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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 187. Köln, 5. Januar 1849. Beilage.

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Beilage zu Nr. 187 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Freitag 5. Januar 1849.
[Deutschland]

[Fortsetzung] bürgerliche Republikaner tritt plötzlich als Freihandelsmann auf. Er hat das aber bloß seiner blinden Liebe für das Wort Freiheit zu verdanken. Er will die Freiheit für Alle, also auch die Freiheit für den Handel. "Wer für die Freiheit überhaupt wirkt, wirkt auch für den Handel."

Der freie Handel ist freilich nur die Freiheit des Kapitals zur Ausbeutung und Vernichtung des Arbeiters. Aber weil Herr Karl Heinzen für "die Freiheit überhaupt" wirkt, so muß er auch für diese Freiheit wirken. Warum nicht auch für die Freiheit des russischen Autokraten?

Ein Königreich für so einen kleinbürgerlich-republikanisch-revolutionären Freihandelsmann!

Dresden, 29. Dezember.

Die Partei des Vaterlandsvereins hat in Bezug auf die Wahlen zum Landtage, welcher den 10. Jan. seinen Anfang nehmen wird, einen überraschenden Triumph erlebt. Wenn man auch hoffen durfte, daß seine Kandidaten für die zweite Kammer größtentheils die Mehrzahl der Stimmen erhalten würden, so war dies doch in Bezug auf die Kandidaten für die erste Kammer sehr zweifelhaft, weil hierzu nur Ansässige wählen konnten, diese aber angeblich sich mehr zur Partei des deutschen Vereins neigen sollten. Allein gerade für die erste Kammer hat der deutsche Verein keinen einzigen Kandidaten, der Vaterlandsverein die seinigen sämmtlich durchgebracht.

(Fr. J.)
20 . Aus dem Reich.

"Wollen warten, was Hannover thut"! sagen mehrere unserer geliebten Landesväter, die man zum Unterschied von den großen Propheten die kleinen nennt. "Wollen Hannover abwarten," rufen sie denen zu, die um Verkündigung der sogenannten "Grundrechte" des Reichsvolkes bitten. So ist Hannover der Polarstern geworden, auf den die kleinen deutschen Schiffer "von Gottes Gnaden" erwartungsvoll und verwandten Auges hinblicken.

Unser Reichsvater, der Großherzog von Kleinrußland, früher unter dem Namen Nassau bekannt, hatte es seit dem März 1848 jeden Tag bitterlich empfunden, daß ihm während des unfreundlichen Frühlings die "Gottes Gnade" abhanden gekommen. Der St. Petersburger Vetter hatte ihn arg deswegen geuzt und unser geliebter Reichsrusse hatte sich's vorgenommen, den großrussischen Sticheleien ein Ende zu machen. Dies hat er gethan. Der nassauische (offizielle) "Landeskalender" mußte ihn wieder bis "von Gottes Gnaden" avanciren. Drum nimmt sich dieser Landeskalender heuer auch wiederum ganz lieblich aus. Nun sind wir auch wieder froh und guter Dinge und brauchen uns als deutsche Kleinrussen neben den übrigen Reichsschaafen nicht mehr zu schämen, indem uns das Vorrecht, blos "von Gottes Gnaden" geschoren zu werden, allerhuldreichst, wie Figura zeigt, zurückgegeben worden. Ach! zu dieser Wonne im tiefgerührten Herzen unsres Landesvaters gesellt sich der auf russisch blos durch die Knute aussprechbare Weltschmerz, daß wegen -- -- -- Insubordination das erste Infanterie-Regiment hat aufgelöst werden müssen. Auflösung eines Regiments in dem Augenblicke, wo allnächtlich das ganze großherzogliche Schloß von den "rothen Hosen" -- im Traum -- angefüllt wird? Von rothen Hosen, die sich in noch schrecklichere "Ohnehosen" verwandeln? Was sollen unsre keuschen Reichsprinzessinnen davon denken, wenn ihnen das Nämliche oder noch Schlimmeres, als dem geliebten männlichen Landesvater, träumt? Was ist zu thun? Unser landesväterlicher Kleinrusse ist in dieser Beziehung kein so dummer Kerl. Zum Ersatz der aufgelösten und zur Herbeischaffung neuer Reichssoldaten läßt er 1600 Rekruten statt im April schon jetzt im Januar einziehen und kann nun, falls er nicht Reichskaiser wird, ohne Furcht weiter träumen.

Die Firma Eisele und Beisele ist aufgelöst; wir zeigen dies allen Geschäftsfreunden im Reich hiermit ergebenst an. Herr Beisele, vulgär Herr von Beisler geheißen, ist kaum aus dem Reich nach München zurückgekehrt und alsbald bringt er das Jahr 1848 für das liebliche Reichsbierbaiern zu einem würdigen Abschluß -- durch Uebernahme des Ministeriums des Innern und Beendigung der Ministercrisis (bis zur nächsten im neuen Jahre). Im neuen Jahre will Herr von Abel zum Kain am Reichsbeisele werden. Er hat's geschworen bei Maxen's Barte "von Gottes Gnaden".

Die Annalen des Reichs werden im Jahre 1849 den merkwürdigsten Zuwachs erhalten. Wichtiges bereitet sich vor. Vorläufig verrathen wir nur so viel, daß die braven "Borger" der Reichsstadt Frankfurt ihrem Militär binnen 14 Tagen Waffenrock und Pickelhaube einbescheeren wollen. Bei der sonstigen Plattheit dieser "Borger" und ihrer Central-Reichs-Witzlosigkeit kann endlich einmal eine Pointe nichts schaden!

Soweit wäre alles ganz gut, aber denken Sie sich, die treuen "Gothaner" sollen Exzesse gegen die Reichstruppen begangen haben. Ist dies wirklich der Fall, so möge ihnen die deutsche Vorsehung einige märkische, wasserpolackische oder andere preußische ausgehungerte Bataillone auf den Hals senden, damit letztere sich auf Kosten widerborstig gewordener Reichsbürger ein wenig auffüttern können.

* Schleswig, 30. Dezbr.

Die Landesversammlung hat sich heute vertagt. Ihre diesmalige Sitzung war also sehr kurz. Das Büreau hat den Auftrag, die Versammlung je nach Erforderniß einzuberufen. Dies wird schwerlich vor März geschehen.

Italien.
* Palermo, 19. Dez.

Die Deputirtenkammer hat das vom Minister des Auswärtigen vorgelegte Dekret über den Anschluß Siciliens an die italienische Constituante nach einer langen Diskussion genehmigt. -- General Antonini, kaum in Sicilien angekommen, ist sofort zum Generalinspektor der sicilianischen Armee ernannt worden. Er bereist jetzt in dieser Eigenschaft die Insel, und läßt die zur Vertheidigung geeigneten Punkte der Küste befestigen.

* Neapel, 20. Dez.

Die neapolitanische Armee wird in wenigen Tagen auf 120,000 Mann angewachsen sein. Auch die Rüstungen zur See dauern fort.

* Civita-Vecchia, 20. Dez.

Der "Tenare," von Gaeta kommend, ist in unserm Hafen eingetroffen, und es heißt, daß er den Pabst an Bord hat. Niemand darf sich dem Schiffe nähern, welches ein anderes englisches Dampfschiff zum Schutze neben sich liegen hat. Der Kardinal Perretti ist mit seinem Almosenier inkognito zu Civita-Vecchia angekommen, um nach Gaeta zurückzukehren.

* Modena, 22. Dezbr.

In Folge eines Befehls unsres Herzogs, wodurch er die Juden, die Arbeiter und die Fremden aus Modena ausweist, hat sich die hiesige Nationalgarde en masse aufgelöst.

* Mantua, 21. Dezbr.

Hier werden alle Vorbereitungen für den Krieg getroffen. Zu Curtatone arbeiten 800 Oestreicher an den Befestigungen. Man droht uns mit einer Requisition von 700 Ochsen.

* Genua, 25. Dezbr.

Gestern hatten wir hier eine großartige konstitutionelle Demonstration. Die Massen begaben sich mit Fahnen vor das Hotel des Ministers Buffe, der vom Balkon herab eine Rede an sie hielt.

68

Unter der Ueberschrift: "Wie liegt die italienische Frage nach dem Rücktritte General Cavaignac's und Herrn Bastide's" bringt die "Presse" vom 2. Januar eine erste "Communication", die sich hauptsächlich die Vertheidigung Lamartine's in Bezug auf das jammervolle Verhalten der provisorischen Regierung zur italienischen Fräge angelegen sein läßt. Die Logik des Herrn de Girardin zeigt sich dabei ungemein schwach. Herr de Girardin kann nicht wohl umhin, die Italien betreffende Stelle in Lamartine's Manifest vom 4. März ("Wenn die unabhängigen Staaten Italiens angegriffen würden; wenn man ihrer inneren Umbildung Grenzen setzen oder Hindernisse in den Weg legen wollte; wenn man ihnen mit bewaffneter Hand das Recht bestritte, zur Festigung eines italienischen Vaterlandes unter sich zu vereinigen: so würde auch die französische Republik sich für ermächtigt halten, diese legitimen Bewegungen des Wachsens und der Nationalität der Völker mit bewaffneter Hand zu schützen.") und der Passus in einer spätern Rede des schönsprechenden Dichters: "Wenn ein Ruf über die Alpen an uns erklungen wäre, so würden wir augenblicklich französische Truppen zum Schutze der italienischen Unabhängigkeit abgeschickt haben," anzuführen: Alles, was er sagen kann, um sie mit dem Nicht-Einschreiten Frankreichs einigermaßen zu versöhnen, ist: daß der Redepassus dem Dichter-Staatsmann in der "Hitze der Improvisation" entschlüpft, und daß im Manifest ja nur von den unabhängigen Staaten Italiens die Rede sei. Die Vertheidigung ist schwach, wie der Schwächling, der sie rein zu waschen strebt. Die Lombardei war natürlich ein abhängiger Staat.

Französische Republik.
12 Paris, 2. Jan.

Die Dinge werden mit jedem Tag heiterer, komischer. Die stoische Tugend des Herrn von Malleville und seine Beharrlichkeit, dem Präsidenten Napoleon die Aktenstücke nicht herauszugeben über den damaligen Heldenstreich L. Napoleons haben ihren guten Grund. Malleville war damals Minister des Innern unter Thiers; er selbst hatte in Abwesenheit des Ministers unsern Helden und jetzigen Präsidenten arretiren lassen: er war also bei der Abfassung dieser Protokolle großentheils betheiligt. Dann aber auch erstrecken sich diese Aktenstücke nicht allein auf die Geschichte von Straßburg, sondern sie bestehen aus Berichten bis zum 24. Februar von zwei Polizei-Sergeanten, die von Louis Philipp bezahlt wurden, damit sie Napoleon auf Schritt und Tritt nachfolgten, und von seinen geringsten Handlungen Rechenschaft abstatteten. Alles dieses bildet einen ganzen Papierstoß, der in einer eisernen Kiste, unter Schloß, Riegel und Siegel im Ministerium des Innern aufbewahrt wird. Warum aber Napoleon so sehr auf die Herausgabe dieser Papiere dringt? Nach der Komödie von Straßburg kam die von Toulouse, die nur eine Wiederholung der erstern war. Wenn man nun weiß, welche Rolle Thiers bei der Herzogin von Berry gespielt hat, so kann man leicht auf den Gedanken kommen, daß derselbe Thiers dieselbe Rolle in der Geschichte von Boulogne wiederholt und den armen Tropf Napoleon in die Schlinge gelockt habe. Wenn man nun ferner weiß, daß wie damals, so auch jetzt Napoleon den Thiers gerne zum Minister gehabt hätte, so versteht man, wie sehr ersterm daran gelegen sein muß, seine Freunde von seinen Feinden unterscheiden zu lernen. Wie dem aber auch sein mag, Louis Napoleon hat sich von einer neuen Seite gezeigt; denn in dem Briefe, den er an Malleville schreibt, sagt er: Sachen der Art wurden so unter Louis Philipp abgemacht; Mein Wille ist, daß ein gleiches Verfahren unter mir beobachtet werde.

Der Ministerwechsel, der beiläufig gesagt, noch nicht zu Ende ist, (denn man will Dufaure in's Ministerium hineinziehen) wird der Gegenstand von Interpellationen in der Kammer werden. Die Sitzung wird eine der wichtigsten und kann eine der skandalösesten werden, wenn die Deputirten sich nicht beständig zuzurufen schienen: Leise, leise, nur keinen Skandal gemacht; das Juni-Gespenst möchte aufwachen! Von der andern Seite hat die Kammer Furcht, man möchte sie fortschicken; denn immer stellt es sich deutlicher heraus, daß die Konstituante mit ihren 900 Mitgliedern, die 8 Minister in ihrem beständigem Wechsel, und der Präsident mit seinem noch nicht ernannten Appendix, dem Vicepräsidenten, nicht über 24 Stunden in Frieden neben einander leben können. Von diesen drei Gewalten wird wenigstens Eine, möglicher Weise aber 2 verabschiedet werden: und wenn es gut geht, werden sie binnen Kurzem alle drei den Abschied erhalten. Indessen freut sich der neue Präsident seines neuen Amtes: er hat gestern das diplomatische Korps von allen Mächten der Erde empfangen, mit dem Nuncius an der Spitze; des russische Gesandte hat allein gefehlt. Napoleon hat jedem der Gesandten in seiner Landessprache geantwortet, und es soll ihm gelungen sein, auf deutsch, französisch, italienisch und englisch sich zu kompromittiren: in keiner von diesen vier Sprachen ist es ihm gelungen, ein einziges kluges Wort zum Vorschein zu bringen.

12 Paris, 2. Jan.

Wir haben uns getäuscht. Wir haben in dem vorletzten Artikel gesagt: Napoleon und Rothschild! Es muß heißen: Napoleon und Karl Braunschweig. Ja, Braunschweig, der Ex-Herzog von Braunschweig, muß an die Stelle Rothschilds treten. Vor der Wahl des Prinzen Napoleon zum Präsidenten hat man beständig gefragt: wo nimmt der Kerl das Geld her? Man hat von Rußland gesprochen, von Holland und Brabant, da hören wir auf einmal, daß ihm aus einer Quelle Geld geflossen, die Niemand geahnt, daß Napoleon einen Freund besessen, wie selten Menschen sich dessen rühmen können: der Herzog von Braunschweig hat dem Napoleon 25,000 Pfund Sterling vor der Wahl vorgeschossen. Napoleon und Braunschweig, Orestes und Pylades, beide durch gemeinsames Unglück erprobt, in London gleiches Schicksal theilend: beide, verkommene Prinzen, sind in London in den hotels garnis herumgefahren, oder haben als Eonstabler gedient. Braunschweig hat dem Napoleon im Unglück beigestanden, Napoleon will, daß Braunschweig sein Glück theile. Braunschweig geht nach Paris und hat bereits seine Londoner Zeitung verkauft.

12 Paris, 2. Jan.

Man muß die erste Zeit nach der Februar-Revolution in Paris gewesen sein, um sich einen Begriff machen zu können von den Tausend und abermal Tausenden von Plänen, die damals in dem Gehirne von Tausenden von Franzosen auftauchten, zur Beglückung des menschlichen Geschlechtes. Der Staat lag so aufgelößt da, die Verhältnisse waren vermeintlicher Weise so los, so brach geworden, daß jeder Beglücker des Menschengeschlechtes nur seinen Kreis von Wünschen und frühern Plänen auszusäen brauchte, um sogleich die aufgelöste Gesellschaft zu reguliren. Als Form aller dieser Pläne, wie sie als Probleme, Postulata u. s. w. an's Tageslicht traten, kann folgendes Formular betrachtet werden: Gegeben ist ein Mensch mit allen seinen "natürlichen Bedürfnissen." Es soll eine gesellschaftliche Ordnung gefunden werden, in welcher alle diese natürlichen menschlichen Bedürfnisse Befriedigung erhalten. Wie diese Bedürfnisse mit der Erzeugung der Bedürfnisse, die Erzeugung mit der Produktionsweise, die Produktionsweise mit der ganzen bürgerlich-politischen Staatsform zusammenhing, wie zwischen allem diesen die Staatsschuld, die Hypothek u. s. w. durchspielt, und wie alles dieses Zusammenhängende sowohl wie das Durchspielende wieder mit England, und England wieder mit dem Weltmarkt und der Weltmarkt mit der ganzen Welt zusammenhängt, wie der "gegebene Mensch" sammt seinen "natürlichen Bedürfnissen" von allen diesen Dingen abhängt und aus ihnen geschaffen wird, das sahen die "Reformatoren" des menschlichen Geschlechtes nicht. England existirte für sie nicht; ja die Staatsschuld u. s. w. ließen sie auf dem "Menschen" haften. Also das obenstehende Problem lautet in der richtigen Uebersetzung folgendermaßen: Gegeben ist ein Franzose mit der Staatsschuld, mit den Hypotheken, und mit den natürlichen resp. französischen Bedürfnissen in den verschiedenen Ständen und Klassen: es soll gefunden werden ein Mensch, Civilisations-Mensch, der ungeachtet des Fortbestehens der Staatsschuld, der Hypotheken u. s. w. keine Hypotheken zu zahlen, und ungeachtet aller Einflüsse von England und der Colonieen, aus denen die Gegenstände zur Befriedigung seiner "civilisirten" Bedürfnisse herkommen, dennoch diese Bedürfnisse ohne England u. s. w. befriedigen kann. Wir sehn das Unsinnige aller dieser Probleme aus ihrer Fassungsweise. Ueberhaupt sahen die Franzosen nur Frankreich und dachten bei der Arbeits-Frage: jeder Franzose hat so und so viel Kapital in seinen Armen, was geht uns das Kapital als solches an? Man weiß wie das Kapital als solches die Arme der Franzosen in jeder Hinsicht gelähmt hat; aber das hält sie nicht ab, weiter in ihren Projekten zu gehn. Die Staatsschuld lähmt die Arme! Tilgen wir die Staatsschuld durch Steuern. 30 Millionen Menschen werden doch die Millionen Schuld bezahlen können? Das Kapital trägt einen Hut und Rock, besteuern wir den Hut u. Rock und nehmen wir die Mützenträger u. Blusenmänner von den Steuern aus! Jeder, der einen Frack trägt, will der Deputirte Antoine, soll 100 Franken jährlich, der einen Rock 5 Fr. und der einen Hut 20 Fr. zahlen. Wäre der Hut und Frack wirklich das unterscheidende Merkmal des Kapitalisten, wie es der gute Antoine vermeint, wäre ferner der Rockträger Rock-Inhaber, so wäre das ein leichtes Mittel, den Kapitalisten zu treffen, und die Staatsschuld auf indirekte Weise zu tilgen, d h. ohne den Banquerut einzugestehen, und ohne geradezu einen Strich durch das "große Buch", das Hauptbuch des Staates, zu machen. 100 Millionen in den Hüten, und mit jedem Jahre neue 100 Millionen, die jedes Mal auf's Neue aus den Hüten herausfallen, ohne der Fracks zu gedenken. Das ist gewiß eine schöne Einnahme. Wer will nicht sein Haupt mit einem Filze zieren, und wer zahlt nicht gerne 20 Fr. für den Filz auf seinem Haupte? Aber hier sind ungeheuer viele Fälle zu berücksichtigen. Zeigt wirklich der Filz den filzigen Kapitalisten an? Ist der nominelle Inhaber der wahre Besitzer des Filzes? und geht es nicht den Rockträgern, wie den Landbauern, welche Steuern für ein Land bezahlen, dessen wahrer Besitzer der Kapitalist ist? Weiter, wo hört der Ueberrock auf? wo fängt der Frack an? die langen und breiten Schöße, die man jetzt trägt, verlaufen sich dermaßen in den Ueberrock, daß man von Rechtswegen die Mode der Schwalbenschwänze wieder einführen müßte. Aber alles das sind nur Nebensachen; nicht zu gedenken der Schlafröcke, die über den Röcken, und der abgeschabten und durchlöcherten Röcke, die unter der Bluse stehn. Ich spreche ferner nicht von den verschiedenen Rock- und Blusengattungen, die ineinander hinüberspielen. Ich komme auf die Hauptsache. Es geht den meisten Rockträgern, wie es den Kleinbürgern im Juni erging. Gerade die Krämer und Fabrikanten, deren Kram und Fabrik schon durch Schulden den Wuchern verfallen waren, haben am heftigsten gegen die Juni-Insurgenten zur vermeintlichen Vertheidigung eines Krames gekämpft, der ihnen nicht mehr gehörte. Diejenigen, welche ihren Rock entweder noch schulden, oder im Leihhaus verzinset haben, sind diejenigen, die am meisten am Rocke halten, und welche die Steuer des Herrn Antoine doppelt treffen würde. Keiner hat mehr die Illusion des Eigenthums, keiner mehr den Genuß des Rockes, als derjenige, welcher nur den Nießbrauch davon hat, und für den Nießbrauch zahlen muß. Keiner hängt mehr am Rocke, als derjenige, welcher ihn im Leihhaus hängen hat. Man fühlt seinen Magen erst recht, wenn er krank ist; man fühlt seinen Rock erst, wenn er irgend eine Wunde erhalten hat. Diejenigen, denen der Rock nie gefehlt hat, sind so zu sagen geboren mit dem Rock; er ist mit ihnen innig verwachsen. Die Arbeiter dagegen in Paris, die genöthigt sind fast alle Montag den Rock zu versetzen, wissen recht eigentlich, was er bedeutet. Jedesmal, wenn sie ihn anziehen, fühlen sie wie einen Bindfaden, der ihn ihnen vom Leibe wegzieht. Sie haben das Bewußtsein des Rockes, sie müssen für ihn büßen, wenn sie ihn tragen, und sie tragen ihn die übrigen Tage in der Tasche, auf dem Papiere, dem Pfandscheine verschrieben. Und da sie ihre Anwartschaft auf den Rock in keinem Falle aufgeben möchten, so müssen sie doppelt zahlen, erstens die Zinsen für den Rock, den sie nicht tragen, blos um vermeintlicher Besitzer zu bleiben; zweitens die Steuer für den Rock, den sie eines Tages tragen könnten, obschon die Zinsen sich häufen, die Wahrscheinlichkeit des Einlösens sich täglich mindert, bis sie zuletzt durch den Verfall des Zettels gänzlich verschwindet. Der erste Fall ist das Ansichsein, der zweite das Fürsichsein des Rockes. Die eigentlichen Fashionables und namentlich die Kapitalisten haben gar keine Röcke; sie haben mit ihrem Schneider einen Contrakt gemacht, gemäß dem sie jährlich so viele Fräcke, Ueberröcke nach der neuesten Mode geliefert erhalten; und da die Moden ungeheuer schnell wechseln, so werden die zwei oder dreimal getragenen Röcke, wenn sie die erste Frische verloren haben, sogleich dem Schneider abgeliefert, der sie nach Amerika versendet. Daher der ungeheure Handel der marchands d'habits in Paris. Die eigentlichen Kapitalisten tragen also geliehene Röcke, für welche sie keine Steuer zu zahlen brauchen. Die Fonds, Hypotheken-Ausleiher, Wucherer haben alle keine Röcke, zahlen alle keine Steuer. Rothschild ist der Schneider aller Kapitalisten, die Kapitalisten sind wiederum die Schneider aller Fabrikanten, die Fabrikanten sind wiederum die Schneider aller Proletarier; und der Schneider aller Schneider, der Schneider Rothschild's ist England.

Nehmen wir statt der Röcke Matrazen; 160,000 Matrazen lie-

Beilage zu Nr. 187 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Freitag 5. Januar 1849.
[Deutschland]

[Fortsetzung] bürgerliche Republikaner tritt plötzlich als Freihandelsmann auf. Er hat das aber bloß seiner blinden Liebe für das Wort Freiheit zu verdanken. Er will die Freiheit für Alle, also auch die Freiheit für den Handel. „Wer für die Freiheit überhaupt wirkt, wirkt auch für den Handel.“

Der freie Handel ist freilich nur die Freiheit des Kapitals zur Ausbeutung und Vernichtung des Arbeiters. Aber weil Herr Karl Heinzen für „die Freiheit überhaupt“ wirkt, so muß er auch für diese Freiheit wirken. Warum nicht auch für die Freiheit des russischen Autokraten?

Ein Königreich für so einen kleinbürgerlich-republikanisch-revolutionären Freihandelsmann!

Dresden, 29. Dezember.

Die Partei des Vaterlandsvereins hat in Bezug auf die Wahlen zum Landtage, welcher den 10. Jan. seinen Anfang nehmen wird, einen überraschenden Triumph erlebt. Wenn man auch hoffen durfte, daß seine Kandidaten für die zweite Kammer größtentheils die Mehrzahl der Stimmen erhalten würden, so war dies doch in Bezug auf die Kandidaten für die erste Kammer sehr zweifelhaft, weil hierzu nur Ansässige wählen konnten, diese aber angeblich sich mehr zur Partei des deutschen Vereins neigen sollten. Allein gerade für die erste Kammer hat der deutsche Verein keinen einzigen Kandidaten, der Vaterlandsverein die seinigen sämmtlich durchgebracht.

(Fr. J.)
20 . Aus dem Reich.

„Wollen warten, was Hannover thut“! sagen mehrere unserer geliebten Landesväter, die man zum Unterschied von den großen Propheten die kleinen nennt. „Wollen Hannover abwarten,“ rufen sie denen zu, die um Verkündigung der sogenannten „Grundrechte“ des Reichsvolkes bitten. So ist Hannover der Polarstern geworden, auf den die kleinen deutschen Schiffer „von Gottes Gnaden“ erwartungsvoll und verwandten Auges hinblicken.

Unser Reichsvater, der Großherzog von Kleinrußland, früher unter dem Namen Nassau bekannt, hatte es seit dem März 1848 jeden Tag bitterlich empfunden, daß ihm während des unfreundlichen Frühlings die „Gottes Gnade“ abhanden gekommen. Der St. Petersburger Vetter hatte ihn arg deswegen geuzt und unser geliebter Reichsrusse hatte sich's vorgenommen, den großrussischen Sticheleien ein Ende zu machen. Dies hat er gethan. Der nassauische (offizielle) „Landeskalender“ mußte ihn wieder bis „von Gottes Gnaden“ avanciren. Drum nimmt sich dieser Landeskalender heuer auch wiederum ganz lieblich aus. Nun sind wir auch wieder froh und guter Dinge und brauchen uns als deutsche Kleinrussen neben den übrigen Reichsschaafen nicht mehr zu schämen, indem uns das Vorrecht, blos „von Gottes Gnaden“ geschoren zu werden, allerhuldreichst, wie Figura zeigt, zurückgegeben worden. Ach! zu dieser Wonne im tiefgerührten Herzen unsres Landesvaters gesellt sich der auf russisch blos durch die Knute aussprechbare Weltschmerz, daß wegen — — — Insubordination das erste Infanterie-Regiment hat aufgelöst werden müssen. Auflösung eines Regiments in dem Augenblicke, wo allnächtlich das ganze großherzogliche Schloß von den „rothen Hosen“ — im Traum — angefüllt wird? Von rothen Hosen, die sich in noch schrecklichere „Ohnehosen“ verwandeln? Was sollen unsre keuschen Reichsprinzessinnen davon denken, wenn ihnen das Nämliche oder noch Schlimmeres, als dem geliebten männlichen Landesvater, träumt? Was ist zu thun? Unser landesväterlicher Kleinrusse ist in dieser Beziehung kein so dummer Kerl. Zum Ersatz der aufgelösten und zur Herbeischaffung neuer Reichssoldaten läßt er 1600 Rekruten statt im April schon jetzt im Januar einziehen und kann nun, falls er nicht Reichskaiser wird, ohne Furcht weiter träumen.

Die Firma Eisele und Beisele ist aufgelöst; wir zeigen dies allen Geschäftsfreunden im Reich hiermit ergebenst an. Herr Beisele, vulgär Herr von Beisler geheißen, ist kaum aus dem Reich nach München zurückgekehrt und alsbald bringt er das Jahr 1848 für das liebliche Reichsbierbaiern zu einem würdigen Abschluß — durch Uebernahme des Ministeriums des Innern und Beendigung der Ministercrisis (bis zur nächsten im neuen Jahre). Im neuen Jahre will Herr von Abel zum Kain am Reichsbeisele werden. Er hat's geschworen bei Maxen's Barte „von Gottes Gnaden“.

Die Annalen des Reichs werden im Jahre 1849 den merkwürdigsten Zuwachs erhalten. Wichtiges bereitet sich vor. Vorläufig verrathen wir nur so viel, daß die braven „Borger“ der Reichsstadt Frankfurt ihrem Militär binnen 14 Tagen Waffenrock und Pickelhaube einbescheeren wollen. Bei der sonstigen Plattheit dieser „Borger“ und ihrer Central-Reichs-Witzlosigkeit kann endlich einmal eine Pointe nichts schaden!

Soweit wäre alles ganz gut, aber denken Sie sich, die treuen „Gothaner“ sollen Exzesse gegen die Reichstruppen begangen haben. Ist dies wirklich der Fall, so möge ihnen die deutsche Vorsehung einige märkische, wasserpolackische oder andere preußische ausgehungerte Bataillone auf den Hals senden, damit letztere sich auf Kosten widerborstig gewordener Reichsbürger ein wenig auffüttern können.

* Schleswig, 30. Dezbr.

Die Landesversammlung hat sich heute vertagt. Ihre diesmalige Sitzung war also sehr kurz. Das Büreau hat den Auftrag, die Versammlung je nach Erforderniß einzuberufen. Dies wird schwerlich vor März geschehen.

Italien.
* Palermo, 19. Dez.

Die Deputirtenkammer hat das vom Minister des Auswärtigen vorgelegte Dekret über den Anschluß Siciliens an die italienische Constituante nach einer langen Diskussion genehmigt. — General Antonini, kaum in Sicilien angekommen, ist sofort zum Generalinspektor der sicilianischen Armee ernannt worden. Er bereist jetzt in dieser Eigenschaft die Insel, und läßt die zur Vertheidigung geeigneten Punkte der Küste befestigen.

* Neapel, 20. Dez.

Die neapolitanische Armee wird in wenigen Tagen auf 120,000 Mann angewachsen sein. Auch die Rüstungen zur See dauern fort.

* Civita-Vecchia, 20. Dez.

Der „Tenare,“ von Gaeta kommend, ist in unserm Hafen eingetroffen, und es heißt, daß er den Pabst an Bord hat. Niemand darf sich dem Schiffe nähern, welches ein anderes englisches Dampfschiff zum Schutze neben sich liegen hat. Der Kardinal Perretti ist mit seinem Almosenier inkognito zu Civita-Vecchia angekommen, um nach Gaeta zurückzukehren.

* Modena, 22. Dezbr.

In Folge eines Befehls unsres Herzogs, wodurch er die Juden, die Arbeiter und die Fremden aus Modena ausweist, hat sich die hiesige Nationalgarde en masse aufgelöst.

* Mantua, 21. Dezbr.

Hier werden alle Vorbereitungen für den Krieg getroffen. Zu Curtatone arbeiten 800 Oestreicher an den Befestigungen. Man droht uns mit einer Requisition von 700 Ochsen.

* Genua, 25. Dezbr.

Gestern hatten wir hier eine großartige konstitutionelle Demonstration. Die Massen begaben sich mit Fahnen vor das Hotel des Ministers Buffe, der vom Balkon herab eine Rede an sie hielt.

68

Unter der Ueberschrift: „Wie liegt die italienische Frage nach dem Rücktritte General Cavaignac's und Herrn Bastide's“ bringt die „Presse“ vom 2. Januar eine erste „Communication“, die sich hauptsächlich die Vertheidigung Lamartine's in Bezug auf das jammervolle Verhalten der provisorischen Regierung zur italienischen Fräge angelegen sein läßt. Die Logik des Herrn de Girardin zeigt sich dabei ungemein schwach. Herr de Girardin kann nicht wohl umhin, die Italien betreffende Stelle in Lamartine's Manifest vom 4. März („Wenn die unabhängigen Staaten Italiens angegriffen würden; wenn man ihrer inneren Umbildung Grenzen setzen oder Hindernisse in den Weg legen wollte; wenn man ihnen mit bewaffneter Hand das Recht bestritte, zur Festigung eines italienischen Vaterlandes unter sich zu vereinigen: so würde auch die französische Republik sich für ermächtigt halten, diese legitimen Bewegungen des Wachsens und der Nationalität der Völker mit bewaffneter Hand zu schützen.“) und der Passus in einer spätern Rede des schönsprechenden Dichters: „Wenn ein Ruf über die Alpen an uns erklungen wäre, so würden wir augenblicklich französische Truppen zum Schutze der italienischen Unabhängigkeit abgeschickt haben,“ anzuführen: Alles, was er sagen kann, um sie mit dem Nicht-Einschreiten Frankreichs einigermaßen zu versöhnen, ist: daß der Redepassus dem Dichter-Staatsmann in der „Hitze der Improvisation“ entschlüpft, und daß im Manifest ja nur von den unabhängigen Staaten Italiens die Rede sei. Die Vertheidigung ist schwach, wie der Schwächling, der sie rein zu waschen strebt. Die Lombardei war natürlich ein abhängiger Staat.

Französische Republik.
12 Paris, 2. Jan.

Die Dinge werden mit jedem Tag heiterer, komischer. Die stoische Tugend des Herrn von Malleville und seine Beharrlichkeit, dem Präsidenten Napoleon die Aktenstücke nicht herauszugeben über den damaligen Heldenstreich L. Napoleons haben ihren guten Grund. Malleville war damals Minister des Innern unter Thiers; er selbst hatte in Abwesenheit des Ministers unsern Helden und jetzigen Präsidenten arretiren lassen: er war also bei der Abfassung dieser Protokolle großentheils betheiligt. Dann aber auch erstrecken sich diese Aktenstücke nicht allein auf die Geschichte von Straßburg, sondern sie bestehen aus Berichten bis zum 24. Februar von zwei Polizei-Sergeanten, die von Louis Philipp bezahlt wurden, damit sie Napoleon auf Schritt und Tritt nachfolgten, und von seinen geringsten Handlungen Rechenschaft abstatteten. Alles dieses bildet einen ganzen Papierstoß, der in einer eisernen Kiste, unter Schloß, Riegel und Siegel im Ministerium des Innern aufbewahrt wird. Warum aber Napoleon so sehr auf die Herausgabe dieser Papiere dringt? Nach der Komödie von Straßburg kam die von Toulouse, die nur eine Wiederholung der erstern war. Wenn man nun weiß, welche Rolle Thiers bei der Herzogin von Berry gespielt hat, so kann man leicht auf den Gedanken kommen, daß derselbe Thiers dieselbe Rolle in der Geschichte von Boulogne wiederholt und den armen Tropf Napoleon in die Schlinge gelockt habe. Wenn man nun ferner weiß, daß wie damals, so auch jetzt Napoleon den Thiers gerne zum Minister gehabt hätte, so versteht man, wie sehr ersterm daran gelegen sein muß, seine Freunde von seinen Feinden unterscheiden zu lernen. Wie dem aber auch sein mag, Louis Napoleon hat sich von einer neuen Seite gezeigt; denn in dem Briefe, den er an Malleville schreibt, sagt er: Sachen der Art wurden so unter Louis Philipp abgemacht; Mein Wille ist, daß ein gleiches Verfahren unter mir beobachtet werde.

Der Ministerwechsel, der beiläufig gesagt, noch nicht zu Ende ist, (denn man will Dufaure in's Ministerium hineinziehen) wird der Gegenstand von Interpellationen in der Kammer werden. Die Sitzung wird eine der wichtigsten und kann eine der skandalösesten werden, wenn die Deputirten sich nicht beständig zuzurufen schienen: Leise, leise, nur keinen Skandal gemacht; das Juni-Gespenst möchte aufwachen! Von der andern Seite hat die Kammer Furcht, man möchte sie fortschicken; denn immer stellt es sich deutlicher heraus, daß die Konstituante mit ihren 900 Mitgliedern, die 8 Minister in ihrem beständigem Wechsel, und der Präsident mit seinem noch nicht ernannten Appendix, dem Vicepräsidenten, nicht über 24 Stunden in Frieden neben einander leben können. Von diesen drei Gewalten wird wenigstens Eine, möglicher Weise aber 2 verabschiedet werden: und wenn es gut geht, werden sie binnen Kurzem alle drei den Abschied erhalten. Indessen freut sich der neue Präsident seines neuen Amtes: er hat gestern das diplomatische Korps von allen Mächten der Erde empfangen, mit dem Nuncius an der Spitze; des russische Gesandte hat allein gefehlt. Napoleon hat jedem der Gesandten in seiner Landessprache geantwortet, und es soll ihm gelungen sein, auf deutsch, französisch, italienisch und englisch sich zu kompromittiren: in keiner von diesen vier Sprachen ist es ihm gelungen, ein einziges kluges Wort zum Vorschein zu bringen.

12 Paris, 2. Jan.

Wir haben uns getäuscht. Wir haben in dem vorletzten Artikel gesagt: Napoleon und Rothschild! Es muß heißen: Napoleon und Karl Braunschweig. Ja, Braunschweig, der Ex-Herzog von Braunschweig, muß an die Stelle Rothschilds treten. Vor der Wahl des Prinzen Napoleon zum Präsidenten hat man beständig gefragt: wo nimmt der Kerl das Geld her? Man hat von Rußland gesprochen, von Holland und Brabant, da hören wir auf einmal, daß ihm aus einer Quelle Geld geflossen, die Niemand geahnt, daß Napoleon einen Freund besessen, wie selten Menschen sich dessen rühmen können: der Herzog von Braunschweig hat dem Napoleon 25,000 Pfund Sterling vor der Wahl vorgeschossen. Napoleon und Braunschweig, Orestes und Pylades, beide durch gemeinsames Unglück erprobt, in London gleiches Schicksal theilend: beide, verkommene Prinzen, sind in London in den hotels garnis herumgefahren, oder haben als Eonstabler gedient. Braunschweig hat dem Napoleon im Unglück beigestanden, Napoleon will, daß Braunschweig sein Glück theile. Braunschweig geht nach Paris und hat bereits seine Londoner Zeitung verkauft.

12 Paris, 2. Jan.

Man muß die erste Zeit nach der Februar-Revolution in Paris gewesen sein, um sich einen Begriff machen zu können von den Tausend und abermal Tausenden von Plänen, die damals in dem Gehirne von Tausenden von Franzosen auftauchten, zur Beglückung des menschlichen Geschlechtes. Der Staat lag so aufgelößt da, die Verhältnisse waren vermeintlicher Weise so los, so brach geworden, daß jeder Beglücker des Menschengeschlechtes nur seinen Kreis von Wünschen und frühern Plänen auszusäen brauchte, um sogleich die aufgelöste Gesellschaft zu reguliren. Als Form aller dieser Pläne, wie sie als Probleme, Postulata u. s. w. an's Tageslicht traten, kann folgendes Formular betrachtet werden: Gegeben ist ein Mensch mit allen seinen „natürlichen Bedürfnissen.“ Es soll eine gesellschaftliche Ordnung gefunden werden, in welcher alle diese natürlichen menschlichen Bedürfnisse Befriedigung erhalten. Wie diese Bedürfnisse mit der Erzeugung der Bedürfnisse, die Erzeugung mit der Produktionsweise, die Produktionsweise mit der ganzen bürgerlich-politischen Staatsform zusammenhing, wie zwischen allem diesen die Staatsschuld, die Hypothek u. s. w. durchspielt, und wie alles dieses Zusammenhängende sowohl wie das Durchspielende wieder mit England, und England wieder mit dem Weltmarkt und der Weltmarkt mit der ganzen Welt zusammenhängt, wie der „gegebene Mensch“ sammt seinen „natürlichen Bedürfnissen“ von allen diesen Dingen abhängt und aus ihnen geschaffen wird, das sahen die „Reformatoren“ des menschlichen Geschlechtes nicht. England existirte für sie nicht; ja die Staatsschuld u. s. w. ließen sie auf dem „Menschen“ haften. Also das obenstehende Problem lautet in der richtigen Uebersetzung folgendermaßen: Gegeben ist ein Franzose mit der Staatsschuld, mit den Hypotheken, und mit den natürlichen resp. französischen Bedürfnissen in den verschiedenen Ständen und Klassen: es soll gefunden werden ein Mensch, Civilisations-Mensch, der ungeachtet des Fortbestehens der Staatsschuld, der Hypotheken u. s. w. keine Hypotheken zu zahlen, und ungeachtet aller Einflüsse von England und der Colonieen, aus denen die Gegenstände zur Befriedigung seiner „civilisirten“ Bedürfnisse herkommen, dennoch diese Bedürfnisse ohne England u. s. w. befriedigen kann. Wir sehn das Unsinnige aller dieser Probleme aus ihrer Fassungsweise. Ueberhaupt sahen die Franzosen nur Frankreich und dachten bei der Arbeits-Frage: jeder Franzose hat so und so viel Kapital in seinen Armen, was geht uns das Kapital als solches an? Man weiß wie das Kapital als solches die Arme der Franzosen in jeder Hinsicht gelähmt hat; aber das hält sie nicht ab, weiter in ihren Projekten zu gehn. Die Staatsschuld lähmt die Arme! Tilgen wir die Staatsschuld durch Steuern. 30 Millionen Menschen werden doch die Millionen Schuld bezahlen können? Das Kapital trägt einen Hut und Rock, besteuern wir den Hut u. Rock und nehmen wir die Mützenträger u. Blusenmänner von den Steuern aus! Jeder, der einen Frack trägt, will der Deputirte Antoine, soll 100 Franken jährlich, der einen Rock 5 Fr. und der einen Hut 20 Fr. zahlen. Wäre der Hut und Frack wirklich das unterscheidende Merkmal des Kapitalisten, wie es der gute Antoine vermeint, wäre ferner der Rockträger Rock-Inhaber, so wäre das ein leichtes Mittel, den Kapitalisten zu treffen, und die Staatsschuld auf indirekte Weise zu tilgen, d h. ohne den Banquerut einzugestehen, und ohne geradezu einen Strich durch das „große Buch“, das Hauptbuch des Staates, zu machen. 100 Millionen in den Hüten, und mit jedem Jahre neue 100 Millionen, die jedes Mal auf's Neue aus den Hüten herausfallen, ohne der Fracks zu gedenken. Das ist gewiß eine schöne Einnahme. Wer will nicht sein Haupt mit einem Filze zieren, und wer zahlt nicht gerne 20 Fr. für den Filz auf seinem Haupte? Aber hier sind ungeheuer viele Fälle zu berücksichtigen. Zeigt wirklich der Filz den filzigen Kapitalisten an? Ist der nominelle Inhaber der wahre Besitzer des Filzes? und geht es nicht den Rockträgern, wie den Landbauern, welche Steuern für ein Land bezahlen, dessen wahrer Besitzer der Kapitalist ist? Weiter, wo hört der Ueberrock auf? wo fängt der Frack an? die langen und breiten Schöße, die man jetzt trägt, verlaufen sich dermaßen in den Ueberrock, daß man von Rechtswegen die Mode der Schwalbenschwänze wieder einführen müßte. Aber alles das sind nur Nebensachen; nicht zu gedenken der Schlafröcke, die über den Röcken, und der abgeschabten und durchlöcherten Röcke, die unter der Bluse stehn. Ich spreche ferner nicht von den verschiedenen Rock- und Blusengattungen, die ineinander hinüberspielen. Ich komme auf die Hauptsache. Es geht den meisten Rockträgern, wie es den Kleinbürgern im Juni erging. Gerade die Krämer und Fabrikanten, deren Kram und Fabrik schon durch Schulden den Wuchern verfallen waren, haben am heftigsten gegen die Juni-Insurgenten zur vermeintlichen Vertheidigung eines Krames gekämpft, der ihnen nicht mehr gehörte. Diejenigen, welche ihren Rock entweder noch schulden, oder im Leihhaus verzinset haben, sind diejenigen, die am meisten am Rocke halten, und welche die Steuer des Herrn Antoine doppelt treffen würde. Keiner hat mehr die Illusion des Eigenthums, keiner mehr den Genuß des Rockes, als derjenige, welcher nur den Nießbrauch davon hat, und für den Nießbrauch zahlen muß. Keiner hängt mehr am Rocke, als derjenige, welcher ihn im Leihhaus hängen hat. Man fühlt seinen Magen erst recht, wenn er krank ist; man fühlt seinen Rock erst, wenn er irgend eine Wunde erhalten hat. Diejenigen, denen der Rock nie gefehlt hat, sind so zu sagen geboren mit dem Rock; er ist mit ihnen innig verwachsen. Die Arbeiter dagegen in Paris, die genöthigt sind fast alle Montag den Rock zu versetzen, wissen recht eigentlich, was er bedeutet. Jedesmal, wenn sie ihn anziehen, fühlen sie wie einen Bindfaden, der ihn ihnen vom Leibe wegzieht. Sie haben das Bewußtsein des Rockes, sie müssen für ihn büßen, wenn sie ihn tragen, und sie tragen ihn die übrigen Tage in der Tasche, auf dem Papiere, dem Pfandscheine verschrieben. Und da sie ihre Anwartschaft auf den Rock in keinem Falle aufgeben möchten, so müssen sie doppelt zahlen, erstens die Zinsen für den Rock, den sie nicht tragen, blos um vermeintlicher Besitzer zu bleiben; zweitens die Steuer für den Rock, den sie eines Tages tragen könnten, obschon die Zinsen sich häufen, die Wahrscheinlichkeit des Einlösens sich täglich mindert, bis sie zuletzt durch den Verfall des Zettels gänzlich verschwindet. Der erste Fall ist das Ansichsein, der zweite das Fürsichsein des Rockes. Die eigentlichen Fashionables und namentlich die Kapitalisten haben gar keine Röcke; sie haben mit ihrem Schneider einen Contrakt gemacht, gemäß dem sie jährlich so viele Fräcke, Ueberröcke nach der neuesten Mode geliefert erhalten; und da die Moden ungeheuer schnell wechseln, so werden die zwei oder dreimal getragenen Röcke, wenn sie die erste Frische verloren haben, sogleich dem Schneider abgeliefert, der sie nach Amerika versendet. Daher der ungeheure Handel der marchands d'habits in Paris. Die eigentlichen Kapitalisten tragen also geliehene Röcke, für welche sie keine Steuer zu zahlen brauchen. Die Fonds, Hypotheken-Ausleiher, Wucherer haben alle keine Röcke, zahlen alle keine Steuer. Rothschild ist der Schneider aller Kapitalisten, die Kapitalisten sind wiederum die Schneider aller Fabrikanten, die Fabrikanten sind wiederum die Schneider aller Proletarier; und der Schneider aller Schneider, der Schneider Rothschild's ist England.

Nehmen wir statt der Röcke Matrazen; 160,000 Matrazen lie-

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      <titlePage type="heading">
        <titlePart type="main">Beilage zu Nr. 187 der Neuen Rheinischen Zeitung.</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
        <docImprint>
          <docDate>Freitag 5. Januar 1849.</docDate>
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        <head>[Deutschland]</head>
        <div xml:id="ar187b_001" type="jArticle">
          <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> bürgerliche Republikaner tritt plötzlich als <hi rendition="#g">Freihandelsmann</hi> auf. Er hat das aber bloß seiner blinden Liebe für das Wort Freiheit zu verdanken. Er will die Freiheit für Alle, also auch die Freiheit für den Handel. &#x201E;Wer für die Freiheit überhaupt wirkt, wirkt auch für den Handel.&#x201C;</p>
          <p>Der freie Handel ist freilich nur die Freiheit des Kapitals zur Ausbeutung und Vernichtung des Arbeiters. Aber weil Herr Karl Heinzen für &#x201E;<hi rendition="#g">die Freiheit überhaupt</hi>&#x201C; wirkt, so muß er auch für diese Freiheit wirken. Warum nicht auch für die Freiheit des russischen Autokraten?</p>
          <p>Ein Königreich für so einen kleinbürgerlich-republikanisch-revolutionären Freihandelsmann!</p>
        </div>
        <div xml:id="ar187b_002" type="jArticle">
          <head>Dresden, 29. Dezember.</head>
          <p>Die Partei des Vaterlandsvereins hat in Bezug auf die Wahlen zum Landtage, welcher den 10. Jan. seinen Anfang nehmen wird, einen überraschenden Triumph erlebt. Wenn man auch hoffen durfte, daß seine Kandidaten für die zweite Kammer größtentheils die Mehrzahl der Stimmen erhalten würden, so war dies doch in Bezug auf die Kandidaten für die erste Kammer sehr zweifelhaft, weil hierzu nur Ansässige wählen konnten, diese aber angeblich sich mehr zur Partei des deutschen Vereins neigen sollten. Allein gerade für die erste Kammer hat der deutsche Verein keinen einzigen Kandidaten, der Vaterlandsverein die seinigen sämmtlich durchgebracht.</p>
          <bibl>(Fr. J.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar187b_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>20</author></bibl>. Aus dem Reich.</head>
          <p>&#x201E;Wollen warten, was Hannover thut&#x201C;! sagen mehrere unserer geliebten Landesväter, die man zum Unterschied von den großen Propheten die kleinen nennt. &#x201E;Wollen Hannover abwarten,&#x201C; rufen sie denen zu, die um Verkündigung der sogenannten &#x201E;Grundrechte&#x201C; des Reichsvolkes bitten. So ist Hannover der Polarstern geworden, auf den die kleinen deutschen Schiffer &#x201E;von Gottes Gnaden&#x201C; erwartungsvoll und verwandten Auges hinblicken.</p>
          <p>Unser Reichsvater, der Großherzog von Kleinrußland, früher unter dem Namen Nassau bekannt, hatte es seit dem März 1848 jeden Tag bitterlich empfunden, daß ihm während des unfreundlichen Frühlings die &#x201E;Gottes Gnade&#x201C; abhanden gekommen. Der St. Petersburger Vetter hatte ihn arg deswegen geuzt und unser geliebter Reichsrusse hatte sich's vorgenommen, den großrussischen Sticheleien ein Ende zu machen. Dies hat er gethan. Der nassauische (offizielle) &#x201E;Landeskalender&#x201C; mußte ihn wieder bis &#x201E;von Gottes Gnaden&#x201C; avanciren. Drum nimmt sich dieser Landeskalender heuer auch wiederum ganz lieblich aus. Nun sind wir auch wieder froh und guter Dinge und brauchen uns als deutsche Kleinrussen neben den übrigen Reichsschaafen nicht mehr zu schämen, indem uns das Vorrecht, blos &#x201E;von Gottes Gnaden&#x201C; geschoren zu werden, allerhuldreichst, wie Figura zeigt, zurückgegeben worden. Ach! zu dieser Wonne im tiefgerührten Herzen unsres Landesvaters gesellt sich der auf russisch blos durch die Knute aussprechbare Weltschmerz, daß wegen &#x2014; &#x2014; &#x2014; Insubordination das erste Infanterie-Regiment hat aufgelöst werden müssen. Auflösung eines Regiments in dem Augenblicke, wo allnächtlich das ganze großherzogliche Schloß von den &#x201E;rothen Hosen&#x201C; &#x2014; im Traum &#x2014; angefüllt wird? Von rothen Hosen, die sich in noch schrecklichere &#x201E;Ohnehosen&#x201C; verwandeln? Was sollen unsre keuschen Reichsprinzessinnen davon denken, wenn ihnen das Nämliche oder noch Schlimmeres, als dem geliebten männlichen Landesvater, träumt? Was ist zu thun? Unser landesväterlicher Kleinrusse ist in dieser Beziehung kein so dummer Kerl. Zum Ersatz der aufgelösten und zur Herbeischaffung neuer Reichssoldaten läßt er 1600 Rekruten statt im April schon jetzt im Januar einziehen und kann nun, falls er nicht Reichskaiser wird, ohne Furcht weiter träumen.</p>
          <p>Die Firma Eisele und Beisele ist aufgelöst; wir zeigen dies allen Geschäftsfreunden im Reich hiermit ergebenst an. Herr Beisele, vulgär Herr von Beisler geheißen, ist kaum aus dem Reich nach <hi rendition="#g">München</hi> zurückgekehrt und alsbald bringt er das Jahr 1848 für das liebliche Reichsbierbaiern zu einem würdigen Abschluß &#x2014; durch Uebernahme des Ministeriums des Innern und Beendigung der Ministercrisis (bis zur nächsten im neuen Jahre). Im neuen Jahre will Herr von Abel zum Kain am Reichsbeisele werden. Er hat's geschworen bei Maxen's Barte &#x201E;von Gottes Gnaden&#x201C;.</p>
          <p>Die Annalen des Reichs werden im Jahre 1849 den merkwürdigsten Zuwachs erhalten. Wichtiges bereitet sich vor. Vorläufig verrathen wir nur so viel, daß die braven &#x201E;Borger&#x201C; der Reichsstadt Frankfurt ihrem Militär binnen 14 Tagen Waffenrock und Pickelhaube einbescheeren wollen. Bei der sonstigen Plattheit dieser &#x201E;Borger&#x201C; und ihrer Central-Reichs-Witzlosigkeit kann endlich einmal eine Pointe nichts schaden!</p>
          <p>Soweit wäre alles ganz gut, aber denken Sie sich, die treuen &#x201E;Gothaner&#x201C; sollen Exzesse gegen die Reichstruppen begangen haben. Ist dies wirklich der Fall, so möge ihnen die deutsche Vorsehung einige märkische, wasserpolackische oder andere preußische ausgehungerte Bataillone auf den Hals senden, damit letztere sich auf Kosten widerborstig gewordener Reichsbürger ein wenig auffüttern können.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar187b_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Schleswig, 30. Dezbr.</head>
          <p>Die Landesversammlung hat sich heute vertagt. Ihre diesmalige Sitzung war also sehr kurz. Das Büreau hat den Auftrag, die Versammlung je nach Erforderniß einzuberufen. Dies wird schwerlich vor März geschehen.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Italien.</head>
        <div xml:id="ar187b_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Palermo, 19. Dez.</head>
          <p>Die Deputirtenkammer hat das vom Minister des Auswärtigen vorgelegte Dekret über den Anschluß Siciliens an die italienische Constituante nach einer langen Diskussion genehmigt. &#x2014; General Antonini, kaum in Sicilien angekommen, ist sofort zum Generalinspektor der sicilianischen Armee ernannt worden. Er bereist jetzt in dieser Eigenschaft die Insel, und läßt die zur Vertheidigung geeigneten Punkte der Küste befestigen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar187b_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Neapel, 20. Dez.</head>
          <p>Die neapolitanische Armee wird in wenigen Tagen auf 120,000 Mann angewachsen sein. Auch die Rüstungen zur See dauern fort.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar187b_007" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Civita-Vecchia, 20. Dez.</head>
          <p>Der &#x201E;Tenare,&#x201C; von Gaeta kommend, ist in unserm Hafen eingetroffen, und es heißt, daß er den Pabst an Bord hat. Niemand darf sich dem Schiffe nähern, welches ein anderes englisches Dampfschiff zum Schutze neben sich liegen hat. Der Kardinal Perretti ist mit seinem Almosenier inkognito zu Civita-Vecchia angekommen, um nach Gaeta zurückzukehren.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar187b_008" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Modena, 22. Dezbr.</head>
          <p>In Folge eines Befehls unsres Herzogs, wodurch er die Juden, die Arbeiter und die Fremden aus Modena ausweist, hat sich die hiesige Nationalgarde en masse aufgelöst.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar187b_009" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Mantua, 21. Dezbr.</head>
          <p>Hier werden alle Vorbereitungen für den Krieg getroffen. Zu Curtatone arbeiten 800 Oestreicher an den Befestigungen. Man droht uns mit einer Requisition von 700 Ochsen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar187b_010" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Genua, 25. Dezbr.</head>
          <p>Gestern hatten wir hier eine großartige konstitutionelle Demonstration. Die Massen begaben sich mit Fahnen vor das Hotel des Ministers Buffe, der vom Balkon herab eine Rede an sie hielt.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar187b_011" type="jArticle">
          <head>
            <bibl>
              <author>68</author>
            </bibl>
          </head>
          <p>Unter der Ueberschrift: &#x201E;Wie liegt die italienische Frage nach dem Rücktritte General Cavaignac's und Herrn Bastide's&#x201C; bringt die &#x201E;Presse&#x201C; vom 2. Januar eine erste &#x201E;Communication&#x201C;, die sich hauptsächlich die Vertheidigung Lamartine's in Bezug auf das jammervolle Verhalten der provisorischen Regierung zur italienischen Fräge angelegen sein läßt. Die Logik des Herrn de Girardin zeigt sich dabei ungemein schwach. Herr de Girardin kann nicht wohl umhin, die Italien betreffende Stelle in Lamartine's Manifest vom 4. März (&#x201E;Wenn die <hi rendition="#g">unabhängigen</hi> Staaten Italiens angegriffen würden; wenn man ihrer inneren Umbildung Grenzen setzen oder Hindernisse in den Weg legen wollte; wenn man ihnen mit bewaffneter Hand das Recht bestritte, zur Festigung eines italienischen Vaterlandes unter sich zu vereinigen: so würde auch die französische Republik sich für ermächtigt halten, diese legitimen Bewegungen des Wachsens und der Nationalität der Völker mit bewaffneter Hand zu schützen.&#x201C;) und der Passus in einer spätern Rede des schönsprechenden Dichters: &#x201E;Wenn ein Ruf über die Alpen an uns erklungen wäre, so würden wir augenblicklich französische Truppen zum Schutze der italienischen Unabhängigkeit abgeschickt haben,&#x201C; anzuführen: Alles, was er sagen kann, um sie mit dem Nicht-Einschreiten Frankreichs einigermaßen zu versöhnen, ist: daß der Redepassus dem Dichter-Staatsmann in der &#x201E;Hitze der Improvisation&#x201C; entschlüpft, und daß im Manifest ja nur von den <hi rendition="#g">unabhängigen</hi> Staaten Italiens die Rede sei. Die Vertheidigung ist schwach, wie der Schwächling, der sie rein zu waschen strebt. Die Lombardei war natürlich ein <hi rendition="#g">abhängiger</hi> Staat.</p>
        </div>
      </div>
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        <head>Französische Republik.</head>
        <div xml:id="ar187b_012" type="jArticle">
          <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 2. Jan.</head>
          <p>Die Dinge werden mit jedem Tag heiterer, komischer. Die stoische Tugend des Herrn von Malleville und seine Beharrlichkeit, dem Präsidenten Napoleon die Aktenstücke nicht herauszugeben über den damaligen Heldenstreich L. Napoleons haben ihren guten Grund. Malleville war damals Minister des Innern unter Thiers; er selbst hatte in Abwesenheit des Ministers unsern Helden und jetzigen Präsidenten arretiren lassen: er war also bei der Abfassung dieser Protokolle großentheils betheiligt. Dann aber auch erstrecken sich diese Aktenstücke nicht allein auf die Geschichte von Straßburg, sondern sie bestehen aus Berichten bis zum 24. Februar von zwei Polizei-Sergeanten, die von Louis Philipp bezahlt wurden, damit sie Napoleon auf Schritt und Tritt nachfolgten, und von seinen geringsten Handlungen Rechenschaft abstatteten. Alles dieses bildet einen ganzen Papierstoß, der in einer eisernen Kiste, unter Schloß, Riegel und Siegel im Ministerium des Innern aufbewahrt wird. Warum aber Napoleon so sehr auf die Herausgabe dieser Papiere dringt? Nach der Komödie von Straßburg kam die von Toulouse, die nur eine Wiederholung der erstern war. Wenn man nun weiß, welche Rolle Thiers bei der Herzogin von Berry gespielt hat, so kann man leicht auf den Gedanken kommen, daß derselbe Thiers dieselbe Rolle in der Geschichte von Boulogne wiederholt und den armen Tropf Napoleon in die Schlinge gelockt habe. Wenn man nun ferner weiß, daß wie damals, so auch jetzt Napoleon den Thiers gerne zum Minister gehabt hätte, so versteht man, wie sehr ersterm daran gelegen sein muß, seine Freunde von seinen Feinden unterscheiden zu lernen. Wie dem aber auch sein mag, Louis Napoleon hat sich von einer neuen Seite gezeigt; denn in dem Briefe, den er an Malleville schreibt, sagt er: Sachen der Art wurden so unter Louis Philipp abgemacht; Mein Wille ist, daß ein gleiches Verfahren unter mir beobachtet werde.</p>
          <p>Der Ministerwechsel, der beiläufig gesagt, noch nicht zu Ende ist, (denn man will Dufaure in's Ministerium hineinziehen) wird der Gegenstand von Interpellationen in der Kammer werden. Die Sitzung wird eine der wichtigsten und kann eine der skandalösesten werden, wenn die Deputirten sich nicht beständig zuzurufen schienen: Leise, leise, nur keinen Skandal gemacht; das Juni-Gespenst möchte aufwachen! Von der andern Seite hat die Kammer Furcht, man möchte sie fortschicken; denn immer stellt es sich deutlicher heraus, daß die Konstituante mit ihren 900 Mitgliedern, die 8 Minister in ihrem beständigem Wechsel, und der Präsident mit seinem noch nicht ernannten Appendix, dem Vicepräsidenten, nicht über 24 Stunden in Frieden neben einander leben können. Von diesen drei Gewalten wird wenigstens Eine, möglicher Weise aber 2 verabschiedet werden: und wenn es gut geht, werden sie binnen Kurzem alle drei den Abschied erhalten. Indessen freut sich der neue Präsident seines neuen Amtes: er hat gestern das diplomatische Korps von allen Mächten der Erde empfangen, mit dem Nuncius an der Spitze; des russische Gesandte hat allein gefehlt. Napoleon hat jedem der Gesandten in seiner Landessprache geantwortet, und es soll ihm gelungen sein, auf deutsch, französisch, italienisch und englisch sich zu kompromittiren: in keiner von diesen vier Sprachen ist es ihm gelungen, ein einziges kluges Wort zum Vorschein zu bringen.</p>
        </div>
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          <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 2. Jan.</head>
          <p>Wir haben uns getäuscht. Wir haben in dem vorletzten Artikel gesagt: Napoleon und Rothschild! Es muß heißen: <hi rendition="#g">Napoleon und Karl Braunschweig</hi>. Ja, Braunschweig, der Ex-Herzog von Braunschweig, muß an die Stelle Rothschilds treten. Vor der Wahl des Prinzen Napoleon zum Präsidenten hat man beständig gefragt: wo nimmt der Kerl das Geld her? Man hat von Rußland gesprochen, von Holland und Brabant, da hören wir auf einmal, daß ihm aus einer Quelle Geld geflossen, die Niemand geahnt, daß Napoleon einen Freund besessen, wie selten Menschen sich dessen rühmen können: der Herzog von Braunschweig hat dem Napoleon 25,000 Pfund Sterling vor der Wahl vorgeschossen. Napoleon und Braunschweig, Orestes und Pylades, beide durch gemeinsames Unglück erprobt, in London gleiches Schicksal theilend: beide, verkommene Prinzen, sind in London in den hotels garnis herumgefahren, oder haben als Eonstabler gedient. Braunschweig hat dem Napoleon im Unglück beigestanden, Napoleon will, daß Braunschweig sein Glück theile. Braunschweig geht nach Paris und hat bereits seine Londoner Zeitung verkauft.</p>
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          <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 2. Jan.</head>
          <p>Man muß die erste Zeit nach der Februar-Revolution in Paris gewesen sein, um sich einen Begriff machen zu können von den Tausend und abermal Tausenden von Plänen, die damals in dem Gehirne von Tausenden von Franzosen auftauchten, zur Beglückung des menschlichen Geschlechtes. Der Staat lag so aufgelößt da, die Verhältnisse waren vermeintlicher Weise so los, so brach geworden, daß jeder Beglücker des Menschengeschlechtes nur seinen Kreis von Wünschen und frühern Plänen auszusäen brauchte, um sogleich die aufgelöste Gesellschaft zu reguliren. Als Form aller dieser Pläne, wie sie als Probleme, Postulata u. s. w. an's Tageslicht traten, kann folgendes Formular betrachtet werden: Gegeben ist ein Mensch mit allen seinen &#x201E;natürlichen Bedürfnissen.&#x201C; Es soll eine gesellschaftliche Ordnung gefunden werden, in welcher alle diese natürlichen menschlichen Bedürfnisse Befriedigung erhalten. Wie diese Bedürfnisse mit der Erzeugung der Bedürfnisse, die Erzeugung mit der Produktionsweise, die Produktionsweise mit der ganzen bürgerlich-politischen Staatsform zusammenhing, wie zwischen allem diesen die Staatsschuld, die Hypothek u. s. w. durchspielt, und wie alles dieses Zusammenhängende sowohl wie das Durchspielende wieder mit England, und England wieder mit dem Weltmarkt und der Weltmarkt mit der ganzen Welt zusammenhängt, wie der &#x201E;gegebene Mensch&#x201C; sammt seinen &#x201E;natürlichen Bedürfnissen&#x201C; von allen diesen Dingen abhängt und aus ihnen geschaffen wird, das sahen die &#x201E;Reformatoren&#x201C; des menschlichen Geschlechtes nicht. England existirte für sie nicht; ja die Staatsschuld u. s. w. ließen sie auf dem &#x201E;Menschen&#x201C; haften. Also das obenstehende Problem lautet in der richtigen Uebersetzung folgendermaßen: Gegeben ist ein Franzose mit der Staatsschuld, mit den Hypotheken, und mit den natürlichen resp. französischen Bedürfnissen in den verschiedenen Ständen und Klassen: es soll gefunden werden ein Mensch, Civilisations-Mensch, der ungeachtet des Fortbestehens der Staatsