Neue Rheinische Zeitung. Nr. 169. Köln, 15. Dezember 1848.ich bin Theologe. Ihr Befehl widerspricht meinem ganzen System, meiner ganzen Anschauungsweise. Ein viertel Jahrhundert lang, bin ich der Stimme meines Innern, meiner Ueberzeugung treu geblieben und glaube auch heute noch an das, was uns der Apostel sagt im 8ten Verse des 7ten Kapitels seiner Epistel an die Corinther, wo da geschrieben steht, daß es besser ist, wenn die Ledigen bleiben wie der Apostel, nemlich ebenfalls ledig und unbeweibt -- --"" "Narrenspossen, nichts als Narrenspossen!" -- unterbrach hier der Doktor -- "und außerdem vergessen Sie Herr Professor, daß es im 9ten Verse heißt: ""So sie aber sich nicht enthalten können, so laß sie freien. Es ist besser freien, denn -- --"" Der Professor seufzte tief auf -- ""Sie verlangen also in vollem Ernst, daß ich mich verheirathe?"" "Das habe ich nicht gesagt." ""Aber Sie wollen ja, daß ich mich verliebe."" "Man kann lieben, ohne zu heirathen." ""Aber Herr Doktor, das wäre Sünde."" "Herr Professor, Sie sind von wahrhaft biblischer Unschuld." ""Und eine Sünde werde ich nie begehen."" "Herr Professor, es giebt nur eine Sünde, das ist die Sünde gegen das eigene Fleisch." ""Nun, so will ich mit dem Apostel sündigen."" "Vielleicht war der Apostel aber nicht in so krankhaftem Zustande, wie Sie Herr Professor." ""Wie meinen Sie das, Herr Doktor?"" "Vielleicht konnte der Apostel seinem Verlangen widerstehen. Sie werden darüber zu Grunde geh'n." ""Nun, es sei! Ich werde heirathen!" "In vier und zwanzig Stunden!" Die letzten Worte waren für den armen Professor ein neuer Donnerschlag. Er taumelte rücklings in seinen Sessel, und bedeckte das fahle Antlitz mit beiden Händen. Der Doktor spielte gelassen mit seinem Hute. ""Sie sind grausam, Doktor!"" nahm endlich der Professor das Gespräch wieder auf. -- ""Ich soll in vier und zwanzig Stunden heirathe: das ist unmöglich!"" "Beim Menschen ist nichts unmöglich!" ""Ich kenne alle Kirchenväter, aber ich kenne kein einziges Weib."" "So lassen Sie die Kirchenväter laufen, und lernen Sie die Weiber kennen!" ""Ich will mich verbindlich machen, in vier und zwanzig Stunden eine neue Sprache kennen zu lernen. Aber ein Weib lieben lernen -- bedenken Sie Herr Doktor!"" "Die Sprache der Liebe lernt man in fünf Minuten." ""Sie sind unerbittlich. Herr Doktor!"" "Unerbittlich, Herr Professor!" ""O Gott, errette mich von diesem Doktor!" Der Doktor wurde ungeduldig. Er schritt der Thüre zu. "Thun Sie, was Sie wollen, Herr Professor. Ich bin hierher gekommen, um für Ihren Leib zu sorgen, nicht für Ihre Seele. Suchen Sie meine Rathschläge mit Ihrem Gewissen zu vereinbaren, das ist Ihre Sache. -- -- Ich gebe zu, daß es mit einigen Schwierigkeiten verbunden ist, in vier und zwanzig Stunden ein eh'lich Weib zu finden, Hochzeit zu machen und so weiter -- -- aber es fällt mir auch im Traume nicht ein, Sie zu diesem extremen Schritte zu treiben. Richten Sie die Sache anders ein -- -- Sie werden mich verstehen. -- -- Ich stelle Ihnen einfach die beiden Chancen: entweder eine Konzession Ihres Gewissens, oder ein früher Tod. Wählen Sie zwischen einem Gewissensmord und einem Selbstmord. Wählen Sie von zwei Sünden eine; wählen Sie!" Von der Stirn des Professors perlte der Angstschweiß. Der Doktor machte seine Auseinandersetzungen aber mit soviel Präzision und mit so unendlicher Bonhomie, daß der geplagte Mann Gottes endlich langsam das Haupt erhob, und nach einigem Stottern und Erröthen mit einer wahrhaft naiven Unerschrockenheit die Frage wagte: ""Aber, lieber Herr Doktor, wie würde man diese Mordgeschichte einzurichten haben? --"" Hier konnte sich der Doktor nicht länger halten. Er lachte laut auf -- "Theuerster Professor -- --" ""Allerdings, Herr Doktor! Sagen Sie mir aufrichtig, wie ich mich dabei benehmen soll!"" "Aktiv sollen Sie sich dabei benehmen!" ""Aber bedenken Sie doch, daß ich durchaus Neuling in der Sünde bin!"" "Tant mieux, Herr Professor." ""Tant pis, Herr Doktor! --"" Das Dilemma wollte kein Ende nehmen. Der Doktor sah ein, daß er seinem Patienten zu Hülfe kommen mußte: "Wenn Sie den alten Jesuiten Escobar gründlich studirt hätten, Herr Professor, so würden alle weiteren Explikationen unnöthig sein. Aber ich merke, daß Sie von der verstocktesten Unschuld sind. Sie sind ein wahrer Sankt Aloysius -- doch trösten Sie sich! Morgen Abend zwischen 7 und 8 Uhr wird Jemand vernehmlich an ihrer Hausthür schellen. Sie werden Ihre Hausbewohner, Ihren Knecht und Ihre Mägde hinausgeschickt haben und Sie werden gütigst selbst die Thüre öffnen. Sie werden die Thüre behutsam öffnen, ohne allen Eclat, damit Niemand der Vorübergehenden etwas bemerkt, und Sie werden die liebenswürdige Person, die Ihnen eine der interessantesten Visiten abstatten wird, eben so artig als zuvorkommend empfangen und sie ohne Umstände sofort in Ihr Studierzimmer führen. Sie werden dort die Fenster verhängt und den Sopha von Bibeln und Kirchenvätern gereinigt haben. Sie werden ein gehöriges Feuer im Ofen unterhalten und für die geeignete Beleuchtung sorgen. Sie wer [Deutschland]
[Fortsetzung] nicht originell war, originell in der Gemeinheit -- schachernd mit ihren eigenen Wünschen, ohne Initiative, ohne Glauben an sich selbst, ohne Glauben an das Volk, ohne weltgeschichtlichen Beruf, -- ein vermaledeiter Greis, der sich dazu verdammt sah, die ersten Jugendströmungen eines robusten Volks in seinem eigenen altersschwachen Interesse zu leiten und abzuleiten -- ohn' Aug! ohn' Ohr! ohn' Zahn, ohn' Alles -- so fand sich die preußische Bourgeoisie nach der Märzrevolution am Ruder des preußischen Staates. (Forts. folgt.) 68 Köln, 14. Dezember. In Nr. 166 und 167 d. Ztg. sind aus dem Bericht einer Deputation "zur Prüfung der Staatskassenrechnungen" einige Auszüge mitgetheilt worden. Der Leser wird bemerkt haben, daß genannte Deputation nicht tief eingedrungen ist in die Geheimnisse der preußischen Finanzverwaltung. Sie klagt mit Recht, daß die "Rechnungsablegung sehr verwickelt ist und keine hinreichende Uebersicht gewährt." Aber selbst das Wenige klärt hinreichend auf über die christlich-germanische Art und Weise, wie die Taschen des Volks zu Gratifikationen etc. an ohnehin übermäßig besoldete Beamte, an Generäle, Generallieutenants, an Oberfinanzräthe, Oberregierungsräthe, an Oberpräsidenten und Minister, an Landräthe und Oberforstmeister und wie das übrige unser Land aussaugende Geschmeiß weiter heißt, aufs Ungenirteste geplündert worden sind. Während Tausende von armen Kindern aus Mangel am Nothdürftigsten leiblich und geistig verkümmern, erhält der Landrath Graf von Keller zur Erziehung seiner drei Kinder jährlich 300 Thlr. -- er erhält sie, nicht aus der Tasche des Königs "von Gottes Gnaden", der außer einem kolossalen Privatvermögen noch jährlich 2 1/2 Millionen aus dem Staatsvermögen bezieht, sondern aus den Steuerpfennigen der Armen. Herr Graf von Keller hat zwar sein schönes Gehalt, allein wenn ein Graf drei Kinder hat, so versteht es sich von selbst, daß die arme, hungernde Kanaille jährlich 300 Thlr. zur Erziehung der gräflichen Kinder beisteuern muß. In der octroyirten Verfassung heißt es, daß zur zweiten Kammer nur wählen darf, wer nicht aus öffentlichen Mitteln Unterstützung erhält. Wird der Hr. Graf Keller also sein Wahlrecht verlieren? O pfui über diese unchristliche Frage. Er wird im Gegentheil doppelt wählen, einmal zur zweiten und dann auch zur ersten Kammer. Sehr möglich, daß er selbst in letztere gewählt wird. Denn ein solcher Mann muß natürlich sehr konservativ sein, er muß, das verlangt sein heiligstes Interesse des Geldbeutels, den bisherigen Zustand zu erhalten suchen. Wo blieben andernfalls die 300 Thlr. jährlich und die Erziehung der jungen Grafen und Comtessen? Ein solcher Almosenempfänger, der vierspännig einherfährt und einen oder den andern Vogel auf der Brust trägt, kann in keiner Weise mit dem arbeitsunfähigen Greise oder Krüppel zusammengestellt werden, der mit Anstrengung und Noth zwar nicht 300 Thlr. jährlich, sondern jeden Tag, wenns gut geht, einige Silbergroschen zusammenbettelt. Ein solches Gleichstellen liefe der Grundidee des christlich-germanischen Staates schnurstracks zuwider. Habt Ihr Kinder und jährlich blos 1000 -- 2000 Thlr. zu verzehren und es langt Euch nicht: ei, so macht's wie der Oberst v. Lengefeld in Anclam, der für seine zwei Söhne bis zu deren zwanzigsten Jahr 200 Thlr. jährlich erhält. Seid Ihr dagegen mit dem Geheimen Justizrath v. d. Hölle oder mit dem Grafen von Schwerin verwandt, so laßt durch sie ein gutes Wort für Euch einlegen. Der Eine erhält für seine Kinder jährlich 300, der Andere 500 Thlr. Sie werden Euch schon zu einer gleichen Kleinigkeit behilflich sein. Wozu bezahlte denn auch sonst das Volk seine Steuern? Der christlich germanische Staat hilft allen Geschmäcken, Wünschen und Bedürfnissen ab. Es ist nur die Eine Bedingung erforderlich, daß Ihr den privilegirten Klassen des Adels oder des (höhern) Beamtenstandrs angehört. Erfüllt Ihr diese Bedingungen, dann wird's Euch unschwer gelingen, gleich dem Geheimen Oberfinanzrath Senfft v. Pilsach, außer einem fixen Gehalt von 4000 Thälerchen noch 5428 Thlr. auf Reise- und Büreaukosten geschenkt zu erhalten. Wer dagegen einen kurzen profitabeln Ausflug machen will, der reise als Beamter von Berlin nach Sanssouci zu einer Konferenz wegen Kaminanlagen. Er liquidirt auf zwei Tage an Extrapostdiäten etc. 22 Thlr. 10 Sgr. Man erinnert sich, welch' bittere Anklagen gegen die preußische Regierung seit Jahren laut geworden sind, als man von der unsäglichen Noth hörte, von welcher die einst so gesegnete Provinz Schlesien heimgesucht war. Zwar den Webern in Langenbielau und Umgegend sollte und mußte geholfen werden. Die Hülfe war Pulver und Blei. Allein sie war nicht gründlich genug und darum stieg das Elend, darum schlug der grimmige Hunger seine scharfen Krallen immer tiefer ein in die Leiber Derer, welche das Universalmittel: Pulver und Blei, im Rosenmonat des Jahres 1844 versagt worden. Und als nun die Hungerpest 1847 ihren Einzug in Oberschlesien hielt und Tausende und aber Tausende dahin raffte, da vermehrten sich die Klagen, da wurden arge und immer ärgere Verwünschungen laut gegen die geheiligte Regierung "von Gottes Gnaden." Das brave, biedere Deutschland aber beeilte sich, auf die von Preußen ausgehenden Bettelbriefe hin Kollekten zu veranstalten und den schlesischen Brüdern beizustehen. Das brave, biedere Deutschland! Es ahnte, daß die königlich preußische Regierung nicht helfen könne, trotz des besten Willens. Den Beweis haben wir jetzt vor uns. Wie konnte man den Webern und Spinnern im schlesischen Gebirge beistehen, wie die Oberschlesier unterstützen und sie vor'm Hungertode schützen, wenn folgende unerläßliche Ausgaben zu machen waren:
