Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Neue Rheinische Zeitung. Nr. 174. Köln, 21. Dezember 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

Polen zerstückeln und Rußland in die Arme werfen will. (Neuer Sturm von Beifall).

Plathner von Halberstadt (der preußische Assessor) glaubt nicht, daß jetzt die Zeit sei, Gefühle auszusprechen. (Links: Pfui! und furchtbarer Tumult.) Er schlägt den Biedermannschen Ausschuß vor. (Links Zuruf: Weil Oesterreich Ausland ist!) Plathner frägt unter Andern die stürmende Linke: wollen Sie geradezu den Krieg? worauf mit einem energischen Jawohl geantwortet wird!

Wesendonk: Zu dem Biedermann'schen Ausschuß sei gar kein Vertrauen vorhanden. Derselbe bestehe fast ganz aus Mitgliedern der früheren (glorreichen!) Majorität. Er schlägt den vereinigten Oesterreichischen und Verfassungs-Ausschuß vor.

Hartmann aus Oesterreich erklärt das Minister-Programm für ein Verbrechen und sagt, wir werden uns, fein -- oder grob, nicht aus Deutschland heraus schmeißen lassen. Ich beantrage einfache Tagesordnung über das vorgelegte Programm (Beifall und Gelächter).

Reichensperger schlägt den Oesterreichischen Ausschuß vor.

v. Vinke den Biedermann'schen.

Buß aus Freyburg findet in seiner ultramontanen Weisheit, daß die Versammlung bei der Trennungsfrage angelangt ist (ei! ei!). Er will den Oesterreichischen Ausschuß.

Löw aus Calbe kommt endlich auf die vernünftige Idee, einen neuen Ausschuß zu wählen.

Wichmann (Stockpreußischer Assessor) ist wegen der heutigen Gestaltung der Parteien gegen einen neuen Ausschuß (aha!). Er schläg den Internationalen vor; links ruft einer: warum nicht lieber den Schulausschuß?

Beseler (der Professor) [Schluß, Schluß!] sieht gar keine Nothwendigkeit zu einem neuen Ausschuß (links Tumult und höhnische Unterbrechung). Nachdem der Präsident Herrn Beseler Ruhe verschafft hat, erklärt dieser mit sehr blassem Gesicht, man denke ja gar nicht daran, die Stellung zu Oesterreich, wie sie in §. 2 und 3 der Verfassung ausgesprochen, zu ändern (eine Stimme: Lüge!). Schließlich erklärt er sich für den Biedermann'schen Ausschuß.

Giskra für einen neuen Ausschuß, am allerwenigsten für den internationalen, denn noch sei für Deutschland Oesterreich nicht verloren, und so Gott wolle, soll es auch nicht für Deutschland verloren gehen!

Graf Deym (ein Oesterreichischer Aristokrat, der auf der äußersten Rechten sitzt) ganz wie Giskra. -- Hierauf wird die Debatte geschlossen. Die Begutachtung des vorgelegten Programs, durch alle vorgeschlagenen bestehenden Ausschüsse wird, und zwar immer mit einer Majorität von circa 60 Stimmen verworfen. Hieraus mögen Sie die merkwürdige Umwandlung unseres Parlaments deutlich erkennen. Nach einigem Streit geht das Program an die Abtheilungen, um durch einen neugewählten Ausschuß begutachtet zu werden. Nach allen Auspicien wird es mit dem neuen Ministerium stürzen.

Schließlich verlangt die Majorität von heute auf die morgige Tagesordnung: Fortsetzung der zweiten Lesung der Grundrechte und es geschieht also! -- Schluß der Sitzung halb vier Uhr.

Frankfurt, 18. Dezember.

Die österreichischen Abgeordneten zur deutschen Reichsversammlung sind zum größten Theil aus den verschiedenen Parlamentsklubs, denen sie bisher angehörten, ausgetreten, um sich zu einer rein österreichisch-landsmannschaftlichen Partei im Hotel Schröter um v. Schmerling zu vereinigen. Diese Fraktion soll bereits 74 Mitglieder zählen. Vom kaiserl. österreichischen Kabinette ist gestern eine Zuschrift an das Reichsministerium eingegangen. Sie enthält die Erklärung, daß das österreichische Ministerium seine ferneren Beziehungen mit der deutschen Centralgewalt durch sein Ministerium des Auswärtigen fortsetzen werde.

Gestern hat das Auseinander treten nach Nationalitäten wirklich begonnen. Den Anfang scheinen die Oesterreicher des Kasinos gemacht zu haben. Die ganze Nationalversammlung erscheint heut in 2 große Gruppen getheilt, und das Angeben der Stimmen bei der Präsidentenwahl ist eigentlich nichts als ein Votiren für Preußen oder Oesterreich. Es gibt im Augenblicke scheinbar keine eigentliche Majorität, doch wird sich die Sache sehr bald ändern, da die Opposition (126 Stimmen der linken Gruppen incl. Westendhall) mit den etwa 90 Stimmen betragenden Oesterreichern bei der Wahl Kirchgeßner's im Einverständnisse handelt.

(D. Ztg.)
Frankfurt, 18. Dez.

In einer Danksagung des kön. preuß. Obersten und Kommandeurs des 38. Infanterieregiments, von Brandenstein, an den Senat und die Bürgerschaft der Stadt Frankfurt heißt es: "Möge das blutige Band, welches an jenem Tage (18. Sept.) deutsche Bürger und deutsche Krieger so enge verbunden, unauflösbar sein und die Anarchie aus Ihrer welthistorischen Stadt auf ewige Zeiten verbannt bleiben!" Der Wunsch des Hrn. Obersten mag aus einem ganz frommen Herzen gekommen sein; aber mir graut's doch vor dieser Blutsverwandtschaft!

(Rh.- u. M.-Z.)
* Lörrach, 15. Dezember.

Die Gemeinheit der Anhänger des Ministeriums Beck hat sich gestern wieder einmal in Weik recht schlagend dokumentirt. Ein politischer Flüchtling, Hauptmann Seiler, hatte sich bisher im Innern des Landes verborgen gehalten und wollte jetzt verkleidet sich über die Gränze nach Frankreich begeben. Aber einige Bourgeois hatten ihn erkannt und denunzirten ihn. Er wurde ergriffen und von den Truppen, nachdem sie ihn in ihrer Gewalt hatten, auf's Viehischste mißhandelt. Jene Bourgeois und diese Soldateska passen herrlich zu einander!

Italien.
*

In Betreff der an den Pabst gesandten römischen Deputation behauptet "L'Alba", daß sie zwar einen Augenblick in Portella zurückgehalten, dann aber beim Pabste vorgelassen worden sei. Andere Journale bleiben bei ihrer Behauptung, daß sie unverrichteter Sache habe umkehren müssen. So namentlich der "Contemporaneo", welcher in seiner Nro. vom 8. d. sagt: "Es unterliegt keinem Zweifel mehr, daß der Pabst bourbonischer Gefangener ist. Er kann ferner nicht mehr die Wahrheit kennen lernen; sein Wille ist nicht mehr frei. Seine Kirche, sein Rom befinden sich in Gaeta" u. s. w.

In der Sitzung der Deputirtenkammer vom 9. Dez. legte der Minister Mamiani seinen Entwurf über Bildung der italienischen Constituante vor. Der Entwurf, welcher das allgemeine Stimmrecht zur Grundlage hat, wurde höchst beifällig aufgenommen. Das Ministerium hat bereits die Regierungen von Toskana, wie von Venedig und Sizilien, die es so eben anerkannt hat, zur Beschickung der Constituante aufgefordert.

In Genua hat abermals eine bedeutende Demonstration stattgefunden. Das Volk hat durch eine Kommission eine Adresse an den König aufsetzen lassen und abgeschickt, worin es: 1) Betheiligung an der italienischen Constituante in Rom; 2) ein demokratisches Kabinet; 3) Abberufung des General-Intendanten der Provinz Genua und 4) Freilassung der politischen Gefangenen. Karl Albert hat Gioberti zu sich berufen. Ob letzterer mit Bildung des Kabinets betraut wird, steht noch dahin.

* Rom, 9 Dez.

In gestriger Sitzung der Deputirtenkammer stattete Fresconi Bericht ab über die an der neapolitanischen Gränze zurückgestoßene Deputation an den Papst in Gaeta. Hierauf gegründet, stellte Pantaleoni den Antrag zur Bildung eines Wohlfahrtsausschusses von fünf Gliedern, welcher nach langer lebhafter Debatte angenommen wurde. Man wählte zu Mitgliedern dieses Ausschusses: Sturbinelli, Pusani, Rezzi, Sereni und Lunati.

Die "Debats" sagen, die Proklamation der Republik kann unmöglich mehr lange ausbleiben.

Französische Republik.
17 Paris, 18. Dezbr.

Der "Citoyen" von Dijon ruft in einem merkwürdigen Artikel: "Die Orgie ist im schönsten Gange; die Mörder Michel Ney's, die Legitimisten, tauschen rührenden Händedruck mit denen, die für sie nach dem Sturz des Kaisers nur Räuber der Loire waren, und allen schmutzige Begierden, alle läppische Firlefanzereien, alle Hofschranzereien spannen die Segel auf. Die Republik konnte nicht diese Herrschaften befriedigen; dafür muß sie büßen! Da ist der Girardin, den Bonaparte zum Polizeiminister oder Postdirektor (o weh!) machen wird, ein biederer Mann, rastlos und keck, ein guter Freund des Nordens, seit aus Petersburg so mancher Windstoß ihm schwere Rubel zugeführt hatte. Da hüpft der Genoude, der Mann des heiligen Henri V., er hat im Süden Bresche geschossen. Da ist ist der Thiers, im alten Constitutionnel, der seine baumwollene Mütze in den Graben geworfen und Sturm läuft. Und oben steht Victor Hugo, des Kaisers Lautenschläger, steht Cremieux, der abtrünnige republikanische Justizminister, steht Mole, der greise Verräther, Denjoy, der jesuitistische Advokat von Bordeaux, Falloux der Legitimist, Maleville, die edle Seele, (hat er nicht Aussicht auf ein Portefeuille, da er es ist, der dem gefangenen Louis Bonaparte in Ham die schönsten Opernmädchen per Extrapost zuschickte?), kurz alle Notabilitäten der guten alten Ordnung. Es ist ein teuflisches Schauspiel, die miserabeln Wichte, alle moralisch und meist auch finanziell längst bankerutt geworden, zu sehen, wie sie tänzeln und sich verbeugen bis zum gewichsten Fußboden oder bis in den Straßenkoth, wie sie ängstlich emporhopsen nach der Futterleiter im Stall der Monarchie. Beim allmächtigen Gotte, dies entwürdigt unsre Nation vor allen andren. Aber Muth, Freunde! die Demokratie w[i]rd nimmer deshalb untergehen. Wir schwören auf ihren Sieg mehr als je, wir wissen, daß die heilige Sache der unterdrückten Armen, der Hungrigen und Frierenden nicht fallen kann. Seht, Prinz Louis ist der letzte Buchstabe im A-B-C der Volksfeinde, ist der letzte Fehlgriff der Revolution. Wohl hat das Volk, das souveräne, ihn erkoren, aber nicht zum Heil der Reichen und Junker; das Volk, selbst das bonapartistische Landvolk, wird wie ein Eber wuthschnaubend sich gegen den Prinzen umwenden, sobald er die Administration in die Hände der Elenden der alten Zeit fallen läßt, in die Hände der Beutelschneider von St. Berain und Gouhenans-Minenkompagnie, der Ritterschaft von der bourbonischen Lilie, kurz jener Eidbrecher, die seit Waterloo den Kaiser verriethen. Man sagt, der Prinz führe den Kredit zurück, schaffe die Thoreinnehmer ab, erniedrige die Abgaben, und gebe dem Volke die eintausend Millionen wieder, die ihm zu einer gewissen Epoche entwandt wurden. Wenn er also ein Washington wird, desto besser für unser Land. Aber wenn der Proletarier merkt, daß die Bettelsäcke immer noch so sauer zu schleppen sind, wie früher, wenn er fuhlt, daß Legitime und Philipisten sich mit ihm nur ein höllisches Spiel erlaubten: -- -- dann, ja dann nehmt euch in Acht vor der Bombe -- -- und macht Platz der Justiz des enttäuschten Volks. Die Revolution beginnt von der Stunde, wo Bonaparte proklamirt wird. Bisher war es ein Vorspiel des Revolutionsdramas. Vergißt er das Kaiserthum, denkt er nur an das Konsulat, gut, so geht sie in Frieden vor sich. Wo nicht : so nicht (si non : non). General Cavaignac hielt in seiner Hand das Wohl und Wehe Frankreichs, Europas, der Welt; und er ließ sich albern genug seiner Rolle entkleiden. Er konnte der Heiland des Proletariats sein, er zog es vor, der Heiland einiger Männer vom vollen Bauche zu werden; so möge denn sein Name der Vergessenheit anheimfallen, und ein zweiter Marius setze er sich auf Karthago's Ruinen, um nachzugrübeln über die Vergänglichkeit alles Irdischen. Er stand hoch, er trug ein Riesenschwert, aber er drehte seine Spitze gegen das gute Recht, darum stürzte er elendiglich sammt dem Schwerte. Der Armselige ließ die Demokratie von 1848 guillotiniren durch einen Triangel von seiner sublimen Erfindung, durch die sogenannte Concentration, zu Gunsten der Bourgeoisie, und diese, die ihm Kränze flocht am Tage nach der Junischlacht, hat ihn heute hinterrücks erdolcht. O Cavaignac, Cavaignac! wie gränzenlos hast du dich blamirt! Die Truppen hast du nicht demokratisirt, die Bourgeoisie nicht gedämpft, das Arbeitsvolk nicht den Krallen des Kapitals entzogen. Ein Thrasybul von Athen konntest durch Amnestie sein, und mußt jetzt dein Haupt tief und immer tiefer bücken, du stolzer Sikamber (ironische Anspielung auf Chlodwig) nicht unter dem Eichen- und Lorbeerkranze, sondern unter dem schwülen Drucke des dich schlagenden Gewissens; gehe, geh' in ein Kloster.... laß dir Haar und Bart scheeren, geh'!"

