Neue Rheinische Zeitung. Nr. 152. Köln, 25. November 1848.Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 152. Köln, Samstag den 25. November. 1848. Den auswärtigen Freunden der "Neuen Rheinischen Zeitung" zeigen wir hiermit an, daß uns von dem hiesigen Ober-Postamte die Genehmigung ertheilt worden ist, vom heutigen Tage bis Ende Quartals Abonnements zum Preise von 1 Thlr. incl. des Postaufschlags entgegenzunehmen. Wir fordern demnach das auswärtige Publikum zur regen Theilnahme auf. Köln, 16. November 1848. Die Expedition der "N. Rh. Ztg."
Uebersicht. Deutschland. Düsseldorf. (Lassalle. -- Die Düsseldorfer Vorfälle). Koblenz. (Krawall. -- Bürgerwehrprotest. -- Adresse an die Frankfurter Versammlung). Trier. (Gemeinderath. -- Bürgerausschuß. -- Sebaldt. Krawall. -- Haw. -- Adresse an die National-Versammlung). Schönecken. (Die Eifel und die National-Versammlung). Kettwig. (Die Heuler und die Bürgeradresse). Sprockhövel. (Adresse. -- Machinationen der Heuler). Geilenkirchen. (Beschluß des Bürgervereins). Arnsberg. (Bürgerversammlung. -- Sommer). Berlin. (Worte und Thaten in Berlin seit dem 9. November -- Ausweisungswuth. -- Wrangelsche "Ordnung und Ruhe." -- Erklärung von Kirchmann. -- Enthüllungen über die Pläne der Contre-Revolution. -- Die National-Versammlung geht nicht nach Brandenburg. -- Die Reichsvermittlung. -- Beistimmungsadressen. -- Zahl der Unterschriften). Halle. (Verhaftungen). Naumburg. (Landwehr. -- Freicorps). Stettin. (Der "Pr. St.-A."). Stralsund. (Landwehr und Bürgerwehr). Oldenburg. (Domänialvermögen). Wien. (Details über die jüngsten Ereignisse. -- Der jetzige Zustand. -- Der Krieg mit den Ungarn. -- Neue Mordthat. -- Der Gemeinderath). Darmstadt. (Eröffnung der Ständeversammlung). Schweiz. Zürich. (Maßregeln des Reichsministeriums). Uri. (Wahlen). Schaafhausen, (Die deutsche Centralgewalt). Italien. Turin. (Die Opinione mit Beschlag belegt. -- Die Unterhandlungen Radetzki's mit Rußland) Bologne. (Die Garibaldi'sche Legion). Franz. Republik. Paris. (Lamartine und Marie. -- v. Raumer. -- Die Arbeiter St. Etienne. -- R. Blum. -- Caussidiere's Memoiren. -- Maigefangene. -- National-Versammlung). Amerika. (Die Präsidentenwahl. -- Marktbericht. -- Cholera. -- Yucatan). Deutschland. Z Düsseldorf, 24. November. Die Heldenthaten der Regierungsparthei übertreffen alle unsere Erwartungen. Bekanntlich hatte man schon seit längerer Zeit die Plakate fertig, durch welche der sogenannte Belagerungszustand proklamirt werden sollte; nur immer und immer wollte sich keine rechte Ursache, d. h. kein Scheingrund finden lassen. Erst Sonntag erklärte der Regierungspräsident v. Spiegel einer Deputation des Gemeinderaths und der Bürgerwehr "man würde den Belagerungszustand über Düsseldorf nur dann verhängen können, wenn die Stadt angriffe; und jedenfalls würde erst eine Proklamation vorhergehen." Montags waren viele Abgeordnete auswärtiger Bürgerwehren hier, um Verschiedenes mit uns zu berathen. Da auf einmal stürzen zwei Männer des hiesigen Volksklubs in die Versammlung und rufen "die Regierung wolle Kassengelder nach Berlin absenden, schon befänden sich mehre Fässer auf der Post, und das Volk würde und wollte sich dem widersetzen." Sofort entsandte der Bürgerwehrchef mehre der versammelten Offiziere zur Post, um das Volk zu beruhigen, nöthigenfalls zu zerstreuen, und sich überhaupt von dem Thatbestande in Kenntniß zu setzen. Die Offiziere gingen zur Post, überzeugten sich durch Erkundigung und persönliche Ansicht, welche ihnen die Postbeamten sehr gern gewährten, von der Falschheit des Gerüchtes und veranlaßten das Volk stille auseinander zu gehen, welches auch geschah. Jetzt aber glaubte man den scheinbaren Grund gefunden zu haben, den Belagerungszustand aussprechen zu können. Wie in dem Publikandum des Generals Drigalski und des Chefpräsidenten Spiegel groß und deutlich zu lesen ist "nach vielen eigenmächtigen, ungesetzlichen Anmaßungen der hiesigen Bürgerwehr, welchen die versuchte Antastung von Postgütern und die versuchte Verletzung des Briefgeheimnisses (!!) die Krone aufsetze etc. etc." wird also die Aufrechthaltung der Ordnung von Seiten der Bürgerwehr die Ursache zur Proklamirung des Belagerungszustandes. Nächstfolgenden Morgen, als wir den Kopf zum Fenster hinausstecken, sehen wir zu unserm Erstaunen die Thore mit Kanonen, Kavallerie und Infanterie besetzt, finden alle Hauptplätze abgesperrt und mit Truppen bedeckt, und gleich nachher erschienen kaltaussehende Lieutenants mit starker Bedeckung an den Straßenecken und lesen die Praklamation unter Trommel- oder Trompetenschall höchst rührend ab. Herr Spiegel und Herr Drigalski hatten sich aber schon Tags vorher in die Kaserne einquartiert und harrten der Dinge die da kommen könnten. Aber es kamen gar keine Dinge. Zuerst wollten die Bürger drüberher fallen und zuhauen. Die Bürgeroffiziere aber, welche sofort zusammeneilten, sahen ein, daß ihre einzelnen Kompagnien getrennt und abgeschnitten, jeder Zuzug unmöglich geworden sei. Somit mußte man sich auf passiven Widerstand beschränken, das Bürgeroffizierkorps gab einen Protest zu Papier, worin es das Verhalten des Regierungspräsidenten, der sich annoch in der Kaserne befindet, als "wortbrüchig" bezeichnete, aber die Ablieferung der Waffen bestimmt ablehnte. Herr Drigalski unterdeß erließ ebenfalls aus der Kaserne heraus die Aufforderung, sofort auf die dazu aufgestellten Wagen die Gewehre abzuliefern. Wir sahen auch wirklich einen solchen mit 6 Pferden bespannt und mit 5 Gewehren beladen! -- Heute zwar geht es etwas besser, aber wir zweifeln doch, daß auch bei der größten Strenge mehr als die Hälfte abgeliefert werden wird. Die Soldateska benimmt sich herrlich, heldenmüthig! Sie war schon frühe meist trunken. Daß man viele Bürger haranguirte darf nicht wundern; aber daß der junge Hr. v. Henrumont, der schon seit 3 Monate Husaren-Lieutenant ist, zum Einhauen kommandirte und zwar auf ganz wehrlose Leute, das ist doch stark. Der jugendliche Held, ein geborner Düsseldorfer, sah denn auch das erste Blut fließen: eine arme Frau, welche 2 Kinder bei sich hatte, und nicht schnell genug fliehen konnte, erhielt eine gefährliche Hiebwunde über den Schädel; ein anderer alter Mann, ein steifer Greis, wurde niedergestoßen; ob er tod ist oder noch lebt, darüber widersprechen sich die Gerüchte, genug; es lebe der edle Heldenmuth! Alles "mit Gott für König und Vaterland!" -- Von andern Brutalitäten will ich gar nicht reden; was ist auch eine Armee ohne Disciplin?!! Es lebe die preußische Disciplin! Gegen Abend ging ein großes Gartenlokal, "der Spatzengarten" in Flammen auf. Das Haus war augenblicklich unbewohnt. Man glaubte, der Brand und die Brandglocke sollte ein Signal für die Außenbürger sein, aber die Thürme und die Glocken und Hörner schwiegen, die Soldaten haben dafür gesorgt, und das Gebäude ging in Flammen auf. Einen stillern Brand hat Düsseldorf noch nicht gesehen. In der Nacht bivuakirten die Truppen. Bei der Gelegenheit wurden einem Gemüsezüchter sehr viele Bohnenstangen gestohlen und zu Wachtfeuern der Husaren benutzt. Daß Hr. Lasalle verhaftet ist, wissen Sie. Fragen Sie nicht warum; denn das wissen am Ende nicht einmal die Herren, die in der Kaserne logiren. Ein altes Sprichwort sagt, Gewalt gehe über Recht. Düsseldorf, 22. Novbr. Wir haben eine Gesetzesverletzung zu konstatiren. Das Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit vom 24. Sept. 1848 sagt: §. 1. Die persönliche Freiheit ist gewährleistet. Eine Verhaftung darf außer dem Falle der Ergreifung auf frischer That nur kraft eines schriftlichen, die Beschuldigung, sowie den Beschuldigten bestimmt bezeichnenden richterlichen Befehls bewirkt werden. Dieser Befehl muß entweder bei der Verhaftung oder spätestens innerhalb 24 Stunden dem Beschuldigten zugestellt werden. Bei jeder Verhaftung ist in gleicher Frist das Erforderliche zu veranlassen, um den Verhafteten dem zuständigen Richter vorzuführen. §. 8 desselben Gesetzes bestimmt: Im Falle eines Krieges oder Aufruhrs kann, wenn die Volksvertretung nicht versammelt ist, durch Beschluß und unter Verantwortlichkeit des Staatsministeriums die zeit- und distriktweise Suspendirung des §. 1 und §. 6 gegenwärtigen Gesetzes provisorisch ausgesprochen werden. Die Volksvertretung ist jedoch in diesem Falle sofort zusammen zu berufen. Der §. 1 ist durch keinen Ministerialbeschluß suspendirt. Dennoch ist heute der Bürger Lasalle, ohne daß man einen Grund weiß, und ohne daß unseres Wissens irgend eine der gesetzlichen Formen beobachtet wurde, urplötzlich verhaftet worden. (D. Z.)Koblenz, 23. Nov. Gestern Abend hatte auch hier im Bierhause "Texas" ein Konflikt zwischen Bürgern und Militär statt, welcher auf die empörendste Weise von letzterem hervorgerufen wurde. Mehrere Artillerie- und Ulanen-Unteroffiziere, ungefähr 15 bis 20 an der Zahl, schimpften sehr laut über die Nationalversammlung, die Bürger, die Demokraten und sogar einzelne Personen von hier. Räuber, Spitzbube, Lump sind die glimpflichsten Worte, welche ausgestoßen wurden. Da ein Bürger die Ruhestörer zur Ruhe ermahnte, zog einer derselben sogleich den Säbel. Dieses war das Signal zum allgemeinen Angriff. Das Militär wurde gehörig durchgehauen und in pleno zur Thür hinausgeworfen. Ein erbeuteter Säbel wurde seinem Eigenthümer auf seine inständigste Bitte zurückerstattet. Die Besiegten nahmen sich aus der Kaserne Verstärkung; zu einem neuen Angriff ist es aber nicht gekommen, weil die Bürger zwei Unteroffiziere als Geiseln zurückbehalten hatten und kategorisch erklärten, sie würden diese sofort niederstoßen, wenn ein anderweiter Angriff erfolge. Es ist wohl nicht mehr daran zu zweifeln, daß diese Konflikte absichtlich herbeigeführt werden, um einen plausiblen Grund zu haben, auch uns, wie die Düsseldorfer, mit dem Belagerungszustande zu beglücken. (Rh.