Neue Rheinische Zeitung. Nr. 154. Köln, 28. November 1848.ten wollen. So sind denn einstweilen einmal sechs der Herren, die R. R. Arntz, Otto, Quentin, Gerhardy, Engelmann und Matthieu ihrer Funktionen enthoben; drei andere werden bald nachfolgen. Unser Militär zeigt während des Belagerungszustandes eine wahre Beserkerwuth. Man muß auf dem Wege ausweichen, wenn man einer Patrouille irgendwo begegnet. Erst gestern mußten wir selbst vor dem Thore durch eine Hecke, um den Bewaffneten Platz zu machen, und selbst hinter dieser Scheidewand wurde nach uns gestoßen. Gestern auch holte eine Abtheilung Krieger einige Waffen von dem Corpsbüreau der Bürgerwehr ab. Mit großem Triumphe brachte sie auch die beiden dort befindlichen Fahnen, trotz der Protestationen des Chefs, welcher dieselben als Privateigenthum erklärte, herunter. Aber eine Viertelstunde später mußte dieselbe ganze Abtheilung die Fahnen wiederbringen, wobei denn der befehlende Offizier etwas weiß aussah. Das versammelte Volk lachte nicht und höhnte nicht, aber es sah finster und ingrimmig drein, auf eine bessere Zukunft hoffend. In einem Wirthslokale vor der Stadt, im "Kapellchen", wo in letzterer Zeit die Bürgerwehr ihre Patronen anfertigen ließ, erschien gestern eine schwere Menge Krieger zu Fuß und zu Pferd, um das längst in Sicherheit gebrachte Pulver in Beschlag zu nehmen. Als man im ganzen Hause kein Körnchen finden konnte, ergriff der energische Wirth ein brennendes Licht, um den Offizier in den Keller zu führen. Aber glauben Sie, der Offizier wäre mitgegangen? Er sah den Wirth fragend und stumm an, und verzichtete dann auf fernere Nachsuchung. Verwundungen kommen noch immer vor. So vorgestern: man suchte draußen nach Waffen; ein Mann stand bettelnd an einer Thüre und ergriff die Flucht, als er die Patrouille kommen sah. "Haut ihn nieder!" schrie der Polizeisergeant, der den Soldaten beigegeben war, und siehe da, ein Soldat zog und hieb dem armen Teufel übers Gesicht, daß die halbe Wange blutend herunter hing. Der Polizeiheld heißt Hortz. Ich könnte Ihnen solcher Vorkommnisse noch viele erzählen, aber es ekelt an. Waffen sind bei weitem noch nicht die Hälfte abgegeben. * Düsseldorf, 25. Nov. Von der Brutalität, mit welcher unsere Soldateska den Belagerungszustand handhabt, liefert auch die Verhaftung des Colporteurs der "Neuen Rheinischen Zeitung", Schmitz, ein Beispiel. Während der Belagerungszustand proklamirt wurde, befand er sich (bewaffnet, wie gewöhnlich auf solchen Excursionen) in Geschäften auf dem Lande. Zurückgekehrt, wurde er, der von Allem, was in der Zwischenzeit vorgefallen war, nichts wußte, wegen seines anhabenden Säbels plötzlich auf der Straße festgenommen, vor den Kommunisten und Bürger Drigalski geführt, und von diesem der militärischen Vorhaft bei Wasser und Brod überwiesen. Drigalski, thronend im Kreise seiner Getreuen, schnaubte ihn mit Er an; die Getreuen führten ihn nicht, nein, sie stießen und schleppten ihn, der doch keine Widersetzlichkeit sich zu Schulden kommen ließ, in ein feuchtes, von Ratten und Mäusen wimmelndes Gefängniß. Hier mußte er auf dem nackten Boden (ein Bett war nicht da) 24 Stunden zubringen, und wurde dann unter einer Bedeckung von 36, sage sechs und dreißig Mann, Tambour an der Spitze, in das Civilarresthaus gebracht. Unterwegs natürlich wieder die obligaten Mißhandlungen: Tritte, Püffe, Würgen mit der Halsbinde -- Alles ohne die geringste Veranlassung von Seiten des Gefangenen, dessen gänzliche Schuldlosigkeit sich überdies durch seine gestrige Freilassung aufs Bündigste herausgestellt hat. Im Arresthause, wie im Verhöre vor der Civilbehörde hatte Schmitz der humansten Behandlung sich zu erfreuen; bloß der Kommunist Drigalski war schamlos genug, sich an dem Kolporteur der "Neuen Rheinischen Zeitung" und der Freiligrath'schen revolutionären Gedichte mit Fußtritten zu rächen. Ja, Hr. Kommunist, Sie straften das unverbotene Gewerbe, nicht das Säbeltragen des Mannes! 15 Düsseldorf, 17. Nov. Es verdient bemerkt zu werden, daß die hiesige Contrerevolution nicht sowohl in Hr. von Spiegel, der zu feige, noch in Hr. von Drigalsky, der zu weichlich und mit zu schlaffen Thränendrüsen ausgestattet ist, sondern vorzugsweise in dem Regierungsrath "Freiherrn" von Mirbach ihre Triebfeder und ihren obersten Leiter erblickt. Herr von Mirbach zeichnete sich früher durch seine Verfolgungen von Verfertigern falscher Kassenanweisungen aus; das Glück, womit er diesen Zweig der Verwaltung betrieben, scheint ihn ehrgeizig gemacht und auf das höhere Gebiet geführt zu haben, auf dem er sich jetzt bewegt. -- Unser gelichtetes Regierungs-Collegium hat bereits in dem berüchtigten Bodelschwinghianer, Hrn. von Seckendorf, und dem frühern Kölner Censor, Hrn. Wenzel, zwei Ersatzmänner zugeschickt bekommen. 062 Trier. Die Regierungspräsidenten, die keine Manteuffel sind, danken ab. Die Regierungspräsidenten, die nicht abdanken, und im Brandeburg-Manteuffelschen Sinne handeln, bleiben ihren alten bureaukratischen Antecedentien getreu. Der Koburger Seebald hat ein neue Bahn gebrochen. Wer ist der Koburger Seebald? Der Koburger Seebald ist kommiss. Regierungspräsident in Trier und stammt aus dem Hause der großen Koburg, welche sich um das Menschengeschlecht durch die Fortpflanzung der Prinzenrace verdient gemacht haben. Mit St. Wendel, das früher Koburgisch war, ist auch Hr. Seebald an Preußen überkommen, ohne durch die anderwärts nöthigen Formalitäten, wie Staatsexamen u. s. w. passiren zu müssen Der Koburger Seebald, sagen wir, hat eine neue Bahn gebrochen. Seine Manteuffelschen Erlasse sind belletristisch abgefaßt, sein Styl hat die Pretention, nicht bureaukratisch zu sein. In seinen Aufforderungen spricht er von "seiner Lösung der Differenz zwischen Krone und Nationalkammer," und findet "die Lösung dieser Lebensfrage" (Präsidentenfrage) darin, daß der Beamte "die doppelte Verpflichtung übernehme, seinem Posten treu zu bleiben." In seiner Warnung an das Triersche Volk geht der Koburger Seebald in seinem "belletristisch" abgefaßten Erlasse so weit, eine Definition des "vielbeliebten Kunstausdruckes" Volk zu geben, es in drei Kategorien abzutheilen: 1. Betrunkene, 2. anerkannte Lumpen, 3. verwahrloste Jungen, um mit dem Ausruf zu enden: "Das ist mir ein saubres Volk!" Das ist der saubere Hr. Seebald, von St. Wendel an Preußen überkommener und ohne Staatsexamen passirter Regierungsrath. Glück auf, Hr. Seebald! * Gladbach, 22. Nov. Von hier aus sind bereits drei mit sehr zahlreichen Unterschriften bedeckte Anerkennungs- und Dank-Adressen an die hohe Nationalversammlung zu Berlin an ihren Bestimmungsort abgegangen, zwei aus Volksversammlungen hervorgegangen, die dritte von der, eine Bevölkerung von circa 12,000 Seelen vertretenden Bürgermeisterei-Versammlung einstimmig beschlossen. Eine vierte liegt noch zur Unterschrift offen und ist ebenfalls schon mit vielen Namen versehen. Unsere Reaktionäre, größtentheils Mucker vom reinsten Wasser, haben, dem Vernehmen nach, nach langen Geburtswehen endlich eine Loyalitäts-Adresse zur Welt geboren. Fast nur Eingeweihten wird die Einsicht und Betheiligung an derselben vergönnt. Im Uebrigen ist der hier herrschende Geist, namentlich auch auf dem Lande, ein ganz vortrefflicher. Zu bemerken ist noch, daß von der kleinen benachbarten Gemeinde Neuwerk ebenfalls eine mit über 400 Unterschriften bedeckte Zustimmungs-Adresse an die National-Versammlung abgegangen. * Rheydt, 22. Nov. Der eigentliche Zweck der Steuerverweigerung wird sicher vereitelt, indem unsere hiesigen Patrioten bereits beschlossen haben, Sr. Majestät dem Könige von Gottes Gnaden den gesammten Steuerbetrag pro 1849 voraus zu bezahlen. Sollten auch einige Böswillige dem vorerwähnten Beschlusse Statt geben und die Steuern verweigern, so würde dieser Ausfall durch den Patriotismus unserer Bürger, denen sich gewiß noch viele aus Odenkirchen, Belzenberg, Geistenbeck und aus dem frommen Wupperthale anschließen werden, reichlich gedeckt werden. Unsere Mitbürger sind gescheidte Leute, nicht blos Patrioten, sondern auch Diplomaten. Sie hoffen durch ein solches Opfer auf mannichfache Bevorzugungen vor ihren Nachbarn für die Zukunft. Auch hier sahen wir in einem öffentlichen Lokale eine, mit zahlreichen Unterschriften versehene Mißtrauens-Adresse gegen den Abgeordneten des Wahlbezirks Gladbach, Regierungsrath Ritz aus Aachen. Mühlhausen, 16. Nov. Nachdem einige Kaufleute zu Duderstadt erklärten, in Folge der Dissentirung Elberfelds keinem dortigen Fabrikanten etwas abzukaufen, haben Nordhausen, Mühlhausen und Erfurt über alle den deutschen Volksstimmen entgegenhandelnde Städte eine gleiche Acht ausgesprochen. (Hannov. M.) 17 Berlin, 23. Nov. "Und ein Wrangel hat nie sein Wort gebrochen!" -- So ist denn auch in den Straßen Berlin's kein Grashälmchen mehr zu sehen, überall nur -- Friedenspalmen, Rosenbüsche und Myrthenhaine. Die Läden sind voll von -- -- müßigen Verkäufern, die Werkstätten überfüllt von -- -- leeren, verlassenen Räumen, die Tempel der Kunst, Theater und Museen hallen wieder von dem lustigsten -- -- Soldaten- und Kasernenleben. L'ordre regne a Berlin wie einst a Varsovie. Die väterliche Vorsicht des Feldherrn in den Marken geht über alle Maßen. Eingedenk des Fibelverses: "spiele nie mit Schießgewehr" ist die Entwaffnung der Bürgerwehr erfolgt, nach dem gloriosen Vorbilde der Kroaten in Wien. Die Habeas-Corpus-Acte steht in höchster, gefürchtetster Achtung, das beweisen die Fäuste der Soldaten, Konstabler und Polizeibüttel. Am 16. d. M. um 7 1/2 Morgens tritt ein Lieutenant von den Alexandrinern (nicht den griechischen Gelehrten, sondern dem preußischen Mammelucken-Regiment, Kaiser Alexander) mit mehreren gemeinen Alexandrinern in die Wohnung der Deputirten Lipski und Stefanowicz, Behrenstraße Nr. 22. Die Deputirten springen aus dem Bette auf den "Rechtsboden nach breitester Grundlage". Da stehen sie einander gegenüber, Aug' in Aug', die wackeren Kämpfer "mit Gott für König und Vaterland" und die "unverletzlichen" Deputirten. Der Lieutenant mit gezogenem Degen, die Soldaten scharf geladen, mit aufgezogenem Hahn über dem Zündhütchen auf dem Gewehre, -- die "Unverletzlichen", die Vertreter des Volkes, mit einer Schrift, "gedruckt in der Decker'schen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei" auf Lumpenpapier deutscher Fabrik. Hier, Hr. Lieutenant, hier sehen Sie die Habeas-Corpus-A a..... "Hier, mein Herr, hier sehen Sie meine Soldaten!" Wo ist Ihr Auftrag? "Hier meine Soldaten." Wie heißen Sie" "Ich bin Offizier!" Hier meine Karte, ich bin Abgeordneter der Nationalversammlung. "Ich bin und handle im Dienste." "Und die Kugeln sind im Lauf und die Säbel scharf geschliffen." Que faire! Die Soldaten durchsuchen die Wohnung, suchen in und unter dem Bette, und finden -- nichts. Aber glaube ja nicht, du deutsche Einfalt, daß wir in Berlin der rohen excessiven Militärgewalt Preis gegeben sind. Ein Polizeibeamter ging und stand den Männern des Krieges und der Gewalt als Genius des Friedens und der Ordnung zur Seite: "um (wie er sagte) das Militär vor etwaigen Excessen abzuhalten"!! Doch "Alles wiederholt sich nur im Leben" -- und so wiederholte sich auch diese, die heiligsten persönlichen Rechte mit Kolben niederstoßende Recherche nach Waffen und Munition, am 19. d. M. zum zweiten Male unter dem Kommando des Lieutenants der Alexandriner, der sich v. Grabert nannte, Ehre dem Manne, der mit seinem Namen nicht Hehl that, und man fand wiederholendlich -- -- nichts! Fast möchte man glauben, daß der deutsche Biedermann Justus Moser Recht hat, wenn er in seinen patriotischen Phantasien sagte: "Wann Gott ein Volk in seinem Zorn wird strafen wollen, so wird er ihm deutsche Freiheit schenken!" Friedrich Wilhelm IV. will uns diese Freiheit gegeben haben, -- -- doch er verspricht sie zu erhalten. X Berlin, 25. Nov. Folgende Erklärung ist von den Mitgliedern der gegenwärtigen Berliner Nationalversammlung unterschrieben und veröffentlicht worden! In Erwägung, daß fälschlicher Weise Berichte über Bedingu verbreitet worden sind, welche die preußische Nationalversammlung zur Hebung des zwischen ihr und der Krone entstandenen Konflikts gestellt haben soll, erklären die Unterzeichneten dem Lande gegenüber, 1) daß von der Nationalversammlung die in jenen Berichten erwähnten Bedingungen nicht gestellt worden sind, Berlin, den 23. November 1848. Die gegenwärtige Lage des Staates ist so ernster und drohender Art, daß die Regierung von jedem Beamten, noch mehr aber von jedem Offizier die höchste Thatkraft erwarten muß; wo diese fehlt, oder wo sich Mangel an Umsicht zeigt, ist es die unabweisbare Pflicht jedes Vorgesetzten, sofort mit aller Energie einzuschreiten und jedes gesetzliche Mittel anzuwenden, um die militärische Ordnung und den Gehorsam zu erhalten, wozu denn natürlich Suspendirung vom Dienst gegen diejenigen Untergebenen gehört, welche keine Energie oder gar bösen Willen zeigen. Die Lage des Staates hat es nothwendig gemacht, außer der bereits im 5. und 6. Armee-Korps-Bezirke versammelten Landwehr für die General-Kommando-Bezirke des 2., 3. und 4. Armee-Korps die Einziehung der Landwehr anzuordnen. Wenn nun eine solche außerordentliche Maßregel schon immer eine Schwierigkeit hat, so werden sich die Schwierigkeiten voraussichtlich noch steigern, nachdem es mehrere Monate hat geduldet werden müssen, daß die Agenten der auf den Umsturz des Staates eifrig hinarbeitenden Parteien, die Landwehr zu verführen und von der Krone abwendig zu machen, alle Mittel in Bewegung setzen konnten. Die Landwehr, Brigade- und Bataillons-Kommandeure werden daher Anfangs mit der größten Vorsicht verfahren müssen, was nicht ausschließt, daß sie, wenn die Truppen so einigermaßen in ihrer Hand sind, die ganze gesetzliche Strenge ohne Ansicht der Person gegen jeden eintreten lassen, der sich einen Ungehorsam, eine Auflehnung oder gar eine hochverrätherische Handlung zu schulden kommen läßt. Die Bataillons-Kommandeure haben besonders auf den Geist des Offizier-Korps zu wirken und durch dasselbe den Wehrmännern begreiflich zu machen, daß ihre Treue den König schützen und stützen soll, gegen den wohldurchdachten Plan einer landesverrätherischen Partei, die nichts will, als aus Preußen eine Republik zu machen (denn das ist der Kern des Kampfes in den wir jetzt eingehen), daß auf die preußische Landwehr jetzt ganz Deutschland blickt, daß es von ihrem Verhalten abhängt, ob ein blutiger Bürgerkrieg ausbricht, oder der Feind ohne Kampf vor den 50 Bataillons Landwehr, welche jetzt unter den Waffen stehen, die seinigen streckt. Ein etc. ersuche ich ganz ergebenst, dies den Landwehr Brigade- und Bataillons-Kommandeurs schleunigst mitzutheilen, mir aber von dem Fortgang der Landwehr-Einziehung von Zeit zu Zeit Nachricht zu geben. Berlin, den 15. November 1848. An (Gez. v. Strotha, In den meisten Kreisen der Provinz Sachsen hat sich die Landwehr entweder gar nicht oder nur in höchst dürftiger Zahl gestellt. In einzelnen Kreisen sind die Landwehrmänner zwar zusammengetreten, aber mit der Erklärung, daß ihre Einberufung ungesetzlich sei, und mit einem Hoch für die Nationalversammlung wieder auseinandergegangen. Der ehemalige Abgeordnete, jetzige Justiz-Minister Rintelen, hat von den sämmtlichen Wahlmännern seines Wahlkreises, mit Ausnahme eines Einzigen, ein entschiedenes Mißtrauensvotum erhalten. Der Abgeordnete von Berg, welcher bis jetzt als Stellvertreter des Herrn v. Mylius an den Verhandlungen der Nationalversammlung Theil genommen hat, ist am 21. d. M. von dem Wahlkreise Eupen als Deputirter für die preuß. Nationalversammlung gewählt worden. Sein Gegen-Kandidat war der ehemalige Kriegsminister Herr v. Schreckenstein. Täglich gehen der Nationalversammlung eine große Zahl Zustimmungs-Adressen zu. Ueber dieselben wird fortwährend von der Petions-Kommission Bericht erstattet. Eine heut eingegangene Zuschrift hat jedoch, ihrer zarten Natur wegen, einen Anspruch besonders erwähnt zu werden. Von 16 Jungfrauen der Stadt Osterwick ist ein Gedicht nebst einem Lorbeerkranz den auf ihrem Posten gebliebenen Volksvertretern übersendet worden. Einem, an einen Abgeordneten gerichteten Schreiben, aus Graudenz vom 20. d. M. entnehmen wir, daß sowohl die Bevölkerung in den Städten Graudenz, Culm und Thorn, als in den betreffenden Kreisen zum überwiegenden Theil, sich mit dem Verhalten und den Beschlüssen der Nationalversammlung durchaus einverstanden erklären. Die Stadt Thorn will ihrem Deputirten die Diäten, deren Zahlung die Regierung verweigert, fortzahlen. Die Stimmung der Landwehr ist entschieden für die Nationalversammlung. 103 Berlin, 25. Nov. Wenn das Kamarilla-Ministerium früher alle möglichen Intriguen anwendete, um zum 27. eine beschlußfähige Anzahl Abgeord. der Nationalvers. nach Brandenburg zu locken, so scheint es jetzt von dieser Idee zurückgekommen zu sein. Zwei Gründe mögen dazu veranlaßt haben. Erstens ist man in den letzten Tagen zu der Ueberzeugung gekommen, daß die hier noch versammelten 280 Abgeordneten keinesfalls nach Brandenburg gehen werden, und daß selbst viele von der Rechten, wie die Freunde der Abg. Grabow, Milde, sich den Erstern anschließen. Zweitens findet man durch das Nichterscheinen der Abgeordneten in Brandenburg ein gutes Mittel, um damit den beabsichtigten Staatsstreich, die Octroyirung der Verfassung zu bemänteln. Wie man heute aus sicherer Quelle erfährt, will das Kamarilla-Ministerium folgendes Verfahren einschlagen. Da sich, wie vorauszusehen, am Montag nur 100, höchstens 130 Abgeordnete in Brandenburg einfinden werden, so wird dem Volke in einer Proklamation verkündigt werden, daß, da sich seine zur Vereinbarung der Verfassung berufenen Vertreter so unvollständig eingefunden, daß keine beschlußfähige Anzahl da ist, sich Se. Majestät veranlaßt sieht, um seinem geliebten Volke nicht länger die versprochenen konstitutionellen Freiheiten und Rechte vorzuenthalten, eine Verfassung auf breitester Grundlage zu verleihen. Diese soidisant Verfassung ist auf ein indirektes Wahlsystem mit Census, einer ersten (aristokratischen) und zweiten Kammer u. s. w. basirt. -- In dem Augenblick, wo man diese Verfassung verkündet, wird man auch die Nationalversammlung für aufgelöst erklären, und die Wahlen für die neuen Kammern so schnell wie möglich ansetzen. Damit aber die jetzigen Abgeordneten nicht wieder in die neuen Kammern gewählt werden, wird man gegen diejenigen, welche die letzten Beschlüsse, nämlich die Hochverrathserklärung und die Steuerverweigerung, gefaßt haben, eine Untersuchung einleiten und sie möglicherweise verhaften. Das sind die Pläne des Kamarilla-Ministeriums, welche jedoch selbst unserer äußersten Rechten etwas zu weit zu gehen scheinen. Herr Grabow bietet nämlich alles Mögliche auf, um diesen Plänen entgegenzuarbeiten. Trotz seiner leidenden Gesundheit machte er gestern die Runde bei allen Fraktionen und proponirte, ob man sich mit einem neuen Ministerium und Wiedereröffnung der Sitzungen in Berlin nach 14 Tagen zufrieden erklären und eine Dankadresse dafür an den König richten wolle. Die äußerste Linke erklärte, daß sie den entstandenen Konflikt für beseitigt erachten werde, wenn das Ministerium Brandenburg zurücktritt, und das zu ernennende neue volksthümliche Ministerium der Versammlung kein Hinderniß in den Weg legt, ihre Berathungen in Berlin fortzusetzen; sie wolle sogar alsdann einer Dankadresse an den König beistimmen (!!) aber einer neuen 14tägigen Vertagung könne man sich keinesfalls unterwerfen. Grabow ist heute mit diesem Bescheid zum König gegangen und wird seinen ganzen Einfluß aufwenden, um den König zu einer solchen Ausgleichung zu bewegen. Man zweifelt aber allgemein an dem Erfolg, weil der König von der Kamarilla und besonders von den Professoren Leo, Stahl und Keller, welche die neue Verfassung ausgearbeitet haben, so umgarnt und ins Netz gezogen ist, daß er keinen freien Willen mehr hat. Die Kamarilla glaubt schon vollständig gesiegt zu haben, so daß es ihr ganz frei steht, die Friedensbedingungen nach ihrem Willen zu diktiren. Sie würde es für eine unverantwortliche Nachgiebigkeit halten, wenn man sich mit der jetzigen Nationalversammlung wieder einließe, sie hält dieselbe für völlig geschlagen. Das Volk aber will die Kamarilla durch Redensarten und einige freisinnige Brocken ködern, und wo man damit nicht zufrieden sein will, mit Bajonetten die Ruhe herstellen. Unsere Bourgeoisie sucht man auf ganz eigenthümliche Art und Weise zu ködern. Man wußte, daß ein Theil tief ergrimmt ist über die ganz unbegründete Auflösung der Bürgerwehr und die darauf erfolgte Entwaffnung. Um dieses wieder gut zu machen, läßt der Minister des Innern, Manteuffel, vorgestern, wo man noch mit dem Einsammeln der Gewehre beschäftigt war, die ehemaligen Majore der Bürgerwehr zu sich berufen, um mit ihnen über die Reorganisation der Bürgerwehr zu berathen. Manteuffel sagte den Majoren, wie sehr man die bisherigen Dienste der Bürgerwehr anerkenne, wie der König von ihrer Treue und Ergebenheit überzeugt sei, und wie er dieses durch eine baldige Reorganisation der Bürgerwehr an den Tag legen wolle. Der Minister berichtete ferner, daß der Konig sogar seinen treuen Bürgern ein Geschenk mit 8000 neuen, für die Bürgerwehr Berlins eigens angefertigten leichten Gewehren, desgleichen 8000 Helmen und 8000 schwarz und weißen Epauletts, welche als Dienstzeichen ten wollen. So sind denn einstweilen einmal sechs der Herren, die R. R. Arntz, Otto, Quentin, Gerhardy, Engelmann und Matthieu ihrer Funktionen enthoben; drei andere werden bald nachfolgen. Unser Militär zeigt während des Belagerungszustandes eine wahre Beserkerwuth. Man muß auf dem Wege ausweichen, wenn man einer Patrouille irgendwo begegnet. Erst gestern mußten wir selbst vor dem Thore durch eine Hecke, um den Bewaffneten Platz zu machen, und selbst hinter dieser Scheidewand wurde nach uns gestoßen. Gestern auch holte eine Abtheilung Krieger einige Waffen von dem Corpsbüreau der Bürgerwehr ab. Mit großem Triumphe brachte sie auch die beiden dort befindlichen Fahnen, trotz der Protestationen des Chefs, welcher dieselben als Privateigenthum erklärte, herunter. Aber eine Viertelstunde später mußte dieselbe ganze Abtheilung die Fahnen wiederbringen, wobei denn der befehlende Offizier etwas weiß aussah. Das versammelte Volk lachte nicht und höhnte nicht, aber es sah finster und ingrimmig drein, auf eine bessere Zukunft hoffend. In einem Wirthslokale vor der Stadt, im „Kapellchen“, wo in letzterer Zeit die Bürgerwehr ihre Patronen anfertigen ließ, erschien gestern eine schwere Menge Krieger zu Fuß und zu Pferd, um das längst in Sicherheit gebrachte Pulver in Beschlag zu nehmen. Als man im ganzen Hause kein Körnchen finden konnte, ergriff der energische Wirth ein brennendes Licht, um den Offizier in den Keller zu führen. Aber glauben Sie, der Offizier wäre mitgegangen? Er sah den Wirth fragend und stumm an, und verzichtete dann auf fernere Nachsuchung. Verwundungen kommen noch immer vor. So vorgestern: man suchte draußen nach Waffen; ein Mann stand bettelnd an einer Thüre und ergriff die Flucht, als er die Patrouille kommen sah. „Haut ihn nieder!“ schrie der Polizeisergeant, der den Soldaten beigegeben war, und siehe da, ein Soldat zog und hieb dem armen Teufel übers Gesicht, daß die halbe Wange blutend herunter hing. Der Polizeiheld heißt Hortz. Ich könnte Ihnen solcher Vorkommnisse noch viele erzählen, aber es ekelt an. Waffen sind bei weitem noch nicht die Hälfte abgegeben. * Düsseldorf, 25. Nov. Von der Brutalität, mit welcher unsere Soldateska den Belagerungszustand handhabt, liefert auch die Verhaftung des Colporteurs der „Neuen Rheinischen Zeitung“, Schmitz, ein Beispiel. Während der Belagerungszustand proklamirt wurde, befand er sich (bewaffnet, wie gewöhnlich auf solchen Excursionen) in Geschäften auf dem Lande. Zurückgekehrt, wurde er, der von Allem, was in der Zwischenzeit vorgefallen war, nichts wußte, wegen seines anhabenden Säbels plötzlich auf der Straße festgenommen, vor den Kommunisten und Bürger Drigalski geführt, und von diesem der militärischen Vorhaft bei Wasser und Brod überwiesen. Drigalski, thronend im Kreise seiner Getreuen, schnaubte ihn mit Er an; die Getreuen führten ihn nicht, nein, sie stießen und schleppten ihn, der doch keine Widersetzlichkeit sich zu Schulden kommen ließ, in ein feuchtes, von Ratten und Mäusen wimmelndes Gefängniß. Hier mußte er auf dem nackten Boden (ein Bett war nicht da) 24 Stunden zubringen, und wurde dann unter einer Bedeckung von 36, sage sechs und dreißig Mann, Tambour an der Spitze, in das Civilarresthaus gebracht. Unterwegs natürlich wieder die obligaten Mißhandlungen: Tritte, Püffe, Würgen mit der Halsbinde — Alles ohne die geringste Veranlassung von Seiten des Gefangenen, dessen gänzliche Schuldlosigkeit sich überdies durch seine gestrige Freilassung aufs Bündigste herausgestellt hat. Im Arresthause, wie im Verhöre vor der Civilbehörde hatte Schmitz der humansten Behandlung sich zu erfreuen; bloß der Kommunist Drigalski war schamlos genug, sich an dem Kolporteur der „Neuen Rheinischen Zeitung“ und der Freiligrath'schen revolutionären Gedichte mit Fußtritten zu rächen. Ja, Hr. Kommunist, Sie straften das unverbotene Gewerbe, nicht das Säbeltragen des Mannes! 15 Düsseldorf, 17. Nov. Es verdient bemerkt zu werden, daß die hiesige Contrerevolution nicht sowohl in Hr. von Spiegel, der zu feige, noch in Hr. von Drigalsky, der zu weichlich und mit zu schlaffen Thränendrüsen ausgestattet ist, sondern vorzugsweise in dem Regierungsrath „Freiherrn“ von Mirbach ihre Triebfeder und ihren obersten Leiter erblickt. Herr von Mirbach zeichnete sich früher durch seine Verfolgungen von Verfertigern falscher Kassenanweisungen aus; das Glück, womit er diesen Zweig der Verwaltung betrieben, scheint ihn ehrgeizig gemacht und auf das höhere Gebiet geführt zu haben, auf dem er sich jetzt bewegt. — Unser gelichtetes Regierungs-Collegium hat bereits in dem berüchtigten Bodelschwinghianer, Hrn. von Seckendorf, und dem frühern Kölner Censor, Hrn. Wenzel, zwei Ersatzmänner zugeschickt bekommen. 062 Trier. Die Regierungspräsidenten, die keine Manteuffel sind, danken ab. Die Regierungspräsidenten, die nicht abdanken, und im Brandeburg-Manteuffelschen Sinne handeln, bleiben ihren alten bureaukratischen Antecedentien getreu. Der Koburger Seebald hat ein neue Bahn gebrochen. Wer ist der Koburger Seebald? Der Koburger Seebald ist kommiss. Regierungspräsident in Trier und stammt aus dem Hause der großen Koburg, welche sich um das Menschengeschlecht durch die Fortpflanzung der Prinzenrace verdient gemacht haben. Mit St. Wendel, das früher Koburgisch war, ist auch Hr. Seebald an Preußen überkommen, ohne durch die anderwärts nöthigen Formalitäten, wie Staatsexamen u. s. w. passiren zu müssen Der Koburger Seebald, sagen wir, hat eine neue Bahn gebrochen. Seine Manteuffelschen Erlasse sind belletristisch abgefaßt, sein Styl hat die Pretention, nicht bureaukratisch zu sein. In seinen Aufforderungen spricht er von „seiner Lösung der Differenz zwischen Krone und Nationalkammer,“ und findet „die Lösung dieser Lebensfrage“ (Präsidentenfrage) darin, daß der Beamte „die doppelte Verpflichtung übernehme, seinem Posten treu zu bleiben.“ In seiner Warnung an das Triersche Volk geht der Koburger Seebald in seinem „belletristisch“ abgefaßten Erlasse so weit, eine Definition des „vielbeliebten Kunstausdruckes“ Volk zu geben, es in drei Kategorien abzutheilen: 1. Betrunkene, 2. anerkannte Lumpen, 3. verwahrloste Jungen, um mit dem Ausruf zu enden: „Das ist mir ein saubres Volk!“ Das ist der saubere Hr. Seebald, von St. Wendel an Preußen überkommener und ohne Staatsexamen passirter Regierungsrath. Glück auf, Hr. Seebald! * Gladbach, 22. Nov. Von hier aus sind bereits drei mit sehr zahlreichen Unterschriften bedeckte Anerkennungs- und Dank-Adressen an die hohe Nationalversammlung zu Berlin an ihren Bestimmungsort abgegangen, zwei aus Volksversammlungen hervorgegangen, die dritte von der, eine Bevölkerung von circa 12,000 Seelen vertretenden Bürgermeisterei-Versammlung einstimmig beschlossen. Eine vierte liegt noch zur Unterschrift offen und ist ebenfalls schon mit vielen Namen versehen. Unsere Reaktionäre, größtentheils Mucker vom reinsten Wasser, haben, dem Vernehmen nach, nach langen Geburtswehen endlich eine Loyalitäts-Adresse zur Welt geboren. Fast nur Eingeweihten wird die Einsicht und Betheiligung an derselben vergönnt. Im Uebrigen ist der hier herrschende Geist, namentlich auch auf dem Lande, ein ganz vortrefflicher. Zu bemerken ist noch, daß von der kleinen benachbarten Gemeinde Neuwerk ebenfalls eine mit über 400 Unterschriften bedeckte Zustimmungs-Adresse an die National-Versammlung abgegangen. * Rheydt, 22. Nov. Der eigentliche Zweck der Steuerverweigerung wird sicher vereitelt, indem unsere hiesigen Patrioten bereits beschlossen haben, Sr. Majestät dem Könige von Gottes Gnaden den gesammten Steuerbetrag pro 1849 voraus zu bezahlen. Sollten auch einige Böswillige dem vorerwähnten Beschlusse Statt geben und die Steuern verweigern, so würde dieser Ausfall durch den Patriotismus unserer Bürger, denen sich gewiß noch viele aus Odenkirchen, Belzenberg, Geistenbeck und aus dem frommen Wupperthale anschließen werden, reichlich gedeckt werden. Unsere Mitbürger sind gescheidte Leute, nicht blos Patrioten, sondern auch Diplomaten. Sie hoffen durch ein solches Opfer auf mannichfache Bevorzugungen vor ihren Nachbarn für die Zukunft. Auch hier sahen wir in einem öffentlichen Lokale eine, mit zahlreichen Unterschriften versehene Mißtrauens-Adresse gegen den Abgeordneten des Wahlbezirks Gladbach, Regierungsrath Ritz aus Aachen. Mühlhausen, 16. Nov. Nachdem einige Kaufleute zu Duderstadt erklärten, in Folge der Dissentirung Elberfelds keinem dortigen Fabrikanten etwas abzukaufen, haben Nordhausen, Mühlhausen und Erfurt über alle den deutschen Volksstimmen entgegenhandelnde Städte eine gleiche Acht ausgesprochen. (Hannov. M.) 17 Berlin, 23. Nov. „Und ein Wrangel hat nie sein Wort gebrochen!“ — So ist denn auch in den Straßen Berlin's kein Grashälmchen mehr zu sehen, überall nur — Friedenspalmen, Rosenbüsche und Myrthenhaine. Die Läden sind voll von — — müßigen Verkäufern, die Werkstätten überfüllt von — — leeren, verlassenen Räumen, die Tempel der Kunst, Theater und Museen hallen wieder von dem lustigsten — — Soldaten- und Kasernenleben. L'ordre regne à Berlin wie einst à Varsovie. Die väterliche Vorsicht des Feldherrn in den Marken geht über alle Maßen. Eingedenk des Fibelverses: „spiele nie mit Schießgewehr“ ist die Entwaffnung der Bürgerwehr erfolgt, nach dem gloriosen Vorbilde der Kroaten in Wien. Die Habeas-Corpus-Acte steht in höchster, gefürchtetster Achtung, das beweisen die Fäuste der Soldaten, Konstabler und Polizeibüttel. Am 16. d. M. um 7 1/2 Morgens tritt ein Lieutenant von den Alexandrinern (nicht den griechischen Gelehrten, sondern dem preußischen Mammelucken-Regiment, Kaiser Alexander) mit mehreren gemeinen Alexandrinern in die Wohnung der Deputirten Lipski und Stefanowicz, Behrenstraße Nr. 22. Die Deputirten springen aus dem Bette auf den „Rechtsboden nach breitester Grundlage“. Da stehen sie einander gegenüber, Aug' in Aug', die wackeren Kämpfer „mit Gott für König und Vaterland“ und die „unverletzlichen“ Deputirten. Der Lieutenant mit gezogenem Degen, die Soldaten scharf geladen, mit aufgezogenem Hahn über dem Zündhütchen auf dem Gewehre, — die „Unverletzlichen“, die Vertreter des Volkes, mit einer Schrift, „gedruckt in der Decker'schen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei“ auf Lumpenpapier deutscher Fabrik. Hier, Hr. Lieutenant, hier sehen Sie die Habeas-Corpus-A a.‥‥ „Hier, mein Herr, hier sehen Sie meine Soldaten!“ Wo ist Ihr Auftrag? „Hier meine Soldaten.“ Wie heißen Sie“ „Ich bin Offizier!“ Hier meine Karte, ich bin Abgeordneter der Nationalversammlung. „Ich bin und handle im Dienste.“ „Und die Kugeln sind im Lauf und die Säbel scharf geschliffen.“ Que faire! Die Soldaten durchsuchen die Wohnung, suchen in und unter dem Bette, und finden — nichts. Aber glaube ja nicht, du deutsche Einfalt, daß wir in Berlin der rohen excessiven Militärgewalt Preis gegeben sind. Ein Polizeibeamter ging und stand den Männern des Krieges und der Gewalt als Genius des Friedens und der Ordnung zur Seite: „um (wie er sagte) das Militär vor etwaigen Excessen abzuhalten“!! Doch „Alles wiederholt sich nur im Leben“ — und so wiederholte sich auch diese, die heiligsten persönlichen Rechte mit Kolben niederstoßende Recherche nach Waffen und Munition, am 19. d. M. zum zweiten Male unter dem Kommando des Lieutenants der Alexandriner, der sich v. Grabert nannte, Ehre dem Manne, der mit seinem Namen nicht Hehl that, und man fand wiederholendlich — — nichts! Fast möchte man glauben, daß der deutsche Biedermann Justus Moser Recht hat, wenn er in seinen patriotischen Phantasien sagte: „Wann Gott ein Volk in seinem Zorn wird strafen wollen, so wird er ihm deutsche Freiheit schenken!“ Friedrich Wilhelm IV. will uns diese Freiheit gegeben haben, — — doch er verspricht sie zu erhalten. X Berlin, 25. Nov. Folgende Erklärung ist von den Mitgliedern der gegenwärtigen Berliner Nationalversammlung unterschrieben und veröffentlicht worden! In Erwägung, daß fälschlicher Weise Berichte über Bedingu verbreitet worden sind, welche die preußische Nationalversammlung zur Hebung des zwischen ihr und der Krone entstandenen Konflikts gestellt haben soll, erklären die Unterzeichneten dem Lande gegenüber, 1) daß von der Nationalversammlung die in jenen Berichten erwähnten Bedingungen nicht gestellt worden sind, Berlin, den 23. November 1848. Die gegenwärtige Lage des Staates ist so ernster und drohender Art, daß die Regierung von jedem Beamten, noch mehr aber von jedem Offizier die höchste Thatkraft erwarten muß; wo diese fehlt, oder wo sich Mangel an Umsicht zeigt, ist es die unabweisbare Pflicht jedes Vorgesetzten, sofort mit aller Energie einzuschreiten und jedes gesetzliche Mittel anzuwenden, um die militärische Ordnung und den Gehorsam zu erhalten, wozu denn natürlich Suspendirung vom Dienst gegen diejenigen Untergebenen gehört, welche keine Energie oder gar bösen Willen zeigen. Die Lage des Staates hat es nothwendig gemacht, außer der bereits im 5. und 6. Armee-Korps-Bezirke versammelten Landwehr für die General-Kommando-Bezirke des 2., 3. und 4. Armee-Korps die Einziehung der Landwehr anzuordnen. Wenn nun eine solche außerordentliche Maßregel schon immer eine Schwierigkeit hat, so werden sich die Schwierigkeiten voraussichtlich noch steigern, nachdem es mehrere Monate hat geduldet werden müssen, daß die Agenten der auf den Umsturz des Staates eifrig hinarbeitenden Parteien, die Landwehr zu verführen und von der Krone abwendig zu machen, alle Mittel in Bewegung setzen konnten. Die Landwehr, Brigade- und Bataillons-Kommandeure werden daher Anfangs mit der größten Vorsicht verfahren müssen, was nicht ausschließt, daß sie, wenn die Truppen so einigermaßen in ihrer Hand sind, die ganze gesetzliche Strenge ohne Ansicht der Person gegen jeden eintreten lassen, der sich einen Ungehorsam, eine Auflehnung oder gar eine hochverrätherische Handlung zu schulden kommen läßt. Die Bataillons-Kommandeure haben besonders auf den Geist des Offizier-Korps zu wirken und durch dasselbe den Wehrmännern begreiflich zu machen, daß ihre Treue den König schützen und stützen soll, gegen den wohldurchdachten Plan einer landesverrätherischen Partei, die nichts will, als aus Preußen eine Republik zu machen (denn das ist der Kern des Kampfes in den wir jetzt eingehen), daß auf die preußische Landwehr jetzt ganz Deutschland blickt, daß es von ihrem Verhalten abhängt, ob ein blutiger Bürgerkrieg ausbricht, oder der Feind ohne Kampf vor den 50 Bataillons Landwehr, welche jetzt unter den Waffen stehen, die seinigen streckt. Ein etc. ersuche ich ganz ergebenst, dies den Landwehr Brigade- und Bataillons-Kommandeurs schleunigst mitzutheilen, mir aber von dem Fortgang der Landwehr-Einziehung von Zeit zu Zeit Nachricht zu geben. Berlin, den 15. November 1848. An (Gez. v. Strotha, In den meisten Kreisen der Provinz Sachsen hat sich die Landwehr entweder gar nicht oder nur in höchst dürftiger Zahl gestellt. In einzelnen Kreisen sind die Landwehrmänner zwar zusammengetreten, aber mit der Erklärung, daß ihre Einberufung ungesetzlich sei, und mit einem Hoch für die Nationalversammlung wieder auseinandergegangen. Der ehemalige Abgeordnete, jetzige Justiz-Minister Rintelen, hat von den sämmtlichen Wahlmännern seines Wahlkreises, mit Ausnahme eines Einzigen, ein entschiedenes Mißtrauensvotum erhalten. Der Abgeordnete von Berg, welcher bis jetzt als Stellvertreter des Herrn v. Mylius an den Verhandlungen der Nationalversammlung Theil genommen hat, ist am 21. d. M. von dem Wahlkreise Eupen als Deputirter für die preuß. Nationalversammlung gewählt worden. Sein Gegen-Kandidat war der ehemalige Kriegsminister Herr v. Schreckenstein. Täglich gehen der Nationalversammlung eine große Zahl Zustimmungs-Adressen zu. Ueber dieselben wird fortwährend von der Petions-Kommission Bericht erstattet. Eine heut eingegangene Zuschrift hat jedoch, ihrer zarten Natur wegen, einen Anspruch besonders erwähnt zu werden. Von 16 Jungfrauen der Stadt Osterwick ist ein Gedicht nebst einem Lorbeerkranz den auf ihrem Posten gebliebenen Volksvertretern übersendet worden. Einem, an einen Abgeordneten gerichteten Schreiben, aus Graudenz vom 20. d. M. entnehmen wir, daß sowohl die Bevölkerung in den Städten Graudenz, Culm und Thorn, als in den betreffenden Kreisen zum überwiegenden Theil, sich mit dem Verhalten und den Beschlüssen der Nationalversammlung durchaus einverstanden erklären. Die Stadt Thorn will ihrem Deputirten die Diäten, deren Zahlung die Regierung verweigert, fortzahlen. Die Stimmung der Landwehr ist entschieden für die Nationalversammlung. 103 Berlin, 25. Nov. Wenn das Kamarilla-Ministerium früher alle möglichen Intriguen anwendete, um zum 27. eine beschlußfähige Anzahl Abgeord. der Nationalvers. nach Brandenburg zu locken, so scheint es jetzt von dieser Idee zurückgekommen zu sein. Zwei Gründe mögen dazu veranlaßt haben. Erstens ist man in den letzten Tagen zu der Ueberzeugung gekommen, daß die hier noch versammelten 280 Abgeordneten keinesfalls nach Brandenburg gehen werden, und daß selbst viele von der Rechten, wie die Freunde der Abg. Grabow, Milde, sich den Erstern anschließen. Zweitens findet man durch das Nichterscheinen der Abgeordneten in Brandenburg ein gutes Mittel, um damit den beabsichtigten Staatsstreich, die Octroyirung der Verfassung zu bemänteln. Wie man heute aus sicherer Quelle erfährt, will das Kamarilla-Ministerium folgendes Verfahren einschlagen. Da sich, wie vorauszusehen, am Montag nur 100, höchstens 130 Abgeordnete in Brandenburg einfinden werden, so wird dem Volke in einer Proklamation verkündigt werden, daß, da sich seine zur Vereinbarung der Verfassung berufenen Vertreter so unvollständig eingefunden, daß keine beschlußfähige Anzahl da ist, sich Se. Majestät veranlaßt sieht, um seinem geliebten Volke nicht länger die versprochenen konstitutionellen Freiheiten und Rechte vorzuenthalten, eine Verfassung auf breitester Grundlage zu verleihen. Diese soidisant Verfassung ist auf ein indirektes Wahlsystem mit Census, einer ersten (aristokratischen) und zweiten Kammer u. s. w. basirt. — In dem Augenblick, wo man diese Verfassung verkündet, wird man auch die Nationalversammlung für aufgelöst erklären, und die Wahlen für die neuen Kammern so schnell wie möglich ansetzen. Damit aber die jetzigen Abgeordneten nicht wieder in die neuen Kammern gewählt werden, wird man gegen diejenigen, welche die letzten Beschlüsse, nämlich die Hochverrathserklärung und die Steuerverweigerung, gefaßt haben, eine Untersuchung einleiten und sie möglicherweise verhaften. Das sind die Pläne des Kamarilla-Ministeriums, welche jedoch selbst unserer äußersten Rechten etwas zu weit zu gehen scheinen. Herr Grabow bietet nämlich alles Mögliche auf, um diesen Plänen entgegenzuarbeiten. Trotz seiner leidenden Gesundheit machte er gestern die Runde bei allen Fraktionen und proponirte, ob man sich mit einem neuen Ministerium und Wiedereröffnung der Sitzungen in Berlin nach 14 Tagen zufrieden erklären und eine Dankadresse dafür an den König richten wolle. Die äußerste Linke erklärte, daß sie den entstandenen Konflikt für beseitigt erachten werde, wenn das Ministerium Brandenburg zurücktritt, und das zu ernennende neue volksthümliche Ministerium der Versammlung kein Hinderniß in den Weg legt, ihre Berathungen in Berlin fortzusetzen; sie wolle sogar alsdann einer Dankadresse an den König beistimmen (!!) aber einer neuen 14tägigen Vertagung könne man sich keinesfalls unterwerfen. Grabow ist heute mit diesem Bescheid zum König gegangen und wird seinen ganzen Einfluß aufwenden, um den König zu einer solchen Ausgleichung zu bewegen. Man zweifelt aber allgemein an dem Erfolg, weil der König von der Kamarilla und besonders von den Professoren Leo, Stahl und Keller, welche die neue Verfassung ausgearbeitet haben, so umgarnt und ins Netz gezogen ist, daß er keinen freien Willen mehr hat. Die Kamarilla glaubt schon vollständig gesiegt zu haben, so daß es ihr ganz frei steht, die Friedensbedingungen nach ihrem Willen zu diktiren. Sie würde es für eine unverantwortliche Nachgiebigkeit halten, wenn man sich mit der jetzigen Nationalversammlung wieder einließe, sie hält dieselbe für völlig geschlagen. Das Volk aber will die Kamarilla durch Redensarten und einige freisinnige Brocken ködern, und wo man damit nicht zufrieden sein will, mit Bajonetten die Ruhe herstellen. Unsere Bourgeoisie sucht man auf ganz eigenthümliche Art und Weise zu ködern. Man wußte, daß ein Theil tief ergrimmt ist über die ganz unbegründete Auflösung der Bürgerwehr und die darauf erfolgte Entwaffnung. Um dieses wieder gut zu machen, läßt der Minister des Innern, Manteuffel, vorgestern, wo man noch mit dem Einsammeln der Gewehre beschäftigt war, die ehemaligen Majore der Bürgerwehr zu sich berufen, um mit ihnen über die Reorganisation der Bürgerwehr zu berathen. Manteuffel sagte den Majoren, wie sehr man die bisherigen Dienste der Bürgerwehr anerkenne, wie der König von ihrer Treue und Ergebenheit überzeugt sei, und wie er dieses durch eine baldige Reorganisation der Bürgerwehr an den Tag legen wolle. Der Minister berichtete ferner, daß der Konig sogar seinen treuen Bürgern ein Geschenk mit 8000 neuen, für die Bürgerwehr Berlins eigens angefertigten leichten Gewehren, desgleichen 8000 Helmen und 8000 schwarz und weißen Epauletts, welche als Dienstzeichen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar154_003" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="0812"/> ten wollen. So sind denn einstweilen einmal sechs der Herren, die R. R. Arntz, Otto, Quentin, Gerhardy, Engelmann und Matthieu ihrer Funktionen enthoben; drei andere werden bald nachfolgen.</p> <p>Unser Militär zeigt während des Belagerungszustandes eine wahre Beserkerwuth. Man muß auf dem Wege ausweichen, wenn man einer Patrouille irgendwo begegnet. Erst gestern mußten wir selbst vor dem Thore durch eine Hecke, um den Bewaffneten Platz zu machen, und selbst hinter dieser Scheidewand wurde nach uns gestoßen. Gestern auch holte eine Abtheilung Krieger einige Waffen von dem Corpsbüreau der Bürgerwehr ab. Mit großem Triumphe brachte sie auch die beiden dort befindlichen Fahnen, trotz der Protestationen des Chefs, welcher dieselben als Privateigenthum erklärte, herunter. Aber eine Viertelstunde später mußte dieselbe ganze Abtheilung die Fahnen wiederbringen, wobei denn der befehlende Offizier etwas weiß aussah. Das versammelte Volk lachte nicht und höhnte nicht, aber es sah finster und ingrimmig drein, auf eine bessere Zukunft hoffend. In einem Wirthslokale vor der Stadt, im „Kapellchen“, wo in letzterer Zeit die Bürgerwehr ihre Patronen anfertigen ließ, erschien gestern eine schwere Menge Krieger zu Fuß und zu Pferd, um das längst in Sicherheit gebrachte Pulver in Beschlag zu nehmen. Als man im ganzen Hause kein Körnchen finden konnte, ergriff der energische Wirth ein brennendes Licht, um den Offizier in den Keller zu führen. Aber glauben Sie, der Offizier wäre mitgegangen? Er sah den Wirth fragend und stumm an, und verzichtete dann auf fernere Nachsuchung. Verwundungen kommen noch immer vor. So vorgestern: man suchte draußen nach Waffen; ein Mann stand bettelnd an einer Thüre und ergriff die Flucht, als er die Patrouille kommen sah. „Haut ihn nieder!