Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Neue Rheinische Zeitung. Nr. 164. Köln, 9. Dezember 1848.

Bild:
erste Seite
Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 164. Köln, Samstag den 9. Dezember. 1848.

Keine Steuern mehr!!!

Zu Nro. 163 der "N. Rh. Zeitung." erschien am Freitag den 8. Dezbr., Morgens, eine zweite Beilage, welche an unsere geehrten Abonnenten versandt wurde.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Die Flucht des Papstes). Barmen. (Heulerische Agitation gegen die "N. Rh. Z."). Aus dem Wupperthale. (Zustände). Berlin. (Die Octroyirung. -- Gerichtliche Verfolgung gegen viele Abgeordnete in Aussicht. -- Wirksamkeit anonymer Denunciationen. -- Hilfsgesuch des Fürsten zu Schaumburg-Lippe). Breslau. (Verhaftungen. -- Der Abgeordnete Stein vor den Wahlmännern. -- Politische Verurtheilung. -- Rekrutenverweigerung in Böhmen und Mähren). Wien. (Proben aus der "guten" Presse. -- Auswärtiges. -- Rückverlegung der Waffen. -- Betheiligung vieler Franzosen am Oktoberkampf. -- Offizielle Antwort über R. Blum's Ermordung. -- Ankunft des neuen Kaisers erwartet. -- General Gruber Oberbefehlshaber gegen Ungarn. -- Klausenburgs Einnahme durch die k. k. Truppen).

Italien. (Neue Details über die Flucht des Papstes). Rom. (Kammersitzung). Bologna. (Vorrücken der Oesterreicher). Florenz. (Aufregung). Neapel. (Annehmlichkeiten der "konstitutionellen" Monarchie).

Schweiz. Waadt (Nahe Freilassung des Bischofs von Freiburg). Genf. (Blum-Comite). Schaffhausen. (Abschaffung des "Junker"-Titels). Baselland. (Fruchtlose Haussuchungen). Graubündten. (Die italienischen Flüchtlinge).

Franz. Republik. Paris. (Der Papst. -- Aus Harcourts Korrespondenz. -- Das "Univers" über den Cavaignac'schen Electoralwind. -- Die Molliere'sche Brigade wird nach Ancona eingeschifft. -- Vermischtes. -- National-Versammlung).

Deutschland.
43 Köln, 8. Dez.

Die Flucht des Pabstes bildet einen Abschnitt in der Geschichte der Revolutionen von 1848.

Mit Pius IX. stürzt der größte Repräsentant der Politik des guten Willens. Die Politik des guten Willens ist aber die vorherrschende gewesen bei allen revolutionären Regierungen dieses Jahres. Sie hatten den besten Willen von der Welt, die französische provisorische Regierung, das Ministerium Camphausen (?), die provisorische Regierung von Mailand und wie alle die zahllosen emporgekommenen und gestürzten Regierungen dieses Jahres heißen, und eben weil sie nichts besseres hatten als ihren guten Willen, sind sie zu Grunde gegangen und haben die Revolution mit in ihren Fall verwickelt. Die Regierung des guten Willens datirt aber von den ersten Reformversuchen Pius IX., und Pius IX. war und blieb ihr Hauptrepräsentant. Wo hat der gute Wille der Regierung sich so unläugbar, so wiederholt, so unermüdlich, so langmüthig gezeigt, wie bei Pius IX.? Immer gab er nach, immer war er bei der Hand, um zwischen den Wünschen des Volks und dem, was er für das Beste des Volks hielt, zu vermitteln, immer suchte er mit der Bewegung Schritt zu halten. Schwach, schwankend, aus lauter Vorsicht bald rechts, bald links die Gränzen der Klugheit überschreitend, aber immer voll der wärmsten Liebe zu seinem Volk, war Pius das Ideal des regierenden "guten Willens". Ohne die Februarrevolution und die folgenden europäischen Stürme wäre Pius als großer Mann gestorben. Aber die Zeit ist ihm plötzlich über den Kopf gewachsen und der beste Wille, der gemüthlichste Patriarchenfürst von Europa, in ein fremdes Element gerissen, fand es gerathen, sich an das kontrerevolutionäre Ministerium Rossi anzuklammern, und das ward sein Untergang. Ohne Rücksicht auf den guten Willen wurde er, der Iniziatore (wie die Italiener sagen) der ganzen Bewegung, ebenso von dieser Bewegung bei Seite geworfen, wie sein strikter Gegensatz Louis Philipp. Der gute Wille und der böse Wille sind gleich vor der Revolution!

Im ganzen übrigen Europa hat der "gute Wille" die Contrerevolution hervorgerufen. Aber was an [der] römischen Revolution und der Entfernung Pius IX. gerade das Charakteristische ist, das ist, daß hier der gute Wille nicht der Contrerevolution, sondern der Revolution Platz gemacht hat, und namentlich, daß die Revolution genöthigt gewesen ist, diese von ganz Europa anerkannte, heiliggesprochene, gefeierte, unantastbare Inkarnation des guten Willens zu beseitigen. Nach Pius IX. ist keine Regierung des guten Willens mehr möglich; in Pius IX. hat sich ihr Ideal kompromittirt. Die Regierung der wohlmeinenden Impotenz, der liebevollen Vertuschung, der schlechten Mittel aus den besten Absichten, hat ein Ende erreicht; die römische Revolution ist der schlagendste Beweis, daß heutzutage keine Staatsform mehr erträglich ist, die an die Stelle des aus der gesellschaftlichen Entwicklungsstufe der Nation und den damit gegebnen Bedürfnissen entspringenden Volkswillens irgend einen Privatwillen setzt, und sei es auch der beste Wille von der Welt, der Wille eines Pius IX.!

Barmen, 6. Dez.

Gegen Ihre Zeitung wird hier von den Männern der Contrerevolution ein förmlicher Feldzug eröffnet. Nicht nur, daß man sie aus den Gesellschaftslokalen, in welchen sie das Kommando führen, entfernt zu halten sucht, wendet man auch gegen Wirthe und Privatpersonen alle nur erdenklichen Mittel an, um das "Schandblatt" zu unterdrücken. Es ist wirklich oft naiv, welche Mittel die Herren vom Geldsack anwenden, um ihre Zwecke zu erreichen; sie, die sonst das "Volk" nicht ansehen, erklären den Wirthen, sie würden zuweilen bei ihnen Bier trinken, wenn man die Zeitung abschaffe. Die Wirthe kennen ihren Vortheil aber besser, sie wissen, daß die alten biertrinkenden Stammgäste wegbleiben, wenn die Herren mit den Glaceehandschuhen bei ihnen eintreten. Wir werden Ihnen nächstens eine Liste der Herren senden, die gegen Ihr Blatt agitiren. Bis jetzt sind es ein Bürgerwehrhauptmann, ein Beigeordneter und ein schwarzer Volksredner, von denen wir mit Bestimmtheit wissen, daß sie höchst persönlich gegen sie auftreten.

15 Aus dem Wupperthal, 7. Dez.

Bei der kolossalen Katzenmusik, welche das gesammte preußische Heulerkorps der errungenen Volksfreiheit zu bringen beschäftigt ist, ertönt am lautesten das Geschrei des gesegneten Wupperthals. Der Staats-Anzeiger nimmt seine offiziellen Pausbacken voll bis zum Zerplatzen und sprachrohrt in die Welt hinaus: "Seht! Seht! Hört! Hört! Unsere getreuen Unterthanen an der Wupper, achttausend und mehr fromme Männer, ächt christlich-germanischen Schlages, sie sind für uns -- wer wagt es nun noch, wider uns zu sein?" In der That, das Wupperthal hat es dem ganzen übrigen Lande mit den allerunterthänigsten Zustimmungs-Adressen an Zahl wie an Gewicht, d. h. nach dem Maßstabe des Geldes, welches viele der Unterzeichner besitzen, zuvorgethan. Heuchelei -- das weiß Jeder, der das Wupperthal auch nur oberflächlich kennt, -- Heuchelei in der höchsten Potenz, und in allen Erscheinungsweisen, ist das Grundmedium, welches alle hiesigen Verhältnisse trägt und bewegt. Man nimmt es Ihnen übel!" das ist die Zauberformel, die überall einem freien Ausdruck vernunftgemäßer Ueberzeugung entgegentritt, in religiösen, wie in sozialen und politischen Verhältnissen: aber größere, himmelschreiendere Heuchelei, kolossalere Lügen sind nie und nimmer zu Tage geboren, als die Stimmen aus dem Wupperthale, die man zu einem Strahlenkranze des Ruhmes um die Hänpter eines von der Nation verabscheuten Ministeriums zu gestalten bemüht ist. Die ganze hiesige Bevölkerung zerfällt -- wenn wir ohne allen Euphemismus reden wollen -- in: Herren und Knechte. Von den "Herren" in Beziehung auf Religion reden wir nicht, denn es ist weltbekannt, wie unsere Geistlichen und die einmal anerkannten Führer religiöser Parteien und Sekten bei ihren Anhängern eine so unfehlbare Autorität genießen, daß sogar eine Adresse an den leibhaftigen "Gott sei bei uns!" sich mit Tausenden von Unterschriften bedecken würde, wenn irgend ein fanatischer evangelischer Pastor sie entworfen oder unterzeichnet hätte.

Schon daraus wird es klar, wie die Honigseim-Adressen an das Ministerium Brandenburg, das der Geistlichkeit die frohe Aussicht auf Restauration des christlich-germanischen Staates eröffnet, den Beifall erlangen mußten der "Kinder der Gnade", denen die Welt ein Gräuel ist, und die darum unbedingt auch in politischen Dingen ihren Leithämmeln folgen. Die Hauptlüge dieser Kathegorie Wupperthaler besteht nun in dem Ausdruck des Vertrauens auf die Gewährung der zugesicherten sogenannten konstitutionellen Freiheiten, welcher in dem Phrasenbombast jener Zustimmungs-Adressen enthalten ist, da denen unter ihnen, welche selbst eines Urtheils fähig sind, nichts fürchterlicher erscheint, als eine Konstitution, zumal auf breiten, demokratischen Grundlagen. Die wollen nun auch freilich die Herren nicht, die wir als Ur- und Hauptlügner, als Verführer zur Lüge, zu brandmarken vorhaben, nämlich die Herren vom Geldsack, die reichen Banquiers, die großen Stoffhändler, Kaufleute und Fabrikanten, denen der größte Theil der Bevölkerung des Wupperthals und der Umgegend: die kleinern Kaufleute und Fabrikanten und die große Zahl der Arbeiter (Commis, Makler u. s. w. inbegriffen) und Handwerker als Knechte um des lieben Brodes willen unterthan sein müsseu. Unter diesen Knechten gibt es eine große Zahl, -- ja, wenn sie sich frei aussprechen könnten, so gehören sie alle dazu, -- die mit wahrer inniger Freude die neue Zeit begrüßt haben, weil sie den Druck des Absolutismus bis in die innersten Verhältnisse des sozialen Lebens schmerzlich empfanden, die die Emanzipation des Volkes, für die das Wahlgesetz vom 8. April ihnen einige Hoffnung machte, die das Recht sich zu versammeln und gemeinsam über gemeinsame Angelegenheiten zu berathen, die Freiheit der Presse, die Aussicht auf eine gerechte Einkommensteuer, auf freie Selbstverwaltung der Gemeinden, als erste Früchte der Revolution jubelnd willkommen hießen, die laut oder insgeheim frohlockten über den Sturz des Geldsacks!

Aber dieser Jubel, dieses Frohlocken war den "Herren" ein Dorn im Auge; darum machten sie Anfangs öffentlich bonne mine a mauvais jeu, aber insgeheim arbeiteten sie schon gemeinschaftlich mit den Vereinen "für König und Vaterland" an der Contrerevolution. Und als nun in dem Ministerium Brandenburg ihre Hoffnungen sich zu erfüllen schienen, benutzten sie ihre ganze Macht um ihrem Geheul durch das Einstimmen ihrer Vasallen größere Bedeutung zu verschaffen. Die Gemeinderäthe, die Wahlmänner mußten zuerst in das Horn der Geldsäcke blasen. Das gab Muth, und nun trat man mit den allgemeinen Heuleradressen hervor. Die Herren vom Geldsack trugen sie persönlich Haus bei Haus; vor der Autorität solcher Colporteurs mußte jeder Einwand des gewöhnlichen Mannes verstummen; man redete hier deu Einfältigen vor: die Nationalversammlung sey eine Rotte von Rebellen, die den König aus dem Lande jagen wollen; man log dort: es werde zu Gunsten der Arbeiter petitionirt, denen die Republikaner das Brod nehmen wollten, kurz, man argumentirte ad hominem, wie es grade nützlich schien; der Zweck mußte die schändlichsten Mittel heiligen. Es galt nur Unterschriften und Unterschriften zu erlangen, man ließ Weiber und Kinder unterzeichnen in Abwesenheit der Männer. In den Fabriken kommandirte man die Arbeiter aufs Komptoir. Einzelne Herren, deren wir eine Menge namhaft machen könnten, logen den Arbeitern die fürchterlichsten Dinge vor, die durch die Unterschriften abgewandt werden sollten, alle aber zeigten auf die eigene Unterschrift, und, wenn sie es nicht gradezu aussprachen, so war es dem dummsten Arbeiter doch ohne Erklä- [Fortsetzung]

Wichtige Enthüllungen in Betreff der reaktionären Presse.
Erschienen bei Reuter und Stargardt.

Die "Neue Preußische Zeitung," sonst der possirliche Harlequin, an dessen Sprüngen wir uns ergötzten, ist durch "Verhältnisse" zum Organ der herrschenden Partei avancirt. Es wird interessant sein, die Köche kennen zu lernen, welche diesen Hexenkessel umstehen und das Feuer des Aufruhrs und des Bürgerkrieges schüren.

Die "Neue Preußische Zeitung" entstand aus einem wahren Bedürfnisse. Im März gingen der "Janus" des Professor Huber und die "Berliner Bürgerzeitung" des Dr. Hermes ein, weil sie kein Geld mehr aus dem Ministerium des Innern erhielteu. Aber wie hätten Tausende in Preußen ohne eine ergebenste Presse leben können? So trat denn zuerst als Vorläufer das "Neue Preußen" auf, in kleinen zwanglos fliegenden Heften, erschaffen von dem Geheimen Regierungsrath Werdeck, dem Justizrath Kahle und dem Geh. Legationsrath Kahle, welche schon zur Zeit des ständischen Landtages ein ähnliches Unternehmen, damals jedoch in größerem Umfange beabsichtigt hatten. Als verantwortlicher Redakteur fungirte ein Herr Goldschmidt, Büreauschreiber des Justizraths Kahle. Dieser lose Schmetterling der Reaktion ging demnächst in die "Neue Berliner Zeitung" des Geheimen Oberhofbuchdruckers Decker auf, welche ein Herr Balster (oder so ähnlich) aus der literarischen Anstalt des Geh. Regierungsrath Sulzer redigirte. Es ist dies dasselbe Blatt, um dessen Redaktion sich der Redakteur der Kölner Zeitung, Herr Brüggemann, bewarb. Die Unterhandlungen zerschlugen sich am Kostenpunkte. Nachdem jedoch diese Neuheit ihren Beruf der "deutschen Reform" erkannt hatte, schied das "Neue Preußen" des federgewandten Goldschmidt aus dieser Reform aus und mag jetzt wohl noch um das edle Haupt des tapfern Dänenbezwingers und über alle Maßen tapfern Belagerers der Anarchie zu Berlin lieblich schillernd in zierlichen Wellenlinien flattern. Nun, indeß dem Schmetterling folgte der Elephant. Man mußte etwas breit und klobig auftreten, um sich Platz zu machen. So hielt denn von Magdeburg die "Neue Preußische Zeitung" ihren Einzug in Berlin. Die Seele des Unternehmens war der Konsistorial-Präsident Gerlach, welcher auch in den sehr gewissenhaften und ganz wahrheitssüchtigen monatlichen Rundschauen der "Neuen Preußischen Zeitung" mit vielem Erfolg sich bethätigt hat. Zum verantwortlichen Redakteur wurde ein Oberlandesgerichtsassessor Wagner gemacht, ein sclavisch ergebenes Werkzeug des Herrn v. Gerlach.

Seine Unterbeamten wurden die Herren Dr. Hermes und Langbein, jener exministeriell bezahlte Redakteur der Berliner Bürgerzeitung, dieser exministeriell bezahlte Literat aus der Anstalt des Herrn Sulzer. Mit Herrn v. Gerlach verbanden sich die Professoren Leo und Stahl, und diese sind das leitende Triumvirat der reaktionären Presse. Als einer ihrer besten Knappen hat sich Herr Florencourt, der Vielerfahrene, bewiesen. Ihm sind jetzt auch große Ehren zu Theil geworden; er darf wirklich ministerielle Artikel für die "Spener'sche Zeitung" schreiben. Bekannt sind die Bemühungen des Hrn. Bülow-Cummerow oder "Kummervoll" nach der "Ewigen Lampe" für sein Junkerparlament in der "Neuen Preußischen Zeitung" und die Ausfälle dieses Blattes gegen den ehemaligen Finanzminister Hansemann. Ich kann in Betreff dieser Ausfälle aus guter Quelle versichern, daß sie sämmtlich von dem, vom ständischen Landtage her wohlbekannten Herrn v. Bismark-Schönhausen herrühren, der seine bezaubernden Witzfloskeln wie auf jenem Landtage, so auch in der "Neuen Preußischen Zeitung" zur Genüge ausgestreut hat. Die sonstigen Mitarbeiter der "Neuen Preußischen Zeitung" sind ziemlich vollständig folgende: Aus Königsberg Dr. Dietlein und Emil Lindenberg; aus Posen Hr. Regierungsrath Klee. Vom Rhein korrespondiren zum größten Theil evangelische Prediger; aus Köln Herr Regierungsrath Grashof. In Berlin ist noch der Assessor Bindewald eng mit der Zeitung verbunden. Die Berliner Artikel mit L bezeichnet, sind von Langbein, die mit H bezeichnet von Hermes. Ein Hr. Herrmann hat die Berichte aus der Nationalversammlung geliefert. Der jetzige Adjutant des Königs, von Boddien, hat aus Frankfurt mitgearbeitet. Das unübertreffliche Feuilleton besorgt Herr Herrmann Gödsche, Ex-Postsekretär. Eine Hauptstütze des Blattes, besonders in Geldangelegenheiten, sind der Prinz von Prenßen, die Prinzessin von Preußen und der Prinz Karl von Preußen. Der König hat sie immer sehr aufmerksam gelesen, voila die Folgen. Hierbei ist es indeß eben so gewiß, daß auch die englische Tory-Presse den König zu seinen letzten Entschlüssen gebracht hat. Er hat es nicht ertragen können, daß die Morning-Post ihn, gegenüber dem heroischen Kaiser von Oestreich, als feige bezeichnet hat.

Die letzten Stnuden Robert Blum's.

Ueber die letzten Stunden Robert Blum's giebt L. Wittig, ein Freund Blum's in der "Dresdener Zeitung" folgende Mittheilungen. Am 1. Nov. früh, als die Stadt bereits gefallen war, gingen R. Fränzel und ich zu Blum, der mit Fröbel im Gasthause zur Stadt London wohnte. Der Reichstags-Abgeordnete Hartmann kam ebenfalls dahin mit der Warnung an Blum sich zu hüten, er glaube ihn gefährdet, wenigstens in diesen Tagen sich nicht öffentlich zu zeigen. Blum und Fröbel befolgten diesen Rath, ohne daß einer von uns an eine wirkliche Gefahr glaubte, trotz der Militair-Despotie, der Wien unter einem beadreßten Windischgrätz verfallen war. Wir blieben bis zum Abend vereint, und Blum äußerte noch scherzweise, selbst vor dem Kriegsgerichte werde er leicht beweisen können, daß er den kaiserlichen

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 164. Köln, Samstag den 9. Dezember. 1848.

Keine Steuern mehr!!!