u. s. w. u. s. w. Genug im Jahre 1846 hatte die christlich-germanische Regierung ganz andere Ausgaben zu machen, als für lumpige Weber etc. in Schlesien und Westphalen. Sie mußte z. B. für Einrichtung des Schlosses in Coblenz und der dortigen Gartenanlagen 139,734 Thlr. auszahlen. Der König, der angeblich blos 2 1/2 Millionen Thlr. jährlich aus den Staatsdomänen bezieht, war viel zu arm, um diese Anlagekosten anders, als direkt aus den Taschen der "geliebten" Unterthanen zu bestreiten. Und dann betrug in diesem Jahre das Haupt-Extraordinarium (Geschenke und Almosen für Grafen, Barone, Geheimräthe, Wildkasten, Wildparkskarten etc.) 1 Million 431,000 Thlr. Wie konnte man da, unter Berücksichtigung der Ordinaria, der regulären Ausgaben für's Militär, und die Beamtenwelt, und der Vorschüsse und zinsfreien Darlehne für bankerutte, an den Spielbänken in Aachen, Baden etc. heruntergekommene Krautjunker im Betrage von 279,577 Thlr. 26 Sgr. nur im Entferntesten verlangen, daß von den Steuern des Volkes noch etwas für die verhungernde Kanaille übrig bleiben solle? Die Regierung that Unrecht, alle diese uns jetzt bekannt gewordenen Einzelheiten zu verheimlichen Die vom Hunger und Typhus gepeitschten Proletarier hätten sich bei voller Kenntniß der christlich-germanischen Staatsausgaben mit christlicher Demuth in ihr Schicksal ergeben. Was von diesen Mysterien nun unter's Publikum gekommen, ist nur der kleinste Theil. Wird erst die gottbegnadete Wirthschaft nach allen Seiten hin aufgedeckt und vergißt man dabei nicht, solcher Kleinigkeiten zu erwähnen, wie: daß für den Grafen Brandenburg als Gouverneur von Schlesien nicht blos ein köstliches Palais erbaut, sondern dahinein für 40,000 Thlr. Möbeln aus Berlin auf Rechnung der Staatskasse angeschafft wurden: so wird das dumme Volk endlich begreifen, daß es lediglich zum Steuernzahlen geboren ist, und seine höchste Ehre in der Mästung der privilegirten Klassen beruht. 68 Köln, 14. Dez. Kaum hatte im Jahre 1815 die Restauration, das Königthum von Gottes Gnaden, unter dem Schutz der Kosacken etc. triumphirend von Paris und Frankreich Besitz genommen: so begannen auch die Verfolgungen gegen die eifrigsten Anhänger des gestürzten Kaisers, wie gegen alle entschiedenen Republikaner, namentlich gegen die Männer, welche im Convent für den Tod Ludwig XVI. gestimmt hatten. Mit ähnlichen Verfolgungen feiert die preußische Restauration dieses Jahres ihren Sieg. Unser Korrespondent in Münster berichtete schon unterm 30. Nov. (vergleiche Nr. 159 d. Bl.) über ein Rescript des hochverrätherischen Ministeriums an die Regierung in Münster, dahin lautend: "sämmtliche Leiter der Volksversammlungen und die Führer der demokratischen Klubs zu verhaften." Daß diese Mittheilung aus guter Quelle geflossen, davon liefert jeder Tag neue Beweise. Nach den Verhaftungen in Münster (Justizkommissar Gierse, Stricker, Lieut. a. D., Stadtverordneter Hartmann, Referendar Hammacher u. m. A.), nach denen in Warendorf, erfolgen sie allmälig auch in den übrigen Orten: in Dortmund, Hamm, Soest etc. Die gottbegnadete Verhaftungswuth beschränkt sich aber nicht auf Westphalen. Jenes Ministerialrescript ist auf alle Provinzen berechnet. Schlesien und Sachsen liefern an die Kerkermeister der preußischen Restauration täglich neue Opfer. Wir lassen dies dahin gestellt. Ueber ein anderes Motiv dieser Einsperrungen kann wohl Niemand im Zweifel sein. Das Ministerium des Hochverraths will sich bis nach den Wahlen aller Männer entledigen, die seinen kontrerevolutionären Wahlmanövern entgegenwirken könnten. Wie einst königliche Prinzen ihre Prügeljungen hatten, damit diese für alle Nichtsnutzigkeiten der Ersteren gezüchtigt wurden: so hat die Bourgeoisie die ihrigen einstweilen in den Demokraten gefunden. Durch gränzenlose Angst und Feigheit läßt sich die Bourgeoisie ihren geliebten Rechtsboden zertrümmern, und gottbegnadete Fußtritte geben. Und für ihre mehr als dummen Streiche wirft die Kontrerevolution nicht die Bourgeois, sondern die Demokraten ins Gefängniß. Wartet indeß nur kurze Zeit. Der jetzige Prügeljunge der Bourgeoisie wird bald stark genug sein, um Euch und die Kontrerevolution mit blutigen Köpfen auszuzahlen. Die Abrechnung wird klar sein und keine Reste lassen. Geduld! * Düsseldorf, 12. Dez. Wir geben wörtlich einen Brief, der uns so eben vom Düsseldorfer Colporteur der "N. Rh. Z." zukömmt: So eben erscheint auf dem Cöln-Mindener-Bahnhofe der Polizei-Inspektor von Faldern mit sämmtlichen Polizisten und Gensd'armen, um vielleicht einen politischen Flüchtling zu verhaften. Ein Gensdarm frug mich: was ich in meiner Mappe hätte; ich erwiederte ihm: die Neue Rh. Ztg. und mehrere Freiligrath'sche Gedichte. Der Gensdarm machte dem Inspektor v. F. die Anzeige, der Inspektor kam zu mir und stellte mir dieselbe Frage, erkundigte sich auch, ob ich einen Gewerbeschein hätte, worauf ich erwiederte: nein! Der v. F. ließ mir durch den Polizisten Kanehl die Mappe versiegeln und sagte mir, daß ich den 13. dieses Morgens 9 1/2 Uhr auf dem Rathhaus mich einfinden sollte. Während ich im Weggehen begriffen war, rief der v. F. mir nach, daß ich die N. Rh. Z. wieder erhalten könnte, die ich jedoch bis jetzt 12 Uhr Mittag noch nicht in Händen habe, weil die öffentliche Macht mit dem v. F. den ganzen Morgen mit einer Hausdurchsuchung bei der Frau Gräfin v. Hatzfeld beschäftigt ist. * Dortmund, 13. Dez. Die Regierung "von Gottes Gnaden" läßt eine wahre Demokratenhetze veranstalten. Geht das noch einige Zeit so fort -- und wie's den Anschein hat, wird's bis zu den Wahlen eher schlimmer als besser werden -- : so wird es bald an Gefängnißräumen mangeln. Hier sind heute Mirbach und Graumann verhaftet worden. Das gleiche Loos hat den Kanonikus Schmitz von Soest getroffen. Man hat die Verhafteten unter Gensdarmeriebegleitung nach Münster geschafft. Es haben bis jetzt also in Münster, Hamm, Dortmund und hier Verhaftungen von Demokraten stattgefunden. Aus dem bisherigen Verfahren der Regierung läßt sich schließen, daß nach und nach sämmtliche Mitglieder des westphälischen Demokratenkongresses eingesperrt werden sollen. Ist das geschehen, dann sieht die Kamarilla den hiesigen Wahlen zur 2. Kammer mit stoischer Ruhe entgegen. 68 Berlin, 12. Dez. Dieselben Reibungen zwischen Artilleristen und Soldaten anderer Truppentheile, die letzthin in Trier und andern Orten vorgefallen sind, fangen an auch hier einzutreten. So kam es namentlich gestern Abend in einem Bierkeller am Kupfergraben zwischen Artilleristen und Soldaten des berüchtigten Regiments Colberg, (9. Inf.-Reg. vom Volk gewöhnlich Pommersche Druffer genannt) zu einer sehr ernsten Schlägerei, in welcher die Artilleristen den Kürzern zogen, da die Neuner wieder einmal von ihren Seitengewehren, in der bekannten brutalen Weise, Gebrauch machten. Aehnliche Schlägereien zwischen Soldaten verschiedener Regimenter waren schon am Abend vorher hinter der Königsmauer vorgefallen. Wir sind übrigens weit entfernt, auf derartige Vorgänge irgend welche politische Hoffnung zu bauen; vielmehr erwähnen wir sie als Beiträge zur Sittengeschichte der Zeit und um durch immer mehr Thatsachen nachzuweisen, wie die stehenden Heere trotz aller eisernen Disciplin dem demoralisirenden Einfluß des Söldlingswesens nicht entgehen können. An den hiesigen Vorkommnissen hat übrigens namentlich die Solderhöhung Schuld, welche den hier garnisonirenden Regimentern zu Theil wird. Es cirkulirt seit einiger Zeit am hiesigen Stadtgericht, sowie auch am Kammergericht ein lithographirtes Formular einer Adresse an den König, worin demselben in allerunterthänigsten Ausdrücken für die oktroyirte Verfassung gedankt, zugleich aber die aufgelöste Nat.-Vers. auf die unehrenhafteste Weise geschmähet wird. Es soll sich namentlich der Chef-Präsident des Kammergerichts Strampf viel Mühe geben, um der Adresse in seinem Kollegium möglichst zahlreiche Unterschriften zu gewinnen. Es dürfte aber an der Zeit sein, einmal ein ernstes Wort gegen diese korporative Betheiligung der Gerichtshöfe an politischen Manifestationen auszusprechen. Es fällt uns natürlich nicht ein, die Freiheit der politischen Meinungsäußerung den Mitgliedern unserer Gerichtshöfe auch nur im Entferntesten verkümmern zu wollen. Aber die Würde der richterlichen Stellung und die politische Convenienz gestatten, wie wir glauben, ein solches Korporationsauftreten in politischen Dingen den Gerichtshöfen keineswegs. Was wir hier aussprechen, ist nicht nur der Ausdruck unserer individuellen Ueberzeugung sondern es hat auch in den weitesten Kreisen die Ansicht Verbreitung gefunden, daß es sich mit der nothwendigen Unparteilichkeit des Richterstandes in politischen Dingen schlecht vertrage und das Vertrauen des Volkes zur Gerechtigkeitspflege tief erschüttere, wenn solche korporative Manifestationen so häufig und namentlich immer nur nach einer gewissen Seite hin vorkommen. Die am 9. Nov. in der Majorität verbliebenen Abgeordneten fangen schon an in ihrer eigenen Person die Folgen ihrer politischen Niederlage zu fühlen. So sind Landrath Reuter und Landrath Bauer von Krotoschyn schon von ihren Aemtern suspendirt worden und werden ähnliche Maßnahmen gegen andere Abgeordnete, welche auch Beamte waren, noch vorbereitet. Ja, man versichert sogar, daß das Geheime Obertribunal auf Anstiften seines Chef- ich bin Theologe. Ihr Befehl widerspricht meinem ganzen System, meiner ganzen Anschauungsweise. Ein viertel Jahrhundert lang, bin ich der Stimme meines Innern, meiner Ueberzeugung treu geblieben und glaube auch heute noch an das, was uns der Apostel sagt im 8ten Verse des 7ten Kapitels seiner Epistel an die Corinther, wo da geschrieben steht, daß es besser ist, wenn die Ledigen bleiben wie der Apostel, nemlich ebenfalls ledig und unbeweibt — —““ „Narrenspossen, nichts als Narrenspossen!“ — unterbrach hier der Doktor — „und außerdem vergessen Sie Herr Professor, daß es im 9ten Verse heißt: „„So sie aber sich nicht enthalten können, so laß sie freien. Es ist besser freien, denn — —““ Der Professor seufzte tief auf — „„Sie verlangen also in vollem Ernst, daß ich mich verheirathe?““ „Das habe ich nicht gesagt.“ „„Aber Sie wollen ja, daß ich mich verliebe.““ „Man kann lieben, ohne zu heirathen.“ „„Aber Herr Doktor, das wäre Sünde.““ „Herr Professor, Sie sind von wahrhaft biblischer Unschuld.“ „„Und eine Sünde werde ich nie begehen.““ „Herr Professor, es giebt nur eine Sünde, das ist die Sünde gegen das eigene Fleisch.“ „„Nun, so will ich mit dem Apostel sündigen.““ „Vielleicht war der Apostel aber nicht in so krankhaftem Zustande, wie Sie Herr Professor.“ „„Wie meinen Sie das, Herr Doktor?““ „Vielleicht konnte der Apostel seinem Verlangen widerstehen. Sie werden darüber zu Grunde geh'n.“ „„Nun, es sei! Ich werde heirathen!“ „In vier und zwanzig Stunden!