“ schrie der Polizeisergeant, der den Soldaten beigegeben war, und siehe da, ein Soldat zog und hieb dem armen Teufel übers Gesicht, daß die halbe Wange blutend herunter hing. Der Polizeiheld heißt <hi rendition="#g">Hortz</hi>. Ich könnte Ihnen solcher Vorkommnisse noch viele erzählen, aber es ekelt an. Waffen sind bei weitem noch nicht die Hälfte abgegeben.</p> </div> <div xml:id="ar154_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Düsseldorf, 25. Nov.</head> <p>Von der Brutalität, mit welcher unsere Soldateska den Belagerungszustand handhabt, liefert auch die Verhaftung des Colporteurs der „Neuen Rheinischen Zeitung“, Schmitz, ein Beispiel. Während der Belagerungszustand proklamirt wurde, befand er sich (bewaffnet, wie gewöhnlich auf solchen Excursionen) in Geschäften auf dem Lande. Zurückgekehrt, wurde er, der von Allem, was in der Zwischenzeit vorgefallen war, nichts wußte, wegen seines anhabenden Säbels plötzlich auf der Straße festgenommen, vor den Kommunisten und Bürger Drigalski geführt, und von diesem der militärischen Vorhaft bei Wasser und Brod überwiesen. Drigalski, thronend im Kreise seiner Getreuen, schnaubte ihn mit <hi rendition="#g">Er</hi> an; die Getreuen führten ihn nicht, nein, sie stießen und schleppten ihn, der doch keine Widersetzlichkeit sich zu Schulden kommen ließ, in ein feuchtes, von Ratten und Mäusen wimmelndes Gefängniß. Hier mußte er auf dem nackten Boden (ein Bett war nicht da) 24 Stunden zubringen, und wurde dann unter einer Bedeckung von 36, sage sechs und dreißig Mann, Tambour an der Spitze, in das Civilarresthaus gebracht. Unterwegs natürlich wieder die obligaten Mißhandlungen: Tritte, Püffe, Würgen mit der Halsbinde — Alles ohne die geringste Veranlassung von Seiten des Gefangenen, dessen gänzliche Schuldlosigkeit sich überdies durch seine gestrige Freilassung aufs Bündigste herausgestellt hat. Im Arresthause, wie im Verhöre vor der Civilbehörde hatte Schmitz der <hi rendition="#g">humansten Behandlung</hi> sich zu erfreuen; bloß der Kommunist Drigalski war schamlos genug, sich an dem Kolporteur der „Neuen Rheinischen Zeitung“ und der Freiligrath'schen revolutionären Gedichte mit Fußtritten zu rächen. Ja, Hr. Kommunist, Sie straften das unverbotene Gewerbe, nicht das Säbeltragen des Mannes!</p> </div> <div xml:id="ar154_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>15</author></bibl> Düsseldorf, 17. Nov.</head> <p>Es verdient bemerkt zu werden, daß die hiesige Contrerevolution nicht sowohl in Hr. von Spiegel, der zu feige, noch in Hr. von Drigalsky, der zu weichlich und mit zu schlaffen Thränendrüsen ausgestattet ist, sondern vorzugsweise in dem Regierungsrath „Freiherrn“ <hi rendition="#g">von Mirbach</hi> ihre Triebfeder und ihren obersten Leiter erblickt. Herr von Mirbach zeichnete sich früher durch seine Verfolgungen von Verfertigern falscher Kassenanweisungen aus; das Glück, womit er diesen Zweig der Verwaltung betrieben, scheint ihn ehrgeizig gemacht und auf das höhere Gebiet geführt zu haben, auf dem er sich jetzt bewegt. — Unser gelichtetes Regierungs-Collegium hat bereits in dem berüchtigten Bodelschwinghianer, Hrn. von Seckendorf, und dem frühern Kölner <hi rendition="#g">Censor</hi>, Hrn. Wenzel, zwei Ersatzmänner zugeschickt bekommen.</p> </div> <div xml:id="ar154_006" type="jArticle"> <head><bibl><author>062</author></bibl> Trier.</head> <p>Die Regierungspräsidenten, die keine Manteuffel sind, danken ab. Die Regierungspräsidenten, die nicht abdanken, und im Brandeburg-Manteuffelschen Sinne handeln, bleiben ihren alten bureaukratischen Antecedentien getreu. Der Koburger Seebald hat ein neue Bahn gebrochen. Wer ist der Koburger Seebald? Der Koburger Seebald ist kommiss. Regierungspräsident in Trier und stammt aus dem Hause der großen Koburg, welche sich um das Menschengeschlecht durch die Fortpflanzung der Prinzenrace verdient gemacht haben. Mit St. Wendel, das früher Koburgisch war, ist auch Hr. Seebald an Preußen überkommen, ohne durch die anderwärts nöthigen Formalitäten, wie Staatsexamen u. s. w. passiren zu müssen</p> <p>Der Koburger Seebald, sagen wir, hat eine neue Bahn gebrochen. Seine Manteuffelschen Erlasse sind belletristisch abgefaßt, sein Styl hat die Pretention, nicht bureaukratisch zu sein. In seinen Aufforderungen spricht er von „seiner Lösung der Differenz zwischen Krone und Nationalkammer,“ und findet „die Lösung dieser Lebensfrage“ (Präsidentenfrage) darin, daß der Beamte „die doppelte Verpflichtung übernehme, seinem Posten treu zu bleiben.“</p> <p>In seiner Warnung an das Triersche Volk geht der Koburger Seebald in seinem „belletristisch“ abgefaßten Erlasse so weit, eine Definition des „vielbeliebten Kunstausdruckes“ Volk zu geben, es in drei Kategorien abzutheilen: 1. Betrunkene, 2. anerkannte Lumpen, 3. verwahrloste Jungen, um mit dem Ausruf zu enden:</p> <p>„Das ist mir ein saubres Volk!“</p> <p>Das ist der saubere Hr. Seebald, von St. Wendel an Preußen überkommener und ohne Staatsexamen passirter Regierungsrath.</p> <p>Glück auf, Hr. Seebald!</p> </div> <div xml:id="ar154_007" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Gladbach, 22. Nov.</head> <p>Von hier aus sind bereits drei mit sehr zahlreichen Unterschriften bedeckte Anerkennungs- und Dank-Adressen an die hohe Nationalversammlung zu Berlin an ihren Bestimmungsort abgegangen, zwei aus Volksversammlungen hervorgegangen, die dritte von der, eine Bevölkerung von circa 12,000 Seelen vertretenden Bürgermeisterei-Versammlung einstimmig beschlossen. Eine vierte liegt noch zur Unterschrift offen und ist ebenfalls schon mit vielen Namen versehen.</p> <p>Unsere Reaktionäre, größtentheils Mucker vom reinsten Wasser, haben, dem Vernehmen nach, nach langen Geburtswehen endlich eine Loyalitäts-Adresse zur Welt geboren. Fast nur Eingeweihten wird die Einsicht und Betheiligung an derselben vergönnt.</p> <p>Im Uebrigen ist der hier herrschende Geist, namentlich auch auf dem Lande, ein ganz vortrefflicher. Zu bemerken ist noch, daß von der kleinen benachbarten Gemeinde Neuwerk ebenfalls eine mit über 400 Unterschriften bedeckte Zustimmungs-Adresse an die National-Versammlung abgegangen.</p> </div> <div xml:id="ar154_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Rheydt, 22. Nov.</head> <p>Der eigentliche Zweck der Steuerverweigerung wird sicher vereitelt, indem unsere hiesigen Patrioten bereits beschlossen haben, Sr. Majestät dem Könige von Gottes Gnaden den gesammten Steuerbetrag pro 1849 voraus zu bezahlen. Sollten auch einige Böswillige dem vorerwähnten Beschlusse Statt geben und die Steuern verweigern, so würde dieser Ausfall durch den Patriotismus unserer Bürger, denen sich gewiß noch viele aus Odenkirchen, Belzenberg, Geistenbeck und aus dem frommen Wupperthale anschließen werden, reichlich gedeckt werden.</p> <p>Unsere Mitbürger sind gescheidte Leute, nicht blos Patrioten, sondern auch Diplomaten. Sie hoffen durch ein solches Opfer auf mannichfache Bevorzugungen vor ihren Nachbarn für die Zukunft. Auch hier sahen wir in einem öffentlichen Lokale eine, mit zahlreichen Unterschriften versehene Mißtrauens-Adresse gegen den Abgeordneten des Wahlbezirks Gladbach, Regierungsrath Ritz aus Aachen.</p> </div> <div xml:id="ar154_009" type="jArticle"> <head>Mühlhausen, 16. Nov.</head> <p>Nachdem einige Kaufleute zu Duderstadt erklärten, in Folge der Dissentirung Elberfelds keinem dortigen Fabrikanten etwas abzukaufen, haben Nordhausen, Mühlhausen und Erfurt über alle den deutschen Volksstimmen entgegenhandelnde Städte eine gleiche Acht ausgesprochen.</p> <bibl>(Hannov. M.)</bibl> </div> <div xml:id="ar154_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>17</author></bibl> Berlin, 23. Nov.</head> <p>„<hi rendition="#g">Und ein Wrangel hat nie sein Wort gebrochen!“</hi> — So ist denn auch in den Straßen Berlin's kein Grashälmchen mehr zu sehen, überall nur — Friedenspalmen, Rosenbüsche und Myrthenhaine. Die Läden sind voll von — — müßigen Verkäufern, die Werkstätten überfüllt von — — leeren, verlassenen Räumen, die Tempel der Kunst, Theater und Museen hallen wieder von dem lustigsten — — Soldaten- und Kasernenleben. L'ordre regne à Berlin wie einst à Varsovie. Die väterliche Vorsicht des Feldherrn in den Marken geht über alle Maßen. Eingedenk des Fibelverses: „<hi rendition="#g">spiele nie mit Schießgewehr</hi>“ ist die Entwaffnung der Bürgerwehr erfolgt, nach dem gloriosen Vorbilde der Kroaten in Wien. Die Habeas-Corpus-Acte steht in höchster, gefürchtetster Achtung, das beweisen die Fäuste der Soldaten, Konstabler und Polizeibüttel. Am 16. d. M. um 7 1/2 Morgens tritt ein Lieutenant von den Alexandrinern (nicht den griechischen Gelehrten, sondern dem preußischen Mammelucken-Regiment, Kaiser Alexander) mit mehreren gemeinen Alexandrinern in die Wohnung der Deputirten Lipski und Stefanowicz, Behrenstraße Nr. 22. Die Deputirten springen aus dem Bette auf den „Rechtsboden nach breitester Grundlage“. Da stehen sie einander gegenüber, Aug' in Aug', die wackeren Kämpfer „mit Gott für König und Vaterland“ und die „unverletzlichen“ Deputirten. Der Lieutenant mit gezogenem Degen, die Soldaten scharf geladen, mit aufgezogenem Hahn über dem Zündhütchen auf dem Gewehre, — die „Unverletzlichen“, die Vertreter des Volkes, mit einer Schrift, „gedruckt in der Decker'schen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei“ auf Lumpenpapier deutscher Fabrik.</p> <p>Hier, Hr. Lieutenant, hier sehen Sie die Habeas-Corpus-A a.‥‥</p> <p>„Hier, mein Herr, hier sehen Sie meine Soldaten!“</p> <p>Wo ist Ihr Auftrag?</p> <p>„Hier meine Soldaten.“</p> <p>Wie heißen Sie“</p> <p>„Ich bin Offizier!“</p> <p>Hier meine Karte, ich bin Abgeordneter der Nationalversammlung.</p> <p>„Ich bin und handle im Dienste.“</p> <p>„Und die Kugeln sind im Lauf und die Säbel scharf geschliffen.“ Que faire! Die Soldaten durchsuchen die Wohnung, suchen in und unter dem Bette, und finden — nichts.</p> <p>Aber glaube ja nicht, du deutsche Einfalt, daß wir in Berlin der rohen excessiven Militärgewalt Preis gegeben sind. Ein Polizeibeamter ging und stand den Männern des Krieges und der Gewalt als Genius des Friedens und der Ordnung zur Seite: „um (wie er sagte) das Militär vor etwaigen Excessen abzuhalten“!!</p> <p>Doch „Alles wiederholt sich nur im Leben“ — und so wiederholte sich auch diese, die heiligsten persönlichen Rechte mit Kolben niederstoßende Recherche nach Waffen und Munition, am 19. d. M. zum zweiten Male unter dem Kommando des Lieutenants der Alexandriner, der sich v. <hi rendition="#g">Grabert</hi> nannte, Ehre dem Manne, der mit seinem Namen nicht Hehl that, und man fand wiederholendlich — — nichts!</p> <p>Fast möchte man glauben, daß der deutsche Biedermann <hi rendition="#g">Justus Moser</hi> Recht hat, wenn er in seinen patriotischen Phantasien sagte:</p> <p> <hi rendition="#b">„Wann Gott ein Volk in seinem Zorn wird strafen wollen, so wird er ihm deutsche Freiheit schenken!