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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 171. Köln, 17. Dezember 1848. Zweite Ausgabe.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 171. Köln, Sonntag den 17. Dezember. 1848.
Zweite Ausgabe.
Deutschland.
* Köln, 16. Dez.

Die Franzosen sind Kinder. Wenn ein vielbeliebter Charlatan oder Herkules auf öffentlichem Platze seine Kunststücke aufführt, so bildet sich um ihn herum ein ungeheurer Kreis von Zuschauern, die mit Ungeduld auf den Augenblick warten, wo das Schauspiel unter freiem Himmel beginnt. Aber der Herkules ist ein schlauer Mann. Er will nicht eher anfangen, bis eine gewisse Summe, die er auf ein Minimum reduzirt, zusammen ist. In die Mitte des Kreises hat er einen runden, rothen Teller gesetzt. "Meine Herren, ruft er aus, hier ist das Bureau, herzhaft zugeworfen!" Es fallen einzelne Sous, und die Gamins, lose Jungen von 13 Jahren, fangen an zu zählen. "Es fehlen noch 100 Sous." Aber der Mann hat die Gamins einmal für sich interessirt, und sie lassen nicht eher nach, bis die Summe zusammen ist. Ihre Ungeduld, ihre Freude, die sich mit jedem fallenden Sous auf ihrem Gesicht malt, -- Alles reizt die Zuschauer an; Alles fordert sie auf, aus allen Kräften beizusteuern. Man vergißt ordentlich das aufzuführende Schauspiel; so sehr ist man mit dem Zählen beschäftigt. Man hat sich einen Zweck vorgesetzt, den man erreichen, eine Summe fixirt, die man sammeln will, und würde der Mann nach Einziehung der bestimmten Zahlen abziehen, ohne seine Kunststücke aufzuführen, so würde ihm Niemand etwas darüber sagen. Man freut sich über das Fallen der Geldstücke, über das Zusammenkommen der Summe, über die Operation des Addirens weit mehr, als über die Operationen des Schwarzkünstlers. Die Freude, womit die Franzosen die Stimmen für Napoleon zählen, im Maße, als sie eingehn und das festgesetzte Minimum übertreffen, gleicht der Freude, welche die Kinder bei dem Zusammenzählen der fallenden Sous empfinden. Die Stimmen für Napoleon sind die Sous, welche für den Charlatan in den rothen Teller geworfen werden.

Das Contobuch hat einen Kredit für Napoleon, ein Debet für Cavaignac eröffnet und mit Freude sieht man das Debet des Cavaignacs in demselben Maße fallen, als der Kredit Napoleons steigt. Unschuldige Kinderfreude. Freude über eine Abdition. Wir werden später dieselbe Abdition vornehmen und die einzelnen Sumanden in ihren Details berichtigen. Aber für den Augenblick freuen wir uns mit den Franzosen. Schon an 3 Millionen Sous sind in die rothe Schüssel für Napoleon gesammelt und die Jungen sind noch immer am Schreien: encore! cncore! Noch mehr, noch mehr: sie sind gar nicht mehr zu sättigen mit Stimmen. Die Franzosen sind in ihren kühnsten Erwartungen übertroffen; die Republik kam ihnen damals nicht so unverhofft als jetzt Napoleon mit den Millionen; damals war es die Freude über das besiegte Hinderniß; die Freude, das so furchtbar geträumte Hinderniß mit einem kräftigen Faustschlag fallen zu sehn, die Freude über die Ueberwältigung des Feindes, die Freude über sich selbst und die Kleinbürger theilen diese Freude mit dem Proletariat. Man glaubte ganz fertig zu sein mit der Bourgeoisherrschaft, und Lamartine sollte das schöne Land befestigen. Man weiß, wie die Franzosen im Juni diese Illusionen büßen mußten. Die Spaltungen waren auf einem Punkt angelangt, daß man an gar keine Beseitigung auf friedlichem Wege mehr dachte. Da kömmt nun die Wahl Napoleons, und die guten Bourgeois freuen sich über dieses unvermuthete Zusammentreffen von 3, vielleicht von 5 Millionen in einem Punkt, in einem Gedanken in einer rothen Schüssel! Sie freuen sich, wie man sich freut, wenn man eine längst gehegte Idee, einen längst geahnten Gedanken ausgesprochen wiederfindet in einem guten Autor! Nun noch gar Millionen, die zusammentreffen in einem einzigen Namen?

Muß da das Zutrauen nicht wiederkehren? muß der Kredit nicht wieder aufblühen und Handel und Wandel einen neuen Aufschwung nehmen? Paris ist im Entzücken, die Börse jauchzt und die vornehmen Quartiers illuminiren. Die Damen schmücken sich wieder; alle Herzen werden weit, und wenn zwei Menschen sich auf der Straße begegnen, so fragen sie nicht mehr: wie es gehe! O, nein! es geht vortrefflich, es geht über alle Erwartung, das versteht sich von selbst. Sie fragen sich nur: wie viel in der rothen Schüssel. Lamartine weint in einem abgelegenen Winkel der Champs-Elysees über die Undankbarkeit der Menschen und die alten Minister und Cavaignac und der National tragen nächtlicher Weise ihre Möbeln aus den Ministerhotels, wie schlechte Miether welche einen Monat mit der Miethe im Rückstande geblieben sind. Freut Euch, Franzosen, freut Euch, so lange noch die Sous fallen. Ist es nicht eine Freude, die Sous von allen Seiten, aus den entgegengesetzten Winkeln in solcher Masse fallen zu sehn? Wer denkt da noch an die Herkules-Künste? Man verlangt gar keine Kunststückchen von dir Napoleon. Man will keine Kraftproben von dir, o Herkules. Nein freue dich nur der Sous, die für dich eingehn. Verfüge darüber im Voraus, wie ein anfangender Autor, der schon über die Wahl der Geschenke nachsinnt, die er seiner Laura zu machen gedenkt mit dem Gelde, das er für seine Gedichte von einem Verleger erhalten wird.

Ja, Napoleon, wen nehmen wir zu unserm Vicepräsidenten? Willst du Cavaignac oder Louis Philippe? Du kannst wählen! Ach, nein -- über die Vicepräsidentschaft hat die Kammer zu verfügen. Aber die Ministerstellen, die stehn dir doch frei zu vergeben, ohne Beistimmung der Kammer. Nun, wie wär's, wenn du Odilon-Barrot, der Mann, der die Themis auf der hohen Stirne gemahlt hat, zu deinem Justizminister erwähltest? Oder willst du lieber Thiers, den kleinen Thiers, oder den Peter oder den Jerome haben? Ach, beinahe hätte ich Girardin vergessen; der geht vor Allen! Ja, was wird Girardin werden?.....

Das sind die einzigen Gedanken aller Journale, ihre einzigen Preoccupationen mitten "in der allgemeinen Freude.".... Und die Sous fallen noch immer, Sous von allen Seiten und allen Regimes, Bourgeoisous und Proletariersous; Tausende von Bourgeoissous, aber Hunderttausende von Proletariersous: aber der Sous, den der Proletarier in den rothen Teller wirft, es ist der Einzige, den er in der Tasche hat, der einzige, den er fortwerfen kann! Die Franzosen sind Kinder, aber hinter dem Spiele der Kinder steckt die geballte Männerfaust.....

Sie werfen ihren letzten Sous weg, um die Juni-Insurrektion zu erlösen, lassen Bonaparte tanzen, um selbst zu tanzen, in Paris, in der Provinz, in Frankreich.... und noch weiter und noch weiter.

24 Düsseldorf, 16. Dezember.

Der bekannte "Bürger und preuß. Kommunist" Drigalski hatte einen Bocksstreich gemacht. Er hatte seine Freunde in Potsdam und Berlin kompromittirt. So schnell durfte er die Censur nicht wiederherstellen! Das heißt ja die Leute vor der Zeit klug machen über die Pläne der wieder hergestellten und neu auflackirten Firma "von Gottes Gnaden." Es ging ihm daher die Weisung zu, sein eben erst erlassenes Censurgesetz außer Kraft treten zu lassen. Dem ist er nachgekommen. Er hat jetzt seinen faux pas begriffen und in einem Monologe, wie ein Lauschender gehört haben will, zu sich selbst gesagt: "Lieber Bürger und Kommunist, Du hast trotz alledem und alledem verteufelt viel Häcksel in deinem Hirnkasten, sonst wärst du von selbst auf die einfache Idee gekommen, daß man einem so wackligen, abgenutzten, zahnlosen und timiden Wesen, wie der Dr. Heinemann'schen Zeitungslisel, nicht mit Censor und Rothstift zu kommen braucht. Teufel! wäre sie eines solchen Paschastreiches werth, sie hätte lieber den Tod als die Entehrung vorgezogen! Sapperment! Bürger und Kommunist wir wollen's klüger anfangen."

In Folge dieses Zwiegesprächs erließ er sofort einen Befehl, in welchem er die Censur aufhob und erklärte, wenn die brave Heinemann'sche die Maaßregeln der Regierung (des Hrn. Drigalski, der Offiziere, Unteroffiziere, Trompeter, Tamboure und Marketenderinnen) in "unwürdiger Weise" (in unwürdiger Weise!!) besprechen sollte, werde er sie suspendiren.

Damit ist der von Drigalski bestallte Censor seines kurzen Dienstes enthoben und ein viel besserer für die edle Heinemann'sche ausfindig gemacht, als jener, nämlich sie selbst.

* Trier, 15. Dez.

Die hiesige Zeitung enthält heute nicht weniger als 7 Steckbriefe, sämmtlich gegen Bewohner von Wittlich erlassen. Man sieht, wie thätig der Mitarbeiter der braven "Kölnischen," der bekannte Hr. Bolz, gewesen ist. Geht das so fort, so werden wir bald nicht blos eine besondere Steckbriefszeitung, sondern auch ein ganzes Armeekorps von Gensdarmen zum Verfolgen und Einfangen der flüchtigen Hochverräther nöthig haben, da die gesammte übrige Heeresmacht kaum zum Schutze der nicht flüchtigen Hoch- und Volksverräther ausreichend ist.

