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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 181. Köln, 29. Dezember 1848.

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deutsche Volk gibt sein Geld doch nicht unnütz aus; die Linke hat wirklich in Frankfurt etwas gelernt; Hr. v. Binke wird sich freuen, daß er so gelehrige Schüler gefunden hut. Rechtsbewußtsein! Als ob nicht gerade die Revolution nur auf dem Rechtsbewußtsein beruhte! Als ob ein solches nicht gerade durch die Revolution erst geschaffen wurde! Als ob nicht jede Revolution berechtigt wäre, wo die Mittel einer theoretischen Propaganda, wo volle Preßfreiheit, Associationsrecht und allgemeines Stimmrecht fehlen!

-- -- "muß ich
"Die Elemente der Monarchenkunst
Mit meinem grauen Schüler überhören?!"

Aber warum hat denn die Märzrevolution nicht "alles Rechtsbewußtsein mit der Wurzel ausgerottet?" Warum hat denn dieser "Aufstand von unten" nicht "die Freiheit in Gefahr gebracht?" Warum ist eine neue Revolution nicht so gut berechtigt, wie die alte? Warum? Etwa weil schon Alles durch die Märzrevolution errungen ist? Sollte der Märzverein dies wirklich glauben? In diesem Falle ließe sich von unsrer Seite kaum mit ihm darüber disputiren, weil dann die gemeinsame Grundlage, nämlich gleiche Wahrnehmungsorgane fehlten. Freilich, bei Herrn Eisenmann gab es schon früher eine Zeit, wo er keine Reaktion sah; dann sah er sie wieder, und es ist sehr möglich, daß er sie jetzt abermals nicht sieht, so daß auf diese Weise seine politische Thätigkeit von dem jeweiligen Zustande seiner Augen abhängig ist -- und vielleicht haben die Herren von der Linken es auch "durch die Zeitumstände für geboten erachtet," ihre scharfen Brillen abzulegen. Oder sollte -- wir können fast nichts anderes vermuthen -- die Märzrevolution blos deshalb rechtmäßig sein, weil sie die Mitglieder des Märzvereins möglich gemacht hat? Ist dies nicht dieselbe Sprache, welche Herr Bassermann führte, als er evident nachwies, daß die Märzrevolution eine "edle" und eine berechtigte war, daß aber jede Erhebung, jeder Aufstand, nur Schlechtigkeit und Anarchie sein könne, seitdem ein solcher Unterstaatssekretär die Zügel des Staates leitet? Ist dies nicht dieselbe Inkonsequenz, welche die neue Revolution für gerechtfertigt, die andere aber, welche nur eine natürliche Folge der ersten, eine nothwendige Fortsetzung des einmal betretenen Weges ist, für anarchisch erklärt? Ist dies nicht dieselbe Umstandspolitik, welche die gelungenen Revolutionen in den Himmel erhebt, und die besiegten verabscheut? Ist dies nicht dieselbe politische Unfähigkeit, die eine große Revolution, welche nothwendig mehrere Phasen durchlaufen muß, auf einem bestimmten Punkte fixiren will? O geht, geht, ihr Märzmänner! Ihr schlagt Euren eignen, in tausend Reden ausgesprochenen Prinzipien geradezu in's Gesicht. Wir unsrerseits können keinen andern prinzipiellen Unterschied zwischen der vergangenen und der zu erwartenden Revolution finden, als daß die Revolution von 1849, wie gesagt, andere Charaktere verlangen wird, als die dermalen auf der Linken in Frankfurt sitzen, und daß es noch sehr zweifelhaft ist, ob die Revolution von 1849 -- Diäten zahlen wird.

In der bisher angegebenen geschraubten und doctrinären Weise geht das Manifest weiter. Bürgermuth -- Leib und Leben -- Rechtsbewußtsein -- Gewalt von unten -- Aufruhr -- im Sturme zerstören -- bilden die Angelpunkte des Räsonnements.

"Meist war es nur eine unbedeutende (?) Minorität, die die willenlose Majorität ins Schlepptau nahm, ihr durch Entschlossenheit mehr Angst als Vertrauen einflößte."

Wer denkt hier nicht an die "gerechte" Angst des Herrn Bassermann? "Dies wahre, ächte Mannesbewußtsein erlangt sich aber nur im offenen (?) Kampfe für Freiheit und Recht auf das (welches?) Gesetz gestützt. -- -- -- Wie enge der Kreis der Gesetze auch sein mag, die Herrschsucht wird ihn immer mehr zu verengern suchen. Die Märzrevolution hat aber diesen Kreis beträchtlich (??) erweitert (allerdings: durch das Gesetz über die Centralgewalt, zum Schutz der Nationalversammlung, durch den Belagerungszustand etc.); "die Reaktion sucht ihn wieder auf das alte Maaß, ja (!) auf weniger zurückzuführen." (Solche neue Aufschlüsse gibt der Märzverein überhaupt viele). "Der offene freie Kampf (noch einmal!) für die errungenen Rechte (also die Rechte sind schon "errungen," für die man noch kämpfen muß!) wird die Nation würdig (!!) machen, auch andere (!) und viel höhere Rechte zu besitzen, als die, welche ihre Vertreter, geschwächt durch anarchische Erscheinungen (!) noch mehr aber durch den Mangel an Vertrauen in die eigene Kraft (sehr wahr!) in Anspruch zu nehmen wagten."

Das heißt also: Liebes deutsches Volk, iß nur das Stück Brod auf, das wir dir gegeben haben, und sei hübsch artig, dann halten wir, deine Vertreter, dich vielleicht auch für würdig, daß wir Zwieback für dich verlangen; jetzt war das freilich noch nicht möglich. -- Man muß würdig werden für seine Rechte! Man muß würdig werden der Freiheit, der Gleichheit, der Anerkennung, man muß mit einem Worte würdig werden, ein Mensch zu sein! Und nach dem Grade dieser Würdigkeit richtet es sich, wieviel die Vertreter zu verlangen wagen! Und so spricht die Linke!

Später spricht der Märzverein auch von seinem Ziele, "der vollen Befreiung des deutschen Volkes." O die Fülle mag groß sein, deren Maaß diese Herren zu bestimmen haben.

"Der Märzverein will in Beziehung auf die Art und Weise, wie das Recht gewahrt und die Würde der Nation gesichert werde, auch den Regierungen mit einem Beispiele vorangehen."

Dies ist eine Naivetät, welche neben der breiten demokratischen Basis und dem passiven Widerstande einen Platz im Reichsvaritätenkabinet verdient. Der gesetzliche Weg ist beschwerlich, (der Tugendpfad ist anfangs steil etc.) aber er allein führt zum Ziele. Der preußischen Regierung war er zu beschwerlich, und deswegen hat sie das Gesetz verlassen, und sich auf den Boden der Thatsachen gestellt."

Wir unsrerseits sehen nicht ein, inwiefern der König von Preußen das Gesetz verletzt hat. Im März dieses Jahres beschloß er, eine Vereinbarerversammlung zu berufen; im November beschließt er, sie wieder aufzulösen. Die Vereinbarerversammlung bestand nur von Königs Gnaden; sie konnte also auch von Königs Ungnaden wieder aufgelöst werden. Er hatte zu dem Einen so gut das Recht, wie zu dem Anderen; beides sind Ukase, Akte der absoluten Willkür, und das eine ist nicht mehr Gesetz wie das andere, wenn nicht etwa jeder einmal gefaßte Beschluß den Werth eines Gesetzes haben, und jeder spätere, wenn er dem älteren widerspricht, als Willkür gelten soll. Man sieht hier aber so recht den Standpunkt dieser "Märzmänner" und den Werth ihres "gesetzlichen Bodens." Ein Gesetz hat für sie keinen Werth, weil es der Ausdruck wirklicher Volksbedürfnisse ist, sondern -- weil es einmal besteht, weil es amtlich publizirt ist. Wir wiederholen es: der König von Preußen hat nur das Gesetz des Absolutismus konsequent durchgeführt; der Märzverein aber hat den gesetzlichen Boden der Volkssouveränität schmählich verlassen. "Aber sie (die preuß. Regierung) hat dadurch allen Revolutionen, die gegen sie dereinst unternommen werden könnten, dieselbe Berechtigung gegeben, mit der sie selbst die neue Verfassung erlassen hat."

Also nur "dieselbe Berechtigung!" Despotismus und Demokratie haben nur "dieselbe Berechtigung!"

"Die preuß. Regierung wird dieselbe Erfahrung machen, die Andere gemacht haben, die, wie sie, das Gesetz verließen, und es mit Thatsachen allein versuchten. Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen denen, welche eine neue Revolution als Thatsache durch die Emeute aufgehen lassen zu können glaubten (der Styl ist vortrefflich!) und denen, die eine neue Verfassung als Thatsache auf den Belagerungszustand fußten, ist nicht vorhanden. Die Extreme berühren sich."

Wir unsrerseits behaupten: Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen den Kammerliberalen alten Styls und den Parlamentsliberalen neuen Styls ist nicht vorhanden. Welcker und Vogt, Vincke und Wesendonk berühren sich. Der obige Satz von den Extremen hat in Beziehung auf die frankf. Versammlung allerdings seine Richtigkeit, denn ihre Extreme liegen, wie wir sehen, nicht allzuweit auseinander. Bassermänner, Biedermänner, Zimmermänner, Eisenmänner -- alle diese Männer wirken harmonisch zusammen, um das "Mannesbewußtsein" und den "männlichen Kampf für Gesetz und Recht" aufs Neue zu begründen.

Also Windischgrätz, Wrangel, Radetzky, Friedrich Wilhelm IV., Hecker, Struve, Messenhauser, Rob. Blum -- Alle zusammengeworfen, Alle in einen Topf! Sie alle haben den gesetzlichen Weg verlassen und sich auf den Boden der Thatsachen gestellt. Der Inhalt ihrer Handlungen gilt gleich; nur die Form, die formelle Consequenz ist ihnen verhaßt, den Märzmännern! O kommt doch her, ihr Freiheitsmärtyrer dieses Jahres, die ihr verbannt seid oder in Ketten schmachtet, kommet her, ihr Geister der Gefallenen; hier sitzen die großen Dulder, Venedey und Eisenmann, über Euch zu Gericht und sprechen Euch schonungslos das Urtheil: Ihr habt das Gesetz verlassen, Ihr habt "durch Aufstandsversuche von unten die Freiheit in Gefahr gebracht", Ihr habt die Märzmänner in ihrer Ruhe gestört -- fort mit Euch!

Doch lesen wir weiter:

"Der Märzverein wird eine andere Bahn einschlagen. Die Aufstandsversuche von unten haben die Freiheit in Gefahr gebracht; die Reaktion, die Verfassung ohne gesetzliche Grundlage wird die Autorität der Staatsregierung an der Wurzel angreifen (welches ein großes Unglück wäre!). Desto nothwendiger ist es, daß wahres, männliches Rechtsgefühl (quousque tandem!) und Freiheitsbewußtsein erstarke, damit bei dem dereinstigen Zusammenstoße nicht Deutschland in Verwilderung zusammenbreche."

Also ein "dereinstiger Zusammenstoß" wird doch stattfinden! Ist das nicht stets die ultima ratio bei den consequenten Herren! Wie oft haben nicht vor dem März Welcker und Mathy auf der Tribüne mit möglichen Revolutionen gedroht! Sie sehen es deutlich, daß sie mit ihrem gesetzlichen Widerstande doch nicht zu Ende kommen, und stellen darum die Revolution stets als fernen Popanz hin. Sie sehen die Nothwendigkeit der Revolution ein, haben aber, wie v. Vincke einst Herrn Schoder mit Recht vorwarf, nicht den Muth, sich an die Spitze derselben zu stellen. Sie sehen ein, daß sie eine Revolution nicht unmöglich machen können, aber durch die Revolution selbst unmöglich werden und suchen das Volk deßhalb an das dünne Zuckerwasser des gesetzlichen Widerstands zu gewöhnen, um demselben den Geschmack an dem feurigen Weine der Revolution doch wenigstens nach Kräften zu verleiden. Denn dabei könnte ja "Verwilderung" entstehen; es könnte sogar -- schrecklicher Gedanke -- Deutschland bei der Gelegenheit "zusammenbrechen"!! hu, hu! Verwilderung -- Anarchie -- rothe Republik -- Communismus -- allgemeines Zusammenbrechen! mir läuft es kalt über den Rücken!

In derselben trostlosen Weise geht allmählich das Manifest zu Ende -- bis zu der noch trostloseren Unterschrift: der Märzverein -- allerdings das Trostloseste am Ganzen, wenn wir bedenken, welche bisher gefeierte Namen er zu seinen Mitgliedern zählt.

Haben wir nun dem Märzverein Unrecht gethan? Ist das nicht Welker und Bassermann in zweiter Auflage? Sind nicht -- aus sehr natürlichen Gründen -- selbst die Phrasen, mit denen diese Herren uns bewirthen, genau dieselben wie bei der altliberalen Clique ? Zweifeln unsere Leser noch an der Wahrheit der Behauptung, daß es in Revolutionszeiten wie die unsrige stets nur zwei Parteien gibt, die Revolutions- und Reaktionspartei; und daß jede Vermittlungspartei vermöge ihrer eigenen sittlichen Schwäche unter dem Namen "conservativer Freiheitsfreunde", ohne daß sie es weiß, zur Rückschrittspartei übergeht? -- Die Märzmänner sind in gewisser Hinsicht die Girondisten unsrer Revolution; sie haben aber noch keinen König gestürzt!