“</hi> </p> <p><hi rendition="#g">Friedrich Wilhelm</hi> IV. will uns diese Freiheit gegeben haben, — — doch er verspricht sie zu erhalten.</p> </div> <div xml:id="ar154_011" type="jArticle"> <head><bibl><author>X</author></bibl> Berlin, 25. Nov.</head> <p>Folgende Erklärung ist von den Mitgliedern der gegenwärtigen Berliner Nationalversammlung unterschrieben und veröffentlicht worden!</p> <p>In Erwägung, daß fälschlicher Weise Berichte über Bedingu verbreitet worden sind, welche die preußische Nationalversammlung zur Hebung des zwischen ihr und der Krone entstandenen Konflikts gestellt haben soll, erklären die Unterzeichneten dem Lande gegenüber,</p> <p rendition="#et">1) daß von der Nationalversammlung die in jenen Berichten erwähnten Bedingungen nicht gestellt worden sind,<lb/> 2) daß die Unterzeichneten den zwischen der Krone und Nationalversammlung entstandenen Konflikt für beseitigt erachten, wenn das Ministerium Brandenburg zurücktritt, und das zu ernennende neue volksthümliche Ministerium der Versammlung kein Hinderniß in den Weg legt, ihre Berathungen in Berlin fortzusetzen.</p> <p>Berlin, den 23. November 1848.</p> <p>Die gegenwärtige Lage des Staates ist so ernster und drohender Art, daß die Regierung von jedem Beamten, noch mehr aber von jedem Offizier die höchste Thatkraft erwarten muß; wo diese fehlt, oder wo sich Mangel an Umsicht zeigt, ist es die unabweisbare Pflicht jedes Vorgesetzten, sofort mit aller Energie einzuschreiten und jedes gesetzliche Mittel anzuwenden, um die militärische Ordnung und den Gehorsam zu erhalten, wozu denn natürlich Suspendirung vom Dienst gegen diejenigen Untergebenen gehört, welche keine Energie oder gar bösen Willen zeigen. Die Lage des Staates hat es nothwendig gemacht, außer der bereits im 5. und 6. Armee-Korps-Bezirke versammelten Landwehr für die General-Kommando-Bezirke des 2., 3. und 4. Armee-Korps die Einziehung der Landwehr anzuordnen. Wenn nun eine solche außerordentliche Maßregel schon immer eine Schwierigkeit hat, so werden sich die Schwierigkeiten voraussichtlich noch steigern, nachdem es mehrere Monate hat geduldet werden müssen, daß die Agenten der auf den Umsturz des Staates eifrig hinarbeitenden Parteien, die Landwehr zu verführen und von der Krone abwendig zu machen, alle Mittel in Bewegung setzen konnten.</p> <p>Die Landwehr, Brigade- und Bataillons-Kommandeure werden daher Anfangs mit der größten Vorsicht verfahren müssen, was nicht ausschließt, daß sie, wenn die Truppen so einigermaßen in ihrer Hand sind, die ganze gesetzliche Strenge ohne Ansicht der Person gegen jeden eintreten lassen, der sich einen Ungehorsam, eine Auflehnung oder gar eine hochverrätherische Handlung zu schulden kommen läßt.</p> <p>Die Bataillons-Kommandeure haben besonders auf den Geist des Offizier-Korps zu wirken und durch dasselbe den Wehrmännern begreiflich zu machen, daß ihre Treue den König schützen und stützen soll, gegen den wohldurchdachten Plan einer landesverrätherischen Partei, die nichts will, als aus Preußen eine Republik zu machen (denn das ist der Kern des Kampfes in den wir jetzt eingehen), daß auf die preußische Landwehr jetzt ganz Deutschland blickt, daß es von ihrem Verhalten abhängt, ob ein blutiger Bürgerkrieg ausbricht, oder der Feind ohne Kampf vor den 50 Bataillons Landwehr, welche jetzt unter den Waffen stehen, die seinigen streckt.</p> <p>Ein etc. ersuche ich ganz ergebenst, dies den Landwehr Brigade- und Bataillons-Kommandeurs schleunigst mitzutheilen, mir aber von dem Fortgang der Landwehr-Einziehung von Zeit zu Zeit Nachricht zu geben.</p> <p>Berlin, den 15. November 1848.</p> <p rendition="#et">An<lb/> Ein General-Kommando<lb/> des. … Armee-Korps.</p> <p rendition="#et">(Gez. v. Strotha,<lb/> Kriegsminister.</p> <p>In den meisten Kreisen der Provinz Sachsen hat sich die Landwehr entweder gar nicht oder nur in höchst dürftiger Zahl gestellt. In einzelnen Kreisen sind die Landwehrmänner zwar zusammengetreten, aber mit der Erklärung, daß ihre Einberufung ungesetzlich sei, und mit einem Hoch für die Nationalversammlung wieder auseinandergegangen.</p> <p>Der ehemalige Abgeordnete, jetzige Justiz-Minister Rintelen, hat von den sämmtlichen Wahlmännern seines Wahlkreises, mit Ausnahme eines Einzigen, ein entschiedenes Mißtrauensvotum erhalten.</p> <p>Der Abgeordnete von Berg, welcher bis jetzt als Stellvertreter des Herrn v. Mylius an den Verhandlungen der Nationalversammlung Theil genommen hat, ist am 21. d. M. von dem Wahlkreise Eupen als Deputirter für die preuß. Nationalversammlung gewählt worden. Sein Gegen-Kandidat war der ehemalige Kriegsminister Herr v. Schreckenstein.</p> <p>Täglich gehen der Nationalversammlung eine große Zahl Zustimmungs-Adressen zu. Ueber dieselben wird fortwährend von der Petions-Kommission Bericht erstattet. Eine heut eingegangene Zuschrift hat jedoch, ihrer zarten Natur wegen, einen Anspruch besonders erwähnt zu werden. Von 16 Jungfrauen der Stadt Osterwick ist ein Gedicht nebst einem Lorbeerkranz den auf ihrem Posten gebliebenen Volksvertretern übersendet worden.</p> <p>Einem, an einen Abgeordneten gerichteten Schreiben, aus Graudenz vom 20. d. M. entnehmen wir, daß sowohl die Bevölkerung in den Städten Graudenz, Culm und Thorn, als in den betreffenden Kreisen zum überwiegenden Theil, sich mit dem Verhalten und den Beschlüssen der Nationalversammlung durchaus einverstanden erklären.</p> <p>Die Stadt Thorn will ihrem Deputirten die Diäten, deren Zahlung die Regierung verweigert, fortzahlen. Die Stimmung der Landwehr ist entschieden für die Nationalversammlung.</p> </div> <div xml:id="ar154_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 25. Nov.</head> <p>Wenn das Kamarilla-Ministerium früher alle möglichen Intriguen anwendete, um zum 27. eine beschlußfähige Anzahl Abgeord. der Nationalvers. nach Brandenburg zu locken, so scheint es jetzt von dieser Idee zurückgekommen zu sein. Zwei Gründe mögen dazu veranlaßt haben. Erstens ist man in den letzten Tagen zu der Ueberzeugung gekommen, daß die hier noch versammelten 280 Abgeordneten keinesfalls nach Brandenburg gehen werden, und daß selbst viele von der Rechten, wie die Freunde der Abg. <hi rendition="#g">Grabow, Milde,</hi> sich den Erstern anschließen. Zweitens findet man durch das Nichterscheinen der Abgeordneten in Brandenburg ein gutes Mittel, um damit den beabsichtigten Staatsstreich, die Octroyirung der Verfassung zu bemänteln.</p> <p>Wie man heute aus sicherer Quelle erfährt, will das Kamarilla-Ministerium folgendes Verfahren einschlagen. Da sich, wie vorauszusehen, am Montag nur 100, höchstens 130 Abgeordnete in Brandenburg einfinden werden, so wird dem Volke in einer Proklamation verkündigt werden, daß, da sich seine zur Vereinbarung der Verfassung berufenen Vertreter so unvollständig eingefunden, daß keine beschlußfähige Anzahl da ist, sich Se. Majestät veranlaßt sieht, um seinem geliebten Volke nicht länger die versprochenen konstitutionellen Freiheiten und Rechte vorzuenthalten, <hi rendition="#g">eine Verfassung auf breitester Grundlage</hi> zu verleihen. Diese soidisant Verfassung ist auf ein indirektes Wahlsystem mit Census, einer ersten (aristokratischen) und zweiten Kammer u. s. w. basirt. — In dem Augenblick, wo man diese Verfassung verkündet, wird man auch die Nationalversammlung für aufgelöst erklären, und die Wahlen für die neuen Kammern so schnell wie möglich ansetzen. Damit aber die jetzigen Abgeordneten nicht wieder in die neuen Kammern gewählt werden, wird man gegen diejenigen, welche die letzten Beschlüsse, nämlich die Hochverrathserklärung und die Steuerverweigerung, gefaßt haben, eine Untersuchung einleiten und sie möglicherweise verhaften.</p> <p>Das sind die Pläne des Kamarilla-Ministeriums, welche jedoch selbst unserer äußersten Rechten etwas zu weit zu gehen scheinen. Herr <hi rendition="#g">Grabow</hi> bietet nämlich alles Mögliche auf, um diesen Plänen entgegenzuarbeiten. Trotz seiner leidenden Gesundheit machte er gestern die Runde bei allen Fraktionen und proponirte, ob man sich mit einem neuen Ministerium und Wiedereröffnung der Sitzungen in Berlin nach 14 Tagen zufrieden erklären und eine Dankadresse dafür an den König richten wolle. Die äußerste Linke erklärte, daß sie den entstandenen Konflikt für beseitigt erachten werde, wenn das Ministerium Brandenburg zurücktritt, und das zu ernennende neue volksthümliche Ministerium der Versammlung kein Hinderniß in den Weg legt, ihre Berathungen in Berlin fortzusetzen; sie wolle sogar alsdann einer Dankadresse an den König beistimmen (!!) aber einer neuen 14tägigen Vertagung könne man sich keinesfalls unterwerfen.</p> <p><hi rendition="#g">Grabow</hi> ist heute mit diesem Bescheid zum König gegangen und wird seinen ganzen Einfluß aufwenden, um den König zu einer solchen Ausgleichung zu bewegen. Man zweifelt aber allgemein an dem Erfolg, weil der König von der Kamarilla und besonders von den Professoren <hi rendition="#g">Leo, Stahl</hi> und <hi rendition="#g">Keller,</hi> welche die neue Verfassung ausgearbeitet haben, so umgarnt und ins Netz gezogen ist, daß er keinen freien Willen mehr hat. Die Kamarilla glaubt schon vollständig gesiegt zu haben, so daß es ihr ganz frei steht, die Friedensbedingungen nach ihrem Willen zu diktiren. Sie würde es für eine unverantwortliche Nachgiebigkeit halten, wenn man sich mit der jetzigen Nationalversammlung wieder einließe, sie hält dieselbe für völlig geschlagen. Das Volk aber will die Kamarilla durch Redensarten und einige freisinnige Brocken ködern, und wo man damit nicht zufrieden sein will, mit Bajonetten die Ruhe herstellen.</p> <p>Unsere Bourgeoisie sucht man auf ganz eigenthümliche Art und Weise zu ködern. Man wußte, daß ein Theil tief ergrimmt ist über die ganz unbegründete Auflösung der Bürgerwehr und die darauf erfolgte Entwaffnung. Um dieses wieder gut zu machen, läßt der Minister des Innern, <hi rendition="#g">Manteuffel</hi>, vorgestern, wo man noch mit dem Einsammeln der Gewehre beschäftigt war, die ehemaligen Majore der Bürgerwehr zu sich berufen, um mit ihnen über die Reorganisation der Bürgerwehr zu berathen. <hi rendition="#g">Manteuffel</hi> sagte den Majoren, wie sehr man die bisherigen Dienste der Bürgerwehr anerkenne, wie der König von ihrer Treue und Ergebenheit überzeugt sei, und wie er dieses durch eine baldige Reorganisation der Bürgerwehr an den Tag legen wolle. Der Minister berichtete ferner, daß der Konig sogar seinen treuen Bürgern ein Geschenk mit 8000 neuen, für die Bürgerwehr Berlins eigens angefertigten leichten Gewehren, desgleichen 8000 Helmen und 8000 <hi rendition="#b">schwarz</hi> und <hi rendition="#b">weißen</hi> Epauletts, welche als Dienstzeichen </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0812/0002]
ten wollen. So sind denn einstweilen einmal sechs der Herren, die R. R. Arntz, Otto, Quentin, Gerhardy, Engelmann und Matthieu ihrer Funktionen enthoben; drei andere werden bald nachfolgen.
