig, ohngeachtet die Zahl der Jäger, denen der Legion um vieles überlegen war, haben die Letzteren doch den Platz behauptet und die Soldaten zurückgetrieben, wobei die Akademiker, meistens Studenten, 65 Verwundete, darunter die Hälfte an Todten, zu beklagen haben. Die Jäger, welche sich in dem dort befindlichen Universum zu befestigen und zu sichern suchten, mußten, da solches durch Brandraketen in Flammen aufging, sich zu retten suchen, und da sich das bezeichnete Gebäude in der Nähe der Specker'schen Maschinenfabrik befindet, so gab es Veranlassung, daß man in der Stadt der Meinung wäre, es stehe diese in Flammen.

General Bem inspicirte gestern die in Wien befindlichen Garden und überhaupt die bewaffnete Macht und fand deren Zahl nahe bei 40,000, ein Beweis, daß sich wenigstens 1/3 der Garden von Wien entfernt haben und versteckt halten.

Seit sechs Uhr früh hat wieder Kanonendonner begonnen auf der Schmelz zwischen der Mariahilfer Linie, in Schönbrunn ist schon zwei Stunden fortwährendes Plänkeln und Kleingewehrfeuer, die an Windischgrätz abgeschickte Reichstags-Deputation, bestehend aus dem Minister Kraus, den Deputirten Pillersdorf, Brestel u. m. kann bereits zurück sein, - ob es ihren Bemühungen gelungen ist, Windischgrätz zu einer friedlichen Ausgleichung zu bestimmen und ihm begreiflich zu machen, daß in Wien keine Anarchie herrsche, bezweifelt man, - sonst würde das Kanonenfeuer, welches immer heftiger wird, auch schon aufgehört haben. Vor Abgang der Post werde ich darüber auch nichts mehr erfahren können. Die Adresse des Reichstags an den Kaiser, worin die Zumuthung, den Reichstag aufzuheben und sich bis 15. November d. J. in Cremsier zu versammeln, als unmöglich zurückgewiesen wird, kann nicht früher als heute Nachmittag nach Ollmütz befördert werden Eben wird wieder allarmirt und ich muß die Musquete ergreifen.

Den 27. Okt., früh 6 Uhr. Der gestrige Nachmittag hat noch viele blutige Angriffe, die größtentheils durch das nähere Anrücken der kaiserlichen Truppen und die Besetzung des Praters und der daran stoßenden Auen herbeigeführt wurden, gezählt, die dabei gebrauchten Geschütze haben große Verheerungen angerichtet, in der Nähe des Praters am Donaukanal, die große Dampfmehlmühle, die Mack'sche Zuckerraffinerie, einen großen Zimmerplatz mit vielem Bauholz, Kohlenmagazine eingeäschert, auch in der Gegend des Augarten ein bedeutendes Brennholzdepot in Brand gelegt.

Die Kroaten, welche in der Gegend von Simmering (eine halbe Stunde außer Wien) über die Donau übersetzten und dadurch in den Prater gelangten, befanden sich ganz unvermuthet in der Leopoldstadt, zunächst der Nordbahngebäude, und nahmen zuerst von der Dampfmehlmühle Besitz, wo sie nach mehreren heftigen Angriffen der Legionäre, der mobilen und freiwilligen Garde auch hinausgetrieben wurden, nachdem sie die Gebäude in Brand gesteckt hatten. Heute in der Nacht ist es auch unseren, den größten Muth beweisenden Bewaffneten gelungen, die Kroaten (größtentheils Rothmäntel, Sereszaner) ganz aus den Pratergehölzen zu vertreiben, und seit 5 Uhr hat die Kanonade so wie das Kleingewehrfeuer wieder aufgehört, und man sieht den Ereignissen des heutigen Tages mit banger Erwartung entgegen.

Bis Abend wird die mit der an den Kaiser abgesandten Adresse betraute Reichstagsdeputation: Pillersdorf, Potocki, Fischhof und Prato, welchen sich auch Minister Kraus angeschlossen, von Ollmütz zurückerwartet.

11 Uhr Vormittag. Außer der Wiener Zeitung, die aber auch nicht das mindeste Neue enthält, als den Aufruf des Landesgouverneurs von Tyrol, sind weder gestern Abend noch heute die Tagesblätter erschienen, da einige Druck-Offizinen wegen Mangel an Papier, andere wegen mangelndem Arbeitspersonale nichts zum Druck befördern konnten. - Von den Provinzen und dem Ausland wissen wir gar nichts, indem weder Reisende noch Korrespondenz-Nachrichten zu uns gelangen können.

Die Dampfmehlmühle hat nur wenig Schaden gelitten, da ihre sehr großen Mehlvorräthe seit einigen Tagen schon in Sicherheit gebracht waren (daher Wien auf 14 Tage noch hinlänglich mit Mehl versehen), und die Körnerfrüchte zu gleicher Zeit in die feuer- und bombenfesten Zollgebäude, die sich in der Nähe dieses Etablissements befinden, geschafft worden sind. Außer der großen Zucker-Raffinerie von Mack wurde auch die etwas näher dem Nordbahnhofe liegende Zuckerraffinerie des Bankier Zinner ein Raub der Flammen. An allen diesen großen Brandschaden tragen die plünderungssüchtigen Kroaten die Schuld. Nach den Ihnen gleichzeitig zukommenden Erlassen des Fürsten Windischgrätz, die heute nur sehr sparsam an den Straßenecken der innern Stadt zu lesen und daher auch nur mit Mühe und größern Auslagen aus den Druckereien zu haben sind, werden Sie ersehen, daß die Kapitulationsfrist gestern Abend neun Uhr abgelaufen war, da aber seit dieser Zeit kein ernstlicher Kampf erfolgte, so scheint die früher erwähnte Pacificirung auf der Rückkehr der Reichstagsdeputation, oder der erfolgten Ankunft eines Abgesandten des deutschen Parlaments, Wahrscheinlichkeit zu erhalten.

General Bem, Oberkommandant Messenhauser, Fenneberg, Tausenau, Schütte u. m. A. will Windischgrätz ausgeliefert haben. Heute früh hat ein Garde einen Diener des Latour, welcher sich bewaffnet im Lager des General Bem aufhielt und des Spionirens verdächtig gewesen, festgenommen.

Neuerdings kommen Zusicherungen von der ungarischen Armee an der österreichischen Grenze, die dahin lauten, daß es bis jetzt nicht möglich war die starken Verschanzungen und Stellungen der kaiserlichen Armee zu durchdringen, man aber gewiß sehr bald dem bedrängten tapfern Wien Hülfe schaffen und bringen werde.

Windischgrätz hat aus der Haase'schen Buchdruckerei in Prag eine Schnellpresse und das dabei zu benöthigende Arbeitspersonal bei seinem Hauptquartier in Benützung.

Den 28. Oktober, 7 Uhr früh. Seit 24 Stunden ist in unserer belagerten und so hart bedrängten Stadt einige Ruhe eingetreten, man weiß hiefür verschiedene Ursachen anzugeben, von denen mir die wahrscheinlichste ist, daß das ungarische Heer endlich doch einen Angriff auf die stark verschanzt gewesenen Jellachich's Truppen gemacht, welcher eine Concentrirung der Belagerungsarmee, die sich aus der unmittelbaren Nähe von der Stadt wieder zurückgezogen hat, veranlaßt. Nur der Prater wird noch von Kroaten und auch regulärem Militair stark besetzt gehalten, und heute soll noch ein forcirter Angriff auf diese Stellung, die die Vorstädte Leopoldstadt und einen Theil der Rossau gefährdet, [Fortsetzung]

Windisch-Grätz an den Kaiser.
(Nach Victor Hugo).

Feuer, Feuer, Blut, Blut und Verwüstung! Corte Real, die Belagerung von Diu.

Die Flamme strahlt und frißt! Ich folgte dem Gebote,
Das du mir gabst, o Herr! Hinfährt sie mit dem Sturm,
Und überheult dein Volk! Gleich dunklem Morgenrothe
Glüht sie die Dächer an, und tanzt von Thurm zu Thurm!
Aufspringt, wie ein Gigant, der Mord mit tausend Armen;
Die Schlösser sprühn empor, und werden Gräber nun;
Was athmet, wird gewürgt; der Stahl kennt kein Erbarmen -
Schon freut der Rabe sich, und schon das Leichenhuhn.
Die Mütter schauderten! Wohl haben weinen müssen
Die Jungfrau'n, gütiger Fürst: - Schaumtriefend,
langgeschweift,
Hat die Geschändeten, von Hieben wund und Küssen,
Der wilde Berberhengst von Thor zu Thor geschleift.
Dem Säugling auch, o Herr, bereiteten wir Qualen:
Die blonden Köpfchen sind bis vor dein Zelt gerollt!...-
Anbetend küßt dein Volk den Staub von den Sandalen,
Die an die Sohlen dir festhakt ein Reif von Gold!
Die Beine der Frau Martin-Zimmann.

