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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 177. Köln, 24. Dezember 1848. Beilage.

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Beilage zu Nr. 177 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Sonntag 24. Dezember 1848.
[Italien]

Dämpfer an. Cavaignac's Plan, den Papst durch jenen nach Frankreich zu entführen und die Entführung in seinem Interesse bei den Wahlen auszubeuten, war nun, durch das inzwischen erfolgte Einverständniß des Papstes mit Neapel, gescheitert. Hätte sich der König von Neapel abgeneigt gezeigt, so wäre der Papst jetzt wahrscheinlich schon auf französischem Boden und würde als Puppe für Cavaignac's Zwecke wirken. Cavaignac hatte das Netz fein genug angelegt: es war ihm recht, daß der Papst nach Spanien ging, und dadurch dupirte er die auswärtige Diplomatie zu Rom dergestalt, daß sie in die Abreise des Papstes willigte; dann hielt er den spanischen Dämpfer um 48 Stunden zurück, und schickte an seiner Statt jenen französischen. Unglücklicherweise für ihn hatte inzwischen, wie wir gesehen haben, der Papst sich bereits unserm Bombardatore in die Arme geworfen.

068

Zu Parma fand am 9. Dez. eine tumultuarische Demonstration gegen ein paar österreichische Polizeiagenten statt. Die Nationalgarde, um den österreichischen Truppen jeden Vorwand zur Betretung der Stadt zu nehmen, stellte die Ruhe selbst wieder her. -- Die neapolitanischen Blätter reden von der Bildung eines neuen Kabinets unter Filangire. -- Garibaldi und Mazzini sind am 12. Dezbr. früh morgens zu Rom angekommen und festlich empfangen worden. -- Zu Turin hat das Ministerium Gioberti sein Programm veröffentlicht. Es erklärt, daß die italienische Unabhängigkeit ohne den Krieg sich nicht verwirklichen kann.

Es empfiehlt festes Zusammenhalten der italienischen Staaten unter sich.

Französische Republik.
16 Paris, 21. Decbr.

Die Komödie ist im schönsten Gange; Prinz Bonaparte hatte noch nicht die drei kleinen Wörtchen: je le jure (ich schwöre es) gesprochen, und schon schlugen Alexander Dumas und Victor Hugo "die Pauke ewigen Ruhmes" und bliesen Tusch: "Ja, Prinz, Sie, Erkorener von 5 Millionen auf 7 Millionen Stimmender, Sie sind berufen von Gott Ordnung und Erwerb herzustellen. Oeffnen Sie die Thore des Vaterlandes dem edeln Herzdge von Bordeaux, den großherzigen Herzogen Joinville, Aumale und Montpensier nicht minder, die ja nur durch die Schuld anderer verbannt wurden. Prinz, seien Sie würdig des erhabenen Namens, den Sie tragen, rufen Sie zurück alle jene unglücklichen Fürsten." Der Leser glaubt vielleicht zu träumen? nicht doch, es steht schwarz auf weiß im "Evenement." Da steht auch, daß Amnestie gegen "Gesellschaftsumstürzer", d. h. die Junimärtyrer, eine Thorheit sei, höchstens dürften einige "begnadigt" werden. Da steht auch "der Prinz" solle baldmöglichst, um den Frieden nach außen wie immer zu schirmen, um dem Vaterlande und Europa eine zwiefache Garantie zu bieten, das stehende Heer von 200,000 Mann auflösen und alle Klubs schließen." Klubs thuen nimmer gut (sagt Alexander Dumas der Romanschreiber), wo das Volk selbst sein eigeer König geworden ist; Klubs können es nur stören im Genuß seiner Hoheitsrechte, folglich müssen sie aufgehoben werden" Dumas ist ein verächtlicher Bajazzo; einst Roman- und Bühnenschreiber, Freund und Hofmann der Lousphilipp'schen Prinzen, dann vor dem Provisorium wedelnd, dann Mitarbeiter an der "Liberte" und Kommunistenfresser, dann Kandidat zur Volksvertreterschaft und seine Verdienste in victorhugo'schen Marktschreierstyl auf Mauerzetteln affischirend, dann mit Glanz durchfallend und aus Grimm darüber bonapartistisch gesinnt; das ist der Herr Marquis de la Pailletterie, wie Dumas sich von Louis Philipp taufen ließ. Victor Hugo ist um nichts besser. Beide hegen "einen großen Abscheu vor Guillotine und Assignatenpresse", dem sie in ihren Wahladressen aufs burleskpathetischste Luft machten; "leicht dürften sie in der That, sagt "Peuple souverain", in Lyon das runde Fenster passiren (d. h. den Kopf durch das Guillotinenloch stecken müssen), wo schon bessere und größere Poeten in drr 90er Revolution passiren mußten." Diese Umgebung des Prinzen ist ganz wie gemacht, "um ihn seine Straße sacht zu führen"; dazu das neue Ministerium, dies Monstrum horrendum, "worin (um mit dem Charivari zu reden) bloß noch der große Alexander Weill fehle, und wir können dreist rufen: er ist besorgt und aufgehoben!" Der "National de l'Quest" sagt in einer Reihe sehr guter Briefe aus Paris über die Situation: "Beim Lichte beschaut, ist Bonaparte in sehr übler Lage, fällt er noch obendrein in Nepotismus, macht er z. B. wie es heißt, den Pierre Bonaparte zum Gouverneur von Afrika, schleppt er andere Anhängsel des von Gott mit Kindern gesegneten Stammes in die hohen Aemter, so mag er zusehen, wie er fertig wird. Die Partei des alten Königs Jerome von Westphalen ist sehr exaltirt, ihr Blatt, la Liberte, phantasirt von Staatsstreichen a la Napoleon. Das könnte dem Prinzen böse bekommen. Er weiß schon jetzt kaum, wie er mit Cavaignac umspringen soll; er wird ihm den Marschallsstab und das Großkreuz geben. Noch schlimmer ist er mit der Montagne dran, die zwar nicht zahlreich in der Kammer ist, aber immerhin eine halbe Million Wähler, und zwar energische, hellblickende Vaterlandsfreunde, zählt. Der Erwählte kann unmöglich diese Masse außer Acht lassen; reicht er ihr aber die Hand, so bricht die Bourgeoisie mit ihm. Eine verteufelte Zwickmühle! Und begünstigt er die Arbeiterassociationen, so zieht er sich die Finanzaristokratie auf den Hals, diese geschwornen Todfeinde aller und jeder Association, die nicht aus Bourgeoiselementen besteht. Hat doch selbst die Kammercommission Unterstützungsfonds lediglich der Associationen zwischen Arbeiter und Meister, und keineswegs zwischen Arbeitern, bewilligt; so pfiffig ist die Bourgeoisie. Die Montagne will aber gerade Arbeiterassociationen, Progressivsteuern, Solidarität in der That." -- Die Karrikaturen auf den Prinzen sind wieder köstlich, z. B. eine Schaar Ochsen, Esel, Schaafe auf den Hinterbeinen stehend verneigt sich tief vor einer aufgehenden Sonne, die das Antlitz des Erwählten trägt; der Prinz als Däumling klettert mit einem langen Zopf auf den Riesenstiefel des Oheims; auf einem im Mausern begriffenen struppigen Adler reitend, eilt er, als englischer Konstabler kostümirt, dem Kirchthurm zu auf dem presidence francaise zu lesen; er gibt Nikolaus und Windischgrätz die Hand und Girardin öffnet als Lakai den Kutschenschlag etc. -- Ein Banket aus 60 französischen und fremden Studenten bestehend, fand vorgestern wieder im Salon der associirten Köche statt, und war eins der brüderlichsten und innigsten die wir gesehen; Proudhon sprach über die Nothwendigkeit der Einigung des Hand- und Geistarbeiters, P. Leroux über den Aufgang des Vernunftstaates, d. h. der Republik, und entwickelte Deutschlands Ruhm als "Land Luther's und der Philosophie", Lachambaudie und Düpont sangen selbst gemachte Lieder, deren eins "das Hungerlied" mit dem Refrain: il faut du pain, il faut du pain (Brod! Brod;) eine ergreifende Wirkung machte; des deutschen pariser Vereins Vertreter sprach über Socialismus; ein Mitglied der ehemaligen rumanisch-walachischen Regierung, Brattiano, sprach über Nothwendigkeit des energischen Einschreitens Frankreichs in die Donauangelegenheiten, Rumanien sei Frankreichs Zögling; ein englischer, portugiesischer, östreichischer und viele französische Studenten sprachen.

12 Paris, 22. Dezbr.

So komplet, so radikal, so mit einem Male ist noch nie eine Partei geschlagen worden, als die des Nationals. Minister, Präfekt und Postdirektor -- Alles ist wie gesäubert worden von dem neuen Präsidenten, und von allem seinem früheren Glanze und seinen früheren Posten ist dem National weiter nichts geblieben, als der Händedruck, den Napoleon bei seiner Antrittsrede dem General Cavaignac zum Abschiede gab. Wenn unter Louis Philipp ein Ministerwechsel eintrat, so geschah dieses in Folge einer Krisis, die lange Transaktionen, lange Unterhandlungen nöthig machte, und nie war es möglich, daß das neue Ministerium so zu sagen tablua rasa machen konnte. Es mußten immer gewisse Elemente von dem alten Ministerium beibehalten werden; denn das alte politische Ministerium vertrat immer in der sozialen Welt eine gewisse Bourgeois-Partei, mit ganz bestimmten Bourgeois-Interessen, und daher war es auch immer möglich, daß die geschlagene Partei spät oder früh wieder zur Herrschaft gelangte. Die Partei des National vertrat keine andere Interessen, als ihre eigenen, sie hatte weder in der Bourgeoisie, noch vielweniger im Proletariate Wurzel schlagen können. Im Gegentheile: Letzteres hätte ihr beinahe unter Louis Philipp die Presse entzwei geschlagen. Aber diese Partei bedurfte der Bourgeoisie, um sich zu halten; und die Bourgeoisie, in Ermangelung einer anderen Partei, der sie unter der Firma der Republik ihre Interessen hätte anvertrauen können, bedurfte des Nationals. Der National war eine Nothhülfe für die Bourgeoisie; die Bourgeoisie war für den National eine nothwendige Hülfe; der National hatte es nicht einmal so weit gebracht, daß er die Bourgeois-Verhältnisse ideologisch vertrat; er vertrat nur die Interessen seiner Redakteure. Mit dem Händedruck. den Napoleon dem Cavaignac gab, können wir dreist behaupten, daß es mit dem National abgemacht ist. Der National hatte einen veralteten Ehrgeitz, eine verwes'te Ideologie; er handelte mit Antiken und diese Antiken waren seine Aushängeschilder.