“ Die letzten Worte waren für den armen Professor ein neuer Donnerschlag. Er taumelte rücklings in seinen Sessel, und bedeckte das fahle Antlitz mit beiden Händen. Der Doktor spielte gelassen mit seinem Hute. „„Sie sind grausam, Doktor!“„ nahm endlich der Professor das Gespräch wieder auf. — „„Ich soll in vier und zwanzig Stunden heirathe: das ist unmöglich!““ „Beim Menschen ist nichts unmöglich!“ „„Ich kenne alle Kirchenväter, aber ich kenne kein einziges Weib.““ „So lassen Sie die Kirchenväter laufen, und lernen Sie die Weiber kennen!“ „„Ich will mich verbindlich machen, in vier und zwanzig Stunden eine neue Sprache kennen zu lernen. Aber ein Weib lieben lernen — bedenken Sie Herr Doktor!““ „Die Sprache der Liebe lernt man in fünf Minuten.“ „„Sie sind unerbittlich. Herr Doktor!““ „Unerbittlich, Herr Professor!“ „„O Gott, errette mich von diesem Doktor!“ Der Doktor wurde ungeduldig. Er schritt der Thüre zu. „Thun Sie, was Sie wollen, Herr Professor. Ich bin hierher gekommen, um für Ihren Leib zu sorgen, nicht für Ihre Seele. Suchen Sie meine Rathschläge mit Ihrem Gewissen zu vereinbaren, das ist Ihre Sache. — — Ich gebe zu, daß es mit einigen Schwierigkeiten verbunden ist, in vier und zwanzig Stunden ein eh'lich Weib zu finden, Hochzeit zu machen und so weiter — — aber es fällt mir auch im Traume nicht ein, Sie zu diesem extremen Schritte zu treiben. Richten Sie die Sache anders ein — — Sie werden mich verstehen. — — Ich stelle Ihnen einfach die beiden Chancen: entweder eine Konzession Ihres Gewissens, oder ein früher Tod. Wählen Sie zwischen einem Gewissensmord und einem Selbstmord. Wählen Sie von zwei Sünden eine; wählen Sie!“ Von der Stirn des Professors perlte der Angstschweiß. Der Doktor machte seine Auseinandersetzungen aber mit soviel Präzision und mit so unendlicher Bonhomie, daß der geplagte Mann Gottes endlich langsam das Haupt erhob, und nach einigem Stottern und Erröthen mit einer wahrhaft naiven Unerschrockenheit die Frage wagte: „„Aber, lieber Herr Doktor, wie würde man diese Mordgeschichte einzurichten haben? —““ Hier konnte sich der Doktor nicht länger halten. Er lachte laut auf — „Theuerster Professor — —“ „„Allerdings, Herr Doktor! Sagen Sie mir aufrichtig, wie ich mich dabei benehmen soll!““ „Aktiv sollen Sie sich dabei benehmen!“ „„Aber bedenken Sie doch, daß ich durchaus Neuling in der Sünde bin!““ „Tant mieux, Herr Professor.“ „„Tant pis, Herr Doktor! —““ Das Dilemma wollte kein Ende nehmen. Der Doktor sah ein, daß er seinem Patienten zu Hülfe kommen mußte: „Wenn Sie den alten Jesuiten Escobar gründlich studirt hätten, Herr Professor, so würden alle weiteren Explikationen unnöthig sein. Aber ich merke, daß Sie von der verstocktesten Unschuld sind. Sie sind ein wahrer Sankt Aloysius — doch trösten Sie sich! Morgen Abend zwischen 7 und 8 Uhr wird Jemand vernehmlich an ihrer Hausthür schellen. Sie werden Ihre Hausbewohner, Ihren Knecht und Ihre Mägde hinausgeschickt haben und Sie werden gütigst selbst die Thüre öffnen. Sie werden die Thüre behutsam öffnen, ohne allen Eclat, damit Niemand der Vorübergehenden etwas bemerkt, und Sie werden die liebenswürdige Person, die Ihnen eine der interessantesten Visiten abstatten wird, eben so artig als zuvorkommend empfangen und sie ohne Umstände sofort in Ihr Studierzimmer führen. Sie werden dort die Fenster verhängt und den Sopha von Bibeln und Kirchenvätern gereinigt haben. Sie werden ein gehöriges Feuer im Ofen unterhalten und für die geeignete Beleuchtung sorgen. Sie wer [Deutschland]
[Fortsetzung] nicht originell war, originell in der Gemeinheit — schachernd mit ihren eigenen Wünschen, ohne Initiative, ohne Glauben an sich selbst, ohne Glauben an das Volk, ohne weltgeschichtlichen Beruf, — ein vermaledeiter Greis, der sich dazu verdammt sah, die ersten Jugendströmungen eines robusten Volks in seinem eigenen altersschwachen Interesse zu leiten und abzuleiten — ohn' Aug! ohn' Ohr! ohn' Zahn, ohn' Alles — so fand sich die preußische Bourgeoisie nach der Märzrevolution am Ruder des preußischen Staates. (Forts. folgt.) 68 Köln, 14. Dezember. In Nr. 166 und 167 d. Ztg. sind aus dem Bericht einer Deputation „zur Prüfung der Staatskassenrechnungen“ einige Auszüge mitgetheilt worden. Der Leser wird bemerkt haben, daß genannte Deputation nicht tief eingedrungen ist in die Geheimnisse der preußischen Finanzverwaltung. Sie klagt mit Recht, daß die „Rechnungsablegung sehr verwickelt ist und keine hinreichende Uebersicht gewährt.“ Aber selbst das Wenige klärt hinreichend auf über die christlich-germanische Art und Weise, wie die Taschen des Volks zu Gratifikationen etc. an ohnehin übermäßig besoldete Beamte, an Generäle, Generallieutenants, an Oberfinanzräthe, Oberregierungsräthe, an Oberpräsidenten und Minister, an Landräthe und Oberforstmeister und wie das übrige unser Land aussaugende Geschmeiß weiter heißt, aufs Ungenirteste geplündert worden sind. Während Tausende von armen Kindern aus Mangel am Nothdürftigsten leiblich und geistig verkümmern, erhält der Landrath Graf von Keller zur Erziehung seiner drei Kinder jährlich 300 Thlr. — er erhält sie, nicht aus der Tasche des Königs „von Gottes Gnaden“, der außer einem kolossalen Privatvermögen noch jährlich 2 1/2 Millionen aus dem Staatsvermögen bezieht, sondern aus den Steuerpfennigen der Armen. Herr Graf von Keller hat zwar sein schönes Gehalt, allein wenn ein Graf drei Kinder hat, so versteht es sich von selbst, daß die arme, hungernde Kanaille jährlich 300 Thlr. zur Erziehung der gräflichen Kinder beisteuern muß. In der octroyirten Verfassung heißt es, daß zur zweiten Kammer nur wählen darf, wer nicht aus öffentlichen Mitteln Unterstützung erhält. Wird der Hr. Graf Keller also sein Wahlrecht verlieren? O pfui über diese unchristliche Frage. Er wird im Gegentheil doppelt wählen, einmal zur zweiten und dann auch zur ersten Kammer. Sehr möglich, daß er selbst in letztere gewählt wird. Denn ein solcher Mann muß natürlich sehr konservativ sein, er muß, das verlangt sein heiligstes Interesse des Geldbeutels, den bisherigen Zustand zu erhalten suchen. Wo blieben andernfalls die 300 Thlr. jährlich und die Erziehung der jungen Grafen und Comtessen? Ein solcher Almosenempfänger, der vierspännig einherfährt und einen oder den andern Vogel auf der Brust trägt, kann in keiner Weise mit dem arbeitsunfähigen Greise oder Krüppel zusammengestellt werden, der mit Anstrengung und Noth zwar nicht 300 Thlr. jährlich, sondern jeden Tag, wenns gut geht, einige Silbergroschen zusammenbettelt. Ein solches Gleichstellen liefe der Grundidee des christlich-germanischen Staates schnurstracks zuwider. Habt Ihr Kinder und jährlich blos 1000 — 2000 Thlr. zu verzehren und es langt Euch nicht: ei, so macht's wie der Oberst v. Lengefeld in Anclam, der für seine zwei Söhne bis zu deren zwanzigsten Jahr 200 Thlr. jährlich erhält. Seid Ihr dagegen mit dem Geheimen Justizrath v. d. Hölle oder mit dem Grafen von Schwerin verwandt, so laßt durch sie ein gutes Wort für Euch einlegen. Der Eine erhält für seine Kinder jährlich 300, der Andere 500 Thlr. Sie werden Euch schon zu einer gleichen Kleinigkeit behilflich sein. Wozu bezahlte denn auch sonst das Volk seine Steuern? Der christlich germanische Staat hilft allen Geschmäcken, Wünschen und Bedürfnissen ab. Es ist nur die Eine Bedingung erforderlich, daß Ihr den privilegirten Klassen des Adels oder des (höhern) Beamtenstandrs angehört. Erfüllt Ihr diese Bedingungen, dann wird's Euch unschwer gelingen, gleich dem Geheimen Oberfinanzrath Senfft v. Pilsach, außer einem fixen Gehalt von 4000 Thälerchen noch 5428 Thlr. auf Reise- und Büreaukosten geschenkt zu erhalten. Wer dagegen einen kurzen profitabeln Ausflug machen will, der reise als Beamter von Berlin nach Sanssouci zu einer Konferenz wegen Kaminanlagen. Er liquidirt auf zwei Tage an Extrapostdiäten etc. 22 Thlr. 10 Sgr. Man erinnert sich, welch' bittere Anklagen gegen die preußische Regierung seit Jahren laut geworden sind, als man von der unsäglichen Noth hörte, von welcher die einst so gesegnete Provinz Schlesien heimgesucht war. Zwar den Webern in Langenbielau und Umgegend sollte und mußte geholfen werden. Die Hülfe war Pulver und Blei. Allein sie war nicht gründlich genug und darum stieg das Elend, darum schlug der grimmige Hunger seine scharfen Krallen immer tiefer ein in die Leiber Derer, welche das Universalmittel: Pulver und Blei, im Rosenmonat des Jahres 1844 versagt worden. Und als nun die Hungerpest 1847 ihren Einzug in Oberschlesien hielt und Tausende und aber Tausende dahin raffte, da vermehrten sich die Klagen, da wurden arge und immer ärgere Verwünschungen laut gegen die geheiligte Regierung „von Gottes Gnaden.“ Das brave, biedere Deutschland aber beeilte sich, auf die von Preußen ausgehenden Bettelbriefe hin Kollekten zu veranstalten und den schlesischen Brüdern beizustehen. Das brave, biedere Deutschland! Es ahnte, daß die königlich preußische Regierung nicht helfen könne, trotz des besten Willens. Den Beweis haben wir jetzt vor uns. Wie konnte man den Webern und Spinnern im schlesischen Gebirge beistehen, wie die Oberschlesier unterstützen und sie vor'm Hungertode schützen, wenn folgende unerläßliche Ausgaben zu machen waren:
u. s. w. u. s. w. Genug im Jahre 1846 hatte die christlich-germanische Regierung ganz andere Ausgaben zu machen, als für lumpige Weber etc. in Schlesien und Westphalen. Sie mußte z. B. für Einrichtung des Schlosses in Coblenz und der dortigen Gartenanlagen 139,734 Thlr. auszahlen. Der König, der angeblich blos 2 1/2 Millionen Thlr. jährlich aus den Staatsdomänen bezieht, war viel zu arm, um diese Anlagekosten anders, als direkt aus den Taschen der „geliebten“ Unterthanen zu bestreiten. Und dann betrug in diesem Jahre das Haupt-Extraordinarium (Geschenke und Almosen für Grafen, Barone, Geheimräthe, Wildkasten, Wildparkskarten etc.) 1 Million 431,000 Thlr. Wie konnte man da, unter Berücksichtigung der Ordinaria, der regulären Ausgaben für's Militär, und die Beamtenwelt, und der Vorschüsse und zinsfreien Darlehne für bankerutte, an den Spielbänken in Aachen, Baden etc. heruntergekommene Krautjunker im Betrage von 279,577 Thlr. 26 Sgr. nur im Entferntesten verlangen, daß von den Steuern des Volkes noch etwas für die verhungernde Kanaille übrig bleiben solle? Die Regierung that Unrecht, alle diese uns jetzt bekannt gewordenen Einzelheiten zu verheimlichen Die vom Hunger und Typhus gepeitschten Proletarier hätten sich bei voller Kenntniß der christlich-germanischen Staatsausgaben mit christlicher Demuth in ihr Schicksal ergeben. Was von diesen Mysterien nun unter's Publikum gekommen, ist nur der kleinste Theil. Wird erst die gottbegnadete Wirthschaft nach allen Seiten hin aufgedeckt und vergißt man dabei nicht, solcher Kleinigkeiten zu erwähnen, wie: daß für den Grafen Brandenburg als Gouverneur von Schlesien nicht blos ein köstliches Palais erbaut, sondern dahinein für 40,000 Thlr. Möbeln aus Berlin auf Rechnung der Staatskasse angeschafft wurden: so wird das dumme Volk endlich begreifen, daß es lediglich zum Steuernzahlen geboren ist, und seine höchste Ehre in der Mästung der privilegirten Klassen beruht. 68 Köln, 14. Dez. Kaum hatte im Jahre 1815 die Restauration, das Königthum von Gottes Gnaden, unter dem Schutz der Kosacken etc. triumphirend von Paris und Frankreich Besitz genommen: so begannen auch die Verfolgungen gegen die eifrigsten Anhänger des gestürzten Kaisers, wie gegen alle entschiedenen Republikaner, namentlich gegen die Männer, welche im Convent für den Tod Ludwig XVI. gestimmt hatten. Mit ähnlichen Verfolgungen feiert die preußische Restauration dieses Jahres ihren Sieg. Unser Korrespondent in Münster berichtete schon unterm 30. Nov. (vergleiche Nr. 159 d. Bl.) über ein Rescript des hochverrätherischen Ministeriums an die Regierung in Münster, dahin lautend: „sämmtliche Leiter der Volksversammlungen und die Führer der demokratischen Klubs zu verhaften.“ Daß diese Mittheilung aus guter Quelle geflossen, davon liefert jeder Tag neue Beweise. Nach den Verhaftungen in Münster (Justizkommissar Gierse, Stricker, Lieut. a. D., Stadtverordneter Hartmann, Referendar Hammacher u. m. A.), nach denen in Warendorf, erfolgen sie allmälig auch in den übrigen Orten: in Dortmund, Hamm, Soest etc. Die gottbegnadete Verhaftungswuth beschränkt sich aber nicht auf Westphalen. Jenes Ministerialrescript ist auf alle Provinzen berechnet. Schlesien und Sachsen liefern an die Kerkermeister der preußischen Restauration täglich neue Opfer. Wir lassen dies dahin gestellt. Ueber ein anderes Motiv dieser Einsperrungen kann wohl Niemand im Zweifel sein. Das Ministerium des Hochverraths will sich bis nach den Wahlen aller Männer entledigen, die seinen kontrerevolutionären Wahlmanövern entgegenwirken könnten. Wie einst königliche Prinzen ihre Prügeljungen hatten, damit diese für alle Nichtsnutzigkeiten der Ersteren gezüchtigt wurden: so hat die Bourgeoisie die ihrigen einstweilen in den Demokraten gefunden. Durch gränzenlose Angst und Feigheit läßt sich die Bourgeoisie ihren geliebten Rechtsboden zertrümmern, und gottbegnadete Fußtritte geben. Und für ihre mehr als dummen Streiche wirft die Kontrerevolution nicht die Bourgeois, sondern die Demokraten ins Gefängniß. Wartet indeß nur kurze Zeit. Der jetzige Prügeljunge der Bourgeoisie wird bald stark genug sein, um Euch und die Kontrerevolution mit blutigen Köpfen auszuzahlen. Die Abrechnung wird klar sein und keine Reste lassen. Geduld! * Düsseldorf, 12. Dez. Wir geben wörtlich einen Brief, der uns so eben vom Düsseldorfer Colporteur der „N. Rh. Z.“ zukömmt: So eben erscheint auf dem Cöln-Mindener-Bahnhofe der Polizei-Inspektor von Faldern mit sämmtlichen Polizisten und Gensd'armen, um vielleicht einen politischen Flüchtling zu verhaften. Ein Gensdarm frug mich: was ich in meiner Mappe hätte; ich erwiederte ihm: die Neue Rh. Ztg. und mehrere Freiligrath'sche Gedichte. Der Gensdarm machte dem Inspektor v. F. die Anzeige, der Inspektor kam zu mir und stellte mir dieselbe Frage, erkundigte sich auch, ob ich einen Gewerbeschein hätte, worauf ich erwiederte: nein! Der v. F. ließ mir durch den Polizisten Kanehl die Mappe versiegeln und sagte mir, daß ich den 13. dieses Morgens 9 1/2 Uhr auf dem Rathhaus mich einfinden sollte. Während ich im Weggehen begriffen war, rief der v. F. mir nach, daß ich die N. Rh. Z. wieder erhalten könnte, die ich jedoch bis jetzt 12 Uhr Mittag noch nicht in Händen habe, weil die öffentliche Macht mit dem v. F. den ganzen Morgen mit einer Hausdurchsuchung bei der Frau Gräfin v. Hatzfeld beschäftigt ist. * Dortmund, 13. Dez. Die Regierung „von Gottes Gnaden“ läßt eine wahre Demokratenhetze veranstalten. Geht das noch einige Zeit so fort — und wie's den Anschein hat, wird's bis zu den Wahlen eher schlimmer als besser werden — : so wird es bald an Gefängnißräumen mangeln. Hier sind heute Mirbach und Graumann verhaftet worden. Das gleiche Loos hat den Kanonikus Schmitz von Soest getroffen. Man hat die Verhafteten unter Gensdarmeriebegleitung nach Münster geschafft. Es haben bis jetzt also in Münster, Hamm, Dortmund und hier Verhaftungen von Demokraten stattgefunden. Aus dem bisherigen Verfahren der Regierung läßt sich schließen, daß nach und nach sämmtliche Mitglieder des westphälischen Demokratenkongresses eingesperrt werden sollen. Ist das geschehen, dann sieht die Kamarilla den hiesigen Wahlen zur 2. Kammer mit stoischer Ruhe entgegen. 68 Berlin, 12. Dez. Dieselben Reibungen zwischen Artilleristen und Soldaten anderer Truppentheile, die letzthin in Trier und andern Orten vorgefallen sind, fangen an auch hier einzutreten. So kam es namentlich gestern Abend in einem Bierkeller am Kupfergraben zwischen Artilleristen und Soldaten des berüchtigten Regiments Colberg, (9. Inf.-Reg. vom Volk gewöhnlich Pommersche Druffer genannt) zu einer sehr ernsten Schlägerei, in welcher die Artilleristen den Kürzern zogen, da die Neuner wieder einmal von ihren Seitengewehren, in der bekannten brutalen Weise, Gebrauch machten. Aehnliche Schlägereien zwischen Soldaten verschiedener Regimenter waren schon am Abend vorher hinter der Königsmauer vorgefallen. Wir sind übrigens weit entfernt, auf derartige Vorgänge irgend welche politische Hoffnung zu bauen; vielmehr erwähnen wir sie als Beiträge zur Sittengeschichte der Zeit und um durch immer mehr Thatsachen nachzuweisen, wie die stehenden Heere trotz aller eisernen Disciplin dem demoralisirenden Einfluß des Söldlingswesens nicht entgehen können. An den hiesigen Vorkommnissen hat übrigens namentlich die Solderhöhung Schuld, welche den hier garnisonirenden Regimentern zu Theil wird. Es cirkulirt seit einiger Zeit am hiesigen Stadtgericht, sowie auch am Kammergericht ein lithographirtes Formular einer Adresse an den König, worin demselben in allerunterthänigsten Ausdrücken für die oktroyirte Verfassung gedankt, zugleich aber die aufgelöste Nat.-Vers. auf die unehrenhafteste Weise geschmähet wird. Es soll sich namentlich der Chef-Präsident des Kammergerichts Strampf viel Mühe geben, um der Adresse in seinem Kollegium möglichst zahlreiche Unterschriften zu gewinnen. Es dürfte aber an der Zeit sein, einmal ein ernstes Wort gegen diese korporative Betheiligung der Gerichtshöfe an politischen Manifestationen auszusprechen. Es fällt uns natürlich nicht ein, die Freiheit der politischen Meinungsäußerung den Mitgliedern unserer Gerichtshöfe auch nur im Entferntesten verkümmern zu wollen. Aber die Würde der richterlichen Stellung und die politische Convenienz gestatten, wie wir glauben, ein solches Korporationsauftreten in politischen Dingen den Gerichtshöfen keineswegs. Was wir hier aussprechen, ist nicht nur der Ausdruck unserer individuellen Ueberzeugung sondern es hat auch in den weitesten Kreisen die Ansicht Verbreitung gefunden, daß es sich mit der nothwendigen Unparteilichkeit des Richterstandes in politischen Dingen schlecht vertrage und das Vertrauen des Volkes zur Gerechtigkeitspflege tief erschüttere, wenn solche korporative Manifestationen so häufig und namentlich immer nur nach einer gewissen Seite hin vorkommen. Die am 9. Nov. in der Majorität verbliebenen Abgeordneten fangen schon an in ihrer eigenen Person die Folgen ihrer politischen Niederlage zu fühlen. So sind Landrath Reuter und Landrath Bauer von Krotoschyn schon von ihren Aemtern suspendirt worden und werden ähnliche Maßnahmen gegen andere Abgeordnete, welche auch Beamte waren, noch vorbereitet. Ja, man versichert sogar, daß das Geheime Obertribunal auf Anstiften seines Chef- <TEI> <text> <body> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ar169_002" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="0908"/> ich bin Theologe. Ihr Befehl widerspricht meinem ganzen System, meiner ganzen Anschauungsweise. Ein viertel Jahrhundert lang, bin ich der Stimme meines Innern, meiner Ueberzeugung treu geblieben und glaube auch heute noch an das, was uns der Apostel sagt im 8ten Verse des 7ten Kapitels seiner Epistel an die Corinther, wo da geschrieben steht, daß es besser ist, wenn die Ledigen bleiben wie der Apostel, nemlich ebenfalls ledig und unbeweibt — —““</p> <p>„Narrenspossen, nichts als Narrenspossen!“ — unterbrach hier der Doktor — „und außerdem vergessen Sie Herr Professor, daß es im 9ten Verse heißt: „„So sie aber sich nicht enthalten können, so laß sie freien. Es ist besser freien, denn — —““</p> <p>Der Professor seufzte tief auf — „„Sie verlangen also in vollem Ernst, daß ich mich verheirathe?““</p> <p>„Das habe ich nicht gesagt.“</p> <p>„„Aber Sie wollen ja, daß ich mich verliebe.““</p> <p>„Man kann lieben, ohne zu heirathen.“</p> <p>„„Aber Herr Doktor, das wäre Sünde.““</p> <p>„Herr Professor, Sie sind von wahrhaft biblischer Unschuld.“</p> <p>„„Und eine Sünde werde ich nie begehen.““</p> <p>„Herr Professor, es giebt nur <hi rendition="#g">eine</hi> Sünde, das ist die Sünde gegen das eigene Fleisch.“</p> <p>„„Nun, so will ich mit dem Apostel sündigen.““</p> <p>„Vielleicht war der Apostel aber nicht in so krankhaftem Zustande, wie Sie Herr Professor.“</p> <p>„„Wie meinen Sie das, Herr Doktor?““</p> <p>„Vielleicht konnte der Apostel seinem Verlangen widerstehen. <hi rendition="#g">Sie</hi> werden darüber zu Grunde geh'n.“</p> <p>„„Nun, es sei! Ich werde heirathen!“</p> <p>„<hi rendition="#g">In vier und zwanzig Stunden!</hi>“</p> <p>Die letzten Worte waren für den armen Professor ein neuer Donnerschlag. Er taumelte rücklings in seinen Sessel, und bedeckte das fahle Antlitz mit beiden Händen. Der Doktor spielte gelassen mit seinem Hute.</p> <p>„„Sie sind grausam, Doktor!“„ nahm endlich der Professor das Gespräch wieder auf. — „„Ich soll in vier und zwanzig Stunden heirathe: das ist unmöglich!““</p> <p>„Beim Menschen ist nichts unmöglich!“</p> <p>„„Ich kenne alle Kirchenväter, aber ich kenne kein einziges Weib.““</p> <p>„So lassen Sie die Kirchenväter laufen, und lernen Sie die Weiber kennen!“</p> <p>„„Ich will mich verbindlich machen, in vier und zwanzig Stunden eine neue Sprache kennen zu lernen. Aber ein Weib lieben lernen — bedenken Sie Herr Doktor!““</p> <p>„Die Sprache der Liebe lernt man in fünf Minuten.“</p> <p>„„Sie sind unerbittlich. Herr Doktor!““</p> <p>„Unerbittlich, Herr Professor!“</p> <p>„„O Gott, errette mich von diesem Doktor!