20 Fischenich bei Brühl, 15. Dez.

Was doch selbst königl. preußische Dörfer im Jahre des Heils 1848 erleben müssen! In einem hiesigen Hause sollte ein Gerichtsvollzieher wacker geprügelt worden sein, und nun hieß es, daß man den Besitzer nebst seinem Sohne und noch einer Person arretiren wolle. Die Verhaftung sollte heute Vormittag erfolgen. Die Bürger Fischenich's erklärten aber, daß sie die Verhafteten nicht würden abführen lassen. Ein Gensdarm sprengte nun in vollem Galopp nach Brühl, um die 25er zu Hülfe zu rufen. Wirklich sah man auch schon um 1 Uhr einen Truppen Soldaten auf unsern Ort zueilen. Als sie in Fischenich einzogen, rief ihnen das Volk ein Lebehoch! entgegen. Das ärgerte die Offiziere und einige Unteroffiziere über alle Maßen. Der Trupp marschirte weiter bis zum Gastwirth Schiller, wo sich die Verhafteten befanden. Man glaubte nun, die Bürger würden mit den Soldaten in Streit kommen. Aber nein, beide Theile unterhielten sich freundlich über den Vorfall, und obgleich der Offizier wiederholt kommandirte: keine Unterhaltung! keine Unterhaltung! so ließen sich die Soldaten doch nicht stören, sondern brachten zum Schluß in Uebereinstimmung mit den Bauern ein donnerndes Lebehoch! auf Louis Napoleon aus!

064 Reheim, bei Arnsberg, 14. Decbr.

An andern Orten wird Personen nachgespürt, am hiesigen Orte Personenlisten. Es scheint, daß so ziemlich alle Personen, gegen die irgend ein Vorwand ausfindig zu machen war, festgenommen oder steckbrieflich verfolgt werden. Allein der Rachedurst der Schwarz-weißen ist noch lange nicht gestillt. Immer mehr! immer mehr! brüllt der reactionäre Chor. Um dieses Brüllen zu befriedigen, muß irgend ein Anschein, ein entfernter Schimmer von einer Möglichkeit, das Allgemeine Landrecht (dieses gefügige Landrecht mit noch gefügigern Richtern) anzuwenden, auf jede Gefahr hin aufgespürt werden. Aus diesem Grunde scheint es, hat man jetzt bei einem hiesigen Bürger eine Haussuchung gehalten, nicht um ihn oder irgend eine andere Person zu verhaften, sondern um die Namen von Personen, welche sich etwa für's Einsperren eignen könnten, vorher zu erschnüffeln und dann zu verfahren, wie der "schwarz-weißen" Vehme belieben mag. Die Haussuchung hatte, wie gesagt, die Auffindung einer Collektenliste zu Beiträgen für den demokratischen Centralausschuß in Berlin zum Zweck. Die schriftliche Angabe des Grundes lautete: Die Beschlagnahme der Listen sei verfügt worden, weil darin Bemerkungen enthalten sein sollten, die nach § 205, Tit. 20 Th. II. des Allgem. Landrechts zu bestrafende Criminalverbrechen involvirten. Wenn man dergleichen Dinge hört, so wird einem klar, daß die preußische Camarilla ihre im August verpaßten Hundstage 10fach nachholt. Die österreichische Contrerevolution macht sich durch ihre Brutalität und ihre Scharfrichterwuth bis in den Tod verhaßt, die preußische muß auch hier dem hohenzollern'schen Genius treu bleiben und macht sich durch Schritte wie der oben erzählte, bis in den Tod lächerlich. --

Ich bemerke zum Schluß, daß die ersehnte Collectenliste nicht gefunden worden. Also außer der Lächerlichkeit noch Pech obendrein!

* Breslau, 15. Dez-

Bei der Neuwahl eines stellvertretenden Bürgerwehrobersten ist in den meisten Kompagnien die überwiegendste Majorität auf den Präsidenten des demokratischen Vereins, Dr. Engelmann, gefallen.

61 Wien, 10. Dez.

Sie werden die Antwort des Ministers Stadion auf die Interpellation des Idioten Schuselka, dessen Oktober-Traum von Anarchie, Ruhe, Ordnung, gesetzlichem Boden, Räubern, Pöbel u. s. w. endlich ausgeträumt scheint, um einer noch erbärmlichern Wirklichkeit Platz zu machen, vielleicht schon gelesen haben. Sie stinkt nach dem Dampfe des stärksten aristokratischen Kanasters; Stadion's Nase soll dabei vor Hochmuth über allen russischen Gefrierpunkten gestanden haben. Er besorgt, wie er wörtlich gesagt, mit dem "starken Ministerium" aber auch nicht blos die "Interessen Oesterreich's, sondern die Ordnung und Gesittung von ganz Europa." Risum teneatis? -- Voila einen neuen europäischen Polizeibüttel a la Metternich! Für die Aufhebung des Belagerungszustandes wird in dieser Antwort gar keine Aussicht gegeben. Die Renommage, als sei das Standrecht aufgehoben, ist lügenhaft. Das Standrecht besteht de facto vor wie nach, da zwei beisitzende nicht militärische Civilhenker voll unterwürfiger Hundischkeit an der Sache nichts ändern. Am Interessantesten lautet die Antwort wegen der Hinrichtung Blum's, und Fröbel's beabsichtigter Strangulation; denn der herausfordernde Hohn darin klingt himmlisch. Stadion soll die neuen Kommissarien der deutschen Central-Ohnmacht mit ihrem Johann ohne Land, wenn auch nicht mit einem physischen Tritt vor die Thüre spedirt, doch in einer Weise zurechtgewiesen haben, wie Windischgrätz den Welcker. Aber die deutschen Welcker verstehen, wie die Juden und Hunde, nur physische Tritte; man wird in Frankfurt daher auch von Stadion's einschmeichelndem Benehmen hören. Die Kommissarien haben darauf Reißaus genommen, denn zu ihrem Schrecken entdeckten sie in den ministeriellen Vorzimmern einige Galgenstricke und windischgrätzische Rothmäntel mit der beruhigenden Aufschrift:

Wir sind die That von seinen Gedanken!

61 Wien, 12. Dez.

In Folge des von Hinko, dem Freiknecht der Kamarilla, über uns verhängten Belagerungszustandes nebst fortwährend standrechtlichem Akkompagnement, und in Folge der daraufhin wieder eingetretenen strengen Handhabung von Schmerling's noch nicht aufgehobenen Gesetzen, waten wir wiederum in einem solchen staatlich-sozialen österreichischen Urkoth, daß uns der deutsche Augiasstall wie eine holländische Stube dagegen vorkommt. Daraus allein mögen Sie sich die Sensation erklären, welche hier die preußische Verfassung macht. Die Einsichtsvollen erkennen den preußischen Pfiff und den durch ihn beabsichtigten Zweck: dem Könige von Preußen eine Kaiserkrone zu verschaffen. Man meint hier, die Dynastie der Hohenzollern sei ihres Siegs in Frankfurt gewiß, habe dort ihre Kreaturen, habe durch das Verfassungswerk das deutsche Volk gewonnen, um es hinterher desto sicherer zu prellen. Die Freunde der östreichischen Kamarilla sehen nun fast ein, daß ihre Patronin durch ihren Hinko und durch ihr Henkerministerium Deutschland einen allzu plumpen Tritt gegeben.

Das Abendblatt zur "Wiener Zeitung" von gestern enthält eine Korrespondenz aus Berlin, in welcher es am Ende heißt: "Wie rasch der Entschluß zur Auflösung der Nationalversammlung und zur Publizirung des Verfassungswerkes im Kabinete gefaßt wurde, ist unter andern auch daraus zu ersehen, daß am Tage der Publizirung 1 Uhr Mittags, nicht einmal die nächste Umgebung des Prinzen von Preußen eine Ahnung davon hatte." Olmütz wäre also bestimmt erwischt; hüte sich das preußische Volk, es ebenfalls zu werden; rasche Volten sind Taschenspielerkünste. Der Prinz Karl von Preußen ist in Olmütz angekommen, wohin auch der hiesige Gesandte geeilt ist. Das hängt alles zusammen; die große Reaktions-Intrigue ist noch nicht zu Ende gespielt.

Daß das offizielle Frankreich mit dem verfaulten Oestreich gemeinschaftliche Sache macht, tritt zur Schande dieser Bourgeois-Republik nur greller hervor, und die "Presse" ist unverschämt genug, heute folgendes zu behaupten: "Radetzky sammelt bereits in Brescia ein Korps, mit welchem er einige Legationen des Kirchenstaats besetzen, und im Einverständnisse mit den Franzosen zur Herstellung der Rechte des Pabstes und im Interesse der durch die Neudemokratie (!) vernichteten öffentlichen Ordnung handeln wird." In dem cavaignac'schen Frankreich muß alle Ehre zum Teufel sein, wenn es sich so mit Oesterreich, dem Auswurf aller jemals dagewesenen Schlechtigkeit, verbrüdern kann. Die Italiener und Deutschen werden inskünftige also mit dem Beistande Frankreich's geknechtet werden! Ganze Spalten unserer Henkerpresse sind mit den Details über das rührende Interesse Frankreich's am Schicksal des Papstes angefüllt, und die Intimität Harkourt's mit dem infamen Jesuiten Spauer erregt allgemeines Behagen. Der hiesige französische Gesandte steht in einer ähnlichen Intimität mit Olmütz, mit Windischgrätz und andern berüchtigten Werkzeugen der Contrerevolution.

121 Wien, 12. Dezbr.

Windischgrätz zittert, wie gestern und vorgestern die Erde um Wien vom Geschützesdonner erdröhnte, den man vom Lagerberg aus von der fernen ungarischen Grenze her hörte. Alle Welt lebt in gespanntester Erwartung über den Ausgang des Riesenkampfes der Magyaren wider ihre Henker. Man fühlt's, Tod und Leben Oesterreichs steht auf dem Spiele; ein dauernder Sieg der Magyaren vernichtet das österreichische Gesammtscheusal. Am Sonntag habe ich mich oben auf diesem nahen Lagerberg mit dem Ohr auf die Erde gelegt, um zu lauschen. Das Interesse an der Sache und das herrliche Wetter hatte eine Menge Volks herausgelockt, die ein Gleiches that. Das Wettern der Kanonen war furchtbar und schien näher zu rücken; "Python-Windischgrätz", hieß es freudig, "wird zurückgetrieben!" Bald darauf wurden ganze Eskadronen verwundeter Pferde gebracht, und auf mehreren großen Frachtwagen führte man Uniformen getödteter Kavalleristen nach Wien. Die in Ungarn verborgen angelegten Wolfsgruben sollen das Grab dieser Kavalleristen gewe-

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 171. Köln, Sonntag den 17. Dezember. 1848.
Zweite Ausgabe.
Deutschland.
* Köln, 16. Dez.

