Neue Rheinische Zeitung. Nr. 153. Köln, 26. November 1848. Zweite Ausgabe.wie z. B. die Mittheilung über den Volksjubel, unter welchem Wrangel hier eingezogen sei, und das dadurch bewirkte Wiederaufathmen der Bürgerschaft, den Erfolg der Waffenablieferung, den Vorfall am 11. November am Schauspielhause, als die Nationalversammlung dasselbe verschlossen und besetzt fand, und die demnächst im Hotel de Russie gehaltene Sitzung u. a. m. -- theils von ganz einseitigem Standpunkte aufgefaßt. Unerwähnt kann jedoch die Nachricht nicht bleiben, daß eine Anzahl großer Gutsbesitzer der Krone ihre Privatmittel zur Verfügung gestellt, ein anderer Theil derselben sich zur Vorausbezahlung der Steuern erboten, und die ukermärkischen Gutsbesitzer beschlossen haben, den zusammengezogenen Landwehrmännern täglich 1 Sgr. Zulage pro Mann zu geben. Wenn dies wahr, so ist es auch ganz natürlich, da eben Adel, Gutsbesitzer und Beamte die gegenwärtige Krise zur Festhaltung ihres Einflusses und ihrer Vorrechte herbeigeführt haben, und bei der Beseitigung der Nationalversammlung am lebhaftesten betheiligt sind; denn bekanntlich lauteten die letzten Beschlüsse derselben auf Abschaffung des Adels und aller leerer Orden und Titel und auf unentgeldliche Aufhebung einer Menge alter ungerechter Lasten und Abgaben, während die Aufhebung der bisher bestandenen Grundsteuer-Befreiungen nächstens an die Reihe kommen sollte. Die Unwahrheiten, welche die sogenannte Parlaments-Correspondenz über allerlei Zustände und Begebenheiten außerhalb Berlin's auftischt, sind und werden täglich durch die öffentlichen Blätter widerlegt, können auch unmöglich sämmtlich einzeln berichtigt werden. Lächerlich aber ist es, wenn von jener Seite die wenigen Billigungs-Adressen einzeln aufgeführt werden, die eingegangen sind, während die Nationalversammlung deren bereits weit über 3000 erhalten hat. Was endlich die rechtlichen Ausführungen betrifft, wodurch jene Pflichtvergessenen sich und das Ministerium rechtfertigen wollen, so sind diese in den Verhandlungen der Nationalversammlung und in den meisten öffentlichen Blättern schon beleuchtet und widerlegt, in soweit es dessen bei einer so einfachen Sache bedarf. Denn Jedermann begreift, daß, wenn der Krone das Recht der willkührlichen Vertagung, und auf so lange sie will, gegen die Nationalversammlung zugestanden wird, das ebensoviel heißt, als ihr auch die Befugniß einräumen, die Nationalversammlung beliebig ganz und auf immer zu vertagen, d. h. aufzulösen und in früherer Unbeschränktheit weiter zu regieren. Wenn man aber auch nicht einmal auf dem Standpunkte der Volkssouveränetät, sondern nur auf dem der Vereinbarung steht, den ja die ausgeschiedenen Mitglieder stets eingenommen zu haben behaupten, muß man schon der Krone jene Befugniß absprechen. Dies hat auch die Regierung richtig begriffen: denn es ist klar -- und selbst in der sogenannten Parlamentskorrespondenz wird diese Besorgniß ausgesprochen und dagegen devotest supplicirt -- daß man auf diese Vertagung niemals hat einen Wiederzusammentritt folgen lassen wollen, sondern vermuthlich eine der Regierung genehme Verfassung zu oktroyiren gedachte. Dafür spricht auch die Preisgebung und theilweise Zerstörung der Archivs der National-Versammlung. Noch ist zu bemerken, daß von jener Seite als Präcedenzfall der Vertagung einer konstituirenden Versammlung auf Würtemberg hingewiesen wird, wo solche im Winter 1816/17 stattgefunden habe. Dies Beispiel paßt aber nicht: denn die dortige Krone stand damals nicht einer konstituirenden Versammlung, sondern ihren alten Landständen gegenüber, mit denen sie sich zu vereinbaren suchte. Deren Vertagung aber war nach den betreffenden Gesetzen zulässig. Ebensowenig paßt das in der Parlaments-Korrespondenz enthaltene Citat au[unleserliches Material] Benjamin Constant, da auch dieser keine konstituirende Versammlung, sondern schon konstituirte gesetzgebende im Auge hat. Am 21. d. M. wurde der Eigenthümer der Vossischen Zeitung, Hr. Lessing, von dem General Wrangel, der ihm bis dahin völlig unbekannt war, zum Diner eingeladen. Nach dessen Beendigung kam der etc. Lessing in die Expedition der Vossischen Zeitung und erzählte mit Begeisterung, mit welchen Artigkeiten ihn der General Wrangel überhäuft habe, wie er bei Tische neben ihm gesessen und sogar v[unleserliches Material] ihm umarmt worden sei. Der etc. Lessing nahm sofort noch eine genaue Revision der am 22. zu erscheinenden Voss. Ztg. vor, was er bis dahin niemals gethan hatte, um ganz sicher zu sein, daß keine einzige der Regierung unangenehme Nachricht in der Zeitung erscheine. 16 Berlin, 24. Nov. In Nr. 150 Ihrer Zeitung wird die Entwaffnung der Bürgerwehr so dargestellt, als ob Jeder seine Waffe ruhig ohne Murren abgebe, dies ist nicht ganz richtig. In einer Stadt von 420,000 Einwohnern mit circa 30,000 Bürgern, wo viele aus pecuniären Rücksichten so zu sagen, geborne Reaktionäre sind, kann es nicht Wunder nehmen, wenn einige Tausend Geldmenschen froh sind, wie der Berliner sagt, "die alte Geschichte wieder zu kriegen". Diese Leute sind meist Hausbesitzer und bieten in ihren Kreisen natürlich auch auch Alles auf, daß "Jeder wieder ein ordentlicher Bürger.wird". Diese haben nun allerdings Alles aufgeboten, um die Entwaffnung vollständig zu machen; z. B. der berüchtigte Wollf, ehemaliger Bürgerwehrhauptmann und noch Stadtverordneter, ging mit dem Kommando Militär nicht nur in seinem Hause, nein in seinem ganzen Revier umher. In Folge der Listen, die er als Hauptmann hatte, kannte er jeden einzelnen Bürgerwehrmann, und diese mußten dann allerdings das Gewehr hergeben. Anderseits haben die Revierkommissäre auch eine große Rolle dabei gespielt. Ohne solche gemeine Verrathsscenen würde das abgelieferte Waffenquantum nur ein Drittel der Ausbeute geliefert haben. Daher auch der mehr oder minder ergiebige Erfolg. Wo die Führer und Wirthe gut waren, ist wenig genug abgeliefert worden In meinem Hause z. B. wohnen sechs Bürgerwehrmänner; aber als es zum Abliefern kam, hatte Niemand die Waffe mehr. Die ganze Entwaffnung ist als beendigt anzusehen und hat, ich kann es aus bester Quelle versichern, noch nicht 10,000 Gew. eingetragen. Natürlich reden unsere Gegner sich und uns ein, es seien 24,000 abgeliefert. 28,000 Gewehre waren im März ausgegeben, an 8000 Waffen wenigstens bisher angeschafft, bei verschiedenen Waffenlädenplünderungen etwa 1000 erbeutet und von dem Zeughaussturm wenigstens noch 1200 in Händen des souveränen Volkes. Hiernach sind also noch 25,000 Waffen in guten Händen und werden ihre Dienste thun. Heute ging wieder das Gerücht, und wird auch in Köln verbreitet werden, daß ein Theil der hier ausharrenden Nationalvers. am Montag nach Brandenburg gehe. Es ist nicht wahr; Jacoby und Brill versichern mir so eben, daß 279 unter keiner Bedingung nach Brandenburg gehen werden. Heute Nachmittag fuhr der Berliner Windischgrätz in einer königl. Equipage bei der Börse vorüber, und o Schmach, die Philister grüßten ihn und schwenkten mit den Hüten. Am Bezeichnetsten ist es wohl, wenn ich Ihnen sage, daß eben an der Börse mehrere Spekulanten, welche die Papiere steigen machen wollten, aussprengten, Köln, Breslau und Liegnitz seien in Belagerungszustand; es gelang, und die Course gingen auf einen Augenblick in die Höhe, fielen aber wieder, als die Nachricht sich falsch erwies. Breslau, 21. Novbr. Es war für heute durch die Zeitungen eine Einladung zur Konstituirung eines Vereins für "Gesetz und Ordnung" ergangen, und es fanden sich ziemlich viel Leute im Börsenlokale ein, unter denen die Meisten natürlich Gesetz und Ordnung nicht in Bajonnetten und Kanonen verkörpert sehen. Es wurde nun in der Versammlung eine Adresse vorgelesen, in welcher der Magistrat aufgefordert wird, Militär zu requiriren etc. Gegen diese verrätherische Adresse erhob sich ein wilder Sturm. Die meisten Anwesenden riefen schändlich! nichtswürdig, feig. Das Präsidium suchte vergebens die Ruhe durch anhaltendes Läuten herzustellen. Später erst gelang es einigen Rednern, sich vernehmbar zu machen. Einer von diesen forderte das Präsidium auf, seine Begriffe über Ordnung und Gesetzmäßigkeit zu entwickeln, ob diese mit denen der Versammlung übereinstimmen. Der Redner meinte, nach dieser Adresse zu schließen, verlange man die Ruhe des Kirchhofs, die alte Zeit, wo freche Junker ihren Fuß auf den Nacken des Bürgers setzten. Gesetzmäßig sei die Souveränetät des Volkes, aber nicht die Anarchie eines Ministerium Brandenburg. Unterdeß hatte sich eine Menge vor der Börse, dem Sitzungslokale, versammelt, welche nicht eben die freundlichsten Absichten gegen einzelne Glieder der Versammlung für Gesetz und Ordnung verriethen. Wie wir hörten, wurde die Bürgerwehr zum Schutze der Bedrohten herbeigerufen. So endete diese denkwürdige Sitzung für Gesetz und Ordnung mit der höchsten Gesetzlosigkeit und Unordnung stürmscher, als die Versammlungen an der Kornecke. Die Adresse erhielt -- 16 Unterschriften. Auf dem Kreistage zu Neustadt (O. S.), der von 90 Abgeordneten des Kreises beschickt war, faßte man folgende Beschlüsse: 1) Er erkennt an, daß die Nationalversammlung in ihrem Rechte ist. 2) Er erkennt den Beschluß der Nationalversammlung wegen Steuerverweigerung als rechtsgültig und bindend an. 3) Er versteht unter Steuerverweigerung keine Steuerasservation, sondern die Weigerung, unter dem Ministerium Brandenburg überhaupt Steuern zu zahlen. 4) Er beschließt, einen Kreis-Sicherheitsauschuß zu ernennen, bestehend aus 25 bewährten und befähigten Männern, welche möglicherweise in der Kreisstadt Neustadt wohnen müssen. 5) Er beschließt, in diesen Kreis-Sicherheitsausschuß den von der Stadtverordnetenversammlung erwählten, aus 8 Mitgliedern bestehenden Sicherheitsausschuß aufzunehmen. Hierauf wurde der Sicherheitsausschuß erwählt und die Sitzung geschlossen. Der Aufruf des Kreislandsturms, welcher von den Bauern gewünscht wird, und den wir auch als das letzte, aber erfolgreiche, wenn auch revolutionäre Mittel ansehen, wurde dem Kreis-Sicherheitsauschuß überlassen. Zu Waldenburg wurde von den Vertretern des ganzen Kreises am 17. d. die Steuerverweigerung mit Uebereinstimmung des interimistischen Landrathsverwesers und des Steuereinnehmers beschlossen und die Kasse sofort unter das Kuratorium zweier Ausschußmitglieder gestellt (A. O.