Neue Rheinische Zeitung. Nr. 168. Köln, 14. Dezember 1848. ** Bern, 9. Dez. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. ** Luzern, 9. Dez. Der hiesige Große Rath ist seit einigen Tagen wieder versammelt und hat den Dr. Steiger, auf dessen Haupt jetzt von allen Seiten Auszeichnung und Ehre schneit, zum Landesschultheiß (Chef der vollziehenden Gewalt) ernannt. Im Uebrigen laboriren die Verhandlungen noch immer an den Nachwehen des Sonderbunds. Die alten sonderbündischen Großräthe, denen bekanntlich ein bedeutender Theil der Kriegskontribution aufgebürdet wurde, petitioniren, 68 an der Zahl, um Erlaß der schuldigen Summe, deren Einzahlung sie natürlich ruiniren würde. Die Petition ist an den Regierungsrath überwiesen worden, der ihnen am Ende das Meiste erläßt. Weniger Hoffnung haben dagegen die alten Freischärler, die ebenfalls petitioniren, aber um Erstattung der ihnen von Siegwart-Müller abgepreßten Brandschatzungen. Wie sollte der Kanton dies längst von den Sonderbundshelden verbankettirte Geld erstatten können? Sind doch die hiesigen Finanzen in einer solchen Zerrüttung, daß die Regierung nie aus der Finanznoth blasser Wehmuth herauskommt und mit Schrecken den Bankerott täglich näher heranrücken sieht. In den Urkantonen gehts nicht besser. Sie liegen unter sich und mit Luzern im Streit wegen verschiedener Forderungen aus den glorreichen Tagen der Jesuitenherrschaft, besonders wegen der von Luzern versuchten Repartirung der damals aus der eidgenössischen Kriegskasse gestohlenen und von dem sonderbündischen Generalstab in schönen Reitpferden, gestickten Uniformen und andern Herrlichkeiten vergeudeten Gelder. Das ist die Erbschaft, die die Herren Siegwart-Müller, Bernhard Meyer und Konsorten ihren Lieben und Getreuen hinterlassen haben! X Unterwalden-Obwalden. Die Geschichte ist zwar schon einige Wochen alt, aber doch der Mühe werth daß ich sie dem deutschen Publikum erzähle, damit es eine Probe davon erhält, wie es in den einfachen Hirtenthälern der Urschweiz, diesem Sitz aller patriarchalischen Tugenden hergeht. Meinrad Imfeld, geboren 1771, Sohn des Kantonsvogts, war ein Revolutionär, und schloß sich 1798 den Franzosen an, als die republikanischen Kanonen in die urthümliche Stabilität der Waldstädte Bresche schossen. Er wurde unter der neuen helvetischen Konstitution Sekretär der Administrativkommission des Kantons der Waldstädte, und bekleidete auch unter der Mediationsakte mehrere Aemter mit Auszeichnung. Als aber 1814 mit den Befreiungsheren die Kontrerevolution in die Schweiz einzog, als unter der Form einer ungeschliffenen Demokratie die alte Kantonli-Oligarchie wieder zur Herrschaft kam, setzten sich die Obwaldner Gewaltigen Stockmann, von der Flue und Spichtig sogleich ans Werk, um ihren gefährlichen Gegner Imfeld zu züchtigen. Ohne irgend einen Grund ja ohne einen Vorwand anzugeben, wurde Imfeld und sein Vater in die Acht erklärt, dann eingesperrt, dann wieder freigelassen, dann wieder verhaftet, und da man keinen Platz hatte um ihn einzusperren (der Kanton hat bis heute kein Gefängniß, sondern in den Zuchthäusern zu Zürich und Luzern je einen Platz gemiethet, und Beide waren besetzt) mit einer Kette in seinem eigenen Hause an sein Bett geschmiedet. Endlich ließ man ihn frei, beraubte ihn aber seiner bürgerlichen Rechte und seines Vermögens. Wegen einer Rechtfertigungsschrift wurde er aufs Neue eingesperrt. Endlich entkam er, schrieb einen derben Brief an die Obwaldner Regierung und wurde dafür 1829 -- so lange hatte man ihn gepeinigt -- auf 20 Jahre vom Gebiet der Schweiz verbannt. Jetzt endlich wo nur noch einer seiner Verfolger, der edle Spichtig, in der Zurückgezogenheit von der Gicht und seinen 300,000 Fr. lebt, kommt Imfeld plötzlich zurück, und setzt durch entschiednes Auftreten wirklich die Aufhebung des Verbannungsdekrets bei der Landgemeinde durch. So gehts in den Urkantonen, so wird man von diesen unverdorbenen Sennhirten behandelt wenn man sich untersteht etwas mehr Hirn zu besitzen als ihre Ochsen. Französische Republik. 19 Paris, 11. Dezbr. Gestern Abend 9 Uhr wurde das Scrutinium der Präsidentenwahl geschlossen, um heute Morgen von 9 Uhr an wieder fortgesetzt zu werden. Die allgemeine Zählung der Stimmen aus den zwölf Stadt-Arrondissements und acht Landcantonen von Paris soll am Donnerstag den 14. in öffentlicher Sitzung im Hotel de Ville beginnen und das Resultat unmittelbar nach der Zählung proklamirt werden, -- vorbehaltlich der letzten Entscheidung der Nationalversammlung, welche nach Einsicht der Protokolle einzelne Vota cassiren oder cassirte restituiren kann. Die Proklamation der Nationalversammlung wird nach der weisen Vorsicht des Gouvernements, welches den Wahltag für Algier auf den 19. hinausgeschoben hat, erst nach Weihnachten erfolgen. Ueber das vielversprechende Aussehen von Paris für diese Tage haben Sie aus der vorgestrigen Sitzung der Nationalversammlung des Breiteren Nachricht erhalten. Mittags um 1 Uhr schon hatte Hr. Cavaignac den Barometer der honetten Republik, das Gotteshaus der Gauner und Banquiers, mit einigen Anschlägen zu erwärmen gesucht, in welchen er die Börsenmänner mit der Versicherung beruhigte, daß das Gouvernement sich "stark genug" zur Unterdrückung jedes Insurrektionsversuches fühle. Gegen Abend wurden auch die "Citoyens", die gewöhnlichen, nicht börsenfähigen Bürger mit einer Proklamation erfreut, worin sie der Afrikaner nach einigen Einleitungsworten über seine bisherigen Bemühungen für die "Ordnung" ermahnte, sich hübsch "ruhig" und "anständig" zu verhalten, und die honette Republik nicht zu compromittiren. Und während in den Straßen dergestalt das Gouvernement selbst die Erwartung eines Aufstandes ausschreit, träufeln die parlamentarischen Vertreter sämmtlicher Parteien den süßesten Honigseim von Pacification und Union. Wunderbar: in der Versammlung sind es gerade die "Rothen", welche sich um die "Ruhe" von Paris besorgt zeigen; der Minister des Innern hat Mühe, sie seines guten Willens zu überzeugen. Der alte redselige Advokat Joly fragt im Namen des Berges zuerst, was der Minister in Betreff der Lage der Hauptstadt gethan oder zu thun gedenke. Herr Joly hat Furcht; er ist den Abend vorher über den Vendome-Platz spazirt, wo er beängstigend starke Attroupements erblickt hat; ein M[en]sch hat: Vive Cavaignac! gerufen und ist darauf vom Volke unter dem Geschrei: A bas Cavaignac! A bas les mouchards! Vive Napoleon! mit Steinwürfen verfolgt worden. Dieß bedauerliche Ereigniß flößt dem alten Advokaten Besorgniß ein, und er fragt, was der Minister zu thun gedenke, -- nicht in Betreff der Anhänger Cavaignac's und Napoleon's, denn diese gehen ihn nichts an, -- sondern gegen die Attroupements, vor denen der parlamentarische Volksfreund wie die ganze Montagne, in deren Namen er spricht, Furcht hat. Nachdem der Minister dem ehrenwerthen Montagnard darauf die Versicherung ertheilt hat, daß er ganz energisch für Aufrechthaltung der "Ordnung" sorgen, und im Nothfall Attroupements und Clubs (wie auch Bankets) unterdrücken werde, steigt der Apollo des Berges, Herr Ledru-Rollin, auf die Bühne. Das Gouvernement hat nicht allein einen Offizier, welcher einem rothen Club beiwohnen "wollte", aus Paris verwiesen, was eine offenbare Verdächtigung der Rothen als Destruktionsmänner ist, sondern man hat auch durch das Organ des Herrn Dufaure den Obersten und dem Kommandanten der Nationalgarde von einer bestimmten, auf einen bestimmten Tag angesagten Revolution gesprochen, zu welcher sich die parlamentarischen Montagnard's auf die Straße begeben würden. Herr Ledru-Rollin protestirt gegen diese schnöde Verdächtigung, -- und mit Recht. Der 15. Mai und die Junitage haben es uns bewiesen, daß bei einer Revolution Herr Ledru-Rollin sich nie, wie seine ehemaligen Freunde Louis Blanc, Albert, Caussidiere, in den Straßen compromittiren wird; aus den Memoiren Caussidiere's erfahren wir jetzt auch, um welchen Preis Hr. Ledru-Rollin das Lob Lamartine's verdiente, der am 17. März an seine Frau schrieb: "Ledru-Rollin benimmt sich zu meiner Zufriedenheit." Also werden wir "Frieden und Ordnung" behalten. Die Montagnard's wollen es, das Gouvernement will es, die Bonapartisten wollen es: es ist, wie der "Peuple" sagt, eine allgemeine Verschwörung für Frieden und Ordnung. Die Rothen haben Cavaignac, Lamoriciere und den Schwanz "National" im Verdacht, aus Liebe zu der Herrlichkeit der honetten Republik mit einem Staatsstreich die Bonapartisten mitsammt den Rothen und Lilienweißen erschlagen zu wollen; reine Illusion der Furcht und Feigheit. Dem Gouvernement hat man von einer rothen Schilderhebung ins Ohr geflüstert, ihm sogar den Tag des Ausbruchs und die Führer der Montagne bezeichnet, welche zu dem Volk in die Straßen hinabsteigen werden: pure Verläumdung. Die Montagnard's sind friedlich und unionssüchtig; sie wissen, daß eine Revolution nach dem Juni kein 24. Februar, sondern eine Bartholomäusnacht sein würde. Nur für den unwahrscheinlichen Fall verproviantirt das Gouvernement seine in Paris concentrirten Cohorten, beruft Hr. Dufaure den Generabstab der Nationalgarde, bereitet sich Hr. Bugeaud in den Departements vor, mit 200,000 Mann gegen Paris zu marschiren, und ist Hr. Cavaignac bereit, sich in die "Ebene von St. Denis" zurückzuziehen, um in Vereinigung mit dem Marschall von Isly die honette Republik von den rothen pariser Heloten zu säubern. Hony soit, qui mal y pense! 12 Paris, 12. Decbr. Die Spannung, welche in ganz Paris, in allen Theilen der Stadt, in den Privathäusern sowohl als an allen öffentlichen Orten herrscht, übersteigt alle Gränzen. Grade diese ängstliche Spannung ist die Ursache dieser ungewöhnlichen Ruhe. Man lauscht in stummer Erwartung, wie im Augenblicke, wo das große Loos gezogen werden soll. Wirklich bietet Paris in diesem Augenblicke eine große Aehnlichkeit mit einer um den Spieltisch versammelten Menge dar; ungeheure Summen stehen auf dem Spiele; man verfolgt alle Chancen mit einer Aengstlichkeit, die sich nicht wiedergeben läßt. Aber ob der "glückliche Gewinner", wenn es ja einen Treffer gibt, sich seines Gewinnes lange erfreuen wird? Das amüsanteste bei der Geschichte ist, daß die Leute schon voraus über die Plätze verfügen, die von dem großen Treffen abhängen. So soll z. B. Odilon-Barrot Vice-Präsident, Changarnier Kriegsminister, Remüsat Minister der öffentlichen Angelegenheiten werden, wenn Napoleon zum Präsidenten ernannt wird. Ebenso hat Cavaignac seine Ministerrollen vertheilt, für den Fall, daß er das große Loos gewänne .... "Lassen sie sich wechselseitig verschlingen wie die Tiger, ruft Bonnard in dem Klub des Faubourg St. Antoine aus; wenn sie sich in diesem gegenseitigen Gefecht der Präsidentenwahl ganz erschöpft haben, dann wollen wir sehn, was wir zu thun haben". Merlieux in einem andern Klub handelt über dasselbe Thema. "Zwei Arten von Aristokratieen stehn sich feindselig gegenüber: halten wir uns einstweilen fern; wir werden noch genug zu thun haben, um sie beide zu stürzen." 