Der "Constituant," ein sehr tüchtiges toulouser Blatt, bringt wieder eine Reihe sachkundiger Aufsätze über Deutschlands Demokratie: "Die 36 Szepter der 36 deutschen Zwingmeister brechen, dieser Söldner des Czaren, heißt das Szepter des Czaren selbst zerschmettern. Sie haben, wie ein Berliner Volksredner sich etwas scharf aber richtig ausdrückte, als noch kein Wrangel die dortige Zunge gelähmt hatte, die Sporenstiefel des Czaren geküßt, wie einst die Napoleon's. Bei Gott, diese Misere muß enden. Unsre französische Demokratie muß begreifen, daß, nachdem sie achtzehn Jahre vergeblich Polen beseufzte, ihm nur dadurch zu helfen ist, daß sie sich innig an die deutsche Demokratie anschließt. Zwischen Vogesen und Karpathen fließen fünf breite, tiefe Ströme und liegt der Kontinent, den Deutsche bewohnen. Deutschland ist das große Gehirn Europa's und Frankreich sein Herz und seine Lunge; befreit das Gehirn, und Blut und Athem werden regelmäßiger gehen. Seit sechs Jahren ruft Deutschlands Demokratie: kein Heil ohne die Gallier, und sprachen diese Wahrheit in den zu Paris von Dr. Marx und Dr. Ruge erschienenen deutsch-französischen Jahrbüchern aus. Was könnte wohl heute die französische Demokratie abhalten, der deutschen Schwester die Hand reichend, gegen die Erzfeinde im Osten zu ziehen und zu rufen: kein Heil ohne die Germanen!

Frankreich hat jetzt die Republik; sie ist schlecht, erbärmlich schlecht, diese Bourgeoisrepublik, aber das allgemeine Stimmrecht ist da, und auf diesen Felsen wird es dereinst seine Kirche bauen; um diesen Felsen steht die französische Demokratie geschaart und donnert den Thronprätendenten und deren Kammerknechten zu: "malheur a qui la touche." (Wehe dem der Hand daran legt). Burlesk ist die ernsthafte Miene des Spießbürgerthums, welches schon Samstag in einem vertraulichen Konventikelchen von Börsenmännern die Frage aufwarf: ob Bonaparte nicht lieber sofort zum erblichen Kaiser zu machen? Daß er um eine russische Prinzessin anhält, "scheint gewiß;" die Rheingränze a la Thiers, Knebelung der Presse und Klubs, das versteht sich alles von selbst." Der pauvre diable wird in drei Monaten viel abgenutzter sein als Cavaignac."

12 Paris, den 18. Decb.

Wir haben uns nicht getäuscht: Die Wahl Napoleons, bekennt Dufaure laut, ist ein zweiter 24. Februar für die Bourgeoisie. Was war der 24. Februar? Die Niederlage der Bourgeoisie durch das Pariser Proletariat, das keineswegs auf diesen Sieg vorbereitet war. Zu dem kannte es seine Führer noch nicht, und theilte außerdem noch die Illusionen der kleinen Bourgeosie über eine zu ermittelnde Vereinbarung. Der Sieg entschlüpfte ihm unbewußt aus den Händen: darum kamen die Männer des geschlagenen Regimes sobald wieder aus ihren Verstecken zum Vorschein. Was ist der zweite 24. Februar? Die Niederlage der Bourgeoisie durch das Proletariat der Provinz und die Bauern. So lange die Presse nur Ziffern gruppirte, laß man nichts aus dieser Zahlen-Musik als Napoleon. Jetzt kommt der Text. Und wie lautet der Text? In fast allen Departements. wo die Arbeiter und Bauern für Napoleon stimmten, geschah diese Abstimmmung massenweise unter dem Rufe: Keine Steuern mehr auf das Volk! Nieder mit den Reichen! Diese Nachricht, die jetzt erst fast gleichzeitig aus allen Provinzen eintrifft, da man vorab sich nur die Ziffern mit dem Telegraphen schicken ließ, wirft den Schrecken in Paris und macht erblassen selbst die heißesten Anhänger Napoleon's.

Die Bourgeosie hat einen zweiten Schlag erhalten, von dem Proletariat in Masse, und an diesem Schlage scheitert alle Staatsklugheit. Was zu thun? Das Budget ist überladen, und die Finanznoth, die früher gerade der Vorwand zur Vermeidung des Krieges war, zwingt jetzt die Franzosen, den Krieg als das einzige Rettungsmittel zu betrachten.

Zwei Bänke sind jetzt öde und leer, daß es wirklich Mitleidserregend ist, wenn man an den früheren Zudrang denkt: Cavaignac sitzt einsam und verlassen da, und Lamartine, der den Kelch menschlicher Bitterkeit geleert, soll, wie es allgemein heißt, sich aus dem politischen Leben zurückziehen. Man versichert sogar, daß er diese Tage seine Entlassung als Deputirter geben werde. Will er vielleicht eine Geschichte der Jakobiner schreiben?

Napoleon ist weiter nichts als der Neffe des Kaisers. Er ist weder General noch Advokat, weder Militär noch Civil; ja, er ist nicht einmal Nationalgardist; als neugewordener Franzose mag er wie jeder andere Krämer als Gemeiner die gewöhnlichen Dienste zu thun seit einigen Manaten genöthigt sein; aber er hat keinen Grad als Oberst; und die Oberst-Uniform war die beliebte Uniform, in welcher Louis Philipp sich in die Deputirten-Kammer begab, um die Thronrede abzuhalten. Napoleon also hat keinen goldbestickten Rock, noch einen Rock mit Epauletten. In welcher Gestalt also wird er sich in die Kammer begeben, um als Präsident den Eid auf die Constitution zu leisten.

Vom Napoleonischen Hute kunn natürlich keine Rede mehr sein, seitdem er den Präsidentenhut gewonnen hat. Es bliebe demnach weiter nichts übrig, als der schwarze Frack und der Filzhut. Nun gut, da man schon dafür gesorgt hat, daß für den künftigen Präsidenten wenn er seine Antrittsrede hält, ja nichts da sei, das auch nur im entferntesten an den Thron erinnern könnte, so mag dieses ein sehr passendes Kostüm sein. Während also die republikanische Bourgeoisie das Bestehen der Republik immer nur noch an die Abwesenheit des Thrones knüpft, reihen die republikanischen Proletarier, welche den verbrannten Thronsessel längst vergessen, ihr Fortbestehen, an die Vernichtung von ganz andern Dingen an.

Bei jeder Gelegenheit zeigen sie ihre Ueberlegenheit über die eingerostete Bourgeoisie. Ein Beispiel nur: durch die Aufhebung des Wahlcensus sind bekannter Weise die französischen Arbeiter zu den Functionen des Jury zugelassen. Vorige Woche also saßen die Blousenmänner als Geschworne. Wie nun die Sitzung beginnen sollte, standen die Arbeiter auf und erklärten, daß sie keine 15 Tage sitzen könnten, ohne Verdienst. Ihr Vorrath reiche höchstens auf einige Tage. Der Präsident bemerkte mit seiner amtswürdigen Miene, daß, da sie neue Rechte erlangt, sie auch neue Pflichten zu erfüllen hätten. Das Wort "neu," das Zugeständniß von diesen so lange vorenthaltenen Rechten, wodurch der Präsident ihrer Eitelkeit zu schmeicheln hoffte empörte die stolzen Franzosen; und nun noch gar bei der Unterscheidung von Recht und Pflicht, konnten sie sich eines ironischen Lächeln's nicht enthalten. "Ihr habt uns in die Unmöglichkeit versetzt diese Rechte auszuüben, weil ihr sie uns so lange entzogen, und Pflichten haben wir keine, so lange wir nicht das Recht auf Arbeit haben; selbst das Zugeständniß dieses Rechtes könnte uns nicht mehr den Verlust ersetzen, den wir durch die lange Entbehrung desselben gelitten. Doch gleich viel, weil wir das Recht einmal haben, als Geschworne zu sitzen, so wollen wir es behaupten und wir verlangen daher, daß unsere Namen in die Rolle für die nächste Session eingetragen werden." Die nächste Session dachten sie, kann Vieles geändert und ihnen die Möglichkeit verschaft haben, 14 Tage ohne Arbeit zu existiren, ohne zu darben. Der Präsident mußte ihrem Gesuche nachkommen. --

Das alte französische Blut hat gesprochen: es hat sich gegen die Stagnation ausgesprochen, durch eine Hindeutung auf die Vergangenheit und eine Protestation gegen die Gegenwart: Bruch mit dem Frieden; Thätigkeit um jeden Preis, Thätigkeit nach Außen, der Bourgeoisie zum Trotze, welche befreundet ist mit der Bourgeoisie aller fremden Nationen.

12 Paris, 18. Dezember.

Als die Kandidatur Napoleons auftauchte, sagten wir, daß jede der verschiedenen Parteien ihm eine besondere Seite abgewinnen würde, daß Napoleon alles bedeute, nur nicht Napoleon, daß mit einem Worte diese Kandidatur, die einseitigste Vielseitigkeit, die meisten Chancen vereinigte. Was wir vom Kandidaten sagten, gilt noch mehr vom Präsidenten: der einfältigste Mann hat die vielfältigste Bedeutung erhalten; und diese Bedeutung geht erst recht hervor auf der einen Seite aus den Parteien, die jetzt Louis Napoleon definiren, indem sie ihre Wünsche und Anforderungen laut werden lassen, auf der andern Seite aus Louis Napoleon, der die Parteien definirt, indem er sich mit Ministern umgiebt, welche ihre Sache vertreten sollen. Was die Wünsche und Anforderung der Parteien betrifft, so ist dies vorläufig Nebensache; gehen wir vorerst auf Napoleon ein, und seine "zukünftigen Minister," welche der Ausdruck der Parteien sein sollen. Wer wird zuerst genannt? der pathetische Odilon-Barrat, der "doch endlich einmal Ministerpräsident werden wird," wie spöttelnd "die Debats" meinen:

Odilon-Barrot, der einmal schon in den Februartagen eine ganze Stunde lang Minister war, und auf hohem Rosse über die Boulevards dahin ritt, um diese frohe Botschaft dem Volke zu verkünden, damit es ablasse von fernerem Kampfe. Aber das Volk lachte über den Barrot, wie er sich in vollem Ernste eine solche Wichtigkeit beilegen konnte; es lachte über den Mann des passiven Widerstandes, der dem Volke weiter nichts als kleine Wahlreformen zu geben hatte. Der ausgelachte, verschollene Odilon-Barrot, der in seinen größten Glanztagen, in seinem heftigsten Pathos, immer eine widerwärtige Erscheinung war, ist die einzige Notabilität im neuen Ministerium. Die andern, das ist so politischer Nachwuchs, ministerielles Unterfutter, wie unter Guizot die Trezel's und Jayr, die Niemand vor ihrem Eintritt ins Ministerium kannte. Hat einer nur einigermaßen etwas von alten ministeriellem Stoffe in sich, wie z. B. Remusat, so thut er vornehm-spröde, ohne deshalb die Herablassenheit so weit zu treiben, daß er mit Stiefeln und Sporen ins neue Ministerium eintreten wolle.

Napoleon ist ein armer Mann, der plötzlich reich geworden ist, und nun gerne Noblesse an seiner Tafel haben möchte. Aber die Noblesse selbst hütet sich, sie schickt Leute ihres Gelichters hin, um so durch Stellvertreter ihm die ersehnte Ehre anzuthun: Alles zum Heil und Wohl des Vaterlandes.

Passy soll nach langem Weigern sich endlich entschlossen haben, das Finanzministerium anzunehmen. Madame Fould wäre beinahe Frau Ministerin geworden. Fallour hat das Ministerium des Unterrichts nur auf die dringenden Vorstellungen Montalemberts angenommen. Mit einem Worte, es ist dies, wie die Debats bemerken, ein Ministerium der Dei minores.

Paris, 18. Dez.

Die Kommission der Nationalversammlung, die sich mit Prüfung der Wahlprotokolle beschäftigt, hat die Prüfung von etwa 60 Departements erledigt. Hoffentlich wird sie morgen ihren Bericht abstatten und der Präsident übermorgen proklamirt werden.

Die Kommission hat einige Tausende von Stimmzetteln, welche nur die Namen "Louis Napoleon" oder "Louis Bonaparte" trugen, und deshalb annullirt wurden, dennoch als gültig erkannt.

Cavaignac hat außer dem Departement der Rhonemündungen fast nirgends die Majorität erhalten.

Polen zerstückeln und Rußland in die Arme werfen will. (Neuer Sturm von Beifall).

Plathner von Halberstadt (der preußische Assessor) glaubt nicht, daß jetzt die Zeit sei, Gefühle auszusprechen. (Links: Pfui! und furchtbarer Tumult.) Er schlägt den Biedermannschen Ausschuß vor. (Links Zuruf: Weil Oesterreich Ausland ist!) Plathner frägt unter Andern die stürmende Linke: wollen Sie geradezu den Krieg? worauf mit einem energischen Jawohl geantwortet wird!

