Neue Rheinische Zeitung. Nr. 185. Köln, 3. Januar 1849. Beilage.Jahre; viele Liquidationen ständen bevor und eine Finanzkrisis im Ministerium könnte ein wahres Nationalunglück nach sich führen. So vielen Gründen vermochte Passy nicht zu widerstehen, sein finanzieller Patriotismus siegte und er versprach gestern früh den Herren Bankiers, daß er die Staatsbarke im gegenwärtigen Monate nicht verlassen wolle. -- v. Falloux hat sein Unterrichtsportefeuille niedergelegt. -- Die Ernennung des Lacrosse zum Minister der Staatsbauten wird stark besprochen. -- Die Nationalversammlung besteht darauf, ihre zehn organischen Gesetze zu erlassen. Heute beschäftigten sich ihre Büreaus mit dem Gesetze für oder vielmehr gegen die Presse. -- Montalembert, die Seele Falloux's, wollte durchaus nach London als Gesandter gehen. Napoleon hätte eingewilligt, aber Lord Palmerston fand die Wahl doch gar zu signifikativ und darum die neue Ministeränderung seit heute Vormittag. -- National-Versammlung. Sitzung vom 30. Dezember. Vizepräsident Corbon führt den Vorsitz. Um 2 Uhr angesagt, beginnt die Sitzung erst kurz vor 3 Uhr. Nach Vorlesung des Protokolls zieht Corbon als Präsident die monatliche Erneuerung der Büreaus oder Abtheilungen. Die Versammlung nimmt die gestern Abend abgebrochene Debatte über Gründung eines offiziellen Journals zum schnellern Druck der Parlaments-Diskussionen wieder auf. Theodor Bac (vom Berge) regt die Amnestie der Mai- und Junigefangenen an. Er verlangt Amnestie. Odilon-Barrot erklärt, daß er diesen Gegenstand dem Ermessen des Präsidenten überlasse. Das Ministerium könne diese Maßregel nicht bevorworten, es habe beide Elemente der Gesellschaft zu berücksichtigen. Odilon-Barrot sprach sehr hart und lange in Erwiderung Bacs über die Amnestiefrage. Man will uns, sagt er, die Amnestie durch Drohungen abzwingen. (Oh! Oh!) Sie beschäftige alle Gemüther u. s. w.; allein das Andenken an die Möglichkeit der Rückkehr von Junitagen beschäftigt noch viel mehr die Gemüther. (Beifall zur Rechten.) Man wirft ein, daß gegen die Insurgenten keine Gerechtigkeit geübt worden sei. Sind sie nicht laut eines Dekrets der National-Versammlung selbst deportirt worden? Von der National-Versammlung hängt also auch das fernere Schicksal derselben lediglich ab. Das Ministerium kann und darf nichts wagen. Bac (ironisch): Das Kabinet will also die Initiative dieser edlen Maßregel uns überlassen. Wie vorsichtig! Es sagt ferner, wir wollten es durch Drohungen zu dieser großen Maßregel zwingen. Es ist mir aber nicht im Entferntesten eingefallen, Drohungen in meine Worte zu flechten. Der Minister fürchtet neue Gefahren aus der Amnestie. Ich dagegen bin der Ansicht, daß gerade mit der Amnestie die Gefahr schwinde. Nichts entwaffnet mehr als Edelmuth. Amnestie sei also ein Schritt zur Aussöhnung, deren das Kabinet sich so sehr rühme. Wir alle sind für die Ordnung und gegen den Bürgerkrieg u. s. w. Der Redner verlangt, daß man den nächsten Dienstag zur Debatte über die Amnestie ansetze. Die Versammlung verwirft jedoch diesen Antrag und geht zur Tagesordnung (Petitionsberichte) über. Nach Anhörung eines Stoßes von Petitionen wird die Sitzung am 1/4 6 Uhr aufgehoben. Corbon liest die Tagesordnung für den Dienstag vor. Also zwei Feiertage. Großbritannien. 68 London, 31. Dcbr. Der kalifornische Goldsand gibt den Engländern Stoff zu immer neuen Besprechungen, namentlich da man sieht, daß Bruder Jonathan dies Mal seinen europäischen Anverwandten keinen Sand in die Augen gestreut hat. Die Sache ist richtig. Man findet Gold in Masse und wenn die Times früher spöttisch bemerkte, daß die Amerikaner wahrscheinlich die Kosten des mexikanischen Krieges mit dem Golde des Sakramento-Flusses decken können würden, so scheint dies jetzt wirklich der Fall zu sein. Die ruhigsten Korrspondenzen der englischen Presse sprechen von einem "Wirbelwind der Aufregung", der ganz Nordamerika bei der Bestätigung der frühern Gerüchte ergriffen hat, und die Londoner Journole können es natürlich jetzt nicht mehr unterlassen, über den künftigen Preis des Goldes die tiefsinnigsten Betrachtungen anzustellen. -- Ueber die letzten Chartistenprozesse findet man jetzt überall die ausführlichsten Mittheilungen, aus denen nur zu deutlich abzunehmen ist, daß die Whigs unter Lord John Russell nicht besser mit dem Volke verfuhren, als einst die Torys unter Lord Castlereagh. Durch das erbärmlichste Spionir- und Denunciations-System hat die Regierung eine Masse Unglücklicher zu Opfern der Bewegung gemacht. Diese Thatsachen rechtfertigen auf's Neue den alten Haß des Volkes namentlich gegen die Whigs, die als die wahren Repräsentanten der freihandelsseligen Mittelklasse, in der rohsten Handhabung der Gewalt nicht hinter den Zuchtmeistern des Kontinents zurückbleiben. -- Ueber die verschiedenen Gegenstände, welche bei dem bevorstehenden Zusammtreten des Parlamentes debattirt werden sollen, verbreiten sich bereits allerlei Gerüchte. Schweiz. ** Bern, 28. Dez. Kaum sind die schweizer Truppen von der lombardischen Gränze zurückgezogen, so fangen Radetzki's Schikanen von neuem an. Er schreibt an die eidgenösische Repräsentanten in Tessin, es finde ein beunruhigender Waffenhandel an der Gränze Statt, und die eidgen. Repräsentanten bereden die tessiner Regierung, ihre Zustimmung zu mehreren Haussuchungen in Mendrisio zu geben. Man fand und konfiszirte einige Flinten. Wie man diese Verletzung des Hausrechts und Beschlagnahme fremden Eigenthums rechtfertigen will, ist nicht abzusehee. Es ist nur zu verwundern, daß die tessiner Regierung sich dazu hergegeben. Die neapolitanischen Werbungen in Luzern und den Urkantonen scheinen nun doch zu nichts zu führen. Nicht als ob sich nicht eine genügende Anzahl biederer Alpensöhne gefunden, die ihre Haut für baares Geld zu verhandeln und im Solde Ferdinand's Kroatendienste zu thun Lust gehabt hätten; im Gegentheil! Aber die Sache scheitert an der Unmöglichkeit, von der Schweiz nach Neapel zu kommen. Kapitulationsmäßig müssen die Rekruten über Genua geführt werden und die Turiner Regierung verweigerte den Durchzug. Es heißt nun, die Rekruten sollten nach Triest gebracht und dort eingeschifft werden. Diese Nachricht hat unter den Angeworbenen großen Schrecken verursacht. Nach Oestreich wollen sie nicht. Sie fürchten unter die echten Kroaten gesteckt und gegen die Magyaren geführt zu werden und petitioniren jetzt beim Luzerner Regierungsrath, daß man auf der Genueser Route bestehe. Sonderbar. Als ob es diesen Leibtrabanten der Contrerevolution nicht gleichgültig sein könnte, ob sie Magyaren oder Messineser massakriren! Aber freilich, östreichische Papierzwanziger und neapolitanische vollwichtige Dukaten, das ist ein Unterschied! Uebrigens scheint die Luzerner Regierung der Berner nachfolgen und die Kapitulation so lange suspendiren zu wollen, bis die Schweizer Kaufleute in Neapel und Messina entschädigt sind. Wenigstens hat sie sich beim Bundesrath erkundigt, wie es mit dieser Entschädigung stehe. Es bleiben dann nur noch die Urkantonen, und diese werden sich das Recht jedes Bürgers sich zu verschachern, so lange nicht nehmen lassen, als die Bundesverfassung es ihnen verstattet, d. h. so lange, als die gegenwärtigen Kapitulationen noch zu laufen haben. Dies Recht der Selbstverschacherung ist eines der schönsten und ältesten Privilegien der freien Urschweizer, und wenn diese tapferen "Erstgebornen der Freiheit" versuchten, "ihre fünfhundertjährige Rechte" gegen die neue Bundesverfassung zu verwahren, so war es vor allem auf dies spezielle Recht abgesehen, das die neue Bundesverfassung abschafft. Die Militärkapitulationen sind wirklich eine Lebensfrage für die Urkantonen. Seit fünfhundert Jahren waren sie der Abzugskanal für die überzählige Bevölkerung, und daher die beste Garantie der bestehenden barbarischen Zustände. Man schaffe die Kapitulationen ab, und man wird eine wahre Revolution in diesen s. g. "reinen" d. h. in der Praxis höchst unsaubern Demokratieen hervorrufen. Die jüngeren Söhne der Bauern, die jetzt nach Neapel und Rom gehen, müssen zu Hause bleiben; sie werden keine Beschäftigung finden, weder in ihren eigenen Kantonen noch in der übrigen Schweiz, die schon hinreichend an "Ueberzähligen" laborirt; sie werden eine neue Klasse von Bauernproletariern bilden, die durch ihre bloße Existenz alle die alten, auf tausendjährigem Herkommen beruhendem Eigenthums-, Erwerbs- und Rechtsverhältnisse dieser Hirtenstämme in die größte Verwirrung bringen muß. Woher sollen diese sterilen Gebirgsländer die Mittel nehmen, die Paupers zu ernähren, die ihnen von allen Seiten her auf dem Schub an die Gränze zugeführt werden? Schon jetzt existirt der Kern einer solchen Klasse von Paupers, und bedroht den übererbten Patriarchalismus auf höchst unangenehme Weise. Selbst wenn also, was nicht zu erwarten steht, auch in den nächsten Jahren die europäische Revolution denselben Respekt vor der schweizerischen Neutralität beobachten sollte wie bisher, so bereitet sich doch durch den Artikel der neuen Bundesverfassung: die Militärkapitulationen sind untersagt, ein revolutionäres Ferment vor, das die ältesten und beharrlichsten Sitze der reaktionären Barbarei in Europa endlich in Grund und Boden umwälzen würde. Wie die Monarchieen, so auch die reaktionären Republiken zu Grunde an der pekuniären gehen Schwindsucht, an der "blassen Wehmuth der Finanznoth." Ungarn. Preßburg, 23. Dcbr. Den 23. d. war, brieflichen Nachrichten zufolge, schon die ganze Stadt Tyrnau der Ueberzeugung von der kaiserlichen Armee umzingelt und von der ungarischen abgeschlossen zu sein, als plötzlich Oberst Guyon, ein Engländer in ungarischen Diensten, mit einem Regimente Kossuth'scher Truppen in die Stadt einbrach und in aller Schnelle Vorbereitungen zu einem Straßenkampfe traf. Die Stadt ist ganz offen. Es wurden demnach Barrikaden errichtet, und das einzige noch vorhandene Thor verrammt. Da verkündigte Trommelschlag von allen Seiten das Hereinbrechen des Generals Simunich, welcher mit einer bedeutenden Macht allseitig angegriffen hatte. Der Kampf war fürchterlich. Die hereinbrechende Dunkelheit begünstigte die Flucht des Obersten Guyon, sowie eines Drittheils vom Regiment. 