Der Märzverein hat mit diesem Schreiben die Zahl unsrer Gegner vermehrt, und es ist die Pflicht jedes guten Demokraten, seinem Treiben nach Kräften entgegenzuwirken.

Abermals ein abschreckendes und lehrreiches Beispiel, zu welchen Ansichten man kommt, wenn man sich 8 Monate lang offiziell im gesetzlichen Widerstande übt.

Ein Unterschied bleibt noch zwischen den alten und den neuen Märzmännern. Die Welker etc. schlugen doch erst nach dem Siege ihrer Ansichten um; die frankfurter Linke urplötzlich, schon vor dem Siege. Oder sollte wirklich der Umstand, daß die bisherige Minorität durch ihre Bastardehe mit den Oesterreichern und den Ultramontanen zur Majorität geworden ist, zur Abfassung dieses Manifestes mit beigetragen haben?!

Das deutsche Volk aber wird aus dieser neuen bitteren Erfahrung die praktische Lehre ziehen, sich nicht abermals von den Männern des gesetzlichen Widerstands täuschen zu lassen; es wird bei dem "dereinstigen Zusammenstoße", selbst auf die Gefahr hin, "in Verwilderung zusammenzubrechen", sehr wohl wissen, welchen Männern es seine Geschicke nicht anvertrauen darf.

121 Wien, 22. Dezember.

Das österreichische Volk ist so lange ausschließlich von Diplomaten, Pfaffen und Polizeibütteln geboren, erzogen und begraben worden, daß es beim Fortbestand der sogenannten Gesamtmonarchie, vorausgesetzt, daß die Rückkehr des alten Zustands unmöglich ist, noch der Jahrzehnte bedarf, bevor es in einer andern Atmosphäre athmen wird. Die Verdorbenheit war unter Metternich zuletzt so arg geworden, daß einer im andern einen Polizeispion vermuthen durfte. Freunde und Geliebte wurden es fast immer, so oft eine Zwistigkeit unter ihnen entstand, die Rache erheischte. Und in den gewöhnlichen Lebensverhältnissen war es so weit gekommen, daß, wer nicht zu den Schurken gehörte, fast ein in Oesterreich unmöglicher Mensch war. -- Am weitesten hatten es hierin die Czechen gebracht, und noch immer besitzen sie den Ruf der besten Polizeibüttel und heimtückischen Verräther. Mit der Vertreibung Metternichs war hier daher ebensowenig abgethan, als in Frankreich mit der blosen Vertreibung Ludwig Philipps. Soll Oestereeich sittlich-politisch gedeihen, so müssen ganze metternichische Generationen aus dem Sattel gehoben und Menschen an ihre Stelle gebracht werden, die das haben, was die Alten virtus. nannten.

Wer Oesterreichs Revolution von ferne angeschaut hat, wie wird der nicht staunen, kommt er nach Wien, wenn er noch immer bei jedem Schritt um Paß und Passirschein, um die Gründe und Dauer seines Aufenthalts, um die Mittel zur Bestreitung desselben, und über allenfallsige Bekanntschaften befragt wird, bevor man ihm gegen theures Geld den Aufenthalt auf kurze Zeit bewilligt? wie wird er staunen, wenn er noch allenthalben nichts anderes in der Anrede hört, als "Herr von, Euer Gnaden, Küß' die Hand!" u. s. w. und letztes wirklich noch thun sieht? wenn er, durch die Stadt gehend, noch immer nichts anderes sieht, als k. k. privilegirte Schuh- und Stiefelmacher, k. k. privilegirte Zuckerbäcker, k. k. privilegirte Schneider u. s. fort durch alle Gewerbe und Handthierungen? Er wird bezweifeln, daß wir jemals eine Revolution gehabt, und wird dem dummen Deutschland, welches den Sieg des Windischgrätz, d. h. die Rückkehr der alten scheußlichen Wirthschaft quasi mit Jubel begrüßte, die bittersten Vorwürfe machen. Denn bei uns handelte es sich immer nur erst um die ersten Fundamente der Freiheit, nicht, wie anderwärts, um ihre spätern Folgen.

Darum theile ich Ihnen Nachstehendes mit. Ihre Leser werden daraus erkennen, wie früher die Staatsmaschine getrieben wurde. Das Fragment ist aus einer jüngst erschienenen Schrift des Freiherrn von Hormayr entnommen, die den Titel "Metternich" führt. Hormayr aber hatte nicht den Muth, alles zu erhüllen, was er weiß; er verschont alle noch in Amt und Würde sitzenden Kreaturen Metternich's absichtlich. Es spricht von Joseph II., wo er von Franz I. und Ferdinand I. reden sollte. Er schont z. B. Stadion, weil ein Stadion jetzt Minister geworden, nachdem er auf Metternich's Geheiß 1846 die Polen in Galizien hat ermorden lassen, und noch jetzt mit seinem fürstlichen Herrn in London in der engsten brieflichen Verbrüderung steht. Es lassen sich noch ganz andere Schrecknisse enthüllen, und sie werden hoffentlich enthüllt werden, damit die Welt, wenn auch vergebens, ganz erfahre, daß die Hölle nicht in der Hölle, sondern in Oesterreich zu Hause ist.

Das Chiffrekabinet. Oesterreich gab sein neues Landpostmeisteramt dem neufürstlichen Hause Paar und schloß Thurn und Taxis auf immer davon aus! -- Nur hatte dieses in Wien seinen bevollmächtigten geheimen Rath und sein Centralbureau, das, mit einer gerade jetzt unter Joseph II. von Kaunitz auf die höchste Stufe gebrachter polizeilicher und inquisitorischer Vollendung, mit der Wiener Polizei und mit des Kaisers eigenem innersten Kabinette eng zusammenhing. Es hieß etwas später "das Chiffrekabinet" und war in der Kaiserburg selbst in dem auf den Josephsplatz hinausgehende Viereck, "die Stallburg" genannt, wo zugleich die Verfassung und die Auflösung aller diplomatischen Chiffren von Pariser und neapolitanischen Adepten auf eine noch nie erhörte Vervollkommnungstufe begonnen und unaufhörlich getrieben worden, über die freilich manche der größten Kalkulateurs den Verstand verloren, die überhaupt mit ihren Familien ein sorgenfreies und reichliches, aber das traurigste Leben gleich Staatsgefangenen führten. Sie standen unter schärfster Polizeihut: man wußte genau, was sie depensirten; ob sie Vergnügungen liebten; wer sie besuchte, ihre Söhne und Töchter? -- Am liebsten, wenn Staatskanzlei, Kabinet, Chiffrekabinet unter sich am meisten zusammenkamen und gewissermaßen einen geschlossenen Cirkus bildeten. Einer fremden diplomatischen Person, die sich einzuschleichen versucht hätte, wäre es schlimmer ergangen, als einem entdeckten Taschendiebe. -- Der Polizeibogen mit dem Morgenrapport über die Stallburg und die Staatskanzlei auf des Kaisers Arbeitstisch zeigte immer auf einen Blick, wo jeder der vertrauten Arbeiter Tags und Abends vorher gewesen war. Die Sache hatte ihre pythagoräisch-militärische, bewundernswerthe Einrichtung. -- Talleyrand, der diese Partie besonders liebte und verstand, schickte öfter Anfragen und verfehlte Auflösungen, und während der zwei Monden französischer Okkupationen Wien's (13. November 1804 und 13. Januar 1805) hinkte er wie oft von der Gräfin Rombeck, Louis Cobenzl's Schwester, in die Stallburg herüber. -- Leider aber auch an Ehre und Gewissen wurden die Arbeiter mehrfach gekränkt, da sie öfter genöthigt wurden, Korrespondenzen zu "suborniren" (zu schmieden oder in der Kopie zu verfälschen), was in Paris sehr früh in Wien unter Kaunitz, Cobenzl ziemlich selten und zumal unter Stadion sehr selten, aber noch sehr spät in demagogischen, in karbonarischen, Metternichisch-Münchisch-Sedlnitzky'schen Umtrieben häufig geschehen ist, wo von Wahrheit, von Ehre und Gewissen längst keine Rede mehr war.

Das Furchtbare an der ganzen Sache war die altvenetianischstrenge Unterordnung und Verbindung des Chiffrekabinets mit der geheimen Polizei, mit ihren politischen Spürereien und die Verbindung mit der französischen Polizei in Paris und Lyon, wobei Billele den eifrigsten Beistand leistete, selbst mit der Fürstin Metternich noch in ihren letzten Lebenswochen konferirte und in den Freimaurerverbindungen, namentlich in der Loge "vom Orient" (in der auch die spanischen Logen, den Großmeister Arguelles el Divino an der Spitze), viel Spielwerk alter Kinder getrieben und wie in Piemont, durch den nichtswürdigen Prinzen von Carignau Hunderte unglücklich gemacht wurden. -- Mehrere Offiziere, die Karl Albert als Alter Ego schriftlich zu Dem und Jenem angewiesen, ließ er in der Folge (sein Papier in den Händen) hinrichten. Das Metternich-Ouvrard'sche Gold konnte ihn nicht weißbrennen, als er den Trokadero von den feigen und feilen Cortes erkaufte. Erst Spanien und Italien (Mailand, Neapel) haben der Metternich'schen Hofpolizei diese Ausdehnung, diesen Charakter gegeben. -- Wahnsinnige Summen flogen dafür hinaus, die Steuern stiegen fort und fort bis in die Wolken: -- Exekutionen, Güterverkäufe, Tumulte, Bauernkrieg, qu'importe? -- "Der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht:" -- jetzt ist er gebrochen!

Durch ganz Deutschland theilten sich die Taxis'schen Postbureaus in Postlogen und Richtlogen (mit dem Wiener Chiffrekabinet Verbundene und Richtverbundene), Logisten und Richtlogisten. -- Erstere waren zugleich gut besoldete und numerirte Beamte des Wiener Chiffrekabinets, in welchem auch der ganze Reichthum der Chemie, Mechanik und sinnreichsten Kochkunst auf der Retorte entfaltet war. -- Uebrigens wurde Wien's Hauptpost Schlag sieben Uhr geschlossen und ging scheinbar ab: die respektiven Felleisen fuhren aber rasch zum Chiffrekabinet in den geschlossenen Hof der Stallburg. Hier wurden die verdächtigen Gesandtschafts-, Bankiers- und sonstigen auswärtigen Korrespondenzen blitzesschnell und umsichtig ausgesucht, gemustert, geöffnet und abgeschrieben, was fast immer bis über eilf Uhr, oft bis ein Uhr dauerte; dann erst fuhr die Post wirklich ab.

Die preußischen Ziffern (deutsche und französische) waren längst aufgelöst, die österreichischen meistens wohl auch; doch gab es noch mehrere, die es nicht waren und es auch gar niemals geworden sind. -- Die preußischen Kabinetskouriere, bis auf zwei, waren schon unter der Oberleitung des hierin Joseph's vollstes Vertrauen (selbst pekuniär) genießenden Hofraths, Polizeidirektors der Residenz, Joseph von Beer auf Lebenslang versorgt, verführt, bestochen. Auf der Einbruchsstation bei Pirna war ein eigens nach allen möglichen Rücksichten neu erbautes Häuschen, eine nur den Postbeamten zugängliche Filiale des Wiener Chiffrekabinets, von mehreren Beamten desselben bewohnt, die sogleich den längst mit Ungeduld erwarteten Berliner Kourier und sein Felleisen in Beschlag, letzteres gleich mit ihm in ihre Postchaise nahmen, im raschesten Fahren, auch sehr kurzen Zwischenräumen von Ruhe, es operirten, lustrirten, kopirten. Diese Künste alle waren auf dem Giebel des scharfsinnigsten und ruhigsten Raffinements.

So ging es fort bis in ein detto geheimnißvolles sogenanntes Mauthhäuschen außer der letzten Poststation vor Wien -- Langenzersdorf -- wo das unkenntlich wieder geschlossene Felleisen dem Kurier rückgegeben wurde, und in der dritten Stunde darauf der preußische Gesandte, Graf Keller, Haugwitz oder Lucchesini seine Depeschen aus den Händen des Kuriers im Gesandtschaftshotel in der Wollzeile, eben so bona fide und quasi de re optime gesta empfing, wie in gleicher Stunde, lächelnd und hochwiegend, Spielmann und Kaunitz am Ballhausplatz in der Staatskanzlei.

61 Wien, 22. Dezbr.

Die kaiserl. Armee muß seit einigen Tagen auf hartnäckigen noch nicht besiegten Widerstand in Ungarn gestoßen sein, denn alle Standrechtsblätter schweigen selbst mit lü-

*) In einer andern Proklamation des Märzvereins wird selbst, ächt a la Welker, auf England als das Vorbild aller gesetzlichen Agitation verwiesen.

deutsche Volk gibt sein Geld doch nicht unnütz aus; die Linke hat wirklich in Frankfurt etwas gelernt; Hr. v. Binke wird sich freuen, daß er so gelehrige Schüler gefunden hut. Rechtsbewußtsein! Als ob nicht gerade die Revolution nur auf dem Rechtsbewußtsein beruhte! Als ob ein solches nicht gerade durch die Revolution erst geschaffen wurde! Als ob nicht jede Revolution berechtigt wäre, wo die Mittel einer theoretischen Propaganda, wo volle Preßfreiheit, Associationsrecht und allgemeines Stimmrecht fehlen!