Wesendonk: Zu dem Biedermann'schen Ausschuß sei gar kein Vertrauen vorhanden. Derselbe bestehe fast ganz aus Mitgliedern der früheren (glorreichen!) Majorität. Er schlägt den vereinigten Oesterreichischen und Verfassungs-Ausschuß vor.

Hartmann aus Oesterreich erklärt das Minister-Programm für ein Verbrechen und sagt, wir werden uns, fein — oder grob, nicht aus Deutschland heraus schmeißen lassen. Ich beantrage einfache Tagesordnung über das vorgelegte Programm (Beifall und Gelächter).

Reichensperger schlägt den Oesterreichischen Ausschuß vor.

v. Vinke den Biedermann'schen.

Buß aus Freyburg findet in seiner ultramontanen Weisheit, daß die Versammlung bei der Trennungsfrage angelangt ist (ei! ei!). Er will den Oesterreichischen Ausschuß.

Löw aus Calbe kommt endlich auf die vernünftige Idee, einen neuen Ausschuß zu wählen.

Wichmann (Stockpreußischer Assessor) ist wegen der heutigen Gestaltung der Parteien gegen einen neuen Ausschuß (aha!). Er schläg den Internationalen vor; links ruft einer: warum nicht lieber den Schulausschuß?

Beseler (der Professor) [Schluß, Schluß!] sieht gar keine Nothwendigkeit zu einem neuen Ausschuß (links Tumult und höhnische Unterbrechung). Nachdem der Präsident Herrn Beseler Ruhe verschafft hat, erklärt dieser mit sehr blassem Gesicht, man denke ja gar nicht daran, die Stellung zu Oesterreich, wie sie in §. 2 und 3 der Verfassung ausgesprochen, zu ändern (eine Stimme: Lüge!). Schließlich erklärt er sich für den Biedermann'schen Ausschuß.

Giskra für einen neuen Ausschuß, am allerwenigsten für den internationalen, denn noch sei für Deutschland Oesterreich nicht verloren, und so Gott wolle, soll es auch nicht für Deutschland verloren gehen!

Graf Deym (ein Oesterreichischer Aristokrat, der auf der äußersten Rechten sitzt) ganz wie Giskra. — Hierauf wird die Debatte geschlossen. Die Begutachtung des vorgelegten Programs, durch alle vorgeschlagenen bestehenden Ausschüsse wird, und zwar immer mit einer Majorität von circa 60 Stimmen verworfen. Hieraus mögen Sie die merkwürdige Umwandlung unseres Parlaments deutlich erkennen. Nach einigem Streit geht das Program an die Abtheilungen, um durch einen neugewählten Ausschuß begutachtet zu werden. Nach allen Auspicien wird es mit dem neuen Ministerium stürzen.

Schließlich verlangt die Majorität von heute auf die morgige Tagesordnung: Fortsetzung der zweiten Lesung der Grundrechte und es geschieht also! — Schluß der Sitzung halb vier Uhr.

Frankfurt, 18. Dezember.

Die österreichischen Abgeordneten zur deutschen Reichsversammlung sind zum größten Theil aus den verschiedenen Parlamentsklubs, denen sie bisher angehörten, ausgetreten, um sich zu einer rein österreichisch-landsmannschaftlichen Partei im Hotel Schröter um v. Schmerling zu vereinigen. Diese Fraktion soll bereits 74 Mitglieder zählen. Vom kaiserl. österreichischen Kabinette ist gestern eine Zuschrift an das Reichsministerium eingegangen. Sie enthält die Erklärung, daß das österreichische Ministerium seine ferneren Beziehungen mit der deutschen Centralgewalt durch sein Ministerium des Auswärtigen fortsetzen werde.

Gestern hat das Auseinander treten nach Nationalitäten wirklich begonnen. Den Anfang scheinen die Oesterreicher des Kasinos gemacht zu haben. Die ganze Nationalversammlung erscheint heut in 2 große Gruppen getheilt, und das Angeben der Stimmen bei der Präsidentenwahl ist eigentlich nichts als ein Votiren für Preußen oder Oesterreich. Es gibt im Augenblicke scheinbar keine eigentliche Majorität, doch wird sich die Sache sehr bald ändern, da die Opposition (126 Stimmen der linken Gruppen incl. Westendhall) mit den etwa 90 Stimmen betragenden Oesterreichern bei der Wahl Kirchgeßner's im Einverständnisse handelt.

(D. Ztg.)
Frankfurt, 18. Dez.

In einer Danksagung des kön. preuß. Obersten und Kommandeurs des 38. Infanterieregiments, von Brandenstein, an den Senat und die Bürgerschaft der Stadt Frankfurt heißt es: „Möge das blutige Band, welches an jenem Tage (18. Sept.) deutsche Bürger und deutsche Krieger so enge verbunden, unauflösbar sein und die Anarchie aus Ihrer welthistorischen Stadt auf ewige Zeiten verbannt bleiben!“ Der Wunsch des Hrn. Obersten mag aus einem ganz frommen Herzen gekommen sein; aber mir graut's doch vor dieser Blutsverwandtschaft!

(Rh.- u. M.-Z.)
* Lörrach, 15. Dezember.

Die Gemeinheit der Anhänger des Ministeriums Beck hat sich gestern wieder einmal in Weik recht schlagend dokumentirt. Ein politischer Flüchtling, Hauptmann Seiler, hatte sich bisher im Innern des Landes verborgen gehalten und wollte jetzt verkleidet sich über die Gränze nach Frankreich begeben. Aber einige Bourgeois hatten ihn erkannt und denunzirten ihn. Er wurde ergriffen und von den Truppen, nachdem sie ihn in ihrer Gewalt hatten, auf's Viehischste mißhandelt. Jene Bourgeois und diese Soldateska passen herrlich zu einander!

Italien.
*

In Betreff der an den Pabst gesandten römischen Deputation behauptet „L'Alba“, daß sie zwar einen Augenblick in Portella zurückgehalten, dann aber beim Pabste vorgelassen worden sei. Andere Journale bleiben bei ihrer Behauptung, daß sie unverrichteter Sache habe umkehren müssen. So namentlich der „Contemporaneo“, welcher in seiner Nro. vom 8. d. sagt: „Es unterliegt keinem Zweifel mehr, daß der Pabst bourbonischer Gefangener ist. Er kann ferner nicht mehr die Wahrheit kennen lernen; sein Wille ist nicht mehr frei. Seine Kirche, sein Rom befinden sich in Gaeta“ u. s. w.

In der Sitzung der Deputirtenkammer vom 9. Dez. legte der Minister Mamiani seinen Entwurf über Bildung der italienischen Constituante vor. Der Entwurf, welcher das allgemeine Stimmrecht zur Grundlage hat, wurde höchst beifällig aufgenommen. Das Ministerium hat bereits die Regierungen von Toskana, wie von Venedig und Sizilien, die es so eben anerkannt hat, zur Beschickung der Constituante aufgefordert.

In Genua hat abermals eine bedeutende Demonstration stattgefunden. Das Volk hat durch eine Kommission eine Adresse an den König aufsetzen lassen und abgeschickt, worin es: 1) Betheiligung an der italienischen Constituante in Rom; 2) ein demokratisches Kabinet; 3) Abberufung des General-Intendanten der Provinz Genua und 4) Freilassung der politischen Gefangenen. Karl Albert hat Gioberti zu sich berufen. Ob letzterer mit Bildung des Kabinets betraut wird, steht noch dahin.

* Rom, 9 Dez.

In gestriger Sitzung der Deputirtenkammer stattete Fresconi Bericht ab über die an der neapolitanischen Gränze zurückgestoßene Deputation an den Papst in Gaeta. Hierauf gegründet, stellte Pantaleoni den Antrag zur Bildung eines Wohlfahrtsausschusses von fünf Gliedern, welcher nach langer lebhafter Debatte angenommen wurde. Man wählte zu Mitgliedern dieses Ausschusses: Sturbinelli, Pusani, Rezzi, Sereni und Lunati.

Die „Debats“ sagen, die Proklamation der Republik kann unmöglich mehr lange ausbleiben.

Französische Republik.
17 Paris, 18. Dezbr.

Der „Citoyen“ von Dijon ruft in einem merkwürdigen Artikel: „Die Orgie ist im schönsten Gange; die Mörder Michel Ney's, die Legitimisten, tauschen rührenden Händedruck mit denen, die für sie nach dem Sturz des Kaisers nur Räuber der Loire waren, und allen schmutzige Begierden, alle läppische Firlefanzereien, alle Hofschranzereien spannen die Segel auf. Die Republik konnte nicht diese Herrschaften befriedigen; dafür muß sie büßen! Da ist der Girardin, den Bonaparte zum Polizeiminister oder Postdirektor (o weh!) machen wird, ein biederer Mann, rastlos und keck, ein guter Freund des Nordens, seit aus Petersburg so mancher Windstoß ihm schwere Rubel zugeführt hatte. Da hüpft der Genoude, der Mann des heiligen Henri V., er hat im Süden Bresche geschossen. Da ist ist der Thiers, im alten Constitutionnel, der seine baumwollene Mütze in den Graben geworfen und Sturm läuft. Und oben steht Victor Hugo, des Kaisers Lautenschläger, steht Cremieux, der abtrünnige republikanische Justizminister, steht Molé, der greise Verräther, Denjoy, der jesuitistische Advokat von Bordeaux, Falloux der Legitimist, Maleville, die edle Seele, (hat er nicht Aussicht auf ein Portefeuille, da er es ist, der dem gefangenen Louis Bonaparte in Ham die schönsten Opernmädchen per Extrapost zuschickte?), kurz alle Notabilitäten der guten alten Ordnung. Es ist ein teuflisches Schauspiel, die miserabeln Wichte, alle moralisch und meist auch finanziell längst bankerutt geworden, zu sehen, wie sie tänzeln und sich verbeugen bis zum gewichsten Fußboden oder bis in den Straßenkoth, wie sie ängstlich emporhopsen nach der Futterleiter im Stall der Monarchie. Beim allmächtigen Gotte, dies entwürdigt unsre Nation vor allen andren. Aber Muth, Freunde! die Demokratie w[i]rd nimmer deshalb untergehen. Wir schwören auf ihren Sieg mehr als je, wir wissen, daß die heilige Sache der unterdrückten Armen, der Hungrigen und Frierenden nicht fallen kann. Seht, Prinz Louis ist der letzte Buchstabe im A-B-C der Volksfeinde, ist der letzte Fehlgriff der Revolution. Wohl hat das Volk, das souveräne, ihn erkoren, aber nicht zum Heil der Reichen und Junker; das Volk, selbst das bonapartistische Landvolk, wird wie ein Eber wuthschnaubend sich gegen den Prinzen umwenden, sobald er die Administration in die Hände der Elenden der alten Zeit fallen läßt, in die Hände der Beutelschneider von St. Berain und Gouhenans-Minenkompagnie, der Ritterschaft von der bourbonischen Lilie, kurz jener Eidbrecher, die seit Waterloo den Kaiser verriethen. Man sagt, der Prinz führe den Kredit zurück, schaffe die Thoreinnehmer ab, erniedrige die Abgaben, und gebe dem Volke die eintausend Millionen wieder, die ihm zu einer gewissen Epoche entwandt wurden. Wenn er also ein Washington wird, desto besser für unser Land. Aber wenn der Proletarier merkt, daß die Bettelsäcke immer noch so sauer zu schleppen sind, wie früher, wenn er fuhlt, daß Legitime und Philipisten sich mit ihm nur ein höllisches Spiel erlaubten: — — dann, ja dann nehmt euch in Acht vor der Bombe — — und macht Platz der Justiz des enttäuschten Volks. Die Revolution beginnt von der Stunde, wo Bonaparte proklamirt wird. Bisher war es ein Vorspiel des Revolutionsdramas. Vergißt er das Kaiserthum, denkt er nur an das Konsulat, gut, so geht sie in Frieden vor sich. Wo nicht : so nicht (si non : non). General Cavaignac hielt in seiner Hand das Wohl und Wehe Frankreichs, Europas, der Welt; und er ließ sich albern genug seiner Rolle entkleiden. Er konnte der Heiland des Proletariats sein, er zog es vor, der Heiland einiger Männer vom vollen Bauche zu werden; so möge denn sein Name der Vergessenheit anheimfallen, und ein zweiter Marius setze er sich auf Karthago's Ruinen, um nachzugrübeln über die Vergänglichkeit alles Irdischen. Er stand hoch, er trug ein Riesenschwert, aber er drehte seine Spitze gegen das gute Recht, darum stürzte er elendiglich sammt dem Schwerte. Der Armselige ließ die Demokratie von 1848 guillotiniren durch einen Triangel von seiner sublimen Erfindung, durch die sogenannte Concentration, zu Gunsten der Bourgeoisie, und diese, die ihm Kränze flocht am Tage nach der Junischlacht, hat ihn heute hinterrücks erdolcht. O Cavaignac, Cavaignac! wie gränzenlos hast du dich blamirt! Die Truppen hast du nicht demokratisirt, die Bourgeoisie nicht gedämpft, das Arbeitsvolk nicht den Krallen des Kapitals entzogen. Ein Thrasybul von Athen konntest durch Amnestie sein, und mußt jetzt dein Haupt tief und immer tiefer bücken, du stolzer Sikamber (ironische Anspielung auf Chlodwig) nicht unter dem Eichen- und Lorbeerkranze, sondern unter dem schwülen Drucke des dich schlagenden Gewissens; gehe, geh' in ein Kloster‥‥ laß dir Haar und Bart scheeren, geh'!“

Der „Constituant,“ ein sehr tüchtiges toulouser Blatt, bringt wieder eine Reihe sachkundiger Aufsätze über Deutschlands Demokratie: „Die 36 Szepter der 36 deutschen Zwingmeister brechen, dieser Söldner des Czaren, heißt das Szepter des Czaren selbst zerschmettern. Sie haben, wie ein Berliner Volksredner sich etwas scharf aber richtig ausdrückte, als noch kein Wrangel die dortige Zunge gelähmt hatte, die Sporenstiefel des Czaren geküßt, wie einst die Napoleon's. Bei Gott, diese Misere muß enden. Unsre französische Demokratie muß begreifen, daß, nachdem sie achtzehn Jahre vergeblich Polen beseufzte, ihm nur dadurch zu helfen ist, daß sie sich innig an die deutsche Demokratie anschließt. Zwischen Vogesen und Karpathen fließen fünf breite, tiefe Ströme und liegt der Kontinent, den Deutsche bewohnen. Deutschland ist das große Gehirn Europa's und Frankreich sein Herz und seine Lunge; befreit das Gehirn, und Blut und Athem werden regelmäßiger gehen. Seit sechs Jahren ruft Deutschlands Demokratie: kein Heil ohne die Gallier, und sprachen diese Wahrheit in den zu Paris von Dr. Marx und Dr. Ruge erschienenen deutsch-französischen Jahrbüchern aus. Was könnte wohl heute die französische Demokratie abhalten, der deutschen Schwester die Hand reichend, gegen die Erzfeinde im Osten zu ziehen und zu rufen: kein Heil ohne die Germanen!