“</p> <p>Der Doktor wurde ungeduldig. Er schritt der Thüre zu. „Thun Sie, was Sie wollen, Herr Professor. Ich bin hierher gekommen, um für Ihren Leib zu sorgen, nicht für Ihre Seele. Suchen Sie meine Rathschläge mit Ihrem Gewissen zu vereinbaren, das ist Ihre Sache. — — Ich gebe zu, daß es mit einigen Schwierigkeiten verbunden ist, in vier und zwanzig Stunden ein eh'lich Weib zu finden, Hochzeit zu machen und so weiter — — aber es fällt mir auch im Traume nicht ein, Sie zu diesem extremen Schritte zu treiben. Richten Sie die Sache anders ein — — Sie werden mich verstehen. — — Ich stelle Ihnen einfach die beiden Chancen: entweder eine Konzession Ihres Gewissens, oder ein früher Tod. Wählen Sie zwischen einem Gewissensmord und einem Selbstmord. Wählen Sie von zwei Sünden eine; wählen Sie!“</p> <p>Von der Stirn des Professors perlte der Angstschweiß. Der Doktor machte seine Auseinandersetzungen aber mit soviel Präzision und mit so unendlicher Bonhomie, daß der geplagte Mann Gottes endlich langsam das Haupt erhob, und nach einigem Stottern und Erröthen mit einer wahrhaft naiven Unerschrockenheit die Frage wagte:</p> <p>„„Aber, lieber Herr Doktor, wie würde man diese Mordgeschichte einzurichten haben? —““</p> <p>Hier konnte sich der Doktor nicht länger halten. Er lachte laut auf —</p> <p>„Theuerster Professor — —“</p> <p>„„Allerdings, Herr Doktor! Sagen Sie mir aufrichtig, wie ich mich dabei benehmen soll!““</p> <p>„Aktiv sollen Sie sich dabei benehmen!“</p> <p>„„Aber bedenken Sie doch, daß ich durchaus Neuling in der Sünde bin!““</p> <p>„Tant mieux, Herr Professor.“</p> <p>„„Tant pis, Herr Doktor! —““</p> <p>Das Dilemma wollte kein Ende nehmen. Der Doktor sah ein, daß er seinem Patienten zu Hülfe kommen mußte:</p> <p>„Wenn Sie den alten Jesuiten Escobar gründlich studirt hätten, Herr Professor, so würden alle weiteren Explikationen unnöthig sein. Aber ich merke, daß Sie von der verstocktesten Unschuld sind. Sie sind ein wahrer Sankt Aloysius — doch trösten Sie sich! Morgen Abend zwischen 7 und 8 Uhr wird Jemand vernehmlich an ihrer Hausthür schellen. Sie werden Ihre Hausbewohner, Ihren Knecht und Ihre Mägde hinausgeschickt haben und Sie werden gütigst selbst die Thüre öffnen. Sie werden die Thüre behutsam öffnen, ohne allen Eclat, damit Niemand der Vorübergehenden etwas bemerkt, und Sie werden die liebenswürdige Person, die Ihnen eine der interessantesten Visiten abstatten wird, eben so artig als zuvorkommend empfangen und sie ohne Umstände sofort in Ihr Studierzimmer führen. Sie werden dort die Fenster verhängt und den Sopha von Bibeln und Kirchenvätern gereinigt haben. Sie werden ein gehöriges Feuer im Ofen unterhalten und für die geeignete Beleuchtung sorgen. Sie wer</p> </div> </div> <div n="1"> <head>[Deutschland]</head> <div xml:id="ar169_003" type="jArticle"> <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> nicht originell war, originell in der Gemeinheit — schachernd mit ihren eigenen Wünschen, ohne Initiative, ohne Glauben an sich selbst, ohne Glauben an das Volk, ohne weltgeschichtlichen Beruf, — ein vermaledeiter Greis, der sich dazu verdammt sah, die ersten Jugendströmungen eines robusten Volks in seinem eigenen altersschwachen Interesse zu leiten und abzuleiten — ohn' Aug! ohn' Ohr! ohn' Zahn, ohn' Alles — so fand sich die <hi rendition="#g">preußische Bourgeoisie</hi> nach der Märzrevolution am Ruder des preußischen Staates.</p> <p> <ref type="link">(Forts. folgt.)</ref> </p> </div> <div xml:id="ar169_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>68</author></bibl> Köln, 14. Dezember.</head> <p>In Nr. 166 und 167 d. Ztg. sind aus dem Bericht einer Deputation „zur Prüfung der Staatskassenrechnungen“ einige Auszüge mitgetheilt worden. Der Leser wird bemerkt haben, daß genannte Deputation <hi rendition="#g">nicht</hi> tief eingedrungen ist in die Geheimnisse der preußischen Finanzverwaltung. Sie klagt mit Recht, daß die „Rechnungsablegung <hi rendition="#b">sehr</hi> verwickelt ist und keine hinreichende Uebersicht gewährt.“ Aber selbst das Wenige klärt hinreichend auf über die christlich-germanische Art und Weise, wie die Taschen des Volks zu Gratifikationen etc. an ohnehin übermäßig besoldete Beamte, an Generäle, Generallieutenants, an Oberfinanzräthe, Oberregierungsräthe, an Oberpräsidenten und Minister, an Landräthe und Oberforstmeister und wie das übrige unser Land aussaugende Geschmeiß weiter heißt, aufs Ungenirteste geplündert worden sind.</p> <p>Während Tausende von armen Kindern aus Mangel am Nothdürftigsten leiblich und geistig verkümmern, erhält der Landrath <hi rendition="#g">Graf von Keller</hi> zur Erziehung seiner drei Kinder jährlich 300 Thlr. — er erhält sie, nicht aus der Tasche des Königs „von Gottes Gnaden“, der außer einem kolossalen Privatvermögen noch jährlich 2 1/2 Millionen aus dem Staatsvermögen bezieht, sondern aus den Steuerpfennigen der Armen. <hi rendition="#g">Herr Graf von Keller</hi> hat zwar sein schönes Gehalt, allein wenn ein Graf drei Kinder hat, so versteht es sich von selbst, daß die arme, hungernde Kanaille jährlich 300 Thlr. zur Erziehung der gräflichen Kinder beisteuern muß. In der octroyirten Verfassung heißt es, daß zur zweiten Kammer nur wählen darf, wer nicht aus öffentlichen Mitteln Unterstützung erhält. Wird der Hr. <hi rendition="#g">Graf Keller</hi> also sein Wahlrecht verlieren? O pfui über diese unchristliche Frage. Er wird im Gegentheil doppelt wählen, einmal zur zweiten und dann auch zur ersten Kammer. Sehr möglich, daß er selbst in letztere gewählt wird. Denn ein solcher Mann muß natürlich sehr konservativ sein, er muß, das verlangt sein heiligstes Interesse des Geldbeutels, den bisherigen Zustand zu erhalten suchen. Wo blieben andernfalls die 300 Thlr. jährlich und die Erziehung der jungen Grafen und Comtessen? Ein solcher Almosenempfänger, der vierspännig einherfährt und einen oder den andern Vogel auf der Brust trägt, kann in keiner Weise mit dem arbeitsunfähigen Greise oder Krüppel zusammengestellt werden, der mit Anstrengung und Noth zwar nicht 300 Thlr. jährlich, sondern jeden Tag, wenns gut geht, einige Silbergroschen zusammenbettelt. Ein solches Gleichstellen liefe der Grundidee des christlich-germanischen Staates schnurstracks zuwider.</p> <p>Habt Ihr Kinder und jährlich blos 1000 — 2000 Thlr. zu verzehren und es langt Euch nicht: ei, so macht's wie der <hi rendition="#g">Oberst v. Lengefeld</hi> in Anclam, der für seine zwei Söhne bis zu deren zwanzigsten Jahr 200 Thlr. jährlich erhält.</p> <p>Seid Ihr dagegen mit dem Geheimen Justizrath <hi rendition="#g">v. d. Hölle</hi> oder mit dem <hi rendition="#g">Grafen von Schwerin</hi> verwandt, so laßt durch sie ein gutes Wort für Euch einlegen. Der Eine erhält für seine Kinder jährlich 300, der Andere 500 Thlr. Sie werden Euch schon zu einer gleichen Kleinigkeit behilflich sein. Wozu bezahlte denn auch sonst das Volk seine Steuern?</p> <p>Der christlich germanische Staat hilft allen Geschmäcken, Wünschen und Bedürfnissen ab. Es ist nur die Eine Bedingung erforderlich, daß Ihr den privilegirten Klassen des Adels oder des (höhern) Beamtenstandrs angehört.</p> <p>Erfüllt Ihr diese Bedingungen, dann wird's Euch unschwer gelingen, gleich dem Geheimen Oberfinanzrath <hi rendition="#g">Senfft v.</hi> Pilsach, außer einem fixen Gehalt von 4000 Thälerchen noch 5428 Thlr. auf Reise- und Büreaukosten geschenkt zu erhalten. Wer dagegen einen kurzen profitabeln Ausflug machen will, der reise als Beamter von Berlin nach Sanssouci zu einer Konferenz wegen Kaminanlagen. Er liquidirt auf zwei Tage an Extrapostdiäten etc. 22 Thlr. 10 Sgr.</p> <p>Man erinnert sich, welch' bittere Anklagen gegen die preußische Regierung seit Jahren laut geworden sind, als man von der unsäglichen Noth hörte, von welcher die einst so gesegnete Provinz Schlesien heimgesucht war. Zwar den Webern in Langenbielau und Umgegend sollte und mußte geholfen werden. Die Hülfe war Pulver und Blei. Allein sie war nicht gründlich genug und darum stieg das Elend, darum schlug der grimmige Hunger seine scharfen Krallen immer tiefer ein in die Leiber Derer, welche das Universalmittel: Pulver und Blei, im Rosenmonat des Jahres 1844 versagt worden.</p> <p>Und als nun die Hungerpest 1847 ihren Einzug in Oberschlesien hielt und Tausende und aber Tausende dahin raffte, da vermehrten sich die Klagen, da wurden arge und immer ärgere Verwünschungen laut gegen die geheiligte Regierung „von Gottes Gnaden.“</p> <p>Das brave, biedere Deutschland aber beeilte sich, auf die von Preußen ausgehenden Bettelbriefe hin Kollekten zu veranstalten und den schlesischen Brüdern beizustehen. Das brave, biedere Deutschland! Es ahnte, daß die königlich preußische Regierung nicht helfen <hi rendition="#g">könne,</hi> trotz des besten Willens.</p> <p>Den Beweis haben wir jetzt vor uns.</p> <p>Wie konnte man den Webern und Spinnern im schlesischen Gebirge beistehen, wie die Oberschlesier unterstützen und sie vor'm Hungertode schützen, wenn folgende unerläßliche Ausgaben zu machen waren:</p> <table> <row> <cell>Auf eine Karte vom Wildpark in Potsdam</cell> <cell>200</cell> <cell>Thlr</cell> </row> <row> <cell>Für Hirschfänger und Wildkasten</cell> <cell>307</cell> <cell>〃</cell> </row> <row> <cell>Für Einrichtung eines Wildparks</cell> <cell>789</cell> <cell>〃</cell> </row> <row> <cell>Für Besprengung der Charlottenburger Chaussee, damit die Hofdamen und Gardelieutenants keinen Staub schlucken</cell> <cell>1500</cell> <cell>〃</cell> </row> <row> <cell>Ein Almosen für den General Graf Dohna</cell> <cell>2000</cell> <cell>〃</cell> </row> <row> <cell>Ein Geschenk an den Minister Eichhorn</cell> <cell>1000</cell> <cell>〃</cell> </row> <row> <cell>Ein Almosen an Wilhelm, Prinz von Preußen (armer Mann!)</cell> <cell>5000</cell> <cell>〃</cell> </row> <row> <cell>Ein dito an den Belagerer von Mainz (v. Hueser genannt)</cell> <cell>6000</cell> <cell>〃</cell> </row> <row> <cell>Ein Geschenk an den Oberpräsidenten Bötticher</cell> <cell>3000</cell> <cell>〃</cell> </row> <row> <cell>Ein Almosen an die Familie v. Grolmann</cell> <cell>26,000</cell> <cell>〃</cell> </row> </table> <p>u. s. w. u. s. w.</p> <p>Genug im Jahre 1846 hatte die christlich-germanische Regierung ganz andere Ausgaben zu machen, als für lumpige Weber etc. in Schlesien und Westphalen. Sie mußte z. B. für Einrichtung des Schlosses in Coblenz und der dortigen Gartenanlagen 139,734 Thlr. auszahlen. Der König, der angeblich blos 2 1/2 Millionen Thlr. jährlich aus den Staatsdomänen bezieht, war viel zu arm, um diese Anlagekosten anders, als direkt aus den Taschen der „geliebten“ Unterthanen zu bestreiten. Und dann betrug in diesem Jahre das Haupt-Extraordinarium (Geschenke und Almosen für Grafen, Barone, Geheimräthe, Wildkasten, Wildparkskarten etc.) 1 Million 431,000 Thlr.</p> <p>Wie konnte man da, unter Berücksichtigung der Ordinaria, der regulären Ausgaben für's Militär, und die Beamtenwelt, und der Vorschüsse und zinsfreien Darlehne für bankerutte, an den Spielbänken in Aachen, Baden etc. heruntergekommene Krautjunker im Betrage von 279,577 Thlr. 26 Sgr. nur im Entferntesten verlangen, daß von den Steuern des Volkes noch etwas für die verhungernde Kanaille übrig bleiben solle?