Die Franzosen sind Kinder. Wenn ein vielbeliebter Charlatan oder Herkules auf öffentlichem Platze seine Kunststücke aufführt, so bildet sich um ihn herum ein ungeheurer Kreis von Zuschauern, die mit Ungeduld auf den Augenblick warten, wo das Schauspiel unter freiem Himmel beginnt. Aber der Herkules ist ein schlauer Mann. Er will nicht eher anfangen, bis eine gewisse Summe, die er auf ein Minimum reduzirt, zusammen ist. In die Mitte des Kreises hat er einen runden, rothen Teller gesetzt. „Meine Herren, ruft er aus, hier ist das Bureau, herzhaft zugeworfen!“ Es fallen einzelne Sous, und die Gamins, lose Jungen von 13 Jahren, fangen an zu zählen. „Es fehlen noch 100 Sous.“ Aber der Mann hat die Gamins einmal für sich interessirt, und sie lassen nicht eher nach, bis die Summe zusammen ist. Ihre Ungeduld, ihre Freude, die sich mit jedem fallenden Sous auf ihrem Gesicht malt, — Alles reizt die Zuschauer an; Alles fordert sie auf, aus allen Kräften beizusteuern. Man vergißt ordentlich das aufzuführende Schauspiel; so sehr ist man mit dem Zählen beschäftigt. Man hat sich einen Zweck vorgesetzt, den man erreichen, eine Summe fixirt, die man sammeln will, und würde der Mann nach Einziehung der bestimmten Zahlen abziehen, ohne seine Kunststücke aufzuführen, so würde ihm Niemand etwas darüber sagen. Man freut sich über das Fallen der Geldstücke, über das Zusammenkommen der Summe, über die Operation des Addirens weit mehr, als über die Operationen des Schwarzkünstlers. Die Freude, womit die Franzosen die Stimmen für Napoleon zählen, im Maße, als sie eingehn und das festgesetzte Minimum übertreffen, gleicht der Freude, welche die Kinder bei dem Zusammenzählen der fallenden Sous empfinden. Die Stimmen für Napoleon sind die Sous, welche für den Charlatan in den rothen Teller geworfen werden.

Das Contobuch hat einen Kredit für Napoleon, ein Debet für Cavaignac eröffnet und mit Freude sieht man das Debet des Cavaignacs in demselben Maße fallen, als der Kredit Napoleons steigt. Unschuldige Kinderfreude. Freude über eine Abdition. Wir werden später dieselbe Abdition vornehmen und die einzelnen Sumanden in ihren Details berichtigen. Aber für den Augenblick freuen wir uns mit den Franzosen. Schon an 3 Millionen Sous sind in die rothe Schüssel für Napoleon gesammelt und die Jungen sind noch immer am Schreien: encore! cncore! Noch mehr, noch mehr: sie sind gar nicht mehr zu sättigen mit Stimmen. Die Franzosen sind in ihren kühnsten Erwartungen übertroffen; die Republik kam ihnen damals nicht so unverhofft als jetzt Napoleon mit den Millionen; damals war es die Freude über das besiegte Hinderniß; die Freude, das so furchtbar geträumte Hinderniß mit einem kräftigen Faustschlag fallen zu sehn, die Freude über die Ueberwältigung des Feindes, die Freude über sich selbst und die Kleinbürger theilen diese Freude mit dem Proletariat. Man glaubte ganz fertig zu sein mit der Bourgeoisherrschaft, und Lamartine sollte das schöne Land befestigen. Man weiß, wie die Franzosen im Juni diese Illusionen büßen mußten. Die Spaltungen waren auf einem Punkt angelangt, daß man an gar keine Beseitigung auf friedlichem Wege mehr dachte. Da kömmt nun die Wahl Napoleons, und die guten Bourgeois freuen sich über dieses unvermuthete Zusammentreffen von 3, vielleicht von 5 Millionen in einem Punkt, in einem Gedanken in einer rothen Schüssel! Sie freuen sich, wie man sich freut, wenn man eine längst gehegte Idee, einen längst geahnten Gedanken ausgesprochen wiederfindet in einem guten Autor! Nun noch gar Millionen, die zusammentreffen in einem einzigen Namen?

Muß da das Zutrauen nicht wiederkehren? muß der Kredit nicht wieder aufblühen und Handel und Wandel einen neuen Aufschwung nehmen? Paris ist im Entzücken, die Börse jauchzt und die vornehmen Quartiers illuminiren. Die Damen schmücken sich wieder; alle Herzen werden weit, und wenn zwei Menschen sich auf der Straße begegnen, so fragen sie nicht mehr: wie es gehe! O, nein! es geht vortrefflich, es geht über alle Erwartung, das versteht sich von selbst. Sie fragen sich nur: wie viel in der rothen Schüssel. Lamartine weint in einem abgelegenen Winkel der Champs-Elysées über die Undankbarkeit der Menschen und die alten Minister und Cavaignac und der National tragen nächtlicher Weise ihre Möbeln aus den Ministerhotels, wie schlechte Miether welche einen Monat mit der Miethe im Rückstande geblieben sind. Freut Euch, Franzosen, freut Euch, so lange noch die Sous fallen. Ist es nicht eine Freude, die Sous von allen Seiten, aus den entgegengesetzten Winkeln in solcher Masse fallen zu sehn? Wer denkt da noch an die Herkules-Künste? Man verlangt gar keine Kunststückchen von dir Napoleon. Man will keine Kraftproben von dir, o Herkules. Nein freue dich nur der Sous, die für dich eingehn. Verfüge darüber im Voraus, wie ein anfangender Autor, der schon über die Wahl der Geschenke nachsinnt, die er seiner Laura zu machen gedenkt mit dem Gelde, das er für seine Gedichte von einem Verleger erhalten wird.

Ja, Napoleon, wen nehmen wir zu unserm Vicepräsidenten? Willst du Cavaignac oder Louis Philippe? Du kannst wählen! Ach, nein — über die Vicepräsidentschaft hat die Kammer zu verfügen. Aber die Ministerstellen, die stehn dir doch frei zu vergeben, ohne Beistimmung der Kammer. Nun, wie wär's, wenn du Odilon-Barrot, der Mann, der die Themis auf der hohen Stirne gemahlt hat, zu deinem Justizminister erwähltest? Oder willst du lieber Thiers, den kleinen Thiers, oder den Peter oder den Jerome haben? Ach, beinahe hätte ich Girardin vergessen; der geht vor Allen! Ja, was wird Girardin werden?‥…

Das sind die einzigen Gedanken aller Journale, ihre einzigen Preoccupationen mitten „in der allgemeinen Freude.“‥‥ Und die Sous fallen noch immer, Sous von allen Seiten und allen Regimes, Bourgeoisous und Proletariersous; Tausende von Bourgeoissous, aber Hunderttausende von Proletariersous: aber der Sous, den der Proletarier in den rothen Teller wirft, es ist der Einzige, den er in der Tasche hat, der einzige, den er fortwerfen kann! Die Franzosen sind Kinder, aber hinter dem Spiele der Kinder steckt die geballte Männerfaust.‥‥

Sie werfen ihren letzten Sous weg, um die Juni-Insurrektion zu erlösen, lassen Bonaparte tanzen, um selbst zu tanzen, in Paris, in der Provinz, in Frankreich‥‥ und noch weiter und noch weiter.

24 Düsseldorf, 16. Dezember.

Der bekannte „Bürger und preuß. Kommunist“ Drigalski hatte einen Bocksstreich gemacht. Er hatte seine Freunde in Potsdam und Berlin kompromittirt. So schnell durfte er die Censur nicht wiederherstellen! Das heißt ja die Leute vor der Zeit klug machen über die Pläne der wieder hergestellten und neu auflackirten Firma „von Gottes Gnaden.“ Es ging ihm daher die Weisung zu, sein eben erst erlassenes Censurgesetz außer Kraft treten zu lassen. Dem ist er nachgekommen. Er hat jetzt seinen faux pas begriffen und in einem Monologe, wie ein Lauschender gehört haben will, zu sich selbst gesagt: „Lieber Bürger und Kommunist, Du hast trotz alledem und alledem verteufelt viel Häcksel in deinem Hirnkasten, sonst wärst du von selbst auf die einfache Idee gekommen, daß man einem so wackligen, abgenutzten, zahnlosen und timiden Wesen, wie der Dr. Heinemann'schen Zeitungslisel, nicht mit Censor und Rothstift zu kommen braucht. Teufel! wäre sie eines solchen Paschastreiches werth, sie hätte lieber den Tod als die Entehrung vorgezogen! Sapperment! Bürger und Kommunist wir wollen's klüger anfangen.“

In Folge dieses Zwiegesprächs erließ er sofort einen Befehl, in welchem er die Censur aufhob und erklärte, wenn die brave Heinemann'sche die Maaßregeln der Regierung (des Hrn. Drigalski, der Offiziere, Unteroffiziere, Trompeter, Tamboure und Marketenderinnen) in „unwürdiger Weise“ (in unwürdiger Weise!!) besprechen sollte, werde er sie suspendiren.

Damit ist der von Drigalski bestallte Censor seines kurzen Dienstes enthoben und ein viel besserer für die edle Heinemann'sche ausfindig gemacht, als jener, nämlich sie selbst.

* Trier, 15. Dez.

Die hiesige Zeitung enthält heute nicht weniger als 7 Steckbriefe, sämmtlich gegen Bewohner von Wittlich erlassen. Man sieht, wie thätig der Mitarbeiter der braven „Kölnischen,“ der bekannte Hr. Bolz, gewesen ist. Geht das so fort, so werden wir bald nicht blos eine besondere Steckbriefszeitung, sondern auch ein ganzes Armeekorps von Gensdarmen zum Verfolgen und Einfangen der flüchtigen Hochverräther nöthig haben, da die gesammte übrige Heeresmacht kaum zum Schutze der nicht flüchtigen Hoch- und Volksverräther ausreichend ist.

20 Fischenich bei Brühl, 15. Dez.

Was doch selbst königl. preußische Dörfer im Jahre des Heils 1848 erleben müssen! In einem hiesigen Hause sollte ein Gerichtsvollzieher wacker geprügelt worden sein, und nun hieß es, daß man den Besitzer nebst seinem Sohne und noch einer Person arretiren wolle. Die Verhaftung sollte heute Vormittag erfolgen. Die Bürger Fischenich's erklärten aber, daß sie die Verhafteten nicht würden abführen lassen. Ein Gensdarm sprengte nun in vollem Galopp nach Brühl, um die 25er zu Hülfe zu rufen. Wirklich sah man auch schon um 1 Uhr einen Truppen Soldaten auf unsern Ort zueilen. Als sie in Fischenich einzogen, rief ihnen das Volk ein Lebehoch! entgegen. Das ärgerte die Offiziere und einige Unteroffiziere über alle Maßen. Der Trupp marschirte weiter bis zum Gastwirth Schiller, wo sich die Verhafteten befanden. Man glaubte nun, die Bürger würden mit den Soldaten in Streit kommen. Aber nein, beide Theile unterhielten sich freundlich über den Vorfall, und obgleich der Offizier wiederholt kommandirte: keine Unterhaltung! keine Unterhaltung! so ließen sich die Soldaten doch nicht stören, sondern brachten zum Schluß in Uebereinstimmung mit den Bauern ein donnerndes Lebehoch! auf Louis Napoleon aus!