68 Paris, 11. Dez. Der Seine-Präfekt Recurt macht bekannt, daß die Stimmzählung am 14. d. M. auf dem Stadthause in öffentlicher Sitzung um 11 Uhr Vormittags beginnen wird. Im 6. Arrondissement wurde Cavaignac mit Akklamation zum Präsidenten ernannt. Wenn in den Departements derselbe Eifer, sich an der Wahl zu betheiligen, stattgefunden hat, so kann sich die Zahl der Stimmenden wohl ziemlich auf 9 Millionen belaufen. In allen Sektionen von Amiens haben unter 100 Stimmen je 80 für Napoleon gestimmt. Die Volksaufläufe dauern fort, namentlich auf den Boulevards Montmartre, St. Denis, St. Martin, auf dem Bastillenplatz und in den Faubourgs St. Antoine und St. Marceau. In letzterem scheint die Aufregung am größten. Doch ist es nirgends zu einem ernstlichen Konflikt gekommen, außer eben im Faubourg St. Marceau, wo die Volksgruppen mit den Mobilen heftig zusammengeriethen. Am 17. Dez. werden die französischen und deutschen sozialistischen Demokraten ihr schon früher angekündigtes Bankett abhalten. Paris, 11. Dez. Vollkommene Ruhe. Die Urne enthält bereits die Geschicke Frankreichs. Noch wenige Tage -- und Europa wird wissen, ob die Contrerevolution einige neue Alliirte in Bugeaud, Thiers und Odilon Barrot erhält oder nicht? -- Der National meldet: In der XIII. Sektion des 1. Arrondissements von Paris führten die Scrutatoren das Militär, im Einverständniß mit den Offizieren, in einen Saal, auf dessen langer Tafel mehrere Tausend Stimmzettel mit dem Namen Louis Bonaparte ausgebreitet lagen. Von diesem Faktum unterrichtet, gab der Maire jenes Arrondissements Befehl, diese Stimmzettel zu vernichten. Die Gazette de France meldet: "Zwischen 1 und 2 Uhr Mittags begaben sich mehrere Bürger in den Saal der 14. Sektion des 11. Arrondissements, um zu stimmen. Die Herren Skrutatoren erklärten ihnen jedoch, daß sie in einer Stunde wiederkommen müßten, wenn sie stimmen wollten, indem man die Stimmkasten in die Mairie hätte zurück schicken müssen, weil sie unversiegelt angekommen." -- Die "Presse" (Erfinderin der Stimmzettelkasten mit Doppelboden) sagt: "Man hat berechnet, daß im Ganzen 6 Mill. Bürger stimmten. Davon für Louis Napoleon Bonaparte 4 Mill.; für Cavaignac, Ledru-Rollin, Lamartine etc. 2 Mill." Der Constitutionnel meldet, daß in Paris bis 2 Uhr weit über die Hälfte aller Wähler schon gestimmt hatten. Er zweifelt nicht, daß Napoleon Bonaparte mit immenser Majorität gewählt worden. Doch ist seine Freude noch ziemlich mäßig. -- Das Bien Public dankt dem Kabinet, daß es in allen Kirchen ein Veni Creator habe singen lassen, setzt aber hinzu, daß die Zahl der Stimmenmäkler auf 2000 sich belaufe! In Stadt und Land sei man mit Bülletins überschüttet worden, nur der Name "Lamartine" sei nirgends kolportirt worden: dieser Name stehe im Herzen aller Franzosen! Ledru-Rollin und Raspail (Sozialismus und Kommunismus) erstreckte sich nicht über die Stadtmauer. Wenn je der Sozialismus in Paris siegen sollte, so würde er in den Kartoffelfeldern unserer Dörfer ersticken. -- Das Journal des Debats (Meister Bertin) hat sich, um im Falle der Noth durch eine Hinterthüre zu entschlüpfen, des Abstimmens enthalten. Um nicht persönlich zu werden, vergleicht es die Kämpfe der Bonapartisten gegen Cavaignac mit dem Kampf zwischen Montaigu und Capulet, bei dem Mercutio als Opfer fällt. Mercutio ist das -- Vaterland, das aus tausend Wunden blutet! Die "demokratisch-sozialistische Revolution" sagt: Der Wahlakt ist nicht ohne alle Störung vorübergegangen. Außer der Kaserne des Faubourg du Temple, mußte die Mobilgarde auch die Kaserne der Rue de l'Oursine verlassen, um nicht vom Volk angegriffen zu werden. Diese Angriffe scheinen von der Reaktion aufgehetzt, die gar zu gern den Berg und seinen Anhang durch eine neue Kanonade vertilgen möchte. Wir warnen unsere Freunde, sich in dieser Schlinge nicht fangen zu lassen. -- Proudhons "Peuple" prophezeit: "Welcher Name auch der Urne entspringe, das Kapital wird sich ihm ergeben und das Ministerium sich ihm zu Füßen werfen. Leute, hinter denen man den Stolz und die Ehrsucht eines Cäsar oder Pompejus vermuthete, werden sich in bescheidene und uneigennützige Cincinatusse verwandeln. Glaubt nicht, Brüder, daß sie mehr als wir das allgemeine Stimmrecht anbeten; sie alle sind Schüler Voltaires und in der Hauptsache einig. Während die Regierung ihre Legionen und Truppen konzentrirt, Dufaure mit den Bürgerwehr-Obersten konferirt, Ledru-Rollin's Freunde schöne Reden halten, schaart Bugeaud den Süden zusammen und bereitet sich vor, mit 200,000 Mann gegen Paris aufzubrechen. Man lasse einen Aufruhr zu Stande kommen, Cavaignac sich in die Ebene von St. Denis zurückziehen und zum Herzog von Isly stoßen, um die Republik auf immer von dem rothen Ungeziefer (Sozialisten und Kommunisten), zu säubern, dann wird man sich in die Erbschaft theilen. Napoleon erhält den Präsidentenstuhl, Cavaignac wird Präsident der Nationalversammlung, Lamoriciere erhält Algerien als General-Gouverneur und dann schafft man die Verfassung um, die ihnen jetzt schon zu demokratisch ist. So wäre das konstitutionelle Theaterspiel vom 1. Jan. bis 31. Dez. wieder hergestellt. Sozialisten! Eure 200,000 Stimmzettel vertreten 2 Mill. Seelen, schaart Euch zusammen und thut endlich etwas für die Freiheit etc. (folgt ein Fingerzeig zur industriellen Revolution.) -- Mole schreibt dem Moniteur, daß er (im Namen Bonapartes?) glaube, die Nationalversammlung müsse sich auflösen, und dürfe die organischen Gesetze nicht votiren. -- Heute Abend mit dem Schlage 9 Uhr werden sämmtliche Urnen geschlossen. -- Aus Neapel haben wir Berichte vom 3. Dez., aus Rom vom 2. Dez. und aus Turin vom 7. Dez. Nichts Erhebliches. -- Die Journale (Patrie und Cons.), welche die berüchtigten Kisten veröffentlichten, sind von den Betreffenden sämmtlich vor die Gerichte wegen Verläumdung gefordert. -- Mehemed Pascha bleibt nicht hier, sondern begibt sich nach London mit wichtigen Depeschen rücksichtlich der Donaufürstenthümer. * Paris, 11. Dezember. Der Pariser Straßenkoth ist für 500,000 Fr. jährlich verpachtet. Der Pächter seinerseits löst daraus 3,600,00 Fr., indem er den Kubikmetre zu 3-5 Fr. verkauft. Er muß dafür die Kosten der Straßenreinigung tragen. Im Jahre 1823 bezog Paris für den Straßenkoth blos 75,000 Fr. Der Schmutz ist also bedeutend im Preise gestiegen. -- Nationalversammlung. Sitzung vom 11. Decbr. Anfang 2 Uhr. Marrast präsidirt. An der Tagesordnung sind Petitionen. Davy stattet Bericht über mehrere Petitionen rücksichtlich der Justizpflege. Ohne allgemeines Interesse. Tourret Agrikulturminister legt einen Entwurf über Anlage von Consultativkammern vor etc. Alcon erledigt den ersten Stoß von Petitionen. De Luynes berichtet über Anträge auf Anlage von Agrikultur-Banken. An den Agrikulturminister gewiesen. Derselbe Deputirte liest eine Petition des Studenten Lagrange um Aufhebung aller Clubs (Gelächter.) Clemens Thomas dringt in den Minister, doch endlich die Waffenschmiede zu entschädigen, deren Läden im Februar und Juni geplündert worden. Dufaure erklärt, es sei zur Untersuchung der Ansprüche aller Waffenhändler nicht nur in Paris, sondern auch der Departements, in denen sie litten, eine Kommission eingesetzt worden. Vor diese Kommission wolle man die diesfälligen Petitionen weisen. Das geschieht. Carlonel berichtet über Petitionen der Leinwandfabriken in Angers. Sie finden die Adjudikationsbedingungen zu hart und seien ruinirt. Geht an den betreffenden Ausschuß. Die Petition eines Dr. Durand erregt eine kleine Debatte und führt den Kriegsminister auf die Bühne. Lamoriciere: Dürand will an der Spitze vor einige tausend Proletariern die ganze Ebene vom Metidja kolonisiren, doch solle ihm der Staat gegen die Heuschrecken garantiren. Das könne er nicht. Wird an das Kriegsministerium gewiesen. Nach Erledigung anderer Petitionen nimmt die Versammlung die Debatte von Sonnabend über die Reihenfolge und den Charakter der organischen Gesetze wieder auf. Die Assistenzorganisation wird ebenfalls dazu geschlagen. (Es heißt: Dufaure werde die Schließung der Clubs beantragen.) Nach langer und ziemlich confuser Debatte entscheidet die Versammlung mit 403 gegen 178 Stimmen, daß folgende 9 Punkte zu den organischen Gesetzen gehören: 1) Verantwortlichkeit und Straffälligkeit des Präsidenten. 2) Wahlgesetz, 3) Preßgesetz, 4) Belagerungsgesetz, 5) Assistenzgesetz, 6) Agrikulturinstitution, 7) Armee und Bürgerwehr, 8) Unterrichtsgesetz, 9) Justizorganisation etc. etc. Dupont (Bussae) verlangt, daß das jüngste Protokoll rücksichtlich einer Aeußerung berichtigt werde, die sich auf den Polizeipräsidenten Gervais bezöge und von Ledru Rollin ausgesprochen worden. Ledru Rollin erklärt, daß er in seiner jüngsten Rede keineswegs des Hrn. Gervais zu erwähnen beabsichtigte, als er von den Unterbeamten des Ministers des Innern gesprochen, Hr. Gervais sei kein Unterbeamter. Marrast: Soll berichtigt werden. Dufaure besteigt nicht die Bühne, um, wie vermuthet worden, den Antrag auf Schließung der Clubs vorzulegen. Es soll dieß morgen erst geschehen. Die Sitzung wird um 1/4 vor 6 Uhr geschlossen. P. Paris ist stark belebt, aber nirgend Ruhestörung. * Lille, 10. Dez. Napoleon wird hier sehr viele Stimmen bekommen. Die Napoleon'sche Partei wandte folgendes Manöver an: sie ließ eine große Masse Wahlzettel mit dem Namen "Napoleon-le-Bon" (Napoleon der Gute) vertheilen. Mehrere Wähler sind in die Schlinge gegangen, und noch mehr hätte man hinein bekommen, wenn nicht die Gegenpartei aufmerksam gemacht, die Billetvertheiler durch die Polizei hätte zum Kommissär abführen lassen. Großbritannien. * London, 9. Dez. Im West Riding von York findet eine neue Parlamentswahl statt. Der bekannte Chartist Samuel Kydd, Mitglied des chartistischen Centralausschusses, wird am Montag ** Bern, 9. Dez. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. ** Luzern, 9. Dez. Der hiesige Große Rath ist seit einigen Tagen wieder versammelt und hat den Dr. Steiger, auf dessen Haupt jetzt von allen Seiten Auszeichnung und Ehre schneit, zum Landesschultheiß (Chef der vollziehenden Gewalt) ernannt. Im Uebrigen laboriren die Verhandlungen noch immer an den Nachwehen des Sonderbunds. Die alten sonderbündischen Großräthe, denen bekanntlich ein bedeutender Theil der Kriegskontribution aufgebürdet wurde, petitioniren, 68 an der Zahl, um Erlaß der schuldigen Summe, deren Einzahlung sie natürlich ruiniren würde. Die Petition ist an den Regierungsrath überwiesen worden, der ihnen am Ende das Meiste erläßt. Weniger Hoffnung haben dagegen die alten Freischärler, die ebenfalls petitioniren, aber um Erstattung der ihnen von Siegwart-Müller abgepreßten Brandschatzungen. Wie sollte der Kanton dies längst von den Sonderbundshelden verbankettirte Geld erstatten können? Sind doch die hiesigen Finanzen in einer solchen Zerrüttung, daß die Regierung nie aus der Finanznoth blasser Wehmuth herauskommt und mit Schrecken den Bankerott täglich näher heranrücken sieht. In den Urkantonen gehts nicht besser. Sie liegen unter sich und mit Luzern im Streit wegen verschiedener Forderungen aus den glorreichen Tagen der Jesuitenherrschaft, besonders wegen der von Luzern versuchten Repartirung der damals aus der eidgenössischen Kriegskasse gestohlenen und von dem sonderbündischen Generalstab in schönen Reitpferden, gestickten Uniformen und andern Herrlichkeiten vergeudeten Gelder. Das ist die Erbschaft, die die Herren Siegwart-Müller, Bernhard Meyer und Konsorten ihren Lieben und Getreuen hinterlassen haben! X Unterwalden-Obwalden. Die Geschichte ist zwar schon einige Wochen alt, aber doch der Mühe werth daß ich sie dem deutschen Publikum erzähle, damit es eine Probe davon erhält, wie es in den einfachen Hirtenthälern der Urschweiz, diesem Sitz aller patriarchalischen Tugenden hergeht. Meinrad Imfeld, geboren 1771, Sohn des Kantonsvogts, war ein Revolutionär, und schloß sich 1798 den Franzosen an, als die republikanischen Kanonen in die urthümliche Stabilität der Waldstädte Bresche schossen. Er wurde unter der neuen helvetischen Konstitution Sekretär der Administrativkommission des Kantons der Waldstädte, und bekleidete auch unter der Mediationsakte mehrere Aemter mit Auszeichnung. Als aber 1814 mit den Befreiungsheren die Kontrerevolution in die Schweiz einzog, als unter der Form einer ungeschliffenen Demokratie die alte Kantonli-Oligarchie wieder zur Herrschaft kam, setzten sich die Obwaldner Gewaltigen Stockmann, von der Flue und Spichtig sogleich ans Werk, um ihren gefährlichen Gegner Imfeld zu züchtigen. Ohne irgend einen Grund ja ohne einen Vorwand anzugeben, wurde Imfeld und sein Vater in die Acht erklärt, dann eingesperrt, dann wieder freigelassen, dann wieder verhaftet, und da man keinen Platz hatte um ihn einzusperren (der Kanton hat bis heute kein Gefängniß, sondern in den Zuchthäusern zu Zürich und Luzern je einen Platz gemiethet, und Beide waren besetzt) mit einer Kette in seinem eigenen Hause an sein Bett geschmiedet. Endlich ließ man ihn frei, beraubte ihn aber seiner bürgerlichen Rechte und seines Vermögens. Wegen einer Rechtfertigungsschrift wurde er aufs Neue eingesperrt. Endlich entkam er, schrieb einen derben Brief an die Obwaldner Regierung und wurde dafür 1829 — so lange hatte man ihn gepeinigt — auf 20 Jahre vom Gebiet der Schweiz verbannt. Jetzt endlich wo nur noch einer seiner Verfolger, der edle Spichtig, in der Zurückgezogenheit von der Gicht und seinen 300,000 Fr. lebt, kommt Imfeld plötzlich zurück, und setzt durch entschiednes Auftreten wirklich die Aufhebung des Verbannungsdekrets bei der Landgemeinde durch. So gehts in den Urkantonen, so wird man von diesen unverdorbenen Sennhirten behandelt wenn man sich untersteht etwas mehr Hirn zu besitzen als ihre Ochsen. Französische Republik. 19 Paris, 11. Dezbr. Gestern Abend 9 Uhr wurde das Scrutinium der Präsidentenwahl geschlossen, um heute Morgen von 9 Uhr an wieder fortgesetzt zu werden. Die allgemeine Zählung der Stimmen aus den zwölf Stadt-Arrondissements und acht Landcantonen von Paris soll am Donnerstag den 14. in öffentlicher Sitzung im Hotel de Ville beginnen und das Resultat unmittelbar nach der Zählung proklamirt werden, — vorbehaltlich der letzten Entscheidung der Nationalversammlung, welche nach Einsicht der Protokolle einzelne Vota cassiren oder cassirte restituiren kann. Die Proklamation der Nationalversammlung wird nach der weisen Vorsicht des Gouvernements, welches den Wahltag für Algier auf den 19. hinausgeschoben hat, erst nach Weihnachten erfolgen. Ueber das vielversprechende Aussehen von Paris für diese Tage haben Sie aus der vorgestrigen Sitzung der Nationalversammlung des Breiteren Nachricht erhalten. Mittags um 1 Uhr schon hatte Hr. Cavaignac den Barometer der honetten Republik, das Gotteshaus der Gauner und Banquiers, mit einigen Anschlägen zu erwärmen gesucht, in welchen er die Börsenmänner mit der Versicherung beruhigte, daß das Gouvernement sich „stark genug“ zur Unterdrückung jedes Insurrektionsversuches fühle. Gegen Abend wurden auch die „Citoyens“, die gewöhnlichen, nicht börsenfähigen Bürger mit einer Proklamation erfreut, worin sie der Afrikaner nach einigen Einleitungsworten über seine bisherigen Bemühungen für die „Ordnung“ ermahnte, sich hübsch „ruhig“ und „anständig“ zu verhalten, und die honette Republik nicht zu compromittiren. Und während in den Straßen dergestalt das Gouvernement selbst die Erwartung eines Aufstandes ausschreit, träufeln die parlamentarischen Vertreter sämmtlicher Parteien den süßesten Honigseim von Pacification und Union. Wunderbar: in der Versammlung sind es gerade die „Rothen“, welche sich um die „Ruhe“ von Paris besorgt zeigen; der Minister des Innern hat Mühe, sie seines guten Willens zu überzeugen. Der alte redselige Advokat Joly fragt im Namen des Berges zuerst, was der Minister in Betreff der Lage der Hauptstadt gethan oder zu thun gedenke. Herr Joly hat Furcht; er ist den Abend vorher über den Vendome-Platz spazirt, wo er beängstigend starke Attroupements erblickt hat; ein M[en]sch hat: Vive Cavaignac! gerufen und ist darauf vom Volke unter dem Geschrei: A bas Cavaignac! A bas les mouchards! Vive Napoleon! mit Steinwürfen verfolgt worden. Dieß bedauerliche Ereigniß flößt dem alten Advokaten Besorgniß ein, und er fragt, was der Minister zu thun gedenke, — nicht in Betreff der Anhänger Cavaignac's und Napoleon's, denn diese gehen ihn nichts an, — sondern gegen die Attroupements, vor denen der parlamentarische Volksfreund wie die ganze Montagne, in deren Namen er spricht, Furcht hat. Nachdem der Minister dem ehrenwerthen Montagnard darauf die Versicherung ertheilt hat, daß er ganz energisch für Aufrechthaltung der „Ordnung“ sorgen, und im Nothfall Attroupements und Clubs (wie auch Bankets) unterdrücken werde, steigt der Apollo des Berges, Herr Ledru-Rollin, auf die Bühne. Das Gouvernement hat nicht allein einen Offizier, welcher einem rothen Club beiwohnen „wollte“, aus Paris verwiesen, was eine offenbare Verdächtigung der Rothen als Destruktionsmänner ist, sondern man hat auch durch das Organ des Herrn Dufaure den Obersten und dem Kommandanten der Nationalgarde von einer bestimmten, auf einen bestimmten Tag angesagten Revolution gesprochen, zu welcher sich die parlamentarischen Montagnard's auf die Straße begeben würden. Herr Ledru-Rollin protestirt gegen diese schnöde Verdächtigung, — und mit Recht. Der 15. Mai und die Junitage haben es uns bewiesen, daß bei einer Revolution Herr Ledru-Rollin sich nie, wie seine ehemaligen Freunde Louis Blanc, Albert, Caussidiere, in den Straßen compromittiren wird; aus den Memoiren Caussidiere's erfahren wir jetzt auch, um welchen Preis Hr. Ledru-Rollin das Lob Lamartine's verdiente, der am 17. März an seine Frau schrieb: „Ledru-Rollin benimmt sich zu meiner Zufriedenheit.“ Also werden wir „Frieden und Ordnung“ behalten. Die Montagnard's wollen es, das Gouvernement will es, die Bonapartisten wollen es: es ist, wie der „Peuple“ sagt, eine allgemeine Verschwörung für Frieden und Ordnung. Die Rothen haben Cavaignac, Lamoriciere und den Schwanz „National“ im Verdacht, aus Liebe zu der Herrlichkeit der honetten Republik mit einem Staatsstreich die Bonapartisten mitsammt den Rothen und Lilienweißen erschlagen zu wollen; reine Illusion der Furcht und Feigheit. Dem Gouvernement hat man von einer rothen Schilderhebung ins Ohr geflüstert, ihm sogar den Tag des Ausbruchs und die Führer der Montagne bezeichnet, welche zu dem Volk in die Straßen hinabsteigen werden: pure Verläumdung. Die Montagnard's sind friedlich und unionssüchtig; sie wissen, daß eine Revolution nach dem Juni kein 24. Februar, sondern eine Bartholomäusnacht sein würde. Nur für den unwahrscheinlichen Fall verproviantirt das Gouvernement seine in Paris concentrirten Cohorten, beruft Hr. Dufaure den Generabstab der Nationalgarde, bereitet sich Hr. Bugeaud in den Departements vor, mit 200,000 Mann gegen Paris zu marschiren, und ist Hr. Cavaignac bereit, sich in die „Ebene von St. Denis“ zurückzuziehen, um in Vereinigung mit dem Marschall von Isly die honette Republik von den rothen pariser Heloten zu säubern. Hony soit, qui mal y pense! 12 Paris, 12. Decbr. Die Spannung, welche in ganz Paris, in allen Theilen der Stadt, in den Privathäusern sowohl als an allen öffentlichen Orten herrscht, übersteigt alle Gränzen. Grade diese ängstliche Spannung ist die Ursache dieser ungewöhnlichen Ruhe. Man lauscht in stummer Erwartung, wie im Augenblicke, wo das große Loos gezogen werden soll. Wirklich bietet Paris in diesem Augenblicke eine große Aehnlichkeit mit einer um den Spieltisch versammelten Menge dar; ungeheure Summen stehen auf dem Spiele; man verfolgt alle Chancen mit einer Aengstlichkeit, die sich nicht wiedergeben läßt. Aber ob der „glückliche Gewinner“, wenn es ja einen Treffer gibt, sich seines Gewinnes lange erfreuen wird? Das amüsanteste bei der Geschichte ist, daß die Leute schon voraus über die Plätze verfügen, die von dem großen Treffen abhängen. So soll z. B. Odilon-Barrot Vice-Präsident, Changarnier Kriegsminister, Remüsat Minister der öffentlichen Angelegenheiten werden, wenn Napoleon zum Präsidenten ernannt wird. Ebenso hat Cavaignac seine Ministerrollen vertheilt, für den Fall, daß er das große Loos gewänne ‥‥ „Lassen sie sich wechselseitig verschlingen wie die Tiger, ruft Bonnard in dem Klub des Faubourg St. Antoine aus; wenn sie sich in diesem gegenseitigen Gefecht der Präsidentenwahl ganz erschöpft haben, dann wollen wir sehn, was wir zu thun haben“. Merlieux in einem andern Klub handelt über dasselbe Thema. „Zwei Arten von Aristokratieen stehn sich feindselig gegenüber: halten wir uns einstweilen fern; wir werden noch genug zu thun haben, um sie beide zu stürzen.