Frankreich hat jetzt die Republik; sie ist schlecht, erbärmlich schlecht, diese Bourgeoisrepublik, aber das allgemeine Stimmrecht ist da, und auf diesen Felsen wird es dereinst seine Kirche bauen; um diesen Felsen steht die französische Demokratie geschaart und donnert den Thronprätendenten und deren Kammerknechten zu: „malheur à qui la touche.“ (Wehe dem der Hand daran legt). Burlesk ist die ernsthafte Miene des Spießbürgerthums, welches schon Samstag in einem vertraulichen Konventikelchen von Börsenmännern die Frage aufwarf: ob Bonaparte nicht lieber sofort zum erblichen Kaiser zu machen? Daß er um eine russische Prinzessin anhält, „scheint gewiß;“ die Rheingränze à la Thiers, Knebelung der Presse und Klubs, das versteht sich alles von selbst.“ Der pauvre diable wird in drei Monaten viel abgenutzter sein als Cavaignac.“

12 Paris, den 18. Decb.

Wir haben uns nicht getäuscht: Die Wahl Napoleons, bekennt Dufaure laut, ist ein zweiter 24. Februar für die Bourgeoisie. Was war der 24. Februar? Die Niederlage der Bourgeoisie durch das Pariser Proletariat, das keineswegs auf diesen Sieg vorbereitet war. Zu dem kannte es seine Führer noch nicht, und theilte außerdem noch die Illusionen der kleinen Bourgeosie über eine zu ermittelnde Vereinbarung. Der Sieg entschlüpfte ihm unbewußt aus den Händen: darum kamen die Männer des geschlagenen Regimes sobald wieder aus ihren Verstecken zum Vorschein. Was ist der zweite 24. Februar? Die Niederlage der Bourgeoisie durch das Proletariat der Provinz und die Bauern. So lange die Presse nur Ziffern gruppirte, laß man nichts aus dieser Zahlen-Musik als Napoleon. Jetzt kommt der Text. Und wie lautet der Text? In fast allen Departements. wo die Arbeiter und Bauern für Napoleon stimmten, geschah diese Abstimmmung massenweise unter dem Rufe: Keine Steuern mehr auf das Volk! Nieder mit den Reichen! Diese Nachricht, die jetzt erst fast gleichzeitig aus allen Provinzen eintrifft, da man vorab sich nur die Ziffern mit dem Telegraphen schicken ließ, wirft den Schrecken in Paris und macht erblassen selbst die heißesten Anhänger Napoleon's.

Die Bourgeosie hat einen zweiten Schlag erhalten, von dem Proletariat in Masse, und an diesem Schlage scheitert alle Staatsklugheit. Was zu thun? Das Budget ist überladen, und die Finanznoth, die früher gerade der Vorwand zur Vermeidung des Krieges war, zwingt jetzt die Franzosen, den Krieg als das einzige Rettungsmittel zu betrachten.

Zwei Bänke sind jetzt öde und leer, daß es wirklich Mitleidserregend ist, wenn man an den früheren Zudrang denkt: Cavaignac sitzt einsam und verlassen da, und Lamartine, der den Kelch menschlicher Bitterkeit geleert, soll, wie es allgemein heißt, sich aus dem politischen Leben zurückziehen. Man versichert sogar, daß er diese Tage seine Entlassung als Deputirter geben werde. Will er vielleicht eine Geschichte der Jakobiner schreiben?

Napoleon ist weiter nichts als der Neffe des Kaisers. Er ist weder General noch Advokat, weder Militär noch Civil; ja, er ist nicht einmal Nationalgardist; als neugewordener Franzose mag er wie jeder andere Krämer als Gemeiner die gewöhnlichen Dienste zu thun seit einigen Manaten genöthigt sein; aber er hat keinen Grad als Oberst; und die Oberst-Uniform war die beliebte Uniform, in welcher Louis Philipp sich in die Deputirten-Kammer begab, um die Thronrede abzuhalten. Napoleon also hat keinen goldbestickten Rock, noch einen Rock mit Epauletten. In welcher Gestalt also wird er sich in die Kammer begeben, um als Präsident den Eid auf die Constitution zu leisten.

Vom Napoleonischen Hute kunn natürlich keine Rede mehr sein, seitdem er den Präsidentenhut gewonnen hat. Es bliebe demnach weiter nichts übrig, als der schwarze Frack und der Filzhut. Nun gut, da man schon dafür gesorgt hat, daß für den künftigen Präsidenten wenn er seine Antrittsrede hält, ja nichts da sei, das auch nur im entferntesten an den Thron erinnern könnte, so mag dieses ein sehr passendes Kostüm sein. Während also die republikanische Bourgeoisie das Bestehen der Republik immer nur noch an die Abwesenheit des Thrones knüpft, reihen die republikanischen Proletarier, welche den verbrannten Thronsessel längst vergessen, ihr Fortbestehen, an die Vernichtung von ganz andern Dingen an.

Bei jeder Gelegenheit zeigen sie ihre Ueberlegenheit über die eingerostete Bourgeoisie. Ein Beispiel nur: durch die Aufhebung des Wahlcensus sind bekannter Weise die französischen Arbeiter zu den Functionen des Jury zugelassen. Vorige Woche also saßen die Blousenmänner als Geschworne. Wie nun die Sitzung beginnen sollte, standen die Arbeiter auf und erklärten, daß sie keine 15 Tage sitzen könnten, ohne Verdienst. Ihr Vorrath reiche höchstens auf einige Tage. Der Präsident bemerkte mit seiner amtswürdigen Miene, daß, da sie neue Rechte erlangt, sie auch neue Pflichten zu erfüllen hätten. Das Wort „neu,“ das Zugeständniß von diesen so lange vorenthaltenen Rechten, wodurch der Präsident ihrer Eitelkeit zu schmeicheln hoffte empörte die stolzen Franzosen; und nun noch gar bei der Unterscheidung von Recht und Pflicht, konnten sie sich eines ironischen Lächeln's nicht enthalten. „Ihr habt uns in die Unmöglichkeit versetzt diese Rechte auszuüben, weil ihr sie uns so lange entzogen, und Pflichten haben wir keine, so lange wir nicht das Recht auf Arbeit haben; selbst das Zugeständniß dieses Rechtes könnte uns nicht mehr den Verlust ersetzen, den wir durch die lange Entbehrung desselben gelitten. Doch gleich viel, weil wir das Recht einmal haben, als Geschworne zu sitzen, so wollen wir es behaupten und wir verlangen daher, daß unsere Namen in die Rolle für die nächste Session eingetragen werden.“ Die nächste Session dachten sie, kann Vieles geändert und ihnen die Möglichkeit verschaft haben, 14 Tage ohne Arbeit zu existiren, ohne zu darben. Der Präsident mußte ihrem Gesuche nachkommen. —

Das alte französische Blut hat gesprochen: es hat sich gegen die Stagnation ausgesprochen, durch eine Hindeutung auf die Vergangenheit und eine Protestation gegen die Gegenwart: Bruch mit dem Frieden; Thätigkeit um jeden Preis, Thätigkeit nach Außen, der Bourgeoisie zum Trotze, welche befreundet ist mit der Bourgeoisie aller fremden Nationen.

12 Paris, 18. Dezember.

Als die Kandidatur Napoleons auftauchte, sagten wir, daß jede der verschiedenen Parteien ihm eine besondere Seite abgewinnen würde, daß Napoleon alles bedeute, nur nicht Napoleon, daß mit einem Worte diese Kandidatur, die einseitigste Vielseitigkeit, die meisten Chancen vereinigte. Was wir vom Kandidaten sagten, gilt noch mehr vom Präsidenten: der einfältigste Mann hat die vielfältigste Bedeutung erhalten; und diese Bedeutung geht erst recht hervor auf der einen Seite aus den Parteien, die jetzt Louis Napoleon definiren, indem sie ihre Wünsche und Anforderungen laut werden lassen, auf der andern Seite aus Louis Napoleon, der die Parteien definirt, indem er sich mit Ministern umgiebt, welche ihre Sache vertreten sollen. Was die Wünsche und Anforderung der Parteien betrifft, so ist dies vorläufig Nebensache; gehen wir vorerst auf Napoleon ein, und seine „zukünftigen Minister,“ welche der Ausdruck der Parteien sein sollen. Wer wird zuerst genannt? der pathetische Odilon-Barrat, der „doch endlich einmal Ministerpräsident werden wird,“ wie spöttelnd „die Debats“ meinen:

Odilon-Barrot, der einmal schon in den Februartagen eine ganze Stunde lang Minister war, und auf hohem Rosse über die Boulevards dahin ritt, um diese frohe Botschaft dem Volke zu verkünden, damit es ablasse von fernerem Kampfe. Aber das Volk lachte über den Barrot, wie er sich in vollem Ernste eine solche Wichtigkeit beilegen konnte; es lachte über den Mann des passiven Widerstandes, der dem Volke weiter nichts als kleine Wahlreformen zu geben hatte. Der ausgelachte, verschollene Odilon-Barrot, der in seinen größten Glanztagen, in seinem heftigsten Pathos, immer eine widerwärtige Erscheinung war, ist die einzige Notabilität im neuen Ministerium. Die andern, das ist so politischer Nachwuchs, ministerielles Unterfutter, wie unter Guizot die Trezel's und Jayr, die Niemand vor ihrem Eintritt ins Ministerium kannte. Hat einer nur einigermaßen etwas von alten ministeriellem Stoffe in sich, wie z. B. Remusat, so thut er vornehm-spröde, ohne deshalb die Herablassenheit so weit zu treiben, daß er mit Stiefeln und Sporen ins neue Ministerium eintreten wolle.

Napoleon ist ein armer Mann, der plötzlich reich geworden ist, und nun gerne Noblesse an seiner Tafel haben möchte. Aber die Noblesse selbst hütet sich, sie schickt Leute ihres Gelichters hin, um so durch Stellvertreter ihm die ersehnte Ehre anzuthun: Alles zum Heil und Wohl des Vaterlandes.

Passy soll nach langem Weigern sich endlich entschlossen haben, das Finanzministerium anzunehmen. Madame Fould wäre beinahe Frau Ministerin geworden. Fallour hat das Ministerium des Unterrichts nur auf die dringenden Vorstellungen Montalemberts angenommen. Mit einem Worte, es ist dies, wie die Debats bemerken, ein Ministerium der Dei minores.

Paris, 18. Dez.

Die Kommission der Nationalversammlung, die sich mit Prüfung der Wahlprotokolle beschäftigt, hat die Prüfung von etwa 60 Departements erledigt. Hoffentlich wird sie morgen ihren Bericht abstatten und der Präsident übermorgen proklamirt werden.

Die Kommission hat einige Tausende von Stimmzetteln, welche nur die Namen „Louis Napoleon“ oder „Louis Bonaparte“ trugen, und deshalb annullirt wurden, dennoch als gültig erkannt.