- u. M.-Z.)Koblenz, 22. Novbr. Bei der heutigen, unter dem Vorsitz des Befehlshabers stattgehabten Führerversammlung wurde folgender Protest an das königl. Regierungspräsidium gerichtet: "Den unterzeichneten Abtheilungs- und Zugführern der hiesigen Bürgerwehr, welche von dem zeitigen Befehlshaber derselben außerordentlich zusammenberufen waren, sind von letzterm zwei Schreiben des königl. Regierungspräsidiums vom 21. d. Mts. mitgetheilt worden, worin die vorläufige Suspendirung der Bürgerwehr vom Dienste auf Grund des §. 4 des Gesetzes über die Errichtung der Bürgerwehr vom 17. Oktober c. ausgesprochen wird. Das Motiv, welches ein königl. Präsidium zu diesem Schritte anführt, lautet dahin: daß die Bürgerwehr auf die deshalb an den Befehlshaber derselben ergangene Requisition, "dem am Moselbrückenthore bei vorkommender Steuerverweigerung entstandenen Umfuge durch Aufstellung einer entsprechenden Abtheilung Bürgerwehr zu steuern," sich außer Stand erklärt habe, dieser Requisition zu genügen, unter Bezugnahme auf ihre an die Nationalversammlung in Berlin gerichtete zustimmende Adresse hinsichtlich der Beschlüsse derselben. Dieses der Suspendirung zu Grunde gelegte Motiv gibt uns die Gewißheit, daß das königl. Regierungspräsidium den Inhalt der Requisition, welche von dem, den abwesenden Oberbürgermeister vertretenden Beigeordneten Herrn Chr. Haan an den Befehlshaber Hrrn. Kopp, ergangen ist, entweder gar nicht kennt oder aber in einer ganz andern Weise verstanden hat, als dies Seitens der Bürgerwehr der Fall ist. Aus der gedachten, hier abschriftlich mitgetheilten Requisition (welche bereits durch gegenwärtiges Blatt mitgetheilt) ergibt sich aber aufs Unzweideutigste, daß Herr Haan die Bürgerwehr zu keinem andern Zwecke verlangte, als zu welchem auch die Sergeanten und Gensd'armen bereits verwendet worden waren, nämlich damit die einzubringenden steuerpflichtigen Gegenstände auch wirklich angemeldet und versteuert würden. -- Zu einer solchen Mission glaubte sich die Bürgerwehr weder damals noch jetzt berufen, indem es nicht Sache des gedachten Instituts sein kann, die Funktionen der Steuerexekutoren und Zollbeamten zu versehen, und zwar dies um so weniger, als die National-Versammlung zu Berlin bereits dekretirt hat, daß das Ministerium Brandenburg nicht befugt sei, Steuern einzuziehen oder zu verwenden. Niemals hat aber die Bürgerwehr verweigert, die gesetzliche Ordnung, in so fern sie durch Straßenauflauf oder Straßenunfug gestört worden, zu schützen und zu handhaben, was auch gewiß in vorliegendem Falle, wenn eine derartige Requisition an sie ergangen wäre, von ihr nicht abgelehnt worden wäre. Ein königl. Präsidium wird sich durch diese Aufklärung aufs Vollständigste überzeugen, daß die Unterstellung, welche es zur fraglichen Suspendirung veranlaßt hat, gar nicht vorhanden ist, die Suspendirung also jedes rechtlichen Grundes entbehrt und demnach sofort zurückzunehmen sein wird. -- Aber auch abgesehen davon, halten die Unterzeichneten ein königl. Regierungspräsidium durchaus nicht für befugt, eine Suspendirung über die dermalen hier bestehende Bürgerwehr auszusprechen, indem das angezogene Gesetz vom 17. Oktober d. J. erst auf die nach diesem Gesetze selbst zu organisirende Bürgerwehr Anwendung finden, nicht aber maßgebend sein kann für ein Institut, welches früher bestand als gedachtes Gesetz. Diese Gründe hat aber ein königl. Regierungspräsidium auch dadurch selbst anerkannt, daß es noch einen Befehlshaber der Bürgerwehr dahier anerkennt, der vermöge seiner amtlichen Stellung als Einzelrichter nach dem bezogenen Gesetze eine solche Stellung nothwendig nicht mehr bekleiden könnte und dürfte. Die Unterzeichneten erklären noch schließlich, indem sie zugleich bedauern, daß durch voreiliges und nicht ordnungsmäßiges Handeln, insbesondere aber durch unvollständige und verkehrte Darlegung der wahren Sachlage Seitens des Beigeordneten Herrn Haan ein solcher Konflikt herbeigeführt worden ist, für sich und die gedachte Bürgerwehr, daß sie noch immer, wie bisheran, bereit sei, nach Maßgabe des § 1 des Statuts, durch den Schutz der Person und des Eigenthums die Ruhe und Sicherheit der Stadt aufrecht zu erhalten, zugleich die gesetzliche Freiheit zu wahren und die Unabhängigkeit des Vaterlandes zu schützen. Koblenz, den 22. November 1848. (gez.) Kopp, Befehlshaber. C. Kröber. Th. Hoffmann. K. Haß[unleserliches Material]acher. H. Hürter. L. Schoben. Lange. Schlegel. C. Elsner. Laus. Hillebrand. Grandpre. Cadenbach. Maurer. Bernays. Leonh. Mayer. Metz. Pfadler. Gassen. Jos. Rath. Joh. Nep. Schickhausen. Kannengießer Joh. Roth. Th. Fluchard. Fr. Kolb. A. Kirsch. Jos. Schmidt. Ro[unleserliches Material]l. Jos. Kalt. Bohl. Bremig." (Rh. u. M. Z.) * Koblenz, 18. November. In einer öffentlichen Sitzung des demokratischen Vereins ist folgende Adresse an die sogenannte National-Versammlung in Frankfurt angenommen und abgesandt worden: P. P. Das ganze Deutschland hat die Fesseln, in welche Despoten es zu schmieden gewußt hatten, muthig abgeworfen, das deutsche Volk hat sich einmüthig mündig und frei erklärt und seine Machtvollkommenheit wieder in eigene Hände genommen; darüber sind die Wurger seiner Freiheit, und die Kerkermeister plötzlich wie Staub zerstoben, und großmüthig hat es ihnen Straflosigkeit gewährt. Euch aber hat das freie deutsche Volk mit dem großen und ehrenvollen Berufe betraut, die politische Einheit Deutschlands, seine Unabhängigkeit, und den ihm gebührenden Rang unter den Nationen wieder herzustellen. Wir hadern in diesem zu ernsten Augenblicke nicht mit Euch, daß unserm Zutrauen noch nicht entsprochen worden, wir fordern aber, daß Ihr -- eingedenk Eurer Pflicht und Eurer Verantwortlichkeit vor der Mit- und Nachwelt -- Euch ermannt, und die von Euch nicht geahnte, aber durch Eure Unentschiedenheit, partikularistische Tendenzen und Parteizwiste entstandene Gefahr mit kräftiger Hand von dem Vaterlande abwendet; Ihr könnt uns das Recht zu dieser Forderung nicht absprechen, denn wir aus dem Volke sprechen zu unsern Vertretern! Unsere innere Feinde -- das sind aber nicht jene, welche Viele von Euch dafür halten, sondern es sind die ränkevollen und unverbesserlichen Verfechter des Absolutismus -- haben, durch die ausgestreute Saat der Zwietracht und durch Heuchelei, Euch, obwohl oft gewahrt, überlistet, und sind nun -- wieder stark geworden, mit offenem Visir keck aufgetreten. Wien ist durch sie schon gefallen, Berlin ist durch sie jetzt in Gefahr! Wer trägt die unsühnbare Schuld? Die von Euch geschaffene unverantwortliche Centralgewalt hat sich zwar mit verantwortlichen Ministern umgeben, diese Minister aber, verknöchert mit abgenutzten Systemen über Staatsformen und Zwecke, sind, wie leider die Erfahrung zu viel bewiesen, entweder unfähig, oder zu schwach, um die Angelegenheiten der deutschen Nation bei dem mächtigen Umschwunge der Geister, nach dem totalen Bruch mit einer schmachvollen Vergangenheit, mit sicherer Hand zu leiten, sie schwärmen für den unseligen Partikularismus, und in den feudalistischen Ideen, welche nur Dynastien mit Unterthanen, aber kein Volk kennen. Wie wäre es möglich gewesen, daß in der Jetztzeit noch in Oesterreich die Militärdiktatur, eine Schöpfung des krassesten Absolutismus, entstanden, und zu Wien ein zweiter Alba das Staats- und Völkerrecht, sogar die von Euch selbst gegebenen Gesetze, durch einen rachesüchtigen Mord frech verhöhnt, wenn das Reichsministerium seine Pflicht erfüllt hätte? und würde in Preußen der unheilvolle Konflikt zwischen Volksvertretern und der Krone ausgebrochen, zu Berlin eine andere Militärdiktatur möglich sein, wenn das Reichsministerium sich der Krone nicht aufmunternd zur Seite gestellt und mit derselben die Unfreiheit der Volksvertretung behauptet hätte, welcher Behauptung die Vertreter selbst doch so großartig und muthvoll widersprochen haben? Das vorhandene doktrinäre Reichsministerium kennt nur eine Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 152. Köln, Samstag den 25. November. 1848. Den auswärtigen Freunden der „Neuen Rheinischen Zeitung“ zeigen wir hiermit an, daß uns von dem hiesigen Ober-Postamte die Genehmigung ertheilt worden ist, vom heutigen Tage bis Ende Quartals Abonnements zum Preise von 1 Thlr. incl. des Postaufschlags entgegenzunehmen. Wir fordern demnach das auswärtige Publikum zur regen Theilnahme auf. Köln, 16. November 1848. Die Expedition der „N. Rh. Ztg.“