— — „muß ich
„Die Elemente der Monarchenkunst
Mit meinem grauen Schüler überhören?!“

Aber warum hat denn die Märzrevolution nicht „alles Rechtsbewußtsein mit der Wurzel ausgerottet?“ Warum hat denn dieser „Aufstand von unten“ nicht „die Freiheit in Gefahr gebracht?“ Warum ist eine neue Revolution nicht so gut berechtigt, wie die alte? Warum? Etwa weil schon Alles durch die Märzrevolution errungen ist? Sollte der Märzverein dies wirklich glauben? In diesem Falle ließe sich von unsrer Seite kaum mit ihm darüber disputiren, weil dann die gemeinsame Grundlage, nämlich gleiche Wahrnehmungsorgane fehlten. Freilich, bei Herrn Eisenmann gab es schon früher eine Zeit, wo er keine Reaktion sah; dann sah er sie wieder, und es ist sehr möglich, daß er sie jetzt abermals nicht sieht, so daß auf diese Weise seine politische Thätigkeit von dem jeweiligen Zustande seiner Augen abhängig ist — und vielleicht haben die Herren von der Linken es auch „durch die Zeitumstände für geboten erachtet,“ ihre scharfen Brillen abzulegen. Oder sollte — wir können fast nichts anderes vermuthen — die Märzrevolution blos deshalb rechtmäßig sein, weil sie die Mitglieder des Märzvereins möglich gemacht hat? Ist dies nicht dieselbe Sprache, welche Herr Bassermann führte, als er evident nachwies, daß die Märzrevolution eine „edle“ und eine berechtigte war, daß aber jede Erhebung, jeder Aufstand, nur Schlechtigkeit und Anarchie sein könne, seitdem ein solcher Unterstaatssekretär die Zügel des Staates leitet? Ist dies nicht dieselbe Inkonsequenz, welche die neue Revolution für gerechtfertigt, die andere aber, welche nur eine natürliche Folge der ersten, eine nothwendige Fortsetzung des einmal betretenen Weges ist, für anarchisch erklärt? Ist dies nicht dieselbe Umstandspolitik, welche die gelungenen Revolutionen in den Himmel erhebt, und die besiegten verabscheut? Ist dies nicht dieselbe politische Unfähigkeit, die eine große Revolution, welche nothwendig mehrere Phasen durchlaufen muß, auf einem bestimmten Punkte fixiren will? O geht, geht, ihr Märzmänner! Ihr schlagt Euren eignen, in tausend Reden ausgesprochenen Prinzipien geradezu in's Gesicht. Wir unsrerseits können keinen andern prinzipiellen Unterschied zwischen der vergangenen und der zu erwartenden Revolution finden, als daß die Revolution von 1849, wie gesagt, andere Charaktere verlangen wird, als die dermalen auf der Linken in Frankfurt sitzen, und daß es noch sehr zweifelhaft ist, ob die Revolution von 1849 — Diäten zahlen wird.

In der bisher angegebenen geschraubten und doctrinären Weise geht das Manifest weiter. Bürgermuth — Leib und Leben — Rechtsbewußtsein — Gewalt von unten — Aufruhr — im Sturme zerstören — bilden die Angelpunkte des Räsonnements.

„Meist war es nur eine unbedeutende (?) Minorität, die die willenlose Majorität ins Schlepptau nahm, ihr durch Entschlossenheit mehr Angst als Vertrauen einflößte.“

Wer denkt hier nicht an die „gerechte“ Angst des Herrn Bassermann? „Dies wahre, ächte Mannesbewußtsein erlangt sich aber nur im offenen (?) Kampfe für Freiheit und Recht auf das (welches?) Gesetz gestützt. — — — Wie enge der Kreis der Gesetze auch sein mag, die Herrschsucht wird ihn immer mehr zu verengern suchen. Die Märzrevolution hat aber diesen Kreis beträchtlich (??) erweitert (allerdings: durch das Gesetz über die Centralgewalt, zum Schutz der Nationalversammlung, durch den Belagerungszustand etc.); „die Reaktion sucht ihn wieder auf das alte Maaß, ja (!) auf weniger zurückzuführen.“ (Solche neue Aufschlüsse gibt der Märzverein überhaupt viele). „Der offene freie Kampf (noch einmal!) für die errungenen Rechte (also die Rechte sind schon „errungen,“ für die man noch kämpfen muß!) wird die Nation würdig (!!) machen, auch andere (!) und viel höhere Rechte zu besitzen, als die, welche ihre Vertreter, geschwächt durch anarchische Erscheinungen (!) noch mehr aber durch den Mangel an Vertrauen in die eigene Kraft (sehr wahr!) in Anspruch zu nehmen wagten.“

Das heißt also: Liebes deutsches Volk, iß nur das Stück Brod auf, das wir dir gegeben haben, und sei hübsch artig, dann halten wir, deine Vertreter, dich vielleicht auch für würdig, daß wir Zwieback für dich verlangen; jetzt war das freilich noch nicht möglich. — Man muß würdig werden für seine Rechte! Man muß würdig werden der Freiheit, der Gleichheit, der Anerkennung, man muß mit einem Worte würdig werden, ein Mensch zu sein! Und nach dem Grade dieser Würdigkeit richtet es sich, wieviel die Vertreter zu verlangen wagen! Und so spricht die Linke!

Später spricht der Märzverein auch von seinem Ziele, „der vollen Befreiung des deutschen Volkes.“ O die Fülle mag groß sein, deren Maaß diese Herren zu bestimmen haben.

„Der Märzverein will in Beziehung auf die Art und Weise, wie das Recht gewahrt und die Würde der Nation gesichert werde, auch den Regierungen mit einem Beispiele vorangehen.“

Dies ist eine Naivetät, welche neben der breiten demokratischen Basis und dem passiven Widerstande einen Platz im Reichsvaritätenkabinet verdient. Der gesetzliche Weg ist beschwerlich, (der Tugendpfad ist anfangs steil etc.) aber er allein führt zum Ziele. Der preußischen Regierung war er zu beschwerlich, und deswegen hat sie das Gesetz verlassen, und sich auf den Boden der Thatsachen gestellt.“

Wir unsrerseits sehen nicht ein, inwiefern der König von Preußen das Gesetz verletzt hat. Im März dieses Jahres beschloß er, eine Vereinbarerversammlung zu berufen; im November beschließt er, sie wieder aufzulösen. Die Vereinbarerversammlung bestand nur von Königs Gnaden; sie konnte also auch von Königs Ungnaden wieder aufgelöst werden. Er hatte zu dem Einen so gut das Recht, wie zu dem Anderen; beides sind Ukase, Akte der absoluten Willkür, und das eine ist nicht mehr Gesetz wie das andere, wenn nicht etwa jeder einmal gefaßte Beschluß den Werth eines Gesetzes haben, und jeder spätere, wenn er dem älteren widerspricht, als Willkür gelten soll. Man sieht hier aber so recht den Standpunkt dieser „Märzmänner“ und den Werth ihres „gesetzlichen Bodens.“ Ein Gesetz hat für sie keinen Werth, weil es der Ausdruck wirklicher Volksbedürfnisse ist, sondern — weil es einmal besteht, weil es amtlich publizirt ist. Wir wiederholen es: der König von Preußen hat nur das Gesetz des Absolutismus konsequent durchgeführt; der Märzverein aber hat den gesetzlichen Boden der Volkssouveränität schmählich verlassen. „Aber sie (die preuß. Regierung) hat dadurch allen Revolutionen, die gegen sie dereinst unternommen werden könnten, dieselbe Berechtigung gegeben, mit der sie selbst die neue Verfassung erlassen hat.“

Also nur „dieselbe Berechtigung!“ Despotismus und Demokratie haben nur „dieselbe Berechtigung!“

„Die preuß. Regierung wird dieselbe Erfahrung machen, die Andere gemacht haben, die, wie sie, das Gesetz verließen, und es mit Thatsachen allein versuchten. Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen denen, welche eine neue Revolution als Thatsache durch die Emeute aufgehen lassen zu können glaubten (der Styl ist vortrefflich!) und denen, die eine neue Verfassung als Thatsache auf den Belagerungszustand fußten, ist nicht vorhanden. Die Extreme berühren sich.“

Wir unsrerseits behaupten: Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen den Kammerliberalen alten Styls und den Parlamentsliberalen neuen Styls ist nicht vorhanden. Welcker und Vogt, Vincke und Wesendonk berühren sich. Der obige Satz von den Extremen hat in Beziehung auf die frankf. Versammlung allerdings seine Richtigkeit, denn ihre Extreme liegen, wie wir sehen, nicht allzuweit auseinander. Bassermänner, Biedermänner, Zimmermänner, Eisenmänner — alle diese Männer wirken harmonisch zusammen, um das „Mannesbewußtsein“ und den „männlichen Kampf für Gesetz und Recht“ aufs Neue zu begründen.

Also Windischgrätz, Wrangel, Radetzky, Friedrich Wilhelm IV., Hecker, Struve, Messenhauser, Rob. Blum — Alle zusammengeworfen, Alle in einen Topf! Sie alle haben den gesetzlichen Weg verlassen und sich auf den Boden der Thatsachen gestellt. Der Inhalt ihrer Handlungen gilt gleich; nur die Form, die formelle Consequenz ist ihnen verhaßt, den Märzmännern! O kommt doch her, ihr Freiheitsmärtyrer dieses Jahres, die ihr verbannt seid oder in Ketten schmachtet, kommet her, ihr Geister der Gefallenen; hier sitzen die großen Dulder, Venedey und Eisenmann, über Euch zu Gericht und sprechen Euch schonungslos das Urtheil: Ihr habt das Gesetz verlassen, Ihr habt „durch Aufstandsversuche von unten die Freiheit in Gefahr gebracht“, Ihr habt die Märzmänner in ihrer Ruhe gestört — fort mit Euch!

Doch lesen wir weiter:

„Der Märzverein wird eine andere Bahn einschlagen. Die Aufstandsversuche von unten haben die Freiheit in Gefahr gebracht; die Reaktion, die Verfassung ohne gesetzliche Grundlage wird die Autorität der Staatsregierung an der Wurzel angreifen (welches ein großes Unglück wäre!). Desto nothwendiger ist es, daß wahres, männliches Rechtsgefühl (quousque tandem!) und Freiheitsbewußtsein erstarke, damit bei dem dereinstigen Zusammenstoße nicht Deutschland in Verwilderung zusammenbreche.“

Also ein „dereinstiger Zusammenstoß“ wird doch stattfinden! Ist das nicht stets die ultima ratio bei den consequenten Herren! Wie oft haben nicht vor dem März Welcker und Mathy auf der Tribüne mit möglichen Revolutionen gedroht! Sie sehen es deutlich, daß sie mit ihrem gesetzlichen Widerstande doch nicht zu Ende kommen, und stellen darum die Revolution stets als fernen Popanz hin. Sie sehen die Nothwendigkeit der Revolution ein, haben aber, wie v. Vincke einst Herrn Schoder mit Recht vorwarf, nicht den Muth, sich an die Spitze derselben zu stellen. Sie sehen ein, daß sie eine Revolution nicht unmöglich machen können, aber durch die Revolution selbst unmöglich werden und suchen das Volk deßhalb an das dünne Zuckerwasser des gesetzlichen Widerstands zu gewöhnen, um demselben den Geschmack an dem feurigen Weine der Revolution doch wenigstens nach Kräften zu verleiden. Denn dabei könnte ja „Verwilderung“ entstehen; es könnte sogar — schrecklicher Gedanke — Deutschland bei der Gelegenheit „zusammenbrechen“!! hu, hu! Verwilderung — Anarchie — rothe Republik — Communismus — allgemeines Zusammenbrechen! mir läuft es kalt über den Rücken!

In derselben trostlosen Weise geht allmählich das Manifest zu Ende — bis zu der noch trostloseren Unterschrift: der Märzverein — allerdings das Trostloseste am Ganzen, wenn wir bedenken, welche bisher gefeierte Namen er zu seinen Mitgliedern zählt.

Haben wir nun dem Märzverein Unrecht gethan? Ist das nicht Welker und Bassermann in zweiter Auflage? Sind nicht — aus sehr natürlichen Gründen — selbst die Phrasen, mit denen diese Herren uns bewirthen, genau dieselben wie bei der altliberalen Clique ? Zweifeln unsere Leser noch an der Wahrheit der Behauptung, daß es in Revolutionszeiten wie die unsrige stets nur zwei Parteien gibt, die Revolutions- und Reaktionspartei; und daß jede Vermittlungspartei vermöge ihrer eigenen sittlichen Schwäche unter dem Namen „conservativer Freiheitsfreunde“, ohne daß sie es weiß, zur Rückschrittspartei übergeht? — Die Märzmänner sind in gewisser Hinsicht die Girondisten unsrer Revolution; sie haben aber noch keinen König gestürzt!

Der Märzverein hat mit diesem Schreiben die Zahl unsrer Gegner vermehrt, und es ist die Pflicht jedes guten Demokraten, seinem Treiben nach Kräften entgegenzuwirken.