Zu Nro. 163 der „N. Rh. Zeitung.“ erschien am Freitag den 8. Dezbr., Morgens, eine zweite Beilage, welche an unsere geehrten Abonnenten versandt wurde.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Die Flucht des Papstes). Barmen. (Heulerische Agitation gegen die „N. Rh. Z.“). Aus dem Wupperthale. (Zustände). Berlin. (Die Octroyirung. — Gerichtliche Verfolgung gegen viele Abgeordnete in Aussicht. — Wirksamkeit anonymer Denunciationen. — Hilfsgesuch des Fürsten zu Schaumburg-Lippe). Breslau. (Verhaftungen. — Der Abgeordnete Stein vor den Wahlmännern. — Politische Verurtheilung. — Rekrutenverweigerung in Böhmen und Mähren). Wien. (Proben aus der „guten“ Presse. — Auswärtiges. — Rückverlegung der Waffen. — Betheiligung vieler Franzosen am Oktoberkampf. — Offizielle Antwort über R. Blum's Ermordung. — Ankunft des neuen Kaisers erwartet. — General Gruber Oberbefehlshaber gegen Ungarn. — Klausenburgs Einnahme durch die k. k. Truppen).

Italien. (Neue Details über die Flucht des Papstes). Rom. (Kammersitzung). Bologna. (Vorrücken der Oesterreicher). Florenz. (Aufregung). Neapel. (Annehmlichkeiten der „konstitutionellen“ Monarchie).

Schweiz. Waadt (Nahe Freilassung des Bischofs von Freiburg). Genf. (Blum-Comite). Schaffhausen. (Abschaffung des „Junker“-Titels). Baselland. (Fruchtlose Haussuchungen). Graubündten. (Die italienischen Flüchtlinge).

Franz. Republik. Paris. (Der Papst. — Aus Harcourts Korrespondenz. — Das „Univers“ über den Cavaignac'schen Electoralwind. — Die Mollière'sche Brigade wird nach Ancona eingeschifft. — Vermischtes. — National-Versammlung).

Deutschland.
43 Köln, 8. Dez.

Die Flucht des Pabstes bildet einen Abschnitt in der Geschichte der Revolutionen von 1848.

Mit Pius IX. stürzt der größte Repräsentant der Politik des guten Willens. Die Politik des guten Willens ist aber die vorherrschende gewesen bei allen revolutionären Regierungen dieses Jahres. Sie hatten den besten Willen von der Welt, die französische provisorische Regierung, das Ministerium Camphausen (?), die provisorische Regierung von Mailand und wie alle die zahllosen emporgekommenen und gestürzten Regierungen dieses Jahres heißen, und eben weil sie nichts besseres hatten als ihren guten Willen, sind sie zu Grunde gegangen und haben die Revolution mit in ihren Fall verwickelt. Die Regierung des guten Willens datirt aber von den ersten Reformversuchen Pius IX., und Pius IX. war und blieb ihr Hauptrepräsentant. Wo hat der gute Wille der Regierung sich so unläugbar, so wiederholt, so unermüdlich, so langmüthig gezeigt, wie bei Pius IX.? Immer gab er nach, immer war er bei der Hand, um zwischen den Wünschen des Volks und dem, was er für das Beste des Volks hielt, zu vermitteln, immer suchte er mit der Bewegung Schritt zu halten. Schwach, schwankend, aus lauter Vorsicht bald rechts, bald links die Gränzen der Klugheit überschreitend, aber immer voll der wärmsten Liebe zu seinem Volk, war Pius das Ideal des regierenden „guten Willens“. Ohne die Februarrevolution und die folgenden europäischen Stürme wäre Pius als großer Mann gestorben. Aber die Zeit ist ihm plötzlich über den Kopf gewachsen und der beste Wille, der gemüthlichste Patriarchenfürst von Europa, in ein fremdes Element gerissen, fand es gerathen, sich an das kontrerevolutionäre Ministerium Rossi anzuklammern, und das ward sein Untergang. Ohne Rücksicht auf den guten Willen wurde er, der Iniziatore (wie die Italiener sagen) der ganzen Bewegung, ebenso von dieser Bewegung bei Seite geworfen, wie sein strikter Gegensatz Louis Philipp. Der gute Wille und der böse Wille sind gleich vor der Revolution!

Im ganzen übrigen Europa hat der „gute Wille“ die Contrerevolution hervorgerufen. Aber was an [der] römischen Revolution und der Entfernung Pius IX. gerade das Charakteristische ist, das ist, daß hier der gute Wille nicht der Contrerevolution, sondern der Revolution Platz gemacht hat, und namentlich, daß die Revolution genöthigt gewesen ist, diese von ganz Europa anerkannte, heiliggesprochene, gefeierte, unantastbare Inkarnation des guten Willens zu beseitigen. Nach Pius IX. ist keine Regierung des guten Willens mehr möglich; in Pius IX. hat sich ihr Ideal kompromittirt. Die Regierung der wohlmeinenden Impotenz, der liebevollen Vertuschung, der schlechten Mittel aus den besten Absichten, hat ein Ende erreicht; die römische Revolution ist der schlagendste Beweis, daß heutzutage keine Staatsform mehr erträglich ist, die an die Stelle des aus der gesellschaftlichen Entwicklungsstufe der Nation und den damit gegebnen Bedürfnissen entspringenden Volkswillens irgend einen Privatwillen setzt, und sei es auch der beste Wille von der Welt, der Wille eines Pius IX.!

Barmen, 6. Dez.

Gegen Ihre Zeitung wird hier von den Männern der Contrerevolution ein förmlicher Feldzug eröffnet. Nicht nur, daß man sie aus den Gesellschaftslokalen, in welchen sie das Kommando führen, entfernt zu halten sucht, wendet man auch gegen Wirthe und Privatpersonen alle nur erdenklichen Mittel an, um das „Schandblatt“ zu unterdrücken. Es ist wirklich oft naiv, welche Mittel die Herren vom Geldsack anwenden, um ihre Zwecke zu erreichen; sie, die sonst das „Volk“ nicht ansehen, erklären den Wirthen, sie würden zuweilen bei ihnen Bier trinken, wenn man die Zeitung abschaffe. Die Wirthe kennen ihren Vortheil aber besser, sie wissen, daß die alten biertrinkenden Stammgäste wegbleiben, wenn die Herren mit den Glacéehandschuhen bei ihnen eintreten. Wir werden Ihnen nächstens eine Liste der Herren senden, die gegen Ihr Blatt agitiren. Bis jetzt sind es ein Bürgerwehrhauptmann, ein Beigeordneter und ein schwarzer Volksredner, von denen wir mit Bestimmtheit wissen, daß sie höchst persönlich gegen sie auftreten.

15 Aus dem Wupperthal, 7. Dez.

Bei der kolossalen Katzenmusik, welche das gesammte preußische Heulerkorps der errungenen Volksfreiheit zu bringen beschäftigt ist, ertönt am lautesten das Geschrei des gesegneten Wupperthals. Der Staats-Anzeiger nimmt seine offiziellen Pausbacken voll bis zum Zerplatzen und sprachrohrt in die Welt hinaus: „Seht! Seht! Hört! Hört! Unsere getreuen Unterthanen an der Wupper, achttausend und mehr fromme Männer, ächt christlich-germanischen Schlages, sie sind für uns — wer wagt es nun noch, wider uns zu sein?“ In der That, das Wupperthal hat es dem ganzen übrigen Lande mit den allerunterthänigsten Zustimmungs-Adressen an Zahl wie an Gewicht, d. h. nach dem Maßstabe des Geldes, welches viele der Unterzeichner besitzen, zuvorgethan. Heuchelei — das weiß Jeder, der das Wupperthal auch nur oberflächlich kennt, — Heuchelei in der höchsten Potenz, und in allen Erscheinungsweisen, ist das Grundmedium, welches alle hiesigen Verhältnisse trägt und bewegt. Man nimmt es Ihnen übel!“ das ist die Zauberformel, die überall einem freien Ausdruck vernunftgemäßer Ueberzeugung entgegentritt, in religiösen, wie in sozialen und politischen Verhältnissen: aber größere, himmelschreiendere Heuchelei, kolossalere Lügen sind nie und nimmer zu Tage geboren, als die Stimmen aus dem Wupperthale, die man zu einem Strahlenkranze des Ruhmes um die Hänpter eines von der Nation verabscheuten Ministeriums zu gestalten bemüht ist. Die ganze hiesige Bevölkerung zerfällt — wenn wir ohne allen Euphemismus reden wollen — in: Herren und Knechte. Von den „Herren“ in Beziehung auf Religion reden wir nicht, denn es ist weltbekannt, wie unsere Geistlichen und die einmal anerkannten Führer religiöser Parteien und Sekten bei ihren Anhängern eine so unfehlbare Autorität genießen, daß sogar eine Adresse an den leibhaftigen „Gott sei bei uns!“ sich mit Tausenden von Unterschriften bedecken würde, wenn irgend ein fanatischer evangelischer Pastor sie entworfen oder unterzeichnet hätte.

Schon daraus wird es klar, wie die Honigseim-Adressen an das Ministerium Brandenburg, das der Geistlichkeit die frohe Aussicht auf Restauration des christlich-germanischen Staates eröffnet, den Beifall erlangen mußten der „Kinder der Gnade“, denen die Welt ein Gräuel ist, und die darum unbedingt auch in politischen Dingen ihren Leithämmeln folgen. Die Hauptlüge dieser Kathegorie Wupperthaler besteht nun in dem Ausdruck des Vertrauens auf die Gewährung der zugesicherten sogenannten konstitutionellen Freiheiten, welcher in dem Phrasenbombast jener Zustimmungs-Adressen enthalten ist, da denen unter ihnen, welche selbst eines Urtheils fähig sind, nichts fürchterlicher erscheint, als eine Konstitution, zumal auf breiten, demokratischen Grundlagen. Die wollen nun auch freilich die Herren nicht, die wir als Ur- und Hauptlügner, als Verführer zur Lüge, zu brandmarken vorhaben, nämlich die Herren vom Geldsack, die reichen Banquiers, die großen Stoffhändler, Kaufleute und Fabrikanten, denen der größte Theil der Bevölkerung des Wupperthals und der Umgegend: die kleinern Kaufleute und Fabrikanten und die große Zahl der Arbeiter (Commis, Makler u. s. w. inbegriffen) und Handwerker als Knechte um des lieben Brodes willen unterthan sein müsseu. Unter diesen Knechten gibt es eine große Zahl, — ja, wenn sie sich frei aussprechen könnten, so gehören sie alle dazu, — die mit wahrer inniger Freude die neue Zeit begrüßt haben, weil sie den Druck des Absolutismus bis in die innersten Verhältnisse des sozialen Lebens schmerzlich empfanden, die die Emanzipation des Volkes, für die das Wahlgesetz vom 8. April ihnen einige Hoffnung machte, die das Recht sich zu versammeln und gemeinsam über gemeinsame Angelegenheiten zu berathen, die Freiheit der Presse, die Aussicht auf eine gerechte Einkommensteuer, auf freie Selbstverwaltung der Gemeinden, als erste Früchte der Revolution jubelnd willkommen hießen, die laut oder insgeheim frohlockten über den Sturz des Geldsacks!