Uebersicht. Deutschland. Düsseldorf. (Lassalle. — Die Düsseldorfer Vorfälle). Koblenz. (Krawall. — Bürgerwehrprotest. — Adresse an die Frankfurter Versammlung). Trier. (Gemeinderath. — Bürgerausschuß. — Sebaldt. Krawall. — Haw. — Adresse an die National-Versammlung). Schönecken. (Die Eifel und die National-Versammlung). Kettwig. (Die Heuler und die Bürgeradresse). Sprockhövel. (Adresse. — Machinationen der Heuler). Geilenkirchen. (Beschluß des Bürgervereins). Arnsberg. (Bürgerversammlung. — Sommer). Berlin. (Worte und Thaten in Berlin seit dem 9. November — Ausweisungswuth. — Wrangelsche „Ordnung und Ruhe.“ — Erklärung von Kirchmann. — Enthüllungen über die Pläne der Contre-Revolution. — Die National-Versammlung geht nicht nach Brandenburg. — Die Reichsvermittlung. — Beistimmungsadressen. — Zahl der Unterschriften). Halle. (Verhaftungen). Naumburg. (Landwehr. — Freicorps). Stettin. (Der „Pr. St.-A.“). Stralsund. (Landwehr und Bürgerwehr). Oldenburg. (Domänialvermögen). Wien. (Details über die jüngsten Ereignisse. — Der jetzige Zustand. — Der Krieg mit den Ungarn. — Neue Mordthat. — Der Gemeinderath). Darmstadt. (Eröffnung der Ständeversammlung). Schweiz. Zürich. (Maßregeln des Reichsministeriums). Uri. (Wahlen). Schaafhausen, (Die deutsche Centralgewalt). Italien. Turin. (Die Opinione mit Beschlag belegt. — Die Unterhandlungen Radetzki's mit Rußland) Bologne. (Die Garibaldi'sche Legion). Franz. Republik. Paris. (Lamartine und Marie. — v. Raumer. — Die Arbeiter St. Etienne. — R. Blum. — Caussidiere's Memoiren. — Maigefangene. — National-Versammlung). Amerika. (Die Präsidentenwahl. — Marktbericht. — Cholera. — Yucatan). Deutschland. Z Düsseldorf, 24. November. Die Heldenthaten der Regierungsparthei übertreffen alle unsere Erwartungen. Bekanntlich hatte man schon seit längerer Zeit die Plakate fertig, durch welche der sogenannte Belagerungszustand proklamirt werden sollte; nur immer und immer wollte sich keine rechte Ursache, d. h. kein Scheingrund finden lassen. Erst Sonntag erklärte der Regierungspräsident v. Spiegel einer Deputation des Gemeinderaths und der Bürgerwehr „man würde den Belagerungszustand über Düsseldorf nur dann verhängen können, wenn die Stadt angriffe; und jedenfalls würde erst eine Proklamation vorhergehen.“ Montags waren viele Abgeordnete auswärtiger Bürgerwehren hier, um Verschiedenes mit uns zu berathen. Da auf einmal stürzen zwei Männer des hiesigen Volksklubs in die Versammlung und rufen „die Regierung wolle Kassengelder nach Berlin absenden, schon befänden sich mehre Fässer auf der Post, und das Volk würde und wollte sich dem widersetzen.“ Sofort entsandte der Bürgerwehrchef mehre der versammelten Offiziere zur Post, um das Volk zu beruhigen, nöthigenfalls zu zerstreuen, und sich überhaupt von dem Thatbestande in Kenntniß zu setzen. Die Offiziere gingen zur Post, überzeugten sich durch Erkundigung und persönliche Ansicht, welche ihnen die Postbeamten sehr gern gewährten, von der Falschheit des Gerüchtes und veranlaßten das Volk stille auseinander zu gehen, welches auch geschah. Jetzt aber glaubte man den scheinbaren Grund gefunden zu haben, den Belagerungszustand aussprechen zu können. Wie in dem Publikandum des Generals Drigalski und des Chefpräsidenten Spiegel groß und deutlich zu lesen ist „nach vielen eigenmächtigen, ungesetzlichen Anmaßungen der hiesigen Bürgerwehr, welchen die versuchte Antastung von Postgütern und die versuchte Verletzung des Briefgeheimnisses (!!) die Krone aufsetze etc. etc.“ wird also die Aufrechthaltung der Ordnung von Seiten der Bürgerwehr die Ursache zur Proklamirung des Belagerungszustandes. Nächstfolgenden Morgen, als wir den Kopf zum Fenster hinausstecken, sehen wir zu unserm Erstaunen die Thore mit Kanonen, Kavallerie und Infanterie besetzt, finden alle Hauptplätze abgesperrt und mit Truppen bedeckt, und gleich nachher erschienen kaltaussehende Lieutenants mit starker Bedeckung an den Straßenecken und lesen die Praklamation unter Trommel- oder Trompetenschall höchst rührend ab. Herr Spiegel und Herr Drigalski hatten sich aber schon Tags vorher in die Kaserne einquartiert und harrten der Dinge die da kommen könnten. Aber es kamen gar keine Dinge. Zuerst wollten die Bürger drüberher fallen und zuhauen. Die Bürgeroffiziere aber, welche sofort zusammeneilten, sahen ein, daß ihre einzelnen Kompagnien getrennt und abgeschnitten, jeder Zuzug unmöglich geworden sei. Somit mußte man sich auf passiven Widerstand beschränken, das Bürgeroffizierkorps gab einen Protest zu Papier, worin es das Verhalten des Regierungspräsidenten, der sich annoch in der Kaserne befindet, als „wortbrüchig“ bezeichnete, aber die Ablieferung der Waffen bestimmt ablehnte. Herr Drigalski unterdeß erließ ebenfalls aus der Kaserne heraus die Aufforderung, sofort auf die dazu aufgestellten Wagen die Gewehre abzuliefern. Wir sahen auch wirklich einen solchen mit 6 Pferden bespannt und mit 5 Gewehren beladen! — Heute zwar geht es etwas besser, aber wir zweifeln doch, daß auch bei der größten Strenge mehr als die Hälfte abgeliefert werden wird. Die Soldateska benimmt sich herrlich, heldenmüthig! Sie war schon frühe meist trunken. Daß man viele Bürger haranguirte darf nicht wundern; aber daß der junge Hr. v. Henrumont, der schon seit 3 Monate Husaren-Lieutenant ist, zum Einhauen kommandirte und zwar auf ganz wehrlose Leute, das ist doch stark. Der jugendliche Held, ein geborner Düsseldorfer, sah denn auch das erste Blut fließen: eine arme Frau, welche 2 Kinder bei sich hatte, und nicht schnell genug fliehen konnte, erhielt eine gefährliche Hiebwunde über den Schädel; ein anderer alter Mann, ein steifer Greis, wurde niedergestoßen; ob er tod ist oder noch lebt, darüber widersprechen sich die Gerüchte, genug; es lebe der edle Heldenmuth! Alles „mit Gott für König und Vaterland!“ — Von andern Brutalitäten will ich gar nicht reden; was ist auch eine Armee ohne Disciplin?!! Es lebe die preußische Disciplin! Gegen Abend ging ein großes Gartenlokal, „der Spatzengarten“ in Flammen auf. Das Haus war augenblicklich unbewohnt. Man glaubte, der Brand und die Brandglocke sollte ein Signal für die Außenbürger sein, aber die Thürme und die Glocken und Hörner schwiegen, die Soldaten haben dafür gesorgt, und das Gebäude ging in Flammen auf. Einen stillern Brand hat Düsseldorf noch nicht gesehen. In der Nacht bivuakirten die Truppen. Bei der Gelegenheit wurden einem Gemüsezüchter sehr viele Bohnenstangen gestohlen und zu Wachtfeuern der Husaren benutzt. Daß Hr. Lasalle verhaftet ist, wissen Sie. Fragen Sie nicht warum; denn das wissen am Ende nicht einmal die Herren, die in der Kaserne logiren. Ein altes Sprichwort sagt, Gewalt gehe über Recht. Düsseldorf, 22. Novbr. Wir haben eine Gesetzesverletzung zu konstatiren. Das Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit vom 24. Sept. 1848 sagt: §. 1. Die persönliche Freiheit ist gewährleistet. Eine Verhaftung darf außer dem Falle der Ergreifung auf frischer That nur kraft eines schriftlichen, die Beschuldigung, sowie den Beschuldigten bestimmt bezeichnenden richterlichen Befehls bewirkt werden. Dieser Befehl muß entweder bei der Verhaftung oder spätestens innerhalb 24 Stunden dem Beschuldigten zugestellt werden. Bei jeder Verhaftung ist in gleicher Frist das Erforderliche zu veranlassen, um den Verhafteten dem zuständigen Richter vorzuführen. §. 8 desselben Gesetzes bestimmt: Im Falle eines Krieges oder Aufruhrs kann, wenn die Volksvertretung nicht versammelt ist, durch Beschluß und unter Verantwortlichkeit des Staatsministeriums die zeit- und distriktweise Suspendirung des §. 1 und §. 6 gegenwärtigen Gesetzes provisorisch ausgesprochen werden. Die Volksvertretung ist jedoch in diesem Falle sofort zusammen zu berufen. Der §. 1 ist durch keinen Ministerialbeschluß suspendirt. Dennoch ist heute der Bürger Lasalle, ohne daß man einen Grund weiß, und ohne daß unseres Wissens irgend eine der gesetzlichen Formen beobachtet wurde, urplötzlich verhaftet worden. (D. Z.)Koblenz, 23. Nov. Gestern Abend hatte auch hier im Bierhause „Texas“ ein Konflikt zwischen Bürgern und Militär statt, welcher auf die empörendste Weise von letzterem hervorgerufen wurde. Mehrere Artillerie- und Ulanen-Unteroffiziere, ungefähr 15 bis 20 an der Zahl, schimpften sehr laut über die Nationalversammlung, die Bürger, die Demokraten und sogar einzelne Personen von hier. Räuber, Spitzbube, Lump sind die glimpflichsten Worte, welche ausgestoßen wurden. Da ein Bürger die Ruhestörer zur Ruhe ermahnte, zog einer derselben sogleich den Säbel. Dieses war das Signal zum allgemeinen Angriff. Das Militär wurde gehörig durchgehauen und in pleno zur Thür hinausgeworfen. Ein erbeuteter Säbel wurde seinem Eigenthümer auf seine inständigste Bitte zurückerstattet. Die Besiegten nahmen sich aus der Kaserne Verstärkung; zu einem neuen Angriff ist es aber nicht gekommen, weil die Bürger zwei Unteroffiziere als Geiseln zurückbehalten hatten und kategorisch erklärten, sie würden diese sofort niederstoßen, wenn ein anderweiter Angriff erfolge. Es ist wohl nicht mehr daran zu zweifeln, daß diese Konflikte absichtlich herbeigeführt werden, um einen plausiblen Grund zu haben, auch uns, wie die Düsseldorfer, mit dem Belagerungszustande zu beglücken. (Rh.