Abermals ein abschreckendes und lehrreiches Beispiel, zu welchen Ansichten man kommt, wenn man sich 8 Monate lang offiziell im gesetzlichen Widerstande übt.

Ein Unterschied bleibt noch zwischen den alten und den neuen Märzmännern. Die Welker etc. schlugen doch erst nach dem Siege ihrer Ansichten um; die frankfurter Linke urplötzlich, schon vor dem Siege. Oder sollte wirklich der Umstand, daß die bisherige Minorität durch ihre Bastardehe mit den Oesterreichern und den Ultramontanen zur Majorität geworden ist, zur Abfassung dieses Manifestes mit beigetragen haben?!

Das deutsche Volk aber wird aus dieser neuen bitteren Erfahrung die praktische Lehre ziehen, sich nicht abermals von den Männern des gesetzlichen Widerstands täuschen zu lassen; es wird bei dem „dereinstigen Zusammenstoße“, selbst auf die Gefahr hin, „in Verwilderung zusammenzubrechen“, sehr wohl wissen, welchen Männern es seine Geschicke nicht anvertrauen darf.

121 Wien, 22. Dezember.

Das österreichische Volk ist so lange ausschließlich von Diplomaten, Pfaffen und Polizeibütteln geboren, erzogen und begraben worden, daß es beim Fortbestand der sogenannten Gesamtmonarchie, vorausgesetzt, daß die Rückkehr des alten Zustands unmöglich ist, noch der Jahrzehnte bedarf, bevor es in einer andern Atmosphäre athmen wird. Die Verdorbenheit war unter Metternich zuletzt so arg geworden, daß einer im andern einen Polizeispion vermuthen durfte. Freunde und Geliebte wurden es fast immer, so oft eine Zwistigkeit unter ihnen entstand, die Rache erheischte. Und in den gewöhnlichen Lebensverhältnissen war es so weit gekommen, daß, wer nicht zu den Schurken gehörte, fast ein in Oesterreich unmöglicher Mensch war. — Am weitesten hatten es hierin die Czechen gebracht, und noch immer besitzen sie den Ruf der besten Polizeibüttel und heimtückischen Verräther. Mit der Vertreibung Metternichs war hier daher ebensowenig abgethan, als in Frankreich mit der blosen Vertreibung Ludwig Philipps. Soll Oestereeich sittlich-politisch gedeihen, so müssen ganze metternichische Generationen aus dem Sattel gehoben und Menschen an ihre Stelle gebracht werden, die das haben, was die Alten virtus. nannten.

Wer Oesterreichs Revolution von ferne angeschaut hat, wie wird der nicht staunen, kommt er nach Wien, wenn er noch immer bei jedem Schritt um Paß und Passirschein, um die Gründe und Dauer seines Aufenthalts, um die Mittel zur Bestreitung desselben, und über allenfallsige Bekanntschaften befragt wird, bevor man ihm gegen theures Geld den Aufenthalt auf kurze Zeit bewilligt? wie wird er staunen, wenn er noch allenthalben nichts anderes in der Anrede hört, als „Herr von, Euer Gnaden, Küß' die Hand!“ u. s. w. und letztes wirklich noch thun sieht? wenn er, durch die Stadt gehend, noch immer nichts anderes sieht, als k. k. privilegirte Schuh- und Stiefelmacher, k. k. privilegirte Zuckerbäcker, k. k. privilegirte Schneider u. s. fort durch alle Gewerbe und Handthierungen? Er wird bezweifeln, daß wir jemals eine Revolution gehabt, und wird dem dummen Deutschland, welches den Sieg des Windischgrätz, d. h. die Rückkehr der alten scheußlichen Wirthschaft quasi mit Jubel begrüßte, die bittersten Vorwürfe machen. Denn bei uns handelte es sich immer nur erst um die ersten Fundamente der Freiheit, nicht, wie anderwärts, um ihre spätern Folgen.

Darum theile ich Ihnen Nachstehendes mit. Ihre Leser werden daraus erkennen, wie früher die Staatsmaschine getrieben wurde. Das Fragment ist aus einer jüngst erschienenen Schrift des Freiherrn von Hormayr entnommen, die den Titel „Metternich“ führt. Hormayr aber hatte nicht den Muth, alles zu erhüllen, was er weiß; er verschont alle noch in Amt und Würde sitzenden Kreaturen Metternich's absichtlich. Es spricht von Joseph II., wo er von Franz I. und Ferdinand I. reden sollte. Er schont z. B. Stadion, weil ein Stadion jetzt Minister geworden, nachdem er auf Metternich's Geheiß 1846 die Polen in Galizien hat ermorden lassen, und noch jetzt mit seinem fürstlichen Herrn in London in der engsten brieflichen Verbrüderung steht. Es lassen sich noch ganz andere Schrecknisse enthüllen, und sie werden hoffentlich enthüllt werden, damit die Welt, wenn auch vergebens, ganz erfahre, daß die Hölle nicht in der Hölle, sondern in Oesterreich zu Hause ist.

Das Chiffrekabinet. Oesterreich gab sein neues Landpostmeisteramt dem neufürstlichen Hause Paar und schloß Thurn und Taxis auf immer davon aus! — Nur hatte dieses in Wien seinen bevollmächtigten geheimen Rath und sein Centralbureau, das, mit einer gerade jetzt unter Joseph II. von Kaunitz auf die höchste Stufe gebrachter polizeilicher und inquisitorischer Vollendung, mit der Wiener Polizei und mit des Kaisers eigenem innersten Kabinette eng zusammenhing. Es hieß etwas später „das Chiffrekabinet“ und war in der Kaiserburg selbst in dem auf den Josephsplatz hinausgehende Viereck, „die Stallburg“ genannt, wo zugleich die Verfassung und die Auflösung aller diplomatischen Chiffren von Pariser und neapolitanischen Adepten auf eine noch nie erhörte Vervollkommnungstufe begonnen und unaufhörlich getrieben worden, über die freilich manche der größten Kalkulateurs den Verstand verloren, die überhaupt mit ihren Familien ein sorgenfreies und reichliches, aber das traurigste Leben gleich Staatsgefangenen führten. Sie standen unter schärfster Polizeihut: man wußte genau, was sie depensirten; ob sie Vergnügungen liebten; wer sie besuchte, ihre Söhne und Töchter? — Am liebsten, wenn Staatskanzlei, Kabinet, Chiffrekabinet unter sich am meisten zusammenkamen und gewissermaßen einen geschlossenen Cirkus bildeten. Einer fremden diplomatischen Person, die sich einzuschleichen versucht hätte, wäre es schlimmer ergangen, als einem entdeckten Taschendiebe. — Der Polizeibogen mit dem Morgenrapport über die Stallburg und die Staatskanzlei auf des Kaisers Arbeitstisch zeigte immer auf einen Blick, wo jeder der vertrauten Arbeiter Tags und Abends vorher gewesen war. Die Sache hatte ihre pythagoräisch-militärische, bewundernswerthe Einrichtung. — Talleyrand, der diese Partie besonders liebte und verstand, schickte öfter Anfragen und verfehlte Auflösungen, und während der zwei Monden französischer Okkupationen Wien's (13. November 1804 und 13. Januar 1805) hinkte er wie oft von der Gräfin Rombeck, Louis Cobenzl's Schwester, in die Stallburg herüber. — Leider aber auch an Ehre und Gewissen wurden die Arbeiter mehrfach gekränkt, da sie öfter genöthigt wurden, Korrespondenzen zu „suborniren“ (zu schmieden oder in der Kopie zu verfälschen), was in Paris sehr früh in Wien unter Kaunitz, Cobenzl ziemlich selten und zumal unter Stadion sehr selten, aber noch sehr spät in demagogischen, in karbonarischen, Metternichisch-Münchisch-Sedlnitzky'schen Umtrieben häufig geschehen ist, wo von Wahrheit, von Ehre und Gewissen längst keine Rede mehr war.

Das Furchtbare an der ganzen Sache war die altvenetianischstrenge Unterordnung und Verbindung des Chiffrekabinets mit der geheimen Polizei, mit ihren politischen Spürereien und die Verbindung mit der französischen Polizei in Paris und Lyon, wobei Billèle den eifrigsten Beistand leistete, selbst mit der Fürstin Metternich noch in ihren letzten Lebenswochen konferirte und in den Freimaurerverbindungen, namentlich in der Loge „vom Orient“ (in der auch die spanischen Logen, den Großmeister Arguelles el Divino an der Spitze), viel Spielwerk alter Kinder getrieben und wie in Piemont, durch den nichtswürdigen Prinzen von Carignau Hunderte unglücklich gemacht wurden. — Mehrere Offiziere, die Karl Albert als Alter Ego schriftlich zu Dem und Jenem angewiesen, ließ er in der Folge (sein Papier in den Händen) hinrichten. Das Metternich-Ouvrard'sche Gold konnte ihn nicht weißbrennen, als er den Trokadero von den feigen und feilen Cortes erkaufte. Erst Spanien und Italien (Mailand, Neapel) haben der Metternich'schen Hofpolizei diese Ausdehnung, diesen Charakter gegeben. — Wahnsinnige Summen flogen dafür hinaus, die Steuern stiegen fort und fort bis in die Wolken: — Exekutionen, Güterverkäufe, Tumulte, Bauernkrieg, qu'importe? — „Der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht:“ — jetzt ist er gebrochen!

Durch ganz Deutschland theilten sich die Taxis'schen Postbureaus in Postlogen und Richtlogen (mit dem Wiener Chiffrekabinet Verbundene und Richtverbundene), Logisten und Richtlogisten. — Erstere waren zugleich gut besoldete und numerirte Beamte des Wiener Chiffrekabinets, in welchem auch der ganze Reichthum der Chemie, Mechanik und sinnreichsten Kochkunst auf der Retorte entfaltet war. — Uebrigens wurde Wien's Hauptpost Schlag sieben Uhr geschlossen und ging scheinbar ab: die respektiven Felleisen fuhren aber rasch zum Chiffrekabinet in den geschlossenen Hof der Stallburg. Hier wurden die verdächtigen Gesandtschafts-, Bankiers- und sonstigen auswärtigen Korrespondenzen blitzesschnell und umsichtig ausgesucht, gemustert, geöffnet und abgeschrieben, was fast immer bis über eilf Uhr, oft bis ein Uhr dauerte; dann erst fuhr die Post wirklich ab.

Die preußischen Ziffern (deutsche und französische) waren längst aufgelöst, die österreichischen meistens wohl auch; doch gab es noch mehrere, die es nicht waren und es auch gar niemals geworden sind. — Die preußischen Kabinetskouriere, bis auf zwei, waren schon unter der Oberleitung des hierin Joseph's vollstes Vertrauen (selbst pekuniär) genießenden Hofraths, Polizeidirektors der Residenz, Joseph von Beer auf Lebenslang versorgt, verführt, bestochen. Auf der Einbruchsstation bei Pirna war ein eigens nach allen möglichen Rücksichten neu erbautes Häuschen, eine nur den Postbeamten zugängliche Filiale des Wiener Chiffrekabinets, von mehreren Beamten desselben bewohnt, die sogleich den längst mit Ungeduld erwarteten Berliner Kourier und sein Felleisen in Beschlag, letzteres gleich mit ihm in ihre Postchaise nahmen, im raschesten Fahren, auch sehr kurzen Zwischenräumen von Ruhe, es operirten, lustrirten, kopirten. Diese Künste alle waren auf dem Giebel des scharfsinnigsten und ruhigsten Raffinements.

So ging es fort bis in ein detto geheimnißvolles sogenanntes Mauthhäuschen außer der letzten Poststation vor Wien — Langenzersdorf — wo das unkenntlich wieder geschlossene Felleisen dem Kurier rückgegeben wurde, und in der dritten Stunde darauf der preußische Gesandte, Graf Keller, Haugwitz oder Lucchesini seine Depeschen aus den Händen des Kuriers im Gesandtschaftshotel in der Wollzeile, eben so bona fide und quasi de re optime gesta empfing, wie in gleicher Stunde, lächelnd und hochwiegend, Spielmann und Kaunitz am Ballhausplatz in der Staatskanzlei.

61 Wien, 22. Dezbr.

Die kaiserl. Armee muß seit einigen Tagen auf hartnäckigen noch nicht besiegten Widerstand in Ungarn gestoßen sein, denn alle Standrechtsblätter schweigen selbst mit lü-

*) In einer andern Proklamation des Märzvereins wird selbst, ächt à la Welker, auf England als das Vorbild aller gesetzlichen Agitation verwiesen.
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deutsche Volk gibt sein Geld doch nicht unnütz aus; die Linke hat wirklich in Frankfurt etwas gelernt; Hr. v. Binke wird sich freuen, daß er so gelehrige Schüler gefunden hut. Rechtsbewußtsein! Als ob nicht gerade die Revolution nur auf dem Rechtsbewußtsein beruhte! Als ob ein solches nicht gerade durch die Revolution erst geschaffen wurde! Als ob nicht jede Revolution berechtigt wäre, wo die Mittel einer theoretischen Propaganda, wo volle Preßfreiheit, Associationsrecht und allgemeines Stimmrecht fehlen!</p>
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&#x201E;Die Elemente der Monarchenkunst<lb/>
Mit meinem grauen Schüler überhören?!&#x201C;</p>
          <p>Aber warum hat denn die Märzrevolution nicht &#x201E;alles Rechtsbewußtsein mit der Wurzel ausgerottet?&#x201C; Warum hat denn dieser &#x201E;Aufstand von unten&#x201C; nicht &#x201E;die Freiheit in Gefahr gebracht?&#x201C; Warum ist eine neue Revolution nicht so gut berechtigt, wie die alte? Warum? Etwa weil schon Alles durch die Märzrevolution errungen ist? Sollte der Märzverein dies wirklich glauben? In diesem Falle ließe sich von unsrer Seite kaum mit ihm darüber disputiren, weil dann die gemeinsame Grundlage, nämlich gleiche Wahrnehmungsorgane fehlten. Freilich, bei Herrn Eisenmann gab es schon früher eine Zeit, wo er keine Reaktion sah; dann sah er sie wieder, und es ist sehr möglich, daß er sie jetzt abermals nicht sieht, so daß auf diese Weise seine politische Thätigkeit von dem jeweiligen Zustande seiner Augen abhängig ist &#x2014; und vielleicht haben die Herren von der Linken es auch &#x201E;durch die Zeitumstände für geboten erachtet,&#x201C; ihre scharfen Brillen abzulegen. Oder sollte &#x2014; wir können fast nichts anderes vermuthen &#x2014; die Märzrevolution blos deshalb rechtmäßig sein, weil sie die Mitglieder des Märzvereins möglich gemacht hat? Ist dies nicht dieselbe Sprache, welche Herr <hi rendition="#g">Bassermann</hi> führte, als er evident nachwies, daß die Märzrevolution eine &#x201E;edle&#x201C; und eine berechtigte war, daß aber jede Erhebung, jeder Aufstand, nur Schlechtigkeit und Anarchie sein könne, seitdem ein solcher Unterstaatssekretär die Zügel des Staates leitet? Ist dies nicht dieselbe Inkonsequenz, welche die neue Revolution für gerechtfertigt, die andere aber, welche nur eine natürliche Folge der ersten, eine nothwendige Fortsetzung des einmal betretenen Weges ist, für anarchisch erklärt? Ist dies nicht dieselbe Umstandspolitik, welche die gelungenen Revolutionen in den Himmel erhebt, und die besiegten verabscheut? Ist dies nicht dieselbe politische Unfähigkeit, die eine große Revolution, welche nothwendig mehrere Phasen durchlaufen muß, auf einem bestimmten Punkte fixiren will? O geht, geht, ihr Märzmänner! Ihr schlagt Euren eignen, in tausend Reden ausgesprochenen Prinzipien geradezu in's Gesicht. Wir unsrerseits können keinen andern prinzipiellen Unterschied zwischen der vergangenen und der zu erwartenden Revolution finden, als daß die Revolution von 1849, wie gesagt, andere Charaktere verlangen wird, als die dermalen auf der Linken in Frankfurt sitzen, und daß es noch sehr zweifelhaft ist, ob die Revolution von 1849 &#x2014; Diäten zahlen wird.</p>
          <p>In der bisher angegebenen geschraubten und doctrinären Weise geht das Manifest weiter. Bürgermuth &#x2014; Leib und Leben &#x2014; Rechtsbewußtsein &#x2014; Gewalt <hi rendition="#g">von unten</hi> &#x2014; Aufruhr &#x2014; im Sturme zerstören &#x2014; bilden die Angelpunkte des Räsonnements.</p>
          <p>&#x201E;Meist war es nur eine unbedeutende (?) Minorität, die die willenlose Majorität ins Schlepptau nahm, ihr durch Entschlossenheit <hi rendition="#g">mehr Angst</hi> als Vertrauen einflößte.&#x201C;</p>
          <p>Wer denkt hier nicht an die &#x201E;gerechte&#x201C; Angst des Herrn Bassermann? &#x201E;Dies wahre, ächte Mannesbewußtsein erlangt sich aber nur im offenen (?) Kampfe für Freiheit und Recht auf das (welches?) Gesetz gestützt. &#x2014; &#x2014; &#x2014; Wie enge der Kreis der Gesetze auch sein mag, die Herrschsucht wird ihn immer mehr zu verengern suchen. Die Märzrevolution hat aber diesen Kreis beträchtlich (??) erweitert (allerdings: durch das Gesetz über die Centralgewalt, zum Schutz der Nationalversammlung, durch den Belagerungszustand etc.); &#x201E;die Reaktion sucht ihn wieder auf das alte Maaß, ja (!) auf weniger zurückzuführen.&#x201C; (Solche neue Aufschlüsse gibt der Märzverein überhaupt viele). &#x201E;Der offene freie Kampf (noch einmal!) für die errungenen Rechte (also die Rechte sind schon &#x201E;errungen,&#x201C; für die man noch kämpfen muß!) wird die Nation <hi rendition="#b">würdig</hi> (!!) machen, auch andere (!) und viel höhere Rechte zu besitzen, als die, welche ihre Vertreter, geschwächt durch anarchische Erscheinungen (!) noch mehr aber durch den Mangel an Vertrauen in die eigene Kraft (sehr wahr!) in Anspruch zu nehmen <hi rendition="#g">wagten</hi>.&#x201C;</p>
          <p>Das heißt also: Liebes deutsches Volk, iß nur das Stück Brod auf, das wir dir gegeben haben, und sei hübsch artig, dann halten wir, deine Vertreter, dich vielleicht auch für <hi rendition="#g">würdig</hi>, daß wir Zwieback für dich verlangen; jetzt war das freilich noch nicht möglich. &#x2014; Man muß <hi rendition="#g">würdig</hi> werden für seine Rechte! Man muß <hi rendition="#g">würdig</hi> werden der Freiheit, der Gleichheit, der Anerkennung, man muß mit einem Worte würdig werden, ein <hi rendition="#g">Mensch</hi> zu sein! Und nach dem Grade dieser Würdigkeit richtet es sich, wieviel die Vertreter zu verlangen <hi rendition="#g">wagen</hi>! Und so spricht die <hi rendition="#g">Linke</hi>!</p>
          <p>Später spricht der Märzverein auch von seinem Ziele, &#x201E;der <hi rendition="#g">vollen</hi> Befreiung des deutschen Volkes.&#x201C; O die Fülle mag groß sein, deren Maaß diese Herren zu bestimmen haben.</p>
          <p>&#x201E;Der Märzverein will in Beziehung auf die Art und Weise, wie das Recht gewahrt und die Würde der Nation gesichert werde, auch den Regierungen mit einem Beispiele vorangehen.&#x201C;</p>
          <p>Dies ist eine Naivetät, welche neben der breiten demokratischen Basis und dem passiven Widerstande einen Platz im Reichsvaritätenkabinet verdient. Der gesetzliche Weg ist beschwerlich, (der Tugendpfad ist anfangs steil etc.) aber er allein führt zum Ziele. Der preußischen Regierung war er zu beschwerlich, und deswegen hat sie das <hi rendition="#g">Gesetz</hi> verlassen, und sich auf den Boden der Thatsachen gestellt.&#x201C;</p>
          <p>Wir unsrerseits sehen nicht ein, inwiefern der König von Preußen das Gesetz verletzt hat. Im März dieses Jahres beschloß er, eine Vereinbarerversammlung zu berufen; im November beschließt er, sie wieder aufzulösen. Die Vereinbarerversammlung bestand nur von Königs Gnaden; sie konnte also auch von Königs Ungnaden wieder aufgelöst werden. Er hatte zu dem Einen so gut das Recht, wie zu dem Anderen; beides sind Ukase, Akte der absoluten Willkür, und das eine ist nicht mehr Gesetz wie das andere, wenn nicht etwa jeder einmal gefaßte Beschluß den Werth eines Gesetzes haben, und jeder spätere, wenn er dem älteren widerspricht, als Willkür gelten soll. Man sieht hier aber so recht den Standpunkt dieser &#x201E;Märzmänner&#x201C; und den Werth ihres &#x201E;gesetzlichen Bodens.&#x201C; Ein Gesetz hat für sie keinen Werth, weil es der Ausdruck wirklicher Volksbedürfnisse ist, sondern &#x2014; weil es <hi rendition="#g">einmal besteht</hi>, weil es amtlich publizirt ist. Wir wiederholen es: der König von Preußen hat nur das Gesetz des Absolutismus konsequent durchgeführt; der Märzverein aber hat den gesetzlichen Boden der <hi rendition="#g">Volkssouveränität</hi> schmählich verlassen. &#x201E;Aber sie (die preuß. Regierung) hat dadurch allen Revolutionen, die gegen sie dereinst unternommen werden könnten, dieselbe Berechtigung gegeben, mit der sie selbst die neue Verfassung erlassen hat.&#x201C;</p>
          <p>Also nur &#x201E;dieselbe Berechtigung!&#x201C; Despotismus und Demokratie haben nur &#x201E;dieselbe Berechtigung!&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Die preuß. Regierung wird dieselbe Erfahrung machen, die Andere gemacht haben, die, wie sie, das Gesetz verließen, und es mit Thatsachen allein versuchten. Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen denen, welche eine neue Revolution als Thatsache durch die <hi rendition="#g">Emeute</hi> aufgehen lassen zu können glaubten (der Styl ist vortrefflich!) und denen, die eine neue Verfassung als Thatsache auf den Belagerungszustand fußten, ist nicht vorhanden. Die Extreme berühren sich.&#x201C;</p>
          <p>Wir unsrerseits behaupten: Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen den Kammerliberalen alten Styls und den Parlamentsliberalen neuen Styls ist nicht vorhanden. Welcker und Vogt, Vincke und Wesendonk berühren sich. Der obige Satz von den Extremen hat in Beziehung auf die frankf. Versammlung allerdings seine Richtigkeit, denn ihre Extreme liegen, wie wir sehen, nicht allzuweit auseinander. Bassermänner, Biedermänner, Zimmermänner, Eisenmänner &#x2014; alle diese Männer wirken harmonisch zusammen, um das &#x201E;Mannesbewußtsein&#x201C; und den &#x201E;männlichen Kampf für Gesetz und Recht&#x201C; aufs Neue zu begründen.</p>
          <p>Also Windischgrätz, Wrangel, Radetzky, Friedrich Wilhelm IV., Hecker, Struve, Messenhauser, Rob. Blum &#x2014; Alle zusammengeworfen, Alle in einen Topf! Sie alle haben den gesetzlichen Weg verlassen und sich auf den Boden der <hi rendition="#g">Thatsachen</hi> gestellt. Der <hi rendition="#g">Inhalt</hi> ihrer Handlungen gilt gleich; nur die <hi rendition="#g">Form</hi>, die formelle <hi rendition="#g">Consequenz</hi> ist ihnen verhaßt, den Märzmännern! O kommt doch her, ihr Freiheitsmärtyrer dieses Jahres, die ihr verbannt seid oder in Ketten schmachtet, kommet her, ihr Geister der Gefallenen; hier sitzen die großen Dulder, Venedey und Eisenmann, über Euch zu Gericht und sprechen Euch schonungslos das Urtheil: Ihr habt das Gesetz verlassen, Ihr habt &#x201E;durch Aufstandsversuche von unten die Freiheit in Gefahr gebracht&#x201C;, Ihr habt die Märzmänner in ihrer Ruhe gestört &#x2014; fort mit Euch!</p>
          <p>Doch lesen wir weiter:</p>
          <p>&#x201E;Der Märzverein wird eine andere Bahn einschlagen. Die Aufstandsversuche von unten haben die <hi rendition="#g">Freiheit</hi> in Gefahr gebracht; die Reaktion, die Verfassung ohne gesetzliche Grundlage wird die <hi rendition="#g">Autorität</hi> der Staatsregierung an der Wurzel angreifen (welches ein großes Unglück wäre!). Desto nothwendiger ist es, daß wahres, männliches Rechtsgefühl (quousque tandem!) und Freiheitsbewußtsein erstarke, damit bei dem dereinstigen Zusammenstoße nicht Deutschland in <hi rendition="#g">Verwilderung zusammenbreche</hi>.&#x201C;</p>
          <p>Also ein &#x201E;dereinstiger Zusammenstoß&#x201C; wird doch stattfinden! Ist das nicht stets die ultima ratio bei den consequenten Herren! Wie oft haben nicht vor dem März Welcker und Mathy auf der Tribüne mit <hi rendition="#g">möglichen</hi> Revolutionen gedroht! Sie sehen es deutlich, daß sie mit ihrem gesetzlichen Widerstande doch nicht zu Ende kommen, und stellen darum die Revolution stets als fernen Popanz hin. Sie sehen die Nothwendigkeit der Revolution ein, haben aber, wie v. Vincke einst Herrn <hi rendition="#g">Schoder</hi> mit Recht vorwarf, nicht den Muth, sich an die Spitze derselben zu stellen. Sie sehen ein, daß sie eine Revolution nicht unmöglich machen können, aber durch die Revolution <hi rendition="#g">selbst</hi> unmöglich werden und suchen das Volk deßhalb an das dünne Zuckerwasser des gesetzlichen Widerstands zu gewöhnen, um demselben den Geschmack an dem feurigen Weine der Revolution doch wenigstens nach Kräften zu verleiden. Denn dabei könnte ja &#x201E;Verwilderung&#x201C; entstehen; es könnte sogar &#x2014; schrecklicher Gedanke &#x2014; Deutschland bei der Gelegenheit &#x201E;zusammenbrechen&#x201C;!! hu, hu! Verwilderung &#x2014; Anarchie &#x2014; rothe Republik &#x2014; Communismus &#x2014; allgemeines Zusammenbrechen! mir läuft es kalt über den Rücken!</p>
          <p>In derselben trostlosen Weise geht allmählich das Manifest zu Ende &#x2014; bis zu der noch trostloseren Unterschrift: der Märzverein &#x2014; allerdings das Trostloseste am Ganzen, wenn wir bedenken, welche bisher gefeierte Namen er zu seinen Mitgliedern zählt.</p>
          <p>Haben wir nun dem Märzverein Unrecht gethan? Ist das nicht Welker und Bassermann in zweiter Auflage? Sind nicht &#x2014; aus sehr natürlichen Gründen &#x2014; selbst die Phrasen, mit denen diese Herren uns bewirthen, genau dieselben wie bei der altliberalen Clique <note place="foot">*) In einer andern Proklamation des Märzvereins wird selbst, ächt à la Welker, auf England als das Vorbild aller gesetzlichen Agitation verwiesen.</note>? Zweifeln unsere Leser noch an der Wahrheit der Behauptung, daß es in Revolutionszeiten wie die unsrige stets nur <hi rendition="#g">zwei</hi> Parteien gibt, die Revolutions- und Reaktionspartei; und daß jede Vermittlungspartei vermöge ihrer eigenen sittlichen Schwäche unter dem Namen &#x201E;conservativer Freiheitsfreunde&#x201C;, ohne daß sie es weiß, zur Rückschrittspartei übergeht? &#x2014; Die Märzmänner sind in gewisser Hinsicht die Girondisten unsrer Revolution; sie haben aber noch keinen König gestürzt!</p>
          <p>Der Märzverein hat mit diesem Schreiben die Zahl unsrer Gegner vermehrt, und es ist die Pflicht jedes guten Demokraten, seinem Treiben nach Kräften entgegenzuwirken.</p>
          <p>Abermals ein abschreckendes und lehrreiches Beispiel, zu welchen Ansichten man kommt, wenn man sich 8 Monate lang offiziell im gesetzlichen Widerstande übt.</p>
          <p>Ein Unterschied bleibt noch zwischen den alten und den neuen Märzmännern. Die Welker etc. schlugen doch erst nach dem Siege ihrer Ansichten um; die frankfurter Linke urplötzlich, schon vor dem Siege. Oder sollte wirklich der Umstand, daß die bisherige Minorität durch ihre Bastardehe mit den Oesterreichern und den Ultramontanen zur Majorität geworden ist, zur Abfassung dieses Manifestes mit beigetragen haben?!</p>
          <p>Das deutsche Volk aber wird aus dieser neuen bitteren Erfahrung die praktische Lehre ziehen, sich nicht abermals von den Männern des gesetzlichen Widerstands täuschen zu lassen; es wird bei dem &#x201E;dereinstigen Zusammenstoße&#x201C;, selbst auf die Gefahr hin, &#x201E;in Verwilderung zusammenzubrechen&#x201C;, sehr wohl wissen, welchen Männern es seine Geschicke <hi rendition="#b">nicht</hi> anvertrauen darf.</p>
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          <p>Wer Oesterreichs Revolution von ferne angeschaut hat, wie wird der nicht staunen, kommt er nach Wien, wenn er noch immer bei jedem Schritt um Paß und Passirschein, um die Gründe und Dauer seines Aufenthalts, um die Mittel zur Bestreitung desselben, und über allenfallsige Bekanntschaften befragt wird, bevor man ihm gegen theures Geld den Aufenthalt auf kurze Zeit bewilligt? wie wird er staunen, wenn er noch allenthalben nichts anderes in der Anrede hört, als &#x201E;Herr von, Euer Gnaden, Küß' die Hand!&#x201C; u. s. w. und letztes wirklich noch thun sieht? wenn er, durch die Stadt gehend, noch immer nichts anderes sieht, als k. k. privilegirte Schuh- und Stiefelmacher, k. k. privilegirte Zuckerbäcker, k. k. privilegirte Schneider u. s. fort durch alle Gewerbe und Handthierungen? Er wird bezweifeln, daß wir jemals eine Revolution gehabt, und wird dem dummen Deutschland, welches den Sieg des Windischgrätz, d. h. die Rückkehr der alten scheußlichen Wirthschaft quasi mit Jubel begrüßte, die bittersten Vorwürfe machen. Denn bei uns handelte es sich immer nur erst um die ersten Fundamente der Freiheit, nicht, wie anderwärts, um ihre spätern Folgen.</p>
          <p>Darum theile ich Ihnen Nachstehendes mit. Ihre Leser werden daraus erkennen, wie früher die Staatsmaschine getrieben wurde. Das Fragment ist aus einer jüngst erschienenen Schrift des Freiherrn von Hormayr entnommen, die den Titel &#x201E;Metternich&#x201C; führt. Hormayr aber hatte nicht den Muth, alles zu erhüllen, was er weiß; er verschont alle noch in Amt und Würde sitzenden Kreaturen Metternich's absichtlich. Es spricht von Joseph II., wo er von Franz I. und Ferdinand I. reden sollte. Er schont z. B. Stadion, weil ein Stadion jetzt Minister geworden, nachdem er auf Metternich's Geheiß 1846 die Polen in Galizien hat ermorden lassen, und noch jetzt mit seinem fürstlichen Herrn in London in der engsten brieflichen Verbrüderung steht. Es lassen sich noch ganz andere Schrecknisse enthüllen, und sie werden hoffentlich enthüllt werden, damit die Welt, wenn auch vergebens, ganz erfahre, daß die Hölle nicht in der Hölle, sondern in Oesterreich zu Hause ist.</p>
          <p><hi rendition="#g">Das Chiffrekabinet</hi>. Oesterreich gab sein neues Landpostmeisteramt dem neufürstlichen Hause <hi rendition="#g">Paar</hi> und schloß Thurn und Taxis auf immer davon aus! &#x2014; Nur hatte dieses in Wien seinen bevollmächtigten geheimen Rath und sein Centralbureau, das, mit einer gerade jetzt unter Joseph II. von Kaunitz auf die höchste Stufe gebrachter polizeilicher und inquisitorischer Vollendung, mit der Wiener Polizei und mit des Kaisers eigenem innersten Kabinette eng zusammenhing. Es hieß etwas später &#x201E;das Chiffrekabinet&#x201C; und war in der Kaiserburg selbst in dem auf den Josephsplatz hinausgehende Viereck, &#x201E;die Stallburg&#x201C; genannt, wo zugleich die Verfassung und die Auflösung aller diplomatischen Chiffren von Pariser und neapolitanischen Adepten auf eine noch nie erhörte Vervollkommnungstufe begonnen und unaufhörlich getrieben worden, über die freilich manche der größten Kalkulateurs den Verstand verloren, die überhaupt mit ihren Familien ein sorgenfreies und reichliches, aber das traurigste Leben gleich Staatsgefangenen führten. Sie standen unter schärfster Polizeihut: man wußte genau, was sie depensirten; ob sie Vergnügungen liebten; wer sie besuchte, ihre Söhne und Töchter? &#x2014; Am liebsten, wenn Staatskanzlei, Kabinet, Chiffrekabinet unter sich am meisten zusammenkamen und gewissermaßen einen geschlossenen Cirkus bildeten. Einer fremden diplomatischen Person, die sich einzuschleichen versucht hätte, wäre es schlimmer ergangen, als einem entdeckten Taschendiebe. &#x2014; Der Polizeibogen mit dem Morgenrapport über die Stallburg und die Staatskanzlei auf des Kaisers Arbeitstisch zeigte immer auf einen Blick, wo jeder der vertrauten Arbeiter Tags und Abends vorher gewesen war. Die Sache hatte ihre pythagoräisch-militärische, bewundernswerthe Einrichtung. &#x2014; Talleyrand, der diese Partie besonders liebte und verstand, schickte öfter Anfragen und verfehlte Auflösungen, und während der zwei Monden französischer Okkupationen Wien's (13. November 1804 und 13. Januar 1805) hinkte er wie oft von der Gräfin Rombeck, Louis Cobenzl's Schwester, in die Stallburg herüber. &#x2014; Leider aber auch an Ehre und Gewissen wurden die Arbeiter mehrfach gekränkt, da sie öfter genöthigt wurden, Korrespondenzen zu &#x201E;suborniren&#x201C; (zu schmieden oder in der Kopie zu verfälschen), was in Paris sehr früh in Wien unter Kaunitz, Cobenzl ziemlich selten und zumal unter <hi rendition="#g">Stadion sehr selten, aber noch sehr spät in demagogischen, in karbonarischen, Metternichisch-Münchisch-Sedlnitzky'schen Umtrieben häufig geschehen ist, wo von Wahrheit, von Ehre und Gewissen längst keine Rede mehr war</hi>.</p>
          <p>Das Furchtbare an der ganzen Sache war die altvenetianischstrenge Unterordnung und Verbindung des Chiffrekabinets mit der geheimen Polizei, mit ihren politischen Spürereien und die Verbindung mit der französischen Polizei in Paris und Lyon, wobei Billèle den eifrigsten Beistand leistete, selbst mit der Fürstin Metternich noch in ihren letzten Lebenswochen konferirte und in den Freimaurerverbindungen, namentlich in der Loge &#x201E;vom Orient&#x201C; (in der auch die spanischen Logen, den Großmeister Arguelles el Divino an der Spitze), viel Spielwerk alter Kinder getrieben und wie in Piemont, durch den nichtswürdigen Prinzen von Carignau Hunderte unglücklich gemacht wurden. &#x2014; Mehrere Offiziere, die Karl Albert als Alter Ego schriftlich zu Dem und Jenem angewiesen, ließ er in der Folge (sein Papier in den Händen) hinrichten. Das Metternich-Ouvrard'sche Gold konnte ihn nicht weißbrennen, als er den Trokadero von den feigen und feilen Cortes erkaufte. Erst Spanien und Italien (Mailand, Neapel) haben der Metternich'schen Hofpolizei diese Ausdehnung, diesen Charakter gegeben. &#x2014; Wahnsinnige Summen flogen dafür hinaus, die Steuern stiegen fort und fort bis in die Wolken: &#x2014; Exekutionen, Güterverkäufe, Tumulte, Bauernkrieg, qu'importe? &#x2014; &#x201E;Der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht:&#x201C; &#x2014; jetzt ist er gebrochen!</p>
          <p>Durch ganz Deutschland theilten sich die Taxis'schen Postbureaus in Postlogen und Richtlogen (mit dem Wiener Chiffrekabinet Verbundene und Richtverbundene), Logisten und Richtlogisten. &#x2014; Erstere waren zugleich gut besoldete und numerirte Beamte des Wiener Chiffrekabinets, in welchem auch der ganze Reichthum der Chemie, Mechanik und sinnreichsten Kochkunst auf der Retorte entfaltet war. &#x2014; Uebrigens wurde Wien's Hauptpost Schlag sieben Uhr geschlossen und ging scheinbar ab: die respektiven Felleisen fuhren aber rasch zum Chiffrekabinet in den geschlossenen Hof der Stallburg. Hier wurden die verdächtigen Gesandtschafts-, Bankiers- und sonstigen auswärtigen Korrespondenzen blitzesschnell und umsichtig ausgesucht, gemustert, geöffnet und abgeschrieben, was fast immer bis über eilf Uhr, oft bis ein Uhr dauerte; dann erst fuhr die Post wirklich ab.</p>
          <p>Die preußischen Ziffern (deutsche und französische) waren längst aufgelöst, die österreichischen meistens wohl auch; doch gab es noch mehrere, die es nicht waren und es auch gar niemals geworden sind. &#x2014; Die preußischen Kabinetskouriere, bis auf zwei, waren schon unter der Oberleitung des hierin Joseph's vollstes Vertrauen (selbst pekuniär) genießenden Hofraths, Polizeidirektors der Residenz, Joseph von Beer auf Lebenslang versorgt, verführt, bestochen. Auf der Einbruchsstation bei Pirna war ein eigens nach allen möglichen Rücksichten neu erbautes Häuschen, eine nur den Postbeamten zugängliche Filiale des Wiener Chiffrekabinets, von mehreren Beamten desselben bewohnt, die sogleich den längst mit Ungeduld erwarteten Berliner Kourier und sein Felleisen in Beschlag, letzteres gleich mit ihm in ihre Postchaise nahmen, im raschesten Fahren, auch sehr kurzen Zwischenräumen von Ruhe, es operirten, lustrirten, kopirten. Diese Künste alle waren auf dem Giebel des scharfsinnigsten und ruhigsten Raffinements.</p>
          <p>So ging es fort bis in ein detto geheimnißvolles sogenanntes Mauthhäuschen außer der letzten Poststation vor Wien &#x2014; Langenzersdorf &#x2014; wo das unkenntlich wieder geschlossene Felleisen dem Kurier rückgegeben wurde, und in der dritten Stunde darauf der preußische Gesandte, Graf Keller, Haugwitz oder Lucchesini seine Depeschen aus den Händen des Kuriers im Gesandtschaftshotel in der Wollzeile, eben so bona fide und quasi de re optime gesta empfing, wie in gleicher Stunde, lächelnd und hochwiegend, Spielmann und Kaunitz am Ballhausplatz in der Staatskanzlei.</p>
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          <head><bibl><author>61</author></bibl><hi rendition="#b">Wien,</hi> 22. Dezbr.</head>
          <p>Die kaiserl. Armee muß seit einigen Tagen auf hartnäckigen noch nicht besiegten Widerstand in Ungarn gestoßen sein, denn alle Standrechtsblätter schweigen selbst mit lü-
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[0974/0002] deutsche Volk gibt sein Geld doch nicht unnütz aus; die Linke hat wirklich in Frankfurt etwas gelernt; Hr. v. Binke wird sich freuen, daß er so gelehrige Schüler gefunden hut. Rechtsbewußtsein! Als ob nicht gerade die Revolution nur auf dem Rechtsbewußtsein beruhte! Als ob ein solches nicht gerade durch die Revolution erst geschaffen wurde! Als ob nicht jede Revolution berechtigt wäre, wo die Mittel einer theoretischen Propaganda, wo volle Preßfreiheit, Associationsrecht und allgemeines Stimmrecht fehlen! — — „muß ich „Die Elemente der Monarchenkunst Mit meinem grauen Schüler überhören?!“ Aber warum hat denn die Märzrevolution nicht „alles Rechtsbewußtsein mit der Wurzel ausgerottet?“ Warum hat denn dieser „Aufstand von unten“ nicht „die Freiheit in Gefahr gebracht?“ Warum ist eine neue Revolution nicht so gut berechtigt, wie die alte? Warum? Etwa weil schon Alles durch die Märzrevolution errungen ist? Sollte der Märzverein dies wirklich glauben? In diesem Falle ließe sich von unsrer Seite kaum mit ihm darüber disputiren, weil dann die gemeinsame Grundlage, nämlich gleiche Wahrnehmungsorgane fehlten. Freilich, bei Herrn Eisenmann gab es schon früher eine Zeit, wo er keine Reaktion sah; dann sah er sie wieder, und es ist sehr möglich, daß er sie jetzt abermals nicht sieht, so daß auf diese Weise seine politische Thätigkeit von dem jeweiligen Zustande seiner Augen abhängig ist — und vielleicht haben die Herren von der Linken es auch „durch die Zeitumstände für geboten erachtet,“ ihre scharfen Brillen abzulegen. Oder sollte — wir können fast nichts anderes vermuthen — die Märzrevolution blos deshalb rechtmäßig sein, weil sie die Mitglieder des Märzvereins möglich gemacht hat? Ist dies nicht dieselbe Sprache, welche Herr Bassermann führte, als er evident nachwies, daß die Märzrevolution eine „edle“ und eine berechtigte war, daß aber jede Erhebung, jeder Aufstand, nur Schlechtigkeit und Anarchie sein könne, seitdem ein solcher Unterstaatssekretär die Zügel des Staates leitet? Ist dies nicht dieselbe Inkonsequenz, welche die neue Revolution für gerechtfertigt, die andere aber, welche nur eine natürliche Folge der ersten, eine nothwendige Fortsetzung des einmal betretenen Weges ist, für anarchisch erklärt? Ist dies nicht dieselbe Umstandspolitik, welche die gelungenen Revolutionen in den Himmel erhebt, und die besiegten verabscheut? Ist dies nicht dieselbe politische Unfähigkeit, die eine große Revolution, welche nothwendig mehrere Phasen durchlaufen muß, auf einem bestimmten Punkte fixiren will? O geht, geht, ihr Märzmänner! Ihr schlagt Euren eignen, in tausend Reden ausgesprochenen Prinzipien geradezu in's Gesicht. Wir unsrerseits können keinen andern prinzipiellen Unterschied zwischen der vergangenen und der zu erwartenden Revolution finden, als daß die Revolution von 1849, wie gesagt, andere Charaktere verlangen wird, als die dermalen auf der Linken in Frankfurt sitzen, und daß es noch sehr zweifelhaft ist, ob die Revolution von 1849 — Diäten zahlen wird. In der bisher angegebenen geschraubten und doctrinären Weise geht das Manifest weiter. Bürgermuth — Leib und Leben — Rechtsbewußtsein — Gewalt von unten — Aufruhr — im Sturme zerstören — bilden die Angelpunkte des Räsonnements. „Meist war es nur eine unbedeutende (?) Minorität, die die willenlose Majorität ins Schlepptau nahm, ihr durch Entschlossenheit mehr Angst als Vertrauen einflößte.“ Wer denkt hier nicht an die „gerechte“ Angst des Herrn Bassermann? „Dies wahre, ächte Mannesbewußtsein erlangt sich aber nur im offenen (?) Kampfe für Freiheit und Recht auf das (welches?) Gesetz gestützt. — — — Wie enge der Kreis der Gesetze auch sein mag, die Herrschsucht wird ihn immer mehr zu verengern suchen. Die Märzrevolution hat aber diesen Kreis beträchtlich (??) erweitert (allerdings: durch das Gesetz über die Centralgewalt, zum Schutz der Nationalversammlung, durch den Belagerungszustand etc.); „die Reaktion sucht ihn wieder auf das alte Maaß, ja (!) auf weniger zurückzuführen.“ (Solche neue Aufschlüsse gibt der Märzverein überhaupt viele). „Der offene freie Kampf (noch einmal!) für die errungenen Rechte (also die Rechte sind schon „errungen,“ für die man noch kämpfen muß!) wird die Nation würdig (!!) machen, auch andere (!) und viel höhere Rechte zu besitzen, als die, welche ihre Vertreter, geschwächt durch anarchische Erscheinungen (!) noch mehr aber durch den Mangel an Vertrauen in die eigene Kraft (sehr wahr!) in Anspruch zu nehmen wagten.“ Das heißt also: Liebes deutsches Volk, iß nur das Stück Brod auf, das wir dir gegeben haben, und sei hübsch artig, dann halten wir, deine Vertreter, dich vielleicht auch für würdig, daß wir Zwieback für dich verlangen; jetzt war das freilich noch nicht möglich. — Man muß würdig werden für seine Rechte! Man muß würdig werden der Freiheit, der Gleichheit, der Anerkennung, man muß mit einem Worte würdig werden, ein Mensch zu sein! Und nach dem Grade dieser Würdigkeit richtet es sich, wieviel die Vertreter zu verlangen wagen! Und so spricht die Linke! Später spricht der Märzverein auch von seinem Ziele, „der vollen Befreiung des deutschen Volkes.“ O die Fülle mag groß sein, deren Maaß diese Herren zu bestimmen haben. „Der Märzverein will in Beziehung auf die Art und Weise, wie das Recht gewahrt und die Würde der Nation gesichert werde, auch den Regierungen mit einem Beispiele vorangehen.“ Dies ist eine Naivetät, welche neben der breiten demokratischen Basis und dem passiven Widerstande einen Platz im Reichsvaritätenkabinet verdient. Der gesetzliche Weg ist beschwerlich, (der Tugendpfad ist anfangs steil etc.) aber er allein führt zum Ziele. Der preußischen Regierung war er zu beschwerlich, und deswegen hat sie das Gesetz verlassen, und sich auf den Boden der Thatsachen gestellt.“ Wir unsrerseits sehen nicht ein, inwiefern der König von Preußen das Gesetz verletzt hat. Im März dieses Jahres beschloß er, eine Vereinbarerversammlung zu berufen; im November beschließt er, sie wieder aufzulösen. Die Vereinbarerversammlung bestand nur von Königs Gnaden; sie konnte also auch von Königs Ungnaden wieder aufgelöst werden. Er hatte zu dem Einen so gut das Recht, wie zu dem Anderen; beides sind Ukase, Akte der absoluten Willkür, und das eine ist nicht mehr Gesetz wie das andere, wenn nicht etwa jeder einmal gefaßte Beschluß den Werth eines Gesetzes haben, und jeder spätere, wenn er dem älteren widerspricht, als Willkür gelten soll. Man sieht hier aber so recht den Standpunkt dieser „Märzmänner“ und den Werth ihres „gesetzlichen Bodens.“ Ein Gesetz hat für sie keinen Werth, weil es der Ausdruck wirklicher Volksbedürfnisse ist, sondern — weil es einmal besteht, weil es amtlich publizirt ist. Wir wiederholen es: der König von Preußen hat nur das Gesetz des Absolutismus konsequent durchgeführt; der Märzverein aber hat den gesetzlichen Boden der Volkssouveränität schmählich verlassen. „Aber sie (die preuß. Regierung) hat dadurch allen Revolutionen, die gegen sie dereinst unternommen werden könnten, dieselbe Berechtigung gegeben, mit der sie selbst die neue Verfassung erlassen hat.“ Also nur „dieselbe Berechtigung!“ Despotismus und Demokratie haben nur „dieselbe Berechtigung!“ „Die preuß. Regierung wird dieselbe Erfahrung machen, die Andere gemacht haben, die, wie sie, das Gesetz verließen, und es mit Thatsachen allein versuchten. Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen denen, welche eine neue Revolution als Thatsache durch die Emeute aufgehen lassen zu können glaubten (der Styl ist vortrefflich!) und denen, die eine neue Verfassung als Thatsache auf den Belagerungszustand fußten, ist nicht vorhanden. Die Extreme berühren sich.“ Wir unsrerseits behaupten: Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen den Kammerliberalen alten Styls und den Parlamentsliberalen neuen Styls ist nicht vorhanden. Welcker und Vogt, Vincke und Wesendonk berühren sich. Der obige Satz von den Extremen hat in Beziehung auf die frankf. Versammlung allerdings seine Richtigkeit, denn ihre Extreme liegen, wie wir sehen, nicht allzuweit auseinander. Bassermänner, Biedermänner, Zimmermänner, Eisenmänner — alle diese Männer wirken harmonisch zusammen, um das „Mannesbewußtsein“ und den „männlichen Kampf für Gesetz und Recht“ aufs Neue zu begründen. Also Windischgrätz, Wrangel, Radetzky, Friedrich Wilhelm IV., Hecker, Struve, Messenhauser, Rob. Blum — Alle zusammengeworfen, Alle in einen Topf! Sie alle haben den gesetzlichen Weg verlassen und sich auf den Boden der Thatsachen gestellt. Der Inhalt ihrer Handlungen gilt gleich; nur die Form, die formelle Consequenz ist ihnen verhaßt, den Märzmännern! O kommt doch her, ihr Freiheitsmärtyrer dieses Jahres, die ihr verbannt seid oder in Ketten schmachtet, kommet her, ihr Geister der Gefallenen; hier sitzen die großen Dulder, Venedey und Eisenmann, über Euch zu Gericht und sprechen Euch schonungslos das Urtheil: Ihr habt das Gesetz verlassen, Ihr habt „durch Aufstandsversuche von unten die Freiheit in Gefahr gebracht“, Ihr habt die Märzmänner in ihrer Ruhe gestört — fort mit Euch! Doch lesen wir weiter: „Der Märzverein wird eine andere Bahn einschlagen. Die Aufstandsversuche von unten haben die Freiheit in Gefahr gebracht; die Reaktion, die Verfassung ohne gesetzliche Grundlage wird die Autorität der Staatsregierung an der Wurzel angreifen (welches ein großes Unglück wäre!). Desto nothwendiger ist es, daß wahres, männliches Rechtsgefühl (quousque tandem!) und Freiheitsbewußtsein erstarke, damit bei dem dereinstigen Zusammenstoße nicht Deutschland in Verwilderung zusammenbreche.“ Also ein „dereinstiger Zusammenstoß“ wird doch stattfinden! Ist das nicht stets die ultima ratio bei den consequenten Herren! Wie oft haben nicht vor dem März Welcker und Mathy auf der Tribüne mit möglichen Revolutionen gedroht! Sie sehen es deutlich, daß sie mit ihrem gesetzlichen Widerstande doch nicht zu Ende kommen, und stellen darum die Revolution stets als fernen Popanz hin. Sie sehen die Nothwendigkeit der Revolution ein, haben aber, wie v. Vincke einst Herrn Schoder mit Recht vorwarf, nicht den Muth, sich an die Spitze derselben zu stellen. Sie sehen ein, daß sie eine Revolution nicht unmöglich machen können, aber durch die Revolution selbst unmöglich werden und suchen das Volk deßhalb an das dünne Zuckerwasser des gesetzlichen Widerstands zu gewöhnen, um demselben den Geschmack an dem feurigen Weine der Revolution doch wenigstens nach Kräften zu verleiden. Denn dabei könnte ja „Verwilderung“ entstehen; es könnte sogar — schrecklicher Gedanke — Deutschland bei der Gelegenheit „zusammenbrechen“!! hu, hu! Verwilderung — Anarchie — rothe Republik — Communismus — allgemeines Zusammenbrechen! mir läuft es kalt über den Rücken! In derselben trostlosen Weise geht allmählich das Manifest zu Ende — bis zu der noch trostloseren Unterschrift: der Märzverein — allerdings das Trostloseste am Ganzen, wenn wir bedenken, welche bisher gefeierte Namen er zu seinen Mitgliedern zählt. Haben wir nun dem Märzverein Unrecht gethan? Ist das nicht Welker und Bassermann in zweiter Auflage? Sind nicht — aus sehr natürlichen Gründen — selbst die Phrasen, mit denen diese Herren uns bewirthen, genau dieselben wie bei der altliberalen Clique ? Zweifeln unsere Leser noch an der Wahrheit der Behauptung, daß es in Revolutionszeiten wie die unsrige stets nur zwei Parteien gibt, die Revolutions- und Reaktionspartei; und daß jede Vermittlungspartei vermöge ihrer eigenen sittlichen Schwäche unter dem Namen „conservativer Freiheitsfreunde“, ohne daß sie es weiß, zur Rückschrittspartei übergeht? — Die Märzmänner sind in gewisser Hinsicht die Girondisten unsrer Revolution; sie haben aber noch keinen König gestürzt! Der Märzverein hat mit diesem Schreiben die Zahl unsrer Gegner vermehrt, und es ist die Pflicht jedes guten Demokraten, seinem Treiben nach Kräften entgegenzuwirken. Abermals ein abschreckendes und lehrreiches Beispiel, zu welchen Ansichten man kommt, wenn man sich 8 Monate lang offiziell im gesetzlichen Widerstande übt. Ein Unterschied bleibt noch zwischen den alten und den neuen Märzmännern. Die Welker etc. schlugen doch erst nach dem Siege ihrer Ansichten um; die frankfurter Linke urplötzlich, schon vor dem Siege. Oder sollte wirklich der Umstand, daß die bisherige Minorität durch ihre Bastardehe mit den Oesterreichern und den Ultramontanen zur Majorität geworden ist, zur Abfassung dieses Manifestes mit beigetragen haben?! Das deutsche Volk aber wird aus dieser neuen bitteren Erfahrung die praktische Lehre ziehen, sich nicht abermals von den Männern des gesetzlichen Widerstands täuschen zu lassen; es wird bei dem „dereinstigen Zusammenstoße“, selbst auf die Gefahr hin, „in Verwilderung zusammenzubrechen“, sehr wohl wissen, welchen Männern es seine Geschicke nicht anvertrauen darf. 121 Wien, 22. Dezember. Das österreichische Volk ist so lange ausschließlich von Diplomaten, Pfaffen und Polizeibütteln geboren, erzogen und begraben worden, daß es beim Fortbestand der sogenannten Gesamtmonarchie, vorausgesetzt, daß die Rückkehr des alten Zustands unmöglich ist, noch der Jahrzehnte bedarf, bevor es in einer andern Atmosphäre athmen wird. Die Verdorbenheit war unter Metternich zuletzt so arg geworden, daß einer im andern einen Polizeispion vermuthen durfte. Freunde und Geliebte wurden es fast immer, so oft eine Zwistigkeit unter ihnen entstand, die Rache erheischte. Und in den gewöhnlichen Lebensverhältnissen war es so weit gekommen, daß, wer nicht zu den Schurken gehörte, fast ein in Oesterreich unmöglicher Mensch war. — Am weitesten hatten es hierin die Czechen gebracht, und noch immer besitzen sie den Ruf der besten Polizeibüttel und heimtückischen Verräther. Mit der Vertreibung Metternichs war hier daher ebensowenig abgethan, als in Frankreich mit der blosen Vertreibung Ludwig Philipps. Soll Oestereeich sittlich-politisch gedeihen, so müssen ganze metternichische Generationen aus dem Sattel gehoben und Menschen an ihre Stelle gebracht werden, die das haben, was die Alten virtus. nannten. Wer Oesterreichs Revolution von ferne angeschaut hat, wie wird der nicht staunen, kommt er nach Wien, wenn er noch immer bei jedem Schritt um Paß und Passirschein, um die Gründe und Dauer seines Aufenthalts, um die Mittel zur Bestreitung desselben, und über allenfallsige Bekanntschaften befragt wird, bevor man ihm gegen theures Geld den Aufenthalt auf kurze Zeit bewilligt? wie wird er staunen, wenn er noch allenthalben nichts anderes in der Anrede hört, als „Herr von, Euer Gnaden, Küß' die Hand!“ u. s. w. und letztes wirklich noch thun sieht? wenn er, durch die Stadt gehend, noch immer nichts anderes sieht, als k. k. privilegirte Schuh- und Stiefelmacher, k. k. privilegirte Zuckerbäcker, k. k. privilegirte Schneider u. s. fort durch alle Gewerbe und Handthierungen? Er wird bezweifeln, daß wir jemals eine Revolution gehabt, und wird dem dummen Deutschland, welches den Sieg des Windischgrätz, d. h. die Rückkehr der alten scheußlichen Wirthschaft quasi mit Jubel begrüßte, die bittersten Vorwürfe machen. Denn bei uns handelte es sich immer nur erst um die ersten Fundamente der Freiheit, nicht, wie anderwärts, um ihre spätern Folgen. Darum theile ich Ihnen Nachstehendes mit. Ihre Leser werden daraus erkennen, wie früher die Staatsmaschine getrieben wurde. Das Fragment ist aus einer jüngst erschienenen Schrift des Freiherrn von Hormayr entnommen, die den Titel „Metternich“ führt. Hormayr aber hatte nicht den Muth, alles zu erhüllen, was er weiß; er verschont alle noch in Amt und Würde sitzenden Kreaturen Metternich's absichtlich. Es spricht von Joseph II., wo er von Franz I. und Ferdinand I. reden sollte. Er schont z. B. Stadion, weil ein Stadion jetzt Minister geworden, nachdem er auf Metternich's Geheiß 1846 die Polen in Galizien hat ermorden lassen, und noch jetzt mit seinem fürstlichen Herrn in London in der engsten brieflichen Verbrüderung steht. Es lassen sich noch ganz andere Schrecknisse enthüllen, und sie werden hoffentlich enthüllt werden, damit die Welt, wenn auch vergebens, ganz erfahre, daß die Hölle nicht in der Hölle, sondern in Oesterreich zu Hause ist. Das Chiffrekabinet. Oesterreich gab sein neues Landpostmeisteramt dem neufürstlichen Hause Paar und schloß Thurn und Taxis auf immer davon aus! — Nur hatte dieses in Wien seinen bevollmächtigten geheimen Rath und sein Centralbureau, das, mit einer gerade jetzt unter Joseph II. von Kaunitz auf die höchste Stufe gebrachter polizeilicher und inquisitorischer Vollendung, mit der Wiener Polizei und mit des Kaisers eigenem innersten Kabinette eng zusammenhing. Es hieß etwas später „das Chiffrekabinet“ und war in der Kaiserburg selbst in dem auf den Josephsplatz hinausgehende Viereck, „die Stallburg“ genannt, wo zugleich die Verfassung und die Auflösung aller diplomatischen Chiffren von Pariser und neapolitanischen Adepten auf eine noch nie erhörte Vervollkommnungstufe begonnen und unaufhörlich getrieben worden, über die freilich manche der größten Kalkulateurs den Verstand verloren, die überhaupt mit ihren Familien ein sorgenfreies und reichliches, aber das traurigste Leben gleich Staatsgefangenen führten. Sie standen unter schärfster Polizeihut: man wußte genau, was sie depensirten; ob sie Vergnügungen liebten; wer sie besuchte, ihre Söhne und Töchter? — Am liebsten, wenn Staatskanzlei, Kabinet, Chiffrekabinet unter sich am meisten zusammenkamen und gewissermaßen einen geschlossenen Cirkus bildeten. Einer fremden diplomatischen Person, die sich einzuschleichen versucht hätte, wäre es schlimmer ergangen, als einem entdeckten Taschendiebe. — Der Polizeibogen mit dem Morgenrapport über die Stallburg und die Staatskanzlei auf des Kaisers Arbeitstisch zeigte immer auf einen Blick, wo jeder der vertrauten Arbeiter Tags und Abends vorher gewesen war. Die Sache hatte ihre pythagoräisch-militärische, bewundernswerthe Einrichtung. — Talleyrand, der diese Partie besonders liebte und verstand, schickte öfter Anfragen und verfehlte Auflösungen, und während der zwei Monden französischer Okkupationen Wien's (13. November 1804 und 13. Januar 1805) hinkte er wie oft von der Gräfin Rombeck, Louis Cobenzl's Schwester, in die Stallburg herüber. — Leider aber auch an Ehre und Gewissen wurden die Arbeiter mehrfach gekränkt, da sie öfter genöthigt wurden, Korrespondenzen zu „suborniren“ (zu schmieden oder in der Kopie zu verfälschen), was in Paris sehr früh in Wien unter Kaunitz, Cobenzl ziemlich selten und zumal unter Stadion sehr selten, aber noch sehr spät in demagogischen, in karbonarischen, Metternichisch-Münchisch-Sedlnitzky'schen Umtrieben häufig geschehen ist, wo von Wahrheit, von Ehre und Gewissen längst keine Rede mehr war. Das Furchtbare an der ganzen Sache war die altvenetianischstrenge Unterordnung und Verbindung des Chiffrekabinets mit der geheimen Polizei, mit ihren politischen Spürereien und die Verbindung mit der französischen Polizei in Paris und Lyon, wobei Billèle den eifrigsten Beistand leistete, selbst mit der Fürstin Metternich noch in ihren letzten Lebenswochen konferirte und in den Freimaurerverbindungen, namentlich in der Loge „vom Orient“ (in der auch die spanischen Logen, den Großmeister Arguelles el Divino an der Spitze), viel Spielwerk alter Kinder getrieben und wie in Piemont, durch den nichtswürdigen Prinzen von Carignau Hunderte unglücklich gemacht wurden. — Mehrere Offiziere, die Karl Albert als Alter Ego schriftlich zu Dem und Jenem angewiesen, ließ er in der Folge (sein Papier in den Händen) hinrichten. Das Metternich-Ouvrard'sche Gold konnte ihn nicht weißbrennen, als er den Trokadero von den feigen und feilen Cortes erkaufte. Erst Spanien und Italien (Mailand, Neapel) haben der Metternich'schen Hofpolizei diese Ausdehnung, diesen Charakter gegeben. — Wahnsinnige Summen flogen dafür hinaus, die Steuern stiegen fort und fort bis in die Wolken: — Exekutionen, Güterverkäufe, Tumulte, Bauernkrieg, qu'importe? — „Der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht:“ — jetzt ist er gebrochen! Durch ganz Deutschland theilten sich die Taxis'schen Postbureaus in Postlogen und Richtlogen (mit dem Wiener Chiffrekabinet Verbundene und Richtverbundene), Logisten und Richtlogisten. — Erstere waren zugleich gut besoldete und numerirte Beamte des Wiener Chiffrekabinets, in welchem auch der ganze Reichthum der Chemie, Mechanik und sinnreichsten Kochkunst auf der Retorte entfaltet war. — Uebrigens wurde Wien's Hauptpost Schlag sieben Uhr geschlossen und ging scheinbar ab: die respektiven Felleisen fuhren aber rasch zum Chiffrekabinet in den geschlossenen Hof der Stallburg. Hier wurden die verdächtigen Gesandtschafts-, Bankiers- und sonstigen auswärtigen Korrespondenzen blitzesschnell und umsichtig ausgesucht, gemustert, geöffnet und abgeschrieben, was fast immer bis über eilf Uhr, oft bis ein Uhr dauerte; dann erst fuhr die Post wirklich ab. Die preußischen Ziffern (deutsche und französische) waren längst aufgelöst, die österreichischen meistens wohl auch; doch gab es noch mehrere, die es nicht waren und es auch gar niemals geworden sind. — Die preußischen Kabinetskouriere, bis auf zwei, waren schon unter der Oberleitung des hierin Joseph's vollstes Vertrauen (selbst pekuniär) genießenden Hofraths, Polizeidirektors der Residenz, Joseph von Beer auf Lebenslang versorgt, verführt, bestochen. Auf der Einbruchsstation bei Pirna war ein eigens nach allen möglichen Rücksichten neu erbautes Häuschen, eine nur den Postbeamten zugängliche Filiale des Wiener Chiffrekabinets, von mehreren Beamten desselben bewohnt, die sogleich den längst mit Ungeduld erwarteten Berliner Kourier und sein Felleisen in Beschlag, letzteres gleich mit ihm in ihre Postchaise nahmen, im raschesten Fahren, auch sehr kurzen Zwischenräumen von Ruhe, es operirten, lustrirten, kopirten. Diese Künste alle waren auf dem Giebel des scharfsinnigsten und ruhigsten Raffinements. So ging es fort bis in ein detto geheimnißvolles sogenanntes Mauthhäuschen außer der letzten Poststation vor Wien — Langenzersdorf — wo das unkenntlich wieder geschlossene Felleisen dem Kurier rückgegeben wurde, und in der dritten Stunde darauf der preußische Gesandte, Graf Keller, Haugwitz oder Lucchesini seine Depeschen aus den Händen des Kuriers im Gesandtschaftshotel in der Wollzeile, eben so bona fide und quasi de re optime gesta empfing, wie in gleicher Stunde, lächelnd und hochwiegend, Spielmann und Kaunitz am Ballhausplatz in der Staatskanzlei. 61 Wien, 22. Dezbr. Die kaiserl. Armee muß seit einigen Tagen auf hartnäckigen noch nicht besiegten Widerstand in Ungarn gestoßen sein, denn alle Standrechtsblätter schweigen selbst mit lü- *) In einer andern Proklamation des Märzvereins wird selbst, ächt à la Welker, auf England als das Vorbild aller gesetzlichen Agitation verwiesen.

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 181. Köln, 29. Dezember 1848, S. 0974. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz181_1848/2>, abgerufen am 21.11.2024.