-Z.) ** Breslau, 23. Nov. Die Führer der Bürgerwehr hielten heute eine Versammlung. Es wurde daselbst beschlossen, den von etc. Wrangel in Berlin verbotenen Bürgerwehrkongreß nach Bres- zu berufen. Das hiesige Regierungskollegium hat heute nach einer langen Berathung die Frage wegen Auflösung der Bürgerwehr verneinend entschieden, weil vorläufig kein -- stichhaltiger Grund vorliege. Die beiden Reaktionärs, Regenbrecht und Grund, werden in den sauern Apfel der Abbitte gegen die von ihnen beleidigten Führer der Bürgerwehr beißen müssen. Ratibor, 19. Nov. In der heute um 11 Uhr durch Anschlagzettel in deutscher und polnischer Sprache zusammenberufenen und von vielen Städtern und Landleuten besuchten Volksversammlung stattete zunächst ein Mitglied der von der vorgestrigen Volksversammlung gewählten Deputation Bericht über deren Schritte in Betreff der Ausführung der Steuerverweigerung ab. Die Deputation, deren Mehrzahl den von der Nationalversammlung gefaßten Beschluß dahin auslegte, daß die Steuern einstweilen gar nicht zu zahlen wären, wofür allerdings auch der Privatbrief eines Abgeordneten in Berlin spricht, in welchem von Suspension der "Entrichtung" der Steuern die Rede ist, hatte sich in das Rentamt und das Hauptsteueramt begeben, und von dem Einnehmer des Erstern das Ehrenwort erhalten, daß eine Absendung von Geldern aus demselben an die Regierung bereits das ganze Jahr nicht stattgefunden hätte. Gleichwohl habe die Deputation nachträglich erfahren, daß aus dem Rentamte am Abend vorher 3000 Thlr. abgeschickt worden seien, was von einigen Zeugen in der Volksversammlung selbst bestätigt wird. Auch im Hauptsteueramte hatte die Deputation das feierliche Versprechen erhalten, daß vor der Hand keine Gelder abgeführt werden sollten, bis der Vorstand des Hauptsteueramtes vom Provinzialsteuerdirektor darüber definitive Antwort erhalten haben würde, von welcher die Deputation in jedem Falle Kenntniß erhalten soll. Die daselbst beantragte Aufhebung der Mahl- und Schlachtsteuer wurde von dem Entschlusse des hiesigen Magistrats abhängig gemacht, der aber verneinend ausgefallen ist. Der Vorsitzende der Volksversammlung fährt nun damit fort, daß er auf die Nothwendigkeit hinweist, einen Aufruf an das Landvolk zu erlassen, nachdem selbst der Oberpräsident der Provinz Schlesien die Steuerverweigerung für gesetzlich und ihr kein Hinderniß in den Weg legen zu wollen erklärt hat. Es sei Pflicht der Provinzen, von denen Berlin annehme, daß sie wach sind, das Ihrige dazu beizutragen, daß wir nicht in dieselbe Lage geriethen, in welcher sich jetzt ganz Oesterreich durch sein Verhalten gegen die Hauptstadt während ihrer Revolution befinde. Dazu sei vor Allem nothwendig, daß nicht nur in den Städten, sondern auch auf den Dörfern aufs schleunigste die Volkswehr ins Leben trete. Es sei dies zwar schon überall der Fall, aber im Kreise Ratibor nicht. Daher schlage er einen Aufruf an den Kreis vor, welcher diesen von der Steuerverweigerung in Kenntniß setze und zur Bewaffnung für alle Fälle auffordere, wie er von der erwähnten Deputation bereits ausgearbeitet worden sei. Dieser Aufruf wurde in deutscher und polnischer Sprache verlesen und von der Versammlung der Abdruck in beiden Sprachen und die Vertheilung desselben unter das Landvolk beschlossen. (A. Od. Ztg.)Gratz. Neulich wollten einige Personen beim Wirthe zu Waltersdorf bei Gratz das Porträt des Kaisers verbrennen, und brachten den Mördern Latour's ein Lebehoch. In einigen Wirthshäusern wird an Sonntagen immer die Marseillaise, und unmittelbar darauf die Volkshymne gespielt. Ersteres ruft bei vereinzelten Tischen wüthenden aber nicht vollstimmigen Beifall hervor, während das Volkslied von anhaltendem Beifallsdonner begrüßt wird. 24 Wien, 20. Nov. Daß Windischgrätz eben so wie früher Radetzky, vom russischen Kaiser für die der europäischen Contre-Revolution geleisteten Dienste belohnt werden würde, ließ sich vermuthen. Nicolaus hat ihm jetzt in der That das Großkreuz des St. Georg-Ordens und dem Jellachich das Großkreuz des Wladimir-Ordens nebst verbindlichem Dankschreiben für die "Tapferkeit" und für die "Mäßigung der Heerführer bei der Einnahme Wien's" zustellen lassen. Der ungarische General Perczel ist mit seiner Streitmacht nach Steiermark vorgedrungen und hat die kaiserl. Vorposten vollständig geschlagen. Der Kampf dauerte 5 Stunden. 24 Wien, 21. Novbr. Von den Verhafteten sollen bis jetzt ungefähr 1400 wieder entlassen sein. Dagegen werden täglich eine Masse neuer Verhaftungen vorgenommen -- heute Nacht an 200. Mit den Verurtheilungen zum Tode geht's im bisherigen Gleise fort. Aigner wurde zum Strange verurtheilt, jedoch unbedingt begnadigt. Dr. Becker ist ebenfalls zum Tode verurtheilt, wird aber schwerlich Gnade erhalten. Robert Blum's Frau ist hier angelangt; sie wollte den Leichnam ihres Mannes reklamiren. Allein man hat es mit Blum's Leiche gemacht, wie mit den übrigen; sie ist sezirt worden!! So hat der Scharfrichterknecht Windischgrätz noch den Leichnam mit seiner Wuth verfolgt. 61 Wien, 22. Nev. Seit zwei Tagen haben keine öffentliche Hinrichtungen stattgefunden. Man weiß nicht von wannen dieser humane Wind weht, da man gewiß ist, daß er nicht aus der unmittelbarsten Nähe kommen kann. Den Grund dazu in bloser Ermüdung zu suchen und beide Frei-Tage als Rasttage zu betrachten, wäre mit Rücksicht auf die handelnden Persönlichkeiten mindestens lächerlich. Also rannt man sich in's Ohr, -- da laut reden nach Pulver und Blei riecht, es sei eine kaiserliche Kundmachung angekommen, welche die öffentlichen Hinrichtungen vor der Hand suspendire. Dieselbe ist indessen noch nicht veröffentlicht worden; das wäre ja Demokratie, dem Volke setzt schon Hoffnungen zu machen ohne Strang, ohne Pulver und Blei. -- Die Anarchie währt ja noch fort, sie muß fort währen, wenn auch ganz Wien einem Grabe gleicht. F.-M.-L. Welden will, daß die Anarchie noch fortdaure, darum beschwor er gestern wiederholt die Bürger, keine Plakate anzuheften, weil dies bereits oftmals strenge untersagt worden sei. Ich möchte das Plakat sehen, welches seit dem 1. Nov. so ohne weiters gedruckt und angeheftet worden wäre, ohne daß die Militärgewalt dazu die Erlaubniß ertheilt hätte. -- Noch immer werden nächtlich und täglich Aufrührer, Wühler und Räuber eingefangen; stellen sie sich freiwillig, so sollen sie statt Strang oder Pulver und Blei 10 fl. C. M. Handgeld bekommen, wenn sie Kriegsknechte werden. Freiwillig, sagt das Volk, werden sich sehr wenige melden, so groß auch die Noth ist, denn sie wissen, was ihnen blüht und welches Handwerk sie treiben müssen. Darum sieht man sich vor, daß die filii familias sich versteckt halten, weil es dem Herrn vom Strang und Pulver und Blei einfallen könnte, seine Leutchen, wie schon geschehen, direkt aus den Häusern zu nehmen. Alle Feldmarschälle rufen nach Rekruten und Geld, und die Bauern halten beide unter der Erde. Sedlnitzky soll hier sein und man hört seitdem auch wieder vom Spuck der "Umarmenden Jungfrau." Sie fragen, was es damit für ein Bedeuten habe; ich will es Ihnen sagen. Die "Umarmende Jungfrau" ist eine Maschine, die sich im Prater in der Nähe des Donaukanals befinden soll. Sie steht unter der Erde über einem tiefen mit dem Kanale verbundenen Wasserspiegel; ein Souterain führt dahin. Die Maschine ist aus vielen hundert Messern zusammengesetzt, die einen hineingeworfenen Menschen z. B. in die kleinsten Stücke zerhacken, die dann in der Tiefe versinken. Unter Sedlnitzky-Metternich verschwanden sehr viele Menschen oft auf die geheimnißvollste Weise; es waren Leute, mit denen man vor Polizei und Kriminalgericht nicht gerne viel Verhör-Umstände zu machen geneigt war. Wenn den Donaukanal einmal ein rother Faden durchzog und am Ufer wachende Polizei die Neugierigen hinwegtrieb, dann wurde gewöhnlich auch Jemand urplötzlich vermißt. Seit dem März waren die Messer der "Umarmenden Jungfrau" verrostet, aber nun sind sie wieder polirt und geschliffen, denn Sedlnitzky ist ja schon hier und ein Metternich kann nicht ausbleiben. Berlins "Humoristische Studien" werden von uns mit ziemlicher Spannung verfolgt. Man ist neugierig, ob der ehemalige Berliner Eckensteherwitz, mehr ausrichtet wider die Armeen des Absolutismus, als unser Widerstand mit Pulver und Blei es vermocht hat. Man will es nicht recht glauben, obwohl man es schon der eigenen Haut wegen ganz ungeheuer wünscht. Man wettet sogar, daß Paris noch auf lange Zeit hin bourgeois bleibt. England und der Absolutismus zählen ja so fast auf ein Bündniß mit Frankreichs Bourgeois, damit Alles recht hübsch wieder in's Alte komme. Und aus ziemlich zuverläßigem Munde vernehme ich, daß Frankreichs glacirte Bourgeois England sogar Sizilien überlassen wollen, wenn es ihnen etwelche andere Kleinigkeiten Preis gibt, und dem Russen in den Donaufürstenthümern und im Nacken seiner gekrönten deutschen Lehnstäger festern Fuß zu faßen erlaubt: Im Volksgarten verlangten östreichische Offiziere neulich, daß Strauß die Nationalhymne spiele. Er that's und die Offiziere entblößten ihre Schädel und klirrten mit Degen und hieben den Civilisten, die bouche beante und bedeckten Hauptes diesem Schauspiel zusahen, die Filze herab. Ich gehe nicht wieder in diese kroatisch-konstitutonelle Bildungsschule. Die Knutenmajestät von Tobolsk und Irkutz hat die Herren Windischgrätz und Jellachich mit Orten begnadigt, die ein Flügeladjutant mit einem schmeichelhaften allerhöchst autokratischen Schreiben überbracht hat, ohne lange beim Olmützer Lehnsträger um Erlaubniß zu fragen. Ueber die Post erschallen fortwährend Klagen; das ancien regime hat hier nie aufgehört; die Post war immer nur eine Spitzelanstalt. Gewöhnliche Briefe haben durchaus keine Postsicherheit und man wird ausgelacht, wenn man reklamirt. Die Beförderung und Ausgabe solcher Briefe hängt gänzlich von der Willkür der Postbeamten und Briefträger ab. Verspüren dieselben Geld darin oder trägt der Brief eine polizeilich denunzirte Adresse, so wird er unterschlagen. Einem Freunde von mir ist beides noch kürzlich geschehen. Man ist also gezwungen, seine Briefe, sollen sie ankommen, theuer zu rekommandiren. Dadurch erhält die Polizei eine genaue Kontrolle über Adressaten und Absender, weil letzter sich mit seiner Wohnung auf dem Kouvert des Briefes nennen muß. Das schwarze Kabinet, welches gut bedient ist, leistet das Uebrige. Italien. Der in Chambery kommandirende Divisionsgeneral hat bekannt gemacht, daß die Regierung polnischen Flüchtlingen, welche in die Armee Karl Alberts treten wollen, das Ueberschreiten der sardinischen Grenze nicht mehr gestatten kann. Alle an der Grenze anlangenden Flüchtlinge werden daher zurückgewiesen. Französische Republik. Paris, 22. Novbr. Marie, Justizminister und Exglied der ehemaligen Exekutiv-Kommission, den nebst Lamartine der Telegraph berief, wohnte heute der Nat.-Vers. bei und setzte sich neben Cavaignac. -- Nationalversammlung. Sitzung vom 23. Nov. Anfang 1 1/2 Uhr. Präsident Marrast. Marrast nach der Protokollslesung sagt: An der Tagesordnung befindet sich zunächst ein Antrag auf Erhöhung des Einfuhrzolles für fremdes Salz zum Einsalzen der Fische. Luneau: Die Versammlung ist noch nicht beschlußfähig; ich verlange den Namensaufruf! (Ja, Ja! Nein, Nein!) Marrast: Behufs der Diskussionseinleitung braucht die Versammlung nicht vollzählig zu sein. Hierauf beginnt die Diskussion. Sesmaisons beweist, daß der Gegenstand keineswegs reiflich genug erwogen worden und schon zur Beschlußnahme reif sei. Warum handelt es sich? Unsere Küstenländer befassen sich mit Fischfang (Stockfisch-, Härings-, Wallfisch- und anderer Fischerei), welcher den Volksklassen des Festlandes eines der Hauptnahrungsmittel verschafft. Bei diesem Gewerbe ist viel Salz nöthig, darum spielt der Preis, zu welchem dieses Salz zu haben ist, eine große Rolle in den Lebensmittelpreisen der Armen. Es ist nun der Antrag gestellt worden, die Eingangssteuer dieses Salzes auf 50 Centimen für 100 Kilogramm festzustellen. Das heißt aber unsere westlichen Salzbergwerke ruiniren. Diese können bei der jetzigen Arbeitsweise das Salz wie z. B. die Mittheilung über den Volksjubel, unter welchem Wrangel hier eingezogen sei, und das dadurch bewirkte Wiederaufathmen der Bürgerschaft, den Erfolg der Waffenablieferung, den Vorfall am 11. November am Schauspielhause, als die Nationalversammlung dasselbe verschlossen und besetzt fand, und die demnächst im Hotel de Russie gehaltene Sitzung u. a. m. — theils von ganz einseitigem Standpunkte aufgefaßt. Unerwähnt kann jedoch die Nachricht nicht bleiben, daß eine Anzahl großer Gutsbesitzer der Krone ihre Privatmittel zur Verfügung gestellt, ein anderer Theil derselben sich zur Vorausbezahlung der Steuern erboten, und die ukermärkischen Gutsbesitzer beschlossen haben, den zusammengezogenen Landwehrmännern täglich 1 Sgr. Zulage pro Mann zu geben. Wenn dies wahr, so ist es auch ganz natürlich, da eben Adel, Gutsbesitzer und Beamte die gegenwärtige Krise zur Festhaltung ihres Einflusses und ihrer Vorrechte herbeigeführt haben, und bei der Beseitigung der Nationalversammlung am