Wir haben bisher noch nichts über das Kölner Theater gesagt. Aber mein lieber Hr. Gerlach, wie können Sie auch erwarten, daß wir ihre Prima-Donnen und Ihre Soubretten bewundern, wenn wir uns Tag für Tag mit einem Jellachich, mit einem Windischgrätz und mit ähnlichen groben Ungeheuern herumschlagen müssen?

Sie sind gerecht und Sie werden uns entschuldigen.

Trotz Jellachich und trotz Windischgrätz sind uns indeß Ihre vielfachen Bemühungen für das hiesige Theater nicht entgangen. Sie haben geleistet, was ein Theaterdirektor in Köln leisten kann.

Das Wetter wird schlechter und das Geld wird häufiger. Hoffen wir, daß die Zahl Ihrer Besucher sich mehrt, und daß Sie für Ihre Anstrengungen besser belohnt werden.

So weit unsere alltäglichen Bemerkungen. Jetzt zu den Beinen der Frau Martin-Zimmann.

Sie, Hr. Gerlach sind zweibeinig und ich bin zweibeinig und viele andere Menschen haben zwei Beine. Niemand wird dies läugnen und nichts ist natürlicher.

Unsere Beine haben sogar auffallende Aehnlichkeit mit denen der Frau Martin-Zimmann; sie sind gerade gewachsen, die meinigen und die ihrigen wenigstens, und wir können darauf gehen und laufen und springen, aber was meinen Sie, Hr. Gerlach, wenn wir darauf tanzen wollten, wie Frau Martin-Zimmann?

Ja, wahrhaftig, die Buben auf der Gallerie würden sich krank lachen, und das Parterre würde uns auspfeifen und alle kleinen Frauenzimmer würden unserwegen erröthen, ja, erröthen bis über den Busen.

Frau Martin-Zimmann wurde weder ausgelacht noch ausgepfiffen, als sie zuerst bei uns auftrat. Die Lust ihrer reizenden Beine spiegelte sich auf allen Gesichtern wieder. Verständlich war die Musik ihrer Schenkel für Gamin und Dandy. Ja, wären Türken und Samojeden zugegen gewesen, beide würden sie verstanden haben, denn verständlich tanzt dieses Weib für alle Völker.

Es ist als ob sie hebräisch spräche mit ihren Beinen, und griechisch und italienisch und französisch, denn Juden und Griechen und Italiener und Franzosen verstehen die Sprache dieser Beine. Wissen Sie weßhalb? Frau Martin-Zimmann tanzt Wahrheit mit ihren Beinen, reine lautere Wahrheit, die süße Wahrheit der Wollust. Da haben Sie das ganze Räthsel.

Die Sprache dieser Tänzerin war auch die Sprache aller schönen Weiber, von Erschaffung der Welt an, bis auf den heutigen Tag. Die Sprache einer Rahel, einer Esther, einer Helena, einer Agrippa, einer Nino, einer Lola, die Sprache aller schönen Babylonierinnen, die Sprache ihrer Lippen, ihrer Locken, ihrer Augen, ihrer seligen Schenkel - den letztern Dialekt spricht Frau Martin-Zimmann natürlich am geläufigsten.

Rhythmus sitzt in den Beinen dieser Frau. Jamben tanzt sie, Daktylen und Trochäen. In Hexametern springt sie und regungslos staunen wir zu ihr hinüber und denken nicht mehr an Jellachich und Windischgrätz - vergessen ist der 24. Februar und der 18. März, vergessen die Revolution.

Wir sehen Frau Martin-Zimmann gestern in dem Scribe-Auber'schen Stücke: "Der Gott und die Bajadere." Ein frivoler Setzer der "Neuen Rheinischen Zeitung" hatte in der Theater-Annonce schlichtweg "Gott und die Bajadere" drucken lassen.

Hr. Scribe hat das Göthesche Gedicht nach Kräften verhunzt; Hr. Auber fabrizirte eine entsprechende Musik dazu.

Olifur, Oberrichter im Lande Kaschmir, ein alter verliebter Satan, mit abscheulichem Barte, recht ein Mann von dessen Männlichkeit eben nichts übrig geblieben ist, als der Bart, sitzt im Vordergrunde der Scene, umringt von Tschobedars, Wachen und Sclaven. Da nahen Bajaderen und unter ihnen Zoloe, eine Fremde, die der Sprache des Landes nicht recht mächtig, auf alle

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 137. Köln, Mittwoch den 8. November.
Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Arbeiterdeputation an Kyll. ‒ Heckers Erhöhung).

Wien. (Bericht der „A. O.-Z.“ über die Wiener Ereignisse vom 25. Okt. bis 1. Nov. ‒ Zwei Proklamationen von Windisch-Grätz). Prag. (Die Croaten in Wien). Grätz. (Der liberale Verein. ‒ Dahlen). Breslau. (Windisch-Grätz). Dortmund. (Handwerkerverein. ‒ v. Möller. ‒ Die Köln-Mindener Eisenbahndirektion). Erfurt. (Verwandlung preußischer und sächsischer Truppen in Reichstruppen). Bamberg. (Reichsthaten). Flensburg. (Politische Quarantaine bei Alsen).

Polen. Aus Galizien. (Die städtischen Behörden. ‒ Die Nationalgarde. ‒ Zaluski).

Ungarn. Pesth. (Die Siebenbürger Walachen. ‒ Errichtung eines Pionierkorps).

Italien. Genua. (Unruhen. ‒ Aufruf Manzini's).

Franz. Republik. Paris. (Vermischtes. ‒ Die „Presse“ über die „Kölnische Zeitung“).

Großbritannien. London. (Die Seeschlange. ‒ Zur irischen Statistik).

Persien. (Esser-ad-Deen-Shah).

Frankfurt. (Bericht der Kommission über Oesterreich. [Schluß.])

Deutschland.
* Köln, 7. Okt.

Eine Deputation des hiesigen Arbeiter-Vereines begab sich gestern zu dem Abgeordneten der Berliner Versammlung, Herrn Kyll, um ihm die Sympathie der hiesigen Arbeiter an den Tag zu legen. Herr Kyll empfing diese Deputation mit großer Herzlichkeit und erwiderte einige Worte, aus denen deutlich hervorging, wie sehr es ihn freut, seine politische Thätigkeit auch von der Arbeiterwelt anerkannt zu sehen. Bemerkenswerth ist, daß die aus sieben Arbeitern bestehende Deputation zwölf Polizei-Beamte in den Straßen aufgepflanzt fand, die in Folge einer durch den Arbeiter-Verein veröffentlichten Anzeige, den Hinweg und die Rückkehr der Deputation zu überwachen schienen.

Köln, 7. Novbr.

Der Preußische Staats-Anzeiger bringt die Nachricht, daß Se. Majestät der König Allergnädigst geruht haben: „Den Prokurator Köster von Kösteritz zu Elberfeld in gleicher Eigenschaft an das Landgericht zu Düsseldorf zu versetzen und den Staatsprokurator Hecker zu Köln zum Oberprokurator bei dem Landgerichte zu Elberfeld zu ernennen.“

Wir brauchen unsern Lesern nicht zu versichern, daß es uns ungemein schmerzt, Herrn Hecker als Mitarbeiter an unserm Blatte zu verlieren. Dagegen ist es ein Trost, daß die Empfehlung der „Neuen Rheinischen Zeitung“ so guten Erfolg gehabt hat.

Wien.

Auch die „Wiener Zeitung“ ist uns nicht zugekommen. Sie scheint also von Windischgrätzen's Interdiktion nicht ausgenommen zu sein. Von unsern beiden Wiener Korrespondenten haben wir zwei Zettel erhalten, worin sie uns anzeigen, daß sie in diesem Augenblicke nicht in der Lage sind, schreiben zu können, sobald als thunlich aber ihre Korrespondenz wieder aufnehmen werden. Wir sind daher genöthigt, für jetzt die Schilderung der Tage vom 25. Okt. bis 1. Nov. der „Allgemeinen Oderzeitung“ zu entnehmen.

Wien, 25. Okt.

Abends 8 Uhr. Seit dem Abgang meines heutigen Schreibens erschienen wieder Proklamationen, Reichstagsbeschlüsse, Kundmachungen und Aufrufe aller Art, die die Volkswehren auf den höchsten Grad enthusiasmiren, und die energischen, sehr umsichtigen Vertheidigungs-Anstalten des General Bem wesentlich fördern helfen.

Vor zwei Stunden ist Windischgrätz von Ollmütz zurückgekehrt und wird in Hetzendorf mit Minister Kraus und dem ihn begleitenden Reichstagsdeputirten Brestl vor Beginn der angedrohten Belagerung Wien's, die nach Windischgrätz morgen um zwölf Uhr Mittags, nach Oberkommandant Messenhauser heute Abend 9 Uhr erfolgen soll, noch eine letzte pacificirende Unterredung, von welcher jedoch allen Anzeichen nach kein erfreuliches oder günstiges Resultat zu gewärtigen ist, pflegen.