700 Mann wurden in dieselbe Straße hineingedrängt, deren Ausgang durch das verrammelte Thor abgeschlossen war. Diese gaben sich ohne Widerstand gefangen. Die aufgeregten kaiserlichen Soldaten fielen nun über die Häuser her, da von Seite der ungarischen Soldaten auch aus den Fenstern geschossen worden ist, und begannen zu plündern. Erst nachdem die Einwohnerschaft eine halbe Stunde lang den Gefahren und Schrecknissen der Soldaten unterworfen war, gelang es den von General Simunich ausgesendeten Patrouillen der Plünderung Einhalt zu thun. (A. Z.)Agram, 23. Dezbr. Im Banat hatten die Serben in der verwichenen Woche große, blutige Kämpfe zu bestehen. Die Magyaren haben Freitag, den 15. l. M., einen neuen kombinirten Angriff auf die beiden Serbenlager bei Alibunar und zu Tomasevac, wo sich der ritterliche Held Stevan Knicanin so oft glorreich behauptet, ausgeführt. Bei Alibunar kommandirte Major Mihal Ivanovic, ein zwar tapferer, aber unvorsichtiger und unbesonnener Offizier. Vier übermächtige magyarische Sturmkolonnen waren von Ivanovic's Schaar siegreich zurückgeschlagen worden, als plötzlich ein gut gelungenes Manöver der Magyaren der Sache eine ganz andere Wendung gab. Nachdem ihre vierte Sturmkolonne mit blutigen Köpfen zurückgeprallt war, warfen sie ihre meisten und besten Streitkräfte auf den schlecht besetzten Paß, zersprengten die Besatzung und nahmen den wichtigen Punkt, während Ivanovic's Aufmerksamkeit geschickt anderweitig beschäftigt ward. Bei Vertheidigung des Passes sind vier serbische Offiziere und zahlreiche Gränzer gefallen; auch ein Neffe des Patriarchen, Lieutenant Rajacic, starb bei dieser Gelegenheit den Heldentod. Die Magyaren erschienen so plötzlich und unerwartet auf den Höhen im Rücken des Lagers. Nun blieb für Ivanovic nichts anderes übrig, als das Lager Preis zu geben und sich in Eilmärschen zurückzuziehen. Wie ein Unfall den andern als Konsequenz mit sich bringt, geschah es auch jetzt. Knicanin war nun in Gefahr, umringt und abgeschnitten, ja aufgerieben zu werden. Er sah sich genöthigt, sein Lager abzubrechen und mit allem Geschütz einen geordneten Rückzug über Usdin und Antalfalva gegen Pancova anzutreten. (C. Bl. a. B.)Karlowitz, 20. Dez. Die Bevölkerung Ungarns, Kroatiens, Slavoniens und der Militärgränze beträgt bei 12,000,000 Seelen. Von diesen bekennen sich etwa über 1,800,000 zur griechisch nicht unirten Religion, und zwar theils in serbischer, theils in walachischer, theils in griechischer Sprache. Die Zahl der Serben beläuft sich auf 800,000, die im ganzen Lande zerstreut leben. In keinem Theile Ungarns bilden sie ausschließlich die Bevölkerung irgend einer umfangreicheren Gegend oder eines geschlossenen Distrikts. Am zahlreichsten sind sie in der kroatischen Militärgränze und in Slavonien. Doch ist auch im Banate und im Bacser Comitate ein ansehnlicher Theil der Bevölkerung serbischen Stammes. Und mit Ausnahme der Comitate Trenesin, Lipto, Arva, Turocz, Zolyom und vielleicht der Zips dürfte wohl kaum irgend ein Comitat, oder irgend eine bedeutende Ortschaft in Ungarn sein, wo sich nicht Serben in größerer oder geringerer Zahl aufhalten. Namentlich schlecht verträgt sich der Serbe mit dem Deutschen, und die Criminalstatistik der Comitate Temes, Torontal, besonders aber Bacs, wo die Serben oft mit Deutschen die nämlichen Dörfer bewohnen, weist an diesen Serben unliebsame Erscheinungen auf, die doch sonst, wo die Bevölkerung rein serbisch ist, nicht vorkommen! Besser schon verträgt sich der Serbe mit dem Ungar, obgleich auch hier häufige Reibungen vorkommen. Doch kann sich der Serbe für die ungarische Sache, ja sogar für die ungarische Sprache begeistern (der Serbe Vitkovic war einer der ausgezeichnetsten ungarischen Dichter); während eine ähnliche Begeisterung für die deutsche Sache und deutsche Sprache bis jetzt unter den Serben noch nicht bemerkt wurde. Auch mit dem Slovaken, ja sogar mit dem Schokatzen verträgt sich der Serbe schwer. Die Sympathie der Serben für die Kroaten datirt, wie man zu sagen pflegt, von gestern. Mit den Walachen, welche mit ihnen die nämliche Religion bekennen, finden wir sie ebenfalls häufig in Unfrieden. Wir finden die Serben theils als Bauern in Dörfern; theils als Bürger der Städte, wo sie namentlich als Kaufleute einen bedeutenden Theil des Handels der unteren Gegenden Ungarn's in Händen haben. Die serbischen Bauern zeichnen sich im Ganzen durch ihren Wohlstand nicht besonders aus; wenigstens stehen sie dem unter gleichen Verhältnissen lebenden und dasselbe Land bebauenden Deutschen, ja auch dem ungarischen Bauer merklich nach. Als Kaufleute genießen sie wohl oft einen bedeutenden Wohlstand, der sich nicht selten bis zum Reichthume erhebt. Doch ist das in Ungarn gekannte Sprichwort, daß man aus einem Raitzen zehn Juden machen könne, -- obgleich stark aufgetragen, bezeichnend genug, um jede weitere Erörterung überflüssig zu machen. Neueste Nachrichten. * Deutz, 2. Januar. Die Konstitution trägt ihre Früchte. Man geht offenbar darauf aus, Deutz in Belagerungszustand zu setzen. Wir haben noch unsere Waffen, und diese will man uns entreißen Man konnte kein besseres Mittel finden, als an die Stelle der 25er, die sich stets human betragen, die 34er zu setzen, deren brutales und empörendes Wesen sich seit 2 Tagen in der empörendsten Weise kund gibt. Vorgestern fielen sie unbewaffnete Bürger und Damen auf offener Straße an. Gestern sind sie handgemein mit Artilleristen und Uhlanen geworden. Von diesen fortgetrieben, gingen sie in die Kasematten, um Verstärkung zu holen. Sie kamen in großer Anzahl mit blankgezogenen Säbeln zurück, und da sie keine Militärs mehr fanden, um ihre Wuth auszulassen, warfen sie sich auf die Bürger. Sie drangen in die Wohnungen der Bürger Dieks, Zimmermann und in den bergischen Hof bei Höner ein, demolirten Alles, was sie vorfanden, und fielen dann mit ihren Waffen über die dort befindlichen Gäste her. Ein großes Unglück war unvermeidlich, wenn die Nachbaren sich nicht beeilt hätten, die Offiziere der betreffenden Kompagnien herbeizuholen. Alles ist bei uns in der größten Aufregung. Wir sind keinen Augenblick mehr sicher vor der brutalen Gewalt dieser neuen Croaten, die bereits in Köln, in der Kämergasse, die bekannten Exzesse verübten. So eben sollen auf der Landbrücke 4 Soldaten desselben Bataillons verhaftet worden sein, welche gegen Bürger ohne Veranlassung blank zogen. Glücklicher Weise kam ein Artillerieoffizier vorbei und verhinderte weitere Exzesse. Wann wird die Militärbehörde einschreiten? Will der Ober-Kommandant diesem Treiben nur dann erst Einhalt thun, wann der Belagerungszustand erklärt ist und ist der Belagerungszustand der Preis, um den wir Bürger unsere Sicherheit erkaufen müssen? Redakteur en chef: Karl Marx. * Köln, 29. Dez. Unter diesem Datum geht uns folgende Mittheilung zu: Am 23. d. Mts. reisten wir von Düsseldorf nach Duisburg auf der Köln-Mindener Eisenbahn. Das Unglück führte uns in einen Wagen 4. Klasse, der ganz voll von Kriegsknechten war, die wahrscheinlich zu dem bevorstehenden Weihnachtsfeste in ihre Heimath reisen wollten. Schon beim Eintritt in den Wagen hallten uns keine angenehmen Töne zum Willkomm entgegen, wir hielten uns jedoch ganz ruhig, um nicht im Mindesten Veranlassung auch nur zu einem Wortwechsel mit jenen rüden Menschen zu geben. Als wir uns nun ruhig an das Wagengeländer stellten, bemerkte ein Lümmel aus dem 7. (gelben) Uhlanen-Regimente: "daß er es doch vorziehen müsse, uns den H. ...... zuzudrehen" (ipsissima verba!). Dieses gemeine Benehmen drang uns denn doch die Bemerkung ab, daß uns dies ganz und gar gleichgültig sei, er solle jedoch nur nicht glauben, daß er in seiner blauen Jacke hier in dem Wagen mehr Vorrechte habe, als andere. Kaum waren diese Worte verhallt, als das ganze im Wagen vorhandene königlich preußische Militär (größtentheils aus dem 16. Infanterie-Reg.) in ein höllisches Geschrei ausbrach, aus dem man nur die Worte: "Ein Demokrat! Heraus mit dem Kerl! Ein Halunke! Heraus!" vernehmen konnte. Dabei stampften die ehrenwerthen königl. preußischen Soldaten mit ihren Kommißschuhen so stark auf den Boden, daß derselbe Gefahr lief, zu durchbrechen. Wir unsererseits ließen uns durch dieses Geschrei gar nicht irre machen und lachten über die verrückten Gestikulationen, die zu Tage gefördert wurden. Als die Kriegsknechte nun auf keinen Widerstand stießen, ließen sie, sich vielleicht in ihrem Unrechte fühlend, nach und nach von ihrem Geschrei ab, obgleich ihre scheelen Augen uns noch immer verfolgten. Sie schienen dann ihre grenzenlose Wuth darüber, daß ein Demokrat -- sie hatten sich in der Person nicht geirrt -- das Recht hatte, in ihrer ehrenwerthen Gesellschaft reisen zu dürfen, durch das Abschreien einiger Preußen-Lieder, als: "Ich bin ein Breuße" etc. und "Wir bleiben unserm König treu" etc. so wie "Unser König hat viel Geld" etc. (wenn das nur so wäre!) und anderer zu beschwichtigen. Es lebe die königl. preußische Soldaten-Humanität! Auf einer andern Tour haben wir dagegen auch vernünftige Soldaten getroffen, die wir hierdurch gern in Schutz nehmen, namentlich einen aus dem 13. und einen aus dem in Köln hinlänglich bekannten 16. Inf.-Reg. Letzterer gestand uns im Vertrauen, daß er froh wäre, wenn seine Dienstzeit verflossen, und er nach Hause gehen könnte und daß er sich niemals gegen seine Mitbrüder als eine willenlose Maschine von seinen Obern gebrauchen lassen würde. Wir theilen diese Vorfälle der Oeffentlichkeit mit, weil sie ein Bild von den verschiedenartigen Elementen unter dem Militär geben. Und dann fragen wir: Ist es nicht eine Schande, daß das Militär von oben herab -- anders kann es nicht sein! -- so fanatisirt wird? Abgesehen davon, was man sich ursprünglich bei dem Worte "selbstständig" gedacht haben mag, kann die Befürchtung, daß dieses in der sogenannten Verfassung und dem Wahlgesetze gebrauchte Wort eine Verminderung der frühern Wählerzahl herbeiführen werden, als beseitigt angesehen werden. Der Minister des Innern hat den Staats-Ministerialbeschluß vom 19. Dezember, wornach jeder sonst Qualificirte als selbstständig angesehen werden soll, wenn er über seine Person und sein Eigenthum verfügen kann, durch Reskript vom 20. Dezember dahin erläutert, daß da, wo die sonstigen Bedingungen des Wahlgesetzes erfüllt seien, die erforderliche Selbstständigkeit der Urwähler so lange als vorhanden angenommen werden soll, als nicht der Beweis des Gegentheils vorliegt. Es wird weiter darin ausgesprochen, daß die politische Selbstständigkeit keineswegs identisch sei mit der Selbstständigkeit, von welcher privatrechtliche Bestimmungen die volle Gültigkeit gewisser Rechtsgeschäfte abhängig mache, daß auch ebensowenig zur Selbstständigkeit die Führung eines eigenen Haushalts nothwendig sei, daß daher weder bei den Eltern wohnende Söhne, noch bei Fremden wohnende Dienstboten als unselbstständig zu betrachten seien. Als Schluß wird dann noch die sehr überflüssige Bemerkung hinzugefügt, daß Personen, die nicht frei über ihre Person und ihr Eigenthum verfügen könnten, solche anzusehen seien, die wahnsinnig, wegen Verschwendung interdicirt oder eingesperrt wären. Nun wahrlich, wenn ursprünglich nichts anderes bezweckt worden ist durch die Einschiebung jenes Wortes, dann hätte doch die sehr unnöthige dadurch hervorgerufene, Zweideutigkeit vermieden werden sollen. Geilenkirchen, 28. Dezember. Ein Urwähler. Handelsnachrichten. [irrelevantes Material]