- u. M.-Z.)Koblenz, 22. Novbr. Bei der heutigen, unter dem Vorsitz des Befehlshabers stattgehabten Führerversammlung wurde folgender Protest an das königl. Regierungspräsidium gerichtet: „Den unterzeichneten Abtheilungs- und Zugführern der hiesigen Bürgerwehr, welche von dem zeitigen Befehlshaber derselben außerordentlich zusammenberufen waren, sind von letzterm zwei Schreiben des königl. Regierungspräsidiums vom 21. d. Mts. mitgetheilt worden, worin die vorläufige Suspendirung der Bürgerwehr vom Dienste auf Grund des §. 4 des Gesetzes über die Errichtung der Bürgerwehr vom 17. Oktober c. ausgesprochen wird. Das Motiv, welches ein königl. Präsidium zu diesem Schritte anführt, lautet dahin: daß die Bürgerwehr auf die deshalb an den Befehlshaber derselben ergangene Requisition, „dem am Moselbrückenthore bei vorkommender Steuerverweigerung entstandenen Umfuge durch Aufstellung einer entsprechenden Abtheilung Bürgerwehr zu steuern,“ sich außer Stand erklärt habe, dieser Requisition zu genügen, unter Bezugnahme auf ihre an die Nationalversammlung in Berlin gerichtete zustimmende Adresse hinsichtlich der Beschlüsse derselben. Dieses der Suspendirung zu Grunde gelegte Motiv gibt uns die Gewißheit, daß das königl. Regierungspräsidium den Inhalt der Requisition, welche von dem, den abwesenden Oberbürgermeister vertretenden Beigeordneten Herrn Chr. Haan an den Befehlshaber Hrrn. Kopp, ergangen ist, entweder gar nicht kennt oder aber in einer ganz andern Weise verstanden hat, als dies Seitens der Bürgerwehr der Fall ist. Aus der gedachten, hier abschriftlich mitgetheilten Requisition (welche bereits durch gegenwärtiges Blatt mitgetheilt) ergibt sich aber aufs Unzweideutigste, daß Herr Haan die Bürgerwehr zu keinem andern Zwecke verlangte, als zu welchem auch die Sergeanten und Gensd'armen bereits verwendet worden waren, nämlich damit die einzubringenden steuerpflichtigen Gegenstände auch wirklich angemeldet und versteuert würden. — Zu einer solchen Mission glaubte sich die Bürgerwehr weder damals noch jetzt berufen, indem es nicht Sache des gedachten Instituts sein kann, die Funktionen der Steuerexekutoren und Zollbeamten zu versehen, und zwar dies um so weniger, als die National-Versammlung zu Berlin bereits dekretirt hat, daß das Ministerium Brandenburg nicht befugt sei, Steuern einzuziehen oder zu verwenden. Niemals hat aber die Bürgerwehr verweigert, die gesetzliche Ordnung, in so fern sie durch Straßenauflauf oder Straßenunfug gestört worden, zu schützen und zu handhaben, was auch gewiß in vorliegendem Falle, wenn eine derartige Requisition an sie ergangen wäre, von ihr nicht abgelehnt worden wäre. Ein königl. Präsidium wird sich durch diese Aufklärung aufs Vollständigste überzeugen, daß die Unterstellung, welche es zur fraglichen Suspendirung veranlaßt hat, gar nicht vorhanden ist, die Suspendirung also jedes rechtlichen Grundes entbehrt und demnach sofort zurückzunehmen sein wird. — Aber auch abgesehen davon, halten die Unterzeichneten ein königl. Regierungspräsidium durchaus nicht für befugt, eine Suspendirung über die dermalen hier bestehende Bürgerwehr auszusprechen, indem das angezogene Gesetz vom 17. Oktober d. J. erst auf die nach diesem Gesetze selbst zu organisirende Bürgerwehr Anwendung finden, nicht aber maßgebend sein kann für ein Institut, welches früher bestand als gedachtes Gesetz. Diese Gründe hat aber ein königl. Regierungspräsidium auch dadurch selbst anerkannt, daß es noch einen Befehlshaber der Bürgerwehr dahier anerkennt, der vermöge seiner amtlichen Stellung als Einzelrichter nach dem bezogenen Gesetze eine solche Stellung nothwendig nicht mehr bekleiden könnte und dürfte. Die Unterzeichneten erklären noch schließlich, indem sie zugleich bedauern, daß durch voreiliges und nicht ordnungsmäßiges Handeln, insbesondere aber durch unvollständige und verkehrte Darlegung der wahren Sachlage Seitens des Beigeordneten Herrn Haan ein solcher Konflikt herbeigeführt worden ist, für sich und die gedachte Bürgerwehr, daß sie noch immer, wie bisheran, bereit sei, nach Maßgabe des § 1 des Statuts, durch den Schutz der Person und des Eigenthums die Ruhe und Sicherheit der Stadt aufrecht zu erhalten, zugleich die gesetzliche Freiheit zu wahren und die Unabhängigkeit des Vaterlandes zu schützen. Koblenz, den 22. November 1848. (gez.) Kopp, Befehlshaber. C. Kröber. Th. Hoffmann. K. Haß[unleserliches Material]acher. H. Hürter. L. Schoben. Lange. Schlegel. C. Elsner. Laus. Hillebrand. Grandpre. Cadenbach. Maurer. Bernays. Leonh. Mayer. Metz. Pfadler. Gassen. Jos. Rath. Joh. Nep. Schickhausen. Kannengießer Joh. Roth. Th. Fluchard. Fr. Kolb. A. Kirsch. Jos. Schmidt. Ro[unleserliches Material]l. Jos. Kalt. Bohl. Bremig.“ (Rh. u. M. Z.) * Koblenz, 18. November. In einer öffentlichen Sitzung des demokratischen Vereins ist folgende Adresse an die sogenannte National-Versammlung in Frankfurt angenommen und abgesandt worden: P. P. Das ganze Deutschland hat die Fesseln, in welche Despoten es zu schmieden gewußt hatten, muthig abgeworfen, das deutsche Volk hat sich einmüthig mündig und frei erklärt und seine Machtvollkommenheit wieder in eigene Hände genommen; darüber sind die Wurger seiner Freiheit, und die Kerkermeister plötzlich wie Staub zerstoben, und großmüthig hat es ihnen Straflosigkeit gewährt. Euch aber hat das freie deutsche Volk mit dem großen und ehrenvollen Berufe betraut, die politische Einheit Deutschlands, seine Unabhängigkeit, und den ihm gebührenden Rang unter den Nationen wieder herzustellen. Wir hadern in diesem zu ernsten Augenblicke nicht mit Euch, daß unserm Zutrauen noch nicht entsprochen worden, wir fordern aber, daß Ihr — eingedenk Eurer Pflicht und Eurer Verantwortlichkeit vor der Mit- und Nachwelt — Euch ermannt, und die von Euch nicht geahnte, aber durch Eure Unentschiedenheit, partikularistische Tendenzen und Parteizwiste entstandene Gefahr mit kräftiger Hand von dem Vaterlande abwendet; Ihr könnt uns das Recht zu dieser Forderung nicht absprechen, denn wir aus dem Volke sprechen zu unsern Vertretern! Unsere innere Feinde — das sind aber nicht jene, welche Viele von Euch dafür halten, sondern es sind die ränkevollen und unverbesserlichen Verfechter des Absolutismus — haben, durch die ausgestreute Saat der Zwietracht und durch Heuchelei, Euch, obwohl oft gewahrt, überlistet, und sind nun — wieder stark geworden, mit offenem Visir keck aufgetreten. Wien ist durch sie schon gefallen, Berlin ist durch sie jetzt in Gefahr! Wer trägt die unsühnbare Schuld? Die von Euch geschaffene unverantwortliche Centralgewalt hat sich zwar mit verantwortlichen Ministern umgeben, diese Minister aber, verknöchert mit abgenutzten Systemen über Staatsformen und Zwecke, sind, wie leider die Erfahrung zu viel bewiesen, entweder unfähig, oder zu schwach, um die Angelegenheiten der deutschen Nation bei dem mächtigen Umschwunge der Geister, nach dem totalen Bruch mit einer schmachvollen Vergangenheit, mit sicherer Hand zu leiten, sie schwärmen für den unseligen Partikularismus, und in den feudalistischen Ideen, welche nur Dynastien mit Unterthanen, aber kein Volk kennen. Wie wäre es möglich gewesen, daß in der Jetztzeit noch in Oesterreich die Militärdiktatur, eine Schöpfung des krassesten Absolutismus, entstanden, und zu Wien ein zweiter Alba das Staats- und Völkerrecht, sogar die von Euch selbst gegebenen Gesetze, durch einen rachesüchtigen Mord frech verhöhnt, wenn das Reichsministerium seine Pflicht erfüllt hätte? und würde in Preußen der unheilvolle Konflikt zwischen Volksvertretern und der Krone ausgebrochen, zu Berlin eine andere Militärdiktatur möglich sein, wenn das Reichsministerium sich der Krone nicht aufmunternd zur Seite gestellt und mit derselben die Unfreiheit der Volksvertretung behauptet hätte, welcher Behauptung die Vertreter selbst doch so großartig und muthvoll widersprochen haben? Das vorhandene doktrinäre Reichsministerium kennt nur eine <TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="0797"/> <front> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart> <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart> <docImprint> <docDate>No 152. Köln, Samstag den 25. November. 1848.</docDate> </docImprint> </titlePage> </front> <body> <div type="jExpedition"> <p>Den auswärtigen Freunden der „Neuen Rheinischen Zeitung“ zeigen wir hiermit an, daß uns von dem hiesigen Ober-Postamte die Genehmigung ertheilt worden ist, vom heutigen Tage bis Ende Quartals Abonnements zum Preise von <hi rendition="#b">1</hi> Thlr. incl. des Postaufschlags entgegenzunehmen. Wir fordern demnach das auswärtige Publikum zur regen Theilnahme auf.</p> <p>Köln, <hi rendition="#b">16.</hi> November <hi rendition="#b">1848. Die Expedition der „N. Rh. Ztg.“</hi> </p> </div> <div> <epigraph> <p> <hi rendition="#b">Keine Steuern mehr!!!</hi> </p> </epigraph> </div> <div type="contents" n="1"> <head>Uebersicht.