Cavaignac hat außer dem Departement der Rhonemündungen fast nirgends die Majorität erhalten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div xml:id="ar174_013" type="jArticle">
          <p><pb facs="#f0003" n="0939"/>
Polen zerstückeln und Rußland in die Arme werfen will. (Neuer Sturm von Beifall).</p>
          <p><hi rendition="#g">Plathner</hi> von Halberstadt (der preußische Assessor) glaubt nicht, daß jetzt die Zeit sei, Gefühle auszusprechen. (Links: Pfui! und furchtbarer Tumult.) Er schlägt den Biedermannschen Ausschuß vor. (Links Zuruf: Weil Oesterreich Ausland ist!) Plathner frägt unter Andern die stürmende Linke: wollen Sie geradezu den Krieg? worauf mit einem energischen <hi rendition="#g">Jawohl</hi> geantwortet wird!</p>
          <p><hi rendition="#g">Wesendonk:</hi> Zu dem Biedermann'schen Ausschuß sei gar kein Vertrauen vorhanden. Derselbe bestehe fast ganz aus Mitgliedern der früheren (glorreichen!) Majorität. Er schlägt den vereinigten Oesterreichischen und Verfassungs-Ausschuß vor.</p>
          <p><hi rendition="#g">Hartmann</hi> aus Oesterreich erklärt das Minister-Programm für ein Verbrechen und sagt, wir werden uns, fein &#x2014; oder grob, nicht aus Deutschland heraus schmeißen lassen. Ich beantrage einfache Tagesordnung über das vorgelegte Programm (Beifall und Gelächter).</p>
          <p><hi rendition="#g">Reichensperger</hi> schlägt den Oesterreichischen Ausschuß vor.</p>
          <p>v. <hi rendition="#g">Vinke</hi> den Biedermann'schen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Buß</hi> aus Freyburg findet in seiner ultramontanen Weisheit, daß die Versammlung bei der Trennungsfrage angelangt ist (ei! ei!). Er will den Oesterreichischen Ausschuß.</p>
          <p><hi rendition="#g">Löw</hi> aus Calbe kommt endlich auf die vernünftige Idee, einen <hi rendition="#g">neuen</hi> Ausschuß zu wählen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Wichmann</hi> (Stockpreußischer Assessor) ist wegen <hi rendition="#g">der heutigen Gestaltung der Parteien</hi> gegen einen neuen Ausschuß (<hi rendition="#g">aha!</hi>). Er schläg den Internationalen vor; links ruft einer: warum nicht lieber den Schulausschuß?</p>
          <p><hi rendition="#g">Beseler</hi> (der Professor) [Schluß, Schluß!] sieht gar keine Nothwendigkeit zu einem neuen Ausschuß (links Tumult und höhnische Unterbrechung). Nachdem der Präsident Herrn Beseler Ruhe verschafft hat, erklärt dieser mit sehr blassem Gesicht, man denke ja gar nicht daran, die Stellung zu Oesterreich, wie sie in §. 2 und 3 der Verfassung ausgesprochen, zu ändern (eine Stimme: Lüge!). Schließlich erklärt er sich für den Biedermann'schen Ausschuß.</p>
          <p><hi rendition="#g">Giskra</hi> für einen neuen Ausschuß, am allerwenigsten für den internationalen, denn noch sei für Deutschland Oesterreich nicht verloren, und so Gott wolle, soll es auch nicht für Deutschland verloren gehen!</p>
          <p>Graf <hi rendition="#g">Deym</hi> (ein Oesterreichischer Aristokrat, der auf der äußersten Rechten sitzt) ganz wie Giskra. &#x2014; Hierauf wird die Debatte geschlossen. Die Begutachtung des vorgelegten Programs, durch alle vorgeschlagenen <hi rendition="#g">bestehenden</hi> Ausschüsse wird, und zwar immer mit einer Majorität von circa 60 Stimmen <hi rendition="#g">verworfen</hi>. Hieraus mögen Sie die merkwürdige Umwandlung unseres Parlaments deutlich erkennen. Nach einigem Streit geht das Program an die Abtheilungen, um durch einen <hi rendition="#g">neugewählten</hi> Ausschuß begutachtet zu werden. Nach allen Auspicien wird es mit dem neuen Ministerium stürzen.</p>
          <p>Schließlich verlangt die Majorität von <hi rendition="#g">heute</hi> auf die morgige Tagesordnung: Fortsetzung der zweiten Lesung der Grundrechte und es geschieht also! &#x2014; Schluß der Sitzung halb vier Uhr.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar174_014" type="jArticle">
          <head>Frankfurt, 18. Dezember.</head>
          <p>Die österreichischen Abgeordneten zur deutschen Reichsversammlung sind zum größten Theil aus den verschiedenen Parlamentsklubs, denen sie bisher angehörten, ausgetreten, um sich zu einer rein österreichisch-landsmannschaftlichen Partei im Hotel Schröter um v. Schmerling zu vereinigen. Diese Fraktion soll bereits 74 Mitglieder zählen. Vom kaiserl. österreichischen Kabinette ist gestern eine Zuschrift an das Reichsministerium eingegangen. Sie enthält die Erklärung, daß das österreichische Ministerium seine ferneren Beziehungen mit der deutschen Centralgewalt durch sein Ministerium des Auswärtigen fortsetzen werde.</p>
          <p>Gestern hat das Auseinander treten nach Nationalitäten wirklich begonnen. Den Anfang scheinen die Oesterreicher des Kasinos gemacht zu haben. Die ganze Nationalversammlung erscheint heut in 2 große Gruppen getheilt, und das Angeben der Stimmen bei der Präsidentenwahl ist eigentlich nichts als ein Votiren für Preußen oder Oesterreich. Es gibt im Augenblicke scheinbar keine eigentliche Majorität, doch wird sich die Sache sehr bald ändern, da die Opposition (126 Stimmen der linken Gruppen incl. Westendhall) mit den etwa 90 Stimmen betragenden Oesterreichern bei der Wahl Kirchgeßner's im Einverständnisse handelt.</p>
          <bibl>(D. Ztg.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar174_015" type="jArticle">
          <head>Frankfurt, 18. Dez.</head>
          <p>In einer Danksagung des kön. preuß. Obersten und Kommandeurs des 38. Infanterieregiments, von Brandenstein, an den Senat und die Bürgerschaft der Stadt Frankfurt heißt es: &#x201E;Möge das <hi rendition="#g">blutige Band,</hi> welches an jenem Tage (18. Sept.) deutsche Bürger und deutsche Krieger so enge verbunden, unauflösbar sein und die Anarchie aus Ihrer welthistorischen Stadt auf ewige Zeiten verbannt bleiben!&#x201C; Der Wunsch des Hrn. Obersten mag aus einem ganz frommen Herzen gekommen sein; aber mir graut's doch vor dieser Blutsverwandtschaft!</p>
          <bibl>(Rh.- u. M.-Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar174_016" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Lörrach, 15. Dezember.</head>
          <p>Die Gemeinheit der Anhänger des Ministeriums Beck hat sich gestern wieder einmal in <hi rendition="#g">Weik</hi> recht schlagend dokumentirt. Ein politischer Flüchtling, Hauptmann Seiler, hatte sich bisher im Innern des Landes verborgen gehalten und wollte jetzt verkleidet sich über die Gränze nach Frankreich begeben. Aber einige Bourgeois hatten ihn erkannt und denunzirten ihn. Er wurde ergriffen und von den Truppen, nachdem sie ihn in ihrer Gewalt hatten, auf's Viehischste mißhandelt. Jene Bourgeois und diese Soldateska passen herrlich zu einander!</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Italien.</head>
        <div xml:id="ar174_017" type="jArticle">
          <head>
            <bibl>
              <author>*</author>
            </bibl>
          </head>
          <p>In Betreff der an den Pabst gesandten römischen Deputation behauptet &#x201E;L'Alba&#x201C;, daß sie zwar einen Augenblick in Portella zurückgehalten, dann aber beim Pabste vorgelassen worden sei. Andere Journale bleiben bei ihrer Behauptung, daß sie unverrichteter Sache habe umkehren müssen. So namentlich der &#x201E;Contemporaneo&#x201C;, welcher in seiner Nro. vom 8. d. sagt: &#x201E;Es unterliegt keinem Zweifel mehr, daß der Pabst bourbonischer Gefangener ist. Er kann ferner nicht mehr die Wahrheit kennen lernen; sein Wille ist nicht mehr frei. Seine Kirche, sein Rom befinden sich in Gaeta&#x201C; u. s. w.</p>
          <p>In der Sitzung der Deputirtenkammer vom 9. Dez. legte der Minister Mamiani seinen Entwurf über Bildung der italienischen Constituante vor. Der Entwurf, welcher das allgemeine Stimmrecht zur Grundlage hat, wurde höchst beifällig aufgenommen. Das Ministerium hat bereits die Regierungen von Toskana, wie von Venedig und Sizilien, die es so eben anerkannt hat, zur Beschickung der Constituante aufgefordert.</p>
          <p>In Genua hat abermals eine bedeutende Demonstration stattgefunden. Das Volk hat durch eine Kommission eine Adresse an den König aufsetzen lassen und abgeschickt, worin es: 1) Betheiligung an der italienischen Constituante in Rom; 2) ein demokratisches Kabinet; 3) Abberufung des General-Intendanten der Provinz Genua und 4) Freilassung der politischen Gefangenen. Karl Albert hat Gioberti zu sich berufen. Ob letzterer mit Bildung des Kabinets betraut wird, steht noch dahin.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar174_018" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Rom, 9 Dez.</head>
          <p>In gestriger Sitzung der Deputirtenkammer stattete Fresconi Bericht ab über die an der neapolitanischen Gränze zurückgestoßene Deputation an den Papst in Gaeta. Hierauf gegründet, stellte Pantaleoni den Antrag zur Bildung eines Wohlfahrtsausschusses von fünf Gliedern, welcher nach langer lebhafter Debatte angenommen wurde. Man wählte zu Mitgliedern dieses Ausschusses: Sturbinelli, Pusani, Rezzi, Sereni und Lunati.</p>
          <p>Die &#x201E;Debats&#x201C; sagen, die Proklamation der Republik kann unmöglich mehr lange ausbleiben.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Französische Republik.</head>
        <div xml:id="ar174_019" type="jArticle">
          <head><bibl><author>17</author></bibl> Paris, 18. Dezbr.</head>
          <p>Der &#x201E;Citoyen&#x201C; von Dijon ruft in einem merkwürdigen Artikel: &#x201E;<hi rendition="#g">Die Orgie ist im schönsten Gange;</hi> die Mörder Michel Ney's, die Legitimisten, tauschen rührenden Händedruck mit denen, die für sie nach dem Sturz des Kaisers nur Räuber der Loire waren, und allen schmutzige Begierden, alle läppische Firlefanzereien, alle Hofschranzereien spannen die Segel auf. Die Republik konnte nicht diese Herrschaften befriedigen; dafür muß sie büßen! Da ist der Girardin, den Bonaparte zum Polizeiminister oder Postdirektor (o weh!) machen wird, ein biederer Mann, rastlos und keck, ein guter Freund des Nordens, seit aus Petersburg so mancher Windstoß ihm schwere Rubel zugeführt hatte. Da hüpft der Genoude, der Mann des heiligen Henri V., er hat im Süden Bresche geschossen. Da ist ist der Thiers, im alten Constitutionnel, der seine baumwollene Mütze in den Graben geworfen und Sturm läuft. Und oben steht Victor Hugo, des Kaisers Lautenschläger, steht Cremieux, der abtrünnige republikanische Justizminister, steht Molé, der greise Verräther, Denjoy, der jesuitistische Advokat von Bordeaux, Falloux der Legitimist, Maleville, die edle Seele, (hat er nicht Aussicht auf ein Portefeuille, da er es ist, der dem gefangenen Louis Bonaparte in Ham die schönsten Opernmädchen per Extrapost zuschickte?), kurz alle Notabilitäten der guten alten Ordnung. Es ist ein teuflisches Schauspiel, die miserabeln Wichte, alle moralisch und meist auch finanziell längst bankerutt geworden, zu sehen, wie sie tänzeln und sich verbeugen bis zum gewichsten Fußboden oder bis in den Straßenkoth, wie sie ängstlich emporhopsen nach der Futterleiter im Stall der Monarchie. Beim allmächtigen Gotte, dies entwürdigt unsre Nation vor allen andren. Aber Muth, Freunde! die Demokratie w[i]rd nimmer deshalb untergehen. Wir schwören auf ihren Sieg mehr als je, wir wissen, daß die heilige Sache der unterdrückten Armen, der Hungrigen und Frierenden nicht fallen kann. Seht, Prinz Louis ist der letzte Buchstabe im A-B-C der Volksfeinde, ist der letzte Fehlgriff der Revolution. Wohl hat das Volk, das souveräne, ihn erkoren, aber nicht zum Heil der Reichen und Junker; das Volk, selbst das bonapartistische Landvolk, wird wie ein Eber wuthschnaubend sich gegen den Prinzen umwenden, sobald er die Administration in die Hände der Elenden der alten Zeit fallen läßt, in die Hände der Beutelschneider von St. Berain und Gouhenans-Minenkompagnie, der Ritterschaft von der bourbonischen Lilie, kurz jener Eidbrecher, die seit Waterloo den Kaiser verriethen. Man sagt, der Prinz führe den Kredit zurück, schaffe die Thoreinnehmer ab, erniedrige die Abgaben, und gebe dem Volke die eintausend Millionen wieder, die ihm zu einer gewissen Epoche entwandt wurden. Wenn er also ein Washington wird, desto besser für unser Land. Aber wenn der Proletarier merkt, daß die Bettelsäcke immer noch so sauer zu schleppen sind, wie früher, wenn er fuhlt, daß Legitime und