“ 68 Paris, 11. Dez. Der Seine-Präfekt Recurt macht bekannt, daß die Stimmzählung am 14. d. M. auf dem Stadthause in öffentlicher Sitzung um 11 Uhr Vormittags beginnen wird. Im 6. Arrondissement wurde Cavaignac mit Akklamation zum Präsidenten ernannt. Wenn in den Departements derselbe Eifer, sich an der Wahl zu betheiligen, stattgefunden hat, so kann sich die Zahl der Stimmenden wohl ziemlich auf 9 Millionen belaufen. In allen Sektionen von Amiens haben unter 100 Stimmen je 80 für Napoleon gestimmt. Die Volksaufläufe dauern fort, namentlich auf den Boulevards Montmartre, St. Denis, St. Martin, auf dem Bastillenplatz und in den Faubourgs St. Antoine und St. Marceau. In letzterem scheint die Aufregung am größten. Doch ist es nirgends zu einem ernstlichen Konflikt gekommen, außer eben im Faubourg St. Marceau, wo die Volksgruppen mit den Mobilen heftig zusammengeriethen. Am 17. Dez. werden die französischen und deutschen sozialistischen Demokraten ihr schon früher angekündigtes Bankett abhalten. Paris, 11. Dez. Vollkommene Ruhe. Die Urne enthält bereits die Geschicke Frankreichs. Noch wenige Tage — und Europa wird wissen, ob die Contrerevolution einige neue Alliirte in Bugeaud, Thiers und Odilon Barrot erhält oder nicht? — Der National meldet: In der XIII. Sektion des 1. Arrondissements von Paris führten die Scrutatoren das Militär, im Einverständniß mit den Offizieren, in einen Saal, auf dessen langer Tafel mehrere Tausend Stimmzettel mit dem Namen Louis Bonaparte ausgebreitet lagen. Von diesem Faktum unterrichtet, gab der Maire jenes Arrondissements Befehl, diese Stimmzettel zu vernichten. Die Gazette de France meldet: „Zwischen 1 und 2 Uhr Mittags begaben sich mehrere Bürger in den Saal der 14. Sektion des 11. Arrondissements, um zu stimmen. Die Herren Skrutatoren erklärten ihnen jedoch, daß sie in einer Stunde wiederkommen müßten, wenn sie stimmen wollten, indem man die Stimmkasten in die Mairie hätte zurück schicken müssen, weil sie unversiegelt angekommen.“ — Die „Presse“ (Erfinderin der Stimmzettelkasten mit Doppelboden) sagt: „Man hat berechnet, daß im Ganzen 6 Mill. Bürger stimmten. Davon für Louis Napoleon Bonaparte 4 Mill.; für Cavaignac, Ledru-Rollin, Lamartine etc. 2 Mill.“ Der Constitutionnel meldet, daß in Paris bis 2 Uhr weit über die Hälfte aller Wähler schon gestimmt hatten. Er zweifelt nicht, daß Napoleon Bonaparte mit immenser Majorität gewählt worden. Doch ist seine Freude noch ziemlich mäßig. — Das Bien Public dankt dem Kabinet, daß es in allen Kirchen ein Veni Creator habe singen lassen, setzt aber hinzu, daß die Zahl der Stimmenmäkler auf 2000 sich belaufe! In Stadt und Land sei man mit Bülletins überschüttet worden, nur der Name „Lamartine“ sei nirgends kolportirt worden: dieser Name stehe im Herzen aller Franzosen! Ledru-Rollin und Raspail (Sozialismus und Kommunismus) erstreckte sich nicht über die Stadtmauer. Wenn je der Sozialismus in Paris siegen sollte, so würde er in den Kartoffelfeldern unserer Dörfer ersticken. — Das Journal des Débats (Meister Bertin) hat sich, um im Falle der Noth durch eine Hinterthüre zu entschlüpfen, des Abstimmens enthalten. Um nicht persönlich zu werden, vergleicht es die Kämpfe der Bonapartisten gegen Cavaignac mit dem Kampf zwischen Montaigu und Capulet, bei dem Mercutio als Opfer fällt. Mercutio ist das — Vaterland, das aus tausend Wunden blutet! Die „demokratisch-sozialistische Revolution“ sagt: Der Wahlakt ist nicht ohne alle Störung vorübergegangen. Außer der Kaserne des Faubourg du Temple, mußte die Mobilgarde auch die Kaserne der Rue de l'Oursine verlassen, um nicht vom Volk angegriffen zu werden. Diese Angriffe scheinen von der Reaktion aufgehetzt, die gar zu gern den Berg und seinen Anhang durch eine neue Kanonade vertilgen möchte. Wir warnen unsere Freunde, sich in dieser Schlinge nicht fangen zu lassen. — Proudhons „Peuple“ prophezeit: „Welcher Name auch der Urne entspringe, das Kapital wird sich ihm ergeben und das Ministerium sich ihm zu Füßen werfen. Leute, hinter denen man den Stolz und die Ehrsucht eines Cäsar oder Pompejus vermuthete, werden sich in bescheidene und uneigennützige Cincinatusse verwandeln. Glaubt nicht, Brüder, daß sie mehr als wir das allgemeine Stimmrecht anbeten; sie alle sind Schüler Voltaires und in der Hauptsache einig. Während die Regierung ihre Legionen und Truppen konzentrirt, Dufaure mit den Bürgerwehr-Obersten konferirt, Ledru-Rollin's Freunde schöne Reden halten, schaart Bugeaud den Süden zusammen und bereitet sich vor, mit 200,000 Mann gegen Paris aufzubrechen. Man lasse einen Aufruhr zu Stande kommen, Cavaignac sich in die Ebene von St. Denis zurückziehen und zum Herzog von Isly stoßen, um die Republik auf immer von dem rothen Ungeziefer (Sozialisten und Kommunisten), zu säubern, dann wird man sich in die Erbschaft theilen. Napoleon erhält den Präsidentenstuhl, Cavaignac wird Präsident der Nationalversammlung, Lamoriciere erhält Algerien als General-Gouverneur und dann schafft man die Verfassung um, die ihnen jetzt schon zu demokratisch ist. So wäre das konstitutionelle Theaterspiel vom 1. Jan. bis 31. Dez. wieder hergestellt. Sozialisten! Eure 200,000 Stimmzettel vertreten 2 Mill. Seelen, schaart Euch zusammen und thut endlich etwas für die Freiheit etc. (folgt ein Fingerzeig zur industriellen Revolution.) — Mole schreibt dem Moniteur, daß er (im Namen Bonapartes?) glaube, die Nationalversammlung müsse sich auflösen, und dürfe die organischen Gesetze nicht votiren. — Heute Abend mit dem Schlage 9 Uhr werden sämmtliche Urnen geschlossen. — Aus Neapel haben wir Berichte vom 3. Dez., aus Rom vom 2. Dez. und aus Turin vom 7. Dez. Nichts Erhebliches. — Die Journale (Patrie und Cons.), welche die berüchtigten Kisten veröffentlichten, sind von den Betreffenden sämmtlich vor die Gerichte wegen Verläumdung gefordert. — Mehemed Pascha bleibt nicht hier, sondern begibt sich nach London mit wichtigen Depeschen rücksichtlich der Donaufürstenthümer. * Paris, 11. Dezember. Der Pariser Straßenkoth ist für 500,000 Fr. jährlich verpachtet. Der Pächter seinerseits löst daraus 3,600,00 Fr., indem er den Kubikmetre zu 3-5 Fr. verkauft. Er muß dafür die Kosten der Straßenreinigung tragen. Im Jahre 1823 bezog Paris für den Straßenkoth blos 75,000 Fr. Der Schmutz ist also bedeutend im Preise gestiegen. — Nationalversammlung. Sitzung vom 11. Decbr. Anfang 2 Uhr. Marrast präsidirt. An der Tagesordnung sind Petitionen. Davy stattet Bericht über mehrere Petitionen rücksichtlich der Justizpflege. Ohne allgemeines Interesse. Tourret Agrikulturminister legt einen Entwurf über Anlage von Consultativkammern vor etc. Alcon erledigt den ersten Stoß von Petitionen. De Luynes berichtet über Anträge auf Anlage von Agrikultur-Banken. An den Agrikulturminister gewiesen. Derselbe Deputirte liest eine Petition des Studenten Lagrange um Aufhebung aller Clubs (Gelächter.) Clemens Thomas dringt in den Minister, doch endlich die Waffenschmiede zu entschädigen, deren Läden im Februar und Juni geplündert worden. Dufaure erklärt, es sei zur Untersuchung der Ansprüche aller Waffenhändler nicht nur in Paris, sondern auch der Departements, in denen sie litten, eine Kommission eingesetzt worden. Vor diese Kommission wolle man die diesfälligen Petitionen weisen. Das geschieht. Carlonel berichtet über Petitionen der Leinwandfabriken in Angers. Sie finden die Adjudikationsbedingungen zu hart und seien ruinirt. Geht an den betreffenden Ausschuß. Die Petition eines Dr. Durand erregt eine kleine Debatte und führt den Kriegsminister auf die Bühne. Lamoriciere: Dürand will an der Spitze vor einige tausend Proletariern die ganze Ebene vom Metidja kolonisiren, doch solle ihm der Staat gegen die Heuschrecken garantiren. Das könne er nicht. Wird an das Kriegsministerium gewiesen. Nach Erledigung anderer Petitionen nimmt die Versammlung die Debatte von Sonnabend über die Reihenfolge und den Charakter der organischen Gesetze wieder auf. Die Assistenzorganisation wird ebenfalls dazu geschlagen. (Es heißt: Dufaure werde die Schließung der Clubs beantragen.) Nach langer und ziemlich confuser Debatte entscheidet die Versammlung mit 403 gegen 178 Stimmen, daß folgende 9 Punkte zu den organischen Gesetzen gehören: 1) Verantwortlichkeit und Straffälligkeit des Präsidenten. 2) Wahlgesetz, 3) Preßgesetz, 4) Belagerungsgesetz, 5) Assistenzgesetz, 6) Agrikulturinstitution, 7) Armee und Bürgerwehr, 8) Unterrichtsgesetz, 9) Justizorganisation etc. etc. Dupont (Bussae) verlangt, daß das jüngste Protokoll rücksichtlich einer Aeußerung berichtigt werde, die sich auf den Polizeipräsidenten Gervais bezöge und von Ledru Rollin ausgesprochen worden. Ledru Rollin erklärt, daß er in seiner jüngsten Rede keineswegs des Hrn. Gervais zu erwähnen beabsichtigte, als er von den Unterbeamten des Ministers des Innern gesprochen, Hr. Gervais sei kein Unterbeamter. Marrast: Soll berichtigt werden. Dufaure besteigt nicht die Bühne, um, wie vermuthet worden, den Antrag auf Schließung der Clubs vorzulegen. Es soll dieß morgen erst geschehen. Die Sitzung wird um 1/4 vor 6 Uhr geschlossen. P. Paris ist stark belebt, aber nirgend Ruhestörung. * Lille, 10. Dez. Napoleon wird hier sehr viele Stimmen bekommen. Die Napoleon'sche Partei wandte folgendes Manöver an: sie ließ eine große Masse Wahlzettel mit dem Namen „Napoleon-le-Bon“ (Napoleon der Gute) vertheilen. Mehrere Wähler sind in die Schlinge gegangen, und noch mehr hätte man hinein bekommen, wenn nicht die Gegenpartei aufmerksam gemacht, die Billetvertheiler durch die Polizei hätte zum Kommissär abführen lassen. Großbritannien. * London, 9. Dez. Im West Riding von York findet eine neue Parlamentswahl statt. Der bekannte Chartist Samuel Kydd, Mitglied des chartistischen Centralausschusses, wird am Montag <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0003" n="0903"/> <div xml:id="ar168_017_c" type="jArticle"> <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Ursulinerinnenkloster – Werbungen für den Kartätschenkönig ..., vorgesehen für: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi>, I/8. </bibl> </note> <head><bibl><author>**</author></bibl> Bern, 9. Dez.</head> <gap reason="copyright"/> </div> <div xml:id="ar168_018" type="jArticle"> <head><bibl><author>**</author></bibl> Luzern, 9. Dez.</head> <p>Der hiesige Große Rath ist seit einigen Tagen wieder versammelt und hat den Dr. Steiger, auf dessen Haupt jetzt von allen Seiten Auszeichnung und Ehre schneit, zum Landesschultheiß (Chef der vollziehenden Gewalt) ernannt. Im Uebrigen laboriren die Verhandlungen noch immer an den Nachwehen des Sonderbunds. Die alten sonderbündischen Großräthe, denen bekanntlich ein bedeutender Theil der Kriegskontribution aufgebürdet wurde, petitioniren, 68 an der Zahl, um Erlaß der schuldigen Summe, deren Einzahlung sie natürlich ruiniren würde. Die Petition ist an den Regierungsrath überwiesen worden, der ihnen am Ende das Meiste erläßt. Weniger Hoffnung haben dagegen die alten Freischärler, die ebenfalls petitioniren, aber um Erstattung der ihnen von Siegwart-Müller abgepreßten Brandschatzungen. Wie sollte der Kanton dies längst von den Sonderbundshelden verbankettirte Geld erstatten können? Sind doch die hiesigen Finanzen in einer solchen Zerrüttung, daß die Regierung nie aus der Finanznoth blasser Wehmuth herauskommt und mit Schrecken den Bankerott täglich näher heranrücken sieht. In den Urkantonen gehts nicht besser. Sie liegen unter sich und mit Luzern im Streit wegen verschiedener Forderungen aus den glorreichen Tagen der Jesuitenherrschaft, besonders wegen der von Luzern versuchten Repartirung der damals aus der eidgenössischen Kriegskasse gestohlenen und von dem sonderbündischen Generalstab in schönen Reitpferden, gestickten Uniformen und andern Herrlichkeiten vergeudeten Gelder. Das ist die Erbschaft, die die Herren Siegwart-Müller, Bernhard Meyer und Konsorten ihren Lieben und Getreuen hinterlassen haben!