</head> <p><hi rendition="#g">Deutschland</hi>. Düsseldorf. (Lassalle. — Die Düsseldorfer Vorfälle). Koblenz. (Krawall. — Bürgerwehrprotest. — Adresse an die Frankfurter Versammlung). Trier. (Gemeinderath. — Bürgerausschuß. — Sebaldt. Krawall. — Haw. — Adresse an die National-Versammlung). Schönecken. (Die Eifel und die National-Versammlung). Kettwig. (Die Heuler und die Bürgeradresse). Sprockhövel. (Adresse. — Machinationen der Heuler). Geilenkirchen. (Beschluß des Bürgervereins). Arnsberg. (Bürgerversammlung. — Sommer). Berlin. (Worte und Thaten in Berlin seit dem 9. November — Ausweisungswuth. — Wrangelsche „Ordnung und Ruhe.“ — Erklärung von Kirchmann. — Enthüllungen über die Pläne der Contre-Revolution. — Die National-Versammlung geht nicht nach Brandenburg. — Die Reichsvermittlung. — Beistimmungsadressen. — Zahl der Unterschriften). Halle. (Verhaftungen). Naumburg. (Landwehr. — Freicorps). Stettin. (Der „Pr. St.-A.“). Stralsund. (Landwehr und Bürgerwehr). Oldenburg. (Domänialvermögen). Wien. (Details über die jüngsten Ereignisse. — Der jetzige Zustand. — Der Krieg mit den Ungarn. — Neue Mordthat. — Der Gemeinderath). Darmstadt. (Eröffnung der Ständeversammlung).</p> <p><hi rendition="#g">Schweiz</hi>. Zürich. (Maßregeln des Reichsministeriums). Uri. (Wahlen). Schaafhausen, (Die deutsche Centralgewalt).</p> <p><hi rendition="#g">Italien</hi>. Turin. (Die Opinione mit Beschlag belegt. — Die Unterhandlungen Radetzki's mit Rußland) Bologne. (Die Garibaldi'sche Legion).</p> <p><hi rendition="#g">Franz. Republik</hi>. Paris. (Lamartine und Marie. — v. Raumer. — Die Arbeiter St. Etienne. — R. Blum. — Caussidiere's Memoiren. — Maigefangene. — National-Versammlung).</p> <p><hi rendition="#g">Amerika</hi>. (Die Präsidentenwahl. — Marktbericht. — Cholera. — Yucatan).</p> </div> <div n="1"> <head>Deutschland.</head> <div xml:id="ar152_001" type="jArticle"> <head><bibl><author>Z</author></bibl> Düsseldorf, 24. November.</head> <p>Die Heldenthaten der Regierungsparthei übertreffen alle unsere Erwartungen. Bekanntlich hatte man schon seit längerer Zeit die Plakate fertig, durch welche der sogenannte Belagerungszustand proklamirt werden sollte; nur immer und immer wollte sich keine rechte Ursache, d. h. kein Scheingrund finden lassen. Erst Sonntag erklärte der Regierungspräsident v. Spiegel einer Deputation des Gemeinderaths und der Bürgerwehr „man würde den Belagerungszustand über Düsseldorf nur dann verhängen können, wenn die Stadt angriffe; und jedenfalls würde erst eine Proklamation vorhergehen.“ Montags waren viele Abgeordnete auswärtiger Bürgerwehren hier, um Verschiedenes mit uns zu berathen. Da auf einmal stürzen zwei Männer des hiesigen Volksklubs in die Versammlung und rufen „die Regierung wolle Kassengelder nach Berlin absenden, schon befänden sich mehre Fässer auf der Post, und das Volk würde und wollte sich dem widersetzen.“ Sofort entsandte der Bürgerwehrchef mehre der versammelten Offiziere zur Post, um das Volk zu beruhigen, nöthigenfalls zu zerstreuen, und sich überhaupt von dem Thatbestande in Kenntniß zu setzen. Die Offiziere gingen zur Post, überzeugten sich durch Erkundigung und persönliche Ansicht, welche ihnen die Postbeamten sehr gern gewährten, von der Falschheit des Gerüchtes und veranlaßten das Volk stille auseinander zu gehen, welches auch geschah. Jetzt aber glaubte man den scheinbaren Grund gefunden zu haben, den Belagerungszustand aussprechen zu können. Wie in dem Publikandum des Generals Drigalski und des Chefpräsidenten Spiegel groß und deutlich zu lesen ist „nach vielen eigenmächtigen, ungesetzlichen Anmaßungen der hiesigen Bürgerwehr, welchen die versuchte Antastung von Postgütern und die versuchte Verletzung des Briefgeheimnisses (!!) die Krone aufsetze etc. etc.“ wird also die Aufrechthaltung der Ordnung von Seiten der Bürgerwehr die Ursache zur Proklamirung des Belagerungszustandes. Nächstfolgenden Morgen, als wir den Kopf zum Fenster hinausstecken, sehen wir zu unserm Erstaunen die Thore mit Kanonen, Kavallerie und Infanterie besetzt, finden alle Hauptplätze abgesperrt und mit Truppen bedeckt, und gleich nachher erschienen kaltaussehende Lieutenants mit starker Bedeckung an den Straßenecken und lesen die Praklamation unter Trommel- oder Trompetenschall höchst rührend ab. Herr Spiegel und Herr Drigalski hatten sich aber schon Tags vorher in die Kaserne einquartiert und harrten der Dinge die da kommen könnten. Aber es kamen gar keine Dinge. Zuerst wollten die Bürger drüberher fallen und zuhauen. Die Bürgeroffiziere aber, welche sofort zusammeneilten, sahen ein, daß ihre einzelnen Kompagnien getrennt und abgeschnitten, jeder Zuzug unmöglich geworden sei. Somit mußte man sich auf passiven Widerstand beschränken, das Bürgeroffizierkorps gab einen Protest zu Papier, worin es das Verhalten des Regierungspräsidenten, der sich annoch in der Kaserne befindet, als „wortbrüchig“ bezeichnete, aber die Ablieferung der Waffen bestimmt ablehnte. Herr Drigalski unterdeß erließ ebenfalls aus der Kaserne heraus die Aufforderung, sofort auf die dazu aufgestellten Wagen die Gewehre abzuliefern. Wir sahen auch wirklich einen solchen mit 6 Pferden bespannt und mit <hi rendition="#b">5</hi> Gewehren beladen! — Heute zwar geht es etwas besser, aber wir zweifeln doch, daß auch bei der größten Strenge mehr als die Hälfte abgeliefert werden wird.</p> <p>Die Soldateska benimmt sich herrlich, heldenmüthig! Sie war schon frühe meist trunken. Daß man viele Bürger haranguirte darf nicht wundern; aber daß der junge Hr. v. Henrumont, der schon seit 3 Monate Husaren-Lieutenant ist, zum Einhauen kommandirte und zwar auf ganz wehrlose Leute, das ist doch stark. Der jugendliche Held, ein geborner Düsseldorfer, sah denn auch das erste Blut fließen: eine arme Frau, welche 2 Kinder bei sich hatte, und nicht schnell genug fliehen konnte, erhielt eine gefährliche Hiebwunde über den Schädel; ein anderer alter Mann, ein steifer Greis, wurde niedergestoßen; ob er tod ist oder noch lebt, darüber widersprechen sich die Gerüchte, genug; es lebe der edle Heldenmuth! Alles „mit Gott für König und Vaterland!“ — Von andern Brutalitäten will ich gar nicht reden; was ist auch eine Armee ohne Disciplin?!! Es lebe die preußische Disciplin!</p> <p>Gegen Abend ging ein großes Gartenlokal, „der Spatzengarten“ in Flammen auf. Das Haus war augenblicklich unbewohnt. Man glaubte, der Brand und die Brandglocke sollte ein Signal für die Außenbürger sein, aber die Thürme und die Glocken und Hörner schwiegen, die Soldaten haben dafür gesorgt, und das Gebäude ging in Flammen auf. Einen stillern Brand hat Düsseldorf noch nicht gesehen. In der Nacht bivuakirten die Truppen. Bei der Gelegenheit wurden einem Gemüsezüchter sehr viele Bohnenstangen <hi rendition="#g">gestohlen</hi> und zu Wachtfeuern der Husaren benutzt.</p> <p>Daß Hr. Lasalle verhaftet ist, wissen Sie. Fragen Sie nicht warum; denn das wissen am Ende nicht einmal die Herren, die in der Kaserne logiren. Ein altes Sprichwort sagt, Gewalt gehe über Recht.</p> </div> <div xml:id="ar152_002" type="jArticle"> <head>Düsseldorf, 22. Novbr.</head> <p>Wir haben eine Gesetzesverletzung zu konstatiren. Das Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit vom 24. Sept. 1848 sagt:</p> <p>§. 1. Die persönliche Freiheit ist gewährleistet. Eine Verhaftung darf außer dem Falle der Ergreifung auf frischer That nur kraft eines schriftlichen, die Beschuldigung, sowie den Beschuldigten bestimmt bezeichnenden richterlichen Befehls bewirkt werden. Dieser Befehl muß entweder bei der Verhaftung oder spätestens innerhalb 24 Stunden dem Beschuldigten zugestellt werden. Bei jeder Verhaftung ist in gleicher Frist das Erforderliche zu veranlassen, um den Verhafteten dem zuständigen Richter vorzuführen.</p> <p>§. 8 desselben Gesetzes bestimmt:</p> <p>Im Falle eines Krieges oder Aufruhrs kann, wenn die Volksvertretung nicht versammelt ist, durch Beschluß und unter Verantwortlichkeit des Staatsministeriums die zeit- und distriktweise Suspendirung des §. 1 und §. 6 gegenwärtigen Gesetzes provisorisch ausgesprochen werden. Die Volksvertretung ist jedoch in diesem Falle sofort zusammen zu berufen.</p> <p>Der §. 1 ist durch keinen Ministerialbeschluß suspendirt. Dennoch ist heute der Bürger <hi rendition="#g">Lasalle,</hi> ohne daß man einen Grund weiß, und ohne daß unseres Wissens irgend eine der gesetzlichen Formen beobachtet wurde, urplötzlich verhaftet worden.</p> <bibl>(D. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar152_003" type="jArticle"> <head>Koblenz, 23. Nov.</head> <p>Gestern Abend hatte auch hier im Bierhause „Texas“ ein Konflikt zwischen Bürgern und Militär statt, welcher auf die empörendste Weise von letzterem hervorgerufen wurde. Mehrere Artillerie- und Ulanen-Unteroffiziere, ungefähr 15 bis 20 an der Zahl, schimpften sehr laut über die Nationalversammlung, die Bürger, die Demokraten und sogar einzelne Personen von hier. Räuber, Spitzbube, Lump sind die glimpflichsten Worte, welche ausgestoßen wurden. Da ein Bürger die Ruhestörer zur Ruhe ermahnte, zog einer derselben sogleich den Säbel. Dieses war das Signal zum allgemeinen Angriff. Das Militär wurde gehörig durchgehauen und in pleno zur Thür hinausgeworfen. Ein erbeuteter Säbel wurde seinem Eigenthümer auf seine inständigste Bitte zurückerstattet. Die Besiegten nahmen sich aus der Kaserne Verstärkung; zu einem neuen Angriff ist es aber nicht gekommen, weil die Bürger zwei Unteroffiziere als Geiseln zurückbehalten hatten und kategorisch erklärten, sie würden diese sofort niederstoßen, wenn ein anderweiter Angriff erfolge. Es ist wohl nicht mehr daran zu zweifeln, daß diese Konflikte absichtlich herbeigeführt werden, um einen plausiblen Grund zu haben, auch uns, wie die Düsseldorfer, mit dem Belagerungszustande zu beglücken.