Jahre; viele Liquidationen ständen bevor und eine Finanzkrisis im Ministerium könnte ein wahres Nationalunglück nach sich führen. So vielen Gründen vermochte Passy nicht zu widerstehen, sein finanzieller Patriotismus siegte und er versprach gestern früh den Herren Bankiers, daß er die Staatsbarke im gegenwärtigen Monate nicht verlassen wolle. — v. Falloux hat sein Unterrichtsportefeuille niedergelegt. — Die Ernennung des Lacrosse zum Minister der Staatsbauten wird stark besprochen. — Die Nationalversammlung besteht darauf, ihre zehn organischen Gesetze zu erlassen. Heute beschäftigten sich ihre Büreaus mit dem Gesetze für oder vielmehr gegen die Presse. — Montalembert, die Seele Falloux's, wollte durchaus nach London als Gesandter gehen. Napoleon hätte eingewilligt, aber Lord Palmerston fand die Wahl doch gar zu signifikativ und darum die neue Ministeränderung seit heute Vormittag. — National-Versammlung. Sitzung vom 30. Dezember. Vizepräsident Corbon führt den Vorsitz. Um 2 Uhr angesagt, beginnt die Sitzung erst kurz vor 3 Uhr. Nach Vorlesung des Protokolls zieht Corbon als Präsident die monatliche Erneuerung der Büreaus oder Abtheilungen. Die Versammlung nimmt die gestern Abend abgebrochene Debatte über Gründung eines offiziellen Journals zum schnellern Druck der Parlaments-Diskussionen wieder auf. Theodor Bac (vom Berge) regt die Amnestie der Mai- und Junigefangenen an. Er verlangt Amnestie. Odilon-Barrot erklärt, daß er diesen Gegenstand dem Ermessen des Präsidenten überlasse. Das Ministerium könne diese Maßregel nicht bevorworten, es habe beide Elemente der Gesellschaft zu berücksichtigen. Odilon-Barrot sprach sehr hart und lange in Erwiderung Bacs über die Amnestiefrage. Man will uns, sagt er, die Amnestie durch Drohungen abzwingen. (Oh! Oh!) Sie beschäftige alle Gemüther u. s. w.; allein das Andenken an die Möglichkeit der Rückkehr von Junitagen beschäftigt noch viel mehr die Gemüther. (Beifall zur Rechten.) Man wirft ein, daß gegen die Insurgenten keine Gerechtigkeit geübt worden sei. Sind sie nicht laut eines Dekrets der National-Versammlung selbst deportirt worden? Von der National-Versammlung hängt also auch das fernere Schicksal derselben lediglich ab. Das Ministerium kann und darf nichts wagen. Bac (ironisch): Das Kabinet will also die Initiative dieser edlen Maßregel uns überlassen. Wie vorsichtig! Es sagt ferner, wir wollten es durch Drohungen zu dieser großen Maßregel zwingen. Es ist mir aber nicht im Entferntesten eingefallen, Drohungen in meine Worte zu flechten. Der Minister fürchtet neue Gefahren aus der Amnestie. Ich dagegen bin der Ansicht, daß gerade mit der Amnestie die Gefahr schwinde. Nichts entwaffnet mehr als Edelmuth. Amnestie sei also ein Schritt zur Aussöhnung, deren das Kabinet sich so sehr rühme. Wir alle sind für die Ordnung und gegen den Bürgerkrieg u. s. w. Der Redner verlangt, daß man den nächsten Dienstag zur Debatte über die Amnestie ansetze. Die Versammlung verwirft jedoch diesen Antrag und geht zur Tagesordnung (Petitionsberichte) über. Nach Anhörung eines Stoßes von Petitionen wird die Sitzung am 1/4 6 Uhr aufgehoben. Corbon liest die Tagesordnung für den Dienstag vor. Also zwei Feiertage. Großbritannien. 68 London, 31. Dcbr. Der kalifornische Goldsand gibt den Engländern Stoff zu immer neuen Besprechungen, namentlich da man sieht, daß Bruder Jonathan dies Mal seinen europäischen Anverwandten keinen Sand in die Augen gestreut hat. Die Sache ist richtig. Man findet Gold in Masse und wenn die Times früher spöttisch bemerkte, daß die Amerikaner wahrscheinlich die Kosten des mexikanischen Krieges mit dem Golde des Sakramento-Flusses decken können würden, so scheint dies jetzt wirklich der Fall zu sein. Die ruhigsten Korrspondenzen der englischen Presse sprechen von einem „Wirbelwind der Aufregung“, der ganz Nordamerika bei der Bestätigung der frühern Gerüchte ergriffen hat, und die Londoner Journole können es natürlich jetzt nicht mehr unterlassen, über den künftigen Preis des Goldes die tiefsinnigsten Betrachtungen anzustellen. — Ueber die letzten Chartistenprozesse findet man jetzt überall die ausführlichsten Mittheilungen, aus denen nur zu deutlich abzunehmen ist, daß die Whigs unter Lord John Russell nicht besser mit dem Volke verfuhren, als einst die Torys unter Lord Castlereagh. Durch das erbärmlichste Spionir- und Denunciations-System hat die Regierung eine Masse Unglücklicher zu Opfern der Bewegung gemacht. Diese Thatsachen rechtfertigen auf's Neue den alten Haß des Volkes namentlich gegen die Whigs, die als die wahren Repräsentanten der freihandelsseligen Mittelklasse, in der rohsten Handhabung der Gewalt nicht hinter den Zuchtmeistern des Kontinents zurückbleiben. — Ueber die verschiedenen Gegenstände, welche bei dem bevorstehenden Zusammtreten des Parlamentes debattirt werden sollen, verbreiten sich bereits allerlei Gerüchte. Schweiz. ** Bern, 28. Dez. Kaum sind die schweizer Truppen von der lombardischen Gränze zurückgezogen, so fangen Radetzki's Schikanen von neuem an. Er schreibt an die eidgenösische Repräsentanten in Tessin, es finde ein beunruhigender Waffenhandel an der Gränze Statt, und die eidgen. Repräsentanten bereden die tessiner Regierung, ihre Zustimmung zu mehreren Haussuchungen in Mendrisio zu geben. Man fand und konfiszirte einige Flinten. Wie man diese Verletzung des Hausrechts und Beschlagnahme fremden Eigenthums rechtfertigen will, ist nicht abzusehee. Es ist nur zu verwundern, daß die tessiner Regierung sich dazu hergegeben. Die neapolitanischen Werbungen in Luzern und den Urkantonen scheinen nun doch zu nichts zu führen. Nicht als ob sich nicht eine genügende Anzahl biederer Alpensöhne gefunden, die ihre Haut für baares Geld zu verhandeln und im Solde Ferdinand's Kroatendienste zu thun Lust gehabt hätten; im Gegentheil! Aber die Sache scheitert an der Unmöglichkeit, von der Schweiz nach Neapel zu kommen. Kapitulationsmäßig müssen die Rekruten über Genua geführt werden und die Turiner Regierung verweigerte den Durchzug. Es heißt nun, die Rekruten sollten nach Triest gebracht und dort eingeschifft werden. Diese Nachricht hat unter den Angeworbenen großen Schrecken verursacht. Nach Oestreich wollen sie nicht. Sie fürchten unter die echten Kroaten gesteckt und gegen die Magyaren geführt zu werden und petitioniren jetzt beim Luzerner Regierungsrath, daß man auf der Genueser Route bestehe. Sonderbar. Als ob es diesen Leibtrabanten der Contrerevolution nicht gleichgültig sein könnte, ob sie Magyaren oder Messineser massakriren! Aber freilich, östreichische Papierzwanziger und neapolitanische vollwichtige Dukaten, das ist ein Unterschied! Uebrigens scheint die Luzerner Regierung der Berner nachfolgen und die Kapitulation so lange suspendiren zu wollen, bis die Schweizer Kaufleute in Neapel und Messina entschädigt sind. Wenigstens hat sie sich beim Bundesrath erkundigt, wie es mit dieser Entschädigung stehe. Es bleiben dann nur noch die Urkantonen, und diese werden sich das Recht jedes Bürgers sich zu verschachern, so lange nicht nehmen lassen, als die Bundesverfassung es ihnen verstattet, d. h. so lange, als die gegenwärtigen Kapitulationen noch zu laufen haben. Dies Recht der Selbstverschacherung ist eines der schönsten und ältesten Privilegien der freien Urschweizer, und wenn diese tapferen „Erstgebornen der Freiheit“ versuchten, „ihre fünfhundertjährige Rechte“ gegen die neue Bundesverfassung zu verwahren, so war es vor allem auf dies spezielle Recht abgesehen, das die neue Bundesverfassung abschafft. Die Militärkapitulationen sind wirklich eine Lebensfrage für die Urkantonen. Seit fünfhundert Jahren waren sie der Abzugskanal für die überzählige Bevölkerung, und daher die beste Garantie der bestehenden barbarischen Zustände. Man schaffe die Kapitulationen ab, und man wird eine wahre Revolution in diesen s. g. „reinen“ d. h. in der Praxis höchst unsaubern Demokratieen hervorrufen. Die jüngeren Söhne der Bauern, die jetzt nach Neapel und Rom gehen, müssen zu Hause bleiben; sie werden keine Beschäftigung finden, weder in ihren eigenen Kantonen noch in der übrigen Schweiz, die schon hinreichend an „Ueberzähligen“ laborirt; sie werden eine neue Klasse von Bauernproletariern bilden, die durch ihre bloße Existenz alle die alten, auf tausendjährigem Herkommen beruhendem Eigenthums-, Erwerbs- und Rechtsverhältnisse dieser Hirtenstämme in die größte Verwirrung bringen muß. Woher sollen diese sterilen Gebirgsländer die Mittel nehmen, die Paupers zu ernähren, die ihnen von allen Seiten her auf dem Schub an die Gränze zugeführt werden? Schon jetzt existirt der Kern einer solchen Klasse von Paupers, und bedroht den übererbten Patriarchalismus auf höchst unangenehme Weise. Selbst wenn also, was nicht zu erwarten steht, auch in den nächsten Jahren die europäische Revolution denselben Respekt vor der schweizerischen Neutralität beobachten sollte wie bisher, so bereitet sich doch durch den Artikel der neuen Bundesverfassung: die Militärkapitulationen sind untersagt, ein revolutionäres Ferment vor, das die ältesten und beharrlichsten Sitze der reaktionären Barbarei in Europa endlich in Grund und Boden umwälzen würde. Wie die Monarchieen, so auch die reaktionären Republiken zu Grunde an der pekuniären gehen Schwindsucht, an der „blassen Wehmuth der Finanznoth.“ Ungarn. Preßburg, 23. Dcbr. Den 23. d. war, brieflichen Nachrichten zufolge, schon die ganze Stadt Tyrnau der Ueberzeugung von der kaiserlichen Armee umzingelt und von der ungarischen abgeschlossen zu sein, als plötzlich Oberst Guyon, ein Engländer in ungarischen Diensten, mit einem Regimente Kossuth'scher Truppen in die Stadt einbrach und in aller Schnelle Vorbereitungen zu einem Straßenkampfe traf. Die Stadt ist ganz offen. Es wurden demnach Barrikaden errichtet, und das einzige noch vorhandene Thor verrammt. Da verkündigte Trommelschlag von allen Seiten das Hereinbrechen des Generals Simunich, welcher mit einer bedeutenden Macht allseitig angegriffen hatte. Der Kampf war fürchterlich. Die hereinbrechende Dunkelheit begünstigte die Flucht des Obersten Guyon, sowie eines Drittheils vom Regiment. 