Philipisten sich mit ihm nur ein höllisches Spiel erlaubten: &#x2014; &#x2014; <hi rendition="#g">dann, ja dann</hi> nehmt euch in Acht vor der Bombe &#x2014; &#x2014; und macht Platz der Justiz des enttäuschten Volks. <hi rendition="#g">Die Revolution beginnt von der Stunde, wo Bonaparte proklamirt wird</hi>. Bisher war es ein Vorspiel des Revolutionsdramas. Vergißt er das Kaiserthum, denkt er nur an das Konsulat, gut, so geht sie in Frieden vor sich. <hi rendition="#g">Wo nicht : so nicht</hi> (si non : non). General Cavaignac hielt in seiner Hand das Wohl und Wehe Frankreichs, Europas, der Welt; und er ließ sich albern genug seiner Rolle entkleiden. Er konnte der Heiland des Proletariats sein, er zog es vor, der Heiland einiger Männer vom vollen Bauche zu werden; so möge denn sein Name der Vergessenheit anheimfallen, und ein zweiter Marius setze er sich auf Karthago's Ruinen, um nachzugrübeln über die Vergänglichkeit alles Irdischen. Er stand hoch, er trug ein Riesenschwert, aber er drehte seine Spitze gegen das gute Recht, darum stürzte er elendiglich sammt dem Schwerte. Der Armselige ließ die Demokratie von 1848 guillotiniren durch einen Triangel von seiner sublimen Erfindung, durch die sogenannte Concentration, zu Gunsten der Bourgeoisie, und diese, die ihm Kränze flocht am Tage nach der Junischlacht, hat ihn heute hinterrücks erdolcht. O Cavaignac, Cavaignac! wie gränzenlos hast du dich blamirt! Die Truppen hast du <hi rendition="#g">nicht</hi> demokratisirt, die Bourgeoisie <hi rendition="#g">nicht</hi> gedämpft, das Arbeitsvolk <hi rendition="#g">nicht</hi> den Krallen des Kapitals entzogen. Ein Thrasybul von Athen konntest durch Amnestie sein, und mußt jetzt dein Haupt tief und immer tiefer bücken, du stolzer Sikamber (ironische Anspielung auf Chlodwig) nicht unter dem Eichen- und Lorbeerkranze, sondern unter dem schwülen Drucke des dich schlagenden Gewissens; gehe, geh' in ein Kloster&#x2025;&#x2025; laß dir Haar und Bart scheeren, geh'!&#x201C;</p>
          <p>Der &#x201E;Constituant,&#x201C; ein sehr tüchtiges toulouser Blatt, bringt wieder eine Reihe sachkundiger Aufsätze über Deutschlands Demokratie: &#x201E;Die 36 Szepter der 36 deutschen Zwingmeister brechen, dieser Söldner des Czaren, heißt das Szepter des Czaren selbst zerschmettern. Sie haben, wie ein Berliner Volksredner sich etwas scharf aber richtig ausdrückte, als noch kein Wrangel die dortige Zunge gelähmt hatte, die Sporenstiefel des Czaren geküßt, wie einst die Napoleon's. Bei Gott, diese Misere muß enden. Unsre französische Demokratie <hi rendition="#g">muß</hi> begreifen, daß, nachdem sie achtzehn Jahre vergeblich Polen beseufzte, ihm nur dadurch zu helfen ist, daß sie sich innig an die deutsche Demokratie anschließt. Zwischen Vogesen und Karpathen fließen fünf breite, tiefe Ströme und liegt der Kontinent, den Deutsche bewohnen. Deutschland ist das große Gehirn Europa's und Frankreich sein Herz und seine Lunge; befreit das Gehirn, und Blut und Athem werden regelmäßiger gehen. Seit sechs Jahren ruft Deutschlands Demokratie: kein Heil ohne die Gallier, und sprachen diese Wahrheit in den zu Paris von Dr. Marx und Dr. Ruge erschienenen deutsch-französischen Jahrbüchern aus. Was könnte wohl heute die französische Demokratie abhalten, der deutschen Schwester die Hand reichend, gegen die Erzfeinde im Osten zu ziehen und zu rufen: <hi rendition="#g">kein Heil ohne die Germanen!</hi> </p>
          <p>Frankreich hat jetzt die Republik; sie ist schlecht, erbärmlich schlecht, diese Bourgeoisrepublik, aber das allgemeine Stimmrecht ist da, und auf diesen Felsen wird es dereinst seine Kirche bauen; um diesen Felsen steht die französische Demokratie geschaart und donnert den Thronprätendenten und deren Kammerknechten zu: &#x201E;malheur à qui la touche.&#x201C; (Wehe dem der Hand daran legt). Burlesk ist die ernsthafte Miene des Spießbürgerthums, welches schon Samstag in einem vertraulichen Konventikelchen von Börsenmännern die Frage aufwarf: ob Bonaparte nicht lieber sofort zum erblichen Kaiser zu machen? Daß er um eine russische Prinzessin anhält, &#x201E;scheint gewiß;&#x201C; die Rheingränze à la Thiers, Knebelung der Presse und Klubs, das versteht sich alles von selbst.&#x201C; Der pauvre diable wird in drei Monaten viel abgenutzter sein als Cavaignac.&#x201C;</p>
        </div>
        <div xml:id="ar174_020" type="jArticle">
          <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, den 18. Decb.</head>
          <p>Wir haben uns nicht getäuscht: Die Wahl Napoleons, bekennt Dufaure laut, ist ein zweiter 24. Februar für die Bourgeoisie. Was war der 24. Februar? Die Niederlage der Bourgeoisie durch das <hi rendition="#g">Pariser</hi> Proletariat, das keineswegs auf diesen Sieg vorbereitet war. Zu dem kannte es seine Führer noch nicht, und theilte außerdem noch die Illusionen der kleinen Bourgeosie über eine zu ermittelnde Vereinbarung. Der Sieg entschlüpfte ihm unbewußt aus den Händen: darum kamen die Männer des geschlagenen Regimes sobald wieder aus ihren Verstecken zum Vorschein. Was ist der zweite 24. Februar? Die Niederlage der Bourgeoisie durch das Proletariat der Provinz und die Bauern. So lange die Presse nur Ziffern gruppirte, laß man nichts aus dieser Zahlen-Musik als Napoleon. Jetzt kommt der Text. Und wie lautet der Text? In fast allen Departements. wo die Arbeiter und Bauern für Napoleon stimmten, geschah diese Abstimmmung massenweise unter dem Rufe: Keine Steuern mehr auf das Volk! Nieder mit den Reichen! Diese Nachricht, die jetzt erst fast gleichzeitig aus allen Provinzen eintrifft, da man vorab sich nur die Ziffern mit dem Telegraphen schicken ließ, wirft den Schrecken in Paris und macht erblassen selbst die heißesten Anhänger Napoleon's.</p>
          <p>Die Bourgeosie hat einen zweiten Schlag erhalten, von dem Proletariat in Masse, und an diesem Schlage scheitert alle Staatsklugheit. Was zu thun? Das Budget ist überladen, und die Finanznoth, die früher gerade der Vorwand zur Vermeidung des Krieges war, zwingt jetzt die Franzosen, den Krieg als das einzige Rettungsmittel zu betrachten.</p>
          <p>Zwei Bänke sind jetzt öde und leer, daß es wirklich Mitleidserregend ist, wenn man an den früheren Zudrang denkt: Cavaignac sitzt einsam und verlassen da, und Lamartine, der den Kelch menschlicher Bitterkeit geleert, soll, wie es allgemein heißt, sich aus dem politischen Leben zurückziehen. Man versichert sogar, daß er diese Tage seine Entlassung als Deputirter geben werde. Will er vielleicht eine Geschichte der Jakobiner schreiben?</p>
          <p>Napoleon ist weiter nichts als der Neffe des Kaisers. Er ist weder General noch Advokat, weder Militär noch Civil; ja, er ist nicht einmal Nationalgardist; als neugewordener Franzose mag er wie jeder andere Krämer als Gemeiner die gewöhnlichen Dienste zu thun seit einigen Manaten genöthigt sein; aber er hat keinen Grad als Oberst; und die Oberst-Uniform war die beliebte Uniform, in welcher Louis Philipp sich in die Deputirten-Kammer begab, um die Thronrede abzuhalten. Napoleon also hat keinen goldbestickten Rock, noch einen Rock mit Epauletten. In welcher Gestalt also wird er sich in die Kammer begeben, um als Präsident den Eid auf die Constitution zu leisten.</p>
          <p>Vom Napoleonischen Hute kunn natürlich keine Rede mehr sein, seitdem er den Präsidentenhut gewonnen hat. Es bliebe demnach weiter nichts übrig, als der schwarze Frack und der Filzhut. Nun gut, da man schon dafür gesorgt hat, daß für den künftigen Präsidenten wenn er seine Antrittsrede hält, ja nichts da sei, das auch nur im entferntesten an den Thron erinnern könnte, so mag dieses ein sehr passendes Kostüm sein. Während also die republikanische Bourgeoisie das Bestehen der Republik immer nur noch an die Abwesenheit des Thrones knüpft, reihen die republikanischen Proletarier, welche den verbrannten Thronsessel längst vergessen, ihr Fortbestehen, an die Vernichtung von ganz andern Dingen an.</p>
          <p>Bei jeder Gelegenheit zeigen sie ihre Ueberlegenheit über die eingerostete Bourgeoisie. Ein Beispiel nur: durch die Aufhebung des Wahlcensus sind bekannter Weise die französischen Arbeiter zu den Functionen des Jury zugelassen. Vorige Woche also saßen die Blousenmänner als Geschworne. Wie nun die Sitzung beginnen sollte, standen die Arbeiter auf und erklärten, daß sie keine 15 Tage sitzen könnten, ohne Verdienst. Ihr Vorrath reiche höchstens auf einige Tage. Der Präsident bemerkte mit seiner amtswürdigen Miene, daß, da sie neue Rechte erlangt, sie auch neue Pflichten zu erfüllen hätten. Das Wort &#x201E;neu,&#x201C; das Zugeständniß von diesen so lange vorenthaltenen Rechten, wodurch der Präsident ihrer Eitelkeit zu schmeicheln hoffte empörte die stolzen Franzosen; und nun noch gar bei der Unterscheidung von Recht und Pflicht, konnten sie sich eines ironischen Lächeln's nicht enthalten. &#x201E;Ihr habt uns in die Unmöglichkeit versetzt diese Rechte auszuüben, weil ihr sie uns so lange entzogen, und Pflichten haben wir keine, so lange wir nicht das Recht auf Arbeit haben; selbst das Zugeständniß dieses Rechtes könnte uns nicht mehr den Verlust ersetzen, den wir durch die lange Entbehrung desselben gelitten. Doch gleich viel, weil wir das Recht einmal haben, als Geschworne zu sitzen, so wollen wir es behaupten und wir verlangen daher, daß unsere Namen in die Rolle für die nächste Session eingetragen werden.&#x201C; Die nächste Session dachten sie, kann Vieles geändert und ihnen die Möglichkeit verschaft haben, 14 Tage ohne Arbeit zu existiren, ohne zu darben. Der Präsident mußte ihrem Gesuche nachkommen. &#x2014;</p>
          <p>Das alte französische Blut hat gesprochen: es hat sich gegen die Stagnation ausgesprochen, durch eine Hindeutung auf die Vergangenheit und eine Protestation gegen die Gegenwart: Bruch mit dem Frieden; Thätigkeit um jeden Preis, Thätigkeit nach Außen, der Bourgeoisie zum Trotze, welche befreundet ist mit der Bourgeoisie aller fremden Nationen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar174_021" type="jArticle">
          <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 18. Dezember.</head>
          <p>Als die Kandidatur Napoleons auftauchte, sagten wir, daß jede der verschiedenen Parteien ihm eine besondere Seite abgewinnen würde, daß Napoleon alles bedeute, nur nicht Napoleon, daß mit einem Worte diese Kandidatur, die einseitigste Vielseitigkeit, die meisten Chancen vereinigte. Was wir vom Kandidaten sagten, gilt noch mehr vom Präsidenten: der einfältigste Mann hat die vielfältigste Bedeutung erhalten; und diese Bedeutung geht erst recht hervor auf der einen Seite aus den Parteien, die jetzt Louis Napoleon definiren, indem sie ihre Wünsche und Anforderungen laut werden lassen, auf der andern Seite aus Louis Napoleon, der die Parteien definirt, indem er sich mit Ministern umgiebt, welche ihre Sache vertreten sollen. Was die Wünsche und Anforderung der Parteien betrifft, so ist dies vorläufig Nebensache; gehen wir vorerst auf Napoleon ein, und seine &#x201E;zukünftigen Minister,&#x201C; welche der Ausdruck der Parteien sein sollen. Wer wird zuerst genannt? der pathetische Odilon-Barrat, der &#x201E;doch endlich einmal Ministerpräsident werden wird,&#x201C; wie spöttelnd &#x201E;die Debats&#x201C; meinen:</p>
          <p>Odilon-Barrot, der einmal schon in den Februartagen eine ganze Stunde lang Minister war, und auf hohem Rosse über die Boulevards dahin ritt, um diese frohe Botschaft dem Volke zu verkünden, damit es ablasse von fernerem Kampfe. Aber das Volk lachte über den Barrot, wie er sich in vollem Ernste eine solche Wichtigkeit beilegen konnte; es lachte über den Mann des passiven Widerstandes, der dem Volke weiter nichts als kleine Wahlreformen zu geben hatte. Der ausgelachte, verschollene Odilon-Barrot, der in seinen größten Glanztagen, in seinem heftigsten Pathos, immer eine widerwärtige Erscheinung war, ist die einzige Notabilität im neuen Ministerium. Die andern, das ist so politischer Nachwuchs, ministerielles Unterfutter, wie unter Guizot die Trezel's und Jayr, die Niemand vor ihrem Eintritt ins Ministerium kannte. Hat einer nur einigermaßen etwas von alten ministeriellem Stoffe in sich, wie z. B. Remusat, so thut er vornehm-spröde, ohne deshalb die Herablassenheit so weit zu treiben, daß er mit Stiefeln und Sporen ins neue Ministerium eintreten wolle.</p>