</p> </div> <div xml:id="ar168_019" type="jArticle"> <head><bibl><author>X</author></bibl> Unterwalden-Obwalden.</head> <p>Die Geschichte ist zwar schon einige Wochen alt, aber doch der Mühe werth daß ich sie dem deutschen Publikum erzähle, damit es eine Probe davon erhält, wie es in den einfachen Hirtenthälern der Urschweiz, diesem Sitz aller patriarchalischen Tugenden hergeht. Meinrad <hi rendition="#g">Imfeld</hi>, geboren 1771, Sohn des Kantonsvogts, war ein Revolutionär, und schloß sich 1798 den Franzosen an, als die republikanischen Kanonen in die urthümliche Stabilität der Waldstädte Bresche schossen. Er wurde unter der neuen helvetischen Konstitution Sekretär der Administrativkommission des Kantons der Waldstädte, und bekleidete auch unter der Mediationsakte mehrere Aemter mit Auszeichnung. Als aber 1814 mit den Befreiungsheren die Kontrerevolution in die Schweiz einzog, als unter der Form einer ungeschliffenen Demokratie die alte Kantonli-Oligarchie wieder zur Herrschaft kam, setzten sich die Obwaldner Gewaltigen Stockmann, von der Flue und Spichtig sogleich ans Werk, um ihren gefährlichen Gegner Imfeld zu züchtigen. Ohne irgend einen Grund ja ohne einen Vorwand anzugeben, wurde Imfeld und sein Vater in die Acht erklärt, dann eingesperrt, dann wieder freigelassen, dann wieder verhaftet, und da man keinen Platz hatte um ihn einzusperren (der Kanton hat bis heute kein Gefängniß, sondern in den Zuchthäusern zu Zürich und Luzern je einen Platz <hi rendition="#g">gemiethet,</hi> und Beide waren besetzt) mit einer Kette in seinem eigenen Hause <hi rendition="#g">an sein Bett geschmiedet</hi>. Endlich ließ man ihn frei, beraubte ihn aber seiner bürgerlichen Rechte und seines Vermögens. Wegen einer Rechtfertigungsschrift wurde er aufs Neue eingesperrt. Endlich entkam er, schrieb einen derben Brief an die Obwaldner Regierung und wurde dafür 1829 — so lange hatte man ihn gepeinigt — auf 20 Jahre vom Gebiet der Schweiz verbannt. Jetzt endlich wo nur noch einer seiner Verfolger, der edle Spichtig, in der Zurückgezogenheit von der Gicht und seinen 300,000 Fr. lebt, kommt Imfeld plötzlich zurück, und setzt durch entschiednes Auftreten wirklich die Aufhebung des Verbannungsdekrets bei der Landgemeinde durch. So gehts in den Urkantonen, so wird man von diesen unverdorbenen Sennhirten behandelt wenn man sich untersteht etwas mehr Hirn zu besitzen als ihre Ochsen.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar168_020" type="jArticle"> <head><bibl><author>19</author></bibl> Paris, 11. Dezbr.</head> <p>Gestern Abend 9 Uhr wurde das Scrutinium der Präsidentenwahl geschlossen, um heute Morgen von 9 Uhr an wieder fortgesetzt zu werden. Die allgemeine Zählung der Stimmen aus den zwölf Stadt-Arrondissements und acht Landcantonen von Paris soll am Donnerstag den 14. in öffentlicher Sitzung im Hotel de Ville beginnen und das Resultat unmittelbar nach der Zählung proklamirt werden, — vorbehaltlich der letzten Entscheidung der Nationalversammlung, welche nach Einsicht der Protokolle einzelne Vota cassiren oder cassirte restituiren kann. Die Proklamation der Nationalversammlung wird nach der weisen Vorsicht des Gouvernements, welches den Wahltag für Algier auf den 19. hinausgeschoben hat, erst nach Weihnachten erfolgen.</p> <p>Ueber das vielversprechende Aussehen von Paris für diese Tage haben Sie aus der vorgestrigen Sitzung der Nationalversammlung des Breiteren Nachricht erhalten. Mittags um 1 Uhr schon hatte Hr. Cavaignac den Barometer der honetten Republik, das Gotteshaus der Gauner und Banquiers, mit einigen Anschlägen zu erwärmen gesucht, in welchen er die Börsenmänner mit der Versicherung beruhigte, daß das Gouvernement sich „stark genug“ zur Unterdrückung jedes Insurrektionsversuches fühle. Gegen Abend wurden auch die „Citoyens“, die gewöhnlichen, nicht börsenfähigen Bürger mit einer Proklamation erfreut, worin sie der Afrikaner nach einigen Einleitungsworten über seine bisherigen Bemühungen für die „Ordnung“ ermahnte, sich hübsch „ruhig“ und „anständig“ zu verhalten, und die honette Republik nicht zu compromittiren. Und während in den Straßen dergestalt das Gouvernement selbst die Erwartung eines Aufstandes ausschreit, träufeln die parlamentarischen Vertreter sämmtlicher Parteien den süßesten Honigseim von Pacification und Union. Wunderbar: in der Versammlung sind es gerade die „Rothen“, welche sich um die „Ruhe“ von Paris besorgt zeigen; der Minister des Innern hat Mühe, sie seines guten Willens zu überzeugen. Der alte redselige Advokat Joly fragt im Namen des Berges zuerst, was der Minister in Betreff der Lage der Hauptstadt gethan oder zu thun gedenke. Herr Joly hat Furcht; er ist den Abend vorher über den Vendome-Platz spazirt, wo er beängstigend starke Attroupements erblickt hat; ein M[en]sch hat: Vive Cavaignac! gerufen und ist darauf vom Volke unter dem Geschrei: A bas Cavaignac! A bas les mouchards! Vive Napoleon! mit Steinwürfen verfolgt worden. Dieß bedauerliche Ereigniß flößt dem alten Advokaten Besorgniß ein, und er fragt, was der Minister zu thun gedenke, — nicht in Betreff der Anhänger Cavaignac's und Napoleon's, denn diese gehen ihn nichts an, — sondern gegen die Attroupements, vor denen der parlamentarische Volksfreund wie die ganze Montagne, in deren Namen er spricht, Furcht hat. Nachdem der Minister dem ehrenwerthen Montagnard darauf die Versicherung ertheilt hat, daß er ganz energisch für Aufrechthaltung der „Ordnung“ sorgen, und im Nothfall Attroupements und Clubs (wie auch Bankets) unterdrücken werde, steigt der Apollo des Berges, Herr Ledru-Rollin, auf die Bühne. Das Gouvernement hat nicht allein einen Offizier, welcher einem rothen Club beiwohnen „wollte“, aus Paris verwiesen, was eine offenbare Verdächtigung der Rothen als Destruktionsmänner ist, sondern man hat auch durch das Organ des Herrn Dufaure den Obersten und dem Kommandanten der Nationalgarde von einer bestimmten, auf einen bestimmten Tag angesagten Revolution gesprochen, zu welcher sich die parlamentarischen Montagnard's auf die Straße begeben würden. Herr Ledru-Rollin protestirt gegen diese schnöde Verdächtigung, — und mit Recht. Der 15. Mai und die Junitage haben es uns bewiesen, daß bei einer Revolution Herr Ledru-Rollin sich nie, wie seine ehemaligen Freunde Louis Blanc, Albert, Caussidiere, in den Straßen compromittiren wird; aus den Memoiren Caussidiere's erfahren wir jetzt auch, um welchen Preis Hr. Ledru-Rollin das Lob Lamartine's verdiente, der am 17. März an seine Frau schrieb: „Ledru-Rollin benimmt sich zu meiner Zufriedenheit.“</p> <p>Also werden wir „Frieden und Ordnung“ behalten. Die Montagnard's wollen es, das Gouvernement will es, die Bonapartisten wollen es: es ist, wie der „Peuple“ sagt, eine allgemeine Verschwörung für Frieden und Ordnung. Die Rothen haben Cavaignac, Lamoriciere und den Schwanz „National“ im Verdacht, aus Liebe zu der Herrlichkeit der honetten Republik mit einem Staatsstreich die Bonapartisten mitsammt den Rothen und Lilienweißen erschlagen zu wollen; reine Illusion der Furcht und Feigheit. Dem Gouvernement hat man von einer rothen Schilderhebung ins Ohr geflüstert, ihm sogar den Tag des Ausbruchs und die Führer der Montagne bezeichnet, welche zu dem Volk in die Straßen hinabsteigen werden: pure Verläumdung. Die Montagnard's sind friedlich und unionssüchtig; sie wissen, daß eine Revolution nach dem Juni kein 24. Februar, sondern eine Bartholomäusnacht sein würde. Nur für den unwahrscheinlichen Fall verproviantirt das Gouvernement seine in Paris concentrirten Cohorten, beruft Hr. Dufaure den Generabstab der Nationalgarde, bereitet sich Hr. Bugeaud in den Departements vor, mit 200,000 Mann gegen Paris zu marschiren, und ist Hr. Cavaignac bereit, sich in die „Ebene von St. Denis“ zurückzuziehen, um in Vereinigung mit dem Marschall von Isly die honette Republik von den rothen pariser Heloten zu säubern. Hony soit, qui mal y pense!</p> </div> <div xml:id="ar168_021" type="jArticle"> <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 12. Decbr.</head> <p>Die Spannung, welche in ganz Paris, in allen Theilen der Stadt, in den Privathäusern sowohl als an allen öffentlichen Orten herrscht, übersteigt alle Gränzen. Grade diese ängstliche Spannung ist die Ursache dieser ungewöhnlichen Ruhe. Man lauscht in stummer Erwartung, wie im Augenblicke, wo das große Loos gezogen werden soll. Wirklich bietet Paris in diesem Augenblicke eine große Aehnlichkeit mit einer um den Spieltisch versammelten Menge dar; ungeheure Summen stehen auf dem Spiele; man verfolgt alle Chancen mit einer Aengstlichkeit, die sich nicht wiedergeben läßt. Aber ob der „glückliche Gewinner“, wenn es ja einen Treffer gibt, sich seines Gewinnes lange erfreuen wird? Das amüsanteste bei der Geschichte ist, daß die Leute schon voraus über die Plätze verfügen, die von dem großen Treffen abhängen.</p> <p>So soll z. B. Odilon-Barrot Vice-Präsident, Changarnier Kriegsminister, Remüsat Minister der öffentlichen Angelegenheiten werden, wenn Napoleon zum Präsidenten ernannt wird. Ebenso hat Cavaignac seine Ministerrollen vertheilt, für den Fall, daß er das große Loos gewänne ‥‥ „Lassen sie sich wechselseitig verschlingen wie die Tiger, ruft Bonnard in dem Klub des Faubourg St. Antoine aus; wenn sie sich in diesem gegenseitigen Gefecht der Präsidentenwahl ganz erschöpft haben, dann wollen wir sehn, was wir zu thun haben“. Merlieux in einem andern Klub handelt über dasselbe Thema. „Zwei Arten von Aristokratieen stehn sich feindselig gegenüber: halten wir uns einstweilen fern; wir werden noch genug zu thun haben, um sie beide zu stürzen.“</p> </div> <div xml:id="ar168_022" type="jArticle"> <head><bibl><author>68</author></bibl> Paris, 11. Dez.</head> <p>Der Seine-Präfekt Recurt macht bekannt, daß die Stimmzählung am 14. d. M. auf dem Stadthause in öffentlicher Sitzung um 11 Uhr Vormittags beginnen wird.</p> <p>Im 6. Arrondissement wurde Cavaignac mit Akklamation zum Präsidenten ernannt. Wenn in den Departements derselbe Eifer, sich an der Wahl zu betheiligen, stattgefunden hat, so kann sich die Zahl der Stimmenden wohl ziemlich auf 9 Millionen belaufen. In allen Sektionen von Amiens haben unter 100 Stimmen je 80 für Napoleon gestimmt.</p> <p>Die Volksaufläufe dauern fort, namentlich auf den Boulevards Montmartre, St. Denis, St. Martin, auf dem Bastillenplatz und in den Faubourgs St. Antoine und St. Marceau. In letzterem scheint die Aufregung am größten. Doch ist es nirgends zu einem ernstlichen Konflikt gekommen, außer eben im Faubourg St. Marceau, wo die Volksgruppen mit den Mobilen heftig zusammengeriethen.