Aber dieser Jubel, dieses Frohlocken war den „Herren“ ein Dorn im Auge; darum machten sie Anfangs öffentlich bonne mine à mauvais jeu, aber insgeheim arbeiteten sie schon gemeinschaftlich mit den Vereinen „für König und Vaterland“ an der Contrerevolution. Und als nun in dem Ministerium Brandenburg ihre Hoffnungen sich zu erfüllen schienen, benutzten sie ihre ganze Macht um ihrem Geheul durch das Einstimmen ihrer Vasallen größere Bedeutung zu verschaffen. Die Gemeinderäthe, die Wahlmänner mußten zuerst in das Horn der Geldsäcke blasen. Das gab Muth, und nun trat man mit den allgemeinen Heuleradressen hervor. Die Herren vom Geldsack trugen sie persönlich Haus bei Haus; vor der Autorität solcher Colporteurs mußte jeder Einwand des gewöhnlichen Mannes verstummen; man redete hier deu Einfältigen vor: die Nationalversammlung sey eine Rotte von Rebellen, die den König aus dem Lande jagen wollen; man log dort: es werde zu Gunsten der Arbeiter petitionirt, denen die Republikaner das Brod nehmen wollten, kurz, man argumentirte ad hominem, wie es grade nützlich schien; der Zweck mußte die schändlichsten Mittel heiligen. Es galt nur Unterschriften und Unterschriften zu erlangen, man ließ Weiber und Kinder unterzeichnen in Abwesenheit der Männer. In den Fabriken kommandirte man die Arbeiter aufs Komptoir. Einzelne Herren, deren wir eine Menge namhaft machen könnten, logen den Arbeitern die fürchterlichsten Dinge vor, die durch die Unterschriften abgewandt werden sollten, alle aber zeigten auf die eigene Unterschrift, und, wenn sie es nicht gradezu aussprachen, so war es dem dummsten Arbeiter doch ohne Erklä- [Fortsetzung]

Wichtige Enthüllungen in Betreff der reaktionären Presse.
Erschienen bei Reuter und Stargardt.

Die „Neue Preußische Zeitung,“ sonst der possirliche Harlequin, an dessen Sprüngen wir uns ergötzten, ist durch „Verhältnisse“ zum Organ der herrschenden Partei avancirt. Es wird interessant sein, die Köche kennen zu lernen, welche diesen Hexenkessel umstehen und das Feuer des Aufruhrs und des Bürgerkrieges schüren.

Die „Neue Preußische Zeitung“ entstand aus einem wahren Bedürfnisse. Im März gingen der „Janus“ des Professor Huber und die „Berliner Bürgerzeitung“ des Dr. Hermes ein, weil sie kein Geld mehr aus dem Ministerium des Innern erhielteu. Aber wie hätten Tausende in Preußen ohne eine ergebenste Presse leben können? So trat denn zuerst als Vorläufer das „Neue Preußen“ auf, in kleinen zwanglos fliegenden Heften, erschaffen von dem Geheimen Regierungsrath Werdeck, dem Justizrath Kahle und dem Geh. Legationsrath Kahle, welche schon zur Zeit des ständischen Landtages ein ähnliches Unternehmen, damals jedoch in größerem Umfange beabsichtigt hatten. Als verantwortlicher Redakteur fungirte ein Herr Goldschmidt, Büreauschreiber des Justizraths Kahle. Dieser lose Schmetterling der Reaktion ging demnächst in die „Neue Berliner Zeitung“ des Geheimen Oberhofbuchdruckers Decker auf, welche ein Herr Balster (oder so ähnlich) aus der literarischen Anstalt des Geh. Regierungsrath Sulzer redigirte. Es ist dies dasselbe Blatt, um dessen Redaktion sich der Redakteur der Kölner Zeitung, Herr Brüggemann, bewarb. Die Unterhandlungen zerschlugen sich am Kostenpunkte. Nachdem jedoch diese Neuheit ihren Beruf der „deutschen Reform“ erkannt hatte, schied das „Neue Preußen“ des federgewandten Goldschmidt aus dieser Reform aus und mag jetzt wohl noch um das edle Haupt des tapfern Dänenbezwingers und über alle Maßen tapfern Belagerers der Anarchie zu Berlin lieblich schillernd in zierlichen Wellenlinien flattern. Nun, indeß dem Schmetterling folgte der Elephant. Man mußte etwas breit und klobig auftreten, um sich Platz zu machen. So hielt denn von Magdeburg die „Neue Preußische Zeitung“ ihren Einzug in Berlin. Die Seele des Unternehmens war der Konsistorial-Präsident Gerlach, welcher auch in den sehr gewissenhaften und ganz wahrheitssüchtigen monatlichen Rundschauen der „Neuen Preußischen Zeitung“ mit vielem Erfolg sich bethätigt hat. Zum verantwortlichen Redakteur wurde ein Oberlandesgerichtsassessor Wagner gemacht, ein sclavisch ergebenes Werkzeug des Herrn v. Gerlach.

Seine Unterbeamten wurden die Herren Dr. Hermes und Langbein, jener exministeriell bezahlte Redakteur der Berliner Bürgerzeitung, dieser exministeriell bezahlte Literat aus der Anstalt des Herrn Sulzer. Mit Herrn v. Gerlach verbanden sich die Professoren Leo und Stahl, und diese sind das leitende Triumvirat der reaktionären Presse. Als einer ihrer besten Knappen hat sich Herr Florencourt, der Vielerfahrene, bewiesen. Ihm sind jetzt auch große Ehren zu Theil geworden; er darf wirklich ministerielle Artikel für die „Spener'sche Zeitung“ schreiben. Bekannt sind die Bemühungen des Hrn. Bülow-Cummerow oder „Kummervoll“ nach der „Ewigen Lampe“ für sein Junkerparlament in der „Neuen Preußischen Zeitung“ und die Ausfälle dieses Blattes gegen den ehemaligen Finanzminister Hansemann. Ich kann in Betreff dieser Ausfälle aus guter Quelle versichern, daß sie sämmtlich von dem, vom ständischen Landtage her wohlbekannten Herrn v. Bismark-Schönhausen herrühren, der seine bezaubernden Witzfloskeln wie auf jenem Landtage, so auch in der „Neuen Preußischen Zeitung“ zur Genüge ausgestreut hat. Die sonstigen Mitarbeiter der „Neuen Preußischen Zeitung“ sind ziemlich vollständig folgende: Aus Königsberg Dr. Dietlein und Emil Lindenberg; aus Posen Hr. Regierungsrath Klee. Vom Rhein korrespondiren zum größten Theil evangelische Prediger; aus Köln Herr Regierungsrath Grashof. In Berlin ist noch der Assessor Bindewald eng mit der Zeitung verbunden. Die Berliner Artikel mit L bezeichnet, sind von Langbein, die mit H bezeichnet von Hermes. Ein Hr. Herrmann hat die Berichte aus der Nationalversammlung geliefert. Der jetzige Adjutant des Königs, von Boddien, hat aus Frankfurt mitgearbeitet. Das unübertreffliche Feuilleton besorgt Herr Herrmann Gödsche, Ex-Postsekretär. Eine Hauptstütze des Blattes, besonders in Geldangelegenheiten, sind der Prinz von Prenßen, die Prinzessin von Preußen und der Prinz Karl von Preußen. Der König hat sie immer sehr aufmerksam gelesen, voilà die Folgen. Hierbei ist es indeß eben so gewiß, daß auch die englische Tory-Presse den König zu seinen letzten Entschlüssen gebracht hat. Er hat es nicht ertragen können, daß die Morning-Post ihn, gegenüber dem heroischen Kaiser von Oestreich, als feige bezeichnet hat.

Die letzten Stnuden Robert Blum's.

Ueber die letzten Stunden Robert Blum's giebt L. Wittig, ein Freund Blum's in der „Dresdener Zeitung“ folgende Mittheilungen. Am 1. Nov. früh, als die Stadt bereits gefallen war, gingen R. Fränzel und ich zu Blum, der mit Fröbel im Gasthause zur Stadt London wohnte. Der Reichstags-Abgeordnete Hartmann kam ebenfalls dahin mit der Warnung an Blum sich zu hüten, er glaube ihn gefährdet, wenigstens in diesen Tagen sich nicht öffentlich zu zeigen. Blum und Fröbel befolgten diesen Rath, ohne daß einer von uns an eine wirkliche Gefahr glaubte, trotz der Militair-Despotie, der Wien unter einem beadreßten Windischgrätz verfallen war. Wir blieben bis zum Abend vereint, und Blum äußerte noch scherzweise, selbst vor dem Kriegsgerichte werde er leicht beweisen können, daß er den kaiserlichen