700 Mann wurden in dieselbe Straße hineingedrängt, deren Ausgang durch das verrammelte Thor abgeschlossen war. Diese gaben sich ohne Widerstand gefangen. Die aufgeregten kaiserlichen Soldaten fielen nun über die Häuser her, da von Seite der ungarischen Soldaten auch aus den Fenstern geschossen worden ist, und begannen zu plündern. Erst nachdem die Einwohnerschaft eine halbe Stunde lang den Gefahren und Schrecknissen der Soldaten unterworfen war, gelang es den von General Simunich ausgesendeten Patrouillen der Plünderung Einhalt zu thun. (A. Z.)Agram, 23. Dezbr. Im Banat hatten die Serben in der verwichenen Woche große, blutige Kämpfe zu bestehen. Die Magyaren haben Freitag, den 15. l. M., einen neuen kombinirten Angriff auf die beiden Serbenlager bei Alibunar und zu Tomasevac, wo sich der ritterliche Held Stevan Knicanin so oft glorreich behauptet, ausgeführt. Bei Alibunar kommandirte Major Mihal Ivanovic, ein zwar tapferer, aber unvorsichtiger und unbesonnener Offizier. Vier übermächtige magyarische Sturmkolonnen waren von Ivanovic's Schaar siegreich zurückgeschlagen worden, als plötzlich ein gut gelungenes Manöver der Magyaren der Sache eine ganz andere Wendung gab. Nachdem ihre vierte Sturmkolonne mit blutigen Köpfen zurückgeprallt war, warfen sie ihre meisten und besten Streitkräfte auf den schlecht besetzten Paß, zersprengten die Besatzung und nahmen den wichtigen Punkt, während Ivanovic's Aufmerksamkeit geschickt anderweitig beschäftigt ward. Bei Vertheidigung des Passes sind vier serbische Offiziere und zahlreiche Gränzer gefallen; auch ein Neffe des Patriarchen, Lieutenant Rajacic, starb bei dieser Gelegenheit den Heldentod. Die Magyaren erschienen so plötzlich und unerwartet auf den Höhen im Rücken des Lagers. Nun blieb für Ivanovic nichts anderes übrig, als das Lager Preis zu geben und sich in Eilmärschen zurückzuziehen. Wie ein Unfall den andern als Konsequenz mit sich bringt, geschah es auch jetzt. Knicanin war nun in Gefahr, umringt und abgeschnitten, ja aufgerieben zu werden. Er sah sich genöthigt, sein Lager abzubrechen und mit allem Geschütz einen geordneten Rückzug über Usdin und Antalfalva gegen Pancova anzutreten. (C. Bl. a. B.)Karlowitz, 20. Dez. Die Bevölkerung Ungarns, Kroatiens, Slavoniens und der Militärgränze beträgt bei 12,000,000 Seelen. Von diesen bekennen sich etwa über 1,800,000 zur griechisch nicht unirten Religion, und zwar theils in serbischer, theils in walachischer, theils in griechischer Sprache. Die Zahl der Serben beläuft sich auf 800,000, die im ganzen Lande zerstreut leben. In keinem Theile Ungarns bilden sie ausschließlich die Bevölkerung irgend einer umfangreicheren Gegend oder eines geschlossenen Distrikts. Am zahlreichsten sind sie in der kroatischen Militärgränze und in Slavonien. Doch ist auch im Banate und im Bacser Comitate ein ansehnlicher Theil der Bevölkerung serbischen Stammes. Und mit Ausnahme der Comitate Trenesin, Lipto, Arva, Turocz, Zolyom und vielleicht der Zips dürfte wohl kaum irgend ein Comitat, oder irgend eine bedeutende Ortschaft in Ungarn sein, wo sich nicht Serben in größerer oder geringerer Zahl aufhalten. Namentlich schlecht verträgt sich der Serbe mit dem Deutschen, und die Criminalstatistik der Comitate Temes, Torontal, besonders aber Bacs, wo die Serben oft mit Deutschen die nämlichen Dörfer bewohnen, weist an diesen Serben unliebsame Erscheinungen auf, die doch sonst, wo die Bevölkerung rein serbisch ist, nicht vorkommen! Besser schon verträgt sich der Serbe mit dem Ungar, obgleich auch hier häufige Reibungen vorkommen. Doch kann sich der Serbe für die ungarische Sache, ja sogar für die ungarische Sprache begeistern (der Serbe Vitkovic war einer der ausgezeichnetsten ungarischen Dichter); während eine ähnliche Begeisterung für die deutsche Sache und deutsche Sprache bis jetzt unter den Serben noch nicht bemerkt wurde. Auch mit dem Slovaken, ja sogar mit dem Schokatzen verträgt sich der Serbe schwer. Die Sympathie der Serben für die Kroaten datirt, wie man zu sagen pflegt, von gestern. Mit den Walachen, welche mit ihnen die nämliche Religion bekennen, finden wir sie ebenfalls häufig in Unfrieden. Wir finden die Serben theils als Bauern in Dörfern; theils als Bürger der Städte, wo sie namentlich als Kaufleute einen bedeutenden Theil des Handels der unteren Gegenden Ungarn's in Händen haben. Die serbischen Bauern zeichnen sich im Ganzen durch ihren Wohlstand nicht besonders aus; wenigstens stehen sie dem unter gleichen Verhältnissen lebenden und dasselbe Land bebauenden Deutschen, ja auch dem ungarischen Bauer merklich nach. Als Kaufleute genießen sie wohl oft einen bedeutenden Wohlstand, der sich nicht selten bis zum Reichthume erhebt. Doch ist das in Ungarn gekannte Sprichwort, daß man aus einem Raitzen zehn Juden machen könne, — obgleich stark aufgetragen, bezeichnend genug, um jede weitere Erörterung überflüssig zu machen. Neueste Nachrichten. * Deutz, 2. Januar. Die Konstitution trägt ihre Früchte. Man geht offenbar darauf aus, Deutz in Belagerungszustand zu setzen. Wir haben noch unsere Waffen, und diese will man uns entreißen Man konnte kein besseres Mittel finden, als an die Stelle der 25er, die sich stets human betragen, die 34er zu setzen, deren brutales und empörendes Wesen sich seit 2 Tagen in der empörendsten Weise kund gibt. Vorgestern fielen sie unbewaffnete Bürger und Damen auf offener Straße an. Gestern sind sie handgemein mit Artilleristen und Uhlanen geworden. Von diesen fortgetrieben, gingen sie in die Kasematten, um Verstärkung zu holen. Sie kamen in großer Anzahl mit blankgezogenen Säbeln zurück, und da sie keine Militärs mehr fanden, um ihre Wuth auszulassen, warfen sie sich auf die Bürger. Sie drangen in die Wohnungen der Bürger Dieks, Zimmermann und in den bergischen Hof bei Höner ein, demolirten Alles, was sie vorfanden, und fielen dann mit ihren Waffen über die dort befindlichen Gäste her. Ein großes Unglück war unvermeidlich, wenn die Nachbaren sich nicht beeilt hätten, die Offiziere der betreffenden Kompagnien herbeizuholen. Alles ist bei uns in der größten Aufregung. Wir sind keinen Augenblick mehr sicher vor der brutalen Gewalt dieser neuen Croaten, die bereits in Köln, in der Kämergasse, die bekannten Exzesse verübten. So eben sollen auf der Landbrücke 4 Soldaten desselben Bataillons verhaftet worden sein, welche gegen Bürger ohne Veranlassung blank zogen. Glücklicher Weise kam ein Artillerieoffizier vorbei und verhinderte weitere Exzesse. Wann wird die Militärbehörde einschreiten? Will der Ober-Kommandant diesem Treiben nur dann erst Einhalt thun, wann der Belagerungszustand erklärt ist und ist der Belagerungszustand der Preis, um den wir Bürger unsere Sicherheit erkaufen müssen? Redakteur en chef: Karl Marx. * Köln, 29. Dez. Unter diesem Datum geht uns folgende Mittheilung zu: Am 23. d. Mts. reisten wir von Düsseldorf nach Duisburg auf der Köln-Mindener Eisenbahn. Das Unglück führte uns in einen Wagen 4. Klasse, der ganz voll von Kriegsknechten war, die wahrscheinlich zu dem bevorstehenden Weihnachtsfeste in ihre Heimath reisen wollten. Schon beim Eintritt in den Wagen hallten uns keine angenehmen Töne zum Willkomm entgegen, wir hielten uns jedoch ganz ruhig, um nicht im Mindesten Veranlassung auch nur zu einem Wortwechsel mit jenen rüden Menschen zu geben. Als wir uns nun ruhig an das Wagengeländer stellten, bemerkte ein Lümmel aus dem 7. (gelben) Uhlanen-Regimente: „daß er es doch vorziehen müsse, uns den H. …… zuzudrehen“ (ipsissima verba!). Dieses gemeine Benehmen drang uns denn doch die Bemerkung ab, daß uns dies ganz und gar gleichgültig sei, er solle jedoch nur nicht glauben, daß er in seiner blauen Jacke hier in dem Wagen mehr Vorrechte habe, als andere. Kaum waren diese Worte verhallt, als das ganze im Wagen vorhandene königlich preußische Militär (größtentheils aus dem 16. Infanterie-Reg.) in ein höllisches Geschrei ausbrach, aus dem man nur die Worte: „Ein Demokrat! Heraus mit dem Kerl! Ein Halunke! Heraus!“ vernehmen konnte. Dabei stampften die ehrenwerthen königl. preußischen Soldaten mit ihren Kommißschuhen so stark auf den Boden, daß derselbe Gefahr lief, zu durchbrechen. Wir unsererseits ließen uns durch dieses Geschrei gar nicht irre machen und lachten über die verrückten Gestikulationen, die zu Tage gefördert wurden. Als die Kriegsknechte nun auf keinen Widerstand stießen, ließen sie, sich vielleicht in ihrem Unrechte fühlend, nach und nach von ihrem Geschrei ab, obgleich ihre scheelen Augen uns noch immer verfolgten. Sie schienen dann ihre grenzenlose Wuth darüber, daß ein Demokrat — sie hatten sich in der Person nicht geirrt — das Recht hatte, in ihrer ehrenwerthen Gesellschaft reisen zu dürfen, durch das Abschreien einiger Preußen-Lieder, als: „Ich bin ein Breuße“ etc. und „Wir bleiben unserm König treu“ etc. so wie „Unser König hat viel Geld“ etc. (wenn das nur so wäre!) und anderer zu beschwichtigen. Es lebe die königl. preußische Soldaten-Humanität! Auf einer andern Tour haben wir dagegen auch vernünftige Soldaten getroffen, die wir hierdurch gern in Schutz nehmen, namentlich einen aus dem 13. und einen aus dem in Köln hinlänglich bekannten 16. Inf.-Reg. Letzterer gestand uns im Vertrauen, daß er froh wäre, wenn seine Dienstzeit verflossen, und er nach Hause gehen könnte und daß er sich niemals gegen seine Mitbrüder als eine willenlose Maschine von seinen Obern gebrauchen lassen würde. Wir theilen diese Vorfälle der Oeffentlichkeit mit, weil sie ein Bild von den verschiedenartigen Elementen unter dem Militär geben. Und dann fragen wir: Ist es nicht eine Schande, daß das Militär von oben herab — anders kann es nicht sein! — so fanatisirt wird? Abgesehen davon, was man sich ursprünglich bei dem Worte „selbstständig“ gedacht haben mag, kann die Befürchtung, daß dieses in der sogenannten Verfassung und dem Wahlgesetze gebrauchte Wort eine Verminderung der frühern Wählerzahl herbeiführen werden, als beseitigt angesehen werden. Der Minister des Innern hat den Staats-Ministerialbeschluß vom 19. Dezember, wornach jeder sonst Qualificirte als selbstständig angesehen werden soll, wenn er über seine Person und sein Eigenthum verfügen kann, durch Reskript vom 20. Dezember dahin erläutert, daß da, wo die sonstigen Bedingungen des Wahlgesetzes erfüllt seien, die erforderliche Selbstständigkeit der Urwähler so lange als vorhanden angenommen werden soll, als nicht der Beweis des Gegentheils vorliegt. Es wird weiter darin ausgesprochen, daß die politische Selbstständigkeit keineswegs identisch sei mit der Selbstständigkeit, von welcher privatrechtliche Bestimmungen die volle Gültigkeit gewisser Rechtsgeschäfte abhängig mache, daß auch ebensowenig zur Selbstständigkeit die Führung eines eigenen Haushalts nothwendig sei, daß daher weder bei den Eltern wohnende Söhne, noch bei Fremden wohnende Dienstboten als unselbstständig zu betrachten seien. Als Schluß wird dann noch die sehr überflüssige Bemerkung hinzugefügt, daß Personen, die nicht frei über ihre Person und ihr Eigenthum verfügen könnten, solche anzusehen seien, die wahnsinnig, wegen Verschwendung interdicirt oder eingesperrt wären. Nun wahrlich, wenn ursprünglich nichts anderes bezweckt worden ist durch die Einschiebung jenes Wortes, dann hätte doch die sehr unnöthige dadurch hervorgerufene, Zweideutigkeit vermieden werden sollen. Geilenkirchen, 28. Dezember. Ein Urwähler. Handelsnachrichten. [irrelevantes Material]