064 Reheim, bei Arnsberg, 14. Decbr.

An andern Orten wird Personen nachgespürt, am hiesigen Orte Personenlisten. Es scheint, daß so ziemlich alle Personen, gegen die irgend ein Vorwand ausfindig zu machen war, festgenommen oder steckbrieflich verfolgt werden. Allein der Rachedurst der Schwarz-weißen ist noch lange nicht gestillt. Immer mehr! immer mehr! brüllt der reactionäre Chor. Um dieses Brüllen zu befriedigen, muß irgend ein Anschein, ein entfernter Schimmer von einer Möglichkeit, das Allgemeine Landrecht (dieses gefügige Landrecht mit noch gefügigern Richtern) anzuwenden, auf jede Gefahr hin aufgespürt werden. Aus diesem Grunde scheint es, hat man jetzt bei einem hiesigen Bürger eine Haussuchung gehalten, nicht um ihn oder irgend eine andere Person zu verhaften, sondern um die Namen von Personen, welche sich etwa für's Einsperren eignen könnten, vorher zu erschnüffeln und dann zu verfahren, wie der „schwarz-weißen“ Vehme belieben mag. Die Haussuchung hatte, wie gesagt, die Auffindung einer Collektenliste zu Beiträgen für den demokratischen Centralausschuß in Berlin zum Zweck. Die schriftliche Angabe des Grundes lautete: Die Beschlagnahme der Listen sei verfügt worden, weil darin Bemerkungen enthalten sein sollten, die nach § 205, Tit. 20 Th. II. des Allgem. Landrechts zu bestrafende Criminalverbrechen involvirten. Wenn man dergleichen Dinge hört, so wird einem klar, daß die preußische Camarilla ihre im August verpaßten Hundstage 10fach nachholt. Die österreichische Contrerevolution macht sich durch ihre Brutalität und ihre Scharfrichterwuth bis in den Tod verhaßt, die preußische muß auch hier dem hohenzollern'schen Genius treu bleiben und macht sich durch Schritte wie der oben erzählte, bis in den Tod lächerlich. —

Ich bemerke zum Schluß, daß die ersehnte Collectenliste nicht gefunden worden. Also außer der Lächerlichkeit noch Pech obendrein!

* Breslau, 15. Dez-

Bei der Neuwahl eines stellvertretenden Bürgerwehrobersten ist in den meisten Kompagnien die überwiegendste Majorität auf den Präsidenten des demokratischen Vereins, Dr. Engelmann, gefallen.

61 Wien, 10. Dez.

Sie werden die Antwort des Ministers Stadion auf die Interpellation des Idioten Schuselka, dessen Oktober-Traum von Anarchie, Ruhe, Ordnung, gesetzlichem Boden, Räubern, Pöbel u. s. w. endlich ausgeträumt scheint, um einer noch erbärmlichern Wirklichkeit Platz zu machen, vielleicht schon gelesen haben. Sie stinkt nach dem Dampfe des stärksten aristokratischen Kanasters; Stadion's Nase soll dabei vor Hochmuth über allen russischen Gefrierpunkten gestanden haben. Er besorgt, wie er wörtlich gesagt, mit dem „starken Ministerium“ aber auch nicht blos die „Interessen Oesterreich's, sondern die Ordnung und Gesittung von ganz Europa.“ Risum teneatis? — Voilà einen neuen europäischen Polizeibüttel á la Metternich! Für die Aufhebung des Belagerungszustandes wird in dieser Antwort gar keine Aussicht gegeben. Die Renommage, als sei das Standrecht aufgehoben, ist lügenhaft. Das Standrecht besteht de facto vor wie nach, da zwei beisitzende nicht militärische Civilhenker voll unterwürfiger Hundischkeit an der Sache nichts ändern. Am Interessantesten lautet die Antwort wegen der Hinrichtung Blum's, und Fröbel's beabsichtigter Strangulation; denn der herausfordernde Hohn darin klingt himmlisch. Stadion soll die neuen Kommissarien der deutschen Central-Ohnmacht mit ihrem Johann ohne Land, wenn auch nicht mit einem physischen Tritt vor die Thüre spedirt, doch in einer Weise zurechtgewiesen haben, wie Windischgrätz den Welcker. Aber die deutschen Welcker verstehen, wie die Juden und Hunde, nur physische Tritte; man wird in Frankfurt daher auch von Stadion's einschmeichelndem Benehmen hören. Die Kommissarien haben darauf Reißaus genommen, denn zu ihrem Schrecken entdeckten sie in den ministeriellen Vorzimmern einige Galgenstricke und windischgrätzische Rothmäntel mit der beruhigenden Aufschrift:

Wir sind die That von seinen Gedanken!

61 Wien, 12. Dez.

In Folge des von Hinko, dem Freiknecht der Kamarilla, über uns verhängten Belagerungszustandes nebst fortwährend standrechtlichem Akkompagnement, und in Folge der daraufhin wieder eingetretenen strengen Handhabung von Schmerling's noch nicht aufgehobenen Gesetzen, waten wir wiederum in einem solchen staatlich-sozialen österreichischen Urkoth, daß uns der deutsche Augiasstall wie eine holländische Stube dagegen vorkommt. Daraus allein mögen Sie sich die Sensation erklären, welche hier die preußische Verfassung macht. Die Einsichtsvollen erkennen den preußischen Pfiff und den durch ihn beabsichtigten Zweck: dem Könige von Preußen eine Kaiserkrone zu verschaffen. Man meint hier, die Dynastie der Hohenzollern sei ihres Siegs in Frankfurt gewiß, habe dort ihre Kreaturen, habe durch das Verfassungswerk das deutsche Volk gewonnen, um es hinterher desto sicherer zu prellen. Die Freunde der östreichischen Kamarilla sehen nun fast ein, daß ihre Patronin durch ihren Hinko und durch ihr Henkerministerium Deutschland einen allzu plumpen Tritt gegeben.

Das Abendblatt zur „Wiener Zeitung“ von gestern enthält eine Korrespondenz aus Berlin, in welcher es am Ende heißt: „Wie rasch der Entschluß zur Auflösung der Nationalversammlung und zur Publizirung des Verfassungswerkes im Kabinete gefaßt wurde, ist unter andern auch daraus zu ersehen, daß am Tage der Publizirung 1 Uhr Mittags, nicht einmal die nächste Umgebung des Prinzen von Preußen eine Ahnung davon hatte.“ Olmütz wäre also bestimmt erwischt; hüte sich das preußische Volk, es ebenfalls zu werden; rasche Volten sind Taschenspielerkünste. Der Prinz Karl von Preußen ist in Olmütz angekommen, wohin auch der hiesige Gesandte geeilt ist. Das hängt alles zusammen; die große Reaktions-Intrigue ist noch nicht zu Ende gespielt.

Daß das offizielle Frankreich mit dem verfaulten Oestreich gemeinschaftliche Sache macht, tritt zur Schande dieser Bourgeois-Republik nur greller hervor, und die „Presse“ ist unverschämt genug, heute folgendes zu behaupten: „Radetzky sammelt bereits in Brescia ein Korps, mit welchem er einige Legationen des Kirchenstaats besetzen, und im Einverständnisse mit den Franzosen zur Herstellung der Rechte des Pabstes und im Interesse der durch die Neudemokratie (!) vernichteten öffentlichen Ordnung handeln wird.“ In dem cavaignac'schen Frankreich muß alle Ehre zum Teufel sein, wenn es sich so mit Oesterreich, dem Auswurf aller jemals dagewesenen Schlechtigkeit, verbrüdern kann. Die Italiener und Deutschen werden inskünftige also mit dem Beistande Frankreich's geknechtet werden! Ganze Spalten unserer Henkerpresse sind mit den Details über das rührende Interesse Frankreich's am Schicksal des Papstes angefüllt, und die Intimität Harkourt's mit dem infamen Jesuiten Spauer erregt allgemeines Behagen. Der hiesige französische Gesandte steht in einer ähnlichen Intimität mit Olmütz, mit Windischgrätz und andern berüchtigten Werkzeugen der Contrerevolution.

121 Wien, 12. Dezbr.

Windischgrätz zittert, wie gestern und vorgestern die Erde um Wien vom Geschützesdonner erdröhnte, den man vom Lagerberg aus von der fernen ungarischen Grenze her hörte. Alle Welt lebt in gespanntester Erwartung über den Ausgang des Riesenkampfes der Magyaren wider ihre Henker. Man fühlt's, Tod und Leben Oesterreichs steht auf dem Spiele; ein dauernder Sieg der Magyaren vernichtet das österreichische Gesammtscheusal. Am Sonntag habe ich mich oben auf diesem nahen Lagerberg mit dem Ohr auf die Erde gelegt, um zu lauschen. Das Interesse an der Sache und das herrliche Wetter hatte eine Menge Volks herausgelockt, die ein Gleiches that. Das Wettern der Kanonen war furchtbar und schien näher zu rücken; „Python-Windischgrätz“, hieß es freudig, „wird zurückgetrieben!“ Bald darauf wurden ganze Eskadronen verwundeter Pferde gebracht, und auf mehreren großen Frachtwagen führte man Uniformen getödteter Kavalleristen nach Wien. Die in Ungarn verborgen angelegten Wolfsgruben sollen das Grab dieser Kavalleristen gewe-