<TEI>
  <text>
    <pb facs="#f0001" n="0877"/>
    <front>
      <titlePage type="heading">
        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
        <docImprint>
          <docDate>No 164. Köln, Samstag den 9. Dezember. 1848.</docDate>
        </docImprint>
      </titlePage>
    </front>
    <body>
      <div>
        <epigraph>
          <p> <hi rendition="#b">Keine Steuern mehr!!!</hi> </p>
        </epigraph>
      </div>
      <div n="1">
        <p>Zu Nro. 163 der &#x201E;N. Rh. Zeitung.&#x201C; erschien am Freitag den 8. Dezbr., Morgens, eine <hi rendition="#g">zweite Beilage,</hi> welche an unsere geehrten Abonnenten versandt wurde.</p>
      </div>
      <div type="contents" n="1">
        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland</hi>. Köln. (Die Flucht des Papstes). Barmen. (Heulerische Agitation gegen die &#x201E;N. Rh. Z.&#x201C;). Aus dem Wupperthale. (Zustände). Berlin. (Die Octroyirung. &#x2014; Gerichtliche Verfolgung gegen viele Abgeordnete in Aussicht. &#x2014; Wirksamkeit anonymer Denunciationen. &#x2014; Hilfsgesuch des Fürsten zu Schaumburg-Lippe). Breslau. (Verhaftungen. &#x2014; Der Abgeordnete Stein vor den Wahlmännern. &#x2014; Politische Verurtheilung. &#x2014; Rekrutenverweigerung in Böhmen und Mähren). Wien. (Proben aus der &#x201E;guten&#x201C; Presse. &#x2014; Auswärtiges. &#x2014; Rückverlegung der Waffen. &#x2014; Betheiligung vieler Franzosen am Oktoberkampf. &#x2014; Offizielle Antwort über R. Blum's Ermordung. &#x2014; Ankunft des neuen Kaisers erwartet. &#x2014; General Gruber Oberbefehlshaber gegen Ungarn. &#x2014; Klausenburgs Einnahme durch die k. k. Truppen).</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien</hi>. (Neue Details über die Flucht des Papstes). Rom. (Kammersitzung). Bologna. (Vorrücken der Oesterreicher). Florenz. (Aufregung). Neapel. (Annehmlichkeiten der &#x201E;konstitutionellen&#x201C; Monarchie).</p>
        <p><hi rendition="#g">Schweiz</hi>. Waadt (Nahe Freilassung des Bischofs von Freiburg). Genf. (Blum-Comite). Schaffhausen. (Abschaffung des &#x201E;Junker&#x201C;-Titels). Baselland. (Fruchtlose Haussuchungen). Graubündten. (Die italienischen Flüchtlinge).</p>
        <p><hi rendition="#g">Franz. Republik</hi>. Paris. (Der Papst. &#x2014; Aus Harcourts Korrespondenz. &#x2014; Das &#x201E;Univers&#x201C; über den Cavaignac'schen Electoralwind. &#x2014; Die Mollière'sche Brigade wird nach Ancona eingeschifft. &#x2014; Vermischtes. &#x2014; National-Versammlung).</p>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Deutschland.</head>
        <div xml:id="ar164_001" type="jArticle">
          <head><bibl><author>43</author></bibl> Köln, 8. Dez.</head>
          <p>Die Flucht des Pabstes bildet einen Abschnitt in der Geschichte der Revolutionen von 1848.</p>
          <p>Mit Pius IX. stürzt der größte Repräsentant der <hi rendition="#g">Politik des guten Willens.</hi> Die Politik des guten Willens ist aber die vorherrschende gewesen bei allen revolutionären Regierungen dieses Jahres. Sie hatten den besten Willen von der Welt, die französische provisorische Regierung, das Ministerium Camphausen (?), die provisorische Regierung von Mailand und wie alle die zahllosen emporgekommenen und gestürzten Regierungen dieses Jahres heißen, und eben weil sie nichts besseres hatten als ihren guten Willen, sind sie zu Grunde gegangen und haben die Revolution mit in ihren Fall verwickelt. Die Regierung des guten Willens datirt aber von den ersten Reformversuchen Pius IX., und Pius IX. war und blieb ihr Hauptrepräsentant. Wo hat der gute Wille der Regierung sich so unläugbar, so wiederholt, so unermüdlich, so langmüthig gezeigt, wie bei Pius IX.? Immer gab er nach, immer war er bei der Hand, um zwischen den Wünschen des Volks und dem, was er für das Beste des Volks hielt, zu vermitteln, immer suchte er mit der Bewegung Schritt zu halten. Schwach, schwankend, aus lauter Vorsicht bald rechts, bald links die Gränzen der Klugheit überschreitend, aber immer voll der wärmsten Liebe zu seinem Volk, war Pius das Ideal des regierenden &#x201E;guten Willens&#x201C;. Ohne die Februarrevolution und die folgenden europäischen Stürme wäre Pius als großer Mann gestorben. Aber die Zeit ist ihm plötzlich über den Kopf gewachsen und der beste Wille, der gemüthlichste Patriarchenfürst von Europa, in ein fremdes Element gerissen, fand es gerathen, sich an das kontrerevolutionäre Ministerium Rossi anzuklammern, und das ward sein Untergang. Ohne Rücksicht auf den guten Willen wurde er, der Iniziatore (wie die Italiener sagen) der ganzen Bewegung, ebenso von dieser Bewegung bei Seite geworfen, wie sein strikter Gegensatz Louis Philipp. Der gute Wille und der böse Wille sind gleich vor der Revolution!</p>
          <p>Im ganzen übrigen Europa hat der &#x201E;gute Wille&#x201C; die Contrerevolution hervorgerufen. Aber was an [der] römischen Revolution und der Entfernung Pius IX. gerade das Charakteristische ist, das ist, daß hier der gute Wille nicht der Contrerevolution, sondern der <hi rendition="#g">Revolution</hi> Platz gemacht hat, und namentlich, daß die Revolution genöthigt gewesen ist, diese von ganz Europa anerkannte, heiliggesprochene, gefeierte, unantastbare Inkarnation des guten Willens zu beseitigen. Nach Pius IX. ist keine Regierung des guten Willens mehr möglich; in Pius IX. hat sich ihr Ideal kompromittirt. Die Regierung der wohlmeinenden Impotenz, der liebevollen Vertuschung, der schlechten Mittel aus den besten Absichten, hat ein Ende erreicht; die römische Revolution ist der schlagendste Beweis, daß heutzutage keine Staatsform mehr erträglich ist, die an die Stelle des aus der gesellschaftlichen Entwicklungsstufe der Nation und den damit gegebnen Bedürfnissen entspringenden Volkswillens irgend einen Privatwillen setzt, und sei es auch der beste Wille von der Welt, der Wille eines Pius IX.!</p>
        </div>
        <div xml:id="ar164_002" type="jArticle">
          <head>Barmen, 6. Dez.</head>
          <p>Gegen Ihre Zeitung wird hier von den Männern der Contrerevolution ein förmlicher Feldzug eröffnet. Nicht nur, daß man sie aus den Gesellschaftslokalen, in welchen sie das Kommando führen, entfernt zu halten sucht, wendet man auch gegen Wirthe und Privatpersonen alle nur erdenklichen Mittel an, um das &#x201E;Schandblatt&#x201C; zu unterdrücken. Es ist wirklich oft naiv, welche Mittel die Herren vom Geldsack anwenden, um ihre Zwecke zu erreichen; sie, die sonst das &#x201E;Volk&#x201C; nicht ansehen, erklären den Wirthen, sie würden zuweilen bei ihnen Bier trinken, wenn man die Zeitung abschaffe. Die Wirthe kennen ihren Vortheil aber besser, sie wissen, daß die alten biertrinkenden Stammgäste wegbleiben, wenn die Herren mit den Glacéehandschuhen bei ihnen eintreten. Wir werden Ihnen nächstens eine Liste der Herren senden, die gegen Ihr Blatt agitiren. Bis jetzt sind es ein Bürgerwehrhauptmann, ein Beigeordneter und ein schwarzer Volksredner, von denen wir mit Bestimmtheit wissen, daß sie höchst persönlich gegen sie auftreten.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar164_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>15</author></bibl> Aus dem Wupperthal, 7. Dez.</head>
          <p>Bei der kolossalen Katzenmusik, welche das gesammte preußische Heulerkorps der errungenen Volksfreiheit zu bringen beschäftigt ist, ertönt am lautesten das Geschrei des gesegneten Wupperthals. Der Staats-Anzeiger nimmt seine offiziellen Pausbacken voll bis zum Zerplatzen und sprachrohrt in die Welt hinaus: &#x201E;Seht! Seht! Hört! Hört! Unsere getreuen Unterthanen an der Wupper, achttausend und mehr fromme Männer, ächt christlich-germanischen Schlages, sie sind <hi rendition="#g">für</hi> uns &#x2014; wer wagt es nun noch, wider uns zu sein?&#x201C; In der That, das Wupperthal hat es dem ganzen übrigen Lande mit den allerunterthänigsten Zustimmungs-Adressen an Zahl wie an Gewicht, d. h. nach dem Maßstabe des Geldes, welches viele der Unterzeichner besitzen, zuvorgethan. <hi rendition="#g">Heuchelei</hi> &#x2014; das weiß Jeder, der das Wupperthal auch nur oberflächlich kennt, &#x2014; Heuchelei in der höchsten Potenz, und in allen Erscheinungsweisen, ist das Grundmedium, welches alle hiesigen Verhältnisse trägt und bewegt. Man nimmt es Ihnen übel!&#x201C; das ist die Zauberformel, die überall einem freien Ausdruck vernunftgemäßer Ueberzeugung entgegentritt, in religiösen, wie in sozialen und politischen Verhältnissen: aber größere, himmelschreiendere Heuchelei, kolossalere Lügen sind nie und nimmer zu Tage geboren, als <hi rendition="#g">die</hi> Stimmen aus dem Wupperthale, die man zu einem Strahlenkranze des Ruhmes um die Hänpter eines von der Nation verabscheuten Ministeriums zu gestalten bemüht ist. Die ganze hiesige Bevölkerung zerfällt &#x2014; wenn wir ohne allen Euphemismus reden wollen &#x2014; in: Herren und Knechte. Von den &#x201E;Herren&#x201C; in Beziehung auf Religion reden wir nicht, denn es ist weltbekannt, wie unsere Geistlichen und die einmal anerkannten Führer religiöser Parteien und Sekten bei ihren Anhängern eine so unfehlbare Autorität genießen, daß sogar eine Adresse an den leibhaftigen &#x201E;Gott sei bei uns!&#x201C; sich mit Tausenden von Unterschriften bedecken würde, wenn irgend ein fanatischer evangelischer Pastor sie entworfen oder unterzeichnet hätte.</p>