</p> <p>Am 17. Dez. werden die französischen und deutschen sozialistischen Demokraten ihr schon früher angekündigtes Bankett abhalten.</p> </div> <div xml:id="ar168_023" type="jArticle"> <head>Paris, 11. Dez.</head> <p>Vollkommene Ruhe. Die Urne enthält bereits die Geschicke Frankreichs. Noch wenige Tage — und Europa wird wissen, ob die Contrerevolution einige neue Alliirte in Bugeaud, Thiers und Odilon Barrot erhält oder nicht?</p> <p>— Der National meldet: In der XIII. Sektion des 1. Arrondissements von Paris führten die Scrutatoren das Militär, im Einverständniß mit den Offizieren, in einen Saal, auf dessen langer Tafel mehrere Tausend Stimmzettel mit dem Namen Louis Bonaparte ausgebreitet lagen. Von diesem Faktum unterrichtet, gab der Maire jenes Arrondissements Befehl, diese Stimmzettel zu vernichten.</p> <p>Die Gazette de France meldet: „Zwischen 1 und 2 Uhr Mittags begaben sich mehrere Bürger in den Saal der 14. Sektion des 11. Arrondissements, um zu stimmen. Die Herren Skrutatoren erklärten ihnen jedoch, daß sie in einer Stunde wiederkommen müßten, wenn sie stimmen wollten, indem man die Stimmkasten in die Mairie hätte zurück schicken müssen, weil sie unversiegelt angekommen.“</p> <p>— Die „Presse“ (Erfinderin der Stimmzettelkasten mit Doppelboden) sagt:</p> <p>„Man hat berechnet, daß im Ganzen 6 Mill. Bürger stimmten. Davon für Louis Napoleon Bonaparte 4 Mill.; für Cavaignac, Ledru-Rollin, Lamartine etc. 2 Mill.“</p> <p>Der Constitutionnel meldet, daß in Paris bis 2 Uhr weit über die Hälfte aller Wähler schon gestimmt hatten. Er zweifelt nicht, daß Napoleon Bonaparte mit immenser Majorität gewählt worden. Doch ist seine Freude noch ziemlich mäßig.</p> <p>— Das Bien Public dankt dem Kabinet, daß es in allen Kirchen ein Veni Creator habe singen lassen, setzt aber hinzu, daß die Zahl der Stimmenmäkler auf 2000 sich belaufe! In Stadt und Land sei man mit Bülletins überschüttet worden, nur der Name „Lamartine“ sei nirgends kolportirt worden: dieser Name stehe im Herzen aller Franzosen! Ledru-Rollin und Raspail (Sozialismus und Kommunismus) erstreckte sich nicht über die Stadtmauer. Wenn je der Sozialismus in Paris siegen sollte, so würde er in den Kartoffelfeldern unserer Dörfer ersticken.</p> <p>— Das Journal des Débats (Meister Bertin) hat sich, um im Falle der Noth durch eine Hinterthüre zu entschlüpfen, des Abstimmens <hi rendition="#g">enthalten</hi>. Um nicht persönlich zu werden, vergleicht es die Kämpfe der Bonapartisten gegen Cavaignac mit dem Kampf zwischen Montaigu und Capulet, bei dem Mercutio als Opfer fällt. Mercutio ist das — Vaterland, das aus tausend Wunden blutet!</p> <p>Die „demokratisch-sozialistische Revolution“ sagt: Der Wahlakt ist nicht ohne alle Störung vorübergegangen. Außer der Kaserne des Faubourg du Temple, mußte die Mobilgarde auch die Kaserne der Rue de l'Oursine verlassen, um nicht vom Volk angegriffen zu werden. Diese Angriffe scheinen von der Reaktion aufgehetzt, die gar zu gern den Berg und seinen Anhang durch eine neue Kanonade vertilgen möchte. Wir warnen unsere Freunde, sich in dieser Schlinge nicht fangen zu lassen.</p> <p>— Proudhons „Peuple“ prophezeit: „Welcher Name auch der Urne entspringe, das <hi rendition="#g">Kapital</hi> wird sich ihm ergeben und das Ministerium sich ihm zu Füßen werfen. Leute, hinter denen man den Stolz und die Ehrsucht eines Cäsar oder Pompejus vermuthete, werden sich in bescheidene und uneigennützige Cincinatusse verwandeln. Glaubt nicht, Brüder, daß sie mehr als wir das allgemeine Stimmrecht anbeten; sie alle sind Schüler Voltaires und in der Hauptsache einig. Während die Regierung ihre Legionen und Truppen konzentrirt, Dufaure mit den Bürgerwehr-Obersten konferirt, Ledru-Rollin's Freunde schöne Reden halten, schaart Bugeaud den Süden zusammen und bereitet sich vor, mit 200,000 Mann gegen Paris aufzubrechen. Man lasse einen Aufruhr zu Stande kommen, Cavaignac sich in die Ebene von St. Denis zurückziehen und zum Herzog von Isly stoßen, um die Republik auf immer von dem rothen Ungeziefer (Sozialisten und Kommunisten), zu säubern, dann wird man sich in die Erbschaft theilen. Napoleon erhält den Präsidentenstuhl, Cavaignac wird Präsident der Nationalversammlung, Lamoriciere erhält Algerien als General-Gouverneur und dann schafft man die Verfassung um, die ihnen jetzt schon zu demokratisch ist. So wäre das konstitutionelle Theaterspiel vom 1. Jan. bis 31. Dez. wieder hergestellt. Sozialisten! Eure 200,000 Stimmzettel vertreten 2 Mill. Seelen, schaart Euch zusammen und thut endlich etwas für die Freiheit etc. (folgt ein Fingerzeig zur industriellen Revolution.)</p> <p>— Mole schreibt dem Moniteur, daß er (im Namen Bonapartes?) glaube, die Nationalversammlung müsse sich auflösen, und dürfe die organischen Gesetze nicht votiren.</p> <p>— Heute Abend mit dem Schlage 9 Uhr werden sämmtliche Urnen geschlossen.</p> <p>— Aus Neapel haben wir Berichte vom 3. Dez., aus Rom vom 2. Dez. und aus Turin vom 7. Dez. Nichts Erhebliches.</p> <p>— Die Journale (Patrie und Cons.), welche die berüchtigten Kisten veröffentlichten, sind von den Betreffenden sämmtlich vor die Gerichte wegen Verläumdung gefordert.</p> <p>— Mehemed Pascha bleibt nicht hier, sondern begibt sich nach London mit wichtigen Depeschen rücksichtlich der <hi rendition="#g">Donaufürstenthümer</hi>.</p> </div> <div xml:id="ar168_024" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Paris, 11. 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An den Agrikulturminister gewiesen.</p> <p>Derselbe Deputirte liest eine Petition des Studenten Lagrange um Aufhebung aller Clubs (Gelächter.)</p> <p><hi rendition="#g">Clemens Thomas</hi> dringt in den Minister, doch endlich die Waffenschmiede zu entschädigen, deren Läden im Februar und Juni geplündert worden.</p> <p><hi rendition="#g">Dufaure</hi> erklärt, es sei zur Untersuchung der Ansprüche aller Waffenhändler nicht nur in Paris, sondern auch der Departements, in denen sie litten, eine Kommission eingesetzt worden. Vor diese Kommission wolle man die diesfälligen Petitionen weisen.</p> <p>Das geschieht.</p> <p><hi rendition="#g">Carlonel</hi> berichtet über Petitionen der Leinwandfabriken in Angers. Sie finden die Adjudikationsbedingungen zu hart und seien ruinirt.</p> <p>Geht an den betreffenden Ausschuß.</p> <p>Die Petition eines Dr. Durand erregt eine kleine Debatte und führt den Kriegsminister auf die Bühne.</p> <p><hi rendition="#g">Lamoriciere:</hi> Dürand will an der Spitze vor einige tausend Proletariern die ganze Ebene vom Metidja kolonisiren, doch solle ihm der Staat gegen die Heuschrecken garantiren. Das könne er nicht.</p> <p>Wird an das Kriegsministerium gewiesen.</p> <p>Nach Erledigung anderer Petitionen nimmt die Versammlung die Debatte von Sonnabend über die Reihenfolge und den Charakter der organischen Gesetze wieder auf. Die Assistenzorganisation wird ebenfalls dazu geschlagen. (Es heißt: Dufaure werde die Schließung der Clubs beantragen.)</p> <p>Nach langer und ziemlich confuser Debatte entscheidet die Versammlung mit 403 gegen 178 Stimmen, daß folgende 9 Punkte zu den organischen Gesetzen gehören: 1) Verantwortlichkeit und Straffälligkeit des Präsidenten. 2) Wahlgesetz, 3) Preßgesetz, 4) Belagerungsgesetz, 5) Assistenzgesetz, 6) Agrikulturinstitution, 7) Armee und Bürgerwehr, 8) Unterrichtsgesetz, 9) Justizorganisation etc. etc.</p> <p><hi rendition="#g">Dupont</hi> (Bussae) verlangt, daß das jüngste Protokoll rücksichtlich einer Aeußerung berichtigt werde, die sich auf den Polizeipräsidenten Gervais bezöge und von Ledru Rollin ausgesprochen worden.</p> <p><hi rendition="#g">Ledru Rollin</hi> erklärt, daß er in seiner jüngsten Rede keineswegs des Hrn. Gervais zu erwähnen beabsichtigte, als er von den Unterbeamten des Ministers des Innern gesprochen, Hr. Gervais sei kein Unterbeamter.</p> <p><hi rendition="#g">Marrast:</hi> Soll berichtigt werden.</p> <p><hi rendition="#g">Dufaure</hi> besteigt nicht die Bühne, um, wie vermuthet worden, den Antrag auf Schließung der Clubs vorzulegen.</p> <p>Es soll dieß morgen erst geschehen.</p> <p>Die Sitzung wird um 1/4 vor 6 Uhr geschlossen.</p> <p>P. Paris ist stark belebt, aber nirgend Ruhestörung.</p> </div> <div xml:id="ar168_025" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Lille, 10. Dez.</head> <p>Napoleon wird hier sehr viele Stimmen bekommen. Die Napoleon'sche Partei wandte folgendes Manöver an: sie ließ eine große Masse Wahlzettel mit dem Namen „Napoleon-le-Bon“ (Napoleon der Gute) vertheilen. Mehrere Wähler sind in die Schlinge gegangen, und noch mehr hätte man hinein bekommen, wenn nicht die Gegenpartei aufmerksam gemacht, die Billetvertheiler durch die Polizei hätte zum Kommissär abführen lassen.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Großbritannien.</head> <div xml:id="ar168_026" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> London, 9. Dez.</head> <p>Im West Riding von York findet eine neue Parlamentswahl statt. Der bekannte Chartist Samuel Kydd, Mitglied des chartistischen Centralausschusses, wird am Montag </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0903/0003]
** Bern, 9. Dez. _ ** Luzern, 9. Dez. Der hiesige Große Rath ist seit einigen Tagen wieder versammelt und hat den Dr. Steiger, auf dessen Haupt jetzt von allen Seiten Auszeichnung und Ehre schneit, zum Landesschultheiß (Chef der vollziehenden Gewalt) ernannt. Im Uebrigen laboriren die Verhandlungen noch immer an den Nachwehen des Sonderbunds. Die alten sonderbündischen Großräthe, denen bekanntlich ein bedeutender Theil der Kriegskontribution aufgebürdet wurde, petitioniren, 68 an der Zahl, um Erlaß der schuldigen Summe, deren Einzahlung sie natürlich ruiniren würde. Die Petition ist an den Regierungsrath überwiesen worden, der ihnen am Ende das Meiste erläßt. Weniger Hoffnung haben dagegen die alten Freischärler, die ebenfalls petitioniren, aber um Erstattung der ihnen von Siegwart-Müller abgepreßten Brandschatzungen. Wie sollte der Kanton dies längst von den Sonderbundshelden verbankettirte Geld erstatten können? Sind doch die hiesigen Finanzen in einer solchen Zerrüttung, daß die Regierung nie aus der Finanznoth blasser Wehmuth herauskommt und mit Schrecken den Bankerott täglich näher heranrücken sieht. In den Urkantonen gehts nicht besser. Sie liegen unter sich und mit Luzern im Streit wegen verschiedener Forderungen aus den glorreichen Tagen der Jesuitenherrschaft, besonders wegen der von Luzern versuchten Repartirung der damals aus der eidgenössischen Kriegskasse gestohlenen und von dem sonderbündischen Generalstab in schönen Reitpferden, gestickten Uniformen und andern Herrlichkeiten vergeudeten Gelder. Das ist die Erbschaft, die die Herren Siegwart-Müller, Bernhard Meyer und Konsorten ihren Lieben und Getreuen hinterlassen haben!