</p> <p>Die Regierung that Unrecht, alle diese uns jetzt bekannt gewordenen Einzelheiten zu verheimlichen Die vom Hunger und Typhus gepeitschten Proletarier hätten sich bei voller Kenntniß der christlich-germanischen Staatsausgaben mit christlicher Demuth in ihr Schicksal ergeben. Was von diesen Mysterien nun unter's Publikum gekommen, ist nur der kleinste Theil. Wird erst die gottbegnadete Wirthschaft nach allen Seiten hin aufgedeckt und vergißt man dabei nicht, solcher Kleinigkeiten zu erwähnen, wie: daß für den Grafen Brandenburg als Gouverneur von Schlesien nicht blos ein köstliches Palais erbaut, sondern dahinein für 40,000 Thlr. Möbeln aus Berlin auf Rechnung der Staatskasse angeschafft wurden: so wird das dumme Volk endlich begreifen, daß es lediglich zum Steuernzahlen geboren ist, und seine höchste Ehre in der Mästung der privilegirten Klassen beruht.</p> </div> <div xml:id="ar169_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>68</author></bibl> Köln, 14. Dez.</head> <p>Kaum hatte im Jahre 1815 die Restauration, das Königthum von Gottes Gnaden, unter dem Schutz der Kosacken etc. triumphirend von Paris und Frankreich Besitz genommen: so begannen auch die Verfolgungen gegen die eifrigsten Anhänger des gestürzten Kaisers, wie gegen alle entschiedenen Republikaner, namentlich gegen die Männer, welche im Convent für den Tod Ludwig XVI. gestimmt hatten.</p> <p>Mit ähnlichen Verfolgungen feiert die preußische Restauration dieses Jahres ihren Sieg.</p> <p>Unser Korrespondent in Münster berichtete schon unterm 30. Nov. (vergleiche Nr. 159 d. Bl.) über ein Rescript des hochverrätherischen Ministeriums an die Regierung in Münster, dahin lautend: „<hi rendition="#g">sämmtliche Leiter der Volksversammlungen und die Führer der demokratischen Klubs zu verhaften.</hi>“</p> <p>Daß diese Mittheilung aus guter Quelle geflossen, davon liefert jeder Tag neue Beweise.</p> <p>Nach den Verhaftungen in Münster (Justizkommissar Gierse, Stricker, Lieut. a. D., Stadtverordneter Hartmann, Referendar Hammacher u. m. A.), nach denen in Warendorf, erfolgen sie allmälig auch in den übrigen Orten: in Dortmund, Hamm, Soest etc.</p> <p>Die gottbegnadete Verhaftungswuth beschränkt sich aber nicht auf Westphalen. Jenes Ministerialrescript ist auf alle Provinzen berechnet. Schlesien und Sachsen liefern an die Kerkermeister der preußischen Restauration täglich neue Opfer.</p> <p>Wir lassen dies dahin gestellt. Ueber ein anderes Motiv dieser Einsperrungen kann wohl Niemand im Zweifel sein. <hi rendition="#g">Das Ministerium des Hochverraths will sich bis nach den Wahlen aller Männer entledigen, die seinen kontrerevolutionären Wahlmanövern entgegenwirken könnten</hi>.</p> <p>Wie einst königliche Prinzen ihre Prügeljungen hatten, damit diese für alle Nichtsnutzigkeiten der Ersteren gezüchtigt wurden: so hat die Bourgeoisie die ihrigen einstweilen in den Demokraten gefunden.</p> <p>Durch gränzenlose Angst und Feigheit läßt sich die Bourgeoisie ihren geliebten Rechtsboden zertrümmern, und gottbegnadete Fußtritte geben. Und für ihre mehr als dummen Streiche wirft die Kontrerevolution nicht die Bourgeois, sondern die Demokraten ins Gefängniß.</p> <p>Wartet indeß nur kurze Zeit. Der jetzige Prügeljunge der Bourgeoisie wird bald stark genug sein, um Euch und die Kontrerevolution mit blutigen Köpfen auszuzahlen. Die Abrechnung wird klar sein und keine Reste lassen.</p> <p>Geduld!</p> </div> <div xml:id="ar169_006" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Düsseldorf, 12. Dez.</head> <p>Wir geben wörtlich einen Brief, der uns so eben vom Düsseldorfer Colporteur der „N. Rh. Z.“ zukömmt:</p> <p>So eben erscheint auf dem Cöln-Mindener-Bahnhofe der Polizei-Inspektor von Faldern mit sämmtlichen Polizisten und Gensd'armen, um vielleicht einen politischen Flüchtling zu verhaften. Ein Gensdarm frug mich: was ich in meiner Mappe hätte; ich erwiederte ihm: die Neue Rh. Ztg. und mehrere Freiligrath'sche Gedichte. Der Gensdarm machte dem Inspektor v. F. die Anzeige, der Inspektor kam zu mir und stellte mir dieselbe Frage, erkundigte sich auch, ob ich einen Gewerbeschein hätte, worauf ich erwiederte: nein! Der v. F. ließ mir durch den Polizisten Kanehl die Mappe versiegeln und sagte mir, daß ich den 13. dieses Morgens 9 1/2 Uhr auf dem Rathhaus mich einfinden sollte. Während ich im Weggehen begriffen war, rief der v. F. mir nach, daß ich die N. Rh. Z. wieder erhalten könnte, die ich jedoch bis jetzt 12 Uhr Mittag noch nicht in Händen habe, weil die öffentliche Macht mit dem v. F. den ganzen Morgen mit einer Hausdurchsuchung bei der Frau Gräfin v. Hatzfeld beschäftigt ist.</p> </div> <div xml:id="ar169_007" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Dortmund, 13. Dez.</head> <p>Die Regierung „von Gottes Gnaden“ läßt eine wahre Demokratenhetze veranstalten. Geht das noch einige Zeit so fort — und wie's den Anschein hat, wird's bis zu den Wahlen eher schlimmer als besser werden — : so wird es bald an Gefängnißräumen mangeln. Hier sind heute <hi rendition="#g">Mirbach</hi> und <hi rendition="#g">Graumann</hi> verhaftet worden. Das gleiche Loos hat den Kanonikus <hi rendition="#g">Schmitz</hi> von Soest getroffen. Man hat die Verhafteten unter Gensdarmeriebegleitung nach Münster geschafft.</p> <p>Es haben bis jetzt also in Münster, Hamm, Dortmund und hier Verhaftungen von Demokraten stattgefunden. Aus dem bisherigen Verfahren der Regierung läßt sich schließen, daß nach und nach sämmtliche Mitglieder des westphälischen Demokratenkongresses eingesperrt werden sollen. Ist das geschehen, dann sieht die Kamarilla den hiesigen Wahlen zur 2. Kammer mit stoischer Ruhe entgegen.</p> </div> <div xml:id="ar169_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>68</author></bibl> Berlin, 12. Dez.</head> <p>Dieselben Reibungen zwischen Artilleristen und Soldaten anderer Truppentheile, die letzthin in Trier und andern Orten vorgefallen sind, fangen an auch hier einzutreten. So kam es namentlich gestern Abend in einem Bierkeller am Kupfergraben zwischen Artilleristen und Soldaten des berüchtigten Regiments Colberg, (9. Inf.-Reg. vom Volk gewöhnlich Pommersche Druffer genannt) zu einer sehr ernsten Schlägerei, in welcher die Artilleristen den Kürzern zogen, da die Neuner wieder einmal von ihren Seitengewehren, in der bekannten brutalen Weise, Gebrauch machten.</p> <p>Aehnliche Schlägereien zwischen Soldaten verschiedener Regimenter waren schon am Abend vorher hinter der Königsmauer vorgefallen. Wir sind übrigens weit entfernt, auf derartige Vorgänge irgend welche politische Hoffnung zu bauen; vielmehr erwähnen wir sie als Beiträge zur Sittengeschichte der Zeit und um durch immer mehr Thatsachen nachzuweisen, wie die stehenden Heere trotz aller eisernen Disciplin dem demoralisirenden Einfluß des Söldlingswesens nicht entgehen können. An den hiesigen Vorkommnissen hat übrigens namentlich die Solderhöhung Schuld, welche den hier garnisonirenden Regimentern zu Theil wird.</p> <p>Es cirkulirt seit einiger Zeit am hiesigen Stadtgericht, sowie auch am Kammergericht ein lithographirtes Formular einer Adresse an den König, worin demselben in allerunterthänigsten Ausdrücken für die oktroyirte Verfassung gedankt, zugleich aber die aufgelöste Nat.-Vers. auf die unehrenhafteste Weise geschmähet wird. Es soll sich namentlich der Chef-Präsident des Kammergerichts <hi rendition="#g">Strampf</hi> viel Mühe geben, um der Adresse in seinem Kollegium möglichst zahlreiche Unterschriften zu gewinnen. Es dürfte aber an der Zeit sein, einmal ein ernstes Wort gegen diese korporative Betheiligung der Gerichtshöfe an politischen Manifestationen auszusprechen. Es fällt uns natürlich nicht ein, die Freiheit der politischen Meinungsäußerung den Mitgliedern unserer Gerichtshöfe auch nur im Entferntesten verkümmern zu wollen. Aber die Würde der richterlichen Stellung und die politische Convenienz gestatten, wie wir glauben, ein solches Korporationsauftreten in politischen Dingen den Gerichtshöfen keineswegs. Was wir hier aussprechen, ist nicht nur der Ausdruck unserer individuellen Ueberzeugung sondern es hat auch in den weitesten Kreisen die Ansicht Verbreitung gefunden, daß es sich mit der nothwendigen Unparteilichkeit des Richterstandes in politischen Dingen schlecht vertrage und das Vertrauen des Volkes zur Gerechtigkeitspflege tief erschüttere, wenn solche korporative Manifestationen so häufig und namentlich immer nur nach einer gewissen Seite hin vorkommen.</p> <p>Die am 9. Nov. in der Majorität verbliebenen Abgeordneten fangen schon an in ihrer eigenen Person die Folgen ihrer politischen Niederlage zu fühlen. So sind Landrath <hi rendition="#g">Reuter</hi> und Landrath <hi rendition="#g">Bauer</hi> von Krotoschyn schon von ihren Aemtern suspendirt worden und werden ähnliche Maßnahmen gegen andere Abgeordnete, welche auch Beamte waren, noch vorbereitet. Ja, man versichert sogar, daß das Geheime Obertribunal auf Anstiften seines Chef-</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0908/0002]
ich bin Theologe. Ihr Befehl widerspricht meinem ganzen System, meiner ganzen Anschauungsweise. Ein viertel Jahrhundert lang, bin ich der Stimme meines Innern, meiner Ueberzeugung treu geblieben und glaube auch heute noch an das, was uns der Apostel sagt im 8ten Verse des 7ten Kapitels seiner Epistel an die Corinther, wo da geschrieben steht, daß es besser ist, wenn die Ledigen bleiben wie der Apostel, nemlich ebenfalls ledig und unbeweibt — —““
„Narrenspossen, nichts als Narrenspossen!“ — unterbrach hier der Doktor — „und außerdem vergessen Sie Herr Professor, daß es im 9ten Verse heißt: „„So sie aber sich nicht enthalten können, so laß sie freien. Es ist besser freien, denn — —““
Der Professor seufzte tief auf — „„Sie verlangen also in vollem Ernst, daß ich mich verheirathe?““
„Das habe ich nicht gesagt.“
„„Aber Sie wollen ja, daß ich mich verliebe.““
„Man kann lieben, ohne zu heirathen.“
„„Aber Herr Doktor, das wäre Sünde.““
„Herr Professor, Sie sind von wahrhaft biblischer Unschuld.“
„„Und eine Sünde werde ich nie begehen.““
„Herr Professor, es giebt nur eine Sünde, das ist die Sünde gegen das eigene Fleisch.“
„„Nun, so will ich mit dem Apostel sündigen.““
„Vielleicht war der Apostel aber nicht in so krankhaftem Zustande, wie Sie Herr Professor.“
„„Wie meinen Sie das, Herr Doktor?““
„Vielleicht konnte der Apostel seinem Verlangen widerstehen. Sie werden darüber zu Grunde geh'n.“
„„Nun, es sei! Ich werde heirathen!“
„In vier und zwanzig Stunden!“
Die letzten Worte waren für den armen Professor ein neuer Donnerschlag. Er taumelte rücklings in seinen Sessel, und bedeckte das fahle Antlitz mit beiden Händen. Der Doktor spielte gelassen mit seinem Hute.