          <p>Schon daraus wird es klar, wie die Honigseim-Adressen an das Ministerium Brandenburg, das der Geistlichkeit die frohe Aussicht auf Restauration des christlich-germanischen Staates eröffnet, den Beifall erlangen mußten der &#x201E;Kinder der Gnade&#x201C;, denen die Welt ein Gräuel ist, und die darum unbedingt auch in politischen Dingen ihren Leithämmeln folgen. Die Haupt<hi rendition="#g">lüge dieser</hi> Kathegorie Wupperthaler besteht nun in dem Ausdruck des Vertrauens auf die Gewährung der zugesicherten sogenannten konstitutionellen Freiheiten, welcher in dem Phrasenbombast jener Zustimmungs-Adressen enthalten ist, da denen unter ihnen, welche selbst eines Urtheils fähig sind, nichts fürchterlicher erscheint, als eine Konstitution, zumal auf breiten, <hi rendition="#g">demokratischen</hi> Grundlagen. <hi rendition="#g">Die</hi> wollen nun auch freilich <hi rendition="#g">die</hi> Herren nicht, die wir als Ur- und Hauptlügner, als Verführer zur Lüge, zu brandmarken vorhaben, nämlich die Herren vom Geldsack, die reichen Banquiers, die großen Stoffhändler, Kaufleute und Fabrikanten, denen der größte Theil der Bevölkerung des Wupperthals und der Umgegend: die kleinern Kaufleute und Fabrikanten und die große Zahl der Arbeiter (Commis, Makler u. s. w. inbegriffen) und Handwerker als <hi rendition="#g">Knechte um des lieben Brodes willen</hi> unterthan sein müsseu. Unter diesen Knechten gibt es eine große Zahl, &#x2014; ja, wenn sie sich <hi rendition="#g">frei</hi> aussprechen könnten, so gehören sie alle dazu, &#x2014; die mit wahrer inniger Freude die neue Zeit begrüßt haben, weil sie den Druck des Absolutismus bis in die innersten Verhältnisse des sozialen Lebens schmerzlich empfanden, die die Emanzipation des Volkes, für die das Wahlgesetz vom 8. April ihnen einige Hoffnung machte, die das Recht sich zu versammeln und gemeinsam über gemeinsame Angelegenheiten zu berathen, die Freiheit der Presse, die Aussicht auf eine gerechte Einkommensteuer, auf freie Selbstverwaltung der Gemeinden, als erste Früchte der Revolution jubelnd willkommen hießen, die laut oder insgeheim frohlockten über den Sturz des Geldsacks!</p>
          <p>Aber dieser Jubel, dieses Frohlocken war den &#x201E;Herren&#x201C; ein Dorn im Auge; darum machten sie Anfangs öffentlich bonne mine à mauvais jeu, aber insgeheim arbeiteten sie schon gemeinschaftlich mit den Vereinen &#x201E;für König und Vaterland&#x201C; an der Contrerevolution. Und als nun in dem Ministerium Brandenburg ihre Hoffnungen sich zu erfüllen schienen, benutzten sie ihre ganze Macht um ihrem Geheul durch das Einstimmen ihrer Vasallen größere Bedeutung zu verschaffen. Die Gemeinderäthe, die Wahlmänner mußten zuerst in das Horn der Geldsäcke blasen. Das gab Muth, und nun trat man mit den allgemeinen Heuleradressen hervor. Die Herren vom Geldsack trugen sie persönlich Haus bei Haus; vor der Autorität solcher Colporteurs mußte jeder Einwand des gewöhnlichen Mannes verstummen; man redete hier deu Einfältigen vor: die Nationalversammlung sey eine Rotte von Rebellen, die den König aus dem Lande jagen wollen; man log dort: es werde zu Gunsten der Arbeiter petitionirt, denen die Republikaner das Brod nehmen wollten, kurz, man argumentirte ad hominem, wie es grade nützlich schien; der Zweck mußte die schändlichsten Mittel heiligen. Es galt nur Unterschriften und Unterschriften zu erlangen, man ließ Weiber und Kinder unterzeichnen in Abwesenheit der Männer. In den Fabriken kommandirte man die Arbeiter aufs Komptoir. Einzelne Herren, deren wir eine Menge namhaft machen könnten, logen den Arbeitern die fürchterlichsten Dinge vor, die durch die Unterschriften abgewandt werden sollten, alle aber zeigten auf die eigene Unterschrift, und, wenn sie es nicht gradezu aussprachen, so war es dem dummsten Arbeiter doch ohne Erklä- <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref>                 </p>
        </div>
      </div>
      <div type="jFeuilleton" n="1">
        <div xml:id="ar164_004" type="jArticle">
          <head>Wichtige Enthüllungen in Betreff der reaktionären Presse.<lb/><hi rendition="#g">Erschienen bei Reuter und Stargardt</hi>.</head>
          <p>Die &#x201E;Neue Preußische Zeitung,&#x201C; sonst der possirliche Harlequin, an dessen Sprüngen wir uns ergötzten, ist durch &#x201E;Verhältnisse&#x201C; zum Organ der herrschenden Partei avancirt. Es wird interessant sein, die Köche kennen zu lernen, welche diesen Hexenkessel umstehen und das Feuer des Aufruhrs und des Bürgerkrieges schüren.</p>
          <p>Die &#x201E;Neue Preußische Zeitung&#x201C; entstand aus einem wahren Bedürfnisse. Im März gingen der &#x201E;Janus&#x201C; des Professor Huber und die &#x201E;Berliner Bürgerzeitung&#x201C; des Dr. Hermes ein, weil sie kein Geld mehr aus dem Ministerium des Innern erhielteu. Aber wie hätten Tausende in Preußen ohne eine ergebenste Presse leben können? So trat denn zuerst als Vorläufer das &#x201E;Neue Preußen&#x201C; auf, in kleinen zwanglos fliegenden Heften, erschaffen von dem Geheimen Regierungsrath Werdeck, dem Justizrath Kahle und dem Geh. Legationsrath Kahle, welche schon zur Zeit des ständischen Landtages ein ähnliches Unternehmen, damals jedoch in größerem Umfange beabsichtigt hatten. Als verantwortlicher Redakteur fungirte ein Herr Goldschmidt, Büreauschreiber des Justizraths Kahle. Dieser lose Schmetterling der Reaktion ging demnächst in die &#x201E;Neue Berliner Zeitung&#x201C; des Geheimen Oberhofbuchdruckers Decker auf, welche ein Herr Balster (oder so ähnlich) aus der literarischen Anstalt des Geh. Regierungsrath Sulzer redigirte. Es ist dies dasselbe Blatt, um dessen Redaktion sich der Redakteur der Kölner Zeitung, Herr Brüggemann, bewarb. Die Unterhandlungen zerschlugen sich am Kostenpunkte. Nachdem jedoch diese Neuheit ihren Beruf der &#x201E;deutschen Reform&#x201C; erkannt hatte, schied das &#x201E;Neue Preußen&#x201C; des federgewandten Goldschmidt aus dieser Reform aus und mag jetzt wohl noch um das edle Haupt des tapfern Dänenbezwingers und über alle Maßen tapfern Belagerers der Anarchie zu Berlin lieblich schillernd in zierlichen Wellenlinien flattern. Nun, indeß dem Schmetterling folgte der Elephant. Man mußte etwas breit und klobig auftreten, um sich Platz zu machen. So hielt denn von Magdeburg die &#x201E;Neue Preußische Zeitung&#x201C; ihren Einzug in Berlin. Die Seele des Unternehmens war der Konsistorial-Präsident Gerlach, welcher auch in den sehr gewissenhaften und ganz wahrheitssüchtigen monatlichen Rundschauen der &#x201E;Neuen Preußischen Zeitung&#x201C; mit vielem Erfolg sich bethätigt hat. Zum verantwortlichen Redakteur wurde ein Oberlandesgerichtsassessor Wagner gemacht, ein sclavisch ergebenes Werkzeug des Herrn v. Gerlach.</p>
          <p>Seine Unterbeamten wurden die Herren Dr. Hermes und Langbein, jener exministeriell bezahlte Redakteur der Berliner Bürgerzeitung, dieser exministeriell bezahlte Literat aus der Anstalt des Herrn Sulzer. Mit Herrn v. Gerlach verbanden sich die Professoren Leo und Stahl, und diese sind das leitende Triumvirat der reaktionären Presse. Als einer ihrer besten Knappen hat sich Herr Florencourt, der Vielerfahrene, bewiesen. Ihm sind jetzt auch große Ehren zu Theil geworden; er darf wirklich ministerielle Artikel für die &#x201E;Spener'sche Zeitung&#x201C; schreiben. Bekannt sind die Bemühungen des Hrn. Bülow-Cummerow oder &#x201E;Kummervoll&#x201C; nach der &#x201E;Ewigen Lampe&#x201C; für sein Junkerparlament in der &#x201E;Neuen Preußischen Zeitung&#x201C; und die Ausfälle dieses Blattes gegen den ehemaligen Finanzminister Hansemann. Ich kann in Betreff dieser Ausfälle aus guter Quelle versichern, daß sie sämmtlich von dem, vom ständischen Landtage her wohlbekannten Herrn v. Bismark-Schönhausen herrühren, der seine bezaubernden Witzfloskeln wie auf jenem Landtage, so auch in der &#x201E;Neuen Preußischen Zeitung&#x201C; zur Genüge ausgestreut hat. Die sonstigen Mitarbeiter der &#x201E;Neuen Preußischen Zeitung&#x201C; sind ziemlich vollständig folgende: Aus Königsberg Dr. Dietlein und Emil Lindenberg; aus Posen Hr. Regierungsrath Klee. Vom Rhein korrespondiren zum größten Theil evangelische Prediger; aus Köln Herr Regierungsrath Grashof. In Berlin ist noch der Assessor Bindewald eng mit der Zeitung verbunden. Die Berliner Artikel mit L bezeichnet, sind von Langbein, die mit H bezeichnet von Hermes. Ein Hr. Herrmann hat die Berichte aus der Nationalversammlung geliefert. Der jetzige Adjutant des Königs, von Boddien, hat aus Frankfurt mitgearbeitet. Das unübertreffliche Feuilleton besorgt Herr Herrmann Gödsche, Ex-Postsekretär. Eine Hauptstütze des Blattes, besonders in Geldangelegenheiten, sind der Prinz von Prenßen, die Prinzessin von Preußen und der Prinz Karl von Preußen. Der König hat sie immer sehr aufmerksam gelesen, voilà die Folgen. Hierbei ist es indeß eben so gewiß, daß auch die englische Tory-Presse den König zu seinen letzten Entschlüssen gebracht hat. Er hat es nicht ertragen können, daß die Morning-Post ihn, gegenüber dem heroischen Kaiser von Oestreich, als feige bezeichnet hat.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar164_005" type="jArticle">