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        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>No 171. Köln, Sonntag den 17. Dezember. 1848.</docDate>
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        <head> <hi rendition="#b">Zweite Ausgabe.</hi> </head>
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        <head>Deutschland.</head>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 16. Dez.</head>
          <p>Die Franzosen sind Kinder. Wenn ein vielbeliebter Charlatan oder Herkules auf öffentlichem Platze seine Kunststücke aufführt, so bildet sich um ihn herum ein ungeheurer Kreis von Zuschauern, die mit Ungeduld auf den Augenblick warten, wo das Schauspiel unter freiem Himmel beginnt. Aber der Herkules ist ein schlauer Mann. Er will nicht eher anfangen, bis eine gewisse Summe, die er auf ein Minimum reduzirt, zusammen ist. In die Mitte des Kreises hat er einen runden, rothen Teller gesetzt. &#x201E;Meine Herren, ruft er aus, hier ist das Bureau, herzhaft zugeworfen!&#x201C; Es fallen einzelne Sous, und die Gamins, lose Jungen von 13 Jahren, fangen an zu zählen. &#x201E;Es fehlen noch 100 Sous.&#x201C; Aber der Mann hat die Gamins einmal für sich interessirt, und sie lassen nicht eher nach, bis die Summe zusammen ist. Ihre Ungeduld, ihre Freude, die sich mit jedem fallenden Sous auf ihrem Gesicht malt, &#x2014; Alles reizt die Zuschauer an; Alles fordert sie auf, aus allen Kräften beizusteuern. Man vergißt ordentlich das aufzuführende Schauspiel; so sehr ist man mit dem Zählen beschäftigt. Man hat sich einen Zweck vorgesetzt, den man erreichen, eine Summe fixirt, die man sammeln will, und würde der Mann nach Einziehung der bestimmten Zahlen abziehen, ohne seine Kunststücke aufzuführen, so würde ihm Niemand etwas darüber sagen. Man freut sich über das Fallen der Geldstücke, über das Zusammenkommen der Summe, über die Operation des Addirens weit mehr, als über die Operationen des Schwarzkünstlers. Die Freude, womit die Franzosen die Stimmen für Napoleon zählen, im Maße, als sie eingehn und das festgesetzte Minimum übertreffen, gleicht der Freude, welche die Kinder bei dem Zusammenzählen der fallenden Sous empfinden. Die Stimmen für Napoleon sind die Sous, welche für den Charlatan in den rothen Teller geworfen werden.</p>
          <p>Das Contobuch hat einen Kredit für Napoleon, ein Debet für Cavaignac eröffnet und mit Freude sieht man das Debet des Cavaignacs in demselben Maße fallen, als der Kredit Napoleons steigt. Unschuldige Kinderfreude. Freude über eine Abdition. Wir werden später dieselbe Abdition vornehmen und die einzelnen Sumanden in ihren Details berichtigen. Aber für den Augenblick freuen wir uns mit den Franzosen. Schon an 3 Millionen Sous sind in die rothe Schüssel für Napoleon gesammelt und die Jungen sind noch immer am Schreien: encore! cncore! Noch mehr, noch mehr: sie sind gar nicht mehr zu sättigen mit Stimmen. Die Franzosen sind in ihren kühnsten Erwartungen übertroffen; die Republik kam ihnen damals nicht so unverhofft als jetzt Napoleon mit den Millionen; damals war es die Freude über das besiegte Hinderniß; die Freude, das so furchtbar geträumte Hinderniß mit einem kräftigen Faustschlag fallen zu sehn, die Freude über die Ueberwältigung des Feindes, die Freude über sich selbst und die Kleinbürger theilen diese Freude mit dem Proletariat. Man glaubte ganz fertig zu sein mit der Bourgeoisherrschaft, und Lamartine sollte das schöne Land befestigen. Man weiß, wie die Franzosen im Juni diese Illusionen büßen mußten. Die Spaltungen waren auf einem Punkt angelangt, daß man an gar keine Beseitigung auf friedlichem Wege mehr dachte. Da kömmt nun die Wahl Napoleons, und die guten Bourgeois freuen sich über dieses unvermuthete Zusammentreffen von 3, vielleicht von 5 Millionen in einem Punkt, in einem Gedanken in einer rothen Schüssel! Sie freuen sich, wie man sich freut, wenn man eine längst gehegte Idee, einen längst geahnten Gedanken ausgesprochen wiederfindet in einem guten Autor! Nun noch gar Millionen, die zusammentreffen in einem einzigen Namen?</p>
          <p>Muß da das Zutrauen nicht wiederkehren? muß der Kredit nicht wieder aufblühen und Handel und Wandel einen neuen Aufschwung nehmen? Paris ist im Entzücken, die Börse jauchzt und die vornehmen Quartiers illuminiren. Die Damen schmücken sich wieder; alle Herzen werden weit, und wenn zwei Menschen sich auf der Straße begegnen, so fragen sie nicht mehr: wie es gehe! O, nein! es geht vortrefflich, es geht über alle Erwartung, das versteht sich von selbst. Sie fragen sich nur: wie viel in der rothen Schüssel. Lamartine weint in einem abgelegenen Winkel der Champs-Elysées über die Undankbarkeit der Menschen und die alten Minister und Cavaignac und der National tragen nächtlicher Weise ihre Möbeln aus den Ministerhotels, wie schlechte Miether welche einen Monat mit der Miethe im Rückstande geblieben sind. Freut Euch, Franzosen, freut Euch, so lange noch die Sous fallen. Ist es nicht eine Freude, die Sous von allen Seiten, aus den entgegengesetzten Winkeln in solcher Masse fallen zu sehn? Wer denkt da noch an die Herkules-Künste? Man verlangt gar keine Kunststückchen von dir Napoleon. Man will keine Kraftproben von dir, o Herkules. Nein freue dich nur der Sous, die für dich eingehn. Verfüge darüber im Voraus, wie ein anfangender Autor, der schon über die Wahl der Geschenke nachsinnt, die er seiner Laura zu machen gedenkt mit dem Gelde, das er für seine Gedichte von einem Verleger erhalten wird.</p>
          <p>Ja, Napoleon, wen nehmen wir zu unserm Vicepräsidenten? Willst du Cavaignac oder Louis Philippe? Du kannst wählen! Ach, nein &#x2014; über die Vicepräsidentschaft hat die Kammer zu verfügen. Aber die Ministerstellen, die stehn dir doch frei zu vergeben, ohne Beistimmung der Kammer. Nun, wie wär's, wenn du Odilon-Barrot, der Mann, der die Themis auf der hohen Stirne gemahlt hat, zu deinem Justizminister erwähltest? Oder willst du lieber Thiers, den kleinen Thiers, oder den Peter oder den Jerome haben? Ach, beinahe hätte ich Girardin vergessen; der geht vor Allen! Ja, was wird Girardin werden?&#x2025;&#x2026;</p>
          <p>Das sind die einzigen Gedanken aller Journale, ihre einzigen Preoccupationen mitten &#x201E;in der allgemeinen Freude.&#x201C;&#x2025;&#x2025; Und die Sous fallen noch immer, Sous von allen Seiten und allen Regimes, Bourgeoisous und Proletariersous; Tausende von Bourgeoissous, aber Hunderttausende von Proletariersous: aber der Sous, den der Proletarier in den rothen Teller wirft, es ist der Einzige, den er in der Tasche hat, der einzige, den er fortwerfen kann! Die Franzosen sind Kinder, aber hinter dem Spiele der Kinder steckt die geballte Männerfaust.&#x2025;&#x2025;</p>
          <p>Sie werfen ihren letzten Sous weg, um die Juni-Insurrektion zu erlösen, lassen Bonaparte tanzen, um selbst zu tanzen, in Paris, in der Provinz, in Frankreich&#x2025;&#x2025; und noch weiter und noch weiter.</p>
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          <head><bibl><author>24</author></bibl> Düsseldorf, 16. Dezember.</head>
          <p>Der bekannte &#x201E;Bürger und preuß. Kommunist&#x201C; Drigalski hatte einen Bocksstreich gemacht. Er hatte seine Freunde in Potsdam und Berlin kompromittirt. So schnell durfte er die <hi rendition="#g">Censur</hi> nicht wiederherstellen! Das heißt ja die Leute vor der Zeit klug machen über die Pläne der wieder hergestellten und neu auflackirten Firma &#x201E;von Gottes Gnaden.&#x201C; Es ging ihm daher die Weisung zu, sein eben erst erlassenes Censurgesetz außer Kraft treten zu lassen. Dem ist er nachgekommen. Er hat jetzt seinen faux pas begriffen und in einem Monologe, wie ein Lauschender gehört haben will, zu sich selbst gesagt: &#x201E;Lieber Bürger und Kommunist, Du hast trotz alledem und alledem verteufelt viel Häcksel in deinem Hirnkasten, sonst wärst du von selbst auf die einfache Idee gekommen, daß man einem so wackligen, abgenutzten, zahnlosen und timiden Wesen, wie der Dr. Heinemann'schen Zeitungslisel, nicht mit Censor und Rothstift zu kommen braucht. Teufel! wäre sie eines solchen Paschastreiches werth, sie hätte lieber den Tod als die Entehrung vorgezogen! Sapperment! Bürger und Kommunist wir wollen's klüger anfangen.&#x201C;</p>
          <p>In Folge dieses Zwiegesprächs erließ er sofort einen Befehl, in welchem er die Censur aufhob und erklärte, wenn die brave Heinemann'sche die Maaßregeln der Regierung (des Hrn. Drigalski, der Offiziere, Unteroffiziere, Trompeter, Tamboure und Marketenderinnen) in &#x201E;unwürdiger Weise&#x201C; (in unwürdiger Weise!!) besprechen sollte, werde er sie <hi rendition="#g">suspendiren</hi>.</p>
          <p>Damit ist der von Drigalski bestallte Censor seines kurzen Dienstes enthoben und ein viel besserer für die edle Heinemann'sche ausfindig gemacht, als jener, nämlich sie selbst.</p>
        </div>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Trier, 15. Dez.</head>
          <p>Die hiesige Zeitung enthält heute nicht weniger als 7 Steckbriefe, sämmtlich gegen Bewohner von Wittlich erlassen. Man sieht, wie thätig der Mitarbeiter der braven &#x201E;Kölnischen,&#x201C; der bekannte Hr. Bolz, gewesen ist. Geht das so fort, so werden wir bald nicht blos eine besondere Steckbriefszeitung, sondern auch ein ganzes Armeekorps von Gensdarmen zum Verfolgen und Einfangen der flüchtigen Hochverräther nöthig haben, da die gesammte übrige Heeresmacht kaum zum Schutze der nicht flüchtigen Hoch- und Volksverräther ausreichend ist.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar171-2_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>20</author></bibl> Fischenich bei Brühl, 15. Dez.</head>