„„Sie sind grausam, Doktor!“„ nahm endlich der Professor das Gespräch wieder auf. — „„Ich soll in vier und zwanzig Stunden heirathe: das ist unmöglich!““
„Beim Menschen ist nichts unmöglich!“
„„Ich kenne alle Kirchenväter, aber ich kenne kein einziges Weib.““
„So lassen Sie die Kirchenväter laufen, und lernen Sie die Weiber kennen!“
„„Ich will mich verbindlich machen, in vier und zwanzig Stunden eine neue Sprache kennen zu lernen. Aber ein Weib lieben lernen — bedenken Sie Herr Doktor!““
„Die Sprache der Liebe lernt man in fünf Minuten.“
„„Sie sind unerbittlich. Herr Doktor!““
„Unerbittlich, Herr Professor!“
„„O Gott, errette mich von diesem Doktor!“
Der Doktor wurde ungeduldig. Er schritt der Thüre zu. „Thun Sie, was Sie wollen, Herr Professor. Ich bin hierher gekommen, um für Ihren Leib zu sorgen, nicht für Ihre Seele. Suchen Sie meine Rathschläge mit Ihrem Gewissen zu vereinbaren, das ist Ihre Sache. — — Ich gebe zu, daß es mit einigen Schwierigkeiten verbunden ist, in vier und zwanzig Stunden ein eh'lich Weib zu finden, Hochzeit zu machen und so weiter — — aber es fällt mir auch im Traume nicht ein, Sie zu diesem extremen Schritte zu treiben. Richten Sie die Sache anders ein — — Sie werden mich verstehen. — — Ich stelle Ihnen einfach die beiden Chancen: entweder eine Konzession Ihres Gewissens, oder ein früher Tod. Wählen Sie zwischen einem Gewissensmord und einem Selbstmord. Wählen Sie von zwei Sünden eine; wählen Sie!“
Von der Stirn des Professors perlte der Angstschweiß. Der Doktor machte seine Auseinandersetzungen aber mit soviel Präzision und mit so unendlicher Bonhomie, daß der geplagte Mann Gottes endlich langsam das Haupt erhob, und nach einigem Stottern und Erröthen mit einer wahrhaft naiven Unerschrockenheit die Frage wagte:
„„Aber, lieber Herr Doktor, wie würde man diese Mordgeschichte einzurichten haben? —““
Hier konnte sich der Doktor nicht länger halten. Er lachte laut auf —
„Theuerster Professor — —“
„„Allerdings, Herr Doktor! Sagen Sie mir aufrichtig, wie ich mich dabei benehmen soll!““
„Aktiv sollen Sie sich dabei benehmen!“
„„Aber bedenken Sie doch, daß ich durchaus Neuling in der Sünde bin!““
„Tant mieux, Herr Professor.“
„„Tant pis, Herr Doktor! —““
Das Dilemma wollte kein Ende nehmen. Der Doktor sah ein, daß er seinem Patienten zu Hülfe kommen mußte:
„Wenn Sie den alten Jesuiten Escobar gründlich studirt hätten, Herr Professor, so würden alle weiteren Explikationen unnöthig sein. Aber ich merke, daß Sie von der verstocktesten Unschuld sind. Sie sind ein wahrer Sankt Aloysius — doch trösten Sie sich! Morgen Abend zwischen 7 und 8 Uhr wird Jemand vernehmlich an ihrer Hausthür schellen. Sie werden Ihre Hausbewohner, Ihren Knecht und Ihre Mägde hinausgeschickt haben und Sie werden gütigst selbst die Thüre öffnen. Sie werden die Thüre behutsam öffnen, ohne allen Eclat, damit Niemand der Vorübergehenden etwas bemerkt, und Sie werden die liebenswürdige Person, die Ihnen eine der interessantesten Visiten abstatten wird, eben so artig als zuvorkommend empfangen und sie ohne Umstände sofort in Ihr Studierzimmer führen. Sie werden dort die Fenster verhängt und den Sopha von Bibeln und Kirchenvätern gereinigt haben. Sie werden ein gehöriges Feuer im Ofen unterhalten und für die geeignete Beleuchtung sorgen. Sie wer
[Deutschland] [Fortsetzung] nicht originell war, originell in der Gemeinheit — schachernd mit ihren eigenen Wünschen, ohne Initiative, ohne Glauben an sich selbst, ohne Glauben an das Volk, ohne weltgeschichtlichen Beruf, — ein vermaledeiter Greis, der sich dazu verdammt sah, die ersten Jugendströmungen eines robusten Volks in seinem eigenen altersschwachen Interesse zu leiten und abzuleiten — ohn' Aug! ohn' Ohr! ohn' Zahn, ohn' Alles — so fand sich die preußische Bourgeoisie nach der Märzrevolution am Ruder des preußischen Staates.
(Forts. folgt.)
68 Köln, 14. Dezember. In Nr. 166 und 167 d. Ztg. sind aus dem Bericht einer Deputation „zur Prüfung der Staatskassenrechnungen“ einige Auszüge mitgetheilt worden. Der Leser wird bemerkt haben, daß genannte Deputation nicht tief eingedrungen ist in die Geheimnisse der preußischen Finanzverwaltung. Sie klagt mit Recht, daß die „Rechnungsablegung sehr verwickelt ist und keine hinreichende Uebersicht gewährt.“ Aber selbst das Wenige klärt hinreichend auf über die christlich-germanische Art und Weise, wie die Taschen des Volks zu Gratifikationen etc. an ohnehin übermäßig besoldete Beamte, an Generäle, Generallieutenants, an Oberfinanzräthe, Oberregierungsräthe, an Oberpräsidenten und Minister, an Landräthe und Oberforstmeister und wie das übrige unser Land aussaugende Geschmeiß weiter heißt, aufs Ungenirteste geplündert worden sind.
Während Tausende von armen Kindern aus Mangel am Nothdürftigsten leiblich und geistig verkümmern, erhält der Landrath Graf von Keller zur Erziehung seiner drei Kinder jährlich 300 Thlr. — er erhält sie, nicht aus der Tasche des Königs „von Gottes Gnaden“, der außer einem kolossalen Privatvermögen noch jährlich 2 1/2 Millionen aus dem Staatsvermögen bezieht, sondern aus den Steuerpfennigen der Armen. Herr Graf von Keller hat zwar sein schönes Gehalt, allein wenn ein Graf drei Kinder hat, so versteht es sich von selbst, daß die arme, hungernde Kanaille jährlich 300 Thlr. zur Erziehung der gräflichen Kinder beisteuern muß. In der octroyirten Verfassung heißt es, daß zur zweiten Kammer nur wählen darf, wer nicht aus öffentlichen Mitteln Unterstützung erhält. Wird der Hr. Graf Keller also sein Wahlrecht verlieren? O pfui über diese unchristliche Frage. Er wird im Gegentheil doppelt wählen, einmal zur zweiten und dann auch zur ersten Kammer. Sehr möglich, daß er selbst in letztere gewählt wird. Denn ein solcher Mann muß natürlich sehr konservativ sein, er muß, das verlangt sein heiligstes Interesse des Geldbeutels, den bisherigen Zustand zu erhalten suchen. Wo blieben andernfalls die 300 Thlr. jährlich und die Erziehung der jungen Grafen und Comtessen? Ein solcher Almosenempfänger, der vierspännig einherfährt und einen oder den andern Vogel auf der Brust trägt, kann in keiner Weise mit dem arbeitsunfähigen Greise oder Krüppel zusammengestellt werden, der mit Anstrengung und Noth zwar nicht 300 Thlr. jährlich, sondern jeden Tag, wenns gut geht, einige Silbergroschen zusammenbettelt. Ein solches Gleichstellen liefe der Grundidee des christlich-germanischen Staates schnurstracks zuwider.
Habt Ihr Kinder und jährlich blos 1000 — 2000 Thlr. zu verzehren und es langt Euch nicht: ei, so macht's wie der Oberst v. Lengefeld in Anclam, der für seine zwei Söhne bis zu deren zwanzigsten Jahr 200 Thlr. jährlich erhält.
Seid Ihr dagegen mit dem Geheimen Justizrath v. d. Hölle oder mit dem Grafen von Schwerin verwandt, so laßt durch sie ein gutes Wort für Euch einlegen. Der Eine erhält für seine Kinder jährlich 300, der Andere 500 Thlr. Sie werden Euch schon zu einer gleichen Kleinigkeit behilflich sein. Wozu bezahlte denn auch sonst das Volk seine Steuern?
Der christlich germanische Staat hilft allen Geschmäcken, Wünschen und Bedürfnissen ab. Es ist nur die Eine Bedingung erforderlich, daß Ihr den privilegirten Klassen des Adels oder des (höhern) Beamtenstandrs angehört.
Erfüllt Ihr diese Bedingungen, dann wird's Euch unschwer gelingen, gleich dem Geheimen Oberfinanzrath Senfft v. Pilsach, außer einem fixen Gehalt von 4000 Thälerchen noch 5428 Thlr. auf Reise- und Büreaukosten geschenkt zu erhalten. Wer dagegen einen kurzen profitabeln Ausflug machen will, der reise als Beamter von Berlin nach Sanssouci zu einer Konferenz wegen Kaminanlagen. Er liquidirt auf zwei Tage an Extrapostdiäten etc. 22 Thlr. 10 Sgr.
Man erinnert sich, welch' bittere Anklagen gegen die preußische Regierung seit Jahren laut geworden sind, als man von der unsäglichen Noth hörte, von welcher die einst so gesegnete Provinz Schlesien heimgesucht war. Zwar den Webern in Langenbielau und Umgegend sollte und mußte geholfen werden. Die Hülfe war Pulver und Blei. Allein sie war nicht gründlich genug und darum stieg das Elend, darum schlug der grimmige Hunger seine scharfen Krallen immer tiefer ein in die Leiber Derer, welche das Universalmittel: Pulver und Blei, im Rosenmonat des Jahres 1844 versagt worden.