          <head>Die letzten Stnuden Robert Blum's.</head>
          <p>Ueber die letzten Stunden Robert Blum's giebt L. Wittig, ein Freund Blum's in der &#x201E;Dresdener Zeitung&#x201C; folgende Mittheilungen. Am 1. Nov. früh, als die Stadt bereits gefallen war, gingen R. Fränzel und ich zu Blum, der mit Fröbel im Gasthause zur Stadt London wohnte. Der Reichstags-Abgeordnete Hartmann kam ebenfalls dahin mit der Warnung an Blum sich zu hüten, er glaube ihn gefährdet, wenigstens in diesen Tagen sich nicht öffentlich zu zeigen. Blum und Fröbel befolgten diesen Rath, ohne daß einer von uns an eine wirkliche Gefahr glaubte, trotz der Militair-Despotie, der Wien unter einem beadreßten Windischgrätz verfallen war. Wir blieben bis zum Abend vereint, und Blum äußerte noch scherzweise, selbst vor dem Kriegsgerichte werde er leicht beweisen können, daß er den kaiserlichen
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0877/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 164. Köln, Samstag den 9. Dezember. 1848. Keine Steuern mehr!!! Zu Nro. 163 der „N. Rh. Zeitung.“ erschien am Freitag den 8. Dezbr., Morgens, eine zweite Beilage, welche an unsere geehrten Abonnenten versandt wurde. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Die Flucht des Papstes). Barmen. (Heulerische Agitation gegen die „N. Rh. Z.“). Aus dem Wupperthale. (Zustände). Berlin. (Die Octroyirung. — Gerichtliche Verfolgung gegen viele Abgeordnete in Aussicht. — Wirksamkeit anonymer Denunciationen. — Hilfsgesuch des Fürsten zu Schaumburg-Lippe). Breslau. (Verhaftungen. — Der Abgeordnete Stein vor den Wahlmännern. — Politische Verurtheilung. — Rekrutenverweigerung in Böhmen und Mähren). Wien. (Proben aus der „guten“ Presse. — Auswärtiges. — Rückverlegung der Waffen. — Betheiligung vieler Franzosen am Oktoberkampf. — Offizielle Antwort über R. Blum's Ermordung. — Ankunft des neuen Kaisers erwartet. — General Gruber Oberbefehlshaber gegen Ungarn. — Klausenburgs Einnahme durch die k. k. Truppen). Italien. (Neue Details über die Flucht des Papstes). Rom. (Kammersitzung). Bologna. (Vorrücken der Oesterreicher). Florenz. (Aufregung). Neapel. (Annehmlichkeiten der „konstitutionellen“ Monarchie). Schweiz. Waadt (Nahe Freilassung des Bischofs von Freiburg). Genf. (Blum-Comite). Schaffhausen. (Abschaffung des „Junker“-Titels). Baselland. (Fruchtlose Haussuchungen). Graubündten. (Die italienischen Flüchtlinge). Franz. Republik. Paris. (Der Papst. — Aus Harcourts Korrespondenz. — Das „Univers“ über den Cavaignac'schen Electoralwind. — Die Mollière'sche Brigade wird nach Ancona eingeschifft. — Vermischtes. — National-Versammlung). Deutschland. 43 Köln, 8. Dez. Die Flucht des Pabstes bildet einen Abschnitt in der Geschichte der Revolutionen von 1848. Mit Pius IX. stürzt der größte Repräsentant der Politik des guten Willens. Die Politik des guten Willens ist aber die vorherrschende gewesen bei allen revolutionären Regierungen dieses Jahres. Sie hatten den besten Willen von der Welt, die französische provisorische Regierung, das Ministerium Camphausen (?), die provisorische Regierung von Mailand und wie alle die zahllosen emporgekommenen und gestürzten Regierungen dieses Jahres heißen, und eben weil sie nichts besseres hatten als ihren guten Willen, sind sie zu Grunde gegangen und haben die Revolution mit in ihren Fall verwickelt. Die Regierung des guten Willens datirt aber von den ersten Reformversuchen Pius IX., und Pius IX. war und blieb ihr Hauptrepräsentant. Wo hat der gute Wille der Regierung sich so unläugbar, so wiederholt, so unermüdlich, so langmüthig gezeigt, wie bei Pius IX.? Immer gab er nach, immer war er bei der Hand, um zwischen den Wünschen des Volks und dem, was er für das Beste des Volks hielt, zu vermitteln, immer suchte er mit der Bewegung Schritt zu halten. Schwach, schwankend, aus lauter Vorsicht bald rechts, bald links die Gränzen der Klugheit überschreitend, aber immer voll der wärmsten Liebe zu seinem Volk, war Pius das Ideal des regierenden „guten Willens“. Ohne die Februarrevolution und die folgenden europäischen Stürme wäre Pius als großer Mann gestorben. Aber die Zeit ist ihm plötzlich über den Kopf gewachsen und der beste Wille, der gemüthlichste Patriarchenfürst von Europa, in ein fremdes Element gerissen, fand es gerathen, sich an das kontrerevolutionäre Ministerium Rossi anzuklammern, und das ward sein Untergang. Ohne Rücksicht auf den guten Willen wurde er, der Iniziatore (wie die Italiener sagen) der ganzen Bewegung, ebenso von dieser Bewegung bei Seite geworfen, wie sein strikter Gegensatz Louis Philipp. Der gute Wille und der böse Wille sind gleich vor der Revolution! Im ganzen übrigen Europa hat der „gute Wille“ die Contrerevolution hervorgerufen. Aber was an [der] römischen Revolution und der Entfernung Pius IX. gerade das Charakteristische ist, das ist, daß hier der gute Wille nicht der Contrerevolution, sondern der Revolution Platz gemacht hat, und namentlich, daß die Revolution genöthigt gewesen ist, diese von ganz Europa anerkannte, heiliggesprochene, gefeierte, unantastbare Inkarnation des guten Willens zu beseitigen. Nach Pius IX. ist keine Regierung des guten Willens mehr möglich; in Pius IX. hat sich ihr Ideal kompromittirt. Die Regierung der wohlmeinenden Impotenz, der liebevollen Vertuschung, der schlechten Mittel aus den besten Absichten, hat ein Ende erreicht; die römische Revolution ist der schlagendste Beweis, daß heutzutage keine Staatsform mehr erträglich ist, die an die Stelle des aus der gesellschaftlichen Entwicklungsstufe der Nation und den damit gegebnen Bedürfnissen entspringenden Volkswillens irgend einen Privatwillen setzt, und sei es auch der beste Wille von der Welt, der Wille eines Pius IX.! Barmen, 6. Dez. Gegen Ihre Zeitung wird hier von den Männern der Contrerevolution ein förmlicher Feldzug eröffnet. Nicht nur, daß man sie aus den Gesellschaftslokalen, in welchen sie das Kommando führen, entfernt zu halten sucht, wendet man auch gegen Wirthe und Privatpersonen alle nur erdenklichen Mittel an, um das „Schandblatt“ zu unterdrücken. Es ist wirklich oft naiv, welche Mittel die Herren vom Geldsack anwenden, um ihre Zwecke zu erreichen; sie, die sonst das „Volk“ nicht ansehen, erklären den Wirthen, sie würden zuweilen bei ihnen Bier trinken, wenn man die Zeitung abschaffe. Die Wirthe kennen ihren Vortheil aber besser, sie wissen, daß die alten biertrinkenden Stammgäste wegbleiben, wenn die Herren mit den Glacéehandschuhen bei ihnen eintreten. Wir werden Ihnen nächstens eine Liste der Herren senden, die gegen Ihr Blatt agitiren. Bis jetzt sind es ein Bürgerwehrhauptmann, ein Beigeordneter und ein schwarzer Volksredner, von denen wir mit Bestimmtheit wissen, daß sie höchst persönlich gegen sie auftreten. 15 Aus dem Wupperthal, 7. Dez. Bei der kolossalen Katzenmusik, welche das gesammte preußische Heulerkorps der errungenen Volksfreiheit zu bringen beschäftigt ist, ertönt am lautesten das Geschrei des gesegneten Wupperthals. Der Staats-Anzeiger nimmt seine offiziellen Pausbacken voll bis zum Zerplatzen und sprachrohrt in die Welt hinaus: „Seht! Seht! Hört! Hört! Unsere getreuen Unterthanen an der Wupper, achttausend und mehr fromme Männer, ächt christlich-germanischen Schlages, sie sind für uns — wer wagt es nun noch, wider uns zu sein?“ In der That, das Wupperthal hat es dem ganzen übrigen Lande mit den allerunterthänigsten Zustimmungs-Adressen an Zahl wie an Gewicht, d. h. nach dem Maßstabe des Geldes, welches viele der Unterzeichner besitzen, zuvorgethan. Heuchelei — das weiß Jeder, der das Wupperthal auch nur oberflächlich kennt, — Heuchelei in der höchsten Potenz, und in allen Erscheinungsweisen, ist das Grundmedium, welches alle hiesigen Verhältnisse trägt und bewegt. Man nimmt es Ihnen übel!“ das ist die Zauberformel, die überall einem freien Ausdruck vernunftgemäßer Ueberzeugung entgegentritt, in religiösen, wie in sozialen und politischen Verhältnissen: aber größere, himmelschreiendere Heuchelei, kolossalere Lügen sind nie und nimmer zu Tage geboren, als die Stimmen aus dem Wupperthale, die man zu einem Strahlenkranze des Ruhmes um die Hänpter eines von der Nation verabscheuten Ministeriums zu gestalten bemüht ist. Die ganze hiesige Bevölkerung zerfällt — wenn wir ohne allen Euphemismus reden wollen — in: Herren und Knechte. Von den „Herren“ in Beziehung auf Religion reden wir nicht, denn es ist weltbekannt, wie unsere Geistlichen und die einmal anerkannten Führer religiöser Parteien und Sekten bei ihren Anhängern eine so unfehlbare Autorität genießen, daß sogar eine Adresse an den leibhaftigen „Gott sei bei uns!