          <p>Was doch selbst königl. preußische Dörfer im Jahre des Heils 1848 erleben müssen! In einem hiesigen Hause sollte ein Gerichtsvollzieher wacker geprügelt worden sein, und nun hieß es, daß man den Besitzer nebst seinem Sohne und noch einer Person arretiren wolle. Die Verhaftung sollte heute Vormittag erfolgen. Die Bürger Fischenich's erklärten aber, daß sie die Verhafteten nicht würden abführen lassen. Ein Gensdarm sprengte nun in vollem Galopp nach Brühl, um die 25er zu Hülfe zu rufen. Wirklich sah man auch schon um 1 Uhr einen Truppen Soldaten auf unsern Ort zueilen. Als sie in Fischenich einzogen, rief ihnen das Volk ein Lebehoch! entgegen. Das ärgerte die Offiziere und einige Unteroffiziere über alle Maßen. Der Trupp marschirte weiter bis zum Gastwirth Schiller, wo sich die Verhafteten befanden. Man glaubte nun, die Bürger würden mit den Soldaten in Streit kommen. Aber nein, beide Theile unterhielten sich freundlich über den Vorfall, und obgleich der Offizier wiederholt kommandirte: keine Unterhaltung! keine Unterhaltung! so ließen sich die Soldaten doch nicht stören, sondern brachten zum Schluß in Uebereinstimmung mit den Bauern ein donnerndes Lebehoch! auf Louis Napoleon aus!</p>
        </div>
        <div xml:id="ar171-2_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>064</author></bibl> Reheim, bei Arnsberg, 14. Decbr.</head>
          <p>An andern Orten wird Personen nachgespürt, am hiesigen Orte Personen<hi rendition="#g">listen</hi>. Es scheint, daß so ziemlich alle Personen, gegen die irgend ein Vorwand ausfindig zu machen war, festgenommen oder steckbrieflich verfolgt werden. Allein der Rachedurst der Schwarz-weißen ist noch lange nicht gestillt. Immer mehr! immer mehr! brüllt der reactionäre Chor. Um dieses Brüllen zu befriedigen, muß irgend ein Anschein, ein entfernter Schimmer von einer Möglichkeit, das Allgemeine Landrecht (dieses gefügige Landrecht mit noch gefügigern Richtern) anzuwenden, auf jede Gefahr hin aufgespürt werden. Aus diesem Grunde scheint es, hat man jetzt bei einem hiesigen Bürger eine Haussuchung gehalten, nicht um ihn oder irgend eine andere Person zu verhaften, sondern um die Namen von Personen, welche sich etwa für's Einsperren eignen könnten, vorher zu erschnüffeln und dann zu verfahren, wie der &#x201E;schwarz-weißen&#x201C; Vehme belieben mag. Die Haussuchung hatte, wie gesagt, die Auffindung einer Collektenliste zu Beiträgen für den demokratischen Centralausschuß in Berlin zum Zweck. Die schriftliche Angabe des Grundes lautete: Die Beschlagnahme der Listen sei verfügt worden, weil darin Bemerkungen enthalten sein sollten, die nach § 205, Tit. 20 Th. II. des Allgem. Landrechts zu bestrafende Criminalverbrechen involvirten. Wenn man dergleichen Dinge hört, so wird einem klar, daß die preußische Camarilla ihre im August verpaßten Hundstage 10fach nachholt. Die österreichische Contrerevolution macht sich durch ihre Brutalität und ihre Scharfrichterwuth bis in den Tod verhaßt, die preußische muß auch hier dem hohenzollern'schen Genius treu bleiben und macht sich durch Schritte wie der oben erzählte, bis in den Tod lächerlich. &#x2014;</p>
          <p>Ich bemerke zum Schluß, daß die ersehnte Collectenliste nicht gefunden worden. Also außer der Lächerlichkeit noch Pech obendrein!</p>
        </div>
        <div xml:id="ar171-2_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Breslau, 15. Dez-</head>
          <p>Bei der Neuwahl eines stellvertretenden Bürgerwehrobersten ist in den meisten Kompagnien die überwiegendste Majorität auf den Präsidenten des demokratischen Vereins, Dr. Engelmann, gefallen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar171-2_007" type="jArticle">
          <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 10. Dez.</head>
          <p>Sie werden die Antwort des Ministers Stadion auf die Interpellation des Idioten Schuselka, dessen Oktober-Traum von Anarchie, Ruhe, Ordnung, gesetzlichem Boden, Räubern, Pöbel u. s. w. endlich ausgeträumt scheint, um einer noch erbärmlichern Wirklichkeit Platz zu machen, vielleicht schon gelesen haben. Sie stinkt nach dem Dampfe des stärksten aristokratischen Kanasters; Stadion's Nase soll dabei vor Hochmuth über allen russischen Gefrierpunkten gestanden haben. Er besorgt, wie er wörtlich gesagt, mit dem &#x201E;starken Ministerium&#x201C; aber auch nicht blos die &#x201E;Interessen Oesterreich's, sondern die <hi rendition="#g">Ordnung und Gesittung von ganz Europa</hi>.&#x201C; Risum teneatis? &#x2014; Voilà einen neuen europäischen Polizeibüttel á la Metternich! Für die Aufhebung des Belagerungszustandes wird in dieser Antwort gar keine Aussicht gegeben. Die Renommage, als sei das Standrecht aufgehoben, ist lügenhaft. Das Standrecht besteht de facto vor wie nach, da zwei beisitzende nicht militärische Civilhenker voll unterwürfiger Hundischkeit an der Sache nichts ändern. Am Interessantesten lautet die Antwort wegen der Hinrichtung Blum's, und Fröbel's beabsichtigter Strangulation; denn der herausfordernde Hohn darin klingt himmlisch. Stadion soll die neuen Kommissarien der deutschen Central-Ohnmacht mit ihrem <hi rendition="#g">Johann ohne Land,</hi> wenn auch nicht mit einem physischen Tritt vor die Thüre spedirt, doch in einer Weise zurechtgewiesen haben, wie Windischgrätz den Welcker. Aber die deutschen Welcker verstehen, wie die Juden und Hunde, nur physische Tritte; man wird in Frankfurt daher auch von Stadion's einschmeichelndem Benehmen hören. Die Kommissarien haben darauf Reißaus genommen, denn zu ihrem Schrecken entdeckten sie in den ministeriellen Vorzimmern einige Galgenstricke und windischgrätzische Rothmäntel mit der beruhigenden Aufschrift:</p>
          <p rendition="#et">Wir sind die That von seinen Gedanken!</p>
        </div>
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          <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 12. Dez.</head>
          <p>In Folge des von Hinko, dem Freiknecht der Kamarilla, über uns verhängten Belagerungszustandes nebst fortwährend standrechtlichem Akkompagnement, und in Folge der daraufhin wieder eingetretenen strengen Handhabung von Schmerling's noch nicht aufgehobenen Gesetzen, waten wir wiederum in einem solchen staatlich-sozialen österreichischen Urkoth, daß uns der deutsche Augiasstall wie eine holländische Stube dagegen vorkommt. Daraus allein mögen Sie sich die Sensation erklären, welche hier die preußische Verfassung macht. Die Einsichtsvollen erkennen den preußischen Pfiff und den durch ihn beabsichtigten Zweck: dem Könige von Preußen eine Kaiserkrone zu verschaffen. Man meint hier, die Dynastie der Hohenzollern sei ihres Siegs in Frankfurt gewiß, habe dort ihre Kreaturen, habe durch das Verfassungswerk das deutsche Volk gewonnen, um es hinterher desto sicherer zu prellen. Die Freunde der östreichischen Kamarilla sehen nun fast ein, daß ihre Patronin durch ihren Hinko und durch ihr Henkerministerium Deutschland einen allzu plumpen Tritt gegeben.</p>
          <p>Das Abendblatt zur &#x201E;Wiener Zeitung&#x201C; von gestern enthält eine Korrespondenz aus Berlin, in welcher es am Ende heißt: &#x201E;Wie rasch der Entschluß zur Auflösung der Nationalversammlung und zur Publizirung des Verfassungswerkes im Kabinete gefaßt wurde, ist unter andern auch daraus zu ersehen, daß am Tage der Publizirung 1 Uhr Mittags, nicht einmal die nächste Umgebung des Prinzen von Preußen eine Ahnung davon hatte.&#x201C; Olmütz wäre also bestimmt erwischt; hüte sich das preußische Volk, es ebenfalls zu werden; rasche Volten sind Taschenspielerkünste. Der Prinz Karl von Preußen ist in Olmütz angekommen, wohin auch der hiesige Gesandte geeilt ist. Das hängt alles zusammen; die große Reaktions-Intrigue ist noch nicht zu Ende gespielt.</p>
          <p>Daß das offizielle Frankreich mit dem verfaulten Oestreich gemeinschaftliche Sache macht, tritt zur Schande dieser Bourgeois-Republik nur greller hervor, und die &#x201E;Presse&#x201C; ist unverschämt genug, heute folgendes zu behaupten: &#x201E;Radetzky sammelt bereits in Brescia ein Korps, mit welchem er einige Legationen des Kirchenstaats besetzen, und im <hi rendition="#g">Einverständnisse mit den Franzosen</hi> zur Herstellung der Rechte des Pabstes und im Interesse der durch die <hi rendition="#g">Neudemokratie</hi> (!) vernichteten öffentlichen Ordnung handeln wird.&#x201C; In dem cavaignac'schen Frankreich muß alle Ehre zum Teufel sein, wenn es sich so mit Oesterreich, dem Auswurf aller jemals dagewesenen Schlechtigkeit, verbrüdern kann. Die Italiener und Deutschen werden inskünftige also mit dem Beistande Frankreich's geknechtet werden! Ganze Spalten unserer Henkerpresse sind mit den Details über das rührende Interesse Frankreich's am Schicksal des Papstes angefüllt, und die Intimität Harkourt's mit dem infamen Jesuiten Spauer erregt allgemeines Behagen. Der hiesige französische Gesandte steht in einer ähnlichen Intimität mit Olmütz, mit Windischgrätz und andern berüchtigten Werkzeugen der Contrerevolution.</p>
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          <head><bibl><author>121</author></bibl> Wien, 12. Dezbr.</head>