Wenn man unter Louis Philipp von Republik sprach, so dachten die Bourgeois gleich an den National, der dieses Thema in einer verdeckten Form abhandelte. Von den Streitigkeiten innerhalb der Partei, zwischen Reform, National und Populaire hatten sie keine Ahnung. Als nach dem Sturze des Königthums die Republik proklamirt war, waren sie ganz erstaunt, zu sehn, daß der National lange nicht ein so gefährliches Ding sei als sie glaubten, und als nun gar der National ihrer noch mehr bedurfte, als sie des Nationals. da war es um die Herrschaft des Nationals geschehen. Der National kann nicht mehr zur Herrschaft, gelangen weil die Bourgeoisie ein ganz anderes Aushängeschild für die Republik gefunden hat als Marrast und Konsorten. Napoleon als solcher nimmt der Republik gegenüber ganz dieselbe Stellung ein, wie Marrast, nur datirt er etwas später. Der Mann, welcher an der Spitze seines Ministeriums steht, Odilon-Barrot, ist grade derjenige, welchen Louis Philipp im Februar-Kampfe, nachdem er schon fast Alles verloren gab, mit der Bildung eines neuen Ministeriums beauftragt hatte, und der vom siegenden Proletariat mit so furchtbarem Hohne empfangen wurde. Odilon-Barrot spielt dieselbe Rolle wie Marrast und Bastide. Schon unter Louis Philipp, als Präfekt oder Minister hat er sich immer nur sehr kurze Zeit halten können; seine Bourgeois-Ideologie ist so arm, so dürftig; er weiß so wenig die nimmer neu sich gestaltenden Bourgeois-Verhältnisse in neue Rechtsformen zu bringen, den "Rechtsboden" nach den verschiedenen Umständen zu verkürzen und zu verlängern, sein Recht und seine Moral sind so bornirt, daß ihn seine Moral und seine Rechtsphilosophie jedes Mal zu Boden schlägt. Die Männer, welche Odilon-Barrot in sein Ministerium zieht, sind alle sekundäre Personagen, lauter Leute, die von Thiers und Guizot als Lückenfüller benutzt wurden, und mit denen nun Napoleon die dritte Restauration in's Leben zu rufen gedenkt. Napoleon hat 5 1/2 Millionen Stimmen: was kann man nicht mit dieser Majorität alles machen? Girardin hat schon einen völligen Regierungsplan entworfen; 3 Minister, einer, der dirigirt, ein anderer, der empfängt, und der dritte, der ausgibt. Das ist Alles sehr einfach; jeder der Minister hat wiederum verschiedene Direktionen unter sich. Alles dieses soll natürlich im Namen des Präsidenten Louis Napoleon dekretirt werden. Vielleicht wird Girardin dirigirender Minister und dann beruht die ganze Sache am Ende nur auf dem Minister, der empfängt und auf dem Minister, der ausgibt, in letzter Instanz auf den 5 1/2 Millionen, von denen empfangen wird. Dte Proletarier, welche das alte regime zu Boden geschlagen haben, sind nur noch für Girardin Köpfe die besteuert werden, und was den revolutionären Kampf im Auslande betrifft, So geht dieser Frankreich nicht an. Girardin ist für den Napoleon des Friedens, und die 4 Millionen, die den Napoleon erwählt haben, sind keine Demokraten, sondern Freunde des Herrn Girardin, Freunde des Friedens, Freunde der Girardinschen Erwerbsmanier. Dieser ehemalige Commis, der seine politische Karriere damit angefangen, daß er sich gewaltsam einen Vater gab und vom Excrocquier sich bis zum Deputirten hinaufgearbeitet hatte, steht jetzt hinter Napoleon; ihm zur Seite steht die lebendige Bourgeois-Moral in Gestalt Barrots; aber eine Moral, dir sich selbst schon auf frischer That von Immoralität erwischt hat, die von der Regentschaft zum Republikanerthum, und vom Republikanerthum zum Napoleanerthum übergegangen. Und die Arbeiter verlangen ihr droit au travail, die Bauern die Unterdrückung der Steuern: Alle den alten Ruhm, die alte Ehre .... und Girardin der Ehrlose und Napoleon und Barrot, der Biedermann, wähnen eine dritte Restauration machen zu können.

Paris, 21. Dez.

Gestern Abend 6 Uhr, unmittelbar nach der Installation des neuen Präsidenten in seiner Wohnung (Elysee National), empfing Marrast, als Präsident der Nationalversammlung, von dem Installirten folgende Botschaft:

Elysee National, 20. Dezember.

Herr, Präsident. Ich bitte Sie, der Nationalversammlung anzuzeigen, daß ich in Gemäßheit des Art. 64 der Verfassung, mittelst Dekrets vom heutigen Tage ernannt habe:

1) Hr. Odilon-Barrot, Volksvertreter, zum Minister der Justiz, mit dem Auftrage, den Ministerrath zu präsidiren, wenn der Präsident der Republik behindert ist;

2) Hr. Drouyn de Lhuys, Volksvertreter, zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten;

3) Hr. Leon de Maleville, Volksvertreter, Minister des Innern;

4) Hr. Rulhieres, Volksvertreter und Divisionsgeneral, zum Minister des Kriegs;

5) Hr. de Tracy, Volksvertreter, zum Minister der Marine und Kolonien;

6) Hr. de Falloux, Volksvertreter, zum Minister des öffentlichen Unterrichts und der Kulten;

7) Hr. Leon Faucher, Volksvertreter, zum Minister der Staatsbauten;

8) Hr. Bixio, Vicepräsident der Nationalversammlung, zum Minister des Ackerbaus und Handels;

9) Hr. Hippolyte Passy, Mitglied des Instituts, zum Minister der Finanzen.

"Empfangen Sie, Herr Präsident, die Vesicherung meiner hohen Achtung."

(gez.) Louis Napoleon Bonaparte.

(Gegengez.) Odilon Barrot, Justizminister.

-- Um 6 1/2 Uhr verkündeten 101 Kanonenschüsse vom Invalidenhofe her das wichtige Ereigniß der Proklamation des neuen Präsidenten, die man erst am Sonnabend oder Montag gewärtigt hatte.

Einige Theater und Privathäuser längs den Boulevards zündeten Lampen und Transparente mit den Namenszügen des Installirten an, die jedoch der scharfe Nordwind bald wieder auslöschte. Die eigentliche Proklamations-Illumination wird erst später stattfinden.

-- Um 10 Uhr wurde ein Extrablatt des Moniteur in die Wohnungen sämmtlicher Volksvertreter getragen, das ihnen das neue Ministerium sowie die Ernennungen Changarnier's, Bugeaud's, Berger's und Rebillaut's zu den von uns bereits früher angezeigten Aemtern meldete.

Changarnier ist zum Oberbefehlshaber sämmtlicher Militär und Bürgerwehrkräfte sowie der Mobilgarde von Paris ernannt und behält sein Hauptlager in den Tuilerien. Bugeaud ist zum Befehlshaber der Alpenarmee ernannt und wird sein Hauptquartier in Bourges aufschlagen. Berger, Exmaire, tritt als Seinepräfekt an Recurt's Stelle, der gestern seine Entlassung eingereicht, und der Gensdarmeriekommandant Rebillaut an die Stelle Gervais du Caen. Carlier, der Gegner Ledru-Rollin's, verläßt das Ministerium des Innern, um, wie unter Louis Philipp, die Pariser Stadtpolizei zu leiten.

-- Viel Neugierige vor der Wohnung des neuen Präsidenten im Elisee-National, die der Kälte trotzen, um denselben zu sehen. Ihre Hoffnung wurde leider vereitelt.

-- Thayer tritt an Arago's Stelle als Postdirektor.

-- Der Moniteur und alle Journale bringen heute Spezialabdrücke der Bonapartischen Antrittsrede, deren wesentlichen Inhalt wir bereits gestern mittheilten.

-- Als Louis Napoleon Bonaparte gestern von der Bühne der Nationalversammlung stieg, schritt er der Bank zu, auf welcher Cavaignac saß. General, sagte er tief gerührt: "Ich bin stolz darauf, einem solchen Manne wie Sie folgen zu können."

Cavaignac reichte ihm, ohne aufzustehen, die Hand, die sein Nachfolger konvulsivisch drückte. Das ist die große Scene, von der heute die Blätter so gewaltigen Lärmen schlagen.

-- Cavaignac ließ schon im Laufe des gestrigen Tages seine Karte bei Napoleon abgeben.

-- Bonaparte verlangt, wie wir hören, die Bagatelle von 5 Mill. Fr. Repräsentationskosten.

-- Changarnier, Oberbefehlshaber der gesammten Pariser Bürgerwehr und der Streitkräfte der 1. Militärdivision, wozu nun auch die Mobilgarde gehört, erläßt folgenden Tagesbefehl:

Tagesbefehl.

"Der General Changarnier ist mit dem Oberkommando der Bürgerwehr des Seinedepartements, der Mobilgarde und aller Truppen bekleidet, welche im ganzen Bereich der 1. Militärdivision liegen. Sein Hauptquartier ist im Palast der Tuilerien errichtet. Die Generalstäbe der Bürgerwehren des Seinedepartements und der Mobilgarde behalten ihre bisherige Organisation und Attribution bei. Der Generalstab der Linientruppen tritt unter Oberleitung des Obersten Rollin. Die Eintheilung der Divisionen, Unterdivisionen und Brigaden bleibt dieselbe; die Generäle, welche sie befehligen, fahren fort, mit dem Oberbefehlshaber zu korrespondiren, wobei sie sich den Regeln der Hierarchie, außer in außerordentlichen und unvorhergesehenen Fällen, zu unterwerfen haben. Alle Briefe und Pakete, die den Bürgerwehr- oder Militärdienst betreffen, sind an den Oberbefehlshaber zu richten, jedoch das Couvert an den in dem Tuilerienpalast etablirten Chef des Generalstabs zu adressiren. Indem der Oberbefehlshaber von dieser neuen Stellung Besitz ergreift, zählt derselbe auf den Patriotismus, Muth und die Disciplin, wovon die Truppen so häufige Beweise gegeben haben. Sie können ihrer Seits auf die Sorgfalt des Obergenerals für ihr Wohlsein und Interesse zählen."

Im Generalhauptquartier zu Paris, den 20. Dez. 1848.

gez. Changarnier.

-- Nationalversammlung. Sitzung vom 21. Decbr. Anfang 2 Uhr. Vorsitzender, Vicepräsident Lacrosse.

Das Militär ist sowohl vom Concordiaplatze als aus dem Tuileriengarten verschwunden. Aber die Galerien sind in der Erwartung neuer Ueberraschungen wieder überfüllt. Die neuen Minister: Bixio, Leon de Malleville, de Falloux etc. sitzen auf den vordersten (Minister) Bänken.

Das Protokoll wird verlesen.

Lacrosse liest die Dekrete vor, welche die neuen Minister ernennen.

Lesaux reicht seine Entlassung ein.

Dann wird eine Menge von Gesetzentwürfen von lokaler Natur erledigt. Z. B. die Städte Montaubon, Le Puy, Soissons etc. bitten um die Erlaubniß, sich übersteuern zu dürfen, um ihr Proletariat ernähren zu können. Ueberall erblickt man dasselbe Hungergespenst. -- Wird genehmigt.

Andre liest einen Stoß von Petitionen vor. (Kein Mensch hört darauf.)

Bourbeau desgleichen. Der Lärm und die allgemeine Plauderei nimmt so überhand, daß wir nichts verstehen können

Casabianca, David (Angers), de Laussat erfahren dasselbe Schicksal.

Hortensius de St. Albin mit seiner bekannten Naivetät: Eine wichtige Petition nach der andern wird verlesen und kein Mensch schenkt ihnen auch nur die geringste Aufmerksamkeit. Geht das so fort, so schlage ich vor, daß der Präsident die Sitzung aufhebe (Oh! Oh! Nein! Nein!)

Die Bittschriftenplage beginnt von Neuem. Die Sitzung scheint rein verloren.

Nach Erledigung der Petitionen verliest Lacrosse einen Gesetzentwurf, welcher einen Kredit von 183,770 Franken verlangt, um die rückständigen Gehalte aller Lehrer des öffentlichen Unterrichts auszuzahlen. Die Lage derselben ist entsetzlich u. s. w. Beide Minister des Unterrichts, sowohl der abtretende als antretende, seien über die Dringlichkeit des Dekrets einverstanden.

Die Versammlung bewilligt den Kredit und die Sache ist abgemacht.

Lacrosse: Morgen haben sich die Glieder in den Abtheilungen zu versammeln, um die Commissarien zu ernennen, welche die Commission bilden sollen, die zunächst über das Wahlgesetz (das Erste der organischen Gesetze) zu berathen habe. Dieselbe Commission hat auch die anderen organischen Gesetze zu entwerfen. Sie soll damit bis nächsten Dienstag fertig sein. Darum werde ich jetzt die Tagesordnung vom 26. December vorlesen. (Er liest die Tagesordnung vor)

Die Versammlung vertagt sich bis Dienstag den 26. Decbr.

Bis dahin sitzt nur obige Commission zur Ausarbeitung der organischen Gesetze. Eine öffentliche Sitzung findet nicht statt.

Die Sitzung wird 15 Minuten vor 5 Uhr aufgehoben.