“ sich mit Tausenden von Unterschriften bedecken würde, wenn irgend ein fanatischer evangelischer Pastor sie entworfen oder unterzeichnet hätte. Schon daraus wird es klar, wie die Honigseim-Adressen an das Ministerium Brandenburg, das der Geistlichkeit die frohe Aussicht auf Restauration des christlich-germanischen Staates eröffnet, den Beifall erlangen mußten der „Kinder der Gnade“, denen die Welt ein Gräuel ist, und die darum unbedingt auch in politischen Dingen ihren Leithämmeln folgen. Die Hauptlüge dieser Kathegorie Wupperthaler besteht nun in dem Ausdruck des Vertrauens auf die Gewährung der zugesicherten sogenannten konstitutionellen Freiheiten, welcher in dem Phrasenbombast jener Zustimmungs-Adressen enthalten ist, da denen unter ihnen, welche selbst eines Urtheils fähig sind, nichts fürchterlicher erscheint, als eine Konstitution, zumal auf breiten, demokratischen Grundlagen. Die wollen nun auch freilich die Herren nicht, die wir als Ur- und Hauptlügner, als Verführer zur Lüge, zu brandmarken vorhaben, nämlich die Herren vom Geldsack, die reichen Banquiers, die großen Stoffhändler, Kaufleute und Fabrikanten, denen der größte Theil der Bevölkerung des Wupperthals und der Umgegend: die kleinern Kaufleute und Fabrikanten und die große Zahl der Arbeiter (Commis, Makler u. s. w. inbegriffen) und Handwerker als Knechte um des lieben Brodes willen unterthan sein müsseu. Unter diesen Knechten gibt es eine große Zahl, — ja, wenn sie sich frei aussprechen könnten, so gehören sie alle dazu, — die mit wahrer inniger Freude die neue Zeit begrüßt haben, weil sie den Druck des Absolutismus bis in die innersten Verhältnisse des sozialen Lebens schmerzlich empfanden, die die Emanzipation des Volkes, für die das Wahlgesetz vom 8. April ihnen einige Hoffnung machte, die das Recht sich zu versammeln und gemeinsam über gemeinsame Angelegenheiten zu berathen, die Freiheit der Presse, die Aussicht auf eine gerechte Einkommensteuer, auf freie Selbstverwaltung der Gemeinden, als erste Früchte der Revolution jubelnd willkommen hießen, die laut oder insgeheim frohlockten über den Sturz des Geldsacks! Aber dieser Jubel, dieses Frohlocken war den „Herren“ ein Dorn im Auge; darum machten sie Anfangs öffentlich bonne mine à mauvais jeu, aber insgeheim arbeiteten sie schon gemeinschaftlich mit den Vereinen „für König und Vaterland“ an der Contrerevolution. Und als nun in dem Ministerium Brandenburg ihre Hoffnungen sich zu erfüllen schienen, benutzten sie ihre ganze Macht um ihrem Geheul durch das Einstimmen ihrer Vasallen größere Bedeutung zu verschaffen. Die Gemeinderäthe, die Wahlmänner mußten zuerst in das Horn der Geldsäcke blasen. Das gab Muth, und nun trat man mit den allgemeinen Heuleradressen hervor. Die Herren vom Geldsack trugen sie persönlich Haus bei Haus; vor der Autorität solcher Colporteurs mußte jeder Einwand des gewöhnlichen Mannes verstummen; man redete hier deu Einfältigen vor: die Nationalversammlung sey eine Rotte von Rebellen, die den König aus dem Lande jagen wollen; man log dort: es werde zu Gunsten der Arbeiter petitionirt, denen die Republikaner das Brod nehmen wollten, kurz, man argumentirte ad hominem, wie es grade nützlich schien; der Zweck mußte die schändlichsten Mittel heiligen. Es galt nur Unterschriften und Unterschriften zu erlangen, man ließ Weiber und Kinder unterzeichnen in Abwesenheit der Männer. In den Fabriken kommandirte man die Arbeiter aufs Komptoir. Einzelne Herren, deren wir eine Menge namhaft machen könnten, logen den Arbeitern die fürchterlichsten Dinge vor, die durch die Unterschriften abgewandt werden sollten, alle aber zeigten auf die eigene Unterschrift, und, wenn sie es nicht gradezu aussprachen, so war es dem dummsten Arbeiter doch ohne Erklä- [Fortsetzung] Wichtige Enthüllungen in Betreff der reaktionären Presse. Erschienen bei Reuter und Stargardt. Die „Neue Preußische Zeitung,“ sonst der possirliche Harlequin, an dessen Sprüngen wir uns ergötzten, ist durch „Verhältnisse“ zum Organ der herrschenden Partei avancirt. Es wird interessant sein, die Köche kennen zu lernen, welche diesen Hexenkessel umstehen und das Feuer des Aufruhrs und des Bürgerkrieges schüren. Die „Neue Preußische Zeitung“ entstand aus einem wahren Bedürfnisse. Im März gingen der „Janus“ des Professor Huber und die „Berliner Bürgerzeitung“ des Dr. Hermes ein, weil sie kein Geld mehr aus dem Ministerium des Innern erhielteu. Aber wie hätten Tausende in Preußen ohne eine ergebenste Presse leben können? So trat denn zuerst als Vorläufer das „Neue Preußen“ auf, in kleinen zwanglos fliegenden Heften, erschaffen von dem Geheimen Regierungsrath Werdeck, dem Justizrath Kahle und dem Geh. Legationsrath Kahle, welche schon zur Zeit des ständischen Landtages ein ähnliches Unternehmen, damals jedoch in größerem Umfange beabsichtigt hatten. Als verantwortlicher Redakteur fungirte ein Herr Goldschmidt, Büreauschreiber des Justizraths Kahle. Dieser lose Schmetterling der Reaktion ging demnächst in die „Neue Berliner Zeitung“ des Geheimen Oberhofbuchdruckers Decker auf, welche ein Herr Balster (oder so ähnlich) aus der literarischen Anstalt des Geh. Regierungsrath Sulzer redigirte. Es ist dies dasselbe Blatt, um dessen Redaktion sich der Redakteur der Kölner Zeitung, Herr Brüggemann, bewarb. Die Unterhandlungen zerschlugen sich am Kostenpunkte. Nachdem jedoch diese Neuheit ihren Beruf der „deutschen Reform“ erkannt hatte, schied das „Neue Preußen“ des federgewandten Goldschmidt aus dieser Reform aus und mag jetzt wohl noch um das edle Haupt des tapfern Dänenbezwingers und über alle Maßen tapfern Belagerers der Anarchie zu Berlin lieblich schillernd in zierlichen Wellenlinien flattern. Nun, indeß dem Schmetterling folgte der Elephant. Man mußte etwas breit und klobig auftreten, um sich Platz zu machen. So hielt denn von Magdeburg die „Neue Preußische Zeitung“ ihren Einzug in Berlin. Die Seele des Unternehmens war der Konsistorial-Präsident Gerlach, welcher auch in den sehr gewissenhaften und ganz wahrheitssüchtigen monatlichen Rundschauen der „Neuen Preußischen Zeitung“ mit vielem Erfolg sich bethätigt hat. Zum verantwortlichen Redakteur wurde ein Oberlandesgerichtsassessor Wagner gemacht, ein sclavisch ergebenes Werkzeug des Herrn v. Gerlach. Seine Unterbeamten wurden die Herren Dr. Hermes und Langbein, jener exministeriell bezahlte Redakteur der Berliner Bürgerzeitung, dieser exministeriell bezahlte Literat aus der Anstalt des Herrn Sulzer. Mit Herrn v. Gerlach verbanden sich die Professoren Leo und Stahl, und diese sind das leitende Triumvirat der reaktionären Presse. Als einer ihrer besten Knappen hat sich Herr Florencourt, der Vielerfahrene, bewiesen. Ihm sind jetzt auch große Ehren zu Theil geworden; er darf wirklich ministerielle Artikel für die „Spener'sche Zeitung“ schreiben. Bekannt sind die Bemühungen des Hrn. Bülow-Cummerow oder „Kummervoll“ nach der „Ewigen Lampe“ für sein Junkerparlament in der „Neuen Preußischen Zeitung“ und die Ausfälle dieses Blattes gegen den ehemaligen Finanzminister Hansemann. Ich kann in Betreff dieser Ausfälle aus guter Quelle versichern, daß sie sämmtlich von dem, vom ständischen Landtage her wohlbekannten Herrn v. Bismark-Schönhausen herrühren, der seine bezaubernden Witzfloskeln wie auf jenem Landtage, so auch in der „Neuen Preußischen Zeitung“ zur Genüge ausgestreut hat. Die sonstigen Mitarbeiter der „Neuen Preußischen Zeitung“ sind ziemlich vollständig folgende: Aus Königsberg Dr. Dietlein und Emil Lindenberg; aus Posen Hr. Regierungsrath Klee. Vom Rhein korrespondiren zum größten Theil evangelische Prediger; aus Köln Herr Regierungsrath Grashof. In Berlin ist noch der Assessor Bindewald eng mit der Zeitung verbunden. Die Berliner Artikel mit L bezeichnet, sind von Langbein, die mit H bezeichnet von Hermes. Ein Hr. Herrmann hat die Berichte aus der Nationalversammlung geliefert. Der jetzige Adjutant des Königs, von Boddien, hat aus Frankfurt mitgearbeitet. Das unübertreffliche Feuilleton besorgt Herr Herrmann Gödsche, Ex-Postsekretär. Eine Hauptstütze des Blattes, besonders in Geldangelegenheiten, sind der Prinz von Prenßen, die Prinzessin von Preußen und der Prinz Karl von Preußen. Der König hat sie immer sehr aufmerksam gelesen, voilà die Folgen. Hierbei ist es indeß eben so gewiß, daß auch die englische Tory-Presse den König zu seinen letzten Entschlüssen gebracht hat. Er hat es nicht ertragen können, daß die Morning-Post ihn, gegenüber dem heroischen Kaiser von Oestreich, als feige bezeichnet hat. Die letzten Stnuden Robert Blum's. Ueber die letzten Stunden Robert Blum's giebt L. Wittig, ein Freund Blum's in der „Dresdener Zeitung“ folgende Mittheilungen. Am 1. Nov. früh, als die Stadt bereits gefallen war, gingen R. Fränzel und ich zu Blum, der mit Fröbel im Gasthause zur Stadt London wohnte. Der Reichstags-Abgeordnete Hartmann kam ebenfalls dahin mit der Warnung an Blum sich zu hüten, er glaube ihn gefährdet, wenigstens in diesen Tagen sich nicht öffentlich zu zeigen. Blum und Fröbel befolgten diesen Rath, ohne daß einer von uns an eine wirkliche Gefahr glaubte, trotz der Militair-Despotie, der Wien unter einem beadreßten Windischgrätz verfallen war. Wir blieben bis zum Abend vereint, und Blum äußerte noch scherzweise, selbst vor dem Kriegsgerichte werde er leicht beweisen können, daß er den kaiserlichen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz164_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz164_1848/1
Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 164. Köln, 9. Dezember 1848, S. 0877. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz164_1848/1>, abgerufen am 28.03.2024.