</p> <bibl>(Rh.- u. M.-Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar152_004" type="jArticle"> <head>Koblenz, 22. Novbr.</head> <p>Bei der heutigen, unter dem Vorsitz des Befehlshabers stattgehabten Führerversammlung wurde folgender Protest an das königl. Regierungspräsidium gerichtet:</p> <p>„Den unterzeichneten Abtheilungs- und Zugführern der hiesigen Bürgerwehr, welche von dem zeitigen Befehlshaber derselben außerordentlich zusammenberufen waren, sind von letzterm zwei Schreiben des königl. Regierungspräsidiums vom 21. d. Mts. mitgetheilt worden, worin die vorläufige Suspendirung der Bürgerwehr vom Dienste auf Grund des §. 4 des Gesetzes über die Errichtung der Bürgerwehr vom 17. Oktober c. ausgesprochen wird. Das Motiv, welches ein königl. Präsidium zu diesem Schritte anführt, lautet dahin: daß die Bürgerwehr auf die deshalb an den Befehlshaber derselben ergangene Requisition, „dem am Moselbrückenthore bei vorkommender Steuerverweigerung entstandenen Umfuge durch Aufstellung einer entsprechenden Abtheilung Bürgerwehr zu steuern,“ sich außer Stand erklärt habe, dieser Requisition zu genügen, unter Bezugnahme auf ihre an die Nationalversammlung in Berlin gerichtete zustimmende Adresse hinsichtlich der Beschlüsse derselben. Dieses der Suspendirung zu Grunde gelegte Motiv gibt uns die Gewißheit, daß das königl. Regierungspräsidium den Inhalt der Requisition, welche von dem, den abwesenden Oberbürgermeister vertretenden Beigeordneten Herrn Chr. Haan an den Befehlshaber Hrrn. Kopp, ergangen ist, entweder gar nicht kennt oder aber in einer ganz andern Weise verstanden hat, als dies Seitens der Bürgerwehr der Fall ist. Aus der gedachten, hier abschriftlich mitgetheilten Requisition (welche bereits durch gegenwärtiges Blatt mitgetheilt) ergibt sich aber aufs Unzweideutigste, daß Herr Haan die Bürgerwehr zu keinem andern Zwecke verlangte, als zu welchem auch die Sergeanten und Gensd'armen bereits verwendet worden waren, nämlich damit die einzubringenden steuerpflichtigen Gegenstände auch wirklich angemeldet und <hi rendition="#g">versteuert</hi> würden. — Zu einer solchen Mission glaubte sich die Bürgerwehr weder damals noch jetzt berufen, indem es nicht Sache des gedachten Instituts sein kann, die Funktionen der Steuerexekutoren und Zollbeamten zu versehen, und zwar dies um so weniger, als die National-Versammlung zu Berlin bereits dekretirt hat, daß das Ministerium Brandenburg nicht befugt sei, Steuern einzuziehen oder zu verwenden.</p> <p>Niemals hat aber die Bürgerwehr verweigert, die gesetzliche Ordnung, in so fern sie durch Straßenauflauf oder Straßenunfug gestört worden, zu schützen und zu handhaben, was auch gewiß in vorliegendem Falle, wenn eine derartige Requisition an sie ergangen wäre, von ihr nicht abgelehnt worden wäre. Ein königl. Präsidium wird sich durch diese Aufklärung aufs Vollständigste überzeugen, daß die Unterstellung, welche es zur fraglichen Suspendirung veranlaßt hat, gar nicht vorhanden ist, die Suspendirung also jedes rechtlichen Grundes entbehrt und demnach sofort zurückzunehmen sein wird. — Aber auch abgesehen davon, halten die Unterzeichneten ein königl. Regierungspräsidium durchaus nicht für befugt, eine Suspendirung über die dermalen hier bestehende Bürgerwehr auszusprechen, indem das angezogene Gesetz vom 17. Oktober d. J. erst auf die nach diesem Gesetze selbst zu organisirende Bürgerwehr Anwendung finden, nicht aber maßgebend sein kann für ein Institut, welches früher bestand als gedachtes Gesetz. Diese Gründe hat aber ein königl. Regierungspräsidium auch dadurch selbst anerkannt, daß es noch einen Befehlshaber der Bürgerwehr dahier anerkennt, der vermöge seiner amtlichen Stellung als Einzelrichter nach dem bezogenen Gesetze eine solche Stellung nothwendig nicht mehr bekleiden könnte und dürfte. Die Unterzeichneten erklären noch schließlich, indem sie zugleich bedauern, daß durch voreiliges und nicht ordnungsmäßiges Handeln, insbesondere aber durch unvollständige und verkehrte Darlegung der wahren Sachlage Seitens des Beigeordneten Herrn Haan ein solcher Konflikt herbeigeführt worden ist, für sich und die gedachte Bürgerwehr, daß sie noch immer, wie bisheran, bereit sei, nach Maßgabe des § 1 des Statuts, durch den Schutz der Person und des Eigenthums die Ruhe und Sicherheit der Stadt aufrecht zu erhalten, zugleich die gesetzliche Freiheit zu wahren und die Unabhängigkeit des Vaterlandes zu schützen.</p> <p>Koblenz, den 22. November 1848.</p> <p>(gez.) <hi rendition="#g">Kopp,</hi> Befehlshaber.</p> <p rendition="#et">C. Kröber. Th. Hoffmann. K. Haß<gap reason="illegible"/>acher. H. Hürter. L. Schoben. Lange. Schlegel. C. Elsner. Laus. Hillebrand. Grandpre. Cadenbach. Maurer. Bernays. Leonh. Mayer. Metz. Pfadler. Gassen. Jos. Rath. Joh. Nep. Schickhausen. Kannengießer Joh. Roth. Th. Fluchard. Fr. Kolb. A. Kirsch. Jos. Schmidt. Ro<gap reason="illegible"/>l. Jos. Kalt. Bohl. Bremig.“</p> <bibl>(Rh. u. M. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar152_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Koblenz, 18. November.</head> <p>In einer öffentlichen Sitzung des demokratischen Vereins ist folgende Adresse an die sogenannte National-Versammlung in Frankfurt angenommen und abgesandt worden:</p> <p>P. P.</p> <p>Das ganze Deutschland hat die Fesseln, in welche Despoten es zu schmieden gewußt hatten, muthig abgeworfen, das deutsche Volk hat sich einmüthig mündig und frei erklärt und seine Machtvollkommenheit wieder in eigene Hände genommen; darüber sind die Wurger seiner Freiheit, und die Kerkermeister plötzlich wie Staub zerstoben, und großmüthig hat es ihnen Straflosigkeit gewährt. Euch aber hat das freie deutsche Volk mit dem großen und ehrenvollen Berufe betraut, die politische Einheit Deutschlands, seine Unabhängigkeit, und den ihm gebührenden Rang unter den Nationen wieder herzustellen.</p> <p>Wir hadern in diesem zu ernsten Augenblicke nicht mit Euch, daß unserm Zutrauen noch nicht entsprochen worden, wir fordern aber, daß Ihr — eingedenk Eurer Pflicht und Eurer Verantwortlichkeit vor der Mit- und Nachwelt — Euch ermannt, und die von Euch nicht geahnte, aber durch Eure Unentschiedenheit, partikularistische Tendenzen und Parteizwiste entstandene Gefahr mit kräftiger Hand von dem Vaterlande abwendet; Ihr könnt uns das Recht zu dieser Forderung nicht absprechen, denn wir aus dem Volke sprechen zu unsern Vertretern!</p> <p>Unsere innere Feinde — das sind aber nicht jene, welche Viele von Euch dafür halten, sondern es sind die ränkevollen und unverbesserlichen Verfechter des Absolutismus — haben, durch die ausgestreute Saat der Zwietracht und durch Heuchelei, Euch, obwohl oft gewahrt, überlistet, und sind nun — wieder stark geworden, mit offenem Visir keck aufgetreten. Wien ist durch sie schon gefallen, Berlin ist durch sie jetzt in Gefahr!</p> <p>Wer trägt die unsühnbare Schuld? Die von Euch geschaffene unverantwortliche Centralgewalt hat sich zwar mit verantwortlichen Ministern umgeben, diese Minister aber, verknöchert mit abgenutzten Systemen über Staatsformen und Zwecke, sind, wie leider die Erfahrung zu viel bewiesen, entweder unfähig, oder zu schwach, um die Angelegenheiten der deutschen Nation bei dem mächtigen Umschwunge der Geister, nach dem totalen Bruch mit einer schmachvollen Vergangenheit, mit sicherer Hand zu leiten, sie schwärmen für den unseligen Partikularismus, und in den feudalistischen Ideen, welche nur Dynastien mit Unterthanen, aber kein Volk kennen.</p> <p>Wie wäre es möglich gewesen, daß in der Jetztzeit noch in Oesterreich die Militärdiktatur, eine Schöpfung des krassesten Absolutismus, entstanden, und zu Wien ein zweiter Alba das Staats- und Völkerrecht, sogar die von Euch selbst gegebenen Gesetze, durch einen rachesüchtigen Mord frech verhöhnt, wenn das Reichsministerium seine Pflicht erfüllt hätte? und würde in Preußen der unheilvolle Konflikt zwischen Volksvertretern und der Krone ausgebrochen, zu Berlin eine andere Militärdiktatur möglich sein, wenn das Reichsministerium sich der Krone nicht aufmunternd zur Seite gestellt und mit derselben die Unfreiheit der Volksvertretung behauptet hätte, welcher Behauptung die Vertreter selbst doch so großartig und muthvoll widersprochen haben? Das vorhandene doktrinäre Reichsministerium kennt nur eine </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0797/0001]
Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 152. Köln, Samstag den 25. November. 1848. Den auswärtigen Freunden der „Neuen Rheinischen Zeitung“ zeigen wir hiermit an, daß uns von dem hiesigen Ober-Postamte die Genehmigung ertheilt worden ist, vom heutigen Tage bis Ende Quartals Abonnements zum Preise von 1 Thlr. incl. des Postaufschlags entgegenzunehmen. Wir fordern demnach das auswärtige Publikum zur regen Theilnahme auf.