Den ganzen Tag dauern die Angriffe und Vertheidigungen der Linienwälle und der in der Nähe befindlichen Privatgebäude fort, von beiden Seiten, besonders aber dort wo böhmische Truppen zum Angriffe kommen, wird mit außerordentlicher Erbitterung gekämpft und nichts geschont. Die große Maschinenfabrick von Specker und Comp. wurde durch Granaten vor einer Stunde in Brand gesteckt, das Feuer röthet den Horizont der ganzen Stadt. Kanonendonner und Kleingewehrfeuer von drei Batterien hört man seit zwei Stunden unausgesetzt.

26. Okt. Zum Dienst und zur Ueberwachung des Barrikadenbaues der in allen an den Linien Wien's zunächst liegenden Straßen mit großer Umsicht und rastloser Thätigkeit betrieben wird, aufgefordert, konnte ich den gestern Abend angefangenen Bericht über den Zustand unserer Stadt nicht weiter fortsetzen und trage heute die wesentlichen Ereignisse nach.

Der gestern in der Brigittenau stattgefundene Kampf zwischen einem Jäger-Bataillon und einer Abtheilung Legionärs war sehr blutig, ohngeachtet die Zahl der Jäger, denen der Legion um vieles überlegen war, haben die Letzteren doch den Platz behauptet und die Soldaten zurückgetrieben, wobei die Akademiker, meistens Studenten, 65 Verwundete, darunter die Hälfte an Todten, zu beklagen haben. Die Jäger, welche sich in dem dort befindlichen Universum zu befestigen und zu sichern suchten, mußten, da solches durch Brandraketen in Flammen aufging, sich zu retten suchen, und da sich das bezeichnete Gebäude in der Nähe der Specker'schen Maschinenfabrik befindet, so gab es Veranlassung, daß man in der Stadt der Meinung wäre, es stehe diese in Flammen.

General Bem inspicirte gestern die in Wien befindlichen Garden und überhaupt die bewaffnete Macht und fand deren Zahl nahe bei 40,000, ein Beweis, daß sich wenigstens 1/3 der Garden von Wien entfernt haben und versteckt halten.

Seit sechs Uhr früh hat wieder Kanonendonner begonnen auf der Schmelz zwischen der Mariahilfer Linie, in Schönbrunn ist schon zwei Stunden fortwährendes Plänkeln und Kleingewehrfeuer, die an Windischgrätz abgeschickte Reichstags-Deputation, bestehend aus dem Minister Kraus, den Deputirten Pillersdorf, Brestel u. m. kann bereits zurück sein, ‒ ob es ihren Bemühungen gelungen ist, Windischgrätz zu einer friedlichen Ausgleichung zu bestimmen und ihm begreiflich zu machen, daß in Wien keine Anarchie herrsche, bezweifelt man, ‒ sonst würde das Kanonenfeuer, welches immer heftiger wird, auch schon aufgehört haben. Vor Abgang der Post werde ich darüber auch nichts mehr erfahren können. Die Adresse des Reichstags an den Kaiser, worin die Zumuthung, den Reichstag aufzuheben und sich bis 15. November d. J. in Cremsier zu versammeln, als unmöglich zurückgewiesen wird, kann nicht früher als heute Nachmittag nach Ollmütz befördert werden Eben wird wieder allarmirt und ich muß die Musquete ergreifen.

Den 27. Okt., früh 6 Uhr. Der gestrige Nachmittag hat noch viele blutige Angriffe, die größtentheils durch das nähere Anrücken der kaiserlichen Truppen und die Besetzung des Praters und der daran stoßenden Auen herbeigeführt wurden, gezählt, die dabei gebrauchten Geschütze haben große Verheerungen angerichtet, in der Nähe des Praters am Donaukanal, die große Dampfmehlmühle, die Mack'sche Zuckerraffinerie, einen großen Zimmerplatz mit vielem Bauholz, Kohlenmagazine eingeäschert, auch in der Gegend des Augarten ein bedeutendes Brennholzdepot in Brand gelegt.

Die Kroaten, welche in der Gegend von Simmering (eine halbe Stunde außer Wien) über die Donau übersetzten und dadurch in den Prater gelangten, befanden sich ganz unvermuthet in der Leopoldstadt, zunächst der Nordbahngebäude, und nahmen zuerst von der Dampfmehlmühle Besitz, wo sie nach mehreren heftigen Angriffen der Legionäre, der mobilen und freiwilligen Garde auch hinausgetrieben wurden, nachdem sie die Gebäude in Brand gesteckt hatten. Heute in der Nacht ist es auch unseren, den größten Muth beweisenden Bewaffneten gelungen, die Kroaten (größtentheils Rothmäntel, Sereszaner) ganz aus den Pratergehölzen zu vertreiben, und seit 5 Uhr hat die Kanonade so wie das Kleingewehrfeuer wieder aufgehört, und man sieht den Ereignissen des heutigen Tages mit banger Erwartung entgegen.

Bis Abend wird die mit der an den Kaiser abgesandten Adresse betraute Reichstagsdeputation: Pillersdorf, Potocki, Fischhof und Prato, welchen sich auch Minister Kraus angeschlossen, von Ollmütz zurückerwartet.

11 Uhr Vormittag. Außer der Wiener Zeitung, die aber auch nicht das mindeste Neue enthält, als den Aufruf des Landesgouverneurs von Tyrol, sind weder gestern Abend noch heute die Tagesblätter erschienen, da einige Druck-Offizinen wegen Mangel an Papier, andere wegen mangelndem Arbeitspersonale nichts zum Druck befördern konnten. ‒ Von den Provinzen und dem Ausland wissen wir gar nichts, indem weder Reisende noch Korrespondenz-Nachrichten zu uns gelangen können.

Die Dampfmehlmühle hat nur wenig Schaden gelitten, da ihre sehr großen Mehlvorräthe seit einigen Tagen schon in Sicherheit gebracht waren (daher Wien auf 14 Tage noch hinlänglich mit Mehl versehen), und die Körnerfrüchte zu gleicher Zeit in die feuer- und bombenfesten Zollgebäude, die sich in der Nähe dieses Etablissements befinden, geschafft worden sind. Außer der großen Zucker-Raffinerie von Mack wurde auch die etwas näher dem Nordbahnhofe liegende Zuckerraffinerie des Bankier Zinner ein Raub der Flammen. An allen diesen großen Brandschaden tragen die plünderungssüchtigen Kroaten die Schuld. Nach den Ihnen gleichzeitig zukommenden Erlassen des Fürsten Windischgrätz, die heute nur sehr sparsam an den Straßenecken der innern Stadt zu lesen und daher auch nur mit Mühe und größern Auslagen aus den Druckereien zu haben sind, werden Sie ersehen, daß die Kapitulationsfrist gestern Abend neun Uhr abgelaufen war, da aber seit dieser Zeit kein ernstlicher Kampf erfolgte, so scheint die früher erwähnte Pacificirung auf der Rückkehr der Reichstagsdeputation, oder der erfolgten Ankunft eines Abgesandten des deutschen Parlaments, Wahrscheinlichkeit zu erhalten.

General Bem, Oberkommandant Messenhauser, Fenneberg, Tausenau, Schütte u. m. A. will Windischgrätz ausgeliefert haben. Heute früh hat ein Garde einen Diener des Latour, welcher sich bewaffnet im Lager des General Bem aufhielt und des Spionirens verdächtig gewesen, festgenommen.

Neuerdings kommen Zusicherungen von der ungarischen Armee an der österreichischen Grenze, die dahin lauten, daß es bis jetzt nicht möglich war die starken Verschanzungen und Stellungen der kaiserlichen Armee zu durchdringen, man aber gewiß sehr bald dem bedrängten tapfern Wien Hülfe schaffen und bringen werde.

Windischgrätz hat aus der Haase'schen Buchdruckerei in Prag eine Schnellpresse und das dabei zu benöthigende Arbeitspersonal bei seinem Hauptquartier in Benützung.

Den 28. Oktober, 7 Uhr früh. Seit 24 Stunden ist in unserer belagerten und so hart bedrängten Stadt einige Ruhe eingetreten, man weiß hiefür verschiedene Ursachen anzugeben, von denen mir die wahrscheinlichste ist, daß das ungarische Heer endlich doch einen Angriff auf die stark verschanzt gewesenen Jellachich's Truppen gemacht, welcher eine Concentrirung der Belagerungsarmee, die sich aus der unmittelbaren Nähe von der Stadt wieder zurückgezogen hat, veranlaßt. Nur der Prater wird noch von Kroaten und auch regulärem Militair stark besetzt gehalten, und heute soll noch ein forcirter Angriff auf diese Stellung, die die Vorstädte Leopoldstadt und einen Theil der Rossau gefährdet, [Fortsetzung]

Windisch-Grätz an den Kaiser.
(Nach Victor Hugo).

Feuer, Feuer, Blut, Blut und Verwüstung! Corte Real, die Belagerung von Diu.