          <p>Windischgrätz zittert, wie gestern und vorgestern die Erde um Wien vom Geschützesdonner erdröhnte, den man vom Lagerberg aus von der fernen ungarischen Grenze her hörte. Alle Welt lebt in gespanntester Erwartung über den Ausgang des Riesenkampfes der Magyaren wider ihre Henker. Man fühlt's, Tod und Leben Oesterreichs steht auf dem Spiele; ein dauernder Sieg der Magyaren vernichtet das österreichische Gesammtscheusal. Am Sonntag habe ich mich oben auf diesem nahen Lagerberg mit dem Ohr auf die Erde gelegt, um zu lauschen. Das Interesse an der Sache und das herrliche Wetter hatte eine Menge Volks herausgelockt, die ein Gleiches that. Das Wettern der Kanonen war furchtbar und schien näher zu rücken; &#x201E;Python-Windischgrätz&#x201C;, hieß es freudig, &#x201E;wird zurückgetrieben!&#x201C; Bald darauf wurden ganze Eskadronen verwundeter Pferde gebracht, und auf mehreren großen Frachtwagen führte man Uniformen getödteter Kavalleristen nach Wien. Die in Ungarn verborgen angelegten Wolfsgruben sollen das Grab dieser Kavalleristen gewe-
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[0923/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 171. Köln, Sonntag den 17. Dezember. 1848. Zweite Ausgabe. Deutschland. * Köln, 16. Dez. Die Franzosen sind Kinder. Wenn ein vielbeliebter Charlatan oder Herkules auf öffentlichem Platze seine Kunststücke aufführt, so bildet sich um ihn herum ein ungeheurer Kreis von Zuschauern, die mit Ungeduld auf den Augenblick warten, wo das Schauspiel unter freiem Himmel beginnt. Aber der Herkules ist ein schlauer Mann. Er will nicht eher anfangen, bis eine gewisse Summe, die er auf ein Minimum reduzirt, zusammen ist. In die Mitte des Kreises hat er einen runden, rothen Teller gesetzt. „Meine Herren, ruft er aus, hier ist das Bureau, herzhaft zugeworfen!“ Es fallen einzelne Sous, und die Gamins, lose Jungen von 13 Jahren, fangen an zu zählen. „Es fehlen noch 100 Sous.“ Aber der Mann hat die Gamins einmal für sich interessirt, und sie lassen nicht eher nach, bis die Summe zusammen ist. Ihre Ungeduld, ihre Freude, die sich mit jedem fallenden Sous auf ihrem Gesicht malt, — Alles reizt die Zuschauer an; Alles fordert sie auf, aus allen Kräften beizusteuern. Man vergißt ordentlich das aufzuführende Schauspiel; so sehr ist man mit dem Zählen beschäftigt. Man hat sich einen Zweck vorgesetzt, den man erreichen, eine Summe fixirt, die man sammeln will, und würde der Mann nach Einziehung der bestimmten Zahlen abziehen, ohne seine Kunststücke aufzuführen, so würde ihm Niemand etwas darüber sagen. Man freut sich über das Fallen der Geldstücke, über das Zusammenkommen der Summe, über die Operation des Addirens weit mehr, als über die Operationen des Schwarzkünstlers. Die Freude, womit die Franzosen die Stimmen für Napoleon zählen, im Maße, als sie eingehn und das festgesetzte Minimum übertreffen, gleicht der Freude, welche die Kinder bei dem Zusammenzählen der fallenden Sous empfinden. Die Stimmen für Napoleon sind die Sous, welche für den Charlatan in den rothen Teller geworfen werden. Das Contobuch hat einen Kredit für Napoleon, ein Debet für Cavaignac eröffnet und mit Freude sieht man das Debet des Cavaignacs in demselben Maße fallen, als der Kredit Napoleons steigt. Unschuldige Kinderfreude. Freude über eine Abdition. Wir werden später dieselbe Abdition vornehmen und die einzelnen Sumanden in ihren Details berichtigen. Aber für den Augenblick freuen wir uns mit den Franzosen. Schon an 3 Millionen Sous sind in die rothe Schüssel für Napoleon gesammelt und die Jungen sind noch immer am Schreien: encore! cncore! Noch mehr, noch mehr: sie sind gar nicht mehr zu sättigen mit Stimmen. Die Franzosen sind in ihren kühnsten Erwartungen übertroffen; die Republik kam ihnen damals nicht so unverhofft als jetzt Napoleon mit den Millionen; damals war es die Freude über das besiegte Hinderniß; die Freude, das so furchtbar geträumte Hinderniß mit einem kräftigen Faustschlag fallen zu sehn, die Freude über die Ueberwältigung des Feindes, die Freude über sich selbst und die Kleinbürger theilen diese Freude mit dem Proletariat. Man glaubte ganz fertig zu sein mit der Bourgeoisherrschaft, und Lamartine sollte das schöne Land befestigen. Man weiß, wie die Franzosen im Juni diese Illusionen büßen mußten. Die Spaltungen waren auf einem Punkt angelangt, daß man an gar keine Beseitigung auf friedlichem Wege mehr dachte. Da kömmt nun die Wahl Napoleons, und die guten Bourgeois freuen sich über dieses unvermuthete Zusammentreffen von 3, vielleicht von 5 Millionen in einem Punkt, in einem Gedanken in einer rothen Schüssel! Sie freuen sich, wie man sich freut, wenn man eine längst gehegte Idee, einen längst geahnten Gedanken ausgesprochen wiederfindet in einem guten Autor! Nun noch gar Millionen, die zusammentreffen in einem einzigen Namen? Muß da das Zutrauen nicht wiederkehren? muß der Kredit nicht wieder aufblühen und Handel und Wandel einen neuen Aufschwung nehmen? Paris ist im Entzücken, die Börse jauchzt und die vornehmen Quartiers illuminiren. Die Damen schmücken sich wieder; alle Herzen werden weit, und wenn zwei Menschen sich auf der Straße begegnen, so fragen sie nicht mehr: wie es gehe! O, nein! es geht vortrefflich, es geht über alle Erwartung, das versteht sich von selbst. Sie fragen sich nur: wie viel in der rothen Schüssel. Lamartine weint in einem abgelegenen Winkel der Champs-Elysées über die Undankbarkeit der Menschen und die alten Minister und Cavaignac und der National tragen nächtlicher Weise ihre Möbeln aus den Ministerhotels, wie schlechte Miether welche einen Monat mit der Miethe im Rückstande geblieben sind. Freut Euch, Franzosen, freut Euch, so lange noch die Sous fallen. Ist es nicht eine Freude, die Sous von allen Seiten, aus den entgegengesetzten Winkeln in solcher Masse fallen zu sehn? Wer denkt da noch an die Herkules-Künste? Man verlangt gar keine Kunststückchen von dir Napoleon. Man will keine Kraftproben von dir, o Herkules. Nein freue dich nur der Sous, die für dich eingehn. Verfüge darüber im Voraus, wie ein anfangender Autor, der schon über die Wahl der Geschenke nachsinnt, die er seiner Laura zu machen gedenkt mit dem Gelde, das er für seine Gedichte von einem Verleger erhalten wird. Ja, Napoleon, wen nehmen wir zu unserm Vicepräsidenten? Willst du Cavaignac oder Louis Philippe? Du kannst wählen! Ach, nein — über die Vicepräsidentschaft hat die Kammer zu verfügen. Aber die Ministerstellen, die stehn dir doch frei zu vergeben, ohne Beistimmung der Kammer. Nun, wie wär's, wenn du Odilon-Barrot, der Mann, der die Themis auf der hohen Stirne gemahlt hat, zu deinem Justizminister erwähltest? Oder willst du lieber Thiers, den kleinen Thiers, oder den Peter oder den Jerome haben? Ach, beinahe hätte ich Girardin vergessen; der geht vor Allen! Ja, was wird Girardin werden?‥… Das sind die einzigen Gedanken aller Journale, ihre einzigen Preoccupationen mitten „in der allgemeinen Freude.“‥‥ Und die Sous fallen noch immer, Sous von allen Seiten und allen Regimes, Bourgeoisous und Proletariersous; Tausende von Bourgeoissous, aber Hunderttausende von Proletariersous: aber der Sous, den der Proletarier in den rothen Teller wirft, es ist der Einzige, den er in der Tasche hat, der einzige, den er fortwerfen kann! Die Franzosen sind Kinder, aber hinter dem Spiele der Kinder steckt die geballte Männerfaust.‥‥ Sie werfen ihren letzten Sous weg, um die Juni-Insurrektion zu erlösen, lassen Bonaparte tanzen, um selbst zu tanzen, in Paris, in der Provinz, in Frankreich‥‥ und noch weiter und noch weiter. 24 Düsseldorf, 16. Dezember. Der bekannte „Bürger und preuß. Kommunist“ Drigalski hatte einen Bocksstreich gemacht. Er hatte seine Freunde in Potsdam und Berlin kompromittirt. So schnell durfte er die Censur nicht wiederherstellen! Das heißt ja die Leute vor der Zeit klug machen über die Pläne der wieder hergestellten und neu auflackirten Firma „von Gottes Gnaden.“ Es ging ihm daher die Weisung zu, sein eben erst erlassenes Censurgesetz außer Kraft treten zu lassen. Dem ist er nachgekommen. Er hat jetzt seinen faux pas begriffen und in einem Monologe, wie ein Lauschender gehört haben will, zu sich selbst gesagt: „Lieber Bürger und Kommunist, Du hast trotz alledem und alledem verteufelt viel Häcksel in deinem Hirnkasten, sonst wärst du von selbst auf die einfache Idee gekommen, daß man einem so wackligen, abgenutzten, zahnlosen und timiden Wesen, wie der Dr. Heinemann'schen Zeitungslisel, nicht mit Censor und Rothstift zu kommen braucht. Teufel! wäre sie eines solchen Paschastreiches werth, sie hätte lieber den Tod als die Entehrung vorgezogen! Sapperment! Bürger und Kommunist wir wollen's klüger anfangen.