Und als nun die Hungerpest 1847 ihren Einzug in Oberschlesien hielt und Tausende und aber Tausende dahin raffte, da vermehrten sich die Klagen, da wurden arge und immer ärgere Verwünschungen laut gegen die geheiligte Regierung „von Gottes Gnaden.“
Das brave, biedere Deutschland aber beeilte sich, auf die von Preußen ausgehenden Bettelbriefe hin Kollekten zu veranstalten und den schlesischen Brüdern beizustehen. Das brave, biedere Deutschland! Es ahnte, daß die königlich preußische Regierung nicht helfen könne, trotz des besten Willens.
Den Beweis haben wir jetzt vor uns.
Wie konnte man den Webern und Spinnern im schlesischen Gebirge beistehen, wie die Oberschlesier unterstützen und sie vor'm Hungertode schützen, wenn folgende unerläßliche Ausgaben zu machen waren:
Auf eine Karte vom Wildpark in Potsdam 200 Thlr
Für Hirschfänger und Wildkasten 307 〃
Für Einrichtung eines Wildparks 789 〃
Für Besprengung der Charlottenburger Chaussee, damit die Hofdamen und Gardelieutenants keinen Staub schlucken 1500 〃
Ein Almosen für den General Graf Dohna 2000 〃
Ein Geschenk an den Minister Eichhorn 1000 〃
Ein Almosen an Wilhelm, Prinz von Preußen (armer Mann!) 5000 〃
Ein dito an den Belagerer von Mainz (v. Hueser genannt) 6000 〃
Ein Geschenk an den Oberpräsidenten Bötticher 3000 〃
Ein Almosen an die Familie v. Grolmann 26,000 〃
u. s. w. u. s. w.
Genug im Jahre 1846 hatte die christlich-germanische Regierung ganz andere Ausgaben zu machen, als für lumpige Weber etc. in Schlesien und Westphalen. Sie mußte z. B. für Einrichtung des Schlosses in Coblenz und der dortigen Gartenanlagen 139,734 Thlr. auszahlen. Der König, der angeblich blos 2 1/2 Millionen Thlr. jährlich aus den Staatsdomänen bezieht, war viel zu arm, um diese Anlagekosten anders, als direkt aus den Taschen der „geliebten“ Unterthanen zu bestreiten. Und dann betrug in diesem Jahre das Haupt-Extraordinarium (Geschenke und Almosen für Grafen, Barone, Geheimräthe, Wildkasten, Wildparkskarten etc.) 1 Million 431,000 Thlr.
Wie konnte man da, unter Berücksichtigung der Ordinaria, der regulären Ausgaben für's Militär, und die Beamtenwelt, und der Vorschüsse und zinsfreien Darlehne für bankerutte, an den Spielbänken in Aachen, Baden etc. heruntergekommene Krautjunker im Betrage von 279,577 Thlr. 26 Sgr. nur im Entferntesten verlangen, daß von den Steuern des Volkes noch etwas für die verhungernde Kanaille übrig bleiben solle?
Die Regierung that Unrecht, alle diese uns jetzt bekannt gewordenen Einzelheiten zu verheimlichen Die vom Hunger und Typhus gepeitschten Proletarier hätten sich bei voller Kenntniß der christlich-germanischen Staatsausgaben mit christlicher Demuth in ihr Schicksal ergeben. Was von diesen Mysterien nun unter's Publikum gekommen, ist nur der kleinste Theil. Wird erst die gottbegnadete Wirthschaft nach allen Seiten hin aufgedeckt und vergißt man dabei nicht, solcher Kleinigkeiten zu erwähnen, wie: daß für den Grafen Brandenburg als Gouverneur von Schlesien nicht blos ein köstliches Palais erbaut, sondern dahinein für 40,000 Thlr. Möbeln aus Berlin auf Rechnung der Staatskasse angeschafft wurden: so wird das dumme Volk endlich begreifen, daß es lediglich zum Steuernzahlen geboren ist, und seine höchste Ehre in der Mästung der privilegirten Klassen beruht.
68 Köln, 14. Dez. Kaum hatte im Jahre 1815 die Restauration, das Königthum von Gottes Gnaden, unter dem Schutz der Kosacken etc. triumphirend von Paris und Frankreich Besitz genommen: so begannen auch die Verfolgungen gegen die eifrigsten Anhänger des gestürzten Kaisers, wie gegen alle entschiedenen Republikaner, namentlich gegen die Männer, welche im Convent für den Tod Ludwig XVI. gestimmt hatten.
Mit ähnlichen Verfolgungen feiert die preußische Restauration dieses Jahres ihren Sieg.
Unser Korrespondent in Münster berichtete schon unterm 30. Nov. (vergleiche Nr. 159 d. Bl.) über ein Rescript des hochverrätherischen Ministeriums an die Regierung in Münster, dahin lautend: „sämmtliche Leiter der Volksversammlungen und die Führer der demokratischen Klubs zu verhaften.“
Daß diese Mittheilung aus guter Quelle geflossen, davon liefert jeder Tag neue Beweise.
Nach den Verhaftungen in Münster (Justizkommissar Gierse, Stricker, Lieut. a. D., Stadtverordneter Hartmann, Referendar Hammacher u. m. A.), nach denen in Warendorf, erfolgen sie allmälig auch in den übrigen Orten: in Dortmund, Hamm, Soest etc.
Die gottbegnadete Verhaftungswuth beschränkt sich aber nicht auf Westphalen. Jenes Ministerialrescript ist auf alle Provinzen berechnet. Schlesien und Sachsen liefern an die Kerkermeister der preußischen Restauration täglich neue Opfer.
Wir lassen dies dahin gestellt. Ueber ein anderes Motiv dieser Einsperrungen kann wohl Niemand im Zweifel sein. Das Ministerium des Hochverraths will sich bis nach den Wahlen aller Männer entledigen, die seinen kontrerevolutionären Wahlmanövern entgegenwirken könnten.
Wie einst königliche Prinzen ihre Prügeljungen hatten, damit diese für alle Nichtsnutzigkeiten der Ersteren gezüchtigt wurden: so hat die Bourgeoisie die ihrigen einstweilen in den Demokraten gefunden.
Durch gränzenlose Angst und Feigheit läßt sich die Bourgeoisie ihren geliebten Rechtsboden zertrümmern, und gottbegnadete Fußtritte geben. Und für ihre mehr als dummen Streiche wirft die Kontrerevolution nicht die Bourgeois, sondern die Demokraten ins Gefängniß.
Wartet indeß nur kurze Zeit. Der jetzige Prügeljunge der Bourgeoisie wird bald stark genug sein, um Euch und die Kontrerevolution mit blutigen Köpfen auszuzahlen. Die Abrechnung wird klar sein und keine Reste lassen.
Geduld!
* Düsseldorf, 12. Dez. Wir geben wörtlich einen Brief, der uns so eben vom Düsseldorfer Colporteur der „N. Rh. Z.“ zukömmt:
So eben erscheint auf dem Cöln-Mindener-Bahnhofe der Polizei-Inspektor von Faldern mit sämmtlichen Polizisten und Gensd'armen, um vielleicht einen politischen Flüchtling zu verhaften. Ein Gensdarm frug mich: was ich in meiner Mappe hätte; ich erwiederte ihm: die Neue Rh. Ztg. und mehrere Freiligrath'sche Gedichte. Der Gensdarm machte dem Inspektor v. F. die Anzeige, der Inspektor kam zu mir und stellte mir dieselbe Frage, erkundigte sich auch, ob ich einen Gewerbeschein hätte, worauf ich erwiederte: nein! Der v. F. ließ mir durch den Polizisten Kanehl die Mappe versiegeln und sagte mir, daß ich den 13. dieses Morgens 9 1/2 Uhr auf dem Rathhaus mich einfinden sollte. Während ich im Weggehen begriffen war, rief der v. F. mir nach, daß ich die N. Rh. Z. wieder erhalten könnte, die ich jedoch bis jetzt 12 Uhr Mittag noch nicht in Händen habe, weil die öffentliche Macht mit dem v. F. den ganzen Morgen mit einer Hausdurchsuchung bei der Frau Gräfin v. Hatzfeld beschäftigt ist.
* Dortmund, 13. Dez. Die Regierung „von Gottes Gnaden“ läßt eine wahre Demokratenhetze veranstalten. Geht das noch einige Zeit so fort — und wie's den Anschein hat, wird's bis zu den Wahlen eher schlimmer als besser werden — : so wird es bald an Gefängnißräumen mangeln. Hier sind heute Mirbach und Graumann verhaftet worden. Das gleiche Loos hat den Kanonikus Schmitz von Soest getroffen. Man hat die Verhafteten unter Gensdarmeriebegleitung nach Münster geschafft.
Es haben bis jetzt also in Münster, Hamm, Dortmund und hier Verhaftungen von Demokraten stattgefunden. Aus dem bisherigen Verfahren der Regierung läßt sich schließen, daß nach und nach sämmtliche Mitglieder des westphälischen Demokratenkongresses eingesperrt werden sollen. Ist das geschehen, dann sieht die Kamarilla den hiesigen Wahlen zur 2. Kammer mit stoischer Ruhe entgegen.
68 Berlin, 12. Dez. Dieselben Reibungen zwischen Artilleristen und Soldaten anderer Truppentheile, die letzthin in Trier und andern Orten vorgefallen sind, fangen an auch hier einzutreten. So kam es namentlich gestern Abend in einem Bierkeller am Kupfergraben zwischen Artilleristen und Soldaten des berüchtigten Regiments Colberg, (9. Inf.-Reg. vom Volk gewöhnlich Pommersche Druffer genannt) zu einer sehr ernsten Schlägerei, in welcher die Artilleristen den Kürzern zogen, da die Neuner wieder einmal von ihren Seitengewehren, in der bekannten brutalen Weise, Gebrauch machten.
Aehnliche Schlägereien zwischen Soldaten verschiedener Regimenter waren schon am Abend vorher hinter der Königsmauer vorgefallen. Wir sind übrigens weit entfernt, auf derartige Vorgänge irgend welche politische Hoffnung zu bauen; vielmehr erwähnen wir sie als Beiträge zur Sittengeschichte der Zeit und um durch immer mehr Thatsachen nachzuweisen, wie die stehenden Heere trotz aller eisernen Disciplin dem demoralisirenden Einfluß des Söldlingswesens nicht entgehen können. An den hiesigen Vorkommnissen hat übrigens namentlich die Solderhöhung Schuld, welche den hier garnisonirenden Regimentern zu Theil wird.
Es cirkulirt seit einiger Zeit am hiesigen Stadtgericht, sowie auch am Kammergericht ein lithographirtes Formular einer Adresse an den König, worin demselben in allerunterthänigsten Ausdrücken für die oktroyirte Verfassung gedankt, zugleich aber die aufgelöste Nat.-Vers. auf die unehrenhafteste Weise geschmähet wird. Es soll sich namentlich der Chef-Präsident des Kammergerichts Strampf viel Mühe geben, um der Adresse in seinem Kollegium möglichst zahlreiche Unterschriften zu gewinnen. Es dürfte aber an der Zeit sein, einmal ein ernstes Wort gegen diese korporative Betheiligung der Gerichtshöfe an politischen Manifestationen auszusprechen. Es fällt uns natürlich nicht ein, die Freiheit der politischen Meinungsäußerung den Mitgliedern unserer Gerichtshöfe auch nur im Entferntesten verkümmern zu wollen. Aber die Würde der richterlichen Stellung und die politische Convenienz gestatten, wie wir glauben, ein solches Korporationsauftreten in politischen Dingen den Gerichtshöfen keineswegs. Was wir hier aussprechen, ist nicht nur der Ausdruck unserer individuellen Ueberzeugung sondern es hat auch in den weitesten Kreisen die Ansicht Verbreitung gefunden, daß es sich mit der nothwendigen Unparteilichkeit des Richterstandes in politischen Dingen schlecht vertrage und das Vertrauen des Volkes zur Gerechtigkeitspflege tief erschüttere, wenn solche korporative Manifestationen so häufig und namentlich immer nur nach einer gewissen Seite hin vorkommen.
Die am 9. Nov. in der Majorität verbliebenen Abgeordneten fangen schon an in ihrer eigenen Person die Folgen ihrer politischen Niederlage zu fühlen. So sind Landrath Reuter und Landrath Bauer von Krotoschyn schon von ihren Aemtern suspendirt worden und werden ähnliche Maßnahmen gegen andere Abgeordnete, welche auch Beamte waren, noch vorbereitet. Ja, man versichert sogar, daß das Geheime Obertribunal auf Anstiften seines Chef-
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(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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