X Unterwalden-Obwalden. Die Geschichte ist zwar schon einige Wochen alt, aber doch der Mühe werth daß ich sie dem deutschen Publikum erzähle, damit es eine Probe davon erhält, wie es in den einfachen Hirtenthälern der Urschweiz, diesem Sitz aller patriarchalischen Tugenden hergeht. Meinrad Imfeld, geboren 1771, Sohn des Kantonsvogts, war ein Revolutionär, und schloß sich 1798 den Franzosen an, als die republikanischen Kanonen in die urthümliche Stabilität der Waldstädte Bresche schossen. Er wurde unter der neuen helvetischen Konstitution Sekretär der Administrativkommission des Kantons der Waldstädte, und bekleidete auch unter der Mediationsakte mehrere Aemter mit Auszeichnung. Als aber 1814 mit den Befreiungsheren die Kontrerevolution in die Schweiz einzog, als unter der Form einer ungeschliffenen Demokratie die alte Kantonli-Oligarchie wieder zur Herrschaft kam, setzten sich die Obwaldner Gewaltigen Stockmann, von der Flue und Spichtig sogleich ans Werk, um ihren gefährlichen Gegner Imfeld zu züchtigen. Ohne irgend einen Grund ja ohne einen Vorwand anzugeben, wurde Imfeld und sein Vater in die Acht erklärt, dann eingesperrt, dann wieder freigelassen, dann wieder verhaftet, und da man keinen Platz hatte um ihn einzusperren (der Kanton hat bis heute kein Gefängniß, sondern in den Zuchthäusern zu Zürich und Luzern je einen Platz gemiethet, und Beide waren besetzt) mit einer Kette in seinem eigenen Hause an sein Bett geschmiedet. Endlich ließ man ihn frei, beraubte ihn aber seiner bürgerlichen Rechte und seines Vermögens. Wegen einer Rechtfertigungsschrift wurde er aufs Neue eingesperrt. Endlich entkam er, schrieb einen derben Brief an die Obwaldner Regierung und wurde dafür 1829 — so lange hatte man ihn gepeinigt — auf 20 Jahre vom Gebiet der Schweiz verbannt. Jetzt endlich wo nur noch einer seiner Verfolger, der edle Spichtig, in der Zurückgezogenheit von der Gicht und seinen 300,000 Fr. lebt, kommt Imfeld plötzlich zurück, und setzt durch entschiednes Auftreten wirklich die Aufhebung des Verbannungsdekrets bei der Landgemeinde durch. So gehts in den Urkantonen, so wird man von diesen unverdorbenen Sennhirten behandelt wenn man sich untersteht etwas mehr Hirn zu besitzen als ihre Ochsen.
Französische Republik. 19 Paris, 11. Dezbr. Gestern Abend 9 Uhr wurde das Scrutinium der Präsidentenwahl geschlossen, um heute Morgen von 9 Uhr an wieder fortgesetzt zu werden. Die allgemeine Zählung der Stimmen aus den zwölf Stadt-Arrondissements und acht Landcantonen von Paris soll am Donnerstag den 14. in öffentlicher Sitzung im Hotel de Ville beginnen und das Resultat unmittelbar nach der Zählung proklamirt werden, — vorbehaltlich der letzten Entscheidung der Nationalversammlung, welche nach Einsicht der Protokolle einzelne Vota cassiren oder cassirte restituiren kann. Die Proklamation der Nationalversammlung wird nach der weisen Vorsicht des Gouvernements, welches den Wahltag für Algier auf den 19. hinausgeschoben hat, erst nach Weihnachten erfolgen.
Ueber das vielversprechende Aussehen von Paris für diese Tage haben Sie aus der vorgestrigen Sitzung der Nationalversammlung des Breiteren Nachricht erhalten. Mittags um 1 Uhr schon hatte Hr. Cavaignac den Barometer der honetten Republik, das Gotteshaus der Gauner und Banquiers, mit einigen Anschlägen zu erwärmen gesucht, in welchen er die Börsenmänner mit der Versicherung beruhigte, daß das Gouvernement sich „stark genug“ zur Unterdrückung jedes Insurrektionsversuches fühle. Gegen Abend wurden auch die „Citoyens“, die gewöhnlichen, nicht börsenfähigen Bürger mit einer Proklamation erfreut, worin sie der Afrikaner nach einigen Einleitungsworten über seine bisherigen Bemühungen für die „Ordnung“ ermahnte, sich hübsch „ruhig“ und „anständig“ zu verhalten, und die honette Republik nicht zu compromittiren. Und während in den Straßen dergestalt das Gouvernement selbst die Erwartung eines Aufstandes ausschreit, träufeln die parlamentarischen Vertreter sämmtlicher Parteien den süßesten Honigseim von Pacification und Union. Wunderbar: in der Versammlung sind es gerade die „Rothen“, welche sich um die „Ruhe“ von Paris besorgt zeigen; der Minister des Innern hat Mühe, sie seines guten Willens zu überzeugen. Der alte redselige Advokat Joly fragt im Namen des Berges zuerst, was der Minister in Betreff der Lage der Hauptstadt gethan oder zu thun gedenke. Herr Joly hat Furcht; er ist den Abend vorher über den Vendome-Platz spazirt, wo er beängstigend starke Attroupements erblickt hat; ein M[en]sch hat: Vive Cavaignac! gerufen und ist darauf vom Volke unter dem Geschrei: A bas Cavaignac! A bas les mouchards! Vive Napoleon! mit Steinwürfen verfolgt worden. Dieß bedauerliche Ereigniß flößt dem alten Advokaten Besorgniß ein, und er fragt, was der Minister zu thun gedenke, — nicht in Betreff der Anhänger Cavaignac's und Napoleon's, denn diese gehen ihn nichts an, — sondern gegen die Attroupements, vor denen der parlamentarische Volksfreund wie die ganze Montagne, in deren Namen er spricht, Furcht hat. Nachdem der Minister dem ehrenwerthen Montagnard darauf die Versicherung ertheilt hat, daß er ganz energisch für Aufrechthaltung der „Ordnung“ sorgen, und im Nothfall Attroupements und Clubs (wie auch Bankets) unterdrücken werde, steigt der Apollo des Berges, Herr Ledru-Rollin, auf die Bühne. Das Gouvernement hat nicht allein einen Offizier, welcher einem rothen Club beiwohnen „wollte“, aus Paris verwiesen, was eine offenbare Verdächtigung der Rothen als Destruktionsmänner ist, sondern man hat auch durch das Organ des Herrn Dufaure den Obersten und dem Kommandanten der Nationalgarde von einer bestimmten, auf einen bestimmten Tag angesagten Revolution gesprochen, zu welcher sich die parlamentarischen Montagnard's auf die Straße begeben würden. Herr Ledru-Rollin protestirt gegen diese schnöde Verdächtigung, — und mit Recht. Der 15. Mai und die Junitage haben es uns bewiesen, daß bei einer Revolution Herr Ledru-Rollin sich nie, wie seine ehemaligen Freunde Louis Blanc, Albert, Caussidiere, in den Straßen compromittiren wird; aus den Memoiren Caussidiere's erfahren wir jetzt auch, um welchen Preis Hr. Ledru-Rollin das Lob Lamartine's verdiente, der am 17. März an seine Frau schrieb: „Ledru-Rollin benimmt sich zu meiner Zufriedenheit.“
Also werden wir „Frieden und Ordnung“ behalten. Die Montagnard's wollen es, das Gouvernement will es, die Bonapartisten wollen es: es ist, wie der „Peuple“ sagt, eine allgemeine Verschwörung für Frieden und Ordnung. Die Rothen haben Cavaignac, Lamoriciere und den Schwanz „National“ im Verdacht, aus Liebe zu der Herrlichkeit der honetten Republik mit einem Staatsstreich die Bonapartisten mitsammt den Rothen und Lilienweißen erschlagen zu wollen; reine Illusion der Furcht und Feigheit. Dem Gouvernement hat man von einer rothen Schilderhebung ins Ohr geflüstert, ihm sogar den Tag des Ausbruchs und die Führer der Montagne bezeichnet, welche zu dem Volk in die Straßen hinabsteigen werden: pure Verläumdung. Die Montagnard's sind friedlich und unionssüchtig; sie wissen, daß eine Revolution nach dem Juni kein 24. Februar, sondern eine Bartholomäusnacht sein würde. Nur für den unwahrscheinlichen Fall verproviantirt das Gouvernement seine in Paris concentrirten Cohorten, beruft Hr. Dufaure den Generabstab der Nationalgarde, bereitet sich Hr. Bugeaud in den Departements vor, mit 200,000 Mann gegen Paris zu marschiren, und ist Hr. Cavaignac bereit, sich in die „Ebene von St. Denis“ zurückzuziehen, um in Vereinigung mit dem Marschall von Isly die honette Republik von den rothen pariser Heloten zu säubern. Hony soit, qui mal y pense!
12 Paris, 12. Decbr. Die Spannung, welche in ganz Paris, in allen Theilen der Stadt, in den Privathäusern sowohl als an allen öffentlichen Orten herrscht, übersteigt alle Gränzen. Grade diese ängstliche Spannung ist die Ursache dieser ungewöhnlichen Ruhe. Man lauscht in stummer Erwartung, wie im Augenblicke, wo das große Loos gezogen werden soll. Wirklich bietet Paris in diesem Augenblicke eine große Aehnlichkeit mit einer um den Spieltisch versammelten Menge dar; ungeheure Summen stehen auf dem Spiele; man verfolgt alle Chancen mit einer Aengstlichkeit, die sich nicht wiedergeben läßt. Aber ob der „glückliche Gewinner“, wenn es ja einen Treffer gibt, sich seines Gewinnes lange erfreuen wird? Das amüsanteste bei der Geschichte ist, daß die Leute schon voraus über die Plätze verfügen, die von dem großen Treffen abhängen.