“ In Folge dieses Zwiegesprächs erließ er sofort einen Befehl, in welchem er die Censur aufhob und erklärte, wenn die brave Heinemann'sche die Maaßregeln der Regierung (des Hrn. Drigalski, der Offiziere, Unteroffiziere, Trompeter, Tamboure und Marketenderinnen) in „unwürdiger Weise“ (in unwürdiger Weise!!) besprechen sollte, werde er sie suspendiren. Damit ist der von Drigalski bestallte Censor seines kurzen Dienstes enthoben und ein viel besserer für die edle Heinemann'sche ausfindig gemacht, als jener, nämlich sie selbst. * Trier, 15. Dez. Die hiesige Zeitung enthält heute nicht weniger als 7 Steckbriefe, sämmtlich gegen Bewohner von Wittlich erlassen. Man sieht, wie thätig der Mitarbeiter der braven „Kölnischen,“ der bekannte Hr. Bolz, gewesen ist. Geht das so fort, so werden wir bald nicht blos eine besondere Steckbriefszeitung, sondern auch ein ganzes Armeekorps von Gensdarmen zum Verfolgen und Einfangen der flüchtigen Hochverräther nöthig haben, da die gesammte übrige Heeresmacht kaum zum Schutze der nicht flüchtigen Hoch- und Volksverräther ausreichend ist. 20 Fischenich bei Brühl, 15. Dez. Was doch selbst königl. preußische Dörfer im Jahre des Heils 1848 erleben müssen! In einem hiesigen Hause sollte ein Gerichtsvollzieher wacker geprügelt worden sein, und nun hieß es, daß man den Besitzer nebst seinem Sohne und noch einer Person arretiren wolle. Die Verhaftung sollte heute Vormittag erfolgen. Die Bürger Fischenich's erklärten aber, daß sie die Verhafteten nicht würden abführen lassen. Ein Gensdarm sprengte nun in vollem Galopp nach Brühl, um die 25er zu Hülfe zu rufen. Wirklich sah man auch schon um 1 Uhr einen Truppen Soldaten auf unsern Ort zueilen. Als sie in Fischenich einzogen, rief ihnen das Volk ein Lebehoch! entgegen. Das ärgerte die Offiziere und einige Unteroffiziere über alle Maßen. Der Trupp marschirte weiter bis zum Gastwirth Schiller, wo sich die Verhafteten befanden. Man glaubte nun, die Bürger würden mit den Soldaten in Streit kommen. Aber nein, beide Theile unterhielten sich freundlich über den Vorfall, und obgleich der Offizier wiederholt kommandirte: keine Unterhaltung! keine Unterhaltung! so ließen sich die Soldaten doch nicht stören, sondern brachten zum Schluß in Uebereinstimmung mit den Bauern ein donnerndes Lebehoch! auf Louis Napoleon aus! 064 Reheim, bei Arnsberg, 14. Decbr. An andern Orten wird Personen nachgespürt, am hiesigen Orte Personenlisten. Es scheint, daß so ziemlich alle Personen, gegen die irgend ein Vorwand ausfindig zu machen war, festgenommen oder steckbrieflich verfolgt werden. Allein der Rachedurst der Schwarz-weißen ist noch lange nicht gestillt. Immer mehr! immer mehr! brüllt der reactionäre Chor. Um dieses Brüllen zu befriedigen, muß irgend ein Anschein, ein entfernter Schimmer von einer Möglichkeit, das Allgemeine Landrecht (dieses gefügige Landrecht mit noch gefügigern Richtern) anzuwenden, auf jede Gefahr hin aufgespürt werden. Aus diesem Grunde scheint es, hat man jetzt bei einem hiesigen Bürger eine Haussuchung gehalten, nicht um ihn oder irgend eine andere Person zu verhaften, sondern um die Namen von Personen, welche sich etwa für's Einsperren eignen könnten, vorher zu erschnüffeln und dann zu verfahren, wie der „schwarz-weißen“ Vehme belieben mag. Die Haussuchung hatte, wie gesagt, die Auffindung einer Collektenliste zu Beiträgen für den demokratischen Centralausschuß in Berlin zum Zweck. Die schriftliche Angabe des Grundes lautete: Die Beschlagnahme der Listen sei verfügt worden, weil darin Bemerkungen enthalten sein sollten, die nach § 205, Tit. 20 Th. II. des Allgem. Landrechts zu bestrafende Criminalverbrechen involvirten. Wenn man dergleichen Dinge hört, so wird einem klar, daß die preußische Camarilla ihre im August verpaßten Hundstage 10fach nachholt. Die österreichische Contrerevolution macht sich durch ihre Brutalität und ihre Scharfrichterwuth bis in den Tod verhaßt, die preußische muß auch hier dem hohenzollern'schen Genius treu bleiben und macht sich durch Schritte wie der oben erzählte, bis in den Tod lächerlich. — Ich bemerke zum Schluß, daß die ersehnte Collectenliste nicht gefunden worden. Also außer der Lächerlichkeit noch Pech obendrein! * Breslau, 15. Dez- Bei der Neuwahl eines stellvertretenden Bürgerwehrobersten ist in den meisten Kompagnien die überwiegendste Majorität auf den Präsidenten des demokratischen Vereins, Dr. Engelmann, gefallen. 61 Wien, 10. Dez. Sie werden die Antwort des Ministers Stadion auf die Interpellation des Idioten Schuselka, dessen Oktober-Traum von Anarchie, Ruhe, Ordnung, gesetzlichem Boden, Räubern, Pöbel u. s. w. endlich ausgeträumt scheint, um einer noch erbärmlichern Wirklichkeit Platz zu machen, vielleicht schon gelesen haben. Sie stinkt nach dem Dampfe des stärksten aristokratischen Kanasters; Stadion's Nase soll dabei vor Hochmuth über allen russischen Gefrierpunkten gestanden haben. Er besorgt, wie er wörtlich gesagt, mit dem „starken Ministerium“ aber auch nicht blos die „Interessen Oesterreich's, sondern die Ordnung und Gesittung von ganz Europa.“ Risum teneatis? — Voilà einen neuen europäischen Polizeibüttel á la Metternich! Für die Aufhebung des Belagerungszustandes wird in dieser Antwort gar keine Aussicht gegeben. Die Renommage, als sei das Standrecht aufgehoben, ist lügenhaft. Das Standrecht besteht de facto vor wie nach, da zwei beisitzende nicht militärische Civilhenker voll unterwürfiger Hundischkeit an der Sache nichts ändern. Am Interessantesten lautet die Antwort wegen der Hinrichtung Blum's, und Fröbel's beabsichtigter Strangulation; denn der herausfordernde Hohn darin klingt himmlisch. Stadion soll die neuen Kommissarien der deutschen Central-Ohnmacht mit ihrem Johann ohne Land, wenn auch nicht mit einem physischen Tritt vor die Thüre spedirt, doch in einer Weise zurechtgewiesen haben, wie Windischgrätz den Welcker. Aber die deutschen Welcker verstehen, wie die Juden und Hunde, nur physische Tritte; man wird in Frankfurt daher auch von Stadion's einschmeichelndem Benehmen hören. Die Kommissarien haben darauf Reißaus genommen, denn zu ihrem Schrecken entdeckten sie in den ministeriellen Vorzimmern einige Galgenstricke und windischgrätzische Rothmäntel mit der beruhigenden Aufschrift: Wir sind die That von seinen Gedanken! 61 Wien, 12. Dez. In Folge des von Hinko, dem Freiknecht der Kamarilla, über uns verhängten Belagerungszustandes nebst fortwährend standrechtlichem Akkompagnement, und in Folge der daraufhin wieder eingetretenen strengen Handhabung von Schmerling's noch nicht aufgehobenen Gesetzen, waten wir wiederum in einem solchen staatlich-sozialen österreichischen Urkoth, daß uns der deutsche Augiasstall wie eine holländische Stube dagegen vorkommt. Daraus allein mögen Sie sich die Sensation erklären, welche hier die preußische Verfassung macht. Die Einsichtsvollen erkennen den preußischen Pfiff und den durch ihn beabsichtigten Zweck: dem Könige von Preußen eine Kaiserkrone zu verschaffen. Man meint hier, die Dynastie der Hohenzollern sei ihres Siegs in Frankfurt gewiß, habe dort ihre Kreaturen, habe durch das Verfassungswerk das deutsche Volk gewonnen, um es hinterher desto sicherer zu prellen. Die Freunde der östreichischen Kamarilla sehen nun fast ein, daß ihre Patronin durch ihren Hinko und durch ihr Henkerministerium Deutschland einen allzu plumpen Tritt gegeben. Das Abendblatt zur „Wiener Zeitung“ von gestern enthält eine Korrespondenz aus Berlin, in welcher es am Ende heißt: „Wie rasch der Entschluß zur Auflösung der Nationalversammlung und zur Publizirung des Verfassungswerkes im Kabinete gefaßt wurde, ist unter andern auch daraus zu ersehen, daß am Tage der Publizirung 1 Uhr Mittags, nicht einmal die nächste Umgebung des Prinzen von Preußen eine Ahnung davon hatte.“ Olmütz wäre also bestimmt erwischt; hüte sich das preußische Volk, es ebenfalls zu werden; rasche Volten sind Taschenspielerkünste. Der Prinz Karl von Preußen ist in Olmütz angekommen, wohin auch der hiesige Gesandte geeilt ist. Das hängt alles zusammen; die große Reaktions-Intrigue ist noch nicht zu Ende gespielt. Daß das offizielle Frankreich mit dem verfaulten Oestreich gemeinschaftliche Sache macht, tritt zur Schande dieser Bourgeois-Republik nur greller hervor, und die „Presse“ ist unverschämt genug, heute folgendes zu behaupten: „Radetzky sammelt bereits in Brescia ein Korps, mit welchem er einige Legationen des Kirchenstaats besetzen, und im Einverständnisse mit den Franzosen zur Herstellung der Rechte des Pabstes und im Interesse der durch die Neudemokratie (!) vernichteten öffentlichen Ordnung handeln wird.“ In dem cavaignac'schen Frankreich muß alle Ehre zum Teufel sein, wenn es sich so mit Oesterreich, dem Auswurf aller jemals dagewesenen Schlechtigkeit, verbrüdern kann. Die Italiener und Deutschen werden inskünftige also mit dem Beistande Frankreich's geknechtet werden! Ganze Spalten unserer Henkerpresse sind mit den Details über das rührende Interesse Frankreich's am Schicksal des Papstes angefüllt, und die Intimität Harkourt's mit dem infamen Jesuiten Spauer erregt allgemeines Behagen. Der hiesige französische Gesandte steht in einer ähnlichen Intimität mit Olmütz, mit Windischgrätz und andern berüchtigten Werkzeugen der Contrerevolution. 121 Wien, 12. Dezbr. Windischgrätz zittert, wie gestern und vorgestern die Erde um Wien vom Geschützesdonner erdröhnte, den man vom Lagerberg aus von der fernen ungarischen Grenze her hörte. Alle Welt lebt in gespanntester Erwartung über den Ausgang des Riesenkampfes der Magyaren wider ihre Henker. Man fühlt's, Tod und Leben Oesterreichs steht auf dem Spiele; ein dauernder Sieg der Magyaren vernichtet das österreichische Gesammtscheusal. Am Sonntag habe ich mich oben auf diesem nahen Lagerberg mit dem Ohr auf die Erde gelegt, um zu lauschen. Das Interesse an der Sache und das herrliche Wetter hatte eine Menge Volks herausgelockt, die ein Gleiches that. Das Wettern der Kanonen war furchtbar und schien näher zu rücken; „Python-Windischgrätz“, hieß es freudig, „wird zurückgetrieben!“ Bald darauf wurden ganze Eskadronen verwundeter Pferde gebracht, und auf mehreren großen Frachtwagen führte man Uniformen getödteter Kavalleristen nach Wien. Die in Ungarn verborgen angelegten Wolfsgruben sollen das Grab dieser Kavalleristen gewe-

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 171. Köln, 17. Dezember 1848. Zweite Ausgabe, S. 0923. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz171ii_1848/1>, abgerufen am 21.11.2024.