Köln, 16. November 1848. Die Expedition der „N. Rh. Ztg.“
Keine Steuern mehr!!!
Uebersicht. Deutschland. Düsseldorf. (Lassalle. — Die Düsseldorfer Vorfälle). Koblenz. (Krawall. — Bürgerwehrprotest. — Adresse an die Frankfurter Versammlung). Trier. (Gemeinderath. — Bürgerausschuß. — Sebaldt. Krawall. — Haw. — Adresse an die National-Versammlung). Schönecken. (Die Eifel und die National-Versammlung). Kettwig. (Die Heuler und die Bürgeradresse). Sprockhövel. (Adresse. — Machinationen der Heuler). Geilenkirchen. (Beschluß des Bürgervereins). Arnsberg. (Bürgerversammlung. — Sommer). Berlin. (Worte und Thaten in Berlin seit dem 9. November — Ausweisungswuth. — Wrangelsche „Ordnung und Ruhe.“ — Erklärung von Kirchmann. — Enthüllungen über die Pläne der Contre-Revolution. — Die National-Versammlung geht nicht nach Brandenburg. — Die Reichsvermittlung. — Beistimmungsadressen. — Zahl der Unterschriften). Halle. (Verhaftungen). Naumburg. (Landwehr. — Freicorps). Stettin. (Der „Pr. St.-A.“). Stralsund. (Landwehr und Bürgerwehr). Oldenburg. (Domänialvermögen). Wien. (Details über die jüngsten Ereignisse. — Der jetzige Zustand. — Der Krieg mit den Ungarn. — Neue Mordthat. — Der Gemeinderath). Darmstadt. (Eröffnung der Ständeversammlung).
Schweiz. Zürich. (Maßregeln des Reichsministeriums). Uri. (Wahlen). Schaafhausen, (Die deutsche Centralgewalt).
Italien. Turin. (Die Opinione mit Beschlag belegt. — Die Unterhandlungen Radetzki's mit Rußland) Bologne. (Die Garibaldi'sche Legion).
Franz. Republik. Paris. (Lamartine und Marie. — v. Raumer. — Die Arbeiter St. Etienne. — R. Blum. — Caussidiere's Memoiren. — Maigefangene. — National-Versammlung).
Amerika. (Die Präsidentenwahl. — Marktbericht. — Cholera. — Yucatan).
Deutschland. Z Düsseldorf, 24. November. Die Heldenthaten der Regierungsparthei übertreffen alle unsere Erwartungen. Bekanntlich hatte man schon seit längerer Zeit die Plakate fertig, durch welche der sogenannte Belagerungszustand proklamirt werden sollte; nur immer und immer wollte sich keine rechte Ursache, d. h. kein Scheingrund finden lassen. Erst Sonntag erklärte der Regierungspräsident v. Spiegel einer Deputation des Gemeinderaths und der Bürgerwehr „man würde den Belagerungszustand über Düsseldorf nur dann verhängen können, wenn die Stadt angriffe; und jedenfalls würde erst eine Proklamation vorhergehen.“ Montags waren viele Abgeordnete auswärtiger Bürgerwehren hier, um Verschiedenes mit uns zu berathen. Da auf einmal stürzen zwei Männer des hiesigen Volksklubs in die Versammlung und rufen „die Regierung wolle Kassengelder nach Berlin absenden, schon befänden sich mehre Fässer auf der Post, und das Volk würde und wollte sich dem widersetzen.“ Sofort entsandte der Bürgerwehrchef mehre der versammelten Offiziere zur Post, um das Volk zu beruhigen, nöthigenfalls zu zerstreuen, und sich überhaupt von dem Thatbestande in Kenntniß zu setzen. Die Offiziere gingen zur Post, überzeugten sich durch Erkundigung und persönliche Ansicht, welche ihnen die Postbeamten sehr gern gewährten, von der Falschheit des Gerüchtes und veranlaßten das Volk stille auseinander zu gehen, welches auch geschah. Jetzt aber glaubte man den scheinbaren Grund gefunden zu haben, den Belagerungszustand aussprechen zu können. Wie in dem Publikandum des Generals Drigalski und des Chefpräsidenten Spiegel groß und deutlich zu lesen ist „nach vielen eigenmächtigen, ungesetzlichen Anmaßungen der hiesigen Bürgerwehr, welchen die versuchte Antastung von Postgütern und die versuchte Verletzung des Briefgeheimnisses (!!) die Krone aufsetze etc. etc.“ wird also die Aufrechthaltung der Ordnung von Seiten der Bürgerwehr die Ursache zur Proklamirung des Belagerungszustandes. Nächstfolgenden Morgen, als wir den Kopf zum Fenster hinausstecken, sehen wir zu unserm Erstaunen die Thore mit Kanonen, Kavallerie und Infanterie besetzt, finden alle Hauptplätze abgesperrt und mit Truppen bedeckt, und gleich nachher erschienen kaltaussehende Lieutenants mit starker Bedeckung an den Straßenecken und lesen die Praklamation unter Trommel- oder Trompetenschall höchst rührend ab. Herr Spiegel und Herr Drigalski hatten sich aber schon Tags vorher in die Kaserne einquartiert und harrten der Dinge die da kommen könnten. Aber es kamen gar keine Dinge. Zuerst wollten die Bürger drüberher fallen und zuhauen. Die Bürgeroffiziere aber, welche sofort zusammeneilten, sahen ein, daß ihre einzelnen Kompagnien getrennt und abgeschnitten, jeder Zuzug unmöglich geworden sei. Somit mußte man sich auf passiven Widerstand beschränken, das Bürgeroffizierkorps gab einen Protest zu Papier, worin es das Verhalten des Regierungspräsidenten, der sich annoch in der Kaserne befindet, als „wortbrüchig“ bezeichnete, aber die Ablieferung der Waffen bestimmt ablehnte. Herr Drigalski unterdeß erließ ebenfalls aus der Kaserne heraus die Aufforderung, sofort auf die dazu aufgestellten Wagen die Gewehre abzuliefern. Wir sahen auch wirklich einen solchen mit 6 Pferden bespannt und mit 5 Gewehren beladen! — Heute zwar geht es etwas besser, aber wir zweifeln doch, daß auch bei der größten Strenge mehr als die Hälfte abgeliefert werden wird.
Die Soldateska benimmt sich herrlich, heldenmüthig! Sie war schon frühe meist trunken. Daß man viele Bürger haranguirte darf nicht wundern; aber daß der junge Hr. v. Henrumont, der schon seit 3 Monate Husaren-Lieutenant ist, zum Einhauen kommandirte und zwar auf ganz wehrlose Leute, das ist doch stark. Der jugendliche Held, ein geborner Düsseldorfer, sah denn auch das erste Blut fließen: eine arme Frau, welche 2 Kinder bei sich hatte, und nicht schnell genug fliehen konnte, erhielt eine gefährliche Hiebwunde über den Schädel; ein anderer alter Mann, ein steifer Greis, wurde niedergestoßen; ob er tod ist oder noch lebt, darüber widersprechen sich die Gerüchte, genug; es lebe der edle Heldenmuth! Alles „mit Gott für König und Vaterland!“ — Von andern Brutalitäten will ich gar nicht reden; was ist auch eine Armee ohne Disciplin?!! Es lebe die preußische Disciplin!
Gegen Abend ging ein großes Gartenlokal, „der Spatzengarten“ in Flammen auf. Das Haus war augenblicklich unbewohnt. Man glaubte, der Brand und die Brandglocke sollte ein Signal für die Außenbürger sein, aber die Thürme und die Glocken und Hörner schwiegen, die Soldaten haben dafür gesorgt, und das Gebäude ging in Flammen auf. Einen stillern Brand hat Düsseldorf noch nicht gesehen. In der Nacht bivuakirten die Truppen. Bei der Gelegenheit wurden einem Gemüsezüchter sehr viele Bohnenstangen gestohlen und zu Wachtfeuern der Husaren benutzt.
Daß Hr. Lasalle verhaftet ist, wissen Sie. Fragen Sie nicht warum; denn das wissen am Ende nicht einmal die Herren, die in der Kaserne logiren. Ein altes Sprichwort sagt, Gewalt gehe über Recht.
Düsseldorf, 22. Novbr. Wir haben eine Gesetzesverletzung zu konstatiren. Das Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit vom 24. Sept. 1848 sagt:
§. 1. Die persönliche Freiheit ist gewährleistet. Eine Verhaftung darf außer dem Falle der Ergreifung auf frischer That nur kraft eines schriftlichen, die Beschuldigung, sowie den Beschuldigten bestimmt bezeichnenden richterlichen Befehls bewirkt werden. Dieser Befehl muß entweder bei der Verhaftung oder spätestens innerhalb 24 Stunden dem Beschuldigten zugestellt werden. Bei jeder Verhaftung ist in gleicher Frist das Erforderliche zu veranlassen, um den Verhafteten dem zuständigen Richter vorzuführen.
§. 8 desselben Gesetzes bestimmt:
Im Falle eines Krieges oder Aufruhrs kann, wenn die Volksvertretung nicht versammelt ist, durch Beschluß und unter Verantwortlichkeit des Staatsministeriums die zeit- und distriktweise Suspendirung des §. 1 und §. 6 gegenwärtigen Gesetzes provisorisch ausgesprochen werden. Die Volksvertretung ist jedoch in diesem Falle sofort zusammen zu berufen.
Der §. 1 ist durch keinen Ministerialbeschluß suspendirt. Dennoch ist heute der Bürger Lasalle, ohne daß man einen Grund weiß, und ohne daß unseres Wissens irgend eine der gesetzlichen Formen beobachtet wurde, urplötzlich verhaftet worden.