So soll z. B. Odilon-Barrot Vice-Präsident, Changarnier Kriegsminister, Remüsat Minister der öffentlichen Angelegenheiten werden, wenn Napoleon zum Präsidenten ernannt wird. Ebenso hat Cavaignac seine Ministerrollen vertheilt, für den Fall, daß er das große Loos gewänne ‥‥ „Lassen sie sich wechselseitig verschlingen wie die Tiger, ruft Bonnard in dem Klub des Faubourg St. Antoine aus; wenn sie sich in diesem gegenseitigen Gefecht der Präsidentenwahl ganz erschöpft haben, dann wollen wir sehn, was wir zu thun haben“. Merlieux in einem andern Klub handelt über dasselbe Thema. „Zwei Arten von Aristokratieen stehn sich feindselig gegenüber: halten wir uns einstweilen fern; wir werden noch genug zu thun haben, um sie beide zu stürzen.“
68 Paris, 11. Dez. Der Seine-Präfekt Recurt macht bekannt, daß die Stimmzählung am 14. d. M. auf dem Stadthause in öffentlicher Sitzung um 11 Uhr Vormittags beginnen wird.
Im 6. Arrondissement wurde Cavaignac mit Akklamation zum Präsidenten ernannt. Wenn in den Departements derselbe Eifer, sich an der Wahl zu betheiligen, stattgefunden hat, so kann sich die Zahl der Stimmenden wohl ziemlich auf 9 Millionen belaufen. In allen Sektionen von Amiens haben unter 100 Stimmen je 80 für Napoleon gestimmt.
Die Volksaufläufe dauern fort, namentlich auf den Boulevards Montmartre, St. Denis, St. Martin, auf dem Bastillenplatz und in den Faubourgs St. Antoine und St. Marceau. In letzterem scheint die Aufregung am größten. Doch ist es nirgends zu einem ernstlichen Konflikt gekommen, außer eben im Faubourg St. Marceau, wo die Volksgruppen mit den Mobilen heftig zusammengeriethen.
Am 17. Dez. werden die französischen und deutschen sozialistischen Demokraten ihr schon früher angekündigtes Bankett abhalten.
Paris, 11. Dez. Vollkommene Ruhe. Die Urne enthält bereits die Geschicke Frankreichs. Noch wenige Tage — und Europa wird wissen, ob die Contrerevolution einige neue Alliirte in Bugeaud, Thiers und Odilon Barrot erhält oder nicht?
— Der National meldet: In der XIII. Sektion des 1. Arrondissements von Paris führten die Scrutatoren das Militär, im Einverständniß mit den Offizieren, in einen Saal, auf dessen langer Tafel mehrere Tausend Stimmzettel mit dem Namen Louis Bonaparte ausgebreitet lagen. Von diesem Faktum unterrichtet, gab der Maire jenes Arrondissements Befehl, diese Stimmzettel zu vernichten.
Die Gazette de France meldet: „Zwischen 1 und 2 Uhr Mittags begaben sich mehrere Bürger in den Saal der 14. Sektion des 11. Arrondissements, um zu stimmen. Die Herren Skrutatoren erklärten ihnen jedoch, daß sie in einer Stunde wiederkommen müßten, wenn sie stimmen wollten, indem man die Stimmkasten in die Mairie hätte zurück schicken müssen, weil sie unversiegelt angekommen.“
— Die „Presse“ (Erfinderin der Stimmzettelkasten mit Doppelboden) sagt:
„Man hat berechnet, daß im Ganzen 6 Mill. Bürger stimmten. Davon für Louis Napoleon Bonaparte 4 Mill.; für Cavaignac, Ledru-Rollin, Lamartine etc. 2 Mill.“
Der Constitutionnel meldet, daß in Paris bis 2 Uhr weit über die Hälfte aller Wähler schon gestimmt hatten. Er zweifelt nicht, daß Napoleon Bonaparte mit immenser Majorität gewählt worden. Doch ist seine Freude noch ziemlich mäßig.
— Das Bien Public dankt dem Kabinet, daß es in allen Kirchen ein Veni Creator habe singen lassen, setzt aber hinzu, daß die Zahl der Stimmenmäkler auf 2000 sich belaufe! In Stadt und Land sei man mit Bülletins überschüttet worden, nur der Name „Lamartine“ sei nirgends kolportirt worden: dieser Name stehe im Herzen aller Franzosen! Ledru-Rollin und Raspail (Sozialismus und Kommunismus) erstreckte sich nicht über die Stadtmauer. Wenn je der Sozialismus in Paris siegen sollte, so würde er in den Kartoffelfeldern unserer Dörfer ersticken.
— Das Journal des Débats (Meister Bertin) hat sich, um im Falle der Noth durch eine Hinterthüre zu entschlüpfen, des Abstimmens enthalten. Um nicht persönlich zu werden, vergleicht es die Kämpfe der Bonapartisten gegen Cavaignac mit dem Kampf zwischen Montaigu und Capulet, bei dem Mercutio als Opfer fällt. Mercutio ist das — Vaterland, das aus tausend Wunden blutet!
Die „demokratisch-sozialistische Revolution“ sagt: Der Wahlakt ist nicht ohne alle Störung vorübergegangen. Außer der Kaserne des Faubourg du Temple, mußte die Mobilgarde auch die Kaserne der Rue de l'Oursine verlassen, um nicht vom Volk angegriffen zu werden. Diese Angriffe scheinen von der Reaktion aufgehetzt, die gar zu gern den Berg und seinen Anhang durch eine neue Kanonade vertilgen möchte. Wir warnen unsere Freunde, sich in dieser Schlinge nicht fangen zu lassen.
— Proudhons „Peuple“ prophezeit: „Welcher Name auch der Urne entspringe, das Kapital wird sich ihm ergeben und das Ministerium sich ihm zu Füßen werfen. Leute, hinter denen man den Stolz und die Ehrsucht eines Cäsar oder Pompejus vermuthete, werden sich in bescheidene und uneigennützige Cincinatusse verwandeln. Glaubt nicht, Brüder, daß sie mehr als wir das allgemeine Stimmrecht anbeten; sie alle sind Schüler Voltaires und in der Hauptsache einig. Während die Regierung ihre Legionen und Truppen konzentrirt, Dufaure mit den Bürgerwehr-Obersten konferirt, Ledru-Rollin's Freunde schöne Reden halten, schaart Bugeaud den Süden zusammen und bereitet sich vor, mit 200,000 Mann gegen Paris aufzubrechen. Man lasse einen Aufruhr zu Stande kommen, Cavaignac sich in die Ebene von St. Denis zurückziehen und zum Herzog von Isly stoßen, um die Republik auf immer von dem rothen Ungeziefer (Sozialisten und Kommunisten), zu säubern, dann wird man sich in die Erbschaft theilen. Napoleon erhält den Präsidentenstuhl, Cavaignac wird Präsident der Nationalversammlung, Lamoriciere erhält Algerien als General-Gouverneur und dann schafft man die Verfassung um, die ihnen jetzt schon zu demokratisch ist. So wäre das konstitutionelle Theaterspiel vom 1. Jan. bis 31. Dez. wieder hergestellt. Sozialisten! Eure 200,000 Stimmzettel vertreten 2 Mill. Seelen, schaart Euch zusammen und thut endlich etwas für die Freiheit etc. (folgt ein Fingerzeig zur industriellen Revolution.)
— Mole schreibt dem Moniteur, daß er (im Namen Bonapartes?) glaube, die Nationalversammlung müsse sich auflösen, und dürfe die organischen Gesetze nicht votiren.
— Heute Abend mit dem Schlage 9 Uhr werden sämmtliche Urnen geschlossen.
— Aus Neapel haben wir Berichte vom 3. Dez., aus Rom vom 2. Dez. und aus Turin vom 7. Dez. Nichts Erhebliches.
— Die Journale (Patrie und Cons.), welche die berüchtigten Kisten veröffentlichten, sind von den Betreffenden sämmtlich vor die Gerichte wegen Verläumdung gefordert.
— Mehemed Pascha bleibt nicht hier, sondern begibt sich nach London mit wichtigen Depeschen rücksichtlich der Donaufürstenthümer.
* Paris, 11. Dezember. Der Pariser Straßenkoth ist für 500,000 Fr. jährlich verpachtet. Der Pächter seinerseits löst daraus 3,600,00 Fr., indem er den Kubikmetre zu 3-5 Fr. verkauft. Er muß dafür die Kosten der Straßenreinigung tragen. Im Jahre 1823 bezog Paris für den Straßenkoth blos 75,000 Fr. Der Schmutz ist also bedeutend im Preise gestiegen.
— Nationalversammlung. Sitzung vom 11. Decbr. Anfang 2 Uhr. Marrast präsidirt.
An der Tagesordnung sind Petitionen.
Davy stattet Bericht über mehrere Petitionen rücksichtlich der Justizpflege. Ohne allgemeines Interesse.
Tourret Agrikulturminister legt einen Entwurf über Anlage von Consultativkammern vor etc.
Alcon erledigt den ersten Stoß von Petitionen.
De Luynes berichtet über Anträge auf Anlage von Agrikultur-Banken. An den Agrikulturminister gewiesen.
Derselbe Deputirte liest eine Petition des Studenten Lagrange um Aufhebung aller Clubs (Gelächter.)
Clemens Thomas dringt in den Minister, doch endlich die Waffenschmiede zu entschädigen, deren Läden im Februar und Juni geplündert worden.
Dufaure erklärt, es sei zur Untersuchung der Ansprüche aller Waffenhändler nicht nur in Paris, sondern auch der Departements, in denen sie litten, eine Kommission eingesetzt worden. Vor diese Kommission wolle man die diesfälligen Petitionen weisen.
Das geschieht.
Carlonel berichtet über Petitionen der Leinwandfabriken in Angers. Sie finden die Adjudikationsbedingungen zu hart und seien ruinirt.
Geht an den betreffenden Ausschuß.
Die Petition eines Dr. Durand erregt eine kleine Debatte und führt den Kriegsminister auf die Bühne.
Lamoriciere: Dürand will an der Spitze vor einige tausend Proletariern die ganze Ebene vom Metidja kolonisiren, doch solle ihm der Staat gegen die Heuschrecken garantiren. Das könne er nicht.
Wird an das Kriegsministerium gewiesen.
Nach Erledigung anderer Petitionen nimmt die Versammlung die Debatte von Sonnabend über die Reihenfolge und den Charakter der organischen Gesetze wieder auf. Die Assistenzorganisation wird ebenfalls dazu geschlagen. (Es heißt: Dufaure werde die Schließung der Clubs beantragen.)
Nach langer und ziemlich confuser Debatte entscheidet die Versammlung mit 403 gegen 178 Stimmen, daß folgende 9 Punkte zu den organischen Gesetzen gehören: 1) Verantwortlichkeit und Straffälligkeit des Präsidenten. 2) Wahlgesetz, 3) Preßgesetz, 4) Belagerungsgesetz, 5) Assistenzgesetz, 6) Agrikulturinstitution, 7) Armee und Bürgerwehr, 8) Unterrichtsgesetz, 9) Justizorganisation etc. etc.
Dupont (Bussae) verlangt, daß das jüngste Protokoll rücksichtlich einer Aeußerung berichtigt werde, die sich auf den Polizeipräsidenten Gervais bezöge und von Ledru Rollin ausgesprochen worden.
Ledru Rollin erklärt, daß er in seiner jüngsten Rede keineswegs des Hrn. Gervais zu erwähnen beabsichtigte, als er von den Unterbeamten des Ministers des Innern gesprochen, Hr. Gervais sei kein Unterbeamter.
Marrast: Soll berichtigt werden.
Dufaure besteigt nicht die Bühne, um, wie vermuthet worden, den Antrag auf Schließung der Clubs vorzulegen.
Es soll dieß morgen erst geschehen.
Die Sitzung wird um 1/4 vor 6 Uhr geschlossen.
P. Paris ist stark belebt, aber nirgend Ruhestörung.
* Lille, 10. Dez. Napoleon wird hier sehr viele Stimmen bekommen. Die Napoleon'sche Partei wandte folgendes Manöver an: sie ließ eine große Masse Wahlzettel mit dem Namen „Napoleon-le-Bon“ (Napoleon der Gute) vertheilen. Mehrere Wähler sind in die Schlinge gegangen, und noch mehr hätte man hinein bekommen, wenn nicht die Gegenpartei aufmerksam gemacht, die Billetvertheiler durch die Polizei hätte zum Kommissär abführen lassen.
Großbritannien. * London, 9. Dez. Im West Riding von York findet eine neue Parlamentswahl statt. Der bekannte Chartist Samuel Kydd, Mitglied des chartistischen Centralausschusses, wird am Montag
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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