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar185b_004" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="1002"/> Jahre; viele Liquidationen ständen bevor und eine Finanzkrisis im Ministerium könnte ein wahres Nationalunglück nach sich führen. So vielen Gründen vermochte Passy nicht zu widerstehen, sein finanzieller Patriotismus siegte und er versprach gestern früh den Herren Bankiers, daß er die Staatsbarke im gegenwärtigen Monate nicht verlassen wolle.</p> <p>— v. <hi rendition="#g">Falloux</hi> hat sein Unterrichtsportefeuille niedergelegt.</p> <p>— Die Ernennung des <hi rendition="#g">Lacrosse</hi> zum Minister der Staatsbauten wird stark besprochen.</p> <p>— Die Nationalversammlung besteht darauf, ihre zehn organischen Gesetze zu erlassen. Heute beschäftigten sich ihre Büreaus mit dem Gesetze für oder vielmehr gegen die Presse.</p> <p>— <hi rendition="#g">Montalembert</hi>, die Seele <hi rendition="#g">Falloux's</hi>, wollte durchaus nach London als Gesandter gehen. Napoleon hätte eingewilligt, aber Lord Palmerston fand die Wahl doch gar zu signifikativ und darum die neue Ministeränderung seit heute Vormittag.</p> <p>— <hi rendition="#g">National-Versammlung</hi>. Sitzung vom 30. Dezember. Vizepräsident Corbon führt den Vorsitz.</p> <p>Um 2 Uhr angesagt, beginnt die Sitzung erst kurz vor 3 Uhr.</p> <p>Nach Vorlesung des Protokolls zieht Corbon als Präsident die monatliche Erneuerung der Büreaus oder Abtheilungen.</p> <p>Die Versammlung nimmt die gestern Abend abgebrochene Debatte über Gründung eines offiziellen Journals zum schnellern Druck der Parlaments-Diskussionen wieder auf.</p> <p><hi rendition="#g">Theodor Bac</hi> (vom Berge) regt die Amnestie der Mai- und Junigefangenen an. Er verlangt Amnestie.</p> <p><hi rendition="#g">Odilon-Barrot</hi> erklärt, daß er diesen Gegenstand dem Ermessen des Präsidenten überlasse. Das Ministerium könne diese Maßregel nicht bevorworten, es habe beide Elemente der Gesellschaft zu berücksichtigen. Odilon-Barrot sprach sehr hart und lange in Erwiderung Bacs über die Amnestiefrage. Man will uns, sagt er, die Amnestie durch Drohungen abzwingen. (Oh! Oh!) Sie beschäftige alle Gemüther u. s. w.; allein das Andenken an die Möglichkeit der Rückkehr von Junitagen beschäftigt noch viel mehr die Gemüther. (Beifall zur Rechten.) Man wirft ein, daß gegen die Insurgenten keine Gerechtigkeit geübt worden sei. Sind sie nicht laut eines Dekrets der National-Versammlung selbst deportirt worden? Von der National-Versammlung hängt also auch das fernere Schicksal derselben lediglich ab. Das Ministerium kann und darf nichts wagen.</p> <p><hi rendition="#g">Bac</hi> (ironisch): Das Kabinet will also die Initiative dieser edlen Maßregel uns überlassen. Wie vorsichtig! Es sagt ferner, wir wollten es durch Drohungen zu dieser großen Maßregel zwingen. Es ist mir aber nicht im Entferntesten eingefallen, Drohungen in meine Worte zu flechten. Der Minister fürchtet neue Gefahren aus der Amnestie. Ich dagegen bin der Ansicht, daß gerade mit der Amnestie die Gefahr schwinde. Nichts entwaffnet mehr als Edelmuth. Amnestie sei also ein Schritt zur Aussöhnung, deren das Kabinet sich so sehr rühme. Wir alle sind für die Ordnung und gegen den Bürgerkrieg u. s. w. Der Redner verlangt, daß man den nächsten Dienstag zur Debatte über die Amnestie ansetze.</p> <p>Die Versammlung verwirft jedoch diesen Antrag und geht zur Tagesordnung (Petitionsberichte) über.</p> <p>Nach Anhörung eines Stoßes von Petitionen wird die Sitzung am 1/4 6 Uhr aufgehoben.</p> <p><hi rendition="#g">Corbon</hi> liest die Tagesordnung für den Dienstag vor. Also zwei Feiertage.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Großbritannien.</head> <div xml:id="ar185b_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>68</author></bibl> London, 31. Dcbr.</head> <p>Der kalifornische Goldsand gibt den Engländern Stoff zu immer neuen Besprechungen, namentlich da man sieht, daß Bruder Jonathan dies Mal seinen europäischen Anverwandten keinen Sand in die Augen gestreut hat. Die Sache ist richtig. Man findet Gold in Masse und wenn die Times früher spöttisch bemerkte, daß die Amerikaner wahrscheinlich die Kosten des mexikanischen Krieges mit dem Golde des Sakramento-Flusses decken können würden, so scheint dies jetzt wirklich der Fall zu sein. Die ruhigsten Korrspondenzen der englischen Presse sprechen von einem „Wirbelwind der Aufregung“, der ganz Nordamerika bei der Bestätigung der frühern Gerüchte ergriffen hat, und die Londoner Journole können es natürlich jetzt nicht mehr unterlassen, über den künftigen Preis des Goldes die tiefsinnigsten Betrachtungen anzustellen.</p> <p>— Ueber die letzten Chartistenprozesse findet man jetzt überall die ausführlichsten Mittheilungen, aus denen nur zu deutlich abzunehmen ist, daß die Whigs unter Lord John Russell nicht besser mit dem Volke verfuhren, als einst die Torys unter Lord Castlereagh. Durch das erbärmlichste Spionir- und Denunciations-System hat die Regierung eine Masse Unglücklicher zu Opfern der Bewegung gemacht. Diese Thatsachen rechtfertigen auf's Neue den alten Haß des Volkes namentlich gegen die Whigs, die als die wahren Repräsentanten der freihandelsseligen Mittelklasse, in der rohsten Handhabung der Gewalt nicht hinter den Zuchtmeistern des Kontinents zurückbleiben.</p> <p>— Ueber die verschiedenen Gegenstände, welche bei dem bevorstehenden Zusammtreten des Parlamentes debattirt werden sollen, verbreiten sich bereits allerlei Gerüchte.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Schweiz.</head> <div xml:id="ar185b_006" type="jArticle"> <head><bibl><author>**</author></bibl> Bern, 28. Dez.</head> <p>Kaum sind die schweizer Truppen von der lombardischen Gränze zurückgezogen, so fangen Radetzki's Schikanen von neuem an. Er schreibt an die eidgenösische Repräsentanten in Tessin, es finde ein beunruhigender Waffenhandel an der Gränze Statt, und die eidgen. Repräsentanten bereden die tessiner Regierung, ihre Zustimmung zu mehreren Haussuchungen in Mendrisio zu geben. Man fand und konfiszirte einige Flinten. Wie man diese Verletzung des Hausrechts und Beschlagnahme fremden Eigenthums rechtfertigen will, ist nicht abzusehee. Es ist nur zu verwundern, daß die tessiner Regierung sich dazu hergegeben.</p> <p>Die neapolitanischen Werbungen in Luzern und den Urkantonen scheinen nun doch zu nichts zu führen. Nicht als ob sich nicht eine genügende Anzahl biederer Alpensöhne gefunden, die ihre Haut für baares Geld zu verhandeln und im Solde Ferdinand's Kroatendienste zu thun Lust gehabt hätten; im Gegentheil! Aber die Sache scheitert an der Unmöglichkeit, von der Schweiz nach Neapel zu kommen.</p> <p>Kapitulationsmäßig müssen die Rekruten über Genua geführt werden und die Turiner Regierung verweigerte den Durchzug. Es heißt nun, die Rekruten sollten nach Triest gebracht und dort eingeschifft werden. Diese Nachricht hat unter den Angeworbenen großen Schrecken verursacht. Nach Oestreich wollen sie nicht. Sie fürchten unter die echten Kroaten gesteckt und gegen die Magyaren geführt zu werden und petitioniren jetzt beim Luzerner Regierungsrath, daß man auf der Genueser Route bestehe. Sonderbar. Als ob es diesen Leibtrabanten der Contrerevolution nicht gleichgültig sein könnte, ob sie Magyaren oder Messineser massakriren! Aber freilich, östreichische Papierzwanziger und neapolitanische vollwichtige Dukaten, das ist ein Unterschied!</p> <p>Uebrigens scheint die Luzerner Regierung der Berner nachfolgen und die Kapitulation so lange suspendiren zu wollen, bis die Schweizer Kaufleute in Neapel und Messina entschädigt sind. Wenigstens hat sie sich beim Bundesrath erkundigt, wie es mit dieser Entschädigung stehe. Es bleiben dann nur noch die Urkantonen, und diese werden sich das Recht jedes Bürgers sich zu verschachern, so lange nicht nehmen lassen, als die Bundesverfassung es ihnen verstattet, d. h. so lange, als die gegenwärtigen Kapitulationen noch zu laufen haben. Dies Recht der Selbstverschacherung ist eines der schönsten und ältesten Privilegien der freien Urschweizer, und wenn diese tapferen „Erstgebornen der Freiheit“ versuchten, „ihre fünfhundertjährige Rechte“ gegen die neue Bundesverfassung zu verwahren, so war es vor allem auf dies spezielle Recht abgesehen, das die neue Bundesverfassung abschafft. Die Militärkapitulationen sind wirklich eine Lebensfrage für die Urkantonen. Seit fünfhundert Jahren waren sie der Abzugskanal für die überzählige Bevölkerung, und daher die beste Garantie der bestehenden barbarischen Zustände. Man schaffe die Kapitulationen ab, und man wird eine wahre Revolution in diesen s. g. „<hi rendition="#g">reinen</hi>“ d. h. in der Praxis höchst unsaubern Demokratieen hervorrufen.</p> <p>Die jüngeren Söhne der Bauern, die jetzt nach Neapel und Rom gehen, müssen zu Hause bleiben; sie werden keine Beschäftigung finden, weder in ihren eigenen Kantonen noch in der übrigen Schweiz, die schon hinreichend an „Ueberzähligen“ laborirt; sie werden eine neue Klasse von Bauernproletariern bilden, die durch ihre bloße Existenz alle die alten, auf tausendjährigem Herkommen beruhendem Eigenthums-, Erwerbs- und Rechtsverhältnisse dieser Hirtenstämme in die größte Verwirrung bringen muß. Woher sollen diese sterilen Gebirgsländer die Mittel nehmen, die Paupers zu ernähren, die ihnen von allen Seiten her auf dem Schub an die Gränze zugeführt werden? Schon jetzt existirt der Kern einer solchen Klasse von Paupers, und bedroht den übererbten Patriarchalismus auf höchst unangenehme Weise. Selbst wenn also, was nicht zu erwarten steht, auch in den nächsten Jahren die europäische Revolution denselben Respekt vor der schweizerischen Neutralität beobachten sollte wie bisher, so bereitet sich doch durch den Artikel der neuen Bundesverfassung: die Militärkapitulationen sind untersagt, ein revolutionäres Ferment vor, das die ältesten und beharrlichsten Sitze der reaktionären Barbarei in Europa endlich in Grund und Boden umwälzen würde. Wie die Monarchieen, so auch die reaktionären Republiken zu Grunde an der pekuniären gehen Schwindsucht, an der „blassen Wehmuth der Finanznoth.“</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Ungarn.</head> <div xml:id="ar185b_007" type="jArticle"> <head>Preßburg, 23. Dcbr.</head> <p>Den 23. d. war, brieflichen Nachrichten zufolge, schon die ganze Stadt Tyrnau der Ueberzeugung von der kaiserlichen Armee umzingelt und von der ungarischen abgeschlossen zu sein, als plötzlich Oberst Guyon, ein Engländer in ungarischen Diensten, mit einem Regimente Kossuth'scher Truppen in die Stadt einbrach und in aller Schnelle Vorbereitungen zu einem Straßenkampfe traf. Die Stadt ist ganz offen. Es wurden demnach Barrikaden errichtet, und das einzige noch vorhandene Thor verrammt. Da verkündigte Trommelschlag von allen Seiten das Hereinbrechen des Generals Simunich, welcher mit einer bedeutenden Macht allseitig angegriffen hatte. Der Kampf war fürchterlich. Die hereinbrechende Dunkelheit begünstigte die Flucht des Obersten Guyon, sowie eines Drittheils vom Regiment. 700 Mann wurden in dieselbe Straße hineingedrängt, deren Ausgang durch das verrammelte Thor abgeschlossen war. Diese gaben sich ohne Widerstand gefangen. Die aufgeregten kaiserlichen Soldaten fielen nun über die Häuser her, da von Seite der ungarischen Soldaten auch aus den Fenstern geschossen worden ist, und begannen zu plündern. Erst nachdem die Einwohnerschaft eine halbe Stunde lang den Gefahren und Schrecknissen der Soldaten unterworfen war, gelang es den von General Simunich ausgesendeten Patrouillen der Plünderung Einhalt zu thun.</p> <bibl>(A. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar185b_008" type="jArticle"> <head>Agram, 23. Dezbr.</head> <p>Im Banat hatten die Serben in der verwichenen Woche große, blutige Kämpfe zu bestehen. Die Magyaren haben Freitag, den 15. l. M., einen neuen kombinirten Angriff auf die beiden Serbenlager bei Alibunar und zu Tomasevac, wo sich der ritterliche Held Stevan Knicanin so oft glorreich behauptet, ausgeführt. Bei Alibunar kommandirte Major Mihal Ivanovic, ein zwar tapferer, aber unvorsichtiger und unbesonnener Offizier. Vier übermächtige magyarische Sturmkolonnen waren von Ivanovic's Schaar siegreich zurückgeschlagen worden, als plötzlich ein gut gelungenes Manöver der Magyaren der Sache eine ganz andere Wendung gab. Nachdem ihre vierte Sturmkolonne mit blutigen Köpfen zurückgeprallt war, warfen sie ihre meisten und besten Streitkräfte auf den schlecht besetzten Paß, zersprengten die Besatzung und nahmen den wichtigen Punkt, während Ivanovic's Aufmerksamkeit geschickt anderweitig beschäftigt ward. Bei Vertheidigung des Passes sind vier serbische Offiziere und zahlreiche Gränzer gefallen; auch ein Neffe des Patriarchen, Lieutenant Rajacic, starb bei dieser Gelegenheit den Heldentod. Die Magyaren erschienen so plötzlich und unerwartet auf den Höhen im Rücken des Lagers. Nun blieb für Ivanovic nichts anderes übrig, als das Lager Preis zu geben und sich in Eilmärschen zurückzuziehen. Wie ein Unfall den andern als Konsequenz mit sich bringt, geschah es auch jetzt. Knicanin war nun in Gefahr, umringt und abgeschnitten, ja aufgerieben zu werden. Er sah sich genöthigt, sein Lager abzubrechen und mit allem Geschütz einen geordneten Rückzug über Usdin und Antalfalva gegen Pancova anzutreten.</p> <bibl>(C. Bl. a. B.)</bibl> </div> <div xml:id="ar185b_009" type="jArticle"> <head>Karlowitz, 20. Dez.</head> <p>Die Bevölkerung Ungarns, Kroatiens, Slavoniens und der Militärgränze beträgt bei 12,000,000 Seelen. Von diesen bekennen sich etwa über 1,800,000 zur griechisch nicht unirten Religion, und zwar theils in serbischer, theils in walachischer, theils in griechischer Sprache. Die Zahl der Serben beläuft sich auf 800,000, die im ganzen Lande zerstreut leben. In keinem Theile Ungarns bilden sie ausschließlich die Bevölkerung irgend einer umfangreicheren Gegend oder eines geschlossenen Distrikts. Am zahlreichsten sind sie in der kroatischen Militärgränze und in Slavonien.</p> <p>Doch ist auch im Banate und im Bacser Comitate ein ansehnlicher Theil der Bevölkerung serbischen Stammes. Und mit Ausnahme der Comitate Trenesin, Lipto, Arva, Turocz, Zolyom und vielleicht der Zips dürfte wohl kaum irgend ein Comitat, oder irgend eine bedeutende Ortschaft in Ungarn sein, wo sich nicht Serben in größerer oder geringerer Zahl aufhalten.</p> <p>Namentlich schlecht verträgt sich der Serbe mit dem Deutschen, und die Criminalstatistik der Comitate Temes, Torontal, besonders aber Bacs, wo die Serben oft mit Deutschen die nämlichen Dörfer bewohnen, weist an diesen Serben unliebsame Erscheinungen auf, die doch sonst, wo die Bevölkerung rein serbisch ist, nicht vorkommen! Besser schon verträgt sich der Serbe mit dem Ungar, obgleich auch hier häufige Reibungen vorkommen.</p> <p>Doch kann sich der Serbe für die ungarische Sache, ja sogar für die ungarische Sprache begeistern (der Serbe Vitkovic war einer der ausgezeichnetsten ungarischen Dichter); während eine ähnliche Begeisterung für die deutsche Sache und deutsche Sprache bis jetzt unter den Serben noch nicht bemerkt wurde. Auch mit dem Slovaken, ja sogar mit dem Schokatzen verträgt sich der Serbe schwer. Die Sympathie der Serben für die Kroaten datirt, wie man zu sagen pflegt, von gestern. Mit den Walachen, welche mit ihnen die nämliche Religion bekennen, finden wir sie ebenfalls häufig in Unfrieden.</p> <p>Wir finden die Serben theils als Bauern in Dörfern; theils als Bürger der Städte, wo sie namentlich als Kaufleute einen bedeutenden Theil des Handels der unteren Gegenden Ungarn's in Händen haben. Die serbischen Bauern zeichnen sich im Ganzen durch ihren Wohlstand nicht besonders aus; wenigstens stehen sie dem unter gleichen Verhältnissen lebenden und dasselbe Land bebauenden Deutschen, ja auch dem ungarischen Bauer merklich nach. Als Kaufleute genießen sie wohl oft einen bedeutenden Wohlstand, der sich nicht selten bis zum Reichthume erhebt. Doch ist das in Ungarn gekannte Sprichwort, daß man aus einem Raitzen zehn Juden machen könne, — obgleich stark aufgetragen, bezeichnend genug, um jede weitere Erörterung überflüssig zu machen.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Neueste Nachrichten.</head> <div xml:id="ar185b_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Deutz, 2. Januar.</head> <p>Die Konstitution trägt ihre Früchte. Man geht offenbar darauf aus, Deutz in Belagerungszustand zu setzen. Wir haben noch unsere Waffen, und diese will man uns entreißen Man konnte kein besseres Mittel finden, als an die Stelle der 25er, die sich stets human betragen, die 34er zu setzen, deren brutales und empörendes Wesen sich seit 2 Tagen in der empörendsten Weise kund gibt. Vorgestern fielen sie unbewaffnete Bürger und Damen auf offener Straße an. Gestern sind sie handgemein mit Artilleristen und Uhlanen geworden. Von diesen fortgetrieben, gingen sie in die Kasematten, um Verstärkung zu holen. Sie kamen in großer Anzahl mit blankgezogenen Säbeln zurück, und da sie keine Militärs mehr fanden, um ihre Wuth auszulassen, warfen sie sich auf die Bürger. Sie drangen in die Wohnungen der Bürger Dieks, Zimmermann und in den bergischen Hof bei Höner ein, demolirten Alles, was sie vorfanden, und fielen dann mit ihren Waffen über die dort befindlichen Gäste her.</p> <p>Ein großes Unglück war unvermeidlich, wenn die Nachbaren sich nicht beeilt hätten, die Offiziere der betreffenden Kompagnien herbeizuholen. Alles ist bei uns in der größten Aufregung. Wir sind keinen Augenblick mehr sicher vor der brutalen Gewalt dieser neuen Croaten, die bereits in Köln, in der Kämergasse, die bekannten Exzesse verübten. So eben sollen auf der Landbrücke 4 Soldaten desselben Bataillons verhaftet worden sein, welche gegen Bürger ohne Veranlassung blank zogen. Glücklicher Weise kam ein Artillerieoffizier vorbei und verhinderte weitere Exzesse.</p> <p>Wann wird die Militärbehörde einschreiten? Will der Ober-Kommandant diesem Treiben nur dann erst Einhalt thun, wann der Belagerungszustand erklärt ist und ist der Belagerungszustand der Preis, um den wir Bürger unsere Sicherheit erkaufen müssen?</p> </div> </div> <div> <bibl>Redakteur en chef: <editor>Karl Marx.</editor> </bibl> </div> <div type="jReadersLetters" n="1"> <div xml:id="ar185b_011" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 29. Dez.</head> <p>Unter diesem Datum geht uns folgende Mittheilung zu:</p> <p>Am 23. d. Mts. reisten wir von Düsseldorf nach Duisburg auf der Köln-Mindener Eisenbahn. Das Unglück führte uns in einen Wagen 4. Klasse, der ganz voll von Kriegsknechten war, die wahrscheinlich zu dem bevorstehenden Weihnachtsfeste in ihre Heimath reisen wollten. Schon beim Eintritt in den Wagen hallten uns keine angenehmen Töne zum Willkomm entgegen, wir hielten uns jedoch ganz ruhig, um nicht im Mindesten Veranlassung auch nur zu einem Wortwechsel mit jenen rüden Menschen zu geben. Als wir uns nun ruhig an das Wagengeländer stellten, bemerkte ein Lümmel aus dem 7. (gelben) Uhlanen-Regimente: „daß er es doch vorziehen müsse, uns den H. …… zuzudrehen“ (ipsissima verba!). Dieses gemeine Benehmen drang uns denn doch die Bemerkung ab, daß uns dies ganz und gar gleichgültig sei, er solle jedoch nur nicht glauben, daß er in seiner blauen Jacke hier in dem Wagen mehr Vorrechte habe, als andere. Kaum waren diese Worte verhallt, als das ganze im Wagen vorhandene königlich preußische Militär (größtentheils aus dem 16. Infanterie-Reg.) in ein höllisches Geschrei ausbrach, aus dem man nur die Worte: „Ein Demokrat! Heraus mit dem Kerl! Ein Halunke! Heraus!“ vernehmen konnte. Dabei stampften die ehrenwerthen königl. preußischen Soldaten mit ihren Kommißschuhen so stark auf den Boden, daß derselbe Gefahr lief, zu durchbrechen. Wir unsererseits ließen uns durch dieses Geschrei gar nicht irre machen und lachten über die verrückten Gestikulationen, die zu Tage gefördert wurden.</p> <p>Als die Kriegsknechte nun auf keinen Widerstand stießen, ließen sie, sich vielleicht in ihrem Unrechte fühlend, nach und nach von ihrem Geschrei ab, obgleich ihre scheelen Augen uns noch immer verfolgten. Sie schienen dann ihre grenzenlose Wuth darüber, daß ein Demokrat — sie hatten sich in der Person nicht geirrt — das Recht hatte, in ihrer ehrenwerthen Gesellschaft reisen zu dürfen, durch das Abschreien einiger Preußen-Lieder, als: „Ich bin ein Breuße“ etc. und „Wir bleiben unserm König treu“ etc. so wie „Unser König hat viel Geld“ etc. (wenn das nur so wäre!) und anderer zu beschwichtigen.</p> <p>Es lebe die königl. preußische Soldaten-Humanität!</p> <p>Auf einer andern Tour haben wir dagegen auch vernünftige Soldaten getroffen, die wir hierdurch gern in Schutz nehmen, namentlich einen aus dem 13. und einen aus dem in Köln hinlänglich bekannten 16. Inf.-Reg. Letzterer gestand uns im Vertrauen, daß er froh wäre, wenn seine Dienstzeit verflossen, und er nach Hause gehen könnte und daß er sich niemals gegen seine Mitbrüder als eine willenlose Maschine von seinen Obern gebrauchen lassen würde.</p> <p>Wir theilen diese Vorfälle der Oeffentlichkeit mit, weil sie ein Bild von den verschiedenartigen Elementen unter dem Militär geben.</p> <p>Und dann fragen wir:</p> <p>Ist es nicht eine Schande, daß das Militär von oben herab — anders kann es nicht sein! — so fanatisirt wird?</p> </div> <div xml:id="ar185b_012" type="jArticle"> <p>Abgesehen davon, was man sich ursprünglich bei dem Worte „selbstständig“ gedacht haben mag, kann die Befürchtung, daß dieses in der sogenannten Verfassung und dem Wahlgesetze gebrauchte Wort eine Verminderung der frühern Wählerzahl herbeiführen werden, als beseitigt angesehen werden. Der Minister des Innern hat den Staats-Ministerialbeschluß vom 19. Dezember, wornach jeder sonst Qualificirte als selbstständig angesehen werden soll, wenn er über seine Person und sein Eigenthum verfügen kann, durch Reskript vom 20. Dezember dahin erläutert, daß da, wo die sonstigen Bedingungen des Wahlgesetzes erfüllt seien, die erforderliche Selbstständigkeit der Urwähler so lange als vorhanden angenommen werden soll, als nicht der Beweis des Gegentheils vorliegt. Es wird weiter darin ausgesprochen, daß die politische Selbstständigkeit keineswegs identisch sei mit der Selbstständigkeit, von welcher privatrechtliche Bestimmungen die volle Gültigkeit gewisser Rechtsgeschäfte abhängig mache, daß auch ebensowenig zur Selbstständigkeit die Führung eines eigenen Haushalts nothwendig sei, daß daher weder bei den Eltern wohnende Söhne, noch bei Fremden wohnende Dienstboten als unselbstständig zu betrachten seien.</p> <p>Als Schluß wird dann noch die sehr überflüssige Bemerkung hinzugefügt, daß Personen, die nicht frei über ihre Person und ihr Eigenthum verfügen könnten, solche anzusehen seien, die wahnsinnig, wegen Verschwendung interdicirt oder eingesperrt wären. Nun wahrlich, wenn ursprünglich nichts anderes bezweckt worden ist durch die Einschiebung jenes Wortes, dann hätte doch die sehr unnöthige dadurch hervorgerufene, Zweideutigkeit vermieden werden sollen.</p> <p>Geilenkirchen, 28. Dezember.</p> <p><hi rendition="#g">Ein Urwähler</hi>.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Handelsnachrichten.</head> <gap reason="insignificant"/> </div> </body> </text> </TEI> [1002/0002]
Jahre; viele Liquidationen ständen bevor und eine Finanzkrisis im Ministerium könnte ein wahres Nationalunglück nach sich führen. So vielen Gründen vermochte Passy nicht zu widerstehen, sein finanzieller Patriotismus siegte und er versprach gestern früh den Herren Bankiers, daß er die Staatsbarke im gegenwärtigen Monate nicht verlassen wolle.
— v. Falloux hat sein Unterrichtsportefeuille niedergelegt.
— Die Ernennung des Lacrosse zum Minister der Staatsbauten wird stark besprochen.
— Die Nationalversammlung besteht darauf, ihre zehn organischen Gesetze zu erlassen. Heute beschäftigten sich ihre Büreaus mit dem Gesetze für oder vielmehr gegen die Presse.
— Montalembert, die Seele Falloux's, wollte durchaus nach London als Gesandter gehen. Napoleon hätte eingewilligt, aber Lord Palmerston fand die Wahl doch gar zu signifikativ und darum die neue Ministeränderung seit heute Vormittag.
— National-Versammlung. Sitzung vom 30. Dezember. Vizepräsident Corbon führt den Vorsitz.
Um 2 Uhr angesagt, beginnt die Sitzung erst kurz vor 3 Uhr.
Nach Vorlesung des Protokolls zieht Corbon als Präsident die monatliche Erneuerung der Büreaus oder Abtheilungen.
Die Versammlung nimmt die gestern Abend abgebrochene Debatte über Gründung eines offiziellen Journals zum schnellern Druck der Parlaments-Diskussionen wieder auf.
Theodor Bac (vom Berge) regt die Amnestie der Mai- und Junigefangenen an. Er verlangt Amnestie.
Odilon-Barrot erklärt, daß er diesen Gegenstand dem Ermessen des Präsidenten überlasse. Das Ministerium könne diese Maßregel nicht bevorworten, es habe beide Elemente der Gesellschaft zu berücksichtigen. Odilon-Barrot sprach sehr hart und lange in Erwiderung Bacs über die Amnestiefrage. Man will uns, sagt er, die Amnestie durch Drohungen abzwingen. (Oh! Oh!) Sie beschäftige alle Gemüther u. s. w.; allein das Andenken an die Möglichkeit der Rückkehr von Junitagen beschäftigt noch viel mehr die Gemüther. (Beifall zur Rechten.) Man wirft ein, daß gegen die Insurgenten keine Gerechtigkeit geübt worden sei. Sind sie nicht laut eines Dekrets der National-Versammlung selbst deportirt worden? Von der National-Versammlung hängt also auch das fernere Schicksal derselben lediglich ab. Das Ministerium kann und darf nichts wagen.
Bac (ironisch): Das Kabinet will also die Initiative dieser edlen Maßregel uns überlassen. Wie vorsichtig! Es sagt ferner, wir wollten es durch Drohungen zu dieser großen Maßregel zwingen. Es ist mir aber nicht im Entferntesten eingefallen, Drohungen in meine Worte zu flechten. Der Minister fürchtet neue Gefahren aus der Amnestie. Ich dagegen bin der Ansicht, daß gerade mit der Amnestie die Gefahr schwinde. Nichts entwaffnet mehr als Edelmuth. Amnestie sei also ein Schritt zur Aussöhnung, deren das Kabinet sich so sehr rühme. Wir alle sind für die Ordnung und gegen den Bürgerkrieg u. s. w. Der Redner verlangt, daß man den nächsten Dienstag zur Debatte über die Amnestie ansetze.
Die Versammlung verwirft jedoch diesen Antrag und geht zur Tagesordnung (Petitionsberichte) über.
Nach Anhörung eines Stoßes von Petitionen wird die Sitzung am 1/4 6 Uhr aufgehoben.
Corbon liest die Tagesordnung für den Dienstag vor. Also zwei Feiertage.
Großbritannien. 68 London, 31. Dcbr. Der kalifornische Goldsand gibt den Engländern Stoff zu immer neuen Besprechungen, namentlich da man sieht, daß Bruder Jonathan dies Mal seinen europäischen Anverwandten keinen Sand in die Augen gestreut hat. Die Sache ist richtig. Man findet Gold in Masse und wenn die Times früher spöttisch bemerkte, daß die Amerikaner wahrscheinlich die Kosten des mexikanischen Krieges mit dem Golde des Sakramento-Flusses decken können würden, so scheint dies jetzt wirklich der Fall zu sein. Die ruhigsten Korrspondenzen der englischen Presse sprechen von einem „Wirbelwind der Aufregung“, der ganz Nordamerika bei der Bestätigung der frühern Gerüchte ergriffen hat, und die Londoner Journole können es natürlich jetzt nicht mehr unterlassen, über den künftigen Preis des Goldes die tiefsinnigsten Betrachtungen anzustellen.
— Ueber die letzten Chartistenprozesse findet man jetzt überall die ausführlichsten Mittheilungen, aus denen nur zu deutlich abzunehmen ist, daß die Whigs unter Lord John Russell nicht besser mit dem Volke verfuhren, als einst die Torys unter Lord Castlereagh. Durch das erbärmlichste Spionir- und Denunciations-System hat die Regierung eine Masse Unglücklicher zu Opfern der Bewegung gemacht. Diese Thatsachen rechtfertigen auf's Neue den alten Haß des Volkes namentlich gegen die Whigs, die als die wahren Repräsentanten der freihandelsseligen Mittelklasse, in der rohsten Handhabung der Gewalt nicht hinter den Zuchtmeistern des Kontinents zurückbleiben.
— Ueber die verschiedenen Gegenstände, welche bei dem bevorstehenden Zusammtreten des Parlamentes debattirt werden sollen, verbreiten sich bereits allerlei Gerüchte.
Schweiz. ** Bern, 28. Dez. Kaum sind die schweizer Truppen von der lombardischen Gränze zurückgezogen, so fangen Radetzki's Schikanen von neuem an. Er schreibt an die eidgenösische Repräsentanten in Tessin, es finde ein beunruhigender Waffenhandel an der Gränze Statt, und die eidgen. Repräsentanten bereden die tessiner Regierung, ihre Zustimmung zu mehreren Haussuchungen in Mendrisio zu geben. Man fand und konfiszirte einige Flinten. Wie man diese Verletzung des Hausrechts und Beschlagnahme fremden Eigenthums rechtfertigen will, ist nicht abzusehee. Es ist nur zu verwundern, daß die tessiner Regierung sich dazu hergegeben.
Die neapolitanischen Werbungen in Luzern und den Urkantonen scheinen nun doch zu nichts zu führen. Nicht als ob sich nicht eine genügende Anzahl biederer Alpensöhne gefunden, die ihre Haut für baares Geld zu verhandeln und im Solde Ferdinand's Kroatendienste zu thun Lust gehabt hätten; im Gegentheil! Aber die Sache scheitert an der Unmöglichkeit, von der Schweiz nach Neapel zu kommen.
Kapitulationsmäßig müssen die Rekruten über Genua geführt werden und die Turiner Regierung verweigerte den Durchzug. Es heißt nun, die Rekruten sollten nach Triest gebracht und dort eingeschifft werden. Diese Nachricht hat unter den Angeworbenen großen Schrecken verursacht. Nach Oestreich wollen sie nicht. Sie fürchten unter die echten Kroaten gesteckt und gegen die Magyaren geführt zu werden und petitioniren jetzt beim Luzerner Regierungsrath, daß man auf der Genueser Route bestehe. Sonderbar. Als ob es diesen Leibtrabanten der Contrerevolution nicht gleichgültig sein könnte, ob sie Magyaren oder Messineser massakriren! Aber freilich, östreichische Papierzwanziger und neapolitanische vollwichtige Dukaten, das ist ein Unterschied!
Uebrigens scheint die Luzerner Regierung der Berner nachfolgen und die Kapitulation so lange suspendiren zu wollen, bis die Schweizer Kaufleute in Neapel und Messina entschädigt sind. Wenigstens hat sie sich beim Bundesrath erkundigt, wie es mit dieser Entschädigung stehe. Es bleiben dann nur noch die Urkantonen, und diese werden sich das Recht jedes Bürgers sich zu verschachern, so lange nicht nehmen lassen, als die Bundesverfassung es ihnen verstattet, d. h. so lange, als die gegenwärtigen Kapitulationen noch zu laufen haben. Dies Recht der Selbstverschacherung ist eines der schönsten und ältesten Privilegien der freien Urschweizer, und wenn diese tapferen „Erstgebornen der Freiheit“ versuchten, „ihre fünfhundertjährige Rechte“ gegen die neue Bundesverfassung zu verwahren, so war es vor allem auf dies spezielle Recht abgesehen, das die neue Bundesverfassung abschafft. Die Militärkapitulationen sind wirklich eine Lebensfrage für die Urkantonen. Seit fünfhundert Jahren waren sie der Abzugskanal für die überzählige Bevölkerung, und daher die beste Garantie der bestehenden barbarischen Zustände. Man schaffe die Kapitulationen ab, und man wird eine wahre Revolution in diesen s. g. „reinen“ d. h. in der Praxis höchst unsaubern Demokratieen hervorrufen.
Die jüngeren Söhne der Bauern, die jetzt nach Neapel und Rom gehen, müssen zu Hause bleiben; sie werden keine Beschäftigung finden, weder in ihren eigenen Kantonen noch in der übrigen Schweiz, die schon hinreichend an „Ueberzähligen“ laborirt; sie werden eine neue Klasse von Bauernproletariern bilden, die durch ihre bloße Existenz alle die alten, auf tausendjährigem Herkommen beruhendem Eigenthums-, Erwerbs- und Rechtsverhältnisse dieser Hirtenstämme in die größte Verwirrung bringen muß. Woher sollen diese sterilen Gebirgsländer die Mittel nehmen, die Paupers zu ernähren, die ihnen von allen Seiten her auf dem Schub an die Gränze zugeführt werden? Schon jetzt existirt der Kern einer solchen Klasse von Paupers, und bedroht den übererbten Patriarchalismus auf höchst unangenehme Weise. Selbst wenn also, was nicht zu erwarten steht, auch in den nächsten Jahren die europäische Revolution denselben Respekt vor der schweizerischen Neutralität beobachten sollte wie bisher, so bereitet sich doch durch den Artikel der neuen Bundesverfassung: die Militärkapitulationen sind untersagt, ein revolutionäres Ferment vor, das die ältesten und beharrlichsten Sitze der reaktionären Barbarei in Europa endlich in Grund und Boden umwälzen würde. Wie die Monarchieen, so auch die reaktionären Republiken zu Grunde an der pekuniären gehen Schwindsucht, an der „blassen Wehmuth der Finanznoth.“
Ungarn. Preßburg, 23. Dcbr. Den 23. d. war, brieflichen Nachrichten zufolge, schon die ganze Stadt Tyrnau der Ueberzeugung von der kaiserlichen Armee umzingelt und von der ungarischen abgeschlossen zu sein, als plötzlich Oberst Guyon, ein Engländer in ungarischen Diensten, mit einem Regimente Kossuth'scher Truppen in die Stadt einbrach und in aller Schnelle Vorbereitungen zu einem Straßenkampfe traf. Die Stadt ist ganz offen. Es wurden demnach Barrikaden errichtet, und das einzige noch vorhandene Thor verrammt. Da verkündigte Trommelschlag von allen Seiten das Hereinbrechen des Generals Simunich, welcher mit einer bedeutenden Macht allseitig angegriffen hatte. Der Kampf war fürchterlich. Die hereinbrechende Dunkelheit begünstigte die Flucht des Obersten Guyon, sowie eines Drittheils vom Regiment. 700 Mann wurden in dieselbe Straße hineingedrängt, deren Ausgang durch das verrammelte Thor abgeschlossen war. Diese gaben sich ohne Widerstand gefangen. Die aufgeregten kaiserlichen Soldaten fielen nun über die Häuser her, da von Seite der ungarischen Soldaten auch aus den Fenstern geschossen worden ist, und begannen zu plündern. Erst nachdem die Einwohnerschaft eine halbe Stunde lang den Gefahren und Schrecknissen der Soldaten unterworfen war, gelang es den von General Simunich ausgesendeten Patrouillen der Plünderung Einhalt zu thun.
(A. Z.) Agram, 23. Dezbr. Im Banat hatten die Serben in der verwichenen Woche große, blutige Kämpfe zu bestehen. Die Magyaren haben Freitag, den 15. l. M., einen neuen kombinirten Angriff auf die beiden Serbenlager bei Alibunar und zu Tomasevac, wo sich der ritterliche Held Stevan Knicanin so oft glorreich behauptet, ausgeführt. Bei Alibunar kommandirte Major Mihal Ivanovic, ein zwar tapferer, aber unvorsichtiger und unbesonnener Offizier. Vier übermächtige magyarische Sturmkolonnen waren von Ivanovic's Schaar siegreich zurückgeschlagen worden, als plötzlich ein gut gelungenes Manöver der Magyaren der Sache eine ganz andere Wendung gab. Nachdem ihre vierte Sturmkolonne mit blutigen Köpfen zurückgeprallt war, warfen sie ihre meisten und besten Streitkräfte auf den schlecht besetzten Paß, zersprengten die Besatzung und nahmen den wichtigen Punkt, während Ivanovic's Aufmerksamkeit geschickt anderweitig beschäftigt ward. Bei Vertheidigung des Passes sind vier serbische Offiziere und zahlreiche Gränzer gefallen; auch ein Neffe des Patriarchen, Lieutenant Rajacic, starb bei dieser Gelegenheit den Heldentod. Die Magyaren erschienen so plötzlich und unerwartet auf den Höhen im Rücken des Lagers. Nun blieb für Ivanovic nichts anderes übrig, als das Lager Preis zu geben und sich in Eilmärschen zurückzuziehen. Wie ein Unfall den andern als Konsequenz mit sich bringt, geschah es auch jetzt. Knicanin war nun in Gefahr, umringt und abgeschnitten, ja aufgerieben zu werden. Er sah sich genöthigt, sein Lager abzubrechen und mit allem Geschütz einen geordneten Rückzug über Usdin und Antalfalva gegen Pancova anzutreten.
(C. Bl. a. B.) Karlowitz, 20. Dez. Die Bevölkerung Ungarns, Kroatiens, Slavoniens und der Militärgränze beträgt bei 12,000,000 Seelen. Von diesen bekennen sich etwa über 1,800,000 zur griechisch nicht unirten Religion, und zwar theils in serbischer, theils in walachischer, theils in griechischer Sprache. Die Zahl der Serben beläuft sich auf 800,000, die im ganzen Lande zerstreut leben. In keinem Theile Ungarns bilden sie ausschließlich die Bevölkerung irgend einer umfangreicheren Gegend oder eines geschlossenen Distrikts. Am zahlreichsten sind sie in der kroatischen Militärgränze und in Slavonien.
Doch ist auch im Banate und im Bacser Comitate ein ansehnlicher Theil der Bevölkerung serbischen Stammes. Und mit Ausnahme der Comitate Trenesin, Lipto, Arva, Turocz, Zolyom und vielleicht der Zips dürfte wohl kaum irgend ein Comitat, oder irgend eine bedeutende Ortschaft in Ungarn sein, wo sich nicht Serben in größerer oder geringerer Zahl aufhalten.
Namentlich schlecht verträgt sich der Serbe mit dem Deutschen, und die Criminalstatistik der Comitate Temes, Torontal, besonders aber Bacs, wo die Serben oft mit Deutschen die nämlichen Dörfer bewohnen, weist an diesen Serben unliebsame Erscheinungen auf, die doch sonst, wo die Bevölkerung rein serbisch ist, nicht vorkommen! Besser schon verträgt sich der Serbe mit dem Ungar, obgleich auch hier häufige Reibungen vorkommen.
Doch kann sich der Serbe für die ungarische Sache, ja sogar für die ungarische Sprache begeistern (der Serbe Vitkovic war einer der ausgezeichnetsten ungarischen Dichter); während eine ähnliche Begeisterung für die deutsche Sache und deutsche Sprache bis jetzt unter den Serben noch nicht bemerkt wurde. Auch mit dem Slovaken, ja sogar mit dem Schokatzen verträgt sich der Serbe schwer. Die Sympathie der Serben für die Kroaten datirt, wie man zu sagen pflegt, von gestern. Mit den Walachen, welche mit ihnen die nämliche Religion bekennen, finden wir sie ebenfalls häufig in Unfrieden.
Wir finden die Serben theils als Bauern in Dörfern; theils als Bürger der Städte, wo sie namentlich als Kaufleute einen bedeutenden Theil des Handels der unteren Gegenden Ungarn's in Händen haben. Die serbischen Bauern zeichnen sich im Ganzen durch ihren Wohlstand nicht besonders aus; wenigstens stehen sie dem unter gleichen Verhältnissen lebenden und dasselbe Land bebauenden Deutschen, ja auch dem ungarischen Bauer merklich nach. Als Kaufleute genießen sie wohl oft einen bedeutenden Wohlstand, der sich nicht selten bis zum Reichthume erhebt. Doch ist das in Ungarn gekannte Sprichwort, daß man aus einem Raitzen zehn Juden machen könne, — obgleich stark aufgetragen, bezeichnend genug, um jede weitere Erörterung überflüssig zu machen.
Neueste Nachrichten. * Deutz, 2. Januar. Die Konstitution trägt ihre Früchte. Man geht offenbar darauf aus, Deutz in Belagerungszustand zu setzen. Wir haben noch unsere Waffen, und diese will man uns entreißen Man konnte kein besseres Mittel finden, als an die Stelle der 25er, die sich stets human betragen, die 34er zu setzen, deren brutales und empörendes Wesen sich seit 2 Tagen in der empörendsten Weise kund gibt. Vorgestern fielen sie unbewaffnete Bürger und Damen auf offener Straße an. Gestern sind sie handgemein mit Artilleristen und Uhlanen geworden. Von diesen fortgetrieben, gingen sie in die Kasematten, um Verstärkung zu holen. Sie kamen in großer Anzahl mit blankgezogenen Säbeln zurück, und da sie keine Militärs mehr fanden, um ihre Wuth auszulassen, warfen sie sich auf die Bürger. Sie drangen in die Wohnungen der Bürger Dieks, Zimmermann und in den bergischen Hof bei Höner ein, demolirten Alles, was sie vorfanden, und fielen dann mit ihren Waffen über die dort befindlichen Gäste her.
Ein großes Unglück war unvermeidlich, wenn die Nachbaren sich nicht beeilt hätten, die Offiziere der betreffenden Kompagnien herbeizuholen. Alles ist bei uns in der größten Aufregung. Wir sind keinen Augenblick mehr sicher vor der brutalen Gewalt dieser neuen Croaten, die bereits in Köln, in der Kämergasse, die bekannten Exzesse verübten. So eben sollen auf der Landbrücke 4 Soldaten desselben Bataillons verhaftet worden sein, welche gegen Bürger ohne Veranlassung blank zogen. Glücklicher Weise kam ein Artillerieoffizier vorbei und verhinderte weitere Exzesse.
Wann wird die Militärbehörde einschreiten? Will der Ober-Kommandant diesem Treiben nur dann erst Einhalt thun, wann der Belagerungszustand erklärt ist und ist der Belagerungszustand der Preis, um den wir Bürger unsere Sicherheit erkaufen müssen?
Redakteur en chef: Karl Marx. * Köln, 29. Dez. Unter diesem Datum geht uns folgende Mittheilung zu:
Am 23. d. Mts. reisten wir von Düsseldorf nach Duisburg auf der Köln-Mindener Eisenbahn. Das Unglück führte uns in einen Wagen 4. Klasse, der ganz voll von Kriegsknechten war, die wahrscheinlich zu dem bevorstehenden Weihnachtsfeste in ihre Heimath reisen wollten. Schon beim Eintritt in den Wagen hallten uns keine angenehmen Töne zum Willkomm entgegen, wir hielten uns jedoch ganz ruhig, um nicht im Mindesten Veranlassung auch nur zu einem Wortwechsel mit jenen rüden Menschen zu geben. Als wir uns nun ruhig an das Wagengeländer stellten, bemerkte ein Lümmel aus dem 7. (gelben) Uhlanen-Regimente: „daß er es doch vorziehen müsse, uns den H. …… zuzudrehen“ (ipsissima verba!). Dieses gemeine Benehmen drang uns denn doch die Bemerkung ab, daß uns dies ganz und gar gleichgültig sei, er solle jedoch nur nicht glauben, daß er in seiner blauen Jacke hier in dem Wagen mehr Vorrechte habe, als andere. Kaum waren diese Worte verhallt, als das ganze im Wagen vorhandene königlich preußische Militär (größtentheils aus dem 16. Infanterie-Reg.) in ein höllisches Geschrei ausbrach, aus dem man nur die Worte: „Ein Demokrat! Heraus mit dem Kerl! Ein Halunke! Heraus!“ vernehmen konnte. Dabei stampften die ehrenwerthen königl. preußischen Soldaten mit ihren Kommißschuhen so stark auf den Boden, daß derselbe Gefahr lief, zu durchbrechen. Wir unsererseits ließen uns durch dieses Geschrei gar nicht irre machen und lachten über die verrückten Gestikulationen, die zu Tage gefördert wurden.
Als die Kriegsknechte nun auf keinen Widerstand stießen, ließen sie, sich vielleicht in ihrem Unrechte fühlend, nach und nach von ihrem Geschrei ab, obgleich ihre scheelen Augen uns noch immer verfolgten. Sie schienen dann ihre grenzenlose Wuth darüber, daß ein Demokrat — sie hatten sich in der Person nicht geirrt — das Recht hatte, in ihrer ehrenwerthen Gesellschaft reisen zu dürfen, durch das Abschreien einiger Preußen-Lieder, als: „Ich bin ein Breuße“ etc. und „Wir bleiben unserm König treu“ etc. so wie „Unser König hat viel Geld“ etc. (wenn das nur so wäre!) und anderer zu beschwichtigen.
Es lebe die königl. preußische Soldaten-Humanität!
Auf einer andern Tour haben wir dagegen auch vernünftige Soldaten getroffen, die wir hierdurch gern in Schutz nehmen, namentlich einen aus dem 13. und einen aus dem in Köln hinlänglich bekannten 16. Inf.-Reg. Letzterer gestand uns im Vertrauen, daß er froh wäre, wenn seine Dienstzeit verflossen, und er nach Hause gehen könnte und daß er sich niemals gegen seine Mitbrüder als eine willenlose Maschine von seinen Obern gebrauchen lassen würde.
Wir theilen diese Vorfälle der Oeffentlichkeit mit, weil sie ein Bild von den verschiedenartigen Elementen unter dem Militär geben.
Und dann fragen wir:
Ist es nicht eine Schande, daß das Militär von oben herab — anders kann es nicht sein! — so fanatisirt wird?
Abgesehen davon, was man sich ursprünglich bei dem Worte „selbstständig“ gedacht haben mag, kann die Befürchtung, daß dieses in der sogenannten Verfassung und dem Wahlgesetze gebrauchte Wort eine Verminderung der frühern Wählerzahl herbeiführen werden, als beseitigt angesehen werden. Der Minister des Innern hat den Staats-Ministerialbeschluß vom 19. Dezember, wornach jeder sonst Qualificirte als selbstständig angesehen werden soll, wenn er über seine Person und sein Eigenthum verfügen kann, durch Reskript vom 20. Dezember dahin erläutert, daß da, wo die sonstigen Bedingungen des Wahlgesetzes erfüllt seien, die erforderliche Selbstständigkeit der Urwähler so lange als vorhanden angenommen werden soll, als nicht der Beweis des Gegentheils vorliegt. Es wird weiter darin ausgesprochen, daß die politische Selbstständigkeit keineswegs identisch sei mit der Selbstständigkeit, von welcher privatrechtliche Bestimmungen die volle Gültigkeit gewisser Rechtsgeschäfte abhängig mache, daß auch ebensowenig zur Selbstständigkeit die Führung eines eigenen Haushalts nothwendig sei, daß daher weder bei den Eltern wohnende Söhne, noch bei Fremden wohnende Dienstboten als unselbstständig zu betrachten seien.
Als Schluß wird dann noch die sehr überflüssige Bemerkung hinzugefügt, daß Personen, die nicht frei über ihre Person und ihr Eigenthum verfügen könnten, solche anzusehen seien, die wahnsinnig, wegen Verschwendung interdicirt oder eingesperrt wären. Nun wahrlich, wenn ursprünglich nichts anderes bezweckt worden ist durch die Einschiebung jenes Wortes, dann hätte doch die sehr unnöthige dadurch hervorgerufene, Zweideutigkeit vermieden werden sollen.
Geilenkirchen, 28. Dezember.
Ein Urwähler.
Handelsnachrichten. _
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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