(D. Z.) Koblenz, 23. Nov. Gestern Abend hatte auch hier im Bierhause „Texas“ ein Konflikt zwischen Bürgern und Militär statt, welcher auf die empörendste Weise von letzterem hervorgerufen wurde. Mehrere Artillerie- und Ulanen-Unteroffiziere, ungefähr 15 bis 20 an der Zahl, schimpften sehr laut über die Nationalversammlung, die Bürger, die Demokraten und sogar einzelne Personen von hier. Räuber, Spitzbube, Lump sind die glimpflichsten Worte, welche ausgestoßen wurden. Da ein Bürger die Ruhestörer zur Ruhe ermahnte, zog einer derselben sogleich den Säbel. Dieses war das Signal zum allgemeinen Angriff. Das Militär wurde gehörig durchgehauen und in pleno zur Thür hinausgeworfen. Ein erbeuteter Säbel wurde seinem Eigenthümer auf seine inständigste Bitte zurückerstattet. Die Besiegten nahmen sich aus der Kaserne Verstärkung; zu einem neuen Angriff ist es aber nicht gekommen, weil die Bürger zwei Unteroffiziere als Geiseln zurückbehalten hatten und kategorisch erklärten, sie würden diese sofort niederstoßen, wenn ein anderweiter Angriff erfolge. Es ist wohl nicht mehr daran zu zweifeln, daß diese Konflikte absichtlich herbeigeführt werden, um einen plausiblen Grund zu haben, auch uns, wie die Düsseldorfer, mit dem Belagerungszustande zu beglücken.
(Rh.- u. M.-Z.) Koblenz, 22. Novbr. Bei der heutigen, unter dem Vorsitz des Befehlshabers stattgehabten Führerversammlung wurde folgender Protest an das königl. Regierungspräsidium gerichtet:
„Den unterzeichneten Abtheilungs- und Zugführern der hiesigen Bürgerwehr, welche von dem zeitigen Befehlshaber derselben außerordentlich zusammenberufen waren, sind von letzterm zwei Schreiben des königl. Regierungspräsidiums vom 21. d. Mts. mitgetheilt worden, worin die vorläufige Suspendirung der Bürgerwehr vom Dienste auf Grund des §. 4 des Gesetzes über die Errichtung der Bürgerwehr vom 17. Oktober c. ausgesprochen wird. Das Motiv, welches ein königl. Präsidium zu diesem Schritte anführt, lautet dahin: daß die Bürgerwehr auf die deshalb an den Befehlshaber derselben ergangene Requisition, „dem am Moselbrückenthore bei vorkommender Steuerverweigerung entstandenen Umfuge durch Aufstellung einer entsprechenden Abtheilung Bürgerwehr zu steuern,“ sich außer Stand erklärt habe, dieser Requisition zu genügen, unter Bezugnahme auf ihre an die Nationalversammlung in Berlin gerichtete zustimmende Adresse hinsichtlich der Beschlüsse derselben. Dieses der Suspendirung zu Grunde gelegte Motiv gibt uns die Gewißheit, daß das königl. Regierungspräsidium den Inhalt der Requisition, welche von dem, den abwesenden Oberbürgermeister vertretenden Beigeordneten Herrn Chr. Haan an den Befehlshaber Hrrn. Kopp, ergangen ist, entweder gar nicht kennt oder aber in einer ganz andern Weise verstanden hat, als dies Seitens der Bürgerwehr der Fall ist. Aus der gedachten, hier abschriftlich mitgetheilten Requisition (welche bereits durch gegenwärtiges Blatt mitgetheilt) ergibt sich aber aufs Unzweideutigste, daß Herr Haan die Bürgerwehr zu keinem andern Zwecke verlangte, als zu welchem auch die Sergeanten und Gensd'armen bereits verwendet worden waren, nämlich damit die einzubringenden steuerpflichtigen Gegenstände auch wirklich angemeldet und versteuert würden. — Zu einer solchen Mission glaubte sich die Bürgerwehr weder damals noch jetzt berufen, indem es nicht Sache des gedachten Instituts sein kann, die Funktionen der Steuerexekutoren und Zollbeamten zu versehen, und zwar dies um so weniger, als die National-Versammlung zu Berlin bereits dekretirt hat, daß das Ministerium Brandenburg nicht befugt sei, Steuern einzuziehen oder zu verwenden.
Niemals hat aber die Bürgerwehr verweigert, die gesetzliche Ordnung, in so fern sie durch Straßenauflauf oder Straßenunfug gestört worden, zu schützen und zu handhaben, was auch gewiß in vorliegendem Falle, wenn eine derartige Requisition an sie ergangen wäre, von ihr nicht abgelehnt worden wäre. Ein königl. Präsidium wird sich durch diese Aufklärung aufs Vollständigste überzeugen, daß die Unterstellung, welche es zur fraglichen Suspendirung veranlaßt hat, gar nicht vorhanden ist, die Suspendirung also jedes rechtlichen Grundes entbehrt und demnach sofort zurückzunehmen sein wird. — Aber auch abgesehen davon, halten die Unterzeichneten ein königl. Regierungspräsidium durchaus nicht für befugt, eine Suspendirung über die dermalen hier bestehende Bürgerwehr auszusprechen, indem das angezogene Gesetz vom 17. Oktober d. J. erst auf die nach diesem Gesetze selbst zu organisirende Bürgerwehr Anwendung finden, nicht aber maßgebend sein kann für ein Institut, welches früher bestand als gedachtes Gesetz. Diese Gründe hat aber ein königl. Regierungspräsidium auch dadurch selbst anerkannt, daß es noch einen Befehlshaber der Bürgerwehr dahier anerkennt, der vermöge seiner amtlichen Stellung als Einzelrichter nach dem bezogenen Gesetze eine solche Stellung nothwendig nicht mehr bekleiden könnte und dürfte. Die Unterzeichneten erklären noch schließlich, indem sie zugleich bedauern, daß durch voreiliges und nicht ordnungsmäßiges Handeln, insbesondere aber durch unvollständige und verkehrte Darlegung der wahren Sachlage Seitens des Beigeordneten Herrn Haan ein solcher Konflikt herbeigeführt worden ist, für sich und die gedachte Bürgerwehr, daß sie noch immer, wie bisheran, bereit sei, nach Maßgabe des § 1 des Statuts, durch den Schutz der Person und des Eigenthums die Ruhe und Sicherheit der Stadt aufrecht zu erhalten, zugleich die gesetzliche Freiheit zu wahren und die Unabhängigkeit des Vaterlandes zu schützen.
Koblenz, den 22. November 1848.
(gez.) Kopp, Befehlshaber.
C. Kröber. Th. Hoffmann. K. Haß_ acher. H. Hürter. L. Schoben. Lange. Schlegel. C. Elsner. Laus. Hillebrand. Grandpre. Cadenbach. Maurer. Bernays. Leonh. Mayer. Metz. Pfadler. Gassen. Jos. Rath. Joh. Nep. Schickhausen. Kannengießer Joh. Roth. Th. Fluchard. Fr. Kolb. A. Kirsch. Jos. Schmidt. Ro_ l. Jos. Kalt. Bohl. Bremig.“
(Rh. u. M. Z.) * Koblenz, 18. November. In einer öffentlichen Sitzung des demokratischen Vereins ist folgende Adresse an die sogenannte National-Versammlung in Frankfurt angenommen und abgesandt worden:
P. P.
Das ganze Deutschland hat die Fesseln, in welche Despoten es zu schmieden gewußt hatten, muthig abgeworfen, das deutsche Volk hat sich einmüthig mündig und frei erklärt und seine Machtvollkommenheit wieder in eigene Hände genommen; darüber sind die Wurger seiner Freiheit, und die Kerkermeister plötzlich wie Staub zerstoben, und großmüthig hat es ihnen Straflosigkeit gewährt. Euch aber hat das freie deutsche Volk mit dem großen und ehrenvollen Berufe betraut, die politische Einheit Deutschlands, seine Unabhängigkeit, und den ihm gebührenden Rang unter den Nationen wieder herzustellen.
Wir hadern in diesem zu ernsten Augenblicke nicht mit Euch, daß unserm Zutrauen noch nicht entsprochen worden, wir fordern aber, daß Ihr — eingedenk Eurer Pflicht und Eurer Verantwortlichkeit vor der Mit- und Nachwelt — Euch ermannt, und die von Euch nicht geahnte, aber durch Eure Unentschiedenheit, partikularistische Tendenzen und Parteizwiste entstandene Gefahr mit kräftiger Hand von dem Vaterlande abwendet; Ihr könnt uns das Recht zu dieser Forderung nicht absprechen, denn wir aus dem Volke sprechen zu unsern Vertretern!
Unsere innere Feinde — das sind aber nicht jene, welche Viele von Euch dafür halten, sondern es sind die ränkevollen und unverbesserlichen Verfechter des Absolutismus — haben, durch die ausgestreute Saat der Zwietracht und durch Heuchelei, Euch, obwohl oft gewahrt, überlistet, und sind nun — wieder stark geworden, mit offenem Visir keck aufgetreten. Wien ist durch sie schon gefallen, Berlin ist durch sie jetzt in Gefahr!
Wer trägt die unsühnbare Schuld? Die von Euch geschaffene unverantwortliche Centralgewalt hat sich zwar mit verantwortlichen Ministern umgeben, diese Minister aber, verknöchert mit abgenutzten Systemen über Staatsformen und Zwecke, sind, wie leider die Erfahrung zu viel bewiesen, entweder unfähig, oder zu schwach, um die Angelegenheiten der deutschen Nation bei dem mächtigen Umschwunge der Geister, nach dem totalen Bruch mit einer schmachvollen Vergangenheit, mit sicherer Hand zu leiten, sie schwärmen für den unseligen Partikularismus, und in den feudalistischen Ideen, welche nur Dynastien mit Unterthanen, aber kein Volk kennen.
Wie wäre es möglich gewesen, daß in der Jetztzeit noch in Oesterreich die Militärdiktatur, eine Schöpfung des krassesten Absolutismus, entstanden, und zu Wien ein zweiter Alba das Staats- und Völkerrecht, sogar die von Euch selbst gegebenen Gesetze, durch einen rachesüchtigen Mord frech verhöhnt, wenn das Reichsministerium seine Pflicht erfüllt hätte? und würde in Preußen der unheilvolle Konflikt zwischen Volksvertretern und der Krone ausgebrochen, zu Berlin eine andere Militärdiktatur möglich sein, wenn das Reichsministerium sich der Krone nicht aufmunternd zur Seite gestellt und mit derselben die Unfreiheit der Volksvertretung behauptet hätte, welcher Behauptung die Vertreter selbst doch so großartig und muthvoll widersprochen haben? Das vorhandene doktrinäre Reichsministerium kennt nur eine
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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