          <p>Napoleon ist ein armer Mann, der plötzlich reich geworden ist, und nun gerne Noblesse an seiner Tafel haben möchte. Aber die Noblesse selbst hütet sich, sie schickt Leute ihres Gelichters hin, um so durch Stellvertreter ihm die ersehnte Ehre anzuthun: Alles zum Heil und Wohl des Vaterlandes.</p>
          <p>Passy soll nach langem Weigern sich endlich entschlossen haben, das Finanzministerium anzunehmen. Madame Fould wäre beinahe Frau Ministerin geworden. Fallour hat das Ministerium des Unterrichts nur auf die dringenden Vorstellungen Montalemberts angenommen. Mit einem Worte, es ist dies, wie die Debats bemerken, ein Ministerium der Dei minores.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar174_022" type="jArticle">
          <head>Paris, 18. Dez.</head>
          <p>Die Kommission der Nationalversammlung, die sich mit Prüfung der Wahlprotokolle beschäftigt, hat die Prüfung von etwa 60 Departements erledigt. Hoffentlich wird sie morgen ihren Bericht abstatten und der Präsident übermorgen proklamirt werden.</p>
          <p>Die Kommission hat einige Tausende von Stimmzetteln, welche nur die Namen &#x201E;Louis Napoleon&#x201C; oder &#x201E;Louis Bonaparte&#x201C; trugen, und deshalb annullirt wurden, dennoch als gültig erkannt.</p>
          <p>Cavaignac hat außer dem Departement der Rhonemündungen fast nirgends die Majorität erhalten.</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0939/0003] Polen zerstückeln und Rußland in die Arme werfen will. (Neuer Sturm von Beifall). Plathner von Halberstadt (der preußische Assessor) glaubt nicht, daß jetzt die Zeit sei, Gefühle auszusprechen. (Links: Pfui! und furchtbarer Tumult.) Er schlägt den Biedermannschen Ausschuß vor. (Links Zuruf: Weil Oesterreich Ausland ist!) Plathner frägt unter Andern die stürmende Linke: wollen Sie geradezu den Krieg? worauf mit einem energischen Jawohl geantwortet wird! Wesendonk: Zu dem Biedermann'schen Ausschuß sei gar kein Vertrauen vorhanden. Derselbe bestehe fast ganz aus Mitgliedern der früheren (glorreichen!) Majorität. Er schlägt den vereinigten Oesterreichischen und Verfassungs-Ausschuß vor. Hartmann aus Oesterreich erklärt das Minister-Programm für ein Verbrechen und sagt, wir werden uns, fein — oder grob, nicht aus Deutschland heraus schmeißen lassen. Ich beantrage einfache Tagesordnung über das vorgelegte Programm (Beifall und Gelächter). Reichensperger schlägt den Oesterreichischen Ausschuß vor. v. Vinke den Biedermann'schen. Buß aus Freyburg findet in seiner ultramontanen Weisheit, daß die Versammlung bei der Trennungsfrage angelangt ist (ei! ei!). Er will den Oesterreichischen Ausschuß. Löw aus Calbe kommt endlich auf die vernünftige Idee, einen neuen Ausschuß zu wählen. Wichmann (Stockpreußischer Assessor) ist wegen der heutigen Gestaltung der Parteien gegen einen neuen Ausschuß (aha!). Er schläg den Internationalen vor; links ruft einer: warum nicht lieber den Schulausschuß? Beseler (der Professor) [Schluß, Schluß!] sieht gar keine Nothwendigkeit zu einem neuen Ausschuß (links Tumult und höhnische Unterbrechung). Nachdem der Präsident Herrn Beseler Ruhe verschafft hat, erklärt dieser mit sehr blassem Gesicht, man denke ja gar nicht daran, die Stellung zu Oesterreich, wie sie in §. 2 und 3 der Verfassung ausgesprochen, zu ändern (eine Stimme: Lüge!). Schließlich erklärt er sich für den Biedermann'schen Ausschuß. Giskra für einen neuen Ausschuß, am allerwenigsten für den internationalen, denn noch sei für Deutschland Oesterreich nicht verloren, und so Gott wolle, soll es auch nicht für Deutschland verloren gehen! Graf Deym (ein Oesterreichischer Aristokrat, der auf der äußersten Rechten sitzt) ganz wie Giskra. — Hierauf wird die Debatte geschlossen. Die Begutachtung des vorgelegten Programs, durch alle vorgeschlagenen bestehenden Ausschüsse wird, und zwar immer mit einer Majorität von circa 60 Stimmen verworfen. Hieraus mögen Sie die merkwürdige Umwandlung unseres Parlaments deutlich erkennen. Nach einigem Streit geht das Program an die Abtheilungen, um durch einen neugewählten Ausschuß begutachtet zu werden. Nach allen Auspicien wird es mit dem neuen Ministerium stürzen. Schließlich verlangt die Majorität von heute auf die morgige Tagesordnung: Fortsetzung der zweiten Lesung der Grundrechte und es geschieht also! — Schluß der Sitzung halb vier Uhr. Frankfurt, 18. Dezember. Die österreichischen Abgeordneten zur deutschen Reichsversammlung sind zum größten Theil aus den verschiedenen Parlamentsklubs, denen sie bisher angehörten, ausgetreten, um sich zu einer rein österreichisch-landsmannschaftlichen Partei im Hotel Schröter um v. Schmerling zu vereinigen. Diese Fraktion soll bereits 74 Mitglieder zählen. Vom kaiserl. österreichischen Kabinette ist gestern eine Zuschrift an das Reichsministerium eingegangen. Sie enthält die Erklärung, daß das österreichische Ministerium seine ferneren Beziehungen mit der deutschen Centralgewalt durch sein Ministerium des Auswärtigen fortsetzen werde. Gestern hat das Auseinander treten nach Nationalitäten wirklich begonnen. Den Anfang scheinen die Oesterreicher des Kasinos gemacht zu haben. Die ganze Nationalversammlung erscheint heut in 2 große Gruppen getheilt, und das Angeben der Stimmen bei der Präsidentenwahl ist eigentlich nichts als ein Votiren für Preußen oder Oesterreich. Es gibt im Augenblicke scheinbar keine eigentliche Majorität, doch wird sich die Sache sehr bald ändern, da die Opposition (126 Stimmen der linken Gruppen incl. Westendhall) mit den etwa 90 Stimmen betragenden Oesterreichern bei der Wahl Kirchgeßner's im Einverständnisse handelt. (D. Ztg.) Frankfurt, 18. Dez. In einer Danksagung des kön. preuß. Obersten und Kommandeurs des 38. Infanterieregiments, von Brandenstein, an den Senat und die Bürgerschaft der Stadt Frankfurt heißt es: „Möge das blutige Band, welches an jenem Tage (18. Sept.) deutsche Bürger und deutsche Krieger so enge verbunden, unauflösbar sein und die Anarchie aus Ihrer welthistorischen Stadt auf ewige Zeiten verbannt bleiben!“ Der Wunsch des Hrn. Obersten mag aus einem ganz frommen Herzen gekommen sein; aber mir graut's doch vor dieser Blutsverwandtschaft! (Rh.- u. M.-Z.) * Lörrach, 15. Dezember. Die Gemeinheit der Anhänger des Ministeriums Beck hat sich gestern wieder einmal in Weik recht schlagend dokumentirt. Ein politischer Flüchtling, Hauptmann Seiler, hatte sich bisher im Innern des Landes verborgen gehalten und wollte jetzt verkleidet sich über die Gränze nach Frankreich begeben. Aber einige Bourgeois hatten ihn erkannt und denunzirten ihn. Er wurde ergriffen und von den Truppen, nachdem sie ihn in ihrer Gewalt hatten, auf's Viehischste mißhandelt. Jene Bourgeois und diese Soldateska passen herrlich zu einander! Italien. * In Betreff der an den Pabst gesandten römischen Deputation behauptet „L'Alba“, daß sie zwar einen Augenblick in Portella zurückgehalten, dann aber beim Pabste vorgelassen worden sei. Andere Journale bleiben bei ihrer Behauptung, daß sie unverrichteter Sache habe umkehren müssen. So namentlich der „Contemporaneo“, welcher in seiner Nro. vom 8. d. sagt: „Es unterliegt keinem Zweifel mehr, daß der Pabst bourbonischer Gefangener ist. Er kann ferner nicht mehr die Wahrheit kennen lernen; sein Wille ist nicht mehr frei. Seine Kirche, sein Rom befinden sich in Gaeta“ u. s. w. In der Sitzung der Deputirtenkammer vom 9. Dez. legte der Minister Mamiani seinen Entwurf über Bildung der italienischen Constituante vor. Der Entwurf, welcher das allgemeine Stimmrecht zur Grundlage hat, wurde höchst beifällig aufgenommen. Das Ministerium hat bereits die Regierungen von Toskana, wie von Venedig und Sizilien, die es so eben anerkannt hat, zur Beschickung der Constituante aufgefordert. In Genua hat abermals eine bedeutende Demonstration stattgefunden. Das Volk hat durch eine Kommission eine Adresse an den König aufsetzen lassen und abgeschickt, worin es: 1) Betheiligung an der italienischen Constituante in Rom; 2) ein demokratisches Kabinet; 3) Abberufung des General-Intendanten der Provinz Genua und 4) Freilassung der politischen Gefangenen. Karl Albert hat Gioberti zu sich berufen. Ob letzterer mit Bildung des Kabinets betraut wird, steht noch dahin. * Rom, 9 Dez. In gestriger Sitzung der Deputirtenkammer stattete Fresconi Bericht ab über die an der neapolitanischen Gränze zurückgestoßene Deputation an den Papst in Gaeta. Hierauf gegründet, stellte Pantaleoni den Antrag zur Bildung eines Wohlfahrtsausschusses von fünf Gliedern, welcher nach langer lebhafter Debatte angenommen wurde. Man wählte zu Mitgliedern dieses Ausschusses: Sturbinelli, Pusani, Rezzi, Sereni und Lunati. Die „Debats“ sagen, die Proklamation der Republik kann unmöglich mehr lange ausbleiben. Französische Republik. 17 Paris, 18. Dezbr. Der „Citoyen“ von Dijon ruft in einem merkwürdigen Artikel: „Die Orgie ist im schönsten Gange; die Mörder Michel Ney's, die Legitimisten, tauschen rührenden Händedruck mit denen, die für sie nach dem Sturz des Kaisers nur Räuber der Loire waren, und allen schmutzige Begierden, alle läppische Firlefanzereien, alle Hofschranzereien spannen die Segel auf. Die Republik konnte nicht diese Herrschaften befriedigen; dafür muß sie büßen! Da ist der Girardin, den Bonaparte zum Polizeiminister oder Postdirektor (o weh!) machen wird, ein biederer Mann, rastlos und keck, ein guter Freund des Nordens, seit aus Petersburg so mancher Windstoß ihm schwere Rubel zugeführt hatte. Da hüpft der Genoude, der Mann des heiligen Henri V., er hat im Süden Bresche geschossen. Da ist ist der Thiers, im alten Constitutionnel, der seine baumwollene Mütze in den Graben geworfen und Sturm läuft. Und oben steht Victor Hugo, des Kaisers Lautenschläger, steht Cremieux, der abtrünnige republikanische Justizminister, steht Molé, der greise Verräther, Denjoy, der jesuitistische Advokat von Bordeaux, Falloux der Legitimist, Maleville, die edle Seele, (hat er nicht Aussicht auf ein Portefeuille, da er es ist, der dem gefangenen Louis Bonaparte in Ham die schönsten Opernmädchen per Extrapost zuschickte?), kurz alle Notabilitäten der guten alten Ordnung. Es ist ein teuflisches Schauspiel, die miserabeln Wichte, alle moralisch und meist auch finanziell längst bankerutt geworden, zu sehen, wie sie tänzeln und sich verbeugen bis zum gewichsten Fußboden oder bis in den Straßenkoth, wie sie ängstlich emporhopsen nach der Futterleiter im Stall der Monarchie. Beim allmächtigen Gotte, dies entwürdigt unsre Nation vor allen andren. Aber Muth, Freunde! die Demokratie w[i]rd nimmer deshalb untergehen. Wir schwören auf ihren Sieg mehr als je, wir wissen, daß die heilige Sache der unterdrückten Armen, der Hungrigen und Frierenden nicht fallen kann. Seht, Prinz Louis ist der letzte Buchstabe im A-B-C der Volksfeinde, ist der letzte Fehlgriff der Revolution. Wohl hat das Volk, das souveräne, ihn erkoren, aber nicht zum Heil der Reichen und Junker; das Volk, selbst das bonapartistische Landvolk, wird wie ein Eber wuthschnaubend sich gegen den Prinzen umwenden, sobald er die Administration in die Hände der Elenden der alten Zeit fallen läßt, in die Hände der Beutelschneider von St. Berain und Gouhenans-Minenkompagnie, der Ritterschaft von der bourbonischen Lilie, kurz jener Eidbrecher, die seit Waterloo den Kaiser verriethen. Man sagt, der Prinz führe den Kredit zurück, schaffe die Thoreinnehmer ab, erniedrige die Abgaben, und gebe dem Volke die eintausend Millionen wieder, die ihm zu einer gewissen Epoche entwandt wurden. Wenn er also ein Washington wird, desto besser für unser Land. Aber wenn der Proletarier merkt, daß die Bettelsäcke immer noch so sauer zu schleppen sind, wie früher, wenn er fuhlt, daß Legitime und Philipisten sich mit ihm nur ein höllisches Spiel erlaubten: — — dann, ja dann nehmt euch in Acht vor der Bombe — — und macht Platz der Justiz des enttäuschten Volks. Die Revolution beginnt von der Stunde, wo Bonaparte proklamirt wird. Bisher war es ein Vorspiel des Revolutionsdramas. Vergißt er das Kaiserthum, denkt er nur an das Konsulat, gut, so geht sie in Frieden vor sich. Wo nicht : so nicht (si non : non). General Cavaignac hielt in seiner Hand das Wohl und Wehe Frankreichs, Europas, der Welt; und er ließ sich albern genug seiner Rolle entkleiden. Er konnte der Heiland des Proletariats sein, er zog es vor, der Heiland einiger Männer vom vollen Bauche zu werden; so möge denn sein Name der Vergessenheit anheimfallen, und ein zweiter Marius setze er sich auf Karthago's Ruinen, um nachzugrübeln über die Vergänglichkeit alles Irdischen. Er stand hoch, er trug ein Riesenschwert, aber er drehte seine Spitze gegen das gute Recht, darum stürzte er elendiglich sammt dem Schwerte. Der Armselige ließ die Demokratie von 1848 guillotiniren durch einen Triangel von seiner sublimen Erfindung, durch die sogenannte Concentration, zu Gunsten der Bourgeoisie, und diese, die ihm Kränze flocht am Tage nach der Junischlacht, hat ihn heute hinterrücks erdolcht. O Cavaignac, Cavaignac! wie gränzenlos hast du dich blamirt! Die Truppen hast du nicht demokratisirt, die Bourgeoisie nicht gedämpft, das Arbeitsvolk nicht den Krallen des Kapitals entzogen. Ein Thrasybul von Athen konntest durch Amnestie sein, und mußt jetzt dein Haupt tief und immer tiefer bücken, du stolzer Sikamber (ironische Anspielung auf Chlodwig) nicht unter dem Eichen- und Lorbeerkranze, sondern unter dem schwülen Drucke des dich schlagenden Gewissens; gehe, geh' in ein Kloster‥‥ laß dir Haar und Bart scheeren, geh'!