Die Flamme strahlt und frißt! Ich folgte dem Gebote,
Das du mir gabst, o Herr! Hinfährt sie mit dem Sturm,
Und überheult dein Volk! Gleich dunklem Morgenrothe
Glüht sie die Dächer an, und tanzt von Thurm zu Thurm!
Aufspringt, wie ein Gigant, der Mord mit tausend Armen;
Die Schlösser sprühn empor, und werden Gräber nun;
Was athmet, wird gewürgt; der Stahl kennt kein Erbarmen ‒
Schon freut der Rabe sich, und schon das Leichenhuhn.
Die Mütter schauderten! Wohl haben weinen müssen
Die Jungfrau'n, gütiger Fürst: ‒ Schaumtriefend,
langgeschweift,
Hat die Geschändeten, von Hieben wund und Küssen,
Der wilde Berberhengst von Thor zu Thor geschleift.
Dem Säugling auch, o Herr, bereiteten wir Qualen:
Die blonden Köpfchen sind bis vor dein Zelt gerollt!…‒
Anbetend küßt dein Volk den Staub von den Sandalen,
Die an die Sohlen dir festhakt ein Reif von Gold!
Die Beine der Frau Martin-Zimmann.

Wir haben bisher noch nichts über das Kölner Theater gesagt. Aber mein lieber Hr. Gerlach, wie können Sie auch erwarten, daß wir ihre Prima-Donnen und Ihre Soubretten bewundern, wenn wir uns Tag für Tag mit einem Jellachich, mit einem Windischgrätz und mit ähnlichen groben Ungeheuern herumschlagen müssen?

Sie sind gerecht und Sie werden uns entschuldigen.

Trotz Jellachich und trotz Windischgrätz sind uns indeß Ihre vielfachen Bemühungen für das hiesige Theater nicht entgangen. Sie haben geleistet, was ein Theaterdirektor in Köln leisten kann.

Das Wetter wird schlechter und das Geld wird häufiger. Hoffen wir, daß die Zahl Ihrer Besucher sich mehrt, und daß Sie für Ihre Anstrengungen besser belohnt werden.

So weit unsere alltäglichen Bemerkungen. Jetzt zu den Beinen der Frau Martin-Zimmann.

Sie, Hr. Gerlach sind zweibeinig und ich bin zweibeinig und viele andere Menschen haben zwei Beine. Niemand wird dies läugnen und nichts ist natürlicher.

Unsere Beine haben sogar auffallende Aehnlichkeit mit denen der Frau Martin-Zimmann; sie sind gerade gewachsen, die meinigen und die ihrigen wenigstens, und wir können darauf gehen und laufen und springen, aber was meinen Sie, Hr. Gerlach, wenn wir darauf tanzen wollten, wie Frau Martin-Zimmann?

Ja, wahrhaftig, die Buben auf der Gallerie würden sich krank lachen, und das Parterre würde uns auspfeifen und alle kleinen Frauenzimmer würden unserwegen erröthen, ja, erröthen bis über den Busen.

Frau Martin-Zimmann wurde weder ausgelacht noch ausgepfiffen, als sie zuerst bei uns auftrat. Die Lust ihrer reizenden Beine spiegelte sich auf allen Gesichtern wieder. Verständlich war die Musik ihrer Schenkel für Gamin und Dandy. Ja, wären Türken und Samojeden zugegen gewesen, beide würden sie verstanden haben, denn verständlich tanzt dieses Weib für alle Völker.

Es ist als ob sie hebräisch spräche mit ihren Beinen, und griechisch und italienisch und französisch, denn Juden und Griechen und Italiener und Franzosen verstehen die Sprache dieser Beine. Wissen Sie weßhalb? Frau Martin-Zimmann tanzt Wahrheit mit ihren Beinen, reine lautere Wahrheit, die süße Wahrheit der Wollust. Da haben Sie das ganze Räthsel.

Die Sprache dieser Tänzerin war auch die Sprache aller schönen Weiber, von Erschaffung der Welt an, bis auf den heutigen Tag. Die Sprache einer Rahel, einer Esther, einer Helena, einer Agrippa, einer Nino, einer Lola, die Sprache aller schönen Babylonierinnen, die Sprache ihrer Lippen, ihrer Locken, ihrer Augen, ihrer seligen Schenkel ‒ den letztern Dialekt spricht Frau Martin-Zimmann natürlich am geläufigsten.

Rhythmus sitzt in den Beinen dieser Frau. Jamben tanzt sie, Daktylen und Trochäen. In Hexametern springt sie und regungslos staunen wir zu ihr hinüber und denken nicht mehr an Jellachich und Windischgrätz ‒ vergessen ist der 24. Februar und der 18. März, vergessen die Revolution.

Wir sehen Frau Martin-Zimmann gestern in dem Scribe-Auber'schen Stücke: „Der Gott und die Bajadere.“ Ein frivoler Setzer der „Neuen Rheinischen Zeitung“ hatte in der Theater-Annonce schlichtweg „Gott und die Bajadere“ drucken lassen.

Hr. Scribe hat das Göthesche Gedicht nach Kräften verhunzt; Hr. Auber fabrizirte eine entsprechende Musik dazu.

Olifur, Oberrichter im Lande Kaschmir, ein alter verliebter Satan, mit abscheulichem Barte, recht ein Mann von dessen Männlichkeit eben nichts übrig geblieben ist, als der Bart, sitzt im Vordergrunde der Scene, umringt von Tschobedars, Wachen und Sclaven. Da nahen Bajaderen und unter ihnen Zoloé, eine Fremde, die der Sprache des Landes nicht recht mächtig, auf alle