Unser Militär zeigt während des Belagerungszustandes eine wahre Beserkerwuth. Man muß auf dem Wege ausweichen, wenn man einer Patrouille irgendwo begegnet. Erst gestern mußten wir selbst vor dem Thore durch eine Hecke, um den Bewaffneten Platz zu machen, und selbst hinter dieser Scheidewand wurde nach uns gestoßen. Gestern auch holte eine Abtheilung Krieger einige Waffen von dem Corpsbüreau der Bürgerwehr ab. Mit großem Triumphe brachte sie auch die beiden dort befindlichen Fahnen, trotz der Protestationen des Chefs, welcher dieselben als Privateigenthum erklärte, herunter. Aber eine Viertelstunde später mußte dieselbe ganze Abtheilung die Fahnen wiederbringen, wobei denn der befehlende Offizier etwas weiß aussah. Das versammelte Volk lachte nicht und höhnte nicht, aber es sah finster und ingrimmig drein, auf eine bessere Zukunft hoffend. In einem Wirthslokale vor der Stadt, im „Kapellchen“, wo in letzterer Zeit die Bürgerwehr ihre Patronen anfertigen ließ, erschien gestern eine schwere Menge Krieger zu Fuß und zu Pferd, um das längst in Sicherheit gebrachte Pulver in Beschlag zu nehmen. Als man im ganzen Hause kein Körnchen finden konnte, ergriff der energische Wirth ein brennendes Licht, um den Offizier in den Keller zu führen. Aber glauben Sie, der Offizier wäre mitgegangen? Er sah den Wirth fragend und stumm an, und verzichtete dann auf fernere Nachsuchung. Verwundungen kommen noch immer vor. So vorgestern: man suchte draußen nach Waffen; ein Mann stand bettelnd an einer Thüre und ergriff die Flucht, als er die Patrouille kommen sah. „Haut ihn nieder!“ schrie der Polizeisergeant, der den Soldaten beigegeben war, und siehe da, ein Soldat zog und hieb dem armen Teufel übers Gesicht, daß die halbe Wange blutend herunter hing. Der Polizeiheld heißt Hortz. Ich könnte Ihnen solcher Vorkommnisse noch viele erzählen, aber es ekelt an. Waffen sind bei weitem noch nicht die Hälfte abgegeben.
* Düsseldorf, 25. Nov. Von der Brutalität, mit welcher unsere Soldateska den Belagerungszustand handhabt, liefert auch die Verhaftung des Colporteurs der „Neuen Rheinischen Zeitung“, Schmitz, ein Beispiel. Während der Belagerungszustand proklamirt wurde, befand er sich (bewaffnet, wie gewöhnlich auf solchen Excursionen) in Geschäften auf dem Lande. Zurückgekehrt, wurde er, der von Allem, was in der Zwischenzeit vorgefallen war, nichts wußte, wegen seines anhabenden Säbels plötzlich auf der Straße festgenommen, vor den Kommunisten und Bürger Drigalski geführt, und von diesem der militärischen Vorhaft bei Wasser und Brod überwiesen. Drigalski, thronend im Kreise seiner Getreuen, schnaubte ihn mit Er an; die Getreuen führten ihn nicht, nein, sie stießen und schleppten ihn, der doch keine Widersetzlichkeit sich zu Schulden kommen ließ, in ein feuchtes, von Ratten und Mäusen wimmelndes Gefängniß. Hier mußte er auf dem nackten Boden (ein Bett war nicht da) 24 Stunden zubringen, und wurde dann unter einer Bedeckung von 36, sage sechs und dreißig Mann, Tambour an der Spitze, in das Civilarresthaus gebracht. Unterwegs natürlich wieder die obligaten Mißhandlungen: Tritte, Püffe, Würgen mit der Halsbinde — Alles ohne die geringste Veranlassung von Seiten des Gefangenen, dessen gänzliche Schuldlosigkeit sich überdies durch seine gestrige Freilassung aufs Bündigste herausgestellt hat. Im Arresthause, wie im Verhöre vor der Civilbehörde hatte Schmitz der humansten Behandlung sich zu erfreuen; bloß der Kommunist Drigalski war schamlos genug, sich an dem Kolporteur der „Neuen Rheinischen Zeitung“ und der Freiligrath'schen revolutionären Gedichte mit Fußtritten zu rächen. Ja, Hr. Kommunist, Sie straften das unverbotene Gewerbe, nicht das Säbeltragen des Mannes!
15 Düsseldorf, 17. Nov. Es verdient bemerkt zu werden, daß die hiesige Contrerevolution nicht sowohl in Hr. von Spiegel, der zu feige, noch in Hr. von Drigalsky, der zu weichlich und mit zu schlaffen Thränendrüsen ausgestattet ist, sondern vorzugsweise in dem Regierungsrath „Freiherrn“ von Mirbach ihre Triebfeder und ihren obersten Leiter erblickt. Herr von Mirbach zeichnete sich früher durch seine Verfolgungen von Verfertigern falscher Kassenanweisungen aus; das Glück, womit er diesen Zweig der Verwaltung betrieben, scheint ihn ehrgeizig gemacht und auf das höhere Gebiet geführt zu haben, auf dem er sich jetzt bewegt. — Unser gelichtetes Regierungs-Collegium hat bereits in dem berüchtigten Bodelschwinghianer, Hrn. von Seckendorf, und dem frühern Kölner Censor, Hrn. Wenzel, zwei Ersatzmänner zugeschickt bekommen.
062 Trier. Die Regierungspräsidenten, die keine Manteuffel sind, danken ab. Die Regierungspräsidenten, die nicht abdanken, und im Brandeburg-Manteuffelschen Sinne handeln, bleiben ihren alten bureaukratischen Antecedentien getreu. Der Koburger Seebald hat ein neue Bahn gebrochen. Wer ist der Koburger Seebald? Der Koburger Seebald ist kommiss. Regierungspräsident in Trier und stammt aus dem Hause der großen Koburg, welche sich um das Menschengeschlecht durch die Fortpflanzung der Prinzenrace verdient gemacht haben. Mit St. Wendel, das früher Koburgisch war, ist auch Hr. Seebald an Preußen überkommen, ohne durch die anderwärts nöthigen Formalitäten, wie Staatsexamen u. s. w. passiren zu müssen
Der Koburger Seebald, sagen wir, hat eine neue Bahn gebrochen. Seine Manteuffelschen Erlasse sind belletristisch abgefaßt, sein Styl hat die Pretention, nicht bureaukratisch zu sein. In seinen Aufforderungen spricht er von „seiner Lösung der Differenz zwischen Krone und Nationalkammer,“ und findet „die Lösung dieser Lebensfrage“ (Präsidentenfrage) darin, daß der Beamte „die doppelte Verpflichtung übernehme, seinem Posten treu zu bleiben.“
In seiner Warnung an das Triersche Volk geht der Koburger Seebald in seinem „belletristisch“ abgefaßten Erlasse so weit, eine Definition des „vielbeliebten Kunstausdruckes“ Volk zu geben, es in drei Kategorien abzutheilen: 1. Betrunkene, 2. anerkannte Lumpen, 3. verwahrloste Jungen, um mit dem Ausruf zu enden:
„Das ist mir ein saubres Volk!“
Das ist der saubere Hr. Seebald, von St. Wendel an Preußen überkommener und ohne Staatsexamen passirter Regierungsrath.
Glück auf, Hr. Seebald!
* Gladbach, 22. Nov. Von hier aus sind bereits drei mit sehr zahlreichen Unterschriften bedeckte Anerkennungs- und Dank-Adressen an die hohe Nationalversammlung zu Berlin an ihren Bestimmungsort abgegangen, zwei aus Volksversammlungen hervorgegangen, die dritte von der, eine Bevölkerung von circa 12,000 Seelen vertretenden Bürgermeisterei-Versammlung einstimmig beschlossen. Eine vierte liegt noch zur Unterschrift offen und ist ebenfalls schon mit vielen Namen versehen.
Unsere Reaktionäre, größtentheils Mucker vom reinsten Wasser, haben, dem Vernehmen nach, nach langen Geburtswehen endlich eine Loyalitäts-Adresse zur Welt geboren. Fast nur Eingeweihten wird die Einsicht und Betheiligung an derselben vergönnt.
Im Uebrigen ist der hier herrschende Geist, namentlich auch auf dem Lande, ein ganz vortrefflicher. Zu bemerken ist noch, daß von der kleinen benachbarten Gemeinde Neuwerk ebenfalls eine mit über 400 Unterschriften bedeckte Zustimmungs-Adresse an die National-Versammlung abgegangen.
* Rheydt, 22. Nov. Der eigentliche Zweck der Steuerverweigerung wird sicher vereitelt, indem unsere hiesigen Patrioten bereits beschlossen haben, Sr. Majestät dem Könige von Gottes Gnaden den gesammten Steuerbetrag pro 1849 voraus zu bezahlen. Sollten auch einige Böswillige dem vorerwähnten Beschlusse Statt geben und die Steuern verweigern, so würde dieser Ausfall durch den Patriotismus unserer Bürger, denen sich gewiß noch viele aus Odenkirchen, Belzenberg, Geistenbeck und aus dem frommen Wupperthale anschließen werden, reichlich gedeckt werden.
Unsere Mitbürger sind gescheidte Leute, nicht blos Patrioten, sondern auch Diplomaten. Sie hoffen durch ein solches Opfer auf mannichfache Bevorzugungen vor ihren Nachbarn für die Zukunft. Auch hier sahen wir in einem öffentlichen Lokale eine, mit zahlreichen Unterschriften versehene Mißtrauens-Adresse gegen den Abgeordneten des Wahlbezirks Gladbach, Regierungsrath Ritz aus Aachen.
Mühlhausen, 16. Nov. Nachdem einige Kaufleute zu Duderstadt erklärten, in Folge der Dissentirung Elberfelds keinem dortigen Fabrikanten etwas abzukaufen, haben Nordhausen, Mühlhausen und Erfurt über alle den deutschen Volksstimmen entgegenhandelnde Städte eine gleiche Acht ausgesprochen.
(Hannov. M.) 17 Berlin, 23. Nov. „Und ein Wrangel hat nie sein Wort gebrochen!“ — So ist denn auch in den Straßen Berlin's kein Grashälmchen mehr zu sehen, überall nur — Friedenspalmen, Rosenbüsche und Myrthenhaine. Die Läden sind voll von — — müßigen Verkäufern, die Werkstätten überfüllt von — — leeren, verlassenen Räumen, die Tempel der Kunst, Theater und Museen hallen wieder von dem lustigsten — — Soldaten- und Kasernenleben. L'ordre regne à Berlin wie einst à Varsovie. Die väterliche Vorsicht des Feldherrn in den Marken geht über alle Maßen. Eingedenk des Fibelverses: „spiele nie mit Schießgewehr“ ist die Entwaffnung der Bürgerwehr erfolgt, nach dem gloriosen Vorbilde der Kroaten in Wien. Die Habeas-Corpus-Acte steht in höchster, gefürchtetster Achtung, das beweisen die Fäuste der Soldaten, Konstabler und Polizeibüttel. Am 16. d. M. um 7 1/2 Morgens tritt ein Lieutenant von den Alexandrinern (nicht den griechischen Gelehrten, sondern dem preußischen Mammelucken-Regiment, Kaiser Alexander) mit mehreren gemeinen Alexandrinern in die Wohnung der Deputirten Lipski und Stefanowicz, Behrenstraße Nr. 22. Die Deputirten springen aus dem Bette auf den „Rechtsboden nach breitester Grundlage“. Da stehen sie einander gegenüber, Aug' in Aug', die wackeren Kämpfer „mit Gott für König und Vaterland“ und die „unverletzlichen“ Deputirten. Der Lieutenant mit gezogenem Degen, die Soldaten scharf geladen, mit aufgezogenem Hahn über dem Zündhütchen auf dem Gewehre, — die „Unverletzlichen“, die Vertreter des Volkes, mit einer Schrift, „gedruckt in der Decker'schen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei“ auf Lumpenpapier deutscher Fabrik.
Hier, Hr. Lieutenant, hier sehen Sie die Habeas-Corpus-A a.‥‥
„Hier, mein Herr, hier sehen Sie meine Soldaten!“
Wo ist Ihr Auftrag?
„Hier meine Soldaten.“
Wie heißen Sie“
„Ich bin Offizier!“
Hier meine Karte, ich bin Abgeordneter der Nationalversammlung.