“ Der „Constituant,“ ein sehr tüchtiges toulouser Blatt, bringt wieder eine Reihe sachkundiger Aufsätze über Deutschlands Demokratie: „Die 36 Szepter der 36 deutschen Zwingmeister brechen, dieser Söldner des Czaren, heißt das Szepter des Czaren selbst zerschmettern. Sie haben, wie ein Berliner Volksredner sich etwas scharf aber richtig ausdrückte, als noch kein Wrangel die dortige Zunge gelähmt hatte, die Sporenstiefel des Czaren geküßt, wie einst die Napoleon's. Bei Gott, diese Misere muß enden. Unsre französische Demokratie muß begreifen, daß, nachdem sie achtzehn Jahre vergeblich Polen beseufzte, ihm nur dadurch zu helfen ist, daß sie sich innig an die deutsche Demokratie anschließt. Zwischen Vogesen und Karpathen fließen fünf breite, tiefe Ströme und liegt der Kontinent, den Deutsche bewohnen. Deutschland ist das große Gehirn Europa's und Frankreich sein Herz und seine Lunge; befreit das Gehirn, und Blut und Athem werden regelmäßiger gehen. Seit sechs Jahren ruft Deutschlands Demokratie: kein Heil ohne die Gallier, und sprachen diese Wahrheit in den zu Paris von Dr. Marx und Dr. Ruge erschienenen deutsch-französischen Jahrbüchern aus. Was könnte wohl heute die französische Demokratie abhalten, der deutschen Schwester die Hand reichend, gegen die Erzfeinde im Osten zu ziehen und zu rufen: kein Heil ohne die Germanen! Frankreich hat jetzt die Republik; sie ist schlecht, erbärmlich schlecht, diese Bourgeoisrepublik, aber das allgemeine Stimmrecht ist da, und auf diesen Felsen wird es dereinst seine Kirche bauen; um diesen Felsen steht die französische Demokratie geschaart und donnert den Thronprätendenten und deren Kammerknechten zu: „malheur à qui la touche.“ (Wehe dem der Hand daran legt). Burlesk ist die ernsthafte Miene des Spießbürgerthums, welches schon Samstag in einem vertraulichen Konventikelchen von Börsenmännern die Frage aufwarf: ob Bonaparte nicht lieber sofort zum erblichen Kaiser zu machen? Daß er um eine russische Prinzessin anhält, „scheint gewiß;“ die Rheingränze à la Thiers, Knebelung der Presse und Klubs, das versteht sich alles von selbst.“ Der pauvre diable wird in drei Monaten viel abgenutzter sein als Cavaignac.“ 12 Paris, den 18. Decb. Wir haben uns nicht getäuscht: Die Wahl Napoleons, bekennt Dufaure laut, ist ein zweiter 24. Februar für die Bourgeoisie. Was war der 24. Februar? Die Niederlage der Bourgeoisie durch das Pariser Proletariat, das keineswegs auf diesen Sieg vorbereitet war. Zu dem kannte es seine Führer noch nicht, und theilte außerdem noch die Illusionen der kleinen Bourgeosie über eine zu ermittelnde Vereinbarung. Der Sieg entschlüpfte ihm unbewußt aus den Händen: darum kamen die Männer des geschlagenen Regimes sobald wieder aus ihren Verstecken zum Vorschein. Was ist der zweite 24. Februar? Die Niederlage der Bourgeoisie durch das Proletariat der Provinz und die Bauern. So lange die Presse nur Ziffern gruppirte, laß man nichts aus dieser Zahlen-Musik als Napoleon. Jetzt kommt der Text. Und wie lautet der Text? In fast allen Departements. wo die Arbeiter und Bauern für Napoleon stimmten, geschah diese Abstimmmung massenweise unter dem Rufe: Keine Steuern mehr auf das Volk! Nieder mit den Reichen! Diese Nachricht, die jetzt erst fast gleichzeitig aus allen Provinzen eintrifft, da man vorab sich nur die Ziffern mit dem Telegraphen schicken ließ, wirft den Schrecken in Paris und macht erblassen selbst die heißesten Anhänger Napoleon's. Die Bourgeosie hat einen zweiten Schlag erhalten, von dem Proletariat in Masse, und an diesem Schlage scheitert alle Staatsklugheit. Was zu thun? Das Budget ist überladen, und die Finanznoth, die früher gerade der Vorwand zur Vermeidung des Krieges war, zwingt jetzt die Franzosen, den Krieg als das einzige Rettungsmittel zu betrachten. Zwei Bänke sind jetzt öde und leer, daß es wirklich Mitleidserregend ist, wenn man an den früheren Zudrang denkt: Cavaignac sitzt einsam und verlassen da, und Lamartine, der den Kelch menschlicher Bitterkeit geleert, soll, wie es allgemein heißt, sich aus dem politischen Leben zurückziehen. Man versichert sogar, daß er diese Tage seine Entlassung als Deputirter geben werde. Will er vielleicht eine Geschichte der Jakobiner schreiben? Napoleon ist weiter nichts als der Neffe des Kaisers. Er ist weder General noch Advokat, weder Militär noch Civil; ja, er ist nicht einmal Nationalgardist; als neugewordener Franzose mag er wie jeder andere Krämer als Gemeiner die gewöhnlichen Dienste zu thun seit einigen Manaten genöthigt sein; aber er hat keinen Grad als Oberst; und die Oberst-Uniform war die beliebte Uniform, in welcher Louis Philipp sich in die Deputirten-Kammer begab, um die Thronrede abzuhalten. Napoleon also hat keinen goldbestickten Rock, noch einen Rock mit Epauletten. In welcher Gestalt also wird er sich in die Kammer begeben, um als Präsident den Eid auf die Constitution zu leisten. Vom Napoleonischen Hute kunn natürlich keine Rede mehr sein, seitdem er den Präsidentenhut gewonnen hat. Es bliebe demnach weiter nichts übrig, als der schwarze Frack und der Filzhut. Nun gut, da man schon dafür gesorgt hat, daß für den künftigen Präsidenten wenn er seine Antrittsrede hält, ja nichts da sei, das auch nur im entferntesten an den Thron erinnern könnte, so mag dieses ein sehr passendes Kostüm sein. Während also die republikanische Bourgeoisie das Bestehen der Republik immer nur noch an die Abwesenheit des Thrones knüpft, reihen die republikanischen Proletarier, welche den verbrannten Thronsessel längst vergessen, ihr Fortbestehen, an die Vernichtung von ganz andern Dingen an. Bei jeder Gelegenheit zeigen sie ihre Ueberlegenheit über die eingerostete Bourgeoisie. Ein Beispiel nur: durch die Aufhebung des Wahlcensus sind bekannter Weise die französischen Arbeiter zu den Functionen des Jury zugelassen. Vorige Woche also saßen die Blousenmänner als Geschworne. Wie nun die Sitzung beginnen sollte, standen die Arbeiter auf und erklärten, daß sie keine 15 Tage sitzen könnten, ohne Verdienst. Ihr Vorrath reiche höchstens auf einige Tage. Der Präsident bemerkte mit seiner amtswürdigen Miene, daß, da sie neue Rechte erlangt, sie auch neue Pflichten zu erfüllen hätten. Das Wort „neu,“ das Zugeständniß von diesen so lange vorenthaltenen Rechten, wodurch der Präsident ihrer Eitelkeit zu schmeicheln hoffte empörte die stolzen Franzosen; und nun noch gar bei der Unterscheidung von Recht und Pflicht, konnten sie sich eines ironischen Lächeln's nicht enthalten. „Ihr habt uns in die Unmöglichkeit versetzt diese Rechte auszuüben, weil ihr sie uns so lange entzogen, und Pflichten haben wir keine, so lange wir nicht das Recht auf Arbeit haben; selbst das Zugeständniß dieses Rechtes könnte uns nicht mehr den Verlust ersetzen, den wir durch die lange Entbehrung desselben gelitten. Doch gleich viel, weil wir das Recht einmal haben, als Geschworne zu sitzen, so wollen wir es behaupten und wir verlangen daher, daß unsere Namen in die Rolle für die nächste Session eingetragen werden.“ Die nächste Session dachten sie, kann Vieles geändert und ihnen die Möglichkeit verschaft haben, 14 Tage ohne Arbeit zu existiren, ohne zu darben. Der Präsident mußte ihrem Gesuche nachkommen. — Das alte französische Blut hat gesprochen: es hat sich gegen die Stagnation ausgesprochen, durch eine Hindeutung auf die Vergangenheit und eine Protestation gegen die Gegenwart: Bruch mit dem Frieden; Thätigkeit um jeden Preis, Thätigkeit nach Außen, der Bourgeoisie zum Trotze, welche befreundet ist mit der Bourgeoisie aller fremden Nationen. 12 Paris, 18. Dezember. Als die Kandidatur Napoleons auftauchte, sagten wir, daß jede der verschiedenen Parteien ihm eine besondere Seite abgewinnen würde, daß Napoleon alles bedeute, nur nicht Napoleon, daß mit einem Worte diese Kandidatur, die einseitigste Vielseitigkeit, die meisten Chancen vereinigte. Was wir vom Kandidaten sagten, gilt noch mehr vom Präsidenten: der einfältigste Mann hat die vielfältigste Bedeutung erhalten; und diese Bedeutung geht erst recht hervor auf der einen Seite aus den Parteien, die jetzt Louis Napoleon definiren, indem sie ihre Wünsche und Anforderungen laut werden lassen, auf der andern Seite aus Louis Napoleon, der die Parteien definirt, indem er sich mit Ministern umgiebt, welche ihre Sache vertreten sollen. Was die Wünsche und Anforderung der Parteien betrifft, so ist dies vorläufig Nebensache; gehen wir vorerst auf Napoleon ein, und seine „zukünftigen Minister,“ welche der Ausdruck der Parteien sein sollen. Wer wird zuerst genannt? der pathetische Odilon-Barrat, der „doch endlich einmal Ministerpräsident werden wird,“ wie spöttelnd „die Debats“ meinen: Odilon-Barrot, der einmal schon in den Februartagen eine ganze Stunde lang Minister war, und auf hohem Rosse über die Boulevards dahin ritt, um diese frohe Botschaft dem Volke zu verkünden, damit es ablasse von fernerem Kampfe. Aber das Volk lachte über den Barrot, wie er sich in vollem Ernste eine solche Wichtigkeit beilegen konnte; es lachte über den Mann des passiven Widerstandes, der dem Volke weiter nichts als kleine Wahlreformen zu geben hatte. Der ausgelachte, verschollene Odilon-Barrot, der in seinen größten Glanztagen, in seinem heftigsten Pathos, immer eine widerwärtige Erscheinung war, ist die einzige Notabilität im neuen Ministerium. Die andern, das ist so politischer Nachwuchs, ministerielles Unterfutter, wie unter Guizot die Trezel's und Jayr, die Niemand vor ihrem Eintritt ins Ministerium kannte. Hat einer nur einigermaßen etwas von alten ministeriellem Stoffe in sich, wie z. B. Remusat, so thut er vornehm-spröde, ohne deshalb die Herablassenheit so weit zu treiben, daß er mit Stiefeln und Sporen ins neue Ministerium eintreten wolle. Napoleon ist ein armer Mann, der plötzlich reich geworden ist, und nun gerne Noblesse an seiner Tafel haben möchte. Aber die Noblesse selbst hütet sich, sie schickt Leute ihres Gelichters hin, um so durch Stellvertreter ihm die ersehnte Ehre anzuthun: Alles zum Heil und Wohl des Vaterlandes. Passy soll nach langem Weigern sich endlich entschlossen haben, das Finanzministerium anzunehmen. Madame Fould wäre beinahe Frau Ministerin geworden. Fallour hat das Ministerium des Unterrichts nur auf die dringenden Vorstellungen Montalemberts angenommen. Mit einem Worte, es ist dies, wie die Debats bemerken, ein Ministerium der Dei minores. Paris, 18. Dez. Die Kommission der Nationalversammlung, die sich mit Prüfung der Wahlprotokolle beschäftigt, hat die Prüfung von etwa 60 Departements erledigt. Hoffentlich wird sie morgen ihren Bericht abstatten und der Präsident übermorgen proklamirt werden. Die Kommission hat einige Tausende von Stimmzetteln, welche nur die Namen „Louis Napoleon“ oder „Louis Bonaparte“ trugen, und deshalb annullirt wurden, dennoch als gültig erkannt. Cavaignac hat außer dem Departement der Rhonemündungen fast nirgends die Majorität erhalten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz174_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz174_1848/3
Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 174. Köln, 21. Dezember 1848, S. 0939. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz174_1848/3>, abgerufen am 23.11.2024.