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        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Köln. (Arbeiterdeputation an Kyll. &#x2012; Heckers Erhöhung).</p>
        <p>Wien. (Bericht der &#x201E;A. O.-Z.&#x201C; über die Wiener Ereignisse vom 25. Okt. bis 1. Nov. &#x2012; Zwei Proklamationen von Windisch-Grätz). Prag. (Die Croaten in Wien). Grätz. (Der liberale Verein. &#x2012; Dahlen). Breslau. (Windisch-Grätz). Dortmund. (Handwerkerverein. &#x2012; v. Möller. &#x2012; Die Köln-Mindener Eisenbahndirektion). Erfurt. (Verwandlung preußischer und sächsischer Truppen in Reichstruppen). Bamberg. (Reichsthaten). Flensburg. (Politische Quarantaine bei Alsen).</p>
        <p><hi rendition="#g">Polen.</hi> Aus Galizien. (Die städtischen Behörden. &#x2012; Die Nationalgarde. &#x2012; Zaluski).</p>
        <p><hi rendition="#g">Ungarn.</hi> Pesth. (Die Siebenbürger Walachen. &#x2012; Errichtung eines Pionierkorps).</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> Genua. (Unruhen. &#x2012; Aufruf Manzini's).</p>
        <p><hi rendition="#g">Franz. Republik.</hi> Paris. (Vermischtes. &#x2012; Die &#x201E;Presse&#x201C; über die &#x201E;Kölnische Zeitung&#x201C;).</p>
        <p><hi rendition="#g">Großbritannien.</hi> London. (Die Seeschlange. &#x2012; Zur irischen Statistik).</p>
        <p><hi rendition="#g">Persien.</hi> (Esser-ad-Deen-Shah).</p>
        <p><hi rendition="#g">Frankfurt.</hi> (Bericht der Kommission über Oesterreich. [Schluß.])</p>
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        <head>Deutschland.</head>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 7. Okt.</head>
          <p>Eine Deputation des hiesigen Arbeiter-Vereines begab sich gestern zu dem Abgeordneten der Berliner Versammlung, Herrn <hi rendition="#g">Kyll,</hi> um ihm die Sympathie der hiesigen Arbeiter an den Tag zu legen. Herr <hi rendition="#g">Kyll</hi> empfing diese Deputation mit großer Herzlichkeit und erwiderte einige Worte, aus denen deutlich hervorging, wie sehr es ihn freut, seine politische Thätigkeit auch von der Arbeiterwelt anerkannt zu sehen. Bemerkenswerth ist, daß die aus sieben Arbeitern bestehende Deputation zwölf Polizei-Beamte in den Straßen aufgepflanzt fand, die in Folge einer durch den Arbeiter-Verein veröffentlichten Anzeige, den Hinweg und die Rückkehr der Deputation zu überwachen schienen.</p>
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          <head>Köln, 7. Novbr.</head>
          <p>Der Preußische Staats-Anzeiger bringt die Nachricht, daß Se. Majestät der König Allergnädigst geruht haben: &#x201E;Den Prokurator Köster von Kösteritz zu Elberfeld in gleicher Eigenschaft an das Landgericht zu Düsseldorf zu versetzen und <hi rendition="#b">den Staatsprokurator Hecker zu Köln zum Oberprokurator bei dem Landgerichte zu Elberfeld zu ernennen.&#x201C;</hi> </p>
          <p>Wir brauchen unsern Lesern nicht zu versichern, daß es uns ungemein schmerzt, Herrn Hecker als Mitarbeiter an unserm Blatte zu verlieren. Dagegen ist es ein Trost, daß die Empfehlung der &#x201E;Neuen Rheinischen Zeitung&#x201C; so guten Erfolg gehabt hat.</p>
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          <head>Wien.</head>
          <p>Auch die <hi rendition="#g">&#x201E;Wiener Zeitung&#x201C;</hi> ist uns nicht zugekommen. Sie scheint also von Windischgrätzen's Interdiktion nicht ausgenommen zu sein. Von unsern beiden Wiener Korrespondenten haben wir zwei Zettel erhalten, worin sie uns anzeigen, daß sie in diesem Augenblicke nicht in der Lage sind, schreiben zu können, sobald als thunlich aber ihre Korrespondenz wieder aufnehmen werden. Wir sind daher genöthigt, für jetzt die Schilderung der Tage vom 25. Okt. bis 1. Nov. der &#x201E;Allgemeinen Oderzeitung&#x201C; zu entnehmen.</p>
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          <head>Wien, 25. Okt.</head>
          <p><hi rendition="#g">Abends 8 Uhr.</hi> Seit dem Abgang meines heutigen Schreibens erschienen wieder Proklamationen, Reichstagsbeschlüsse, Kundmachungen und Aufrufe aller Art, die die Volkswehren auf den höchsten Grad enthusiasmiren, und die energischen, sehr umsichtigen Vertheidigungs-Anstalten des General Bem wesentlich fördern helfen.</p>
          <p>Vor zwei Stunden ist Windischgrätz von Ollmütz zurückgekehrt und wird in Hetzendorf mit Minister Kraus und dem ihn begleitenden Reichstagsdeputirten Brestl vor Beginn der angedrohten Belagerung Wien's, die nach Windischgrätz morgen um zwölf Uhr Mittags, nach Oberkommandant Messenhauser heute Abend 9 Uhr erfolgen soll, noch eine letzte pacificirende Unterredung, von welcher jedoch allen Anzeichen nach kein erfreuliches oder günstiges Resultat zu gewärtigen ist, pflegen.</p>
          <p>Den ganzen Tag dauern die Angriffe und Vertheidigungen der Linienwälle und der in der Nähe befindlichen Privatgebäude fort, von beiden Seiten, besonders aber dort wo böhmische Truppen zum Angriffe kommen, wird mit außerordentlicher Erbitterung gekämpft und nichts geschont. Die große Maschinenfabrick von Specker und Comp. wurde durch Granaten vor einer Stunde in Brand gesteckt, das Feuer röthet den Horizont der ganzen Stadt. Kanonendonner und Kleingewehrfeuer von drei Batterien hört man seit zwei Stunden unausgesetzt.</p>
          <p><hi rendition="#g">26. Okt.</hi> Zum Dienst und zur Ueberwachung des Barrikadenbaues der in allen an den Linien Wien's zunächst liegenden Straßen mit großer Umsicht und rastloser Thätigkeit betrieben wird, aufgefordert, konnte ich den gestern Abend angefangenen Bericht über den Zustand unserer Stadt nicht weiter fortsetzen und trage heute die wesentlichen Ereignisse nach.</p>
          <p>Der gestern in der Brigittenau stattgefundene Kampf zwischen einem Jäger-Bataillon und einer Abtheilung Legionärs war sehr blutig, ohngeachtet die Zahl der Jäger, denen der Legion um vieles überlegen war, haben die Letzteren doch den Platz behauptet und die Soldaten zurückgetrieben, wobei die Akademiker, meistens Studenten, 65 Verwundete, darunter die Hälfte an Todten, zu beklagen haben. Die Jäger, welche sich in dem dort befindlichen Universum zu befestigen und zu sichern suchten, mußten, da solches durch Brandraketen in Flammen aufging, sich zu retten suchen, und da sich das bezeichnete Gebäude in der Nähe der Specker'schen Maschinenfabrik befindet, so gab es Veranlassung, daß man in der Stadt der Meinung wäre, es stehe diese in Flammen.</p>
          <p>General Bem inspicirte gestern die in Wien befindlichen Garden und überhaupt die bewaffnete Macht und fand deren Zahl nahe bei 40,000, ein Beweis, daß sich wenigstens 1/3 der Garden von Wien entfernt haben und versteckt halten.</p>
          <p>Seit sechs Uhr früh hat wieder Kanonendonner begonnen auf der Schmelz zwischen der Mariahilfer Linie, in Schönbrunn ist schon zwei Stunden fortwährendes Plänkeln und Kleingewehrfeuer, die an Windischgrätz abgeschickte Reichstags-Deputation, bestehend aus dem Minister Kraus, den Deputirten Pillersdorf, Brestel u. m. kann bereits zurück sein, &#x2012; ob es ihren Bemühungen gelungen ist, Windischgrätz zu einer friedlichen Ausgleichung zu bestimmen und ihm begreiflich zu machen, daß in Wien keine Anarchie herrsche, bezweifelt man, &#x2012; sonst würde das Kanonenfeuer, welches immer heftiger wird, auch schon aufgehört haben. Vor Abgang der Post werde ich darüber auch nichts mehr erfahren können. Die Adresse des Reichstags an den Kaiser, worin die Zumuthung, den Reichstag aufzuheben und sich bis 15. November d. J. in Cremsier zu versammeln, als unmöglich zurückgewiesen wird, kann nicht früher als heute Nachmittag nach Ollmütz befördert werden Eben wird wieder allarmirt und ich muß die Musquete ergreifen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Den 27. Okt., früh 6 Uhr.</hi> Der gestrige Nachmittag hat noch viele blutige Angriffe, die größtentheils durch das nähere Anrücken der kaiserlichen Truppen und die Besetzung des Praters und der daran stoßenden Auen herbeigeführt wurden, gezählt, die dabei gebrauchten Geschütze haben große Verheerungen angerichtet, in der Nähe des Praters am Donaukanal, die große Dampfmehlmühle, die Mack'sche Zuckerraffinerie, einen großen Zimmerplatz mit vielem Bauholz, Kohlenmagazine eingeäschert, auch in der Gegend des Augarten ein bedeutendes Brennholzdepot in Brand gelegt.</p>