„Ich bin und handle im Dienste.“
„Und die Kugeln sind im Lauf und die Säbel scharf geschliffen.“ Que faire! Die Soldaten durchsuchen die Wohnung, suchen in und unter dem Bette, und finden — nichts.
Aber glaube ja nicht, du deutsche Einfalt, daß wir in Berlin der rohen excessiven Militärgewalt Preis gegeben sind. Ein Polizeibeamter ging und stand den Männern des Krieges und der Gewalt als Genius des Friedens und der Ordnung zur Seite: „um (wie er sagte) das Militär vor etwaigen Excessen abzuhalten“!!
Doch „Alles wiederholt sich nur im Leben“ — und so wiederholte sich auch diese, die heiligsten persönlichen Rechte mit Kolben niederstoßende Recherche nach Waffen und Munition, am 19. d. M. zum zweiten Male unter dem Kommando des Lieutenants der Alexandriner, der sich v. Grabert nannte, Ehre dem Manne, der mit seinem Namen nicht Hehl that, und man fand wiederholendlich — — nichts!
Fast möchte man glauben, daß der deutsche Biedermann Justus Moser Recht hat, wenn er in seinen patriotischen Phantasien sagte:
„Wann Gott ein Volk in seinem Zorn wird strafen wollen, so wird er ihm deutsche Freiheit schenken!“
Friedrich Wilhelm IV. will uns diese Freiheit gegeben haben, — — doch er verspricht sie zu erhalten.
X Berlin, 25. Nov. Folgende Erklärung ist von den Mitgliedern der gegenwärtigen Berliner Nationalversammlung unterschrieben und veröffentlicht worden!
In Erwägung, daß fälschlicher Weise Berichte über Bedingu verbreitet worden sind, welche die preußische Nationalversammlung zur Hebung des zwischen ihr und der Krone entstandenen Konflikts gestellt haben soll, erklären die Unterzeichneten dem Lande gegenüber,
1) daß von der Nationalversammlung die in jenen Berichten erwähnten Bedingungen nicht gestellt worden sind,
2) daß die Unterzeichneten den zwischen der Krone und Nationalversammlung entstandenen Konflikt für beseitigt erachten, wenn das Ministerium Brandenburg zurücktritt, und das zu ernennende neue volksthümliche Ministerium der Versammlung kein Hinderniß in den Weg legt, ihre Berathungen in Berlin fortzusetzen.
Berlin, den 23. November 1848.
Die gegenwärtige Lage des Staates ist so ernster und drohender Art, daß die Regierung von jedem Beamten, noch mehr aber von jedem Offizier die höchste Thatkraft erwarten muß; wo diese fehlt, oder wo sich Mangel an Umsicht zeigt, ist es die unabweisbare Pflicht jedes Vorgesetzten, sofort mit aller Energie einzuschreiten und jedes gesetzliche Mittel anzuwenden, um die militärische Ordnung und den Gehorsam zu erhalten, wozu denn natürlich Suspendirung vom Dienst gegen diejenigen Untergebenen gehört, welche keine Energie oder gar bösen Willen zeigen. Die Lage des Staates hat es nothwendig gemacht, außer der bereits im 5. und 6. Armee-Korps-Bezirke versammelten Landwehr für die General-Kommando-Bezirke des 2., 3. und 4. Armee-Korps die Einziehung der Landwehr anzuordnen. Wenn nun eine solche außerordentliche Maßregel schon immer eine Schwierigkeit hat, so werden sich die Schwierigkeiten voraussichtlich noch steigern, nachdem es mehrere Monate hat geduldet werden müssen, daß die Agenten der auf den Umsturz des Staates eifrig hinarbeitenden Parteien, die Landwehr zu verführen und von der Krone abwendig zu machen, alle Mittel in Bewegung setzen konnten.
Die Landwehr, Brigade- und Bataillons-Kommandeure werden daher Anfangs mit der größten Vorsicht verfahren müssen, was nicht ausschließt, daß sie, wenn die Truppen so einigermaßen in ihrer Hand sind, die ganze gesetzliche Strenge ohne Ansicht der Person gegen jeden eintreten lassen, der sich einen Ungehorsam, eine Auflehnung oder gar eine hochverrätherische Handlung zu schulden kommen läßt.
Die Bataillons-Kommandeure haben besonders auf den Geist des Offizier-Korps zu wirken und durch dasselbe den Wehrmännern begreiflich zu machen, daß ihre Treue den König schützen und stützen soll, gegen den wohldurchdachten Plan einer landesverrätherischen Partei, die nichts will, als aus Preußen eine Republik zu machen (denn das ist der Kern des Kampfes in den wir jetzt eingehen), daß auf die preußische Landwehr jetzt ganz Deutschland blickt, daß es von ihrem Verhalten abhängt, ob ein blutiger Bürgerkrieg ausbricht, oder der Feind ohne Kampf vor den 50 Bataillons Landwehr, welche jetzt unter den Waffen stehen, die seinigen streckt.
Ein etc. ersuche ich ganz ergebenst, dies den Landwehr Brigade- und Bataillons-Kommandeurs schleunigst mitzutheilen, mir aber von dem Fortgang der Landwehr-Einziehung von Zeit zu Zeit Nachricht zu geben.
Berlin, den 15. November 1848.
An
Ein General-Kommando
des. … Armee-Korps.
(Gez. v. Strotha,
Kriegsminister.
In den meisten Kreisen der Provinz Sachsen hat sich die Landwehr entweder gar nicht oder nur in höchst dürftiger Zahl gestellt. In einzelnen Kreisen sind die Landwehrmänner zwar zusammengetreten, aber mit der Erklärung, daß ihre Einberufung ungesetzlich sei, und mit einem Hoch für die Nationalversammlung wieder auseinandergegangen.
Der ehemalige Abgeordnete, jetzige Justiz-Minister Rintelen, hat von den sämmtlichen Wahlmännern seines Wahlkreises, mit Ausnahme eines Einzigen, ein entschiedenes Mißtrauensvotum erhalten.
Der Abgeordnete von Berg, welcher bis jetzt als Stellvertreter des Herrn v. Mylius an den Verhandlungen der Nationalversammlung Theil genommen hat, ist am 21. d. M. von dem Wahlkreise Eupen als Deputirter für die preuß. Nationalversammlung gewählt worden. Sein Gegen-Kandidat war der ehemalige Kriegsminister Herr v. Schreckenstein.
Täglich gehen der Nationalversammlung eine große Zahl Zustimmungs-Adressen zu. Ueber dieselben wird fortwährend von der Petions-Kommission Bericht erstattet. Eine heut eingegangene Zuschrift hat jedoch, ihrer zarten Natur wegen, einen Anspruch besonders erwähnt zu werden. Von 16 Jungfrauen der Stadt Osterwick ist ein Gedicht nebst einem Lorbeerkranz den auf ihrem Posten gebliebenen Volksvertretern übersendet worden.
Einem, an einen Abgeordneten gerichteten Schreiben, aus Graudenz vom 20. d. M. entnehmen wir, daß sowohl die Bevölkerung in den Städten Graudenz, Culm und Thorn, als in den betreffenden Kreisen zum überwiegenden Theil, sich mit dem Verhalten und den Beschlüssen der Nationalversammlung durchaus einverstanden erklären.
Die Stadt Thorn will ihrem Deputirten die Diäten, deren Zahlung die Regierung verweigert, fortzahlen. Die Stimmung der Landwehr ist entschieden für die Nationalversammlung.
103 Berlin, 25. Nov. Wenn das Kamarilla-Ministerium früher alle möglichen Intriguen anwendete, um zum 27. eine beschlußfähige Anzahl Abgeord. der Nationalvers. nach Brandenburg zu locken, so scheint es jetzt von dieser Idee zurückgekommen zu sein. Zwei Gründe mögen dazu veranlaßt haben. Erstens ist man in den letzten Tagen zu der Ueberzeugung gekommen, daß die hier noch versammelten 280 Abgeordneten keinesfalls nach Brandenburg gehen werden, und daß selbst viele von der Rechten, wie die Freunde der Abg. Grabow, Milde, sich den Erstern anschließen. Zweitens findet man durch das Nichterscheinen der Abgeordneten in Brandenburg ein gutes Mittel, um damit den beabsichtigten Staatsstreich, die Octroyirung der Verfassung zu bemänteln.
Wie man heute aus sicherer Quelle erfährt, will das Kamarilla-Ministerium folgendes Verfahren einschlagen. Da sich, wie vorauszusehen, am Montag nur 100, höchstens 130 Abgeordnete in Brandenburg einfinden werden, so wird dem Volke in einer Proklamation verkündigt werden, daß, da sich seine zur Vereinbarung der Verfassung berufenen Vertreter so unvollständig eingefunden, daß keine beschlußfähige Anzahl da ist, sich Se. Majestät veranlaßt sieht, um seinem geliebten Volke nicht länger die versprochenen konstitutionellen Freiheiten und Rechte vorzuenthalten, eine Verfassung auf breitester Grundlage zu verleihen. Diese soidisant Verfassung ist auf ein indirektes Wahlsystem mit Census, einer ersten (aristokratischen) und zweiten Kammer u. s. w. basirt. — In dem Augenblick, wo man diese Verfassung verkündet, wird man auch die Nationalversammlung für aufgelöst erklären, und die Wahlen für die neuen Kammern so schnell wie möglich ansetzen. Damit aber die jetzigen Abgeordneten nicht wieder in die neuen Kammern gewählt werden, wird man gegen diejenigen, welche die letzten Beschlüsse, nämlich die Hochverrathserklärung und die Steuerverweigerung, gefaßt haben, eine Untersuchung einleiten und sie möglicherweise verhaften.
Das sind die Pläne des Kamarilla-Ministeriums, welche jedoch selbst unserer äußersten Rechten etwas zu weit zu gehen scheinen. Herr Grabow bietet nämlich alles Mögliche auf, um diesen Plänen entgegenzuarbeiten. Trotz seiner leidenden Gesundheit machte er gestern die Runde bei allen Fraktionen und proponirte, ob man sich mit einem neuen Ministerium und Wiedereröffnung der Sitzungen in Berlin nach 14 Tagen zufrieden erklären und eine Dankadresse dafür an den König richten wolle. Die äußerste Linke erklärte, daß sie den entstandenen Konflikt für beseitigt erachten werde, wenn das Ministerium Brandenburg zurücktritt, und das zu ernennende neue volksthümliche Ministerium der Versammlung kein Hinderniß in den Weg legt, ihre Berathungen in Berlin fortzusetzen; sie wolle sogar alsdann einer Dankadresse an den König beistimmen (!!) aber einer neuen 14tägigen Vertagung könne man sich keinesfalls unterwerfen.
Grabow ist heute mit diesem Bescheid zum König gegangen und wird seinen ganzen Einfluß aufwenden, um den König zu einer solchen Ausgleichung zu bewegen. Man zweifelt aber allgemein an dem Erfolg, weil der König von der Kamarilla und besonders von den Professoren Leo, Stahl und Keller, welche die neue Verfassung ausgearbeitet haben, so umgarnt und ins Netz gezogen ist, daß er keinen freien Willen mehr hat. Die Kamarilla glaubt schon vollständig gesiegt zu haben, so daß es ihr ganz frei steht, die Friedensbedingungen nach ihrem Willen zu diktiren. Sie würde es für eine unverantwortliche Nachgiebigkeit halten, wenn man sich mit der jetzigen Nationalversammlung wieder einließe, sie hält dieselbe für völlig geschlagen. Das Volk aber will die Kamarilla durch Redensarten und einige freisinnige Brocken ködern, und wo man damit nicht zufrieden sein will, mit Bajonetten die Ruhe herstellen.
Unsere Bourgeoisie sucht man auf ganz eigenthümliche Art und Weise zu ködern. Man wußte, daß ein Theil tief ergrimmt ist über die ganz unbegründete Auflösung der Bürgerwehr und die darauf erfolgte Entwaffnung. Um dieses wieder gut zu machen, läßt der Minister des Innern, Manteuffel, vorgestern, wo man noch mit dem Einsammeln der Gewehre beschäftigt war, die ehemaligen Majore der Bürgerwehr zu sich berufen, um mit ihnen über die Reorganisation der Bürgerwehr zu berathen. Manteuffel sagte den Majoren, wie sehr man die bisherigen Dienste der Bürgerwehr anerkenne, wie der König von ihrer Treue und Ergebenheit überzeugt sei, und wie er dieses durch eine baldige Reorganisation der Bürgerwehr an den Tag legen wolle. Der Minister berichtete ferner, daß der Konig sogar seinen treuen Bürgern ein Geschenk mit 8000 neuen, für die Bürgerwehr Berlins eigens angefertigten leichten Gewehren, desgleichen 8000 Helmen und 8000 schwarz und weißen Epauletts, welche als Dienstzeichen
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(2017-03-20T13:08:10Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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