Beilage zu Nr. 177 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Sonntag 24. Dezember 1848.
[Italien]

Dämpfer an. Cavaignac's Plan, den Papst durch jenen nach Frankreich zu entführen und die Entführung in seinem Interesse bei den Wahlen auszubeuten, war nun, durch das inzwischen erfolgte Einverständniß des Papstes mit Neapel, gescheitert. Hätte sich der König von Neapel abgeneigt gezeigt, so wäre der Papst jetzt wahrscheinlich schon auf französischem Boden und würde als Puppe für Cavaignac's Zwecke wirken. Cavaignac hatte das Netz fein genug angelegt: es war ihm recht, daß der Papst nach Spanien ging, und dadurch dupirte er die auswärtige Diplomatie zu Rom dergestalt, daß sie in die Abreise des Papstes willigte; dann hielt er den spanischen Dämpfer um 48 Stunden zurück, und schickte an seiner Statt jenen französischen. Unglücklicherweise für ihn hatte inzwischen, wie wir gesehen haben, der Papst sich bereits unserm Bombardatore in die Arme geworfen.

068

Zu Parma fand am 9. Dez. eine tumultuarische Demonstration gegen ein paar österreichische Polizeiagenten statt. Die Nationalgarde, um den österreichischen Truppen jeden Vorwand zur Betretung der Stadt zu nehmen, stellte die Ruhe selbst wieder her. — Die neapolitanischen Blätter reden von der Bildung eines neuen Kabinets unter Filangire. — Garibaldi und Mazzini sind am 12. Dezbr. früh morgens zu Rom angekommen und festlich empfangen worden. — Zu Turin hat das Ministerium Gioberti sein Programm veröffentlicht. Es erklärt, daß die italienische Unabhängigkeit ohne den Krieg sich nicht verwirklichen kann.

Es empfiehlt festes Zusammenhalten der italienischen Staaten unter sich.

Französische Republik.
16 Paris, 21. Decbr.

Die Komödie ist im schönsten Gange; Prinz Bonaparte hatte noch nicht die drei kleinen Wörtchen: je le jure (ich schwöre es) gesprochen, und schon schlugen Alexander Dumas und Victor Hugo „die Pauke ewigen Ruhmes“ und bliesen Tusch: „Ja, Prinz, Sie, Erkorener von 5 Millionen auf 7 Millionen Stimmender, Sie sind berufen von Gott Ordnung und Erwerb herzustellen. Oeffnen Sie die Thore des Vaterlandes dem edeln Herzdge von Bordeaux, den großherzigen Herzogen Joinville, Aumale und Montpensier nicht minder, die ja nur durch die Schuld anderer verbannt wurden. Prinz, seien Sie würdig des erhabenen Namens, den Sie tragen, rufen Sie zurück alle jene unglücklichen Fürsten.“ Der Leser glaubt vielleicht zu träumen? nicht doch, es steht schwarz auf weiß im „Evènement.“ Da steht auch, daß Amnestie gegen „Gesellschaftsumstürzer“, d. h. die Junimärtyrer, eine Thorheit sei, höchstens dürften einige „begnadigt“ werden. Da steht auch „der Prinz“ solle baldmöglichst, um den Frieden nach außen wie immer zu schirmen, um dem Vaterlande und Europa eine zwiefache Garantie zu bieten, das stehende Heer von 200,000 Mann auflösen und alle Klubs schließen.“ Klubs thuen nimmer gut (sagt Alexander Dumas der Romanschreiber), wo das Volk selbst sein eigeer König geworden ist; Klubs können es nur stören im Genuß seiner Hoheitsrechte, folglich müssen sie aufgehoben werden“ Dumas ist ein verächtlicher Bajazzo; einst Roman- und Bühnenschreiber, Freund und Hofmann der Lousphilipp'schen Prinzen, dann vor dem Provisorium wedelnd, dann Mitarbeiter an der „Liberté“ und Kommunistenfresser, dann Kandidat zur Volksvertreterschaft und seine Verdienste in victorhugo'schen Marktschreierstyl auf Mauerzetteln affischirend, dann mit Glanz durchfallend und aus Grimm darüber bonapartistisch gesinnt; das ist der Herr Marquis de la Pailletterie, wie Dumas sich von Louis Philipp taufen ließ. Victor Hugo ist um nichts besser. Beide hegen „einen großen Abscheu vor Guillotine und Assignatenpresse“, dem sie in ihren Wahladressen aufs burleskpathetischste Luft machten; „leicht dürften sie in der That, sagt „Peuple souverain“, in Lyon das runde Fenster passiren (d. h. den Kopf durch das Guillotinenloch stecken müssen), wo schon bessere und größere Poeten in drr 90er Revolution passiren mußten.“ Diese Umgebung des Prinzen ist ganz wie gemacht, „um ihn seine Straße sacht zu führen“; dazu das neue Ministerium, dies Monstrum horrendum, „worin (um mit dem Charivari zu reden) bloß noch der große Alexander Weill fehle, und wir können dreist rufen: er ist besorgt und aufgehoben!“ Der „National de l'Quest“ sagt in einer Reihe sehr guter Briefe aus Paris über die Situation: „Beim Lichte beschaut, ist Bonaparte in sehr übler Lage, fällt er noch obendrein in Nepotismus, macht er z. B. wie es heißt, den Pierre Bonaparte zum Gouverneur von Afrika, schleppt er andere Anhängsel des von Gott mit Kindern gesegneten Stammes in die hohen Aemter, so mag er zusehen, wie er fertig wird. Die Partei des alten Königs Jerome von Westphalen ist sehr exaltirt, ihr Blatt, la Liberté, phantasirt von Staatsstreichen à la Napoléon. Das könnte dem Prinzen böse bekommen. Er weiß schon jetzt kaum, wie er mit Cavaignac umspringen soll; er wird ihm den Marschallsstab und das Großkreuz geben. Noch schlimmer ist er mit der Montagne dran, die zwar nicht zahlreich in der Kammer ist, aber immerhin eine halbe Million Wähler, und zwar energische, hellblickende Vaterlandsfreunde, zählt. Der Erwählte kann unmöglich diese Masse außer Acht lassen; reicht er ihr aber die Hand, so bricht die Bourgeoisie mit ihm. Eine verteufelte Zwickmühle! Und begünstigt er die Arbeiterassociationen, so zieht er sich die Finanzaristokratie auf den Hals, diese geschwornen Todfeinde aller und jeder Association, die nicht aus Bourgeoiselementen besteht. Hat doch selbst die Kammercommission Unterstützungsfonds lediglich der Associationen zwischen Arbeiter und Meister, und keineswegs zwischen Arbeitern, bewilligt; so pfiffig ist die Bourgeoisie. Die Montagne will aber gerade Arbeiterassociationen, Progressivsteuern, Solidarität in der That.“ — Die Karrikaturen auf den Prinzen sind wieder köstlich, z. B. eine Schaar Ochsen, Esel, Schaafe auf den Hinterbeinen stehend verneigt sich tief vor einer aufgehenden Sonne, die das Antlitz des Erwählten trägt; der Prinz als Däumling klettert mit einem langen Zopf auf den Riesenstiefel des Oheims; auf einem im Mausern begriffenen struppigen Adler reitend, eilt er, als englischer Konstabler kostümirt, dem Kirchthurm zu auf dem présidence francaise zu lesen; er gibt Nikolaus und Windischgrätz die Hand und Girardin öffnet als Lakai den Kutschenschlag etc. — Ein Banket aus 60 französischen und fremden Studenten bestehend, fand vorgestern wieder im Salon der associirten Köche statt, und war eins der brüderlichsten und innigsten die wir gesehen; Proudhon sprach über die Nothwendigkeit der Einigung des Hand- und Geistarbeiters, P. Leroux über den Aufgang des Vernunftstaates, d. h. der Republik, und entwickelte Deutschlands Ruhm als „Land Luther's und der Philosophie“, Lachambaudie und Düpont sangen selbst gemachte Lieder, deren eins „das Hungerlied“ mit dem Refrain: il faut du pain, il faut du pain (Brod! Brod;) eine ergreifende Wirkung machte; des deutschen pariser Vereins Vertreter sprach über Socialismus; ein Mitglied der ehemaligen rumanisch-walachischen Regierung, Brattiano, sprach über Nothwendigkeit des energischen Einschreitens Frankreichs in die Donauangelegenheiten, Rumanien sei Frankreichs Zögling; ein englischer, portugiesischer, östreichischer und viele französische Studenten sprachen.

12 Paris, 22. Dezbr.

So komplet, so radikal, so mit einem Male ist noch nie eine Partei geschlagen worden, als die des Nationals. Minister, Präfekt und Postdirektor — Alles ist wie gesäubert worden von dem neuen Präsidenten, und von allem seinem früheren Glanze und seinen früheren Posten ist dem National weiter nichts geblieben, als der Händedruck, den Napoleon bei seiner Antrittsrede dem General Cavaignac zum Abschiede gab. Wenn unter Louis Philipp ein Ministerwechsel eintrat, so geschah dieses in Folge einer Krisis, die lange Transaktionen, lange Unterhandlungen nöthig machte, und nie war es möglich, daß das neue Ministerium so zu sagen tablua rasa machen konnte. Es mußten immer gewisse Elemente von dem alten Ministerium beibehalten werden; denn das alte politische Ministerium vertrat immer in der sozialen Welt eine gewisse Bourgeois-Partei, mit ganz bestimmten Bourgeois-Interessen, und daher war es auch immer möglich, daß die geschlagene Partei spät oder früh wieder zur Herrschaft gelangte. Die Partei des National vertrat keine andere Interessen, als ihre eigenen, sie hatte weder in der Bourgeoisie, noch vielweniger im Proletariate Wurzel schlagen können. Im Gegentheile: Letzteres hätte ihr beinahe unter Louis Philipp die Presse entzwei geschlagen. Aber diese Partei bedurfte der Bourgeoisie, um sich zu halten; und die Bourgeoisie, in Ermangelung einer anderen Partei, der sie unter der Firma der Republik ihre Interessen hätte anvertrauen können, bedurfte des Nationals. Der National war eine Nothhülfe für die Bourgeoisie; die Bourgeoisie war für den National eine nothwendige Hülfe; der National hatte es nicht einmal so weit gebracht, daß er die Bourgeois-Verhältnisse ideologisch vertrat; er vertrat nur die Interessen seiner Redakteure. Mit dem Händedruck. den Napoleon dem Cavaignac gab, können wir dreist behaupten, daß es mit dem National abgemacht ist. Der National hatte einen veralteten Ehrgeitz, eine verwes'te Ideologie; er handelte mit Antiken und diese Antiken waren seine Aushängeschilder.

Wenn man unter Louis Philipp von Republik sprach, so dachten die Bourgeois gleich an den National, der dieses Thema in einer verdeckten Form abhandelte. Von den Streitigkeiten innerhalb der Partei, zwischen Reform, National und Populaire hatten sie keine Ahnung. Als nach dem Sturze des Königthums die Republik proklamirt war, waren sie ganz erstaunt, zu sehn, daß der National lange nicht ein so gefährliches Ding sei als sie glaubten, und als nun gar der National ihrer noch mehr bedurfte, als sie des Nationals. da war es um die Herrschaft des Nationals geschehen. Der National kann nicht mehr zur Herrschaft, gelangen weil die Bourgeoisie ein ganz anderes Aushängeschild für die Republik gefunden hat als Marrast und Konsorten. Napoleon als solcher nimmt der Republik gegenüber ganz dieselbe Stellung ein, wie Marrast, nur datirt er etwas später. Der Mann, welcher an der Spitze seines Ministeriums steht, Odilon-Barrot, ist grade derjenige, welchen Louis Philipp im Februar-Kampfe, nachdem er schon fast Alles verloren gab, mit der Bildung eines neuen Ministeriums beauftragt hatte, und der vom siegenden Proletariat mit so furchtbarem Hohne empfangen wurde. Odilon-Barrot spielt dieselbe Rolle wie Marrast und Bastide. Schon unter Louis Philipp, als Präfekt oder Minister hat er sich immer nur sehr kurze Zeit halten können; seine Bourgeois-Ideologie ist so arm, so dürftig; er weiß so wenig die nimmer neu sich gestaltenden Bourgeois-Verhältnisse in neue Rechtsformen zu bringen, den „Rechtsboden“ nach den verschiedenen Umständen zu verkürzen und zu verlängern, sein Recht und seine Moral sind so bornirt, daß ihn seine Moral und seine Rechtsphilosophie jedes Mal zu Boden schlägt. Die Männer, welche Odilon-Barrot in sein Ministerium zieht, sind alle sekundäre Personagen, lauter Leute, die von Thiers und Guizot als Lückenfüller benutzt wurden, und mit denen nun Napoleon die dritte Restauration in's Leben zu rufen gedenkt. Napoleon hat 5 1/2 Millionen Stimmen: was kann man nicht mit dieser Majorität alles machen? Girardin hat schon einen völligen Regierungsplan entworfen; 3 Minister, einer, der dirigirt, ein anderer, der empfängt, und der dritte, der ausgibt. Das ist Alles sehr einfach; jeder der Minister hat wiederum verschiedene Direktionen unter sich. Alles dieses soll natürlich im Namen des Präsidenten Louis Napoleon dekretirt werden. Vielleicht wird Girardin dirigirender Minister und dann beruht die ganze Sache am Ende nur auf dem Minister, der empfängt und auf dem Minister, der ausgibt, in letzter Instanz auf den 5 1/2 Millionen, von denen empfangen wird. Dte Proletarier, welche das alte regime zu Boden geschlagen haben, sind nur noch für Girardin Köpfe die besteuert werden, und was den revolutionären Kampf im Auslande betrifft, So geht dieser Frankreich nicht an. Girardin ist für den Napoleon des Friedens, und die 4 Millionen, die den Napoleon erwählt haben, sind keine Demokraten, sondern Freunde des Herrn Girardin, Freunde des Friedens, Freunde der Girardinschen Erwerbsmanier. Dieser ehemalige Commis, der seine politische Karriere damit angefangen, daß er sich gewaltsam einen Vater gab und vom Excrocquier sich bis zum Deputirten hinaufgearbeitet hatte, steht jetzt hinter Napoleon; ihm zur Seite steht die lebendige Bourgeois-Moral in Gestalt Barrots; aber eine Moral, dir sich selbst schon auf frischer That von Immoralität erwischt hat, die von der Regentschaft zum Republikanerthum, und vom Republikanerthum zum Napoleanerthum übergegangen. Und die Arbeiter verlangen ihr droit au travail, die Bauern die Unterdrückung der Steuern: Alle den alten Ruhm, die alte Ehre ‥‥ und Girardin der Ehrlose und Napoleon und Barrot, der Biedermann, wähnen eine dritte Restauration machen zu können.

Paris, 21. Dez.

Gestern Abend 6 Uhr, unmittelbar nach der Installation des neuen Präsidenten in seiner Wohnung (Elysée National), empfing Marrast, als Präsident der Nationalversammlung, von dem Installirten folgende Botschaft:

Elysée National, 20. Dezember.

Herr, Präsident. Ich bitte Sie, der Nationalversammlung anzuzeigen, daß ich in Gemäßheit des Art. 64 der Verfassung, mittelst Dekrets vom heutigen Tage ernannt habe:

1) Hr. Odilon-Barrot, Volksvertreter, zum Minister der Justiz, mit dem Auftrage, den Ministerrath zu präsidiren, wenn der Präsident der Republik behindert ist;

2) Hr. Drouyn de Lhuys, Volksvertreter, zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten;

3) Hr. Leon de Maleville, Volksvertreter, Minister des Innern;

4) Hr. Rulhières, Volksvertreter und Divisionsgeneral, zum Minister des Kriegs;

5) Hr. de Tracy, Volksvertreter, zum Minister der Marine und Kolonien;

6) Hr. de Falloux, Volksvertreter, zum Minister des öffentlichen Unterrichts und der Kulten;

7) Hr. Leon Faucher, Volksvertreter, zum Minister der Staatsbauten;

8) Hr. Bixio, Vicepräsident der Nationalversammlung, zum Minister des Ackerbaus und Handels;

9) Hr. Hippolyte Passy, Mitglied des Instituts, zum Minister der Finanzen.

„Empfangen Sie, Herr Präsident, die Vesicherung meiner hohen Achtung.“

(gez.) Louis Napoleon Bonaparte.

(Gegengez.) Odilon Barrot, Justizminister.

— Um 6 1/2 Uhr verkündeten 101 Kanonenschüsse vom Invalidenhofe her das wichtige Ereigniß der Proklamation des neuen Präsidenten, die man erst am Sonnabend oder Montag gewärtigt hatte.

Einige Theater und Privathäuser längs den Boulevards zündeten Lampen und Transparente mit den Namenszügen des Installirten an, die jedoch der scharfe Nordwind bald wieder auslöschte. Die eigentliche Proklamations-Illumination wird erst später stattfinden.

— Um 10 Uhr wurde ein Extrablatt des Moniteur in die Wohnungen sämmtlicher Volksvertreter getragen, das ihnen das neue Ministerium sowie die Ernennungen Changarnier's, Bugeaud's, Berger's und Rebillaut's zu den von uns bereits früher angezeigten Aemtern meldete.

Changarnier ist zum Oberbefehlshaber sämmtlicher Militär und Bürgerwehrkräfte sowie der Mobilgarde von Paris ernannt und behält sein Hauptlager in den Tuilerien. Bugeaud ist zum Befehlshaber der Alpenarmee ernannt und wird sein Hauptquartier in Bourges aufschlagen. Berger, Exmaire, tritt als Seinepräfekt an Recurt's Stelle, der gestern seine Entlassung eingereicht, und der Gensdarmeriekommandant Rebillaut an die Stelle Gervais du Caen. Carlier, der Gegner Ledru-Rollin's, verläßt das Ministerium des Innern, um, wie unter Louis Philipp, die Pariser Stadtpolizei zu leiten.

— Viel Neugierige vor der Wohnung des neuen Präsidenten im Elisée-National, die der Kälte trotzen, um denselben zu sehen. Ihre Hoffnung wurde leider vereitelt.

— Thayer tritt an Arago's Stelle als Postdirektor.

— Der Moniteur und alle Journale bringen heute Spezialabdrücke der Bonapartischen Antrittsrede, deren wesentlichen Inhalt wir bereits gestern mittheilten.

— Als Louis Napoleon Bonaparte gestern von der Bühne der Nationalversammlung stieg, schritt er der Bank zu, auf welcher Cavaignac saß. General, sagte er tief gerührt: „Ich bin stolz darauf, einem solchen Manne wie Sie folgen zu können.“

Cavaignac reichte ihm, ohne aufzustehen, die Hand, die sein Nachfolger konvulsivisch drückte. Das ist die große Scene, von der heute die Blätter so gewaltigen Lärmen schlagen.

— Cavaignac ließ schon im Laufe des gestrigen Tages seine Karte bei Napoleon abgeben.

— Bonaparte verlangt, wie wir hören, die Bagatelle von 5 Mill. Fr. Repräsentationskosten.

— Changarnier, Oberbefehlshaber der gesammten Pariser Bürgerwehr und der Streitkräfte der 1. Militärdivision, wozu nun auch die Mobilgarde gehört, erläßt folgenden Tagesbefehl:

Tagesbefehl.

„Der General Changarnier ist mit dem Oberkommando der Bürgerwehr des Seinedepartements, der Mobilgarde und aller Truppen bekleidet, welche im ganzen Bereich der 1. Militärdivision liegen. Sein Hauptquartier ist im Palast der Tuilerien errichtet. Die Generalstäbe der Bürgerwehren des Seinedepartements und der Mobilgarde behalten ihre bisherige Organisation und Attribution bei. Der Generalstab der Linientruppen tritt unter Oberleitung des Obersten Rollin. Die Eintheilung der Divisionen, Unterdivisionen und Brigaden bleibt dieselbe; die Generäle, welche sie befehligen, fahren fort, mit dem Oberbefehlshaber zu korrespondiren, wobei sie sich den Regeln der Hierarchie, außer in außerordentlichen und unvorhergesehenen Fällen, zu unterwerfen haben. Alle Briefe und Pakete, die den Bürgerwehr- oder Militärdienst betreffen, sind an den Oberbefehlshaber zu richten, jedoch das Couvert an den in dem Tuilerienpalast etablirten Chef des Generalstabs zu adressiren. Indem der Oberbefehlshaber von dieser neuen Stellung Besitz ergreift, zählt derselbe auf den Patriotismus, Muth und die Disciplin, wovon die Truppen so häufige Beweise gegeben haben. Sie können ihrer Seits auf die Sorgfalt des Obergenerals für ihr Wohlsein und Interesse zählen.“

Im Generalhauptquartier zu Paris, den 20. Dez. 1848.

gez. Changarnier.

Nationalversammlung. Sitzung vom 21. Decbr. Anfang 2 Uhr. Vorsitzender, Vicepräsident Lacrosse.

Das Militär ist sowohl vom Concordiaplatze als aus dem Tuileriengarten verschwunden. Aber die Galerien sind in der Erwartung neuer Ueberraschungen wieder überfüllt. Die neuen Minister: Bixio, Leon de Malleville, de Falloux etc. sitzen auf den vordersten (Minister) Bänken.

Das Protokoll wird verlesen.

Lacrosse liest die Dekrete vor, welche die neuen Minister ernennen.

Lesaux reicht seine Entlassung ein.

Dann wird eine Menge von Gesetzentwürfen von lokaler Natur erledigt. Z. B. die Städte Montaubon, Le Puy, Soissons etc. bitten um die Erlaubniß, sich übersteuern zu dürfen, um ihr Proletariat ernähren zu können. Ueberall erblickt man dasselbe Hungergespenst. — Wird genehmigt.

André liest einen Stoß von Petitionen vor. (Kein Mensch hört darauf.)

Bourbeau desgleichen. Der Lärm und die allgemeine Plauderei nimmt so überhand, daß wir nichts verstehen können

Casabianca, David (Angers), de Laussat erfahren dasselbe Schicksal.

Hortensius de St. Albin mit seiner bekannten Naivetät: Eine wichtige Petition nach der andern wird verlesen und kein Mensch schenkt ihnen auch nur die geringste Aufmerksamkeit. Geht das so fort, so schlage ich vor, daß der Präsident die Sitzung aufhebe (Oh! Oh! Nein! Nein!)

Die Bittschriftenplage beginnt von Neuem. Die Sitzung scheint rein verloren.

Nach Erledigung der Petitionen verliest Lacrosse einen Gesetzentwurf, welcher einen Kredit von 183,770 Franken verlangt, um die rückständigen Gehalte aller Lehrer des öffentlichen Unterrichts auszuzahlen. Die Lage derselben ist entsetzlich u. s. w. Beide Minister des Unterrichts, sowohl der abtretende als antretende, seien über die Dringlichkeit des Dekrets einverstanden.

Die Versammlung bewilligt den Kredit und die Sache ist abgemacht.

Lacrosse: Morgen haben sich die Glieder in den Abtheilungen zu versammeln, um die Commissarien zu ernennen, welche die Commission bilden sollen, die zunächst über das Wahlgesetz (das Erste der organischen Gesetze) zu berathen habe. Dieselbe Commission hat auch die anderen organischen Gesetze zu entwerfen. Sie soll damit bis nächsten Dienstag fertig sein. Darum werde ich jetzt die Tagesordnung vom 26. December vorlesen. (Er liest die Tagesordnung vor)

Die Versammlung vertagt sich bis Dienstag den 26. Decbr.

Bis dahin sitzt nur obige Commission zur Ausarbeitung der organischen Gesetze. Eine öffentliche Sitzung findet nicht statt.

Die Sitzung wird 15 Minuten vor 5 Uhr aufgehoben.

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        <titlePart type="main">Beilage zu Nr. 177 der Neuen Rheinischen Zeitung.</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>Sonntag 24. Dezember 1848.</docDate>
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        <head>[Italien]</head>
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          <p>Dämpfer an. Cavaignac's Plan, den Papst durch jenen nach Frankreich zu entführen und die Entführung in seinem Interesse bei den Wahlen auszubeuten, war nun, durch das inzwischen erfolgte Einverständniß des Papstes mit Neapel, gescheitert. Hätte sich der König von Neapel abgeneigt gezeigt, so wäre der Papst jetzt wahrscheinlich schon auf französischem Boden und würde als Puppe für Cavaignac's Zwecke wirken. Cavaignac hatte das Netz fein genug angelegt: es war ihm recht, daß der Papst nach Spanien ging, und dadurch dupirte er die auswärtige Diplomatie zu Rom dergestalt, daß sie in die Abreise des Papstes willigte; dann hielt er den spanischen Dämpfer um 48 Stunden zurück, und schickte an seiner Statt jenen französischen. Unglücklicherweise für ihn hatte inzwischen, wie wir gesehen haben, der Papst sich bereits unserm Bombardatore in die Arme geworfen.</p>
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            <bibl>
              <author>068</author>
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          <p>Zu Parma fand am 9. Dez. eine tumultuarische Demonstration gegen ein paar österreichische Polizeiagenten statt. Die Nationalgarde, um den österreichischen Truppen jeden Vorwand zur Betretung der Stadt zu nehmen, stellte die Ruhe selbst wieder her. &#x2014; Die neapolitanischen Blätter reden von der Bildung eines neuen Kabinets unter Filangire. &#x2014; Garibaldi und Mazzini sind am 12. Dezbr. früh morgens zu Rom angekommen und festlich empfangen worden. &#x2014; Zu Turin hat das Ministerium Gioberti sein Programm veröffentlicht. Es erklärt, daß die italienische Unabhängigkeit ohne den Krieg sich nicht verwirklichen kann.</p>
          <p>Es empfiehlt festes Zusammenhalten der italienischen Staaten unter sich.</p>
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        <head>Französische Republik.</head>
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          <head><bibl><author>16</author></bibl> Paris, 21. Decbr.</head>
          <p>Die Komödie ist im schönsten Gange; Prinz Bonaparte hatte noch nicht die drei kleinen Wörtchen: je le jure (ich schwöre es) gesprochen, und schon schlugen Alexander Dumas und Victor Hugo &#x201E;die Pauke ewigen Ruhmes&#x201C; und bliesen Tusch: &#x201E;Ja, Prinz, Sie, Erkorener von 5 Millionen auf 7 Millionen Stimmender, Sie sind berufen von Gott Ordnung und Erwerb herzustellen. Oeffnen Sie die Thore des Vaterlandes dem edeln Herzdge von Bordeaux, den großherzigen Herzogen Joinville, Aumale und Montpensier nicht minder, die ja nur durch die Schuld anderer verbannt wurden. Prinz, seien Sie würdig des erhabenen Namens, den Sie tragen, rufen Sie zurück alle jene unglücklichen Fürsten.&#x201C; Der Leser glaubt vielleicht zu träumen? nicht doch, es steht schwarz auf weiß im &#x201E;Evènement.&#x201C; Da steht auch, daß Amnestie gegen &#x201E;Gesellschaftsumstürzer&#x201C;, d. h. die Junimärtyrer, eine Thorheit sei, höchstens dürften einige &#x201E;begnadigt&#x201C; werden. Da steht auch &#x201E;der Prinz&#x201C; solle baldmöglichst, um den Frieden nach außen wie immer zu schirmen, um dem Vaterlande und Europa eine zwiefache Garantie zu bieten, das stehende Heer von 200,000 Mann auflösen und alle Klubs schließen.&#x201C; Klubs thuen nimmer gut (sagt Alexander Dumas der Romanschreiber), wo das Volk selbst sein eigeer König geworden ist; Klubs können es nur stören im Genuß seiner Hoheitsrechte, folglich müssen sie aufgehoben werden&#x201C; Dumas ist ein verächtlicher Bajazzo; einst Roman- und Bühnenschreiber, Freund und Hofmann der Lousphilipp'schen Prinzen, dann vor dem Provisorium wedelnd, dann Mitarbeiter an der &#x201E;Liberté&#x201C; und Kommunistenfresser, dann Kandidat zur Volksvertreterschaft und seine Verdienste in victorhugo'schen Marktschreierstyl auf Mauerzetteln affischirend, dann mit Glanz durchfallend und aus Grimm darüber bonapartistisch gesinnt; das ist der Herr Marquis de la Pailletterie, wie Dumas sich von Louis Philipp taufen ließ. Victor Hugo ist um nichts besser. Beide hegen &#x201E;einen großen Abscheu vor Guillotine und Assignatenpresse&#x201C;, dem sie in ihren Wahladressen aufs burleskpathetischste Luft machten; &#x201E;leicht dürften sie in der That, sagt &#x201E;Peuple souverain&#x201C;, in Lyon das <hi rendition="#g">runde Fenster</hi> passiren (d. h. den Kopf durch das Guillotinenloch stecken müssen), wo schon bessere und größere Poeten in drr 90er Revolution passiren mußten.&#x201C; Diese Umgebung des Prinzen ist ganz wie gemacht, &#x201E;um ihn seine Straße sacht zu führen&#x201C;; dazu das neue Ministerium, dies Monstrum horrendum, &#x201E;worin (um mit dem Charivari zu reden) bloß noch der große Alexander Weill fehle, und wir können dreist rufen: er ist besorgt und aufgehoben!&#x201C; Der &#x201E;National de l'Quest&#x201C; sagt in einer Reihe sehr guter Briefe aus Paris über die Situation: &#x201E;Beim Lichte beschaut, ist Bonaparte in sehr übler Lage, fällt er noch obendrein in Nepotismus, macht er z. B. wie es heißt, den Pierre Bonaparte zum Gouverneur von Afrika, schleppt er andere Anhängsel des von Gott mit Kindern gesegneten Stammes in die hohen Aemter, so mag er zusehen, wie er fertig wird. Die Partei des alten Königs Jerome von Westphalen ist sehr exaltirt, ihr Blatt, la Liberté, phantasirt von Staatsstreichen à la Napoléon. Das könnte dem Prinzen böse bekommen. Er weiß schon jetzt kaum, wie er mit Cavaignac umspringen soll; er wird ihm den Marschallsstab und das Großkreuz geben. Noch schlimmer ist er mit der Montagne dran, die zwar nicht zahlreich in der Kammer ist, aber immerhin eine halbe Million Wähler, und zwar energische, hellblickende Vaterlandsfreunde, zählt. Der Erwählte kann unmöglich diese Masse außer Acht lassen; reicht er ihr aber die Hand, so bricht die Bourgeoisie mit ihm. Eine verteufelte Zwickmühle! Und begünstigt er die Arbeiterassociationen, so zieht er sich die Finanzaristokratie auf den Hals, diese geschwornen Todfeinde aller und jeder Association, die nicht aus Bourgeoiselementen besteht. Hat doch selbst die Kammercommission Unterstützungsfonds lediglich der Associationen zwischen Arbeiter und Meister, und keineswegs zwischen Arbeitern, bewilligt; so pfiffig ist die Bourgeoisie. Die Montagne will aber gerade Arbeiterassociationen, Progressivsteuern, Solidarität in der That.&#x201C; &#x2014; Die Karrikaturen auf den Prinzen sind wieder köstlich, z. B. eine Schaar Ochsen, Esel, Schaafe auf den Hinterbeinen stehend verneigt sich tief vor einer aufgehenden Sonne, die das Antlitz des Erwählten trägt; der Prinz als Däumling klettert mit einem langen Zopf auf den Riesenstiefel des Oheims; auf einem im Mausern begriffenen struppigen Adler reitend, eilt er, als englischer Konstabler kostümirt, dem Kirchthurm zu auf dem présidence francaise zu lesen; er gibt Nikolaus und Windischgrätz die Hand und Girardin öffnet als Lakai den Kutschenschlag etc. &#x2014; Ein Banket aus 60 französischen und fremden Studenten bestehend, fand vorgestern wieder im Salon der associirten Köche statt, und war eins der brüderlichsten und innigsten die wir gesehen; Proudhon sprach über die Nothwendigkeit der Einigung des Hand- und Geistarbeiters, P. Leroux über den Aufgang des Vernunftstaates, d. h. der Republik, und entwickelte Deutschlands Ruhm als &#x201E;Land Luther's und der Philosophie&#x201C;, Lachambaudie und Düpont sangen selbst gemachte Lieder, deren eins &#x201E;das Hungerlied&#x201C; mit dem Refrain: il faut du pain, il faut du pain (Brod! Brod;) eine ergreifende Wirkung machte; des deutschen pariser Vereins Vertreter sprach über Socialismus; ein Mitglied der ehemaligen rumanisch-walachischen Regierung, Brattiano, sprach über Nothwendigkeit des energischen Einschreitens Frankreichs in die Donauangelegenheiten, Rumanien sei Frankreichs Zögling; ein englischer, portugiesischer, östreichischer und viele französische Studenten sprachen.</p>
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          <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 22. Dezbr.</head>
          <p>So komplet, so radikal, so mit einem Male ist noch nie eine Partei geschlagen worden, als die des Nationals. Minister, Präfekt und Postdirektor &#x2014; Alles ist wie gesäubert worden von dem neuen Präsidenten, und von allem seinem früheren Glanze und seinen früheren Posten ist dem National weiter nichts geblieben, als der Händedruck, den Napoleon bei seiner Antrittsrede dem General Cavaignac zum Abschiede gab. Wenn unter Louis Philipp ein Ministerwechsel eintrat, so geschah dieses in Folge einer Krisis, die lange Transaktionen, lange Unterhandlungen nöthig machte, und nie war es möglich, daß das neue Ministerium so zu sagen tablua rasa machen konnte. Es mußten immer gewisse Elemente von dem alten Ministerium beibehalten werden; denn das alte politische Ministerium vertrat immer in der sozialen Welt eine gewisse Bourgeois-Partei, mit ganz bestimmten Bourgeois-Interessen, und daher war es auch immer möglich, daß die geschlagene Partei spät oder früh wieder zur Herrschaft gelangte. Die Partei des National vertrat keine andere Interessen, als ihre eigenen, sie hatte weder in der Bourgeoisie, noch vielweniger im Proletariate Wurzel schlagen können. Im Gegentheile: Letzteres hätte ihr beinahe unter Louis Philipp die Presse entzwei geschlagen. Aber diese Partei bedurfte der Bourgeoisie, um sich zu halten; und die Bourgeoisie, in Ermangelung einer anderen Partei, der sie unter der Firma der Republik ihre Interessen hätte anvertrauen können, bedurfte des Nationals. Der National war eine Nothhülfe für die Bourgeoisie; die Bourgeoisie war für den National eine nothwendige Hülfe; der National hatte es nicht einmal so weit gebracht, daß er die Bourgeois-Verhältnisse ideologisch vertrat; er vertrat nur die Interessen seiner Redakteure. Mit dem Händedruck. den Napoleon dem Cavaignac gab, können wir dreist behaupten, daß es mit dem National abgemacht ist. Der National hatte einen veralteten Ehrgeitz, eine verwes'te Ideologie; er handelte mit Antiken und diese Antiken waren seine Aushängeschilder.</p>
          <p>Wenn man unter Louis Philipp von Republik sprach, so dachten die Bourgeois gleich an den National, der dieses Thema in einer verdeckten Form abhandelte. Von den Streitigkeiten innerhalb der Partei, zwischen Reform, National und Populaire hatten sie keine Ahnung. Als nach dem Sturze des Königthums die Republik proklamirt war, waren sie ganz erstaunt, zu sehn, daß der National lange nicht ein so gefährliches Ding sei als sie glaubten, und als nun gar der National ihrer noch mehr bedurfte, als sie des Nationals. da war es um die Herrschaft des Nationals geschehen. Der National kann nicht mehr zur Herrschaft, gelangen weil die Bourgeoisie ein ganz anderes Aushängeschild für die Republik gefunden hat als Marrast und Konsorten. Napoleon als solcher nimmt der Republik gegenüber ganz dieselbe Stellung ein, wie Marrast, nur datirt er etwas später. Der Mann, welcher an der Spitze seines Ministeriums steht, Odilon-Barrot, ist grade derjenige, welchen Louis Philipp im Februar-Kampfe, nachdem er schon fast Alles verloren gab, mit der Bildung eines neuen Ministeriums beauftragt hatte, und der vom siegenden Proletariat mit so furchtbarem Hohne empfangen wurde. Odilon-Barrot spielt dieselbe Rolle wie Marrast und Bastide. Schon unter Louis Philipp, als Präfekt oder Minister hat er sich immer nur sehr kurze Zeit halten können; seine Bourgeois-Ideologie ist so arm, so dürftig; er weiß so wenig die nimmer neu sich gestaltenden Bourgeois-Verhältnisse in neue Rechtsformen zu bringen, den &#x201E;Rechtsboden&#x201C; nach den verschiedenen Umständen zu verkürzen und zu verlängern, sein Recht und seine Moral sind so bornirt, daß ihn seine Moral und seine Rechtsphilosophie jedes Mal zu Boden schlägt. Die Männer, welche Odilon-Barrot in sein Ministerium zieht, sind alle sekundäre Personagen, lauter Leute, die von Thiers und Guizot als Lückenfüller benutzt wurden, und mit denen nun Napoleon die dritte Restauration in's Leben zu rufen gedenkt. Napoleon hat 5 1/2 Millionen Stimmen: was kann man nicht mit dieser Majorität alles machen? Girardin hat schon einen völligen Regierungsplan entworfen; 3 Minister, einer, der dirigirt, ein anderer, der empfängt, und der dritte, der ausgibt. Das ist Alles sehr einfach; jeder der Minister hat wiederum verschiedene Direktionen unter sich. Alles dieses soll natürlich im Namen des Präsidenten Louis Napoleon dekretirt werden. Vielleicht wird Girardin dirigirender Minister und dann beruht die ganze Sache am Ende nur auf dem Minister, der empfängt und auf dem Minister, der ausgibt, in letzter Instanz auf den 5 1/2 Millionen, von denen empfangen wird. Dte Proletarier, welche das alte regime zu Boden geschlagen haben, sind nur noch für Girardin Köpfe die besteuert werden, und was den revolutionären Kampf im Auslande betrifft, So geht dieser Frankreich nicht an. Girardin ist für den Napoleon des Friedens, und die 4 Millionen, die den Napoleon erwählt haben, sind keine Demokraten, sondern Freunde des Herrn Girardin, Freunde des Friedens, Freunde der Girardinschen Erwerbsmanier. Dieser ehemalige Commis, der seine politische Karriere damit angefangen, daß er sich gewaltsam einen Vater gab und vom Excrocquier sich bis zum Deputirten hinaufgearbeitet hatte, steht jetzt hinter Napoleon; ihm zur Seite steht die lebendige Bourgeois-Moral in Gestalt Barrots; aber eine Moral, dir sich selbst schon auf frischer That von Immoralität erwischt hat, die von der Regentschaft zum Republikanerthum, und vom Republikanerthum zum Napoleanerthum übergegangen. Und die Arbeiter verlangen ihr droit au travail, die Bauern die Unterdrückung der Steuern: Alle den alten Ruhm, die alte Ehre &#x2025;&#x2025; und Girardin der Ehrlose und Napoleon und Barrot, der Biedermann, wähnen eine dritte Restauration machen zu können.</p>
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          <head>Paris, 21. Dez.</head>
          <p>Gestern Abend 6 Uhr, unmittelbar nach der Installation des neuen Präsidenten in seiner Wohnung (Elysée National), empfing Marrast, als Präsident der Nationalversammlung, von dem Installirten folgende Botschaft:</p>
          <p>Elysée National, 20. Dezember.</p>
          <p>Herr, Präsident. Ich bitte Sie, der Nationalversammlung anzuzeigen, daß ich in Gemäßheit des Art. 64 der Verfassung, mittelst Dekrets vom heutigen Tage ernannt habe:</p>
          <p>1) Hr. Odilon-Barrot, Volksvertreter, zum Minister der Justiz, mit dem Auftrage, den Ministerrath zu präsidiren, wenn der Präsident der Republik behindert ist;</p>
          <p>2) Hr. Drouyn de Lhuys, Volksvertreter, zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten;</p>
          <p>3) Hr. Leon de Maleville, Volksvertreter, Minister des Innern;</p>
          <p>4) Hr. Rulhières, Volksvertreter und Divisionsgeneral, zum Minister des Kriegs;</p>
          <p>5) Hr. de Tracy, Volksvertreter, zum Minister der Marine und Kolonien;</p>
          <p>6) Hr. de Falloux, Volksvertreter, zum Minister des öffentlichen Unterrichts und der Kulten;</p>
          <p>7) Hr. Leon Faucher, Volksvertreter, zum Minister der Staatsbauten;</p>
          <p>8) Hr. Bixio, Vicepräsident der Nationalversammlung, zum Minister des Ackerbaus und Handels;</p>
          <p>9) Hr. Hippolyte Passy, Mitglied des Instituts, zum Minister der Finanzen.</p>
          <p>&#x201E;Empfangen Sie, Herr Präsident, die Vesicherung meiner hohen Achtung.&#x201C;</p>
          <p>(gez.) Louis Napoleon Bonaparte.</p>
          <p>(Gegengez.) Odilon Barrot, Justizminister.</p>
          <p>&#x2014; Um 6 1/2 Uhr verkündeten 101 Kanonenschüsse vom Invalidenhofe her das wichtige Ereigniß der Proklamation des neuen Präsidenten, die man erst am Sonnabend oder Montag gewärtigt hatte.</p>
          <p>Einige Theater und Privathäuser längs den Boulevards zündeten Lampen und Transparente mit den Namenszügen des Installirten an, die jedoch der scharfe Nordwind bald wieder auslöschte. Die eigentliche Proklamations-Illumination wird erst später stattfinden.</p>
          <p>&#x2014; Um 10 Uhr wurde ein Extrablatt des Moniteur in die Wohnungen sämmtlicher Volksvertreter getragen, das ihnen das neue Ministerium sowie die Ernennungen Changarnier's, Bugeaud's, Berger's und Rebillaut's zu den von uns bereits früher angezeigten Aemtern meldete.</p>
          <p>Changarnier ist zum Oberbefehlshaber sämmtlicher Militär und Bürgerwehrkräfte sowie der Mobilgarde von Paris ernannt und behält sein Hauptlager in den Tuilerien. Bugeaud ist zum Befehlshaber der Alpenarmee ernannt und wird sein Hauptquartier in Bourges aufschlagen. Berger, Exmaire, tritt als Seinepräfekt an Recurt's Stelle, der gestern seine Entlassung eingereicht, und der Gensdarmeriekommandant Rebillaut an die Stelle Gervais du Caen. Carlier, der Gegner Ledru-Rollin's, verläßt das Ministerium des Innern, um, wie unter Louis Philipp, die Pariser Stadtpolizei zu leiten.</p>
          <p>&#x2014; Viel Neugierige vor der Wohnung des neuen Präsidenten im Elisée-National, die der Kälte trotzen, um denselben zu sehen. Ihre Hoffnung wurde leider vereitelt.</p>
          <p>&#x2014; Thayer tritt an Arago's Stelle als Postdirektor.</p>
          <p>&#x2014; Der Moniteur und alle Journale bringen heute Spezialabdrücke der Bonapartischen Antrittsrede, deren wesentlichen Inhalt wir bereits gestern mittheilten.</p>
          <p>&#x2014; Als Louis Napoleon Bonaparte gestern von der Bühne der Nationalversammlung stieg, schritt er der Bank zu, auf welcher Cavaignac saß. General, sagte er tief gerührt: &#x201E;Ich bin stolz darauf, einem solchen Manne wie Sie folgen zu können.&#x201C;</p>
          <p>Cavaignac reichte ihm, ohne aufzustehen, die Hand, die sein Nachfolger konvulsivisch drückte. Das ist die große Scene, von der heute die Blätter so gewaltigen Lärmen schlagen.</p>
          <p>&#x2014; Cavaignac ließ schon im Laufe des gestrigen Tages seine Karte bei Napoleon abgeben.</p>
          <p>&#x2014; Bonaparte verlangt, wie wir hören, die Bagatelle von 5 Mill. Fr. Repräsentationskosten.</p>
          <p>&#x2014; Changarnier, Oberbefehlshaber der gesammten Pariser Bürgerwehr und der Streitkräfte der 1. Militärdivision, wozu nun auch die Mobilgarde gehört, erläßt folgenden Tagesbefehl:</p>
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          <p>&#x201E;Der General Changarnier ist mit dem Oberkommando der Bürgerwehr des Seinedepartements, der Mobilgarde und aller Truppen bekleidet, welche im ganzen Bereich der 1. Militärdivision liegen. Sein Hauptquartier ist im Palast der Tuilerien errichtet. Die Generalstäbe der Bürgerwehren des Seinedepartements und der Mobilgarde behalten ihre bisherige Organisation und Attribution bei. Der Generalstab der Linientruppen tritt unter Oberleitung des Obersten Rollin. Die Eintheilung der Divisionen, Unterdivisionen und Brigaden bleibt dieselbe; die Generäle, welche sie befehligen, fahren fort, mit dem Oberbefehlshaber zu korrespondiren, wobei sie sich den Regeln der Hierarchie, außer in außerordentlichen und unvorhergesehenen Fällen, zu unterwerfen haben. Alle Briefe und Pakete, die den Bürgerwehr- oder Militärdienst betreffen, sind an den Oberbefehlshaber zu richten, jedoch das Couvert an den in dem Tuilerienpalast etablirten Chef des Generalstabs zu adressiren. Indem der Oberbefehlshaber von dieser neuen Stellung Besitz ergreift, zählt derselbe auf den Patriotismus, Muth und die Disciplin, wovon die Truppen so häufige Beweise gegeben haben. Sie können ihrer Seits auf die Sorgfalt des Obergenerals für ihr Wohlsein und Interesse zählen.&#x201C;</p>
          <p>Im Generalhauptquartier zu Paris, den 20. Dez. 1848.</p>
          <p>gez. <hi rendition="#g">Changarnier</hi>.</p>
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          <p>Lacrosse liest die Dekrete vor, welche die neuen Minister ernennen.</p>
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          <p>Dann wird eine Menge von Gesetzentwürfen von lokaler Natur erledigt. Z. B. die Städte Montaubon, Le Puy, Soissons etc. bitten um die Erlaubniß, sich übersteuern zu dürfen, um ihr Proletariat ernähren zu können. Ueberall erblickt man dasselbe Hungergespenst. &#x2014; Wird genehmigt.</p>
          <p>André liest einen Stoß von Petitionen vor. (Kein Mensch hört darauf.)</p>
          <p>Bourbeau desgleichen. Der Lärm und die allgemeine Plauderei nimmt so überhand, daß wir nichts verstehen können</p>
          <p>Casabianca, David (Angers), de Laussat erfahren dasselbe Schicksal.</p>
          <p>Hortensius de St. Albin mit seiner bekannten Naivetät: Eine wichtige Petition nach der andern wird verlesen und kein Mensch schenkt ihnen auch nur die geringste Aufmerksamkeit. Geht das so fort, so schlage ich vor, daß der Präsident die Sitzung aufhebe (Oh! Oh! Nein! Nein!)</p>
          <p>Die Bittschriftenplage beginnt von Neuem. Die Sitzung scheint rein verloren.</p>
          <p>Nach Erledigung der Petitionen verliest Lacrosse einen Gesetzentwurf, welcher einen Kredit von 183,770 Franken verlangt, um die rückständigen Gehalte aller Lehrer des öffentlichen Unterrichts auszuzahlen. Die Lage derselben ist entsetzlich u. s. w. Beide Minister des Unterrichts, sowohl der abtretende als antretende, seien über die Dringlichkeit des Dekrets einverstanden.</p>
          <p>Die Versammlung bewilligt den Kredit und die Sache ist abgemacht.</p>
          <p><hi rendition="#g">Lacrosse:</hi> Morgen haben sich die Glieder in den Abtheilungen zu versammeln, um die Commissarien zu ernennen, welche die Commission bilden sollen, die zunächst über das Wahlgesetz (das Erste der organischen Gesetze) zu berathen habe. Dieselbe Commission hat auch die anderen organischen Gesetze zu entwerfen. Sie soll damit bis nächsten Dienstag fertig sein. Darum werde ich jetzt die Tagesordnung vom 26. December vorlesen. (Er liest die Tagesordnung vor)</p>
          <p>Die Versammlung vertagt sich bis Dienstag den 26. Decbr.</p>
          <p>Bis dahin sitzt nur obige Commission zur Ausarbeitung der organischen Gesetze. Eine öffentliche Sitzung findet nicht statt.</p>
          <p>Die Sitzung wird 15 Minuten vor 5 Uhr aufgehoben.</p>
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[0957/0001] Beilage zu Nr. 177 der Neuen Rheinischen Zeitung. Organ der Demokratie. Sonntag 24. Dezember 1848. [Italien] Dämpfer an. Cavaignac's Plan, den Papst durch jenen nach Frankreich zu entführen und die Entführung in seinem Interesse bei den Wahlen auszubeuten, war nun, durch das inzwischen erfolgte Einverständniß des Papstes mit Neapel, gescheitert. Hätte sich der König von Neapel abgeneigt gezeigt, so wäre der Papst jetzt wahrscheinlich schon auf französischem Boden und würde als Puppe für Cavaignac's Zwecke wirken. Cavaignac hatte das Netz fein genug angelegt: es war ihm recht, daß der Papst nach Spanien ging, und dadurch dupirte er die auswärtige Diplomatie zu Rom dergestalt, daß sie in die Abreise des Papstes willigte; dann hielt er den spanischen Dämpfer um 48 Stunden zurück, und schickte an seiner Statt jenen französischen. Unglücklicherweise für ihn hatte inzwischen, wie wir gesehen haben, der Papst sich bereits unserm Bombardatore in die Arme geworfen. 068 Zu Parma fand am 9. Dez. eine tumultuarische Demonstration gegen ein paar österreichische Polizeiagenten statt. Die Nationalgarde, um den österreichischen Truppen jeden Vorwand zur Betretung der Stadt zu nehmen, stellte die Ruhe selbst wieder her. — Die neapolitanischen Blätter reden von der Bildung eines neuen Kabinets unter Filangire. — Garibaldi und Mazzini sind am 12. Dezbr. früh morgens zu Rom angekommen und festlich empfangen worden. — Zu Turin hat das Ministerium Gioberti sein Programm veröffentlicht. Es erklärt, daß die italienische Unabhängigkeit ohne den Krieg sich nicht verwirklichen kann. Es empfiehlt festes Zusammenhalten der italienischen Staaten unter sich. Französische Republik. 16 Paris, 21. Decbr. Die Komödie ist im schönsten Gange; Prinz Bonaparte hatte noch nicht die drei kleinen Wörtchen: je le jure (ich schwöre es) gesprochen, und schon schlugen Alexander Dumas und Victor Hugo „die Pauke ewigen Ruhmes“ und bliesen Tusch: „Ja, Prinz, Sie, Erkorener von 5 Millionen auf 7 Millionen Stimmender, Sie sind berufen von Gott Ordnung und Erwerb herzustellen. Oeffnen Sie die Thore des Vaterlandes dem edeln Herzdge von Bordeaux, den großherzigen Herzogen Joinville, Aumale und Montpensier nicht minder, die ja nur durch die Schuld anderer verbannt wurden. Prinz, seien Sie würdig des erhabenen Namens, den Sie tragen, rufen Sie zurück alle jene unglücklichen Fürsten.“ Der Leser glaubt vielleicht zu träumen? nicht doch, es steht schwarz auf weiß im „Evènement.“ Da steht auch, daß Amnestie gegen „Gesellschaftsumstürzer“, d. h. die Junimärtyrer, eine Thorheit sei, höchstens dürften einige „begnadigt“ werden. Da steht auch „der Prinz“ solle baldmöglichst, um den Frieden nach außen wie immer zu schirmen, um dem Vaterlande und Europa eine zwiefache Garantie zu bieten, das stehende Heer von 200,000 Mann auflösen und alle Klubs schließen.“ Klubs thuen nimmer gut (sagt Alexander Dumas der Romanschreiber), wo das Volk selbst sein eigeer König geworden ist; Klubs können es nur stören im Genuß seiner Hoheitsrechte, folglich müssen sie aufgehoben werden“ Dumas ist ein verächtlicher Bajazzo; einst Roman- und Bühnenschreiber, Freund und Hofmann der Lousphilipp'schen Prinzen, dann vor dem Provisorium wedelnd, dann Mitarbeiter an der „Liberté“ und Kommunistenfresser, dann Kandidat zur Volksvertreterschaft und seine Verdienste in victorhugo'schen Marktschreierstyl auf Mauerzetteln affischirend, dann mit Glanz durchfallend und aus Grimm darüber bonapartistisch gesinnt; das ist der Herr Marquis de la Pailletterie, wie Dumas sich von Louis Philipp taufen ließ. Victor Hugo ist um nichts besser. Beide hegen „einen großen Abscheu vor Guillotine und Assignatenpresse“, dem sie in ihren Wahladressen aufs burleskpathetischste Luft machten; „leicht dürften sie in der That, sagt „Peuple souverain“, in Lyon das runde Fenster passiren (d. h. den Kopf durch das Guillotinenloch stecken müssen), wo schon bessere und größere Poeten in drr 90er Revolution passiren mußten.“ Diese Umgebung des Prinzen ist ganz wie gemacht, „um ihn seine Straße sacht zu führen“; dazu das neue Ministerium, dies Monstrum horrendum, „worin (um mit dem Charivari zu reden) bloß noch der große Alexander Weill fehle, und wir können dreist rufen: er ist besorgt und aufgehoben!“ Der „National de l'Quest“ sagt in einer Reihe sehr guter Briefe aus Paris über die Situation: „Beim Lichte beschaut, ist Bonaparte in sehr übler Lage, fällt er noch obendrein in Nepotismus, macht er z. B. wie es heißt, den Pierre Bonaparte zum Gouverneur von Afrika, schleppt er andere Anhängsel des von Gott mit Kindern gesegneten Stammes in die hohen Aemter, so mag er zusehen, wie er fertig wird. Die Partei des alten Königs Jerome von Westphalen ist sehr exaltirt, ihr Blatt, la Liberté, phantasirt von Staatsstreichen à la Napoléon. Das könnte dem Prinzen böse bekommen. Er weiß schon jetzt kaum, wie er mit Cavaignac umspringen soll; er wird ihm den Marschallsstab und das Großkreuz geben. Noch schlimmer ist er mit der Montagne dran, die zwar nicht zahlreich in der Kammer ist, aber immerhin eine halbe Million Wähler, und zwar energische, hellblickende Vaterlandsfreunde, zählt. Der Erwählte kann unmöglich diese Masse außer Acht lassen; reicht er ihr aber die Hand, so bricht die Bourgeoisie mit ihm. Eine verteufelte Zwickmühle! Und begünstigt er die Arbeiterassociationen, so zieht er sich die Finanzaristokratie auf den Hals, diese geschwornen Todfeinde aller und jeder Association, die nicht aus Bourgeoiselementen besteht. Hat doch selbst die Kammercommission Unterstützungsfonds lediglich der Associationen zwischen Arbeiter und Meister, und keineswegs zwischen Arbeitern, bewilligt; so pfiffig ist die Bourgeoisie. Die Montagne will aber gerade Arbeiterassociationen, Progressivsteuern, Solidarität in der That.“ — Die Karrikaturen auf den Prinzen sind wieder köstlich, z. B. eine Schaar Ochsen, Esel, Schaafe auf den Hinterbeinen stehend verneigt sich tief vor einer aufgehenden Sonne, die das Antlitz des Erwählten trägt; der Prinz als Däumling klettert mit einem langen Zopf auf den Riesenstiefel des Oheims; auf einem im Mausern begriffenen struppigen Adler reitend, eilt er, als englischer Konstabler kostümirt, dem Kirchthurm zu auf dem présidence francaise zu lesen; er gibt Nikolaus und Windischgrätz die Hand und Girardin öffnet als Lakai den Kutschenschlag etc. — Ein Banket aus 60 französischen und fremden Studenten bestehend, fand vorgestern wieder im Salon der associirten Köche statt, und war eins der brüderlichsten und innigsten die wir gesehen; Proudhon sprach über die Nothwendigkeit der Einigung des Hand- und Geistarbeiters, P. Leroux über den Aufgang des Vernunftstaates, d. h. der Republik, und entwickelte Deutschlands Ruhm als „Land Luther's und der Philosophie“, Lachambaudie und Düpont sangen selbst gemachte Lieder, deren eins „das Hungerlied“ mit dem Refrain: il faut du pain, il faut du pain (Brod! Brod;) eine ergreifende Wirkung machte; des deutschen pariser Vereins Vertreter sprach über Socialismus; ein Mitglied der ehemaligen rumanisch-walachischen Regierung, Brattiano, sprach über Nothwendigkeit des energischen Einschreitens Frankreichs in die Donauangelegenheiten, Rumanien sei Frankreichs Zögling; ein englischer, portugiesischer, östreichischer und viele französische Studenten sprachen. 12 Paris, 22. Dezbr. So komplet, so radikal, so mit einem Male ist noch nie eine Partei geschlagen worden, als die des Nationals. Minister, Präfekt und Postdirektor — Alles ist wie gesäubert worden von dem neuen Präsidenten, und von allem seinem früheren Glanze und seinen früheren Posten ist dem National weiter nichts geblieben, als der Händedruck, den Napoleon bei seiner Antrittsrede dem General Cavaignac zum Abschiede gab. Wenn unter Louis Philipp ein Ministerwechsel eintrat, so geschah dieses in Folge einer Krisis, die lange Transaktionen, lange Unterhandlungen nöthig machte, und nie war es möglich, daß das neue Ministerium so zu sagen tablua rasa machen konnte. Es mußten immer gewisse Elemente von dem alten Ministerium beibehalten werden; denn das alte politische Ministerium vertrat immer in der sozialen Welt eine gewisse Bourgeois-Partei, mit ganz bestimmten Bourgeois-Interessen, und daher war es auch immer möglich, daß die geschlagene Partei spät oder früh wieder zur Herrschaft gelangte. Die Partei des National vertrat keine andere Interessen, als ihre eigenen, sie hatte weder in der Bourgeoisie, noch vielweniger im Proletariate Wurzel schlagen können. Im Gegentheile: Letzteres hätte ihr beinahe unter Louis Philipp die Presse entzwei geschlagen. Aber diese Partei bedurfte der Bourgeoisie, um sich zu halten; und die Bourgeoisie, in Ermangelung einer anderen Partei, der sie unter der Firma der Republik ihre Interessen hätte anvertrauen können, bedurfte des Nationals. Der National war eine Nothhülfe für die Bourgeoisie; die Bourgeoisie war für den National eine nothwendige Hülfe; der National hatte es nicht einmal so weit gebracht, daß er die Bourgeois-Verhältnisse ideologisch vertrat; er vertrat nur die Interessen seiner Redakteure. Mit dem Händedruck. den Napoleon dem Cavaignac gab, können wir dreist behaupten, daß es mit dem National abgemacht ist. Der National hatte einen veralteten Ehrgeitz, eine verwes'te Ideologie; er handelte mit Antiken und diese Antiken waren seine Aushängeschilder. Wenn man unter Louis Philipp von Republik sprach, so dachten die Bourgeois gleich an den National, der dieses Thema in einer verdeckten Form abhandelte. Von den Streitigkeiten innerhalb der Partei, zwischen Reform, National und Populaire hatten sie keine Ahnung. Als nach dem Sturze des Königthums die Republik proklamirt war, waren sie ganz erstaunt, zu sehn, daß der National lange nicht ein so gefährliches Ding sei als sie glaubten, und als nun gar der National ihrer noch mehr bedurfte, als sie des Nationals. da war es um die Herrschaft des Nationals geschehen. Der National kann nicht mehr zur Herrschaft, gelangen weil die Bourgeoisie ein ganz anderes Aushängeschild für die Republik gefunden hat als Marrast und Konsorten. Napoleon als solcher nimmt der Republik gegenüber ganz dieselbe Stellung ein, wie Marrast, nur datirt er etwas später. Der Mann, welcher an der Spitze seines Ministeriums steht, Odilon-Barrot, ist grade derjenige, welchen Louis Philipp im Februar-Kampfe, nachdem er schon fast Alles verloren gab, mit der Bildung eines neuen Ministeriums beauftragt hatte, und der vom siegenden Proletariat mit so furchtbarem Hohne empfangen wurde. Odilon-Barrot spielt dieselbe Rolle wie Marrast und Bastide. Schon unter Louis Philipp, als Präfekt oder Minister hat er sich immer nur sehr kurze Zeit halten können; seine Bourgeois-Ideologie ist so arm, so dürftig; er weiß so wenig die nimmer neu sich gestaltenden Bourgeois-Verhältnisse in neue Rechtsformen zu bringen, den „Rechtsboden“ nach den verschiedenen Umständen zu verkürzen und zu verlängern, sein Recht und seine Moral sind so bornirt, daß ihn seine Moral und seine Rechtsphilosophie jedes Mal zu Boden schlägt. Die Männer, welche Odilon-Barrot in sein Ministerium zieht, sind alle sekundäre Personagen, lauter Leute, die von Thiers und Guizot als Lückenfüller benutzt wurden, und mit denen nun Napoleon die dritte Restauration in's Leben zu rufen gedenkt. Napoleon hat 5 1/2 Millionen Stimmen: was kann man nicht mit dieser Majorität alles machen? Girardin hat schon einen völligen Regierungsplan entworfen; 3 Minister, einer, der dirigirt, ein anderer, der empfängt, und der dritte, der ausgibt. Das ist Alles sehr einfach; jeder der Minister hat wiederum verschiedene Direktionen unter sich. Alles dieses soll natürlich im Namen des Präsidenten Louis Napoleon dekretirt werden. Vielleicht wird Girardin dirigirender Minister und dann beruht die ganze Sache am Ende nur auf dem Minister, der empfängt und auf dem Minister, der ausgibt, in letzter Instanz auf den 5 1/2 Millionen, von denen empfangen wird. Dte Proletarier, welche das alte regime zu Boden geschlagen haben, sind nur noch für Girardin Köpfe die besteuert werden, und was den revolutionären Kampf im Auslande betrifft, So geht dieser Frankreich nicht an. Girardin ist für den Napoleon des Friedens, und die 4 Millionen, die den Napoleon erwählt haben, sind keine Demokraten, sondern Freunde des Herrn Girardin, Freunde des Friedens, Freunde der Girardinschen Erwerbsmanier. Dieser ehemalige Commis, der seine politische Karriere damit angefangen, daß er sich gewaltsam einen Vater gab und vom Excrocquier sich bis zum Deputirten hinaufgearbeitet hatte, steht jetzt hinter Napoleon; ihm zur Seite steht die lebendige Bourgeois-Moral in Gestalt Barrots; aber eine Moral, dir sich selbst schon auf frischer That von Immoralität erwischt hat, die von der Regentschaft zum Republikanerthum, und vom Republikanerthum zum Napoleanerthum übergegangen. Und die Arbeiter verlangen ihr droit au travail, die Bauern die Unterdrückung der Steuern: Alle den alten Ruhm, die alte Ehre ‥‥ und Girardin der Ehrlose und Napoleon und Barrot, der Biedermann, wähnen eine dritte Restauration machen zu können. Paris, 21. Dez. Gestern Abend 6 Uhr, unmittelbar nach der Installation des neuen Präsidenten in seiner Wohnung (Elysée National), empfing Marrast, als Präsident der Nationalversammlung, von dem Installirten folgende Botschaft: Elysée National, 20. Dezember. Herr, Präsident. Ich bitte Sie, der Nationalversammlung anzuzeigen, daß ich in Gemäßheit des Art. 64 der Verfassung, mittelst Dekrets vom heutigen Tage ernannt habe: 1) Hr. Odilon-Barrot, Volksvertreter, zum Minister der Justiz, mit dem Auftrage, den Ministerrath zu präsidiren, wenn der Präsident der Republik behindert ist; 2) Hr. Drouyn de Lhuys, Volksvertreter, zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten; 3) Hr. Leon de Maleville, Volksvertreter, Minister des Innern; 4) Hr. Rulhières, Volksvertreter und Divisionsgeneral, zum Minister des Kriegs; 5) Hr. de Tracy, Volksvertreter, zum Minister der Marine und Kolonien; 6) Hr. de Falloux, Volksvertreter, zum Minister des öffentlichen Unterrichts und der Kulten; 7) Hr. Leon Faucher, Volksvertreter, zum Minister der Staatsbauten; 8) Hr. Bixio, Vicepräsident der Nationalversammlung, zum Minister des Ackerbaus und Handels; 9) Hr. Hippolyte Passy, Mitglied des Instituts, zum Minister der Finanzen. „Empfangen Sie, Herr Präsident, die Vesicherung meiner hohen Achtung.“ (gez.) Louis Napoleon Bonaparte. (Gegengez.) Odilon Barrot, Justizminister. — Um 6 1/2 Uhr verkündeten 101 Kanonenschüsse vom Invalidenhofe her das wichtige Ereigniß der Proklamation des neuen Präsidenten, die man erst am Sonnabend oder Montag gewärtigt hatte. Einige Theater und Privathäuser längs den Boulevards zündeten Lampen und Transparente mit den Namenszügen des Installirten an, die jedoch der scharfe Nordwind bald wieder auslöschte. Die eigentliche Proklamations-Illumination wird erst später stattfinden. — Um 10 Uhr wurde ein Extrablatt des Moniteur in die Wohnungen sämmtlicher Volksvertreter getragen, das ihnen das neue Ministerium sowie die Ernennungen Changarnier's, Bugeaud's, Berger's und Rebillaut's zu den von uns bereits früher angezeigten Aemtern meldete. Changarnier ist zum Oberbefehlshaber sämmtlicher Militär und Bürgerwehrkräfte sowie der Mobilgarde von Paris ernannt und behält sein Hauptlager in den Tuilerien. Bugeaud ist zum Befehlshaber der Alpenarmee ernannt und wird sein Hauptquartier in Bourges aufschlagen. Berger, Exmaire, tritt als Seinepräfekt an Recurt's Stelle, der gestern seine Entlassung eingereicht, und der Gensdarmeriekommandant Rebillaut an die Stelle Gervais du Caen. Carlier, der Gegner Ledru-Rollin's, verläßt das Ministerium des Innern, um, wie unter Louis Philipp, die Pariser Stadtpolizei zu leiten. — Viel Neugierige vor der Wohnung des neuen Präsidenten im Elisée-National, die der Kälte trotzen, um denselben zu sehen. Ihre Hoffnung wurde leider vereitelt. — Thayer tritt an Arago's Stelle als Postdirektor. — Der Moniteur und alle Journale bringen heute Spezialabdrücke der Bonapartischen Antrittsrede, deren wesentlichen Inhalt wir bereits gestern mittheilten. — Als Louis Napoleon Bonaparte gestern von der Bühne der Nationalversammlung stieg, schritt er der Bank zu, auf welcher Cavaignac saß. General, sagte er tief gerührt: „Ich bin stolz darauf, einem solchen Manne wie Sie folgen zu können.“ Cavaignac reichte ihm, ohne aufzustehen, die Hand, die sein Nachfolger konvulsivisch drückte. Das ist die große Scene, von der heute die Blätter so gewaltigen Lärmen schlagen. — Cavaignac ließ schon im Laufe des gestrigen Tages seine Karte bei Napoleon abgeben. — Bonaparte verlangt, wie wir hören, die Bagatelle von 5 Mill. Fr. Repräsentationskosten. — Changarnier, Oberbefehlshaber der gesammten Pariser Bürgerwehr und der Streitkräfte der 1. Militärdivision, wozu nun auch die Mobilgarde gehört, erläßt folgenden Tagesbefehl: Tagesbefehl. „Der General Changarnier ist mit dem Oberkommando der Bürgerwehr des Seinedepartements, der Mobilgarde und aller Truppen bekleidet, welche im ganzen Bereich der 1. Militärdivision liegen. Sein Hauptquartier ist im Palast der Tuilerien errichtet. Die Generalstäbe der Bürgerwehren des Seinedepartements und der Mobilgarde behalten ihre bisherige Organisation und Attribution bei. Der Generalstab der Linientruppen tritt unter Oberleitung des Obersten Rollin. Die Eintheilung der Divisionen, Unterdivisionen und Brigaden bleibt dieselbe; die Generäle, welche sie befehligen, fahren fort, mit dem Oberbefehlshaber zu korrespondiren, wobei sie sich den Regeln der Hierarchie, außer in außerordentlichen und unvorhergesehenen Fällen, zu unterwerfen haben. Alle Briefe und Pakete, die den Bürgerwehr- oder Militärdienst betreffen, sind an den Oberbefehlshaber zu richten, jedoch das Couvert an den in dem Tuilerienpalast etablirten Chef des Generalstabs zu adressiren. Indem der Oberbefehlshaber von dieser neuen Stellung Besitz ergreift, zählt derselbe auf den Patriotismus, Muth und die Disciplin, wovon die Truppen so häufige Beweise gegeben haben. Sie können ihrer Seits auf die Sorgfalt des Obergenerals für ihr Wohlsein und Interesse zählen.“ Im Generalhauptquartier zu Paris, den 20. Dez. 1848. gez. Changarnier. — Nationalversammlung. Sitzung vom 21. Decbr. Anfang 2 Uhr. Vorsitzender, Vicepräsident Lacrosse. Das Militär ist sowohl vom Concordiaplatze als aus dem Tuileriengarten verschwunden. Aber die Galerien sind in der Erwartung neuer Ueberraschungen wieder überfüllt. Die neuen Minister: Bixio, Leon de Malleville, de Falloux etc. sitzen auf den vordersten (Minister) Bänken. Das Protokoll wird verlesen. Lacrosse liest die Dekrete vor, welche die neuen Minister ernennen. Lesaux reicht seine Entlassung ein. Dann wird eine Menge von Gesetzentwürfen von lokaler Natur erledigt. Z. B. die Städte Montaubon, Le Puy, Soissons etc. bitten um die Erlaubniß, sich übersteuern zu dürfen, um ihr Proletariat ernähren zu können. Ueberall erblickt man dasselbe Hungergespenst. — Wird genehmigt. André liest einen Stoß von Petitionen vor. (Kein Mensch hört darauf.) Bourbeau desgleichen. Der Lärm und die allgemeine Plauderei nimmt so überhand, daß wir nichts verstehen können Casabianca, David (Angers), de Laussat erfahren dasselbe Schicksal. Hortensius de St. Albin mit seiner bekannten Naivetät: Eine wichtige Petition nach der andern wird verlesen und kein Mensch schenkt ihnen auch nur die geringste Aufmerksamkeit. Geht das so fort, so schlage ich vor, daß der Präsident die Sitzung aufhebe (Oh! Oh! Nein! Nein!) Die Bittschriftenplage beginnt von Neuem. Die Sitzung scheint rein verloren. Nach Erledigung der Petitionen verliest Lacrosse einen Gesetzentwurf, welcher einen Kredit von 183,770 Franken verlangt, um die rückständigen Gehalte aller Lehrer des öffentlichen Unterrichts auszuzahlen. Die Lage derselben ist entsetzlich u. s. w. Beide Minister des Unterrichts, sowohl der abtretende als antretende, seien über die Dringlichkeit des Dekrets einverstanden. Die Versammlung bewilligt den Kredit und die Sache ist abgemacht. Lacrosse: Morgen haben sich die Glieder in den Abtheilungen zu versammeln, um die Commissarien zu ernennen, welche die Commission bilden sollen, die zunächst über das Wahlgesetz (das Erste der organischen Gesetze) zu berathen habe. Dieselbe Commission hat auch die anderen organischen Gesetze zu entwerfen. Sie soll damit bis nächsten Dienstag fertig sein. Darum werde ich jetzt die Tagesordnung vom 26. December vorlesen. (Er liest die Tagesordnung vor) Die Versammlung vertagt sich bis Dienstag den 26. Decbr. Bis dahin sitzt nur obige Commission zur Ausarbeitung der organischen Gesetze. Eine öffentliche Sitzung findet nicht statt. Die Sitzung wird 15 Minuten vor 5 Uhr aufgehoben.

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 177. Köln, 24. Dezember 1848. Beilage, S. 0957. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz177b_1848/1>, abgerufen am 21.11.2024.