          <p>Die Kroaten, welche in der Gegend von Simmering (eine halbe Stunde außer Wien) über die Donau übersetzten und dadurch in den Prater gelangten, befanden sich ganz unvermuthet in der Leopoldstadt, zunächst der Nordbahngebäude, und nahmen zuerst von der Dampfmehlmühle Besitz, wo sie nach mehreren heftigen Angriffen der Legionäre, der mobilen und freiwilligen Garde auch hinausgetrieben wurden, nachdem sie die Gebäude in Brand gesteckt hatten. Heute in der Nacht ist es auch unseren, den größten Muth beweisenden Bewaffneten gelungen, die Kroaten (größtentheils Rothmäntel, Sereszaner) ganz aus den Pratergehölzen zu vertreiben, und seit 5 Uhr hat die Kanonade so wie das Kleingewehrfeuer wieder aufgehört, und man sieht den Ereignissen des heutigen Tages mit banger Erwartung entgegen.</p>
          <p>Bis Abend wird die mit der an den Kaiser abgesandten Adresse betraute Reichstagsdeputation: Pillersdorf, Potocki, Fischhof und Prato, welchen sich auch Minister Kraus angeschlossen, von Ollmütz zurückerwartet.</p>
          <p><hi rendition="#g">11 Uhr Vormittag.</hi> Außer der Wiener Zeitung, die aber auch nicht das mindeste Neue enthält, als den Aufruf des Landesgouverneurs von Tyrol, sind weder gestern Abend noch heute die Tagesblätter erschienen, da einige Druck-Offizinen wegen Mangel an Papier, andere wegen mangelndem Arbeitspersonale nichts zum Druck befördern konnten. &#x2012; Von den Provinzen und dem Ausland wissen wir gar nichts, indem weder Reisende noch Korrespondenz-Nachrichten zu uns gelangen können.</p>
          <p>Die Dampfmehlmühle hat nur wenig Schaden gelitten, da ihre sehr großen Mehlvorräthe seit einigen Tagen schon in Sicherheit gebracht waren (daher Wien auf 14 Tage noch hinlänglich mit Mehl versehen), und die Körnerfrüchte zu gleicher Zeit in die feuer- und bombenfesten Zollgebäude, die sich in der Nähe dieses Etablissements befinden, geschafft worden sind. Außer der großen Zucker-Raffinerie von Mack wurde auch die etwas näher dem Nordbahnhofe liegende Zuckerraffinerie des Bankier Zinner ein Raub der Flammen. An allen diesen großen Brandschaden tragen die plünderungssüchtigen Kroaten die Schuld. Nach den Ihnen gleichzeitig zukommenden Erlassen des Fürsten Windischgrätz, die heute nur sehr sparsam an den Straßenecken der innern Stadt zu lesen und daher auch nur mit Mühe und größern Auslagen aus den Druckereien zu haben sind, werden Sie ersehen, daß die Kapitulationsfrist gestern Abend neun Uhr abgelaufen war, da aber seit dieser Zeit kein ernstlicher Kampf erfolgte, so scheint die früher erwähnte Pacificirung auf der Rückkehr der Reichstagsdeputation, oder der erfolgten Ankunft eines Abgesandten des deutschen Parlaments, Wahrscheinlichkeit zu erhalten.</p>
          <p>General Bem, Oberkommandant Messenhauser, Fenneberg, Tausenau, Schütte u. m. A. will Windischgrätz ausgeliefert haben. Heute früh hat ein Garde einen Diener des Latour, welcher sich bewaffnet im Lager des General Bem aufhielt und des Spionirens verdächtig gewesen, festgenommen.</p>
          <p>Neuerdings kommen Zusicherungen von der ungarischen Armee an der österreichischen Grenze, die dahin lauten, daß es bis jetzt nicht möglich war die starken Verschanzungen und Stellungen der kaiserlichen Armee zu durchdringen, man aber gewiß sehr bald dem bedrängten tapfern Wien Hülfe schaffen und bringen werde.</p>
          <p>Windischgrätz hat aus der Haase'schen Buchdruckerei in Prag eine Schnellpresse und das dabei zu benöthigende Arbeitspersonal bei seinem Hauptquartier in Benützung.</p>
          <p><hi rendition="#g">Den 28. Oktober, 7 Uhr früh.</hi> Seit 24 Stunden ist in unserer belagerten und so hart bedrängten Stadt einige Ruhe eingetreten, man weiß hiefür verschiedene Ursachen anzugeben, von denen mir die wahrscheinlichste ist, daß das ungarische Heer endlich doch einen Angriff auf die stark verschanzt gewesenen Jellachich's Truppen gemacht, welcher eine Concentrirung der Belagerungsarmee, die sich aus der unmittelbaren Nähe von der Stadt wieder zurückgezogen hat, veranlaßt. Nur der Prater wird noch von Kroaten und auch regulärem Militair stark besetzt gehalten, und heute soll noch ein forcirter Angriff auf diese Stellung, die die Vorstädte Leopoldstadt und einen Theil der Rossau gefährdet, <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref>                </p>
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      </div>
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          <head>Windisch-Grätz an den Kaiser.<lb/><bibl>(Nach Victor Hugo).</bibl>                </head>
          <p>Feuer, Feuer, Blut, Blut und Verwüstung! <hi rendition="#g">Corte Real,</hi> die Belagerung von Diu.</p>
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              <l>Die Flamme strahlt und frißt! Ich folgte dem Gebote,</l><lb/>
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              <l>Aufspringt, wie ein Gigant, der Mord mit tausend Armen;</l><lb/>
              <l>Die Schlösser sprühn empor, und werden Gräber nun;</l><lb/>
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              <l>Dem Säugling auch, o Herr, bereiteten wir Qualen:</l><lb/>
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          <head>Die Beine der Frau Martin-Zimmann.</head>
          <p>Wir haben bisher noch nichts über das Kölner Theater gesagt. Aber mein lieber Hr. Gerlach, wie können Sie auch erwarten, daß wir ihre Prima-Donnen und Ihre Soubretten bewundern, wenn wir uns Tag für Tag mit einem Jellachich, mit einem Windischgrätz und mit ähnlichen groben Ungeheuern herumschlagen müssen?</p>
          <p>Sie sind gerecht und Sie werden uns entschuldigen.</p>
          <p>Trotz Jellachich und trotz Windischgrätz sind uns indeß Ihre vielfachen Bemühungen für das hiesige Theater nicht entgangen. Sie haben geleistet, was ein Theaterdirektor in Köln leisten kann.</p>
          <p>Das Wetter wird schlechter und das Geld wird häufiger. Hoffen wir, daß die Zahl Ihrer Besucher sich mehrt, und daß Sie für Ihre Anstrengungen besser belohnt werden.</p>
          <p>So weit unsere alltäglichen Bemerkungen. Jetzt zu den Beinen der Frau Martin-Zimmann.</p>
          <p>Sie, Hr. Gerlach sind zweibeinig und ich bin zweibeinig und viele andere Menschen haben zwei Beine. Niemand wird dies läugnen und nichts ist natürlicher.</p>
          <p>Unsere Beine haben sogar auffallende Aehnlichkeit mit denen der Frau Martin-Zimmann; sie sind gerade gewachsen, die meinigen und die ihrigen wenigstens, und wir können darauf gehen und laufen und springen, aber was meinen Sie, Hr. Gerlach, wenn wir darauf tanzen wollten, wie Frau Martin-Zimmann?</p>
          <p>Ja, wahrhaftig, die Buben auf der Gallerie würden sich krank lachen, und das Parterre würde uns auspfeifen und alle kleinen Frauenzimmer würden unserwegen erröthen, ja, erröthen bis über den Busen.</p>
          <p>Frau Martin-Zimmann wurde weder ausgelacht noch ausgepfiffen, als sie zuerst bei uns auftrat. Die Lust ihrer reizenden Beine spiegelte sich auf allen Gesichtern wieder. Verständlich war die Musik ihrer Schenkel für Gamin und Dandy. Ja, wären Türken und Samojeden zugegen gewesen, beide würden sie verstanden haben, denn verständlich tanzt dieses Weib für alle Völker.</p>
          <p>Es ist als ob sie hebräisch spräche mit ihren Beinen, und griechisch und italienisch und französisch, denn Juden und Griechen und Italiener und Franzosen verstehen die Sprache dieser Beine. Wissen Sie weßhalb? Frau Martin-Zimmann tanzt Wahrheit mit ihren Beinen, reine lautere Wahrheit, die süße Wahrheit der Wollust. Da haben Sie das ganze Räthsel.</p>
          <p>Die Sprache dieser Tänzerin war auch die Sprache aller schönen Weiber, von Erschaffung der Welt an, bis auf den heutigen Tag. Die Sprache einer Rahel, einer Esther, einer Helena, einer Agrippa, einer Nino, einer Lola, die Sprache aller schönen Babylonierinnen, die Sprache ihrer Lippen, ihrer Locken, ihrer Augen, ihrer seligen Schenkel &#x2012; den letztern Dialekt spricht Frau Martin-Zimmann natürlich am geläufigsten.</p>
          <p>Rhythmus sitzt in den Beinen dieser Frau. Jamben tanzt sie, Daktylen und Trochäen. In Hexametern springt sie und regungslos staunen wir zu ihr hinüber und denken nicht mehr an Jellachich und Windischgrätz &#x2012; vergessen ist der 24. Februar und der 18. März, vergessen die Revolution.</p>
          <p>Wir sehen Frau Martin-Zimmann gestern in dem Scribe-Auber'schen Stücke: &#x201E;Der Gott und die Bajadere.&#x201C; Ein frivoler Setzer der &#x201E;Neuen Rheinischen Zeitung&#x201C; hatte in der Theater-Annonce schlichtweg &#x201E;Gott und die Bajadere&#x201C; drucken lassen.</p>
          <p>Hr. Scribe hat das Göthesche Gedicht nach Kräften verhunzt; Hr. Auber fabrizirte eine entsprechende Musik dazu.</p>
          <p>Olifur, Oberrichter im Lande Kaschmir, ein alter verliebter Satan, mit abscheulichem Barte, recht ein Mann von dessen Männlichkeit eben nichts übrig geblieben ist, als der Bart, sitzt im Vordergrunde der Scene, umringt von Tschobedars, Wachen und Sclaven. Da nahen Bajaderen und unter ihnen Zoloé, eine Fremde, die der Sprache des Landes nicht recht mächtig, auf alle
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[0697/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 137. Köln, Mittwoch den 8. November. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Arbeiterdeputation an Kyll. ‒ Heckers Erhöhung). Wien. (Bericht der „A. O.-Z.“ über die Wiener Ereignisse vom 25. Okt. bis 1. Nov. ‒ Zwei Proklamationen von Windisch-Grätz). Prag. (Die Croaten in Wien). Grätz. (Der liberale Verein. ‒ Dahlen). Breslau. (Windisch-Grätz). Dortmund. (Handwerkerverein. ‒ v. Möller. ‒ Die Köln-Mindener Eisenbahndirektion). Erfurt. (Verwandlung preußischer und sächsischer Truppen in Reichstruppen). Bamberg. (Reichsthaten). Flensburg. (Politische Quarantaine bei Alsen). Polen. Aus Galizien. (Die städtischen Behörden. ‒ Die Nationalgarde. ‒ Zaluski). Ungarn. Pesth. (Die Siebenbürger Walachen. ‒ Errichtung eines Pionierkorps). Italien. Genua. (Unruhen. ‒ Aufruf Manzini's). Franz. Republik. Paris. (Vermischtes. ‒ Die „Presse“ über die „Kölnische Zeitung“). Großbritannien. London. (Die Seeschlange. ‒ Zur irischen Statistik). Persien. (Esser-ad-Deen-Shah). Frankfurt. (Bericht der Kommission über Oesterreich. [Schluß.]) Deutschland. * Köln, 7. Okt. Eine Deputation des hiesigen Arbeiter-Vereines begab sich gestern zu dem Abgeordneten der Berliner Versammlung, Herrn Kyll, um ihm die Sympathie der hiesigen Arbeiter an den Tag zu legen. Herr Kyll empfing diese Deputation mit großer Herzlichkeit und erwiderte einige Worte, aus denen deutlich hervorging, wie sehr es ihn freut, seine politische Thätigkeit auch von der Arbeiterwelt anerkannt zu sehen. Bemerkenswerth ist, daß die aus sieben Arbeitern bestehende Deputation zwölf Polizei-Beamte in den Straßen aufgepflanzt fand, die in Folge einer durch den Arbeiter-Verein veröffentlichten Anzeige, den Hinweg und die Rückkehr der Deputation zu überwachen schienen. Köln, 7. Novbr. Der Preußische Staats-Anzeiger bringt die Nachricht, daß Se. Majestät der König Allergnädigst geruht haben: „Den Prokurator Köster von Kösteritz zu Elberfeld in gleicher Eigenschaft an das Landgericht zu Düsseldorf zu versetzen und den Staatsprokurator Hecker zu Köln zum Oberprokurator bei dem Landgerichte zu Elberfeld zu ernennen.“ Wir brauchen unsern Lesern nicht zu versichern, daß es uns ungemein schmerzt, Herrn Hecker als Mitarbeiter an unserm Blatte zu verlieren. Dagegen ist es ein Trost, daß die Empfehlung der „Neuen Rheinischen Zeitung“ so guten Erfolg gehabt hat. Wien. Auch die „Wiener Zeitung“ ist uns nicht zugekommen. Sie scheint also von Windischgrätzen's Interdiktion nicht ausgenommen zu sein. Von unsern beiden Wiener Korrespondenten haben wir zwei Zettel erhalten, worin sie uns anzeigen, daß sie in diesem Augenblicke nicht in der Lage sind, schreiben zu können, sobald als thunlich aber ihre Korrespondenz wieder aufnehmen werden. Wir sind daher genöthigt, für jetzt die Schilderung der Tage vom 25. Okt. bis 1. Nov. der „Allgemeinen Oderzeitung“ zu entnehmen. Wien, 25. Okt. Abends 8 Uhr. Seit dem Abgang meines heutigen Schreibens erschienen wieder Proklamationen, Reichstagsbeschlüsse, Kundmachungen und Aufrufe aller Art, die die Volkswehren auf den höchsten Grad enthusiasmiren, und die energischen, sehr umsichtigen Vertheidigungs-Anstalten des General Bem wesentlich fördern helfen. Vor zwei Stunden ist Windischgrätz von Ollmütz zurückgekehrt und wird in Hetzendorf mit Minister Kraus und dem ihn begleitenden Reichstagsdeputirten Brestl vor Beginn der angedrohten Belagerung Wien's, die nach Windischgrätz morgen um zwölf Uhr Mittags, nach Oberkommandant Messenhauser heute Abend 9 Uhr erfolgen soll, noch eine letzte pacificirende Unterredung, von welcher jedoch allen Anzeichen nach kein erfreuliches oder günstiges Resultat zu gewärtigen ist, pflegen. Den ganzen Tag dauern die Angriffe und Vertheidigungen der Linienwälle und der in der Nähe befindlichen Privatgebäude fort, von beiden Seiten, besonders aber dort wo böhmische Truppen zum Angriffe kommen, wird mit außerordentlicher Erbitterung gekämpft und nichts geschont. Die große Maschinenfabrick von Specker und Comp. wurde durch Granaten vor einer Stunde in Brand gesteckt, das Feuer röthet den Horizont der ganzen Stadt. Kanonendonner und Kleingewehrfeuer von drei Batterien hört man seit zwei Stunden unausgesetzt. 26. Okt. Zum Dienst und zur Ueberwachung des Barrikadenbaues der in allen an den Linien Wien's zunächst liegenden Straßen mit großer Umsicht und rastloser Thätigkeit betrieben wird, aufgefordert, konnte ich den gestern Abend angefangenen Bericht über den Zustand unserer Stadt nicht weiter fortsetzen und trage heute die wesentlichen Ereignisse nach. Der gestern in der Brigittenau stattgefundene Kampf zwischen einem Jäger-Bataillon und einer Abtheilung Legionärs war sehr blutig, ohngeachtet die Zahl der Jäger, denen der Legion um vieles überlegen war, haben die Letzteren doch den Platz behauptet und die Soldaten zurückgetrieben, wobei die Akademiker, meistens Studenten, 65 Verwundete, darunter die Hälfte an Todten, zu beklagen haben. Die Jäger, welche sich in dem dort befindlichen Universum zu befestigen und zu sichern suchten, mußten, da solches durch Brandraketen in Flammen aufging, sich zu retten suchen, und da sich das bezeichnete Gebäude in der Nähe der Specker'schen Maschinenfabrik befindet, so gab es Veranlassung, daß man in der Stadt der Meinung wäre, es stehe diese in Flammen. General Bem inspicirte gestern die in Wien befindlichen Garden und überhaupt die bewaffnete Macht und fand deren Zahl nahe bei 40,000, ein Beweis, daß sich wenigstens 1/3 der Garden von Wien entfernt haben und versteckt halten. Seit sechs Uhr früh hat wieder Kanonendonner begonnen auf der Schmelz zwischen der Mariahilfer Linie, in Schönbrunn ist schon zwei Stunden fortwährendes Plänkeln und Kleingewehrfeuer, die an Windischgrätz abgeschickte Reichstags-Deputation, bestehend aus dem Minister Kraus, den Deputirten Pillersdorf, Brestel u. m. kann bereits zurück sein, ‒ ob es ihren Bemühungen gelungen ist, Windischgrätz zu einer friedlichen Ausgleichung zu bestimmen und ihm begreiflich zu machen, daß in Wien keine Anarchie herrsche, bezweifelt man, ‒ sonst würde das Kanonenfeuer, welches immer heftiger wird, auch schon aufgehört haben. Vor Abgang der Post werde ich darüber auch nichts mehr erfahren können. Die Adresse des Reichstags an den Kaiser, worin die Zumuthung, den Reichstag aufzuheben und sich bis 15. November d. J. in Cremsier zu versammeln, als unmöglich zurückgewiesen wird, kann nicht früher als heute Nachmittag nach Ollmütz befördert werden Eben wird wieder allarmirt und ich muß die Musquete ergreifen. Den 27. Okt., früh 6 Uhr. Der gestrige Nachmittag hat noch viele blutige Angriffe, die größtentheils durch das nähere Anrücken der kaiserlichen Truppen und die Besetzung des Praters und der daran stoßenden Auen herbeigeführt wurden, gezählt, die dabei gebrauchten Geschütze haben große Verheerungen angerichtet, in der Nähe des Praters am Donaukanal, die große Dampfmehlmühle, die Mack'sche Zuckerraffinerie, einen großen Zimmerplatz mit vielem Bauholz, Kohlenmagazine eingeäschert, auch in der Gegend des Augarten ein bedeutendes Brennholzdepot in Brand gelegt. Die Kroaten, welche in der Gegend von Simmering (eine halbe Stunde außer Wien) über die Donau übersetzten und dadurch in den Prater gelangten, befanden sich ganz unvermuthet in der Leopoldstadt, zunächst der Nordbahngebäude, und nahmen zuerst von der Dampfmehlmühle Besitz, wo sie nach mehreren heftigen Angriffen der Legionäre, der mobilen und freiwilligen Garde auch hinausgetrieben wurden, nachdem sie die Gebäude in Brand gesteckt hatten. Heute in der Nacht ist es auch unseren, den größten Muth beweisenden Bewaffneten gelungen, die Kroaten (größtentheils Rothmäntel, Sereszaner) ganz aus den Pratergehölzen zu vertreiben, und seit 5 Uhr hat die Kanonade so wie das Kleingewehrfeuer wieder aufgehört, und man sieht den Ereignissen des heutigen Tages mit banger Erwartung entgegen. Bis Abend wird die mit der an den Kaiser abgesandten Adresse betraute Reichstagsdeputation: Pillersdorf, Potocki, Fischhof und Prato, welchen sich auch Minister Kraus angeschlossen, von Ollmütz zurückerwartet. 11 Uhr Vormittag. Außer der Wiener Zeitung, die aber auch nicht das mindeste Neue enthält, als den Aufruf des Landesgouverneurs von Tyrol, sind weder gestern Abend noch heute die Tagesblätter erschienen, da einige Druck-Offizinen wegen Mangel an Papier, andere wegen mangelndem Arbeitspersonale nichts zum Druck befördern konnten. ‒ Von den Provinzen und dem Ausland wissen wir gar nichts, indem weder Reisende noch Korrespondenz-Nachrichten zu uns gelangen können. Die Dampfmehlmühle hat nur wenig Schaden gelitten, da ihre sehr großen Mehlvorräthe seit einigen Tagen schon in Sicherheit gebracht waren (daher Wien auf 14 Tage noch hinlänglich mit Mehl versehen), und die Körnerfrüchte zu gleicher Zeit in die feuer- und bombenfesten Zollgebäude, die sich in der Nähe dieses Etablissements befinden, geschafft worden sind. Außer der großen Zucker-Raffinerie von Mack wurde auch die etwas näher dem Nordbahnhofe liegende Zuckerraffinerie des Bankier Zinner ein Raub der Flammen. An allen diesen großen Brandschaden tragen die plünderungssüchtigen Kroaten die Schuld. Nach den Ihnen gleichzeitig zukommenden Erlassen des Fürsten Windischgrätz, die heute nur sehr sparsam an den Straßenecken der innern Stadt zu lesen und daher auch nur mit Mühe und größern Auslagen aus den Druckereien zu haben sind, werden Sie ersehen, daß die Kapitulationsfrist gestern Abend neun Uhr abgelaufen war, da aber seit dieser Zeit kein ernstlicher Kampf erfolgte, so scheint die früher erwähnte Pacificirung auf der Rückkehr der Reichstagsdeputation, oder der erfolgten Ankunft eines Abgesandten des deutschen Parlaments, Wahrscheinlichkeit zu erhalten. General Bem, Oberkommandant Messenhauser, Fenneberg, Tausenau, Schütte u. m. A. will Windischgrätz ausgeliefert haben. Heute früh hat ein Garde einen Diener des Latour, welcher sich bewaffnet im Lager des General Bem aufhielt und des Spionirens verdächtig gewesen, festgenommen. Neuerdings kommen Zusicherungen von der ungarischen Armee an der österreichischen Grenze, die dahin lauten, daß es bis jetzt nicht möglich war die starken Verschanzungen und Stellungen der kaiserlichen Armee zu durchdringen, man aber gewiß sehr bald dem bedrängten tapfern Wien Hülfe schaffen und bringen werde. Windischgrätz hat aus der Haase'schen Buchdruckerei in Prag eine Schnellpresse und das dabei zu benöthigende Arbeitspersonal bei seinem Hauptquartier in Benützung. Den 28. Oktober, 7 Uhr früh. Seit 24 Stunden ist in unserer belagerten und so hart bedrängten Stadt einige Ruhe eingetreten, man weiß hiefür verschiedene Ursachen anzugeben, von denen mir die wahrscheinlichste ist, daß das ungarische Heer endlich doch einen Angriff auf die stark verschanzt gewesenen Jellachich's Truppen gemacht, welcher eine Concentrirung der Belagerungsarmee, die sich aus der unmittelbaren Nähe von der Stadt wieder zurückgezogen hat, veranlaßt. Nur der Prater wird noch von Kroaten und auch regulärem Militair stark besetzt gehalten, und heute soll noch ein forcirter Angriff auf diese Stellung, die die Vorstädte Leopoldstadt und einen Theil der Rossau gefährdet, [Fortsetzung] Windisch-Grätz an den Kaiser. (Nach Victor Hugo). Feuer, Feuer, Blut, Blut und Verwüstung! Corte Real, die Belagerung von Diu. Die Flamme strahlt und frißt! Ich folgte dem Gebote, Das du mir gabst, o Herr! Hinfährt sie mit dem Sturm, Und überheult dein Volk! Gleich dunklem Morgenrothe Glüht sie die Dächer an, und tanzt von Thurm zu Thurm! Aufspringt, wie ein Gigant, der Mord mit tausend Armen; Die Schlösser sprühn empor, und werden Gräber nun; Was athmet, wird gewürgt; der Stahl kennt kein Erbarmen ‒ Schon freut der Rabe sich, und schon das Leichenhuhn. Die Mütter schauderten! Wohl haben weinen müssen Die Jungfrau'n, gütiger Fürst: ‒ Schaumtriefend, langgeschweift, Hat die Geschändeten, von Hieben wund und Küssen, Der wilde Berberhengst von Thor zu Thor geschleift. Dem Säugling auch, o Herr, bereiteten wir Qualen: Die blonden Köpfchen sind bis vor dein Zelt gerollt!…‒ Anbetend küßt dein Volk den Staub von den Sandalen, Die an die Sohlen dir festhakt ein Reif von Gold! F. Freiligrath. Die Beine der Frau Martin-Zimmann. Wir haben bisher noch nichts über das Kölner Theater gesagt. Aber mein lieber Hr. Gerlach, wie können Sie auch erwarten, daß wir ihre Prima-Donnen und Ihre Soubretten bewundern, wenn wir uns Tag für Tag mit einem Jellachich, mit einem Windischgrätz und mit ähnlichen groben Ungeheuern herumschlagen müssen? Sie sind gerecht und Sie werden uns entschuldigen. Trotz Jellachich und trotz Windischgrätz sind uns indeß Ihre vielfachen Bemühungen für das hiesige Theater nicht entgangen. Sie haben geleistet, was ein Theaterdirektor in Köln leisten kann. Das Wetter wird schlechter und das Geld wird häufiger. Hoffen wir, daß die Zahl Ihrer Besucher sich mehrt, und daß Sie für Ihre Anstrengungen besser belohnt werden. So weit unsere alltäglichen Bemerkungen. Jetzt zu den Beinen der Frau Martin-Zimmann. Sie, Hr. Gerlach sind zweibeinig und ich bin zweibeinig und viele andere Menschen haben zwei Beine. Niemand wird dies läugnen und nichts ist natürlicher. Unsere Beine haben sogar auffallende Aehnlichkeit mit denen der Frau Martin-Zimmann; sie sind gerade gewachsen, die meinigen und die ihrigen wenigstens, und wir können darauf gehen und laufen und springen, aber was meinen Sie, Hr. Gerlach, wenn wir darauf tanzen wollten, wie Frau Martin-Zimmann? Ja, wahrhaftig, die Buben auf der Gallerie würden sich krank lachen, und das Parterre würde uns auspfeifen und alle kleinen Frauenzimmer würden unserwegen erröthen, ja, erröthen bis über den Busen. Frau Martin-Zimmann wurde weder ausgelacht noch ausgepfiffen, als sie zuerst bei uns auftrat. Die Lust ihrer reizenden Beine spiegelte sich auf allen Gesichtern wieder. Verständlich war die Musik ihrer Schenkel für Gamin und Dandy. Ja, wären Türken und Samojeden zugegen gewesen, beide würden sie verstanden haben, denn verständlich tanzt dieses Weib für alle Völker. Es ist als ob sie hebräisch spräche mit ihren Beinen, und griechisch und italienisch und französisch, denn Juden und Griechen und Italiener und Franzosen verstehen die Sprache dieser Beine. Wissen Sie weßhalb? Frau Martin-Zimmann tanzt Wahrheit mit ihren Beinen, reine lautere Wahrheit, die süße Wahrheit der Wollust. Da haben Sie das ganze Räthsel. Die Sprache dieser Tänzerin war auch die Sprache aller schönen Weiber, von Erschaffung der Welt an, bis auf den heutigen Tag. Die Sprache einer Rahel, einer Esther, einer Helena, einer Agrippa, einer Nino, einer Lola, die Sprache aller schönen Babylonierinnen, die Sprache ihrer Lippen, ihrer Locken, ihrer Augen, ihrer seligen Schenkel ‒ den letztern Dialekt spricht Frau Martin-Zimmann natürlich am geläufigsten. Rhythmus sitzt in den Beinen dieser Frau. Jamben tanzt sie, Daktylen und Trochäen. In Hexametern springt sie und regungslos staunen wir zu ihr hinüber und denken nicht mehr an Jellachich und Windischgrätz ‒ vergessen ist der 24. Februar und der 18. März, vergessen die Revolution. Wir sehen Frau Martin-Zimmann gestern in dem Scribe-Auber'schen Stücke: „Der Gott und die Bajadere.“ Ein frivoler Setzer der „Neuen Rheinischen Zeitung“ hatte in der Theater-Annonce schlichtweg „Gott und die Bajadere“ drucken lassen. Hr. Scribe hat das Göthesche Gedicht nach Kräften verhunzt; Hr. Auber fabrizirte eine entsprechende Musik dazu. Olifur, Oberrichter im Lande Kaschmir, ein alter verliebter Satan, mit abscheulichem Barte, recht ein Mann von dessen Männlichkeit eben nichts übrig geblieben ist, als der Bart, sitzt im Vordergrunde der Scene, umringt von Tschobedars, Wachen und Sclaven. Da nahen Bajaderen und unter ihnen Zoloé, eine Fremde, die der Sprache des Landes nicht recht mächtig, auf alle

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 137. Köln, 8. November 1848, S. 0697. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz137_1848/1>, abgerufen am 21.11.2024.