Neue Rheinische Zeitung. Nr. 142. Köln, 14. November 1848. Zweite Ausgabe.sammelten Abgeordneten nicht zu Handlungen verleiten zu lassen, wodurch die öffentliche Ordnung irgendwie gestört wird und welche in keinem Falle ungeahndet bleiben würden. Berlin, den 11. Nov. 1848. Das Staatsministerium. Gf. v. Brandenburg. v. Ladenberg. v. Strotha. v. Manteuffel. Gegen 5 Uhr ist das Scrutinium beendigt. Das Resultat der Präsidentenwahl ist folgendes: Zahl der Abstimmenden 248. Abg. Unruh 243 Stimmen. Waldeck 1 und Grabow 1 Stimme; -- 1 Stimmzettel war ungültig. Vice-Präsident Phillips: Ich proklamire hiermit den Abg. Unruh zum Präsidenten der Preußischen Nationalversammlung. (Stürmischer Beifall.) Unruh dankt und gibt die Versicherung, daß er freiwillig nie diesen Platz verlassen werde. -- Temme: Auch wir schwören, unsere Plätze nicht zu verlassen. (Beifall.) Berg stellt den Antrag: Der Mecklenburgischen Abgeordnetenversammlung den Dank unserer Versammlung auszusprechen, weil sie die erste ist, welche das Vertrauen der preußischen Volksvertreter auf die deutschen Stämme rechtfertigt; wird einstimmig angenommen. Die Sitzung wird geschlossen und die nächste zu morgen Vormittag 11 Uhr in demselben Lokale, im Saale des Schützenhauses angesetzt. Als ich auf meinem Rückwege vor dem Schlosse ankam, wurde der Belagerungszustand proklamirt. Auf dem Schloßplatze waren Tausende von Menschen versammelt, welche dieser Proklamirung mit Hohn antworteten. Das souveräne Volk trat an die verschlossenen eisernen Schloßgitter heran und rief den im Schloßportale stehenden Offizieren und Soldaten die tollsten Witze und Ausrufungen zu. Eine halbe Stunde später. Noch sind die Folgen des Belagerungszustandes nirgends zu bemerken. Auf den Straßen wogt die ganze Bevölkerung Berlins. Wer nicht wüßte, warum es sich handelt, würde glauben, heute findet ein Volksfest statt. Bewaffnete Bürger und Arbeiter ziehen ungehindert durch alle Straßen, noch ist kein Soldat zu sehen. Berlin in Belagerungszustand. So eben um 5 1/2 Uhr wird Berlin in Belagerungszustand erklärt. Die Bekanntmachung, welche an allen Ecken angeschlagen ist, lautet: "Die in hiesiger Stadt eingetretenen Ereignisse haben die ordentlichen Civilbehörden außer Stand gesetzt, dem Gesetze die gebührende Geltung zu verschaffen. Das unterzeichnete Staatsministerium darf daher nicht Anstand nehmen, zu außerordentlichen Maßregeln zu schreiten und erklärt hiermit die Stadt Berlin und deren zweimeiligen Umkreis in Belagerungszustand. Die in dieser Beziehung zu treffenden näheren Anordnungen werden demnach fortan von dem General der Kavallerie von Wrangel, welcher die Truppen in den Marken kommandirt, ausgehen. Berlin, den 12. November 1848. Das Staats-Ministerium. Graf v. Brandenburg. v. Ladenberg. v. Strotha. v. Manteuffel. Eine andere Bekanntmachung enthält die nähern Anordnungen des General Wrangel und scheinen denen, die vom Fürsten Windischgrätz in Wien erlassen sind, ganz nachgeschrieben zu sein. -- Das Tragen von Waffen, Preßfreiheit, Versammlungsrecht, Alles ist verboten. Es dürfen nur 10 Menschen auf der Straße zusammenstehen, Fremde sollen binnen 24 Stunden die Stadt verlassen; wer auf den Eisenbahnen bewaffnet ankommt, dem sollen die Waffen abgenommen werden u. s. w. 20 Berlin, 12. Nov. Die kgl. Ordonnanz, die Entwaffnung der hiesigen Bürgerwehr betreffend (wir meldeten sie gestern noch als Gerücht, obgleich sie bereits im Staatsanzeiger abgedruckt war) hat die herrschende Aufregung auf eine furchtbare Höhe gebracht. Noch gestern Abend versammelten sich die Kompagnien der Bürgerwehr und einmüthig wurde beschlossen, die Waffen nicht abzugeben, sondern es darauf ankommen zu lassen, was das Gouvernement weiter thun würde. In der Versammlung der Majore ereignete sich unterdeß ein nicht minder wichtiger Vorfall. Herr Rimpler legte, um sich weiterer Verantwortlichkeit zu überheben, den Oberbefehl nieder; die Majore folgten seinem Beispiele. Zugleich wurden aber, um die Entwaffnung möglichst zu erschweren, die Stammlisten der Bürgerwehr vernichtet. Die Nachricht von der Abdankung der Befehlshaber rief in den Kompagnien eine unbeschreibliche Erbitterung hervor, die nur durch die Erklärung der Befehlshaber besänftigt wurde, daß ihre Abdankung nur ihre Form sei, daß sie aber im Augenblicke des Kampfes an der Spitze ihrer Bataillone stehen würden. Es ging außerdem das Gerücht, daß während der Nacht sämmtliche Abgeordnete verhaftet werden sollten, eine Maßregel, die dem Säbelregiment wohl zuzutrauen, bis jetzt aber nicht erfolgt ist. Erst spät in der Nacht trennten sich die Kompagnien der Bürgerwehr, um sich heute wieder zu versammeln. Straße und Plätze waren die ganze Nacht hindurch belebt; am Schlosse unterhielt sich das Volk durch die geschlossenen Gitter mit den wachthabenden Soldaten. Die Truppen waren die ganze Nacht hindurch nur korporalschaftweise bei einander; sie fürchteten einzeln einen Ueberfall in den Häusern. Zahlreiche Militärpatrouillen durchschritten die Straßen. So brach der Morgen an. Er wurde von den kgl. Ordonnanzen begrüßt, die an allen Ecken angeheftet waren. Diese Liebesgrüße des "Ungeschwächten" waren indeß bald verschwunden, wo sie nur immer der Arm des Volkes erreichen konnte. Sie waren mit Absicht sehr hoch angeheftet. Die Aufregung wächst nun mit jeder Stunde; bewaffnetes Volk läuft hin und her, doch geht es noch ganz friedlich her. Aber an die Aufforderung des Polizeipräsidiums, bis um 5 Uhr Nachmittags die Waffen abzuliefern, kehrt sich Niemand. Vielmehr werden an die noch Unbewaffneten Gewehre vertheilt. Das Volk nimmt Jedem seine Waffe, der Miene macht, sie abzuliefern. 1 Uhr Mittags. Es finden Truppenbewegungen Statt. Das Militär wird in seine Sammelplätze konfignirt; im Schauspielhause liegen 1000 Mann, in der Seehandlung 2000; ins Schloß werden 20 Kanonen gefahren. So eben verläßt ein Theil der Truppen mit Geschütz die Stadt; der Kreuzberg ist mit Kanonen besetzt. 3 Uhr. Sitzung der Nationalversammlung im Schützenhause. Tausende umgeben das Haus; es ist von Bewaffneten besetzt. Die Königsstraße wimmelt von Volk. 5 Uhr. Die Waffen sind nicht abgeliefert; Alles rüstet sich zum Kampfe. Man erwartet den Belagerungszustand mit ruhigem, kaltem Blute. Ausreißer verlassen massenhaft die Stadt. Diese Zustände haben sich bis jetzt in Nichts geändert. Die Bürgerwehr verharrt noch immer in ihrem passiven Widerstande. Magistrat und Stadtverordneten haben heute wieder eine Deputation nach Potsdam geschickt, um wenigstens einen Indult von 48 Stunden zu erlangen. Unserer Bourgeosie ganz würdig! Nachträglich bemerke ich noch, daß Rimpler das Kommando wieder ergriffen hat, da der Magistrat seine Entlassung nicht angenommen hat. Er hält sich übrigens verborgen, da er von Verhaftsbefehlen verfolgt wird. Das Obertribunal erklärt dns Gerücht, daß es sich in pleno gegen den König entschieden, überhaupt daß es über den obwaltenden Konflikt berathen habe, für irrig. Neuestes. 6 1/4 Uhr. So eben wird auf dem Schloßplatze unter Trommelschlag der Belagerungszustand für Berlin und 2 Meilen im Umkreise proklamirt! Kostbare Sachen! Belagerungszustand und Bombardement, wie paßt das zusammen? Ein Belagerungszustand, um zu entwaffnen! Hat Wrangel damit schon etwas erreicht? Höchstens hat er die Nationalversammlung auseinandergetrieben; für ihn ist die Entwaffnungsfrage noch immer offen trotz dem Belagerungszustande. -- Die Bourgeoisie ist jetzt auf dem Punkte, aus ihrer Passivität herauszutreten, um zu handeln. Wir wollen sehen! Berlin, 12. Nov. Wie klar das Recht und die Pflicht des Gouvernements zu seinen Schritten ist, geht daraus hervor, daß, wie wir erfahren haben, der Frankfurter Abgeordnete, Hr. Bassermann heute hier ist, um die k. Regierung aufzufordern, Ordnung zu machen, und zwar durch Vertagung und Verlegung der Versammlung, sowie zugleich durch Auflösung der Bürgerwehr. Wir können unserm Ministerium nur danken, daß es Hrn. Bassermann zuvorgekommen ist und dem preußischen Staate die Schmach erspart hat, zuzusehen, wie durch einen Abgeordneten der Frankfurter Versammlung in Berlin Ordnung gemacht wird. (R. Pr. Z.)Pleschen, 8. Nov. Die Amnestie für das Großherzogthum Posen ist erfolgt; wie sie aber ausgeführt wird, mag man aus dem folgenden Briefe eines Gefangenen ersehen: "Die Hoffnung auf unsere Befreiung zur Geburtstagsfeier des Königs hat uns bitter getäuscht; vergebens haben wir gehofft. Nur Krauthofer und etwa 10 Kriminalgefangene wurden entlassen, darunter auch ein Deutscher, welcher einen unbewaffneten Greis, einen Polen, bei Pinne erschlagen hat. Für Mörder gibt es hier Amnestie, für uns Polen nicht. Ollmütz, 5. Novbr. Gestern marschirten zwei Compagnien Mocochelli Infanterie nach der schlesischen Gränze ab, um einen dort ausgebrochenen Bauernaufstand zu dämpfen. In Gotschdorf nämlich, das hart an der preußischen Grenze liegt, äußerte sich der Gutsbesitzer, Graf Arco: Wenn Wien fällt, so werde er seine Unterthanen als Pferde vor seinen Wagen spannen, um ihnen zu beweisen, daß die Robot nicht aufgehoben sei. Diese Worte entflammten die Gemüther der Landleute, mehre Ortschaften schaarten sich zusammen, steckten des Grafen schönes Schloß in Brand, und verwüsteten seine Anlagen und die herrschaftlichen Gebäude. Der Graf selbst wurde von einer Kugel durch die Schulter getroffen und nach Troppau gebracht. Alle Ortschaften der Umgegend sind auf und waren gerade am Sprunge, den Wienern zu Hilfe zu eilen, als sie die Kunde von ihrer Kapitulirung erhielten. Zu diesem Zwecke waren auf den Bergen Holzstöße aufgeschichtet, welche man als Signale anzünden wollte, um auch die gleichgesinnten preußischen Schlesier herbeizurufen, welche dem Landsturm sich anzuschließen versprochen hatten. Italien. * Neapel. Die "Times" vom 11. November bringt einen Brief ihres neapolitanischen Korrespondenten vom 1. November, wonach Instruktionen von Paris eingetroffen sein sollen, die, wenn auch nicht auf der förmlichen Trennung Ciciliens von Neapel bestehend, dennoch Separat-Verwaltung und Separat-Heer zur Bedingung machen. Der König soll nicht Willens sein, sich diesem Aeußersten zu fügen, und will, sagt er, lieber seine Krone verlieren. Graf Ludolff's Mission nach Paris und London soll ihren Zweck gänzlich verfehlt haben, doch hofft der (ultra konservative und royalistische) Berichterstatter der "Times" nichtsdestoweniger, daß Mr. Temple (Lord Palmerston's Bruder), dessen Ankunft auf den 3. erwartet wurde, die Sachen noch im Sinne der Regierung schlichten werde. -- Neapel war ruhig, doch hieß es, daß republikanische Emissäre aus Nord-Italien die Stadt und ihre Umgebungen bearbeiteten, und erwartete man deßwegen mit ziemlicher Bestimmtheit den nahen Ausbruch einer "Emeute." Im Theater San Carlo waren allabendlich 200 Soldaten hinter den Coulissen versteckt. * Vom Comer See. Die Insurrektion im Val d'Intelvi, schreibt man der "Opinione", behauptet sich; die Oestreicher sind noch nicht weiter als Argegno, und wagen es nicht einmal, sich in dieser Stadt aufzuhalten, aus Furcht, in ihr überrascht zu werden. Ebenso haben sie im Veltlin keinen vorgerücktern Posten, als Chiavenna, und wahrscheinlich sind sie im Augenblick auch dort schon wieder vertrieben. Wenigstens hat eine Insurgentenabtheilung Chiavenna angegriffen, die nähern Nachrichten über den Ausgang des Kampfes fehlen inzwischen noch. Auch in ihren Positionen zu Laveno und Luvino werden die Oestreicher beunruhigt; auf dem Bisbino, dem Sanct Bemhard und den Bergen von Lecco flackern die Signalfeuer der Aufständischen, und wenn das Glück der Insurrektion ihrem Muth und ihrer Begeisterung gleichkommt, so ist an einem siegreichen Ausgange, trotz aller momentanen kleinen Schlappen, nicht zu zweifeln. In Venedig bleiben die Italiener siegreich. Eine Proklamation Weldens, ganz im Blut- und Kartätschenstyl, verräth die Angst, welche der neu entbrennende Kampf den Oestreichern einflößt. Französische Republik. * Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. Paris, 11. Novbr. (Erstes Manifest Cavaignac's.) Die Steeple-Chase Royal -- zu Deutsch, das Wettrennen nach der Krone unserer jungfräulichen Republik, hat begonnen. In Form eines Rundschreibens an sämmtliche Civil- und Militärbeamten tritt Cavaignac, dieser Gewährsmann aller Ordnungsfreunde, als Kandidat für die Präsidentschaftsstelle auf. Das Schreiben ist zu lang, um es hier wörtlich übersetzen zu können, doch lassen wir vorläufig folgende Stellen als Selbstkritik sprechen: Paris, 10. Novbr. "Bürger (Beamten). Die Nationalversammlung hat durch ein definitives Votum das von ihr mit so ausdauernder und gewissenhafter Energie unternommene Werk beendet. Die republikanische Verfassung ist genehmigt und die (morgige) Promulgation wird dem Volke den Text dieses Grundgesetzes selbst verlautbaren, das künftig seine Geschicke lenken soll. In einem so wichtigen Falle wünsche ich mich ausnahmsweise, was wohl der Ernst der Umstände erklärt, mit Ihnen direkt in Verbindung zu setzen, der Sie je nach Maßgabe Ihrer Stellung berufen sind, zu dem wichtigen Wahlwerk beizutragen und um Ihnen die Bürgschaften und neuen Kräfte anzudeuten, welche die Verfassung Ihrem Amte gibt." Nachdem auf diese Weise den Beamten und Offizieren neue Bürgschaften und neue Kräfte wie süßer Honig versprochen, folgt eine tausendste Erklärung über die Februarrevolution und der gegen sie "vergeblich" erhobenen Mai- und Junistürme. Mit diesen ewigen Widerholungen wollen wir den Leser verschonen. Wahrhaftig possirlich ist es aber zu sehen, wie sich Cavaignac auf das allgemeine Stimmrecht stemmt -- gerade diesen Stein des Anstoßes, über den er den Hals brechen dürfte. "Das allgemeine Stimmrecht, ruft er aus, darin liegt die ganze Februarrevolution!" Es wird sich zeigen, ob die Arbeiter und Bauern, d. h. die große Masse des Stadt- und Land-Proletariats stimmen und für wen sie stimmen werden? General Cavaignac dürfte für seine Aufopferung bitter enttäuscht werden. An starken Hieben und Fußtritten auf die Sozialisten und Kommunisten fehlt es in diesem Rundschreiben wahrlich nicht. "Ausgearbeitet (heißt es darin) im Angesichte aufrührerischer Theorien -- soll heißen: in Gegenwart Leroux's und Proudhon's -- welche Eigenthum, Familie und alle möglichen und heilsamen Bedingungen der Arbeit angreifen, hatte die Verfassung nicht nöthig, diese ewigen Grundsätze, auf welchen alle Rechte beruhen, von Neuem zu stärken. Sie brauchte sie nur zu konstatiren, anzuerkennen und durch feierliche Erklärung zu bestätigen. Ihr Inhalt fügt darum Ihrer Amtsthätigkeit in dieser Beziehung nichts bei. Jede Zeit hat ihre Irrthümer und Gefahren. Sie kennen die Irrthümer, die Gefahren unserer Epoche. Sie werden daher fortfahren, Sie mit der Ergebung zu bekämpfen, welches die Republik Ihrer Seits zu erwarten das Recht hat." Die Bonapartisten und Legitimisten kommen viel gnädiger weg. "Das Land leidet -- heißt es im Rundschreiben -- und einige wenig aufgeklärte Menschen sind nur zu sehr geneigt, ihre Leiden und Entbehrungen den Grundsätzen der republikanischen Regierungsform selbst zuzuschreiben. Bestreben Sie sich, diese fünesten Tendenzen zu bekämpfen u. s. w." Schließlich wird der Geistlichkeit Weihrauch gestreut: "Die Nationalversammlung hat bestimmt, daß die Verfassungsverkündigung einen religiösen Charakter trage. Die Regierung faßte diesen Gedanken zuerst und hofft auf Ihre Unterstützung. Die Verfassung gewährleistet jedem Bürger die freie Ausübung seines Religionskultus und hält das ewige Gesetz der Gewissensfreiheit fest. Sie werden, das weiß ich, bei allen Dienern der Kirche mit patriotischem Eifer unterstützt werden u. s. w. Sie haben dem Minister, unter dessen Departement Sie gehören, über den Erfolg der Verfassungs-Promulgation Bericht zu erstatten. (gez.) General E. Cavaignac." -- Der Moniteur enthält heute das Programm zu dem morgigen Verfassungsfeste. -- Das vorläufige Manifest Cavaignac's an die Beamten- und Militärwelt ist aus der Feder Dufaure's geflossen. Cavaignac händigte dem Minister gestern mehrere beschriebene Blätter ein, die dieser mit Hülfe Viviens ganz umschrieb und nach seinem Geschmack zustutzte. Cavaignac, der feine Diplomat, läßt Alles geschehen. -- Der Siecle ist ganz entzückt über das Cavaignac'sche Rund- sammelten Abgeordneten nicht zu Handlungen verleiten zu lassen, wodurch die öffentliche Ordnung irgendwie gestört wird und welche in keinem Falle ungeahndet bleiben würden. Berlin, den 11. Nov. 1848. Das Staatsministerium. Gf. v. Brandenburg. v. Ladenberg. v. Strotha. v. Manteuffel. Gegen 5 Uhr ist das Scrutinium beendigt. Das Resultat der Präsidentenwahl ist folgendes: Zahl der Abstimmenden 248. Abg. Unruh 243 Stimmen. Waldeck 1 und Grabow 1 Stimme; — 1 Stimmzettel war ungültig. Vice-Präsident Phillips: Ich proklamire hiermit den Abg. Unruh zum Präsidenten der Preußischen Nationalversammlung. (Stürmischer Beifall.) Unruh dankt und gibt die Versicherung, daß er freiwillig nie diesen Platz verlassen werde. — Temme: Auch wir schwören, unsere Plätze nicht zu verlassen. (Beifall.) Berg stellt den Antrag: Der Mecklenburgischen Abgeordnetenversammlung den Dank unserer Versammlung auszusprechen, weil sie die erste ist, welche das Vertrauen der preußischen Volksvertreter auf die deutschen Stämme rechtfertigt; wird einstimmig angenommen. Die Sitzung wird geschlossen und die nächste zu morgen Vormittag 11 Uhr in demselben Lokale, im Saale des Schützenhauses angesetzt. Als ich auf meinem Rückwege vor dem Schlosse ankam, wurde der Belagerungszustand proklamirt. Auf dem Schloßplatze waren Tausende von Menschen versammelt, welche dieser Proklamirung mit Hohn antworteten. Das souveräne Volk trat an die verschlossenen eisernen Schloßgitter heran und rief den im Schloßportale stehenden Offizieren und Soldaten die tollsten Witze und Ausrufungen zu. Eine halbe Stunde später. Noch sind die Folgen des Belagerungszustandes nirgends zu bemerken. Auf den Straßen wogt die ganze Bevölkerung Berlins. Wer nicht wüßte, warum es sich handelt, würde glauben, heute findet ein Volksfest statt. Bewaffnete Bürger und Arbeiter ziehen ungehindert durch alle Straßen, noch ist kein Soldat zu sehen. Berlin in Belagerungszustand. So eben um 5 1/2 Uhr wird Berlin in Belagerungszustand erklärt. Die Bekanntmachung, welche an allen Ecken angeschlagen ist, lautet: „Die in hiesiger Stadt eingetretenen Ereignisse haben die ordentlichen Civilbehörden außer Stand gesetzt, dem Gesetze die gebührende Geltung zu verschaffen. Das unterzeichnete Staatsministerium darf daher nicht Anstand nehmen, zu außerordentlichen Maßregeln zu schreiten und erklärt hiermit die Stadt Berlin und deren zweimeiligen Umkreis in Belagerungszustand. Die in dieser Beziehung zu treffenden näheren Anordnungen werden demnach fortan von dem General der Kavallerie von Wrangel, welcher die Truppen in den Marken kommandirt, ausgehen. Berlin, den 12. November 1848. Das Staats-Ministerium. Graf v. Brandenburg. v. Ladenberg. v. Strotha. v. Manteuffel. Eine andere Bekanntmachung enthält die nähern Anordnungen des General Wrangel und scheinen denen, die vom Fürsten Windischgrätz in Wien erlassen sind, ganz nachgeschrieben zu sein. — Das Tragen von Waffen, Preßfreiheit, Versammlungsrecht, Alles ist verboten. Es dürfen nur 10 Menschen auf der Straße zusammenstehen, Fremde sollen binnen 24 Stunden die Stadt verlassen; wer auf den Eisenbahnen bewaffnet ankommt, dem sollen die Waffen abgenommen werden u. s. w. 20 Berlin, 12. Nov. Die kgl. Ordonnanz, die Entwaffnung der hiesigen Bürgerwehr betreffend (wir meldeten sie gestern noch als Gerücht, obgleich sie bereits im Staatsanzeiger abgedruckt war) hat die herrschende Aufregung auf eine furchtbare Höhe gebracht. Noch gestern Abend versammelten sich die Kompagnien der Bürgerwehr und einmüthig wurde beschlossen, die Waffen nicht abzugeben, sondern es darauf ankommen zu lassen, was das Gouvernement weiter thun würde. In der Versammlung der Majore ereignete sich unterdeß ein nicht minder wichtiger Vorfall. Herr Rimpler legte, um sich weiterer Verantwortlichkeit zu überheben, den Oberbefehl nieder; die Majore folgten seinem Beispiele. Zugleich wurden aber, um die Entwaffnung möglichst zu erschweren, die Stammlisten der Bürgerwehr vernichtet. Die Nachricht von der Abdankung der Befehlshaber rief in den Kompagnien eine unbeschreibliche Erbitterung hervor, die nur durch die Erklärung der Befehlshaber besänftigt wurde, daß ihre Abdankung nur ihre Form sei, daß sie aber im Augenblicke des Kampfes an der Spitze ihrer Bataillone stehen würden. Es ging außerdem das Gerücht, daß während der Nacht sämmtliche Abgeordnete verhaftet werden sollten, eine Maßregel, die dem Säbelregiment wohl zuzutrauen, bis jetzt aber nicht erfolgt ist. Erst spät in der Nacht trennten sich die Kompagnien der Bürgerwehr, um sich heute wieder zu versammeln. Straße und Plätze waren die ganze Nacht hindurch belebt; am Schlosse unterhielt sich das Volk durch die geschlossenen Gitter mit den wachthabenden Soldaten. Die Truppen waren die ganze Nacht hindurch nur korporalschaftweise bei einander; sie fürchteten einzeln einen Ueberfall in den Häusern. Zahlreiche Militärpatrouillen durchschritten die Straßen. So brach der Morgen an. Er wurde von den kgl. Ordonnanzen begrüßt, die an allen Ecken angeheftet waren. Diese Liebesgrüße des „Ungeschwächten“ waren indeß bald verschwunden, wo sie nur immer der Arm des Volkes erreichen konnte. Sie waren mit Absicht sehr hoch angeheftet. Die Aufregung wächst nun mit jeder Stunde; bewaffnetes Volk läuft hin und her, doch geht es noch ganz friedlich her. Aber an die Aufforderung des Polizeipräsidiums, bis um 5 Uhr Nachmittags die Waffen abzuliefern, kehrt sich Niemand. Vielmehr werden an die noch Unbewaffneten Gewehre vertheilt. Das Volk nimmt Jedem seine Waffe, der Miene macht, sie abzuliefern. 1 Uhr Mittags. Es finden Truppenbewegungen Statt. Das Militär wird in seine Sammelplätze konfignirt; im Schauspielhause liegen 1000 Mann, in der Seehandlung 2000; ins Schloß werden 20 Kanonen gefahren. So eben verläßt ein Theil der Truppen mit Geschütz die Stadt; der Kreuzberg ist mit Kanonen besetzt. 3 Uhr. Sitzung der Nationalversammlung im Schützenhause. Tausende umgeben das Haus; es ist von Bewaffneten besetzt. Die Königsstraße wimmelt von Volk. 5 Uhr. Die Waffen sind nicht abgeliefert; Alles rüstet sich zum Kampfe. Man erwartet den Belagerungszustand mit ruhigem, kaltem Blute. Ausreißer verlassen massenhaft die Stadt. Diese Zustände haben sich bis jetzt in Nichts geändert. Die Bürgerwehr verharrt noch immer in ihrem passiven Widerstande. Magistrat und Stadtverordneten haben heute wieder eine Deputation nach Potsdam geschickt, um wenigstens einen Indult von 48 Stunden zu erlangen. Unserer Bourgeosie ganz würdig! Nachträglich bemerke ich noch, daß Rimpler das Kommando wieder ergriffen hat, da der Magistrat seine Entlassung nicht angenommen hat. Er hält sich übrigens verborgen, da er von Verhaftsbefehlen verfolgt wird. Das Obertribunal erklärt dns Gerücht, daß es sich in pleno gegen den König entschieden, überhaupt daß es über den obwaltenden Konflikt berathen habe, für irrig. Neuestes. 6 1/4 Uhr. So eben wird auf dem Schloßplatze unter Trommelschlag der Belagerungszustand für Berlin und 2 Meilen im Umkreise proklamirt! Kostbare Sachen! Belagerungszustand und Bombardement, wie paßt das zusammen? Ein Belagerungszustand, um zu entwaffnen! Hat Wrangel damit schon etwas erreicht? Höchstens hat er die Nationalversammlung auseinandergetrieben; für ihn ist die Entwaffnungsfrage noch immer offen trotz dem Belagerungszustande. — Die Bourgeoisie ist jetzt auf dem Punkte, aus ihrer Passivität herauszutreten, um zu handeln. Wir wollen sehen! Berlin, 12. Nov. Wie klar das Recht und die Pflicht des Gouvernements zu seinen Schritten ist, geht daraus hervor, daß, wie wir erfahren haben, der Frankfurter Abgeordnete, Hr. Bassermann heute hier ist, um die k. Regierung aufzufordern, Ordnung zu machen, und zwar durch Vertagung und Verlegung der Versammlung, sowie zugleich durch Auflösung der Bürgerwehr. Wir können unserm Ministerium nur danken, daß es Hrn. Bassermann zuvorgekommen ist und dem preußischen Staate die Schmach erspart hat, zuzusehen, wie durch einen Abgeordneten der Frankfurter Versammlung in Berlin Ordnung gemacht wird. (R. Pr. Z.)Pleschen, 8. Nov. Die Amnestie für das Großherzogthum Posen ist erfolgt; wie sie aber ausgeführt wird, mag man aus dem folgenden Briefe eines Gefangenen ersehen: „Die Hoffnung auf unsere Befreiung zur Geburtstagsfeier des Königs hat uns bitter getäuscht; vergebens haben wir gehofft. Nur Krauthofer und etwa 10 Kriminalgefangene wurden entlassen, darunter auch ein Deutscher, welcher einen unbewaffneten Greis, einen Polen, bei Pinne erschlagen hat. Für Mörder gibt es hier Amnestie, für uns Polen nicht. Ollmütz, 5. Novbr. Gestern marschirten zwei Compagnien Mocochelli Infanterie nach der schlesischen Gränze ab, um einen dort ausgebrochenen Bauernaufstand zu dämpfen. In Gotschdorf nämlich, das hart an der preußischen Grenze liegt, äußerte sich der Gutsbesitzer, Graf Arco: Wenn Wien fällt, so werde er seine Unterthanen als Pferde vor seinen Wagen spannen, um ihnen zu beweisen, daß die Robot nicht aufgehoben sei. Diese Worte entflammten die Gemüther der Landleute, mehre Ortschaften schaarten sich zusammen, steckten des Grafen schönes Schloß in Brand, und verwüsteten seine Anlagen und die herrschaftlichen Gebäude. Der Graf selbst wurde von einer Kugel durch die Schulter getroffen und nach Troppau gebracht. Alle Ortschaften der Umgegend sind auf und waren gerade am Sprunge, den Wienern zu Hilfe zu eilen, als sie die Kunde von ihrer Kapitulirung erhielten. Zu diesem Zwecke waren auf den Bergen Holzstöße aufgeschichtet, welche man als Signale anzünden wollte, um auch die gleichgesinnten preußischen Schlesier herbeizurufen, welche dem Landsturm sich anzuschließen versprochen hatten. Italien. * Neapel. Die „Times“ vom 11. November bringt einen Brief ihres neapolitanischen Korrespondenten vom 1. November, wonach Instruktionen von Paris eingetroffen sein sollen, die, wenn auch nicht auf der förmlichen Trennung Ciciliens von Neapel bestehend, dennoch Separat-Verwaltung und Separat-Heer zur Bedingung machen. Der König soll nicht Willens sein, sich diesem Aeußersten zu fügen, und will, sagt er, lieber seine Krone verlieren. Graf Ludolff's Mission nach Paris und London soll ihren Zweck gänzlich verfehlt haben, doch hofft der (ultra konservative und royalistische) Berichterstatter der „Times“ nichtsdestoweniger, daß Mr. Temple (Lord Palmerston's Bruder), dessen Ankunft auf den 3. erwartet wurde, die Sachen noch im Sinne der Regierung schlichten werde. — Neapel war ruhig, doch hieß es, daß republikanische Emissäre aus Nord-Italien die Stadt und ihre Umgebungen bearbeiteten, und erwartete man deßwegen mit ziemlicher Bestimmtheit den nahen Ausbruch einer „Emeute.“ Im Theater San Carlo waren allabendlich 200 Soldaten hinter den Coulissen versteckt. * Vom Comer See. Die Insurrektion im Val d'Intelvi, schreibt man der „Opinione“, behauptet sich; die Oestreicher sind noch nicht weiter als Argegno, und wagen es nicht einmal, sich in dieser Stadt aufzuhalten, aus Furcht, in ihr überrascht zu werden. Ebenso haben sie im Veltlin keinen vorgerücktern Posten, als Chiavenna, und wahrscheinlich sind sie im Augenblick auch dort schon wieder vertrieben. Wenigstens hat eine Insurgentenabtheilung Chiavenna angegriffen, die nähern Nachrichten über den Ausgang des Kampfes fehlen inzwischen noch. Auch in ihren Positionen zu Laveno und Luvino werden die Oestreicher beunruhigt; auf dem Bisbino, dem Sanct Bemhard und den Bergen von Lecco flackern die Signalfeuer der Aufständischen, und wenn das Glück der Insurrektion ihrem Muth und ihrer Begeisterung gleichkommt, so ist an einem siegreichen Ausgange, trotz aller momentanen kleinen Schlappen, nicht zu zweifeln. In Venedig bleiben die Italiener siegreich. Eine Proklamation Weldens, ganz im Blut- und Kartätschenstyl, verräth die Angst, welche der neu entbrennende Kampf den Oestreichern einflößt. Französische Republik. * Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. Paris, 11. Novbr. (Erstes Manifest Cavaignac's.) Die Steeple-Chase Royal — zu Deutsch, das Wettrennen nach der Krone unserer jungfräulichen Republik, hat begonnen. In Form eines Rundschreibens an sämmtliche Civil- und Militärbeamten tritt Cavaignac, dieser Gewährsmann aller Ordnungsfreunde, als Kandidat für die Präsidentschaftsstelle auf. Das Schreiben ist zu lang, um es hier wörtlich übersetzen zu können, doch lassen wir vorläufig folgende Stellen als Selbstkritik sprechen: Paris, 10. Novbr. „Bürger (Beamten). Die Nationalversammlung hat durch ein definitives Votum das von ihr mit so ausdauernder und gewissenhafter Energie unternommene Werk beendet. Die republikanische Verfassung ist genehmigt und die (morgige) Promulgation wird dem Volke den Text dieses Grundgesetzes selbst verlautbaren, das künftig seine Geschicke lenken soll. In einem so wichtigen Falle wünsche ich mich ausnahmsweise, was wohl der Ernst der Umstände erklärt, mit Ihnen direkt in Verbindung zu setzen, der Sie je nach Maßgabe Ihrer Stellung berufen sind, zu dem wichtigen Wahlwerk beizutragen und um Ihnen die Bürgschaften und neuen Kräfte anzudeuten, welche die Verfassung Ihrem Amte gibt.“ Nachdem auf diese Weise den Beamten und Offizieren neue Bürgschaften und neue Kräfte wie süßer Honig versprochen, folgt eine tausendste Erklärung über die Februarrevolution und der gegen sie „vergeblich“ erhobenen Mai- und Junistürme. Mit diesen ewigen Widerholungen wollen wir den Leser verschonen. Wahrhaftig possirlich ist es aber zu sehen, wie sich Cavaignac auf das allgemeine Stimmrecht stemmt — gerade diesen Stein des Anstoßes, über den er den Hals brechen dürfte. „Das allgemeine Stimmrecht, ruft er aus, darin liegt die ganze Februarrevolution!“ Es wird sich zeigen, ob die Arbeiter und Bauern, d. h. die große Masse des Stadt- und Land-Proletariats stimmen und für wen sie stimmen werden? General Cavaignac dürfte für seine Aufopferung bitter enttäuscht werden. An starken Hieben und Fußtritten auf die Sozialisten und Kommunisten fehlt es in diesem Rundschreiben wahrlich nicht. „Ausgearbeitet (heißt es darin) im Angesichte aufrührerischer Theorien — soll heißen: in Gegenwart Leroux's und Proudhon's — welche Eigenthum, Familie und alle möglichen und heilsamen Bedingungen der Arbeit angreifen, hatte die Verfassung nicht nöthig, diese ewigen Grundsätze, auf welchen alle Rechte beruhen, von Neuem zu stärken. Sie brauchte sie nur zu konstatiren, anzuerkennen und durch feierliche Erklärung zu bestätigen. Ihr Inhalt fügt darum Ihrer Amtsthätigkeit in dieser Beziehung nichts bei. Jede Zeit hat ihre Irrthümer und Gefahren. Sie kennen die Irrthümer, die Gefahren unserer Epoche. Sie werden daher fortfahren, Sie mit der Ergebung zu bekämpfen, welches die Republik Ihrer Seits zu erwarten das Recht hat.“ Die Bonapartisten und Legitimisten kommen viel gnädiger weg. „Das Land leidet — heißt es im Rundschreiben — und einige wenig aufgeklärte Menschen sind nur zu sehr geneigt, ihre Leiden und Entbehrungen den Grundsätzen der republikanischen Regierungsform selbst zuzuschreiben. Bestreben Sie sich, diese fünesten Tendenzen zu bekämpfen u. s. w.“ Schließlich wird der Geistlichkeit Weihrauch gestreut: „Die Nationalversammlung hat bestimmt, daß die Verfassungsverkündigung einen religiösen Charakter trage. Die Regierung faßte diesen Gedanken zuerst und hofft auf Ihre Unterstützung. Die Verfassung gewährleistet jedem Bürger die freie Ausübung seines Religionskultus und hält das ewige Gesetz der Gewissensfreiheit fest. Sie werden, das weiß ich, bei allen Dienern der Kirche mit patriotischem Eifer unterstützt werden u. s. w. Sie haben dem Minister, unter dessen Departement Sie gehören, über den Erfolg der Verfassungs-Promulgation Bericht zu erstatten. (gez.) General E. Cavaignac.“ — Der Moniteur enthält heute das Programm zu dem morgigen Verfassungsfeste. — Das vorläufige Manifest Cavaignac's an die Beamten- und Militärwelt ist aus der Feder Dufaure's geflossen. Cavaignac händigte dem Minister gestern mehrere beschriebene Blätter ein, die dieser mit Hülfe Viviens ganz umschrieb und nach seinem Geschmack zustutzte. Cavaignac, der feine Diplomat, läßt Alles geschehen. — Der Siecle ist ganz entzückt über das Cavaignac'sche Rund- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar142-2_009" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="0738"/> sammelten Abgeordneten nicht zu Handlungen verleiten zu lassen, wodurch die öffentliche Ordnung irgendwie gestört wird und welche in keinem Falle ungeahndet bleiben würden.</p> </div> <div xml:id="ar142-2_010" type="jArticle"> <head>Berlin, den 11. Nov. 1848.</head> <p>Das Staatsministerium. Gf. v. Brandenburg. v. Ladenberg. v. Strotha. v. Manteuffel.</p> <p>Gegen 5 Uhr ist das Scrutinium beendigt. Das Resultat der Präsidentenwahl ist folgendes: Zahl der Abstimmenden 248. 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(Beifall.)</p> <p><hi rendition="#g">Berg</hi> stellt den Antrag: Der Mecklenburgischen Abgeordnetenversammlung den Dank unserer Versammlung auszusprechen, weil sie die erste ist, welche das Vertrauen der preußischen Volksvertreter auf die deutschen Stämme rechtfertigt; wird einstimmig angenommen.</p> <p>Die Sitzung wird geschlossen und die nächste zu morgen Vormittag 11 Uhr in demselben Lokale, im Saale des Schützenhauses angesetzt.</p> <p>Als ich auf meinem Rückwege vor dem Schlosse ankam, wurde der Belagerungszustand proklamirt. Auf dem Schloßplatze waren Tausende von Menschen versammelt, welche dieser Proklamirung mit Hohn antworteten. Das souveräne Volk trat an die verschlossenen eisernen Schloßgitter heran und rief den im Schloßportale stehenden Offizieren und Soldaten die tollsten Witze und Ausrufungen zu.</p> <p>Eine halbe Stunde später. Noch sind die Folgen des Belagerungszustandes nirgends zu bemerken. Auf den Straßen wogt die ganze Bevölkerung Berlins. Wer nicht wüßte, warum es sich handelt, würde glauben, heute findet ein Volksfest statt. Bewaffnete Bürger und Arbeiter ziehen ungehindert durch alle Straßen, noch ist kein Soldat zu sehen.</p> <p> <hi rendition="#b">Berlin in Belagerungszustand.</hi> </p> <p>So eben um 5 1/2 Uhr wird Berlin in Belagerungszustand erklärt. Die Bekanntmachung, welche an allen Ecken angeschlagen ist, lautet:</p> <p>„Die in hiesiger Stadt eingetretenen Ereignisse haben die ordentlichen Civilbehörden außer Stand gesetzt, dem Gesetze die gebührende Geltung zu verschaffen.</p> <p>Das unterzeichnete Staatsministerium darf daher nicht Anstand nehmen, zu außerordentlichen Maßregeln zu schreiten und erklärt hiermit die Stadt Berlin und deren zweimeiligen Umkreis in Belagerungszustand.</p> <p>Die in dieser Beziehung zu treffenden näheren Anordnungen werden demnach fortan von dem General der Kavallerie <hi rendition="#g">von Wrangel</hi>, welcher die Truppen in den Marken kommandirt, ausgehen.</p> <p>Berlin, den 12. November 1848.</p> <p>Das Staats-Ministerium.</p> <p>Graf v. <hi rendition="#g">Brandenburg. v. Ladenberg. v. Strotha. v. Manteuffel.</hi> </p> <p>Eine andere Bekanntmachung enthält die nähern Anordnungen des General Wrangel und scheinen denen, die vom Fürsten Windischgrätz in Wien erlassen sind, ganz nachgeschrieben zu sein. — Das Tragen von Waffen, Preßfreiheit, Versammlungsrecht, Alles ist verboten. Es dürfen nur 10 Menschen auf der Straße zusammenstehen, Fremde sollen binnen 24 Stunden die Stadt verlassen; wer auf den Eisenbahnen bewaffnet ankommt, dem sollen die Waffen abgenommen werden u. s. w.</p> </div> <div xml:id="ar142-2_011" type="jArticle"> <head><bibl><author>20</author></bibl> Berlin, 12. Nov.</head> <p>Die kgl. Ordonnanz, die Entwaffnung der hiesigen Bürgerwehr betreffend (wir meldeten sie gestern noch als Gerücht, obgleich sie bereits im Staatsanzeiger abgedruckt war) hat die herrschende Aufregung auf eine furchtbare Höhe gebracht. Noch gestern Abend versammelten sich die Kompagnien der Bürgerwehr und einmüthig wurde beschlossen, die Waffen nicht abzugeben, sondern es darauf ankommen zu lassen, was das Gouvernement weiter thun würde. In der Versammlung der Majore ereignete sich unterdeß ein nicht minder wichtiger Vorfall. Herr Rimpler legte, um sich weiterer Verantwortlichkeit zu überheben, den Oberbefehl nieder; die Majore folgten seinem Beispiele. Zugleich wurden aber, um die Entwaffnung möglichst zu erschweren, die Stammlisten der Bürgerwehr vernichtet. Die Nachricht von der Abdankung der Befehlshaber rief in den Kompagnien eine unbeschreibliche Erbitterung hervor, die nur durch die Erklärung der Befehlshaber besänftigt wurde, daß ihre Abdankung nur ihre Form sei, daß sie aber im Augenblicke des Kampfes an der Spitze ihrer Bataillone stehen würden. Es ging außerdem das Gerücht, daß während der Nacht sämmtliche Abgeordnete verhaftet werden sollten, eine Maßregel, die dem Säbelregiment wohl zuzutrauen, bis jetzt aber nicht erfolgt ist. Erst spät in der Nacht trennten sich die Kompagnien der Bürgerwehr, um sich heute wieder zu versammeln. Straße und Plätze waren die ganze Nacht hindurch belebt; am Schlosse unterhielt sich das Volk durch die geschlossenen Gitter mit den wachthabenden Soldaten. Die Truppen waren die ganze Nacht hindurch nur korporalschaftweise bei einander; sie fürchteten einzeln einen Ueberfall in den Häusern. Zahlreiche Militärpatrouillen durchschritten die Straßen. So brach der Morgen an.</p> <p>Er wurde von den kgl. Ordonnanzen begrüßt, die an allen Ecken angeheftet waren. Diese Liebesgrüße des „Ungeschwächten“ waren indeß bald verschwunden, wo sie nur immer der Arm des Volkes erreichen konnte. Sie waren mit Absicht sehr hoch angeheftet. Die Aufregung wächst nun mit jeder Stunde; bewaffnetes Volk läuft hin und her, doch geht es noch ganz friedlich her. Aber an die Aufforderung des Polizeipräsidiums, bis um 5 Uhr Nachmittags die Waffen abzuliefern, kehrt sich Niemand. Vielmehr werden an die noch Unbewaffneten Gewehre vertheilt. Das Volk nimmt Jedem seine Waffe, der Miene macht, sie abzuliefern.</p> <p>1 Uhr Mittags. Es finden Truppenbewegungen Statt. Das Militär wird in seine Sammelplätze konfignirt; im Schauspielhause liegen 1000 Mann, in der Seehandlung 2000; ins Schloß werden 20 Kanonen gefahren. So eben verläßt ein Theil der Truppen mit Geschütz die Stadt; der Kreuzberg ist mit Kanonen besetzt.</p> <p>3 Uhr. Sitzung der Nationalversammlung im Schützenhause. Tausende umgeben das Haus; es ist von Bewaffneten besetzt. Die Königsstraße wimmelt von Volk.</p> <p>5 Uhr. Die Waffen sind nicht abgeliefert; Alles rüstet sich zum Kampfe. Man erwartet den Belagerungszustand mit ruhigem, kaltem Blute. Ausreißer verlassen massenhaft die Stadt. Diese Zustände haben sich bis jetzt in Nichts geändert. Die Bürgerwehr verharrt noch immer in ihrem <hi rendition="#g">passiven</hi> Widerstande. Magistrat und Stadtverordneten haben heute wieder eine Deputation nach Potsdam geschickt, um wenigstens einen Indult von 48 Stunden zu erlangen. Unserer Bourgeosie ganz würdig!</p> <p>Nachträglich bemerke ich noch, daß Rimpler das Kommando wieder ergriffen hat, da der Magistrat seine Entlassung nicht angenommen hat. Er hält sich übrigens verborgen, da er von Verhaftsbefehlen verfolgt wird.</p> <p>Das Obertribunal erklärt dns Gerücht, daß es sich in pleno gegen den König entschieden, überhaupt daß es über den obwaltenden Konflikt berathen habe, für irrig.</p> <p><hi rendition="#g">Neuestes</hi>.</p> <p>6 1/4 Uhr. <hi rendition="#g">So eben wird auf dem Schloßplatze unter Trommelschlag der Belagerungszustand für Berlin und 2 Meilen im Umkreise proklamirt!</hi> Kostbare Sachen! Belagerungszustand und Bombardement, wie paßt das zusammen? Ein Belagerungszustand, um zu entwaffnen! Hat Wrangel damit schon etwas erreicht? Höchstens hat er die Nationalversammlung auseinandergetrieben; <hi rendition="#g">für ihn</hi> ist die Entwaffnungsfrage noch immer offen trotz dem Belagerungszustande. — Die Bourgeoisie ist jetzt auf dem Punkte, aus ihrer Passivität herauszutreten, um zu handeln. Wir wollen sehen!</p> </div> <div xml:id="ar142-2_012" type="jArticle"> <head>Berlin, 12. Nov.</head> <p>Wie klar das Recht und die Pflicht des Gouvernements zu seinen Schritten ist, geht daraus hervor, daß, wie wir erfahren haben, der Frankfurter Abgeordnete, Hr. Bassermann heute hier ist, um die k. Regierung aufzufordern, Ordnung zu machen, und zwar durch Vertagung und Verlegung der Versammlung, sowie zugleich durch Auflösung der Bürgerwehr.</p> <p>Wir können unserm Ministerium nur danken, daß es Hrn. Bassermann zuvorgekommen ist und dem preußischen Staate die Schmach erspart hat, zuzusehen, wie durch einen Abgeordneten der Frankfurter Versammlung in Berlin Ordnung gemacht wird.</p> <bibl>(R. Pr. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar142-2_013" type="jArticle"> <head>Pleschen, 8. Nov.</head> <p>Die Amnestie für das Großherzogthum Posen ist erfolgt; wie sie aber ausgeführt wird, mag man aus dem folgenden Briefe eines Gefangenen ersehen:</p> <p>„Die Hoffnung auf unsere Befreiung zur Geburtstagsfeier des Königs hat uns bitter getäuscht; vergebens haben wir gehofft. Nur Krauthofer und etwa 10 Kriminalgefangene wurden entlassen, darunter auch ein Deutscher, welcher einen unbewaffneten Greis, einen Polen, bei Pinne erschlagen hat. Für Mörder gibt es hier Amnestie, für uns Polen nicht.</p> </div> <div xml:id="ar142-2_014" type="jArticle"> <head>Ollmütz, 5. Novbr.</head> <p>Gestern marschirten zwei Compagnien Mocochelli Infanterie nach der schlesischen Gränze ab, um einen dort ausgebrochenen Bauernaufstand zu dämpfen. In Gotschdorf nämlich, das hart an der preußischen Grenze liegt, äußerte sich der Gutsbesitzer, Graf Arco: Wenn Wien fällt, so werde er seine Unterthanen als Pferde vor seinen Wagen spannen, um ihnen zu beweisen, daß die Robot nicht aufgehoben sei. Diese Worte entflammten die Gemüther der Landleute, mehre Ortschaften schaarten sich zusammen, steckten des Grafen schönes Schloß in Brand, und verwüsteten seine Anlagen und die herrschaftlichen Gebäude. Der Graf selbst wurde von einer Kugel durch die Schulter getroffen und nach Troppau gebracht. Alle Ortschaften der Umgegend sind auf und waren gerade am Sprunge, den Wienern zu Hilfe zu eilen, als sie die Kunde von ihrer Kapitulirung erhielten. Zu diesem Zwecke waren auf den Bergen Holzstöße aufgeschichtet, welche man als Signale anzünden wollte, um auch die gleichgesinnten preußischen Schlesier herbeizurufen, welche dem Landsturm sich anzuschließen versprochen hatten.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Italien.</head> <div xml:id="ar142-2_015" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl>Neapel.</head> <p>Die „Times“ vom 11. November bringt einen Brief ihres neapolitanischen Korrespondenten vom 1. November, wonach Instruktionen von Paris eingetroffen sein sollen, die, wenn auch nicht auf der förmlichen Trennung Ciciliens von Neapel bestehend, dennoch Separat-Verwaltung und Separat-Heer zur Bedingung machen. Der König soll nicht Willens sein, sich diesem Aeußersten zu fügen, und will, sagt er, lieber seine Krone verlieren. Graf Ludolff's Mission nach Paris und London soll ihren Zweck gänzlich verfehlt haben, doch hofft der (ultra konservative und royalistische) Berichterstatter der „Times“ nichtsdestoweniger, daß Mr. Temple (Lord Palmerston's Bruder), dessen Ankunft auf den 3. erwartet wurde, die Sachen noch im Sinne der Regierung schlichten werde. — Neapel war ruhig, doch hieß es, daß republikanische Emissäre aus Nord-Italien die Stadt und ihre Umgebungen bearbeiteten, und erwartete man deßwegen mit ziemlicher Bestimmtheit den nahen Ausbruch einer „Emeute.“ Im Theater San Carlo waren allabendlich 200 Soldaten hinter den Coulissen versteckt.</p> </div> <div xml:id="ar142-2_016" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl>Vom Comer See.</head> <p>Die Insurrektion im Val d'Intelvi, schreibt man der „Opinione“, behauptet sich; die Oestreicher sind noch nicht weiter als Argegno, und wagen es nicht einmal, sich in dieser Stadt aufzuhalten, aus Furcht, in ihr überrascht zu werden. Ebenso haben sie im Veltlin keinen vorgerücktern Posten, als Chiavenna, und wahrscheinlich sind sie im Augenblick auch dort schon wieder vertrieben. Wenigstens hat eine Insurgentenabtheilung Chiavenna angegriffen, die nähern Nachrichten über den Ausgang des Kampfes fehlen inzwischen noch. Auch in ihren Positionen zu Laveno und Luvino werden die Oestreicher beunruhigt; auf dem Bisbino, dem Sanct Bemhard und den Bergen von Lecco flackern die Signalfeuer der Aufständischen, und wenn das Glück der Insurrektion ihrem Muth und ihrer Begeisterung gleichkommt, so ist an einem siegreichen Ausgange, trotz aller momentanen kleinen Schlappen, nicht zu zweifeln.</p> <p>In Venedig bleiben die Italiener siegreich. Eine Proklamation Weldens, ganz im Blut- und Kartätschenstyl, verräth die Angst, welche der neu entbrennende Kampf den Oestreichern einflößt.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar142-2_017_c" type="jArticle"> <note type="editorial">Edition: <bibl>Karl Marx: Cavaignac und die Junirevolution, vorgesehen für: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi>, I/8. </bibl> </note> <head> <bibl> <author>*</author> </bibl> </head> <gap reason="copyright"/> </div> <div xml:id="ar142-2_018" type="jArticle"> <head>Paris, 11. Novbr.</head> <p>(Erstes Manifest Cavaignac's.) Die Steeple-Chase Royal — zu Deutsch, das Wettrennen nach der Krone unserer jungfräulichen Republik, hat begonnen.</p> <p>In Form eines Rundschreibens an sämmtliche Civil- und Militärbeamten tritt Cavaignac, dieser Gewährsmann aller Ordnungsfreunde, als Kandidat für die Präsidentschaftsstelle auf. Das Schreiben ist zu lang, um es hier wörtlich übersetzen zu können, doch lassen wir vorläufig folgende Stellen als Selbstkritik sprechen:</p> <p>Paris, 10. Novbr.</p> <p>„Bürger (Beamten). Die Nationalversammlung hat durch ein definitives Votum das von ihr mit so ausdauernder und gewissenhafter Energie unternommene Werk beendet. Die republikanische Verfassung ist genehmigt und die (morgige) Promulgation wird dem Volke den Text dieses Grundgesetzes selbst verlautbaren, das künftig seine Geschicke lenken soll. In einem so wichtigen Falle wünsche ich mich ausnahmsweise, was wohl der Ernst der Umstände erklärt, mit Ihnen direkt in Verbindung zu setzen, der Sie je nach Maßgabe Ihrer Stellung berufen sind, zu dem wichtigen Wahlwerk beizutragen und um Ihnen die Bürgschaften und neuen Kräfte anzudeuten, welche die Verfassung Ihrem Amte gibt.“</p> <p>Nachdem auf diese Weise den Beamten und Offizieren neue Bürgschaften und neue Kräfte wie süßer Honig versprochen, folgt eine tausendste Erklärung über die Februarrevolution und der gegen sie „vergeblich“ erhobenen Mai- und Junistürme. Mit diesen ewigen Widerholungen wollen wir den Leser verschonen. Wahrhaftig possirlich ist es aber zu sehen, wie sich Cavaignac auf das allgemeine Stimmrecht stemmt — gerade diesen Stein des Anstoßes, über den er den Hals brechen dürfte. „Das allgemeine Stimmrecht, ruft er aus, darin liegt die ganze Februarrevolution!“ Es wird sich zeigen, ob die Arbeiter und Bauern, d. h. die große Masse des Stadt- und Land-Proletariats stimmen und für wen sie stimmen werden? General Cavaignac dürfte für seine Aufopferung bitter enttäuscht werden.</p> <p>An starken Hieben und Fußtritten auf die Sozialisten und Kommunisten fehlt es in diesem Rundschreiben wahrlich nicht.</p> <p>„Ausgearbeitet (heißt es darin) im Angesichte aufrührerischer Theorien — soll heißen: in Gegenwart Leroux's und Proudhon's — welche Eigenthum, Familie und alle möglichen und heilsamen Bedingungen der Arbeit angreifen, hatte die Verfassung nicht nöthig, diese ewigen Grundsätze, auf welchen alle Rechte beruhen, von Neuem zu stärken. Sie brauchte sie nur zu konstatiren, anzuerkennen und durch feierliche Erklärung zu bestätigen. Ihr Inhalt fügt darum Ihrer Amtsthätigkeit in dieser Beziehung nichts bei. Jede Zeit hat ihre Irrthümer und Gefahren. Sie kennen die Irrthümer, die Gefahren unserer Epoche. Sie werden daher fortfahren, Sie mit der Ergebung zu bekämpfen, welches die Republik Ihrer Seits zu erwarten das Recht hat.“</p> <p>Die Bonapartisten und Legitimisten kommen viel gnädiger weg. „Das Land leidet — heißt es im Rundschreiben — und einige wenig aufgeklärte Menschen sind nur zu sehr geneigt, ihre Leiden und Entbehrungen den Grundsätzen der republikanischen Regierungsform selbst zuzuschreiben. Bestreben Sie sich, diese fünesten Tendenzen zu bekämpfen u. s. w.“</p> <p>Schließlich wird der Geistlichkeit Weihrauch gestreut: „Die Nationalversammlung hat bestimmt, daß die Verfassungsverkündigung einen religiösen Charakter trage. Die Regierung faßte diesen Gedanken zuerst und hofft auf Ihre Unterstützung. Die Verfassung gewährleistet jedem Bürger die freie Ausübung seines Religionskultus und hält das ewige Gesetz der Gewissensfreiheit fest. Sie werden, das weiß ich, bei allen Dienern der Kirche mit patriotischem Eifer unterstützt werden u. s. w. Sie haben dem Minister, unter dessen Departement Sie gehören, über den Erfolg der Verfassungs-Promulgation Bericht zu erstatten.</p> <p>(gez.) General E. <hi rendition="#g">Cavaignac</hi>.“</p> <p>— Der Moniteur enthält heute das Programm zu dem morgigen Verfassungsfeste.</p> <p>— Das vorläufige Manifest Cavaignac's an die Beamten- und Militärwelt ist aus der Feder Dufaure's geflossen. Cavaignac händigte dem Minister gestern mehrere beschriebene Blätter ein, die dieser mit Hülfe Viviens ganz umschrieb und nach seinem Geschmack zustutzte. Cavaignac, der feine Diplomat, läßt Alles geschehen.</p> <p>— Der Siecle ist ganz entzückt über das Cavaignac'sche Rund- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0738/0002]
sammelten Abgeordneten nicht zu Handlungen verleiten zu lassen, wodurch die öffentliche Ordnung irgendwie gestört wird und welche in keinem Falle ungeahndet bleiben würden.
Berlin, den 11. Nov. 1848. Das Staatsministerium. Gf. v. Brandenburg. v. Ladenberg. v. Strotha. v. Manteuffel.
Gegen 5 Uhr ist das Scrutinium beendigt. Das Resultat der Präsidentenwahl ist folgendes: Zahl der Abstimmenden 248. Abg. Unruh 243 Stimmen. Waldeck 1 und Grabow 1 Stimme; — 1 Stimmzettel war ungültig.
Vice-Präsident Phillips: Ich proklamire hiermit den Abg. Unruh zum Präsidenten der Preußischen Nationalversammlung. (Stürmischer Beifall.)
Unruh dankt und gibt die Versicherung, daß er freiwillig nie diesen Platz verlassen werde. — Temme: Auch wir schwören, unsere Plätze nicht zu verlassen. (Beifall.)
Berg stellt den Antrag: Der Mecklenburgischen Abgeordnetenversammlung den Dank unserer Versammlung auszusprechen, weil sie die erste ist, welche das Vertrauen der preußischen Volksvertreter auf die deutschen Stämme rechtfertigt; wird einstimmig angenommen.
Die Sitzung wird geschlossen und die nächste zu morgen Vormittag 11 Uhr in demselben Lokale, im Saale des Schützenhauses angesetzt.
Als ich auf meinem Rückwege vor dem Schlosse ankam, wurde der Belagerungszustand proklamirt. Auf dem Schloßplatze waren Tausende von Menschen versammelt, welche dieser Proklamirung mit Hohn antworteten. Das souveräne Volk trat an die verschlossenen eisernen Schloßgitter heran und rief den im Schloßportale stehenden Offizieren und Soldaten die tollsten Witze und Ausrufungen zu.
Eine halbe Stunde später. Noch sind die Folgen des Belagerungszustandes nirgends zu bemerken. Auf den Straßen wogt die ganze Bevölkerung Berlins. Wer nicht wüßte, warum es sich handelt, würde glauben, heute findet ein Volksfest statt. Bewaffnete Bürger und Arbeiter ziehen ungehindert durch alle Straßen, noch ist kein Soldat zu sehen.
Berlin in Belagerungszustand.
So eben um 5 1/2 Uhr wird Berlin in Belagerungszustand erklärt. Die Bekanntmachung, welche an allen Ecken angeschlagen ist, lautet:
„Die in hiesiger Stadt eingetretenen Ereignisse haben die ordentlichen Civilbehörden außer Stand gesetzt, dem Gesetze die gebührende Geltung zu verschaffen.
Das unterzeichnete Staatsministerium darf daher nicht Anstand nehmen, zu außerordentlichen Maßregeln zu schreiten und erklärt hiermit die Stadt Berlin und deren zweimeiligen Umkreis in Belagerungszustand.
Die in dieser Beziehung zu treffenden näheren Anordnungen werden demnach fortan von dem General der Kavallerie von Wrangel, welcher die Truppen in den Marken kommandirt, ausgehen.
Berlin, den 12. November 1848.
Das Staats-Ministerium.
Graf v. Brandenburg. v. Ladenberg. v. Strotha. v. Manteuffel.
Eine andere Bekanntmachung enthält die nähern Anordnungen des General Wrangel und scheinen denen, die vom Fürsten Windischgrätz in Wien erlassen sind, ganz nachgeschrieben zu sein. — Das Tragen von Waffen, Preßfreiheit, Versammlungsrecht, Alles ist verboten. Es dürfen nur 10 Menschen auf der Straße zusammenstehen, Fremde sollen binnen 24 Stunden die Stadt verlassen; wer auf den Eisenbahnen bewaffnet ankommt, dem sollen die Waffen abgenommen werden u. s. w.
20 Berlin, 12. Nov. Die kgl. Ordonnanz, die Entwaffnung der hiesigen Bürgerwehr betreffend (wir meldeten sie gestern noch als Gerücht, obgleich sie bereits im Staatsanzeiger abgedruckt war) hat die herrschende Aufregung auf eine furchtbare Höhe gebracht. Noch gestern Abend versammelten sich die Kompagnien der Bürgerwehr und einmüthig wurde beschlossen, die Waffen nicht abzugeben, sondern es darauf ankommen zu lassen, was das Gouvernement weiter thun würde. In der Versammlung der Majore ereignete sich unterdeß ein nicht minder wichtiger Vorfall. Herr Rimpler legte, um sich weiterer Verantwortlichkeit zu überheben, den Oberbefehl nieder; die Majore folgten seinem Beispiele. Zugleich wurden aber, um die Entwaffnung möglichst zu erschweren, die Stammlisten der Bürgerwehr vernichtet. Die Nachricht von der Abdankung der Befehlshaber rief in den Kompagnien eine unbeschreibliche Erbitterung hervor, die nur durch die Erklärung der Befehlshaber besänftigt wurde, daß ihre Abdankung nur ihre Form sei, daß sie aber im Augenblicke des Kampfes an der Spitze ihrer Bataillone stehen würden. Es ging außerdem das Gerücht, daß während der Nacht sämmtliche Abgeordnete verhaftet werden sollten, eine Maßregel, die dem Säbelregiment wohl zuzutrauen, bis jetzt aber nicht erfolgt ist. Erst spät in der Nacht trennten sich die Kompagnien der Bürgerwehr, um sich heute wieder zu versammeln. Straße und Plätze waren die ganze Nacht hindurch belebt; am Schlosse unterhielt sich das Volk durch die geschlossenen Gitter mit den wachthabenden Soldaten. Die Truppen waren die ganze Nacht hindurch nur korporalschaftweise bei einander; sie fürchteten einzeln einen Ueberfall in den Häusern. Zahlreiche Militärpatrouillen durchschritten die Straßen. So brach der Morgen an.
Er wurde von den kgl. Ordonnanzen begrüßt, die an allen Ecken angeheftet waren. Diese Liebesgrüße des „Ungeschwächten“ waren indeß bald verschwunden, wo sie nur immer der Arm des Volkes erreichen konnte. Sie waren mit Absicht sehr hoch angeheftet. Die Aufregung wächst nun mit jeder Stunde; bewaffnetes Volk läuft hin und her, doch geht es noch ganz friedlich her. Aber an die Aufforderung des Polizeipräsidiums, bis um 5 Uhr Nachmittags die Waffen abzuliefern, kehrt sich Niemand. Vielmehr werden an die noch Unbewaffneten Gewehre vertheilt. Das Volk nimmt Jedem seine Waffe, der Miene macht, sie abzuliefern.
1 Uhr Mittags. Es finden Truppenbewegungen Statt. Das Militär wird in seine Sammelplätze konfignirt; im Schauspielhause liegen 1000 Mann, in der Seehandlung 2000; ins Schloß werden 20 Kanonen gefahren. So eben verläßt ein Theil der Truppen mit Geschütz die Stadt; der Kreuzberg ist mit Kanonen besetzt.
3 Uhr. Sitzung der Nationalversammlung im Schützenhause. Tausende umgeben das Haus; es ist von Bewaffneten besetzt. Die Königsstraße wimmelt von Volk.
5 Uhr. Die Waffen sind nicht abgeliefert; Alles rüstet sich zum Kampfe. Man erwartet den Belagerungszustand mit ruhigem, kaltem Blute. Ausreißer verlassen massenhaft die Stadt. Diese Zustände haben sich bis jetzt in Nichts geändert. Die Bürgerwehr verharrt noch immer in ihrem passiven Widerstande. Magistrat und Stadtverordneten haben heute wieder eine Deputation nach Potsdam geschickt, um wenigstens einen Indult von 48 Stunden zu erlangen. Unserer Bourgeosie ganz würdig!
Nachträglich bemerke ich noch, daß Rimpler das Kommando wieder ergriffen hat, da der Magistrat seine Entlassung nicht angenommen hat. Er hält sich übrigens verborgen, da er von Verhaftsbefehlen verfolgt wird.
Das Obertribunal erklärt dns Gerücht, daß es sich in pleno gegen den König entschieden, überhaupt daß es über den obwaltenden Konflikt berathen habe, für irrig.
Neuestes.
6 1/4 Uhr. So eben wird auf dem Schloßplatze unter Trommelschlag der Belagerungszustand für Berlin und 2 Meilen im Umkreise proklamirt! Kostbare Sachen! Belagerungszustand und Bombardement, wie paßt das zusammen? Ein Belagerungszustand, um zu entwaffnen! Hat Wrangel damit schon etwas erreicht? Höchstens hat er die Nationalversammlung auseinandergetrieben; für ihn ist die Entwaffnungsfrage noch immer offen trotz dem Belagerungszustande. — Die Bourgeoisie ist jetzt auf dem Punkte, aus ihrer Passivität herauszutreten, um zu handeln. Wir wollen sehen!
Berlin, 12. Nov. Wie klar das Recht und die Pflicht des Gouvernements zu seinen Schritten ist, geht daraus hervor, daß, wie wir erfahren haben, der Frankfurter Abgeordnete, Hr. Bassermann heute hier ist, um die k. Regierung aufzufordern, Ordnung zu machen, und zwar durch Vertagung und Verlegung der Versammlung, sowie zugleich durch Auflösung der Bürgerwehr.
Wir können unserm Ministerium nur danken, daß es Hrn. Bassermann zuvorgekommen ist und dem preußischen Staate die Schmach erspart hat, zuzusehen, wie durch einen Abgeordneten der Frankfurter Versammlung in Berlin Ordnung gemacht wird.
(R. Pr. Z.) Pleschen, 8. Nov. Die Amnestie für das Großherzogthum Posen ist erfolgt; wie sie aber ausgeführt wird, mag man aus dem folgenden Briefe eines Gefangenen ersehen:
„Die Hoffnung auf unsere Befreiung zur Geburtstagsfeier des Königs hat uns bitter getäuscht; vergebens haben wir gehofft. Nur Krauthofer und etwa 10 Kriminalgefangene wurden entlassen, darunter auch ein Deutscher, welcher einen unbewaffneten Greis, einen Polen, bei Pinne erschlagen hat. Für Mörder gibt es hier Amnestie, für uns Polen nicht.
Ollmütz, 5. Novbr. Gestern marschirten zwei Compagnien Mocochelli Infanterie nach der schlesischen Gränze ab, um einen dort ausgebrochenen Bauernaufstand zu dämpfen. In Gotschdorf nämlich, das hart an der preußischen Grenze liegt, äußerte sich der Gutsbesitzer, Graf Arco: Wenn Wien fällt, so werde er seine Unterthanen als Pferde vor seinen Wagen spannen, um ihnen zu beweisen, daß die Robot nicht aufgehoben sei. Diese Worte entflammten die Gemüther der Landleute, mehre Ortschaften schaarten sich zusammen, steckten des Grafen schönes Schloß in Brand, und verwüsteten seine Anlagen und die herrschaftlichen Gebäude. Der Graf selbst wurde von einer Kugel durch die Schulter getroffen und nach Troppau gebracht. Alle Ortschaften der Umgegend sind auf und waren gerade am Sprunge, den Wienern zu Hilfe zu eilen, als sie die Kunde von ihrer Kapitulirung erhielten. Zu diesem Zwecke waren auf den Bergen Holzstöße aufgeschichtet, welche man als Signale anzünden wollte, um auch die gleichgesinnten preußischen Schlesier herbeizurufen, welche dem Landsturm sich anzuschließen versprochen hatten.
Italien. * Neapel. Die „Times“ vom 11. November bringt einen Brief ihres neapolitanischen Korrespondenten vom 1. November, wonach Instruktionen von Paris eingetroffen sein sollen, die, wenn auch nicht auf der förmlichen Trennung Ciciliens von Neapel bestehend, dennoch Separat-Verwaltung und Separat-Heer zur Bedingung machen. Der König soll nicht Willens sein, sich diesem Aeußersten zu fügen, und will, sagt er, lieber seine Krone verlieren. Graf Ludolff's Mission nach Paris und London soll ihren Zweck gänzlich verfehlt haben, doch hofft der (ultra konservative und royalistische) Berichterstatter der „Times“ nichtsdestoweniger, daß Mr. Temple (Lord Palmerston's Bruder), dessen Ankunft auf den 3. erwartet wurde, die Sachen noch im Sinne der Regierung schlichten werde. — Neapel war ruhig, doch hieß es, daß republikanische Emissäre aus Nord-Italien die Stadt und ihre Umgebungen bearbeiteten, und erwartete man deßwegen mit ziemlicher Bestimmtheit den nahen Ausbruch einer „Emeute.“ Im Theater San Carlo waren allabendlich 200 Soldaten hinter den Coulissen versteckt.
* Vom Comer See. Die Insurrektion im Val d'Intelvi, schreibt man der „Opinione“, behauptet sich; die Oestreicher sind noch nicht weiter als Argegno, und wagen es nicht einmal, sich in dieser Stadt aufzuhalten, aus Furcht, in ihr überrascht zu werden. Ebenso haben sie im Veltlin keinen vorgerücktern Posten, als Chiavenna, und wahrscheinlich sind sie im Augenblick auch dort schon wieder vertrieben. Wenigstens hat eine Insurgentenabtheilung Chiavenna angegriffen, die nähern Nachrichten über den Ausgang des Kampfes fehlen inzwischen noch. Auch in ihren Positionen zu Laveno und Luvino werden die Oestreicher beunruhigt; auf dem Bisbino, dem Sanct Bemhard und den Bergen von Lecco flackern die Signalfeuer der Aufständischen, und wenn das Glück der Insurrektion ihrem Muth und ihrer Begeisterung gleichkommt, so ist an einem siegreichen Ausgange, trotz aller momentanen kleinen Schlappen, nicht zu zweifeln.
In Venedig bleiben die Italiener siegreich. Eine Proklamation Weldens, ganz im Blut- und Kartätschenstyl, verräth die Angst, welche der neu entbrennende Kampf den Oestreichern einflößt.
Französische Republik. * _ Paris, 11. Novbr. (Erstes Manifest Cavaignac's.) Die Steeple-Chase Royal — zu Deutsch, das Wettrennen nach der Krone unserer jungfräulichen Republik, hat begonnen.
In Form eines Rundschreibens an sämmtliche Civil- und Militärbeamten tritt Cavaignac, dieser Gewährsmann aller Ordnungsfreunde, als Kandidat für die Präsidentschaftsstelle auf. Das Schreiben ist zu lang, um es hier wörtlich übersetzen zu können, doch lassen wir vorläufig folgende Stellen als Selbstkritik sprechen:
Paris, 10. Novbr.
„Bürger (Beamten). Die Nationalversammlung hat durch ein definitives Votum das von ihr mit so ausdauernder und gewissenhafter Energie unternommene Werk beendet. Die republikanische Verfassung ist genehmigt und die (morgige) Promulgation wird dem Volke den Text dieses Grundgesetzes selbst verlautbaren, das künftig seine Geschicke lenken soll. In einem so wichtigen Falle wünsche ich mich ausnahmsweise, was wohl der Ernst der Umstände erklärt, mit Ihnen direkt in Verbindung zu setzen, der Sie je nach Maßgabe Ihrer Stellung berufen sind, zu dem wichtigen Wahlwerk beizutragen und um Ihnen die Bürgschaften und neuen Kräfte anzudeuten, welche die Verfassung Ihrem Amte gibt.“
Nachdem auf diese Weise den Beamten und Offizieren neue Bürgschaften und neue Kräfte wie süßer Honig versprochen, folgt eine tausendste Erklärung über die Februarrevolution und der gegen sie „vergeblich“ erhobenen Mai- und Junistürme. Mit diesen ewigen Widerholungen wollen wir den Leser verschonen. Wahrhaftig possirlich ist es aber zu sehen, wie sich Cavaignac auf das allgemeine Stimmrecht stemmt — gerade diesen Stein des Anstoßes, über den er den Hals brechen dürfte. „Das allgemeine Stimmrecht, ruft er aus, darin liegt die ganze Februarrevolution!“ Es wird sich zeigen, ob die Arbeiter und Bauern, d. h. die große Masse des Stadt- und Land-Proletariats stimmen und für wen sie stimmen werden? General Cavaignac dürfte für seine Aufopferung bitter enttäuscht werden.
An starken Hieben und Fußtritten auf die Sozialisten und Kommunisten fehlt es in diesem Rundschreiben wahrlich nicht.
„Ausgearbeitet (heißt es darin) im Angesichte aufrührerischer Theorien — soll heißen: in Gegenwart Leroux's und Proudhon's — welche Eigenthum, Familie und alle möglichen und heilsamen Bedingungen der Arbeit angreifen, hatte die Verfassung nicht nöthig, diese ewigen Grundsätze, auf welchen alle Rechte beruhen, von Neuem zu stärken. Sie brauchte sie nur zu konstatiren, anzuerkennen und durch feierliche Erklärung zu bestätigen. Ihr Inhalt fügt darum Ihrer Amtsthätigkeit in dieser Beziehung nichts bei. Jede Zeit hat ihre Irrthümer und Gefahren. Sie kennen die Irrthümer, die Gefahren unserer Epoche. Sie werden daher fortfahren, Sie mit der Ergebung zu bekämpfen, welches die Republik Ihrer Seits zu erwarten das Recht hat.“
Die Bonapartisten und Legitimisten kommen viel gnädiger weg. „Das Land leidet — heißt es im Rundschreiben — und einige wenig aufgeklärte Menschen sind nur zu sehr geneigt, ihre Leiden und Entbehrungen den Grundsätzen der republikanischen Regierungsform selbst zuzuschreiben. Bestreben Sie sich, diese fünesten Tendenzen zu bekämpfen u. s. w.“
Schließlich wird der Geistlichkeit Weihrauch gestreut: „Die Nationalversammlung hat bestimmt, daß die Verfassungsverkündigung einen religiösen Charakter trage. Die Regierung faßte diesen Gedanken zuerst und hofft auf Ihre Unterstützung. Die Verfassung gewährleistet jedem Bürger die freie Ausübung seines Religionskultus und hält das ewige Gesetz der Gewissensfreiheit fest. Sie werden, das weiß ich, bei allen Dienern der Kirche mit patriotischem Eifer unterstützt werden u. s. w. Sie haben dem Minister, unter dessen Departement Sie gehören, über den Erfolg der Verfassungs-Promulgation Bericht zu erstatten.
(gez.) General E. Cavaignac.“
— Der Moniteur enthält heute das Programm zu dem morgigen Verfassungsfeste.
— Das vorläufige Manifest Cavaignac's an die Beamten- und Militärwelt ist aus der Feder Dufaure's geflossen. Cavaignac händigte dem Minister gestern mehrere beschriebene Blätter ein, die dieser mit Hülfe Viviens ganz umschrieb und nach seinem Geschmack zustutzte. Cavaignac, der feine Diplomat, läßt Alles geschehen.
— Der Siecle ist ganz entzückt über das Cavaignac'sche Rund-
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Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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