lebhaftesten betheiligt sind; denn bekanntlich lauteten die letzten Beschlüsse derselben auf Abschaffung des Adels und aller leerer Orden und Titel und auf unentgeldliche Aufhebung einer Menge alter ungerechter Lasten und Abgaben, während die Aufhebung der bisher bestandenen Grundsteuer-Befreiungen nächstens an die Reihe kommen sollte. Die Unwahrheiten, welche die sogenannte Parlaments-Correspondenz über allerlei Zustände und Begebenheiten außerhalb Berlin's auftischt, sind und werden täglich durch die öffentlichen Blätter widerlegt, können auch unmöglich sämmtlich einzeln berichtigt werden. Lächerlich aber ist es, wenn von jener Seite die wenigen Billigungs-Adressen einzeln aufgeführt werden, die eingegangen sind, während die Nationalversammlung deren bereits weit über 3000 erhalten hat. Was endlich die rechtlichen Ausführungen betrifft, wodurch jene Pflichtvergessenen sich und das Ministerium rechtfertigen wollen, so sind diese in den Verhandlungen der Nationalversammlung und in den meisten öffentlichen Blättern schon beleuchtet und widerlegt, in soweit es dessen bei einer so einfachen Sache bedarf. Denn Jedermann begreift, daß, wenn der Krone das Recht der willkührlichen Vertagung, und auf so lange sie will, gegen die Nationalversammlung zugestanden wird, das ebensoviel heißt, als ihr auch die Befugniß einräumen, die Nationalversammlung beliebig ganz und auf immer zu vertagen, d. h. aufzulösen und in früherer Unbeschränktheit weiter zu regieren. Wenn man aber auch nicht einmal auf dem Standpunkte der Volkssouveränetät, sondern nur auf dem der Vereinbarung steht, den ja die ausgeschiedenen Mitglieder stets eingenommen zu haben behaupten, muß man schon der Krone jene Befugniß absprechen. Dies hat auch die Regierung richtig begriffen: denn es ist klar — und selbst in der sogenannten Parlamentskorrespondenz wird diese Besorgniß ausgesprochen und dagegen devotest supplicirt — daß man auf diese Vertagung niemals hat einen Wiederzusammentritt folgen lassen wollen, sondern vermuthlich eine der Regierung genehme Verfassung zu oktroyiren gedachte. Dafür spricht auch die Preisgebung und theilweise Zerstörung der Archivs der National-Versammlung. Noch ist zu bemerken, daß von jener Seite als Präcedenzfall der Vertagung einer konstituirenden Versammlung auf Würtemberg hingewiesen wird, wo solche im Winter 1816/17 stattgefunden habe. Dies Beispiel paßt aber nicht: denn die dortige Krone stand damals nicht einer konstituirenden Versammlung, sondern ihren alten Landständen gegenüber, mit denen sie sich zu vereinbaren suchte. Deren Vertagung aber war nach den betreffenden Gesetzen zulässig. Ebensowenig paßt das in der Parlaments-Korrespondenz enthaltene Citat au[unleserliches Material] Benjamin Constant, da auch dieser keine konstituirende Versammlung, sondern schon konstituirte gesetzgebende im Auge hat. Am 21. d. M. wurde der Eigenthümer der Vossischen Zeitung, Hr. Lessing, von dem General Wrangel, der ihm bis dahin völlig unbekannt war, zum Diner eingeladen. Nach dessen Beendigung kam der etc. Lessing in die Expedition der Vossischen Zeitung und erzählte mit Begeisterung, mit welchen Artigkeiten ihn der General Wrangel überhäuft habe, wie er bei Tische neben ihm gesessen und sogar v[unleserliches Material] ihm umarmt worden sei. Der etc. Lessing nahm sofort noch eine genaue Revision der am 22. zu erscheinenden Voss. Ztg. vor, was er bis dahin niemals gethan hatte, um ganz sicher zu sein, daß keine einzige der Regierung unangenehme Nachricht in der Zeitung erscheine. 16 Berlin, 24. Nov. In Nr. 150 Ihrer Zeitung wird die Entwaffnung der Bürgerwehr so dargestellt, als ob Jeder seine Waffe ruhig ohne Murren abgebe, dies ist nicht ganz richtig. In einer Stadt von 420,000 Einwohnern mit circa 30,000 Bürgern, wo viele aus pecuniären Rücksichten so zu sagen, geborne Reaktionäre sind, kann es nicht Wunder nehmen, wenn einige Tausend Geldmenschen froh sind, wie der Berliner sagt, „die alte Geschichte wieder zu kriegen“. Diese Leute sind meist Hausbesitzer und bieten in ihren Kreisen natürlich auch auch Alles auf, daß „Jeder wieder ein ordentlicher Bürger.wird“. Diese haben nun allerdings Alles aufgeboten, um die Entwaffnung vollständig zu machen; z. B. der berüchtigte Wollf, ehemaliger Bürgerwehrhauptmann und noch Stadtverordneter, ging mit dem Kommando Militär nicht nur in seinem Hause, nein in seinem ganzen Revier umher. In Folge der Listen, die er als Hauptmann hatte, kannte er jeden einzelnen Bürgerwehrmann, und diese mußten dann allerdings das Gewehr hergeben. Anderseits haben die Revierkommissäre auch eine große Rolle dabei gespielt. Ohne solche gemeine Verrathsscenen würde das abgelieferte Waffenquantum nur ein Drittel der Ausbeute geliefert haben. Daher auch der mehr oder minder ergiebige Erfolg. Wo die Führer und Wirthe gut waren, ist wenig genug abgeliefert worden In meinem Hause z. B. wohnen sechs Bürgerwehrmänner; aber als es zum Abliefern kam, hatte Niemand die Waffe mehr. Die ganze Entwaffnung ist als beendigt anzusehen und hat, ich kann es aus bester Quelle versichern, noch nicht 10,000 Gew. eingetragen. Natürlich reden unsere Gegner sich und uns ein, es seien 24,000 abgeliefert. 28,000 Gewehre waren im März ausgegeben, an 8000 Waffen wenigstens bisher angeschafft, bei verschiedenen Waffenlädenplünderungen etwa 1000 erbeutet und von dem Zeughaussturm wenigstens noch 1200 in Händen des souveränen Volkes. Hiernach sind also noch 25,000 Waffen in guten Händen und werden ihre Dienste thun. Heute ging wieder das Gerücht, und wird auch in Köln verbreitet werden, daß ein Theil der hier ausharrenden Nationalvers. am Montag nach Brandenburg gehe. Es ist nicht wahr; Jacoby und Brill versichern mir so eben, daß 279 unter keiner Bedingung nach Brandenburg gehen werden. Heute Nachmittag fuhr der Berliner Windischgrätz in einer königl. Equipage bei der Börse vorüber, und o Schmach, die Philister grüßten ihn und schwenkten mit den Hüten. Am Bezeichnetsten ist es wohl, wenn ich Ihnen sage, daß eben an der Börse mehrere Spekulanten, welche die Papiere steigen machen wollten, aussprengten, Köln, Breslau und Liegnitz seien in Belagerungszustand; es gelang, und die Course gingen auf einen Augenblick in die Höhe, fielen aber wieder, als die Nachricht sich falsch erwies. Breslau, 21. Novbr. Es war für heute durch die Zeitungen eine Einladung zur Konstituirung eines Vereins für „Gesetz und Ordnung“ ergangen, und es fanden sich ziemlich viel Leute im Börsenlokale ein, unter denen die Meisten natürlich Gesetz und Ordnung nicht in Bajonnetten und Kanonen verkörpert sehen. Es wurde nun in der Versammlung eine Adresse vorgelesen, in welcher der Magistrat aufgefordert wird, Militär zu requiriren etc. Gegen diese verrätherische Adresse erhob sich ein wilder Sturm. Die meisten Anwesenden riefen schändlich! nichtswürdig, feig. Das Präsidium suchte vergebens die Ruhe durch anhaltendes Läuten herzustellen. Später erst gelang es einigen Rednern, sich vernehmbar zu machen. Einer von diesen forderte das Präsidium auf, seine Begriffe über Ordnung und Gesetzmäßigkeit zu entwickeln, ob diese mit denen der Versammlung übereinstimmen. Der Redner meinte, nach dieser Adresse zu schließen, verlange man die Ruhe des Kirchhofs, die alte Zeit, wo freche Junker ihren Fuß auf den Nacken des Bürgers setzten. Gesetzmäßig sei die Souveränetät des Volkes, aber nicht die Anarchie eines Ministerium Brandenburg. Unterdeß hatte sich eine Menge vor der Börse, dem Sitzungslokale, versammelt, welche nicht eben die freundlichsten Absichten gegen einzelne Glieder der Versammlung für Gesetz und Ordnung verriethen. Wie wir hörten, wurde die Bürgerwehr zum Schutze der Bedrohten herbeigerufen. So endete diese denkwürdige Sitzung für Gesetz und Ordnung mit der höchsten Gesetzlosigkeit und Unordnung stürmscher, als die Versammlungen an der Kornecke. Die Adresse erhielt — 16 Unterschriften. Auf dem Kreistage zu Neustadt (O. S.), der von 90 Abgeordneten des Kreises beschickt war, faßte man folgende Beschlüsse: 1) Er erkennt an, daß die Nationalversammlung in ihrem Rechte ist. 2) Er erkennt den Beschluß der Nationalversammlung wegen Steuerverweigerung als rechtsgültig und bindend an. 3) Er versteht unter Steuerverweigerung keine Steuerasservation, sondern die Weigerung, unter dem Ministerium Brandenburg überhaupt Steuern zu zahlen. 4) Er beschließt, einen Kreis-Sicherheitsauschuß zu ernennen, bestehend aus 25 bewährten und befähigten Männern, welche möglicherweise in der Kreisstadt Neustadt wohnen müssen. 5) Er beschließt, in diesen Kreis-Sicherheitsausschuß den von der Stadtverordnetenversammlung erwählten, aus 8 Mitgliedern bestehenden Sicherheitsausschuß aufzunehmen. Hierauf wurde der Sicherheitsausschuß erwählt und die Sitzung geschlossen. Der Aufruf des Kreislandsturms, welcher von den Bauern gewünscht wird, und den wir auch als das letzte, aber erfolgreiche, wenn auch revolutionäre Mittel ansehen, wurde dem Kreis-Sicherheitsauschuß überlassen. Zu Waldenburg wurde von den Vertretern des ganzen Kreises am 17. d. die Steuerverweigerung mit Uebereinstimmung des interimistischen Landrathsverwesers und des Steuereinnehmers beschlossen und die Kasse sofort unter das Kuratorium zweier Ausschußmitglieder gestellt (A. O.-Z.) ** Breslau, 23. Nov. Die Führer der Bürgerwehr hielten heute eine Versammlung. Es wurde daselbst beschlossen, den von etc. Wrangel in Berlin verbotenen Bürgerwehrkongreß nach Bres- zu berufen. Das hiesige Regierungskollegium hat heute nach einer langen Berathung die Frage wegen Auflösung der Bürgerwehr verneinend entschieden, weil vorläufig kein — stichhaltiger Grund vorliege. Die beiden Reaktionärs, Regenbrecht und Grund, werden in den sauern Apfel der Abbitte gegen die von ihnen beleidigten Führer der Bürgerwehr beißen müssen. Ratibor, 19. Nov. In der heute um 11 Uhr durch Anschlagzettel in deutscher und polnischer Sprache zusammenberufenen und von vielen Städtern und Landleuten besuchten Volksversammlung stattete zunächst ein Mitglied der von der vorgestrigen Volksversammlung gewählten Deputation Bericht über deren Schritte in Betreff der Ausführung der Steuerverweigerung ab. Die Deputation, deren Mehrzahl den von der Nationalversammlung gefaßten Beschluß dahin auslegte, daß die Steuern einstweilen gar nicht zu zahlen wären, wofür allerdings auch der Privatbrief eines Abgeordneten in Berlin spricht, in welchem von Suspension der „Entrichtung“ der Steuern die Rede ist, hatte sich in das Rentamt und das Hauptsteueramt begeben, und von dem Einnehmer des Erstern das Ehrenwort erhalten, daß eine Absendung von Geldern aus demselben an die Regierung bereits das ganze Jahr nicht stattgefunden hätte. Gleichwohl habe die Deputation nachträglich erfahren, daß aus dem Rentamte am Abend vorher 3000 Thlr. abgeschickt worden seien, was von einigen Zeugen in der Volksversammlung selbst bestätigt wird. Auch im Hauptsteueramte hatte die Deputation das feierliche Versprechen erhalten, daß vor der Hand keine Gelder abgeführt werden sollten, bis der Vorstand des Hauptsteueramtes vom Provinzialsteuerdirektor darüber definitive Antwort erhalten haben würde, von welcher die Deputation in jedem Falle Kenntniß erhalten soll. Die daselbst beantragte Aufhebung der Mahl- und Schlachtsteuer wurde von dem Entschlusse des hiesigen Magistrats abhängig gemacht, der aber verneinend ausgefallen ist. Der Vorsitzende der Volksversammlung fährt nun damit fort, daß er auf die Nothwendigkeit hinweist, einen Aufruf an das Landvolk zu erlassen, nachdem selbst der Oberpräsident der Provinz Schlesien die Steuerverweigerung für gesetzlich und ihr kein Hinderniß in den Weg legen zu wollen erklärt hat. Es sei Pflicht der Provinzen, von denen Berlin annehme, daß sie wach sind, das Ihrige dazu beizutragen, daß wir nicht in dieselbe Lage geriethen, in welcher sich jetzt ganz Oesterreich durch sein Verhalten gegen die Hauptstadt während ihrer Revolution befinde. Dazu sei vor Allem nothwendig, daß nicht nur in den Städten, sondern auch auf den Dörfern aufs schleunigste die Volkswehr ins Leben trete. Es sei dies zwar schon überall der Fall, aber im Kreise Ratibor nicht. Daher schlage er einen Aufruf an den Kreis vor, welcher diesen von der Steuerverweigerung in Kenntniß setze und zur Bewaffnung für alle Fälle auffordere, wie er von der erwähnten Deputation bereits ausgearbeitet worden sei. Dieser Aufruf wurde in deutscher und polnischer Sprache verlesen und von der Versammlung der Abdruck in beiden Sprachen und die Vertheilung desselben unter das Landvolk beschlossen. (A. Od. Ztg.)Gratz. Neulich wollten einige Personen beim Wirthe zu Waltersdorf bei Gratz das Porträt des Kaisers verbrennen, und brachten den Mördern Latour's ein Lebehoch. In einigen Wirthshäusern wird an Sonntagen immer die Marseillaise, und unmittelbar darauf die Volkshymne gespielt. Ersteres ruft bei vereinzelten Tischen wüthenden aber nicht vollstimmigen Beifall hervor, während das Volkslied von anhaltendem Beifallsdonner begrüßt wird. 24 Wien, 20. Nov. Daß Windischgrätz eben so wie früher Radetzky, vom russischen Kaiser für die der europäischen Contre-Revolution geleisteten Dienste belohnt werden würde, ließ sich vermuthen. Nicolaus hat ihm jetzt in der That das Großkreuz des St. Georg-Ordens und dem Jellachich das Großkreuz des Wladimir-Ordens nebst verbindlichem Dankschreiben für die „Tapferkeit“ und für die „Mäßigung der Heerführer bei der Einnahme Wien's“ zustellen lassen. Der ungarische General Perczel ist mit seiner Streitmacht nach Steiermark vorgedrungen und hat die kaiserl. Vorposten vollständig geschlagen. Der Kampf dauerte 5 Stunden. 24 Wien, 21. Novbr. Von den Verhafteten sollen bis jetzt ungefähr 1400 wieder entlassen sein. Dagegen werden täglich eine Masse neuer Verhaftungen vorgenommen — heute Nacht an 200. Mit den Verurtheilungen zum Tode geht's im bisherigen Gleise fort. Aigner wurde zum Strange verurtheilt, jedoch unbedingt begnadigt. Dr. Becker ist ebenfalls zum Tode verurtheilt, wird aber schwerlich Gnade erhalten. Robert Blum's Frau ist hier angelangt; sie wollte den Leichnam ihres Mannes reklamiren. Allein man hat es mit Blum's Leiche gemacht, wie mit den übrigen; sie ist sezirt worden!! So hat der Scharfrichterknecht Windischgrätz noch den Leichnam mit seiner Wuth verfolgt. 61 Wien, 22. Nev. Seit zwei Tagen haben keine öffentliche Hinrichtungen stattgefunden. Man weiß nicht von wannen dieser humane Wind weht, da man gewiß ist, daß er nicht aus der unmittelbarsten Nähe kommen kann. Den Grund dazu in bloser Ermüdung zu suchen und beide Frei-Tage als Rasttage zu betrachten, wäre mit Rücksicht auf die handelnden Persönlichkeiten mindestens lächerlich. Also rannt man sich in's Ohr, — da laut reden nach Pulver und Blei riecht, es sei eine kaiserliche Kundmachung angekommen, welche die öffentlichen Hinrichtungen vor der Hand suspendire. Dieselbe ist indessen noch nicht veröffentlicht worden; das wäre ja Demokratie, dem Volke setzt schon Hoffnungen zu machen ohne Strang, ohne Pulver und Blei. — Die Anarchie währt ja noch fort, sie muß fort währen, wenn auch ganz Wien einem Grabe gleicht. F.-M.-L. Welden will, daß die Anarchie noch fortdaure, darum beschwor er gestern wiederholt die Bürger, keine Plakate anzuheften, weil dies bereits oftmals strenge untersagt worden sei. Ich möchte das Plakat sehen, welches seit dem 1. Nov. so ohne weiters gedruckt und angeheftet worden wäre, ohne daß die Militärgewalt dazu die Erlaubniß ertheilt hätte. — Noch immer werden nächtlich und täglich Aufrührer, Wühler und Räuber eingefangen; stellen sie sich freiwillig, so sollen sie statt Strang oder Pulver und Blei 10 fl. C. M. Handgeld bekommen, wenn sie Kriegsknechte werden. Freiwillig, sagt das Volk, werden sich sehr wenige melden, so groß auch die Noth ist, denn sie wissen, was ihnen blüht und welches Handwerk sie treiben müssen. Darum sieht man sich vor, daß die filii familias sich versteckt halten, weil es dem Herrn vom Strang und Pulver und Blei einfallen könnte, seine Leutchen, wie schon geschehen, direkt aus den Häusern zu nehmen. Alle Feldmarschälle rufen nach Rekruten und Geld, und die Bauern halten beide unter der Erde. Sedlnitzky soll hier sein und man hört seitdem auch wieder vom Spuck der „Umarmenden Jungfrau.“ Sie fragen, was es damit für ein Bedeuten habe; ich will es Ihnen sagen. Die „Umarmende Jungfrau“ ist eine Maschine, die sich im Prater in der Nähe des Donaukanals befinden soll. Sie steht unter der Erde über einem tiefen mit dem Kanale verbundenen Wasserspiegel; ein Souterain führt dahin. Die Maschine ist aus vielen hundert Messern zusammengesetzt, die einen hineingeworfenen Menschen z. B. in die kleinsten Stücke zerhacken, die dann in der Tiefe versinken. Unter Sedlnitzky-Metternich verschwanden sehr viele Menschen oft auf die geheimnißvollste Weise; es waren Leute, mit denen man vor Polizei und Kriminalgericht nicht gerne viel Verhör-Umstände zu machen geneigt war. Wenn den Donaukanal einmal ein rother Faden durchzog und am Ufer wachende Polizei die Neugierigen hinwegtrieb, dann wurde gewöhnlich auch Jemand urplötzlich vermißt. Seit dem März waren die Messer der „Umarmenden Jungfrau“ verrostet, aber nun sind sie wieder polirt und geschliffen, denn Sedlnitzky ist ja schon hier und ein Metternich kann nicht ausbleiben. Berlins „Humoristische Studien“ werden von uns mit ziemlicher Spannung verfolgt. Man ist neugierig, ob der ehemalige Berliner Eckensteherwitz, mehr ausrichtet wider die Armeen des Absolutismus, als unser Widerstand mit Pulver und Blei es vermocht hat. Man will es nicht recht glauben, obwohl man es schon der eigenen Haut wegen ganz ungeheuer wünscht. Man wettet sogar, daß Paris noch auf lange Zeit hin bourgeois bleibt. England und der Absolutismus zählen ja so fast auf ein Bündniß mit Frankreichs Bourgeois, damit Alles recht hübsch wieder in's Alte komme. Und aus ziemlich zuverläßigem Munde vernehme ich, daß Frankreichs glacirte Bourgeois England sogar Sizilien überlassen wollen, wenn es ihnen etwelche andere Kleinigkeiten Preis gibt, und dem Russen in den Donaufürstenthümern und im Nacken seiner gekrönten deutschen Lehnstäger festern Fuß zu faßen erlaubt: Im Volksgarten verlangten östreichische Offiziere neulich, daß Strauß die Nationalhymne spiele. Er that's und die Offiziere entblößten ihre Schädel und klirrten mit Degen und hieben den Civilisten, die bouche béante und bedeckten Hauptes diesem Schauspiel zusahen, die Filze herab. Ich gehe nicht wieder in diese kroatisch-konstitutonelle Bildungsschule. Die Knutenmajestät von Tobolsk und Irkutz hat die Herren Windischgrätz und Jellachich mit Orten begnadigt, die ein Flügeladjutant mit einem schmeichelhaften allerhöchst autokratischen Schreiben überbracht hat, ohne lange beim Olmützer Lehnsträger um Erlaubniß zu fragen. Ueber die Post erschallen fortwährend Klagen; das ancien regime hat hier nie aufgehört; die Post war immer nur eine Spitzelanstalt. Gewöhnliche Briefe haben durchaus keine Postsicherheit und man wird ausgelacht, wenn man reklamirt. Die Beförderung und Ausgabe solcher Briefe hängt gänzlich von der Willkür der Postbeamten und Briefträger ab. Verspüren dieselben Geld darin oder trägt der Brief eine polizeilich denunzirte Adresse, so wird er unterschlagen. Einem Freunde von mir ist beides noch kürzlich geschehen. Man ist also gezwungen, seine Briefe, sollen sie ankommen, theuer zu rekommandiren. Dadurch erhält die Polizei eine genaue Kontrolle über Adressaten und Absender, weil letzter sich mit seiner Wohnung auf dem Kouvert des Briefes nennen muß. Das schwarze Kabinet, welches gut bedient ist, leistet das Uebrige. Italien. Der in Chambery kommandirende Divisionsgeneral hat bekannt gemacht, daß die Regierung polnischen Flüchtlingen, welche in die Armee Karl Alberts treten wollen, das Ueberschreiten der sardinischen Grenze nicht mehr gestatten kann. Alle an der Grenze anlangenden Flüchtlinge werden daher zurückgewiesen. Französische Republik. Paris, 22. Novbr. Marie, Justizminister und Exglied der ehemaligen Exekutiv-Kommission, den nebst Lamartine der Telegraph berief, wohnte heute der Nat.-Vers. bei und setzte sich neben Cavaignac. — Nationalversammlung. Sitzung vom 23. Nov. Anfang 1 1/2 Uhr. Präsident Marrast. Marrast nach der Protokollslesung sagt: An der Tagesordnung befindet sich zunächst ein Antrag auf Erhöhung des Einfuhrzolles für fremdes Salz zum Einsalzen der Fische. Luneau: Die Versammlung ist noch nicht beschlußfähig; ich verlange den Namensaufruf! (Ja, Ja! Nein, Nein!) Marrast: Behufs der Diskussionseinleitung braucht die Versammlung nicht vollzählig zu sein. Hierauf beginnt die Diskussion. Sesmaisons beweist, daß der Gegenstand keineswegs reiflich genug erwogen worden und schon zur Beschlußnahme reif sei. Warum handelt es sich? Unsere Küstenländer befassen sich mit Fischfang (Stockfisch-, Härings-, Wallfisch- und anderer Fischerei), welcher den Volksklassen des Festlandes eines der Hauptnahrungsmittel verschafft. Bei diesem Gewerbe ist viel Salz nöthig, darum spielt der Preis, zu welchem dieses Salz zu haben ist, eine große Rolle in den Lebensmittelpreisen der Armen. Es ist nun der Antrag gestellt worden, die Eingangssteuer dieses Salzes auf 50 Centimen für 100 Kilogramm festzustellen. Das heißt aber unsere westlichen Salzbergwerke ruiniren. Diese können bei der jetzigen Arbeitsweise das Salz <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar153-2_009" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="0808"/> wie z. B. die Mittheilung über den Volksjubel, unter welchem Wrangel hier eingezogen sei, und das dadurch bewirkte Wiederaufathmen der Bürgerschaft, den Erfolg der Waffenablieferung, den Vorfall am 11. November am Schauspielhause, als die Nationalversammlung dasselbe verschlossen und besetzt fand, und die demnächst im Hotel de Russie gehaltene Sitzung u. a. m. — theils von ganz einseitigem Standpunkte aufgefaßt. Unerwähnt kann jedoch die Nachricht nicht bleiben, daß eine Anzahl großer Gutsbesitzer der Krone ihre Privatmittel zur Verfügung gestellt, ein anderer Theil derselben sich zur Vorausbezahlung der Steuern erboten, und die ukermärkischen Gutsbesitzer beschlossen haben, den zusammengezogenen Landwehrmännern täglich 1 Sgr. Zulage pro Mann zu geben. Wenn dies wahr, so ist es auch ganz natürlich, da eben Adel, Gutsbesitzer und Beamte die gegenwärtige Krise zur Festhaltung ihres Einflusses und ihrer Vorrechte herbeigeführt haben, und bei der Beseitigung der Nationalversammlung am lebhaftesten betheiligt sind; denn bekanntlich lauteten die letzten Beschlüsse derselben auf Abschaffung des Adels und aller leerer Orden und Titel und auf unentgeldliche Aufhebung einer Menge alter ungerechter Lasten und Abgaben, während die Aufhebung der bisher bestandenen Grundsteuer-Befreiungen nächstens an die Reihe kommen sollte.</p> <p>Die Unwahrheiten, welche die sogenannte Parlaments-Correspondenz über allerlei Zustände und Begebenheiten außerhalb Berlin's auftischt, sind und werden täglich durch die öffentlichen Blätter widerlegt, können auch unmöglich sämmtlich einzeln berichtigt werden. Lächerlich aber ist es, wenn von jener Seite die wenigen Billigungs-Adressen einzeln aufgeführt werden, die eingegangen sind, während die Nationalversammlung deren bereits weit über 3000 erhalten hat.</p> <p>Was endlich die rechtlichen Ausführungen betrifft, wodurch jene Pflichtvergessenen sich und das Ministerium rechtfertigen wollen, so sind diese in den Verhandlungen der Nationalversammlung und in den meisten öffentlichen Blättern schon beleuchtet und widerlegt, in soweit es dessen bei einer so einfachen Sache bedarf. Denn Jedermann begreift, daß, wenn der Krone das Recht der willkührlichen Vertagung, und auf so lange sie will, gegen die Nationalversammlung zugestanden wird, das ebensoviel heißt, als ihr auch die Befugniß einräumen, die Nationalversammlung beliebig ganz und auf immer zu vertagen, d. h. aufzulösen und in früherer Unbeschränktheit weiter zu regieren.</p> <p>Wenn man aber auch nicht einmal auf dem Standpunkte der Volkssouveränetät, sondern nur auf dem der Vereinbarung steht, den ja die ausgeschiedenen Mitglieder stets eingenommen zu haben behaupten, muß man schon der Krone jene Befugniß absprechen. Dies hat auch die Regierung richtig begriffen: denn es ist klar — und selbst in der sogenannten Parlamentskorrespondenz wird diese Besorgniß ausgesprochen und dagegen devotest supplicirt — daß man auf diese Vertagung niemals hat einen Wiederzusammentritt folgen lassen wollen, sondern vermuthlich eine der Regierung genehme Verfassung zu oktroyiren gedachte. Dafür spricht auch die Preisgebung und theilweise Zerstörung der Archivs der National-Versammlung. Noch ist zu bemerken, daß von jener Seite als Präcedenzfall der Vertagung einer konstituirenden Versammlung auf Würtemberg hingewiesen wird, wo solche im Winter 1816/17 stattgefunden habe. Dies Beispiel paßt aber nicht: denn die dortige Krone stand damals nicht einer konstituirenden Versammlung, sondern ihren alten Landständen gegenüber, mit denen sie sich zu vereinbaren suchte. Deren Vertagung aber war nach den betreffenden Gesetzen zulässig. Ebensowenig paßt das in der Parlaments-Korrespondenz enthaltene Citat au<gap reason="illegible"/> Benjamin Constant, da auch dieser keine konstituirende Versammlung, sondern schon konstituirte gesetzgebende im Auge hat.</p> <p>Am 21. d. M. wurde der Eigenthümer der Vossischen Zeitung, Hr. Lessing, von dem General Wrangel, der ihm bis dahin völlig unbekannt war, zum Diner eingeladen. Nach dessen Beendigung kam der etc. Lessing in die Expedition der Vossischen Zeitung und erzählte mit Begeisterung, mit welchen Artigkeiten ihn der General Wrangel überhäuft habe, wie er bei Tische neben ihm gesessen und sogar v<gap reason="illegible"/> ihm umarmt worden sei. Der etc. Lessing nahm sofort noch eine genaue Revision der am 22. zu erscheinenden Voss. Ztg. vor, was er bis dahin niemals gethan hatte, um ganz sicher zu sein, daß keine einzige der Regierung unangenehme Nachricht in der Zeitung erscheine.</p> </div> <div xml:id="ar153-2_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>16</author></bibl> Berlin, 24. Nov.</head> <p>In Nr. 150 Ihrer Zeitung wird die Entwaffnung der Bürgerwehr so dargestellt, als ob Jeder seine Waffe ruhig ohne Murren abgebe, dies ist nicht ganz richtig. In einer Stadt von 420,000 Einwohnern mit circa 30,000 Bürgern, wo viele aus pecuniären Rücksichten so zu sagen, geborne Reaktionäre sind, kann es nicht Wunder nehmen, wenn einige Tausend Geldmenschen froh sind, wie der Berliner sagt, „die alte Geschichte wieder zu kriegen“. Diese Leute sind meist Hausbesitzer und bieten in ihren Kreisen natürlich auch auch Alles auf, daß „Jeder wieder ein ordentlicher Bürger.wird“. Diese haben nun allerdings Alles aufgeboten, um die Entwaffnung vollständig zu machen; z. B. der berüchtigte Wollf, ehemaliger Bürgerwehrhauptmann und noch Stadtverordneter, ging mit dem Kommando Militär nicht nur in seinem Hause, nein in seinem ganzen Revier umher. In Folge der Listen, die er als Hauptmann hatte, kannte er jeden einzelnen Bürgerwehrmann, und diese mußten dann allerdings das Gewehr hergeben. Anderseits haben die Revierkommissäre auch eine große Rolle dabei gespielt. Ohne solche gemeine Verrathsscenen würde das abgelieferte Waffenquantum nur ein Drittel der Ausbeute geliefert haben. Daher auch der mehr oder minder ergiebige Erfolg. Wo die Führer und Wirthe gut waren, ist wenig genug abgeliefert worden In meinem Hause z. B. wohnen sechs Bürgerwehrmänner; aber als es zum Abliefern kam, hatte Niemand die Waffe mehr.</p> <p>Die ganze Entwaffnung ist als beendigt anzusehen und hat, ich kann es aus bester Quelle versichern, noch nicht 10,000 Gew. eingetragen. Natürlich reden unsere Gegner sich und uns ein, es seien 24,000 abgeliefert. 28,000 Gewehre waren im März ausgegeben, an 8000 Waffen wenigstens bisher angeschafft, bei verschiedenen Waffenlädenplünderungen etwa 1000 erbeutet und von dem Zeughaussturm wenigstens noch 1200 in Händen des souveränen Volkes. Hiernach sind also noch 25,000 Waffen in guten Händen und werden ihre Dienste thun.</p> <p>Heute ging wieder das Gerücht, und wird auch in Köln verbreitet werden, daß ein Theil der hier ausharrenden Nationalvers. am Montag nach Brandenburg gehe. Es ist nicht wahr; Jacoby und Brill versichern mir so eben, daß 279 unter keiner Bedingung nach Brandenburg gehen werden.</p> <p>Heute Nachmittag fuhr der Berliner Windischgrätz in einer königl. Equipage bei der Börse vorüber, und o Schmach, die Philister grüßten ihn und schwenkten mit den Hüten.</p> <p>Am Bezeichnetsten ist es wohl, wenn ich Ihnen sage, daß eben an der Börse mehrere Spekulanten, welche die Papiere steigen machen wollten, aussprengten, Köln, Breslau und Liegnitz seien in Belagerungszustand; es gelang, und die Course gingen auf einen Augenblick in die Höhe, fielen aber wieder, als die Nachricht sich falsch erwies.</p> </div> <div xml:id="ar153-2_011" type="jArticle"> <head>Breslau, 21. Novbr.</head> <p>Es war für heute durch die Zeitungen eine Einladung zur Konstituirung eines Vereins für „Gesetz und Ordnung“ ergangen, und es fanden sich ziemlich viel Leute im Börsenlokale ein, unter denen die Meisten natürlich Gesetz und Ordnung nicht in Bajonnetten und Kanonen verkörpert sehen. Es wurde nun in der Versammlung eine Adresse vorgelesen, in welcher der Magistrat aufgefordert wird, Militär zu requiriren etc. Gegen diese verrätherische Adresse erhob sich ein wilder Sturm. Die meisten Anwesenden riefen schändlich! nichtswürdig, feig. Das Präsidium suchte vergebens die Ruhe durch anhaltendes Läuten herzustellen. Später erst gelang es einigen Rednern, sich vernehmbar zu machen. Einer von diesen forderte das Präsidium auf, seine Begriffe über Ordnung und Gesetzmäßigkeit zu entwickeln, ob diese mit denen der Versammlung übereinstimmen. Der Redner meinte, nach dieser Adresse zu schließen, verlange man die Ruhe des Kirchhofs, die alte Zeit, wo freche Junker ihren Fuß auf den Nacken des Bürgers setzten. Gesetzmäßig sei die Souveränetät des Volkes, aber nicht die Anarchie eines Ministerium Brandenburg. Unterdeß hatte sich eine Menge vor der Börse, dem Sitzungslokale, versammelt, welche nicht eben die freundlichsten Absichten gegen einzelne Glieder der Versammlung für Gesetz und Ordnung verriethen. Wie wir hörten, wurde die Bürgerwehr zum Schutze der Bedrohten herbeigerufen. So endete diese denkwürdige Sitzung für Gesetz und Ordnung mit der höchsten Gesetzlosigkeit und Unordnung stürmscher, als die Versammlungen an der Kornecke.</p> <p>Die Adresse erhielt — 16 Unterschriften.</p> <p>Auf dem <hi rendition="#g">Kreistage</hi> zu Neustadt (O. S.), der von 90 Abgeordneten des Kreises beschickt war, faßte man folgende Beschlüsse:</p> <p>1) Er erkennt an, daß die Nationalversammlung in ihrem Rechte ist.</p> <p>2) Er erkennt den Beschluß der Nationalversammlung wegen Steuerverweigerung als rechtsgültig und bindend an.</p> <p>3) Er versteht unter Steuerverweigerung keine Steuerasservation, sondern die Weigerung, unter dem Ministerium Brandenburg überhaupt Steuern zu zahlen.</p> <p>4) Er beschließt, einen Kreis-Sicherheitsauschuß zu ernennen, bestehend aus 25 bewährten und befähigten Männern, welche möglicherweise in der Kreisstadt Neustadt wohnen müssen.</p> <p>5) Er beschließt, in diesen Kreis-Sicherheitsausschuß den von der Stadtverordnetenversammlung erwählten, aus 8 Mitgliedern bestehenden Sicherheitsausschuß aufzunehmen.</p> <p>Hierauf wurde der Sicherheitsausschuß erwählt und die Sitzung geschlossen. Der Aufruf des Kreislandsturms, welcher von den Bauern gewünscht wird, und den wir auch als das letzte, aber erfolgreiche, wenn auch revolutionäre Mittel ansehen, wurde dem Kreis-Sicherheitsauschuß überlassen.</p> <p>Zu <hi rendition="#b">Waldenburg</hi> wurde von den Vertretern des ganzen Kreises am 17. d. die Steuerverweigerung mit Uebereinstimmung des interimistischen Landrathsverwesers und des Steuereinnehmers beschlossen und die Kasse sofort unter das Kuratorium zweier Ausschußmitglieder gestellt</p> <bibl>(A. O.-Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar153-2_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>**</author></bibl> Breslau, 23. Nov.</head> <p>Die Führer der Bürgerwehr hielten heute eine Versammlung. Es wurde daselbst beschlossen, den von etc. Wrangel in Berlin verbotenen Bürgerwehrkongreß nach Bres- zu berufen.</p> <p>Das hiesige <hi rendition="#g">Regierungskollegium</hi> hat heute nach einer langen Berathung die Frage wegen Auflösung der Bürgerwehr <hi rendition="#g">verneinend</hi> entschieden, weil vorläufig kein — stichhaltiger Grund vorliege. Die beiden Reaktionärs, Regenbrecht und Grund, werden in den sauern Apfel der Abbitte gegen die von ihnen beleidigten Führer der Bürgerwehr beißen müssen.</p> </div> <div xml:id="ar153-2_013" type="jArticle"> <head>Ratibor, 19. Nov.</head> <p>In der heute um 11 Uhr durch Anschlagzettel in deutscher und polnischer Sprache zusammenberufenen und von vielen Städtern und Landleuten besuchten Volksversammlung stattete zunächst ein Mitglied der von der vorgestrigen Volksversammlung gewählten Deputation Bericht über deren Schritte in Betreff der Ausführung der Steuerverweigerung ab. Die Deputation, deren Mehrzahl den von der Nationalversammlung gefaßten Beschluß dahin auslegte, daß die Steuern einstweilen gar nicht zu zahlen wären, wofür allerdings auch der Privatbrief eines Abgeordneten in Berlin spricht, in welchem von Suspension der „<hi rendition="#g">Entrichtung</hi>“ der Steuern die Rede ist, hatte sich in das Rentamt und das Hauptsteueramt begeben, und von dem Einnehmer des Erstern das Ehrenwort erhalten, daß eine Absendung von Geldern aus demselben an die Regierung bereits das ganze Jahr nicht stattgefunden hätte. Gleichwohl habe die Deputation nachträglich erfahren, daß aus dem Rentamte am Abend vorher 3000 Thlr. abgeschickt worden seien, was von einigen Zeugen in der Volksversammlung selbst bestätigt wird. Auch im Hauptsteueramte hatte die Deputation das feierliche Versprechen erhalten, daß vor der Hand keine Gelder abgeführt werden sollten, bis der Vorstand des Hauptsteueramtes vom Provinzialsteuerdirektor darüber definitive Antwort erhalten haben würde, von welcher die Deputation in jedem Falle Kenntniß erhalten soll. Die daselbst beantragte Aufhebung der Mahl- und Schlachtsteuer wurde von dem Entschlusse des hiesigen Magistrats abhängig gemacht, der aber verneinend ausgefallen ist. Der Vorsitzende der Volksversammlung fährt nun damit fort, daß er auf die Nothwendigkeit hinweist, einen Aufruf an das Landvolk zu erlassen, nachdem selbst der Oberpräsident der Provinz Schlesien die Steuerverweigerung für gesetzlich und ihr kein Hinderniß in den Weg legen zu wollen erklärt hat. Es sei Pflicht der Provinzen, von denen Berlin annehme, daß sie wach sind, das Ihrige dazu beizutragen, daß wir nicht in dieselbe Lage geriethen, in welcher sich jetzt ganz Oesterreich durch sein Verhalten gegen die Hauptstadt während ihrer Revolution befinde. Dazu sei vor Allem nothwendig, daß nicht nur in den Städten, sondern auch auf den Dörfern aufs schleunigste die Volkswehr ins Leben trete. Es sei dies zwar schon überall der Fall, aber im Kreise Ratibor nicht. Daher schlage er einen Aufruf an den Kreis vor, welcher diesen von der Steuerverweigerung in Kenntniß setze und zur Bewaffnung für alle Fälle auffordere, wie er von der erwähnten Deputation bereits ausgearbeitet worden sei.</p> <p>Dieser Aufruf wurde in deutscher und polnischer Sprache verlesen und von der Versammlung der Abdruck in beiden Sprachen und die Vertheilung desselben unter das Landvolk beschlossen.</p> <bibl>(A. Od. Ztg.)</bibl> </div> <div xml:id="ar153-2_014" type="jArticle"> <head>Gratz.</head> <p>Neulich wollten einige Personen beim Wirthe zu Waltersdorf bei Gratz das Porträt des Kaisers verbrennen, und brachten den Mördern Latour's ein Lebehoch. In einigen Wirthshäusern wird an Sonntagen immer die Marseillaise, und unmittelbar darauf die Volkshymne gespielt. Ersteres ruft bei vereinzelten Tischen wüthenden aber nicht vollstimmigen Beifall hervor, während das Volkslied von anhaltendem Beifallsdonner begrüßt wird.</p> </div> <div xml:id="ar153-2_015" type="jArticle"> <head><bibl><author>24</author></bibl> Wien, 20. Nov.</head> <p>Daß Windischgrätz eben so wie früher Radetzky, vom russischen Kaiser für die der europäischen Contre-Revolution geleisteten Dienste belohnt werden würde, ließ sich vermuthen. Nicolaus hat ihm jetzt in der That das Großkreuz des St. Georg-Ordens und dem Jellachich das Großkreuz des Wladimir-Ordens nebst verbindlichem Dankschreiben für die „Tapferkeit“ und für die „<hi rendition="#g">Mäßigung</hi> der Heerführer bei der Einnahme <hi rendition="#g">Wien's</hi>“ zustellen lassen.</p> <p>Der ungarische General Perczel ist mit seiner Streitmacht nach Steiermark vorgedrungen und hat die kaiserl. Vorposten vollständig geschlagen. Der Kampf dauerte 5 Stunden.</p> </div> <div xml:id="ar153-2_016" type="jArticle"> <head><bibl><author>24</author></bibl> Wien, 21. Novbr.</head> <p>Von den Verhafteten sollen bis jetzt ungefähr 1400 wieder entlassen sein. Dagegen werden täglich eine Masse neuer Verhaftungen vorgenommen — heute Nacht an 200. Mit den Verurtheilungen zum Tode geht's im bisherigen Gleise fort. <hi rendition="#g">Aigner</hi> wurde zum Strange verurtheilt, jedoch unbedingt begnadigt. Dr. <hi rendition="#g">Becker</hi> ist ebenfalls zum Tode verurtheilt, wird aber schwerlich Gnade erhalten.</p> <p> <hi rendition="#g">Robert Blum's Frau ist hier angelangt; sie wollte den Leichnam ihres Mannes reklamiren. Allein man hat es mit Blum's Leiche gemacht, wie mit den übrigen;</hi> <hi rendition="#b">sie ist sezirt worden!!</hi> </p> <p>So hat der Scharfrichterknecht Windischgrätz noch den Leichnam mit seiner Wuth verfolgt.</p> </div> <div xml:id="ar153-2_017" type="jArticle"> <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 22. Nev.</head> <p>Seit zwei Tagen haben keine öffentliche Hinrichtungen stattgefunden. Man weiß nicht von wannen dieser humane Wind weht, da man gewiß ist, daß er nicht aus der unmittelbarsten Nähe kommen kann. Den Grund dazu in bloser Ermüdung zu suchen und beide Frei-Tage als Rasttage zu betrachten, wäre mit Rücksicht auf die handelnden Persönlichkeiten mindestens lächerlich. Also rannt man sich in's Ohr, — da laut reden nach Pulver und Blei riecht, es sei eine kaiserliche Kundmachung angekommen, welche die öffentlichen Hinrichtungen vor der Hand suspendire. Dieselbe ist indessen noch nicht veröffentlicht worden; das wäre ja Demokratie, dem Volke setzt schon Hoffnungen zu machen ohne Strang, ohne Pulver und Blei. — Die Anarchie währt ja noch fort, sie muß fort währen, wenn auch ganz Wien einem Grabe gleicht. F.-M.-L. Welden will, daß die Anarchie noch fortdaure, darum beschwor er gestern wiederholt die Bürger, keine Plakate anzuheften, weil dies bereits oftmals strenge untersagt worden sei. Ich möchte das Plakat sehen, welches seit dem 1. Nov. so ohne weiters gedruckt und angeheftet worden wäre, ohne daß die Militärgewalt dazu die Erlaubniß ertheilt hätte. — Noch immer werden nächtlich und täglich Aufrührer, Wühler und Räuber eingefangen; stellen sie sich freiwillig, so sollen sie statt Strang oder Pulver und Blei 10 fl. C. M. Handgeld bekommen, wenn sie Kriegsknechte werden. Freiwillig, sagt das Volk, werden sich sehr wenige melden, so groß auch die Noth ist, denn sie wissen, was ihnen blüht und welches Handwerk sie treiben müssen. Darum sieht man sich vor, daß die filii familias sich versteckt halten, weil es dem Herrn vom Strang und Pulver und Blei einfallen könnte, seine Leutchen, wie schon geschehen, direkt aus den Häusern zu nehmen. Alle Feldmarschälle rufen nach Rekruten und Geld, und die Bauern halten beide unter der Erde.</p> <p>Sedlnitzky soll hier sein und man hört seitdem auch wieder vom Spuck der „Umarmenden Jungfrau.“ Sie fragen, was es damit für ein Bedeuten habe; ich will es Ihnen sagen. Die „Umarmende Jungfrau“ ist eine Maschine, die sich im Prater in der Nähe des Donaukanals befinden soll. Sie steht unter der Erde über einem tiefen mit dem Kanale verbundenen Wasserspiegel; ein Souterain führt dahin. Die Maschine ist aus vielen hundert Messern zusammengesetzt, die einen hineingeworfenen Menschen z. B. in die kleinsten Stücke zerhacken, die dann in der Tiefe versinken. Unter Sedlnitzky-Metternich verschwanden sehr viele Menschen oft auf die geheimnißvollste Weise; es waren Leute, mit denen man vor Polizei und Kriminalgericht nicht gerne viel Verhör-Umstände zu machen geneigt war. Wenn den Donaukanal einmal ein rother Faden durchzog und am Ufer wachende Polizei die Neugierigen hinwegtrieb, dann wurde gewöhnlich auch Jemand urplötzlich vermißt. Seit dem März waren die Messer der „Umarmenden Jungfrau“ verrostet, aber nun sind sie wieder polirt und geschliffen, denn Sedlnitzky ist ja schon hier und ein Metternich kann nicht ausbleiben.</p> <p>Berlins „Humoristische Studien“ werden von uns mit ziemlicher Spannung verfolgt. Man ist neugierig, ob der ehemalige Berliner Eckensteherwitz, mehr ausrichtet wider die Armeen des Absolutismus, als unser Widerstand mit Pulver und Blei es vermocht hat. Man will es nicht recht glauben, obwohl man es schon der eigenen Haut wegen ganz ungeheuer wünscht. Man wettet sogar, daß Paris noch auf lange Zeit hin bourgeois bleibt. England und der Absolutismus zählen ja so fast auf ein Bündniß mit Frankreichs Bourgeois, damit Alles recht hübsch wieder in's Alte komme. Und aus ziemlich zuverläßigem Munde vernehme ich, daß Frankreichs glacirte Bourgeois England sogar Sizilien überlassen wollen, wenn es ihnen etwelche andere Kleinigkeiten Preis gibt, und dem Russen in den Donaufürstenthümern und im Nacken seiner gekrönten deutschen Lehnstäger festern Fuß zu faßen erlaubt:</p> <p>Im Volksgarten verlangten östreichische Offiziere neulich, daß Strauß die Nationalhymne spiele. Er that's und die Offiziere entblößten ihre Schädel und klirrten mit Degen und hieben den Civilisten, die bouche béante und bedeckten Hauptes diesem Schauspiel zusahen, die Filze herab. Ich gehe nicht wieder in diese kroatisch-konstitutonelle Bildungsschule.</p> <p>Die Knutenmajestät von Tobolsk und Irkutz hat die Herren Windischgrätz und Jellachich mit Orten begnadigt, die ein Flügeladjutant mit einem schmeichelhaften allerhöchst autokratischen Schreiben überbracht hat, ohne lange beim Olmützer Lehnsträger um Erlaubniß zu fragen.</p> <p>Ueber die Post erschallen fortwährend Klagen; das ancien regime hat hier nie aufgehört; die Post war immer nur eine Spitzelanstalt. Gewöhnliche Briefe haben durchaus keine Postsicherheit und man wird ausgelacht, wenn man reklamirt. Die Beförderung und Ausgabe solcher Briefe hängt gänzlich von der Willkür der Postbeamten und Briefträger ab. Verspüren dieselben Geld darin oder trägt der Brief eine polizeilich denunzirte Adresse, so wird er unterschlagen. Einem Freunde von mir ist beides noch kürzlich geschehen. Man ist also gezwungen, seine Briefe, sollen sie ankommen, theuer zu rekommandiren. Dadurch erhält die Polizei eine genaue Kontrolle über Adressaten und Absender, weil letzter sich mit seiner Wohnung auf dem Kouvert des Briefes nennen muß. Das schwarze Kabinet, welches gut bedient ist, leistet das Uebrige.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Italien.</head> <div xml:id="ar153-2_018" type="jArticle"> <p>Der in <hi rendition="#g">Chambery</hi> kommandirende Divisionsgeneral hat bekannt gemacht, daß die Regierung <hi rendition="#g">polnischen Flüchtlingen</hi>, welche in die Armee Karl Alberts treten wollen, das Ueberschreiten der sardinischen Grenze nicht mehr gestatten kann. Alle an der Grenze anlangenden Flüchtlinge werden daher zurückgewiesen.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar153-2_019" type="jArticle"> <head>Paris, 22. Novbr.</head> <p>Marie, Justizminister und Exglied der ehemaligen Exekutiv-Kommission, den nebst Lamartine der Telegraph berief, wohnte heute der Nat.-Vers. bei und setzte sich neben Cavaignac.</p> <p>— <hi rendition="#g">Nationalversammlung</hi>. Sitzung vom 23. Nov. Anfang 1 1/2 Uhr. Präsident Marrast.</p> <p><hi rendition="#g">Marrast</hi> nach der Protokollslesung sagt: An der Tagesordnung befindet sich zunächst ein Antrag auf Erhöhung des Einfuhrzolles für fremdes Salz zum Einsalzen der Fische.</p> <p><hi rendition="#g">Luneau:</hi> Die Versammlung ist noch nicht beschlußfähig; ich verlange den Namensaufruf! (Ja, Ja! Nein, Nein!)</p> <p><hi rendition="#g">Marrast:</hi> Behufs der Diskussionseinleitung braucht die Versammlung nicht vollzählig zu sein.</p> <p>Hierauf beginnt die Diskussion.</p> <p><hi rendition="#g">Sesmaisons</hi> beweist, daß der Gegenstand keineswegs reiflich genug erwogen worden und schon zur Beschlußnahme reif sei. Warum handelt es sich? Unsere Küstenländer befassen sich mit Fischfang (Stockfisch-, Härings-, Wallfisch- und anderer Fischerei), welcher den Volksklassen des Festlandes eines der Hauptnahrungsmittel verschafft. Bei diesem Gewerbe ist viel Salz nöthig, darum spielt der Preis, zu welchem dieses Salz zu haben ist, eine große Rolle in den Lebensmittelpreisen der Armen. Es ist nun der Antrag gestellt worden, die Eingangssteuer dieses Salzes auf 50 Centimen für 100 Kilogramm festzustellen. Das heißt aber unsere westlichen Salzbergwerke ruiniren. Diese können bei der jetzigen Arbeitsweise das Salz </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0808/0002]
wie z. B. die Mittheilung über den Volksjubel, unter welchem Wrangel hier eingezogen sei, und das dadurch bewirkte Wiederaufathmen der Bürgerschaft, den Erfolg der Waffenablieferung, den Vorfall am 11. November am Schauspielhause, als die Nationalversammlung dasselbe verschlossen und besetzt fand, und die demnächst im Hotel de Russie gehaltene Sitzung u. a. m. — theils von ganz einseitigem Standpunkte aufgefaßt. Unerwähnt kann jedoch die Nachricht nicht bleiben, daß eine Anzahl großer Gutsbesitzer der Krone ihre Privatmittel zur Verfügung gestellt, ein anderer Theil derselben sich zur Vorausbezahlung der Steuern erboten, und die ukermärkischen Gutsbesitzer beschlossen haben, den zusammengezogenen Landwehrmännern täglich 1 Sgr. Zulage pro Mann zu geben. Wenn dies wahr, so ist es auch ganz natürlich, da eben Adel, Gutsbesitzer und Beamte die gegenwärtige Krise zur Festhaltung ihres Einflusses und ihrer Vorrechte herbeigeführt haben, und bei der Beseitigung der Nationalversammlung am lebhaftesten betheiligt sind; denn bekanntlich lauteten die letzten Beschlüsse derselben auf Abschaffung des Adels und aller leerer Orden und Titel und auf unentgeldliche Aufhebung einer Menge alter ungerechter Lasten und Abgaben, während die Aufhebung der bisher bestandenen Grundsteuer-Befreiungen nächstens an die Reihe kommen sollte.
Die Unwahrheiten, welche die sogenannte Parlaments-Correspondenz über allerlei Zustände und Begebenheiten außerhalb Berlin's auftischt, sind und werden täglich durch die öffentlichen Blätter widerlegt, können auch unmöglich sämmtlich einzeln berichtigt werden. Lächerlich aber ist es, wenn von jener Seite die wenigen Billigungs-Adressen einzeln aufgeführt werden, die eingegangen sind, während die Nationalversammlung deren bereits weit über 3000 erhalten hat.
Was endlich die rechtlichen Ausführungen betrifft, wodurch jene Pflichtvergessenen sich und das Ministerium rechtfertigen wollen, so sind diese in den Verhandlungen der Nationalversammlung und in den meisten öffentlichen Blättern schon beleuchtet und widerlegt, in soweit es dessen bei einer so einfachen Sache bedarf. Denn Jedermann begreift, daß, wenn der Krone das Recht der willkührlichen Vertagung, und auf so lange sie will, gegen die Nationalversammlung zugestanden wird, das ebensoviel heißt, als ihr auch die Befugniß einräumen, die Nationalversammlung beliebig ganz und auf immer zu vertagen, d. h. aufzulösen und in früherer Unbeschränktheit weiter zu regieren.
Wenn man aber auch nicht einmal auf dem Standpunkte der Volkssouveränetät, sondern nur auf dem der Vereinbarung steht, den ja die ausgeschiedenen Mitglieder stets eingenommen zu haben behaupten, muß man schon der Krone jene Befugniß absprechen. Dies hat auch die Regierung richtig begriffen: denn es ist klar — und selbst in der sogenannten Parlamentskorrespondenz wird diese Besorgniß ausgesprochen und dagegen devotest supplicirt — daß man auf diese Vertagung niemals hat einen Wiederzusammentritt folgen lassen wollen, sondern vermuthlich eine der Regierung genehme Verfassung zu oktroyiren gedachte. Dafür spricht auch die Preisgebung und theilweise Zerstörung der Archivs der National-Versammlung. Noch ist zu bemerken, daß von jener Seite als Präcedenzfall der Vertagung einer konstituirenden Versammlung auf Würtemberg hingewiesen wird, wo solche im Winter 1816/17 stattgefunden habe. Dies Beispiel paßt aber nicht: denn die dortige Krone stand damals nicht einer konstituirenden Versammlung, sondern ihren alten Landständen gegenüber, mit denen sie sich zu vereinbaren suchte. Deren Vertagung aber war nach den betreffenden Gesetzen zulässig. Ebensowenig paßt das in der Parlaments-Korrespondenz enthaltene Citat au_ Benjamin Constant, da auch dieser keine konstituirende Versammlung, sondern schon konstituirte gesetzgebende im Auge hat.
Am 21. d. M. wurde der Eigenthümer der Vossischen Zeitung, Hr. Lessing, von dem General Wrangel, der ihm bis dahin völlig unbekannt war, zum Diner eingeladen. Nach dessen Beendigung kam der etc. Lessing in die Expedition der Vossischen Zeitung und erzählte mit Begeisterung, mit welchen Artigkeiten ihn der General Wrangel überhäuft habe, wie er bei Tische neben ihm gesessen und sogar v_ ihm umarmt worden sei. Der etc. Lessing nahm sofort noch eine genaue Revision der am 22. zu erscheinenden Voss. Ztg. vor, was er bis dahin niemals gethan hatte, um ganz sicher zu sein, daß keine einzige der Regierung unangenehme Nachricht in der Zeitung erscheine.
16 Berlin, 24. Nov. In Nr. 150 Ihrer Zeitung wird die Entwaffnung der Bürgerwehr so dargestellt, als ob Jeder seine Waffe ruhig ohne Murren abgebe, dies ist nicht ganz richtig. In einer Stadt von 420,000 Einwohnern mit circa 30,000 Bürgern, wo viele aus pecuniären Rücksichten so zu sagen, geborne Reaktionäre sind, kann es nicht Wunder nehmen, wenn einige Tausend Geldmenschen froh sind, wie der Berliner sagt, „die alte Geschichte wieder zu kriegen“. Diese Leute sind meist Hausbesitzer und bieten in ihren Kreisen natürlich auch auch Alles auf, daß „Jeder wieder ein ordentlicher Bürger.wird“. Diese haben nun allerdings Alles aufgeboten, um die Entwaffnung vollständig zu machen; z. B. der berüchtigte Wollf, ehemaliger Bürgerwehrhauptmann und noch Stadtverordneter, ging mit dem Kommando Militär nicht nur in seinem Hause, nein in seinem ganzen Revier umher. In Folge der Listen, die er als Hauptmann hatte, kannte er jeden einzelnen Bürgerwehrmann, und diese mußten dann allerdings das Gewehr hergeben. Anderseits haben die Revierkommissäre auch eine große Rolle dabei gespielt. Ohne solche gemeine Verrathsscenen würde das abgelieferte Waffenquantum nur ein Drittel der Ausbeute geliefert haben. Daher auch der mehr oder minder ergiebige Erfolg. Wo die Führer und Wirthe gut waren, ist wenig genug abgeliefert worden In meinem Hause z. B. wohnen sechs Bürgerwehrmänner; aber als es zum Abliefern kam, hatte Niemand die Waffe mehr.
Die ganze Entwaffnung ist als beendigt anzusehen und hat, ich kann es aus bester Quelle versichern, noch nicht 10,000 Gew. eingetragen. Natürlich reden unsere Gegner sich und uns ein, es seien 24,000 abgeliefert. 28,000 Gewehre waren im März ausgegeben, an 8000 Waffen wenigstens bisher angeschafft, bei verschiedenen Waffenlädenplünderungen etwa 1000 erbeutet und von dem Zeughaussturm wenigstens noch 1200 in Händen des souveränen Volkes. Hiernach sind also noch 25,000 Waffen in guten Händen und werden ihre Dienste thun.
Heute ging wieder das Gerücht, und wird auch in Köln verbreitet werden, daß ein Theil der hier ausharrenden Nationalvers. am Montag nach Brandenburg gehe. Es ist nicht wahr; Jacoby und Brill versichern mir so eben, daß 279 unter keiner Bedingung nach Brandenburg gehen werden.
Heute Nachmittag fuhr der Berliner Windischgrätz in einer königl. Equipage bei der Börse vorüber, und o Schmach, die Philister grüßten ihn und schwenkten mit den Hüten.
Am Bezeichnetsten ist es wohl, wenn ich Ihnen sage, daß eben an der Börse mehrere Spekulanten, welche die Papiere steigen machen wollten, aussprengten, Köln, Breslau und Liegnitz seien in Belagerungszustand; es gelang, und die Course gingen auf einen Augenblick in die Höhe, fielen aber wieder, als die Nachricht sich falsch erwies.
Breslau, 21. Novbr. Es war für heute durch die Zeitungen eine Einladung zur Konstituirung eines Vereins für „Gesetz und Ordnung“ ergangen, und es fanden sich ziemlich viel Leute im Börsenlokale ein, unter denen die Meisten natürlich Gesetz und Ordnung nicht in Bajonnetten und Kanonen verkörpert sehen. Es wurde nun in der Versammlung eine Adresse vorgelesen, in welcher der Magistrat aufgefordert wird, Militär zu requiriren etc. Gegen diese verrätherische Adresse erhob sich ein wilder Sturm. Die meisten Anwesenden riefen schändlich! nichtswürdig, feig. Das Präsidium suchte vergebens die Ruhe durch anhaltendes Läuten herzustellen. Später erst gelang es einigen Rednern, sich vernehmbar zu machen. Einer von diesen forderte das Präsidium auf, seine Begriffe über Ordnung und Gesetzmäßigkeit zu entwickeln, ob diese mit denen der Versammlung übereinstimmen. Der Redner meinte, nach dieser Adresse zu schließen, verlange man die Ruhe des Kirchhofs, die alte Zeit, wo freche Junker ihren Fuß auf den Nacken des Bürgers setzten. Gesetzmäßig sei die Souveränetät des Volkes, aber nicht die Anarchie eines Ministerium Brandenburg. Unterdeß hatte sich eine Menge vor der Börse, dem Sitzungslokale, versammelt, welche nicht eben die freundlichsten Absichten gegen einzelne Glieder der Versammlung für Gesetz und Ordnung verriethen. Wie wir hörten, wurde die Bürgerwehr zum Schutze der Bedrohten herbeigerufen. So endete diese denkwürdige Sitzung für Gesetz und Ordnung mit der höchsten Gesetzlosigkeit und Unordnung stürmscher, als die Versammlungen an der Kornecke.
Die Adresse erhielt — 16 Unterschriften.
Auf dem Kreistage zu Neustadt (O. S.), der von 90 Abgeordneten des Kreises beschickt war, faßte man folgende Beschlüsse:
1) Er erkennt an, daß die Nationalversammlung in ihrem Rechte ist.
2) Er erkennt den Beschluß der Nationalversammlung wegen Steuerverweigerung als rechtsgültig und bindend an.
3) Er versteht unter Steuerverweigerung keine Steuerasservation, sondern die Weigerung, unter dem Ministerium Brandenburg überhaupt Steuern zu zahlen.
4) Er beschließt, einen Kreis-Sicherheitsauschuß zu ernennen, bestehend aus 25 bewährten und befähigten Männern, welche möglicherweise in der Kreisstadt Neustadt wohnen müssen.
5) Er beschließt, in diesen Kreis-Sicherheitsausschuß den von der Stadtverordnetenversammlung erwählten, aus 8 Mitgliedern bestehenden Sicherheitsausschuß aufzunehmen.
Hierauf wurde der Sicherheitsausschuß erwählt und die Sitzung geschlossen. Der Aufruf des Kreislandsturms, welcher von den Bauern gewünscht wird, und den wir auch als das letzte, aber erfolgreiche, wenn auch revolutionäre Mittel ansehen, wurde dem Kreis-Sicherheitsauschuß überlassen.
Zu Waldenburg wurde von den Vertretern des ganzen Kreises am 17. d. die Steuerverweigerung mit Uebereinstimmung des interimistischen Landrathsverwesers und des Steuereinnehmers beschlossen und die Kasse sofort unter das Kuratorium zweier Ausschußmitglieder gestellt
(A. O.-Z.) ** Breslau, 23. Nov. Die Führer der Bürgerwehr hielten heute eine Versammlung. Es wurde daselbst beschlossen, den von etc. Wrangel in Berlin verbotenen Bürgerwehrkongreß nach Bres- zu berufen.
Das hiesige Regierungskollegium hat heute nach einer langen Berathung die Frage wegen Auflösung der Bürgerwehr verneinend entschieden, weil vorläufig kein — stichhaltiger Grund vorliege. Die beiden Reaktionärs, Regenbrecht und Grund, werden in den sauern Apfel der Abbitte gegen die von ihnen beleidigten Führer der Bürgerwehr beißen müssen.
Ratibor, 19. Nov. In der heute um 11 Uhr durch Anschlagzettel in deutscher und polnischer Sprache zusammenberufenen und von vielen Städtern und Landleuten besuchten Volksversammlung stattete zunächst ein Mitglied der von der vorgestrigen Volksversammlung gewählten Deputation Bericht über deren Schritte in Betreff der Ausführung der Steuerverweigerung ab. Die Deputation, deren Mehrzahl den von der Nationalversammlung gefaßten Beschluß dahin auslegte, daß die Steuern einstweilen gar nicht zu zahlen wären, wofür allerdings auch der Privatbrief eines Abgeordneten in Berlin spricht, in welchem von Suspension der „Entrichtung“ der Steuern die Rede ist, hatte sich in das Rentamt und das Hauptsteueramt begeben, und von dem Einnehmer des Erstern das Ehrenwort erhalten, daß eine Absendung von Geldern aus demselben an die Regierung bereits das ganze Jahr nicht stattgefunden hätte. Gleichwohl habe die Deputation nachträglich erfahren, daß aus dem Rentamte am Abend vorher 3000 Thlr. abgeschickt worden seien, was von einigen Zeugen in der Volksversammlung selbst bestätigt wird. Auch im Hauptsteueramte hatte die Deputation das feierliche Versprechen erhalten, daß vor der Hand keine Gelder abgeführt werden sollten, bis der Vorstand des Hauptsteueramtes vom Provinzialsteuerdirektor darüber definitive Antwort erhalten haben würde, von welcher die Deputation in jedem Falle Kenntniß erhalten soll. Die daselbst beantragte Aufhebung der Mahl- und Schlachtsteuer wurde von dem Entschlusse des hiesigen Magistrats abhängig gemacht, der aber verneinend ausgefallen ist. Der Vorsitzende der Volksversammlung fährt nun damit fort, daß er auf die Nothwendigkeit hinweist, einen Aufruf an das Landvolk zu erlassen, nachdem selbst der Oberpräsident der Provinz Schlesien die Steuerverweigerung für gesetzlich und ihr kein Hinderniß in den Weg legen zu wollen erklärt hat. Es sei Pflicht der Provinzen, von denen Berlin annehme, daß sie wach sind, das Ihrige dazu beizutragen, daß wir nicht in dieselbe Lage geriethen, in welcher sich jetzt ganz Oesterreich durch sein Verhalten gegen die Hauptstadt während ihrer Revolution befinde. Dazu sei vor Allem nothwendig, daß nicht nur in den Städten, sondern auch auf den Dörfern aufs schleunigste die Volkswehr ins Leben trete. Es sei dies zwar schon überall der Fall, aber im Kreise Ratibor nicht. Daher schlage er einen Aufruf an den Kreis vor, welcher diesen von der Steuerverweigerung in Kenntniß setze und zur Bewaffnung für alle Fälle auffordere, wie er von der erwähnten Deputation bereits ausgearbeitet worden sei.
Dieser Aufruf wurde in deutscher und polnischer Sprache verlesen und von der Versammlung der Abdruck in beiden Sprachen und die Vertheilung desselben unter das Landvolk beschlossen.
(A. Od. Ztg.) Gratz. Neulich wollten einige Personen beim Wirthe zu Waltersdorf bei Gratz das Porträt des Kaisers verbrennen, und brachten den Mördern Latour's ein Lebehoch. In einigen Wirthshäusern wird an Sonntagen immer die Marseillaise, und unmittelbar darauf die Volkshymne gespielt. Ersteres ruft bei vereinzelten Tischen wüthenden aber nicht vollstimmigen Beifall hervor, während das Volkslied von anhaltendem Beifallsdonner begrüßt wird.
24 Wien, 20. Nov. Daß Windischgrätz eben so wie früher Radetzky, vom russischen Kaiser für die der europäischen Contre-Revolution geleisteten Dienste belohnt werden würde, ließ sich vermuthen. Nicolaus hat ihm jetzt in der That das Großkreuz des St. Georg-Ordens und dem Jellachich das Großkreuz des Wladimir-Ordens nebst verbindlichem Dankschreiben für die „Tapferkeit“ und für die „Mäßigung der Heerführer bei der Einnahme Wien's“ zustellen lassen.
Der ungarische General Perczel ist mit seiner Streitmacht nach Steiermark vorgedrungen und hat die kaiserl. Vorposten vollständig geschlagen. Der Kampf dauerte 5 Stunden.
24 Wien, 21. Novbr. Von den Verhafteten sollen bis jetzt ungefähr 1400 wieder entlassen sein. Dagegen werden täglich eine Masse neuer Verhaftungen vorgenommen — heute Nacht an 200. Mit den Verurtheilungen zum Tode geht's im bisherigen Gleise fort. Aigner wurde zum Strange verurtheilt, jedoch unbedingt begnadigt. Dr. Becker ist ebenfalls zum Tode verurtheilt, wird aber schwerlich Gnade erhalten.
Robert Blum's Frau ist hier angelangt; sie wollte den Leichnam ihres Mannes reklamiren. Allein man hat es mit Blum's Leiche gemacht, wie mit den übrigen; sie ist sezirt worden!!
So hat der Scharfrichterknecht Windischgrätz noch den Leichnam mit seiner Wuth verfolgt.
61 Wien, 22. Nev. Seit zwei Tagen haben keine öffentliche Hinrichtungen stattgefunden. Man weiß nicht von wannen dieser humane Wind weht, da man gewiß ist, daß er nicht aus der unmittelbarsten Nähe kommen kann. Den Grund dazu in bloser Ermüdung zu suchen und beide Frei-Tage als Rasttage zu betrachten, wäre mit Rücksicht auf die handelnden Persönlichkeiten mindestens lächerlich. Also rannt man sich in's Ohr, — da laut reden nach Pulver und Blei riecht, es sei eine kaiserliche Kundmachung angekommen, welche die öffentlichen Hinrichtungen vor der Hand suspendire. Dieselbe ist indessen noch nicht veröffentlicht worden; das wäre ja Demokratie, dem Volke setzt schon Hoffnungen zu machen ohne Strang, ohne Pulver und Blei. — Die Anarchie währt ja noch fort, sie muß fort währen, wenn auch ganz Wien einem Grabe gleicht. F.-M.-L. Welden will, daß die Anarchie noch fortdaure, darum beschwor er gestern wiederholt die Bürger, keine Plakate anzuheften, weil dies bereits oftmals strenge untersagt worden sei. Ich möchte das Plakat sehen, welches seit dem 1. Nov. so ohne weiters gedruckt und angeheftet worden wäre, ohne daß die Militärgewalt dazu die Erlaubniß ertheilt hätte. — Noch immer werden nächtlich und täglich Aufrührer, Wühler und Räuber eingefangen; stellen sie sich freiwillig, so sollen sie statt Strang oder Pulver und Blei 10 fl. C. M. Handgeld bekommen, wenn sie Kriegsknechte werden. Freiwillig, sagt das Volk, werden sich sehr wenige melden, so groß auch die Noth ist, denn sie wissen, was ihnen blüht und welches Handwerk sie treiben müssen. Darum sieht man sich vor, daß die filii familias sich versteckt halten, weil es dem Herrn vom Strang und Pulver und Blei einfallen könnte, seine Leutchen, wie schon geschehen, direkt aus den Häusern zu nehmen. Alle Feldmarschälle rufen nach Rekruten und Geld, und die Bauern halten beide unter der Erde.
Sedlnitzky soll hier sein und man hört seitdem auch wieder vom Spuck der „Umarmenden Jungfrau.“ Sie fragen, was es damit für ein Bedeuten habe; ich will es Ihnen sagen. Die „Umarmende Jungfrau“ ist eine Maschine, die sich im Prater in der Nähe des Donaukanals befinden soll. Sie steht unter der Erde über einem tiefen mit dem Kanale verbundenen Wasserspiegel; ein Souterain führt dahin. Die Maschine ist aus vielen hundert Messern zusammengesetzt, die einen hineingeworfenen Menschen z. B. in die kleinsten Stücke zerhacken, die dann in der Tiefe versinken. Unter Sedlnitzky-Metternich verschwanden sehr viele Menschen oft auf die geheimnißvollste Weise; es waren Leute, mit denen man vor Polizei und Kriminalgericht nicht gerne viel Verhör-Umstände zu machen geneigt war. Wenn den Donaukanal einmal ein rother Faden durchzog und am Ufer wachende Polizei die Neugierigen hinwegtrieb, dann wurde gewöhnlich auch Jemand urplötzlich vermißt. Seit dem März waren die Messer der „Umarmenden Jungfrau“ verrostet, aber nun sind sie wieder polirt und geschliffen, denn Sedlnitzky ist ja schon hier und ein Metternich kann nicht ausbleiben.
Berlins „Humoristische Studien“ werden von uns mit ziemlicher Spannung verfolgt. Man ist neugierig, ob der ehemalige Berliner Eckensteherwitz, mehr ausrichtet wider die Armeen des Absolutismus, als unser Widerstand mit Pulver und Blei es vermocht hat. Man will es nicht recht glauben, obwohl man es schon der eigenen Haut wegen ganz ungeheuer wünscht. Man wettet sogar, daß Paris noch auf lange Zeit hin bourgeois bleibt. England und der Absolutismus zählen ja so fast auf ein Bündniß mit Frankreichs Bourgeois, damit Alles recht hübsch wieder in's Alte komme. Und aus ziemlich zuverläßigem Munde vernehme ich, daß Frankreichs glacirte Bourgeois England sogar Sizilien überlassen wollen, wenn es ihnen etwelche andere Kleinigkeiten Preis gibt, und dem Russen in den Donaufürstenthümern und im Nacken seiner gekrönten deutschen Lehnstäger festern Fuß zu faßen erlaubt:
Im Volksgarten verlangten östreichische Offiziere neulich, daß Strauß die Nationalhymne spiele. Er that's und die Offiziere entblößten ihre Schädel und klirrten mit Degen und hieben den Civilisten, die bouche béante und bedeckten Hauptes diesem Schauspiel zusahen, die Filze herab. Ich gehe nicht wieder in diese kroatisch-konstitutonelle Bildungsschule.
Die Knutenmajestät von Tobolsk und Irkutz hat die Herren Windischgrätz und Jellachich mit Orten begnadigt, die ein Flügeladjutant mit einem schmeichelhaften allerhöchst autokratischen Schreiben überbracht hat, ohne lange beim Olmützer Lehnsträger um Erlaubniß zu fragen.
Ueber die Post erschallen fortwährend Klagen; das ancien regime hat hier nie aufgehört; die Post war immer nur eine Spitzelanstalt. Gewöhnliche Briefe haben durchaus keine Postsicherheit und man wird ausgelacht, wenn man reklamirt. Die Beförderung und Ausgabe solcher Briefe hängt gänzlich von der Willkür der Postbeamten und Briefträger ab. Verspüren dieselben Geld darin oder trägt der Brief eine polizeilich denunzirte Adresse, so wird er unterschlagen. Einem Freunde von mir ist beides noch kürzlich geschehen. Man ist also gezwungen, seine Briefe, sollen sie ankommen, theuer zu rekommandiren. Dadurch erhält die Polizei eine genaue Kontrolle über Adressaten und Absender, weil letzter sich mit seiner Wohnung auf dem Kouvert des Briefes nennen muß. Das schwarze Kabinet, welches gut bedient ist, leistet das Uebrige.
Italien. Der in Chambery kommandirende Divisionsgeneral hat bekannt gemacht, daß die Regierung polnischen Flüchtlingen, welche in die Armee Karl Alberts treten wollen, das Ueberschreiten der sardinischen Grenze nicht mehr gestatten kann. Alle an der Grenze anlangenden Flüchtlinge werden daher zurückgewiesen.
Französische Republik. Paris, 22. Novbr. Marie, Justizminister und Exglied der ehemaligen Exekutiv-Kommission, den nebst Lamartine der Telegraph berief, wohnte heute der Nat.-Vers. bei und setzte sich neben Cavaignac.
— Nationalversammlung. Sitzung vom 23. Nov. Anfang 1 1/2 Uhr. Präsident Marrast.
Marrast nach der Protokollslesung sagt: An der Tagesordnung befindet sich zunächst ein Antrag auf Erhöhung des Einfuhrzolles für fremdes Salz zum Einsalzen der Fische.
Luneau: Die Versammlung ist noch nicht beschlußfähig; ich verlange den Namensaufruf! (Ja, Ja! Nein, Nein!)
Marrast: Behufs der Diskussionseinleitung braucht die Versammlung nicht vollzählig zu sein.
Hierauf beginnt die Diskussion.
Sesmaisons beweist, daß der Gegenstand keineswegs reiflich genug erwogen worden und schon zur Beschlußnahme reif sei. Warum handelt es sich? Unsere Küstenländer befassen sich mit Fischfang (Stockfisch-, Härings-, Wallfisch- und anderer Fischerei), welcher den Volksklassen des Festlandes eines der Hauptnahrungsmittel verschafft. Bei diesem Gewerbe ist viel Salz nöthig, darum spielt der Preis, zu welchem dieses Salz zu haben ist, eine große Rolle in den Lebensmittelpreisen der Armen. Es ist nun der Antrag gestellt worden, die Eingangssteuer dieses Salzes auf 50 Centimen für 100 Kilogramm festzustellen. Das heißt aber unsere westlichen Salzbergwerke ruiniren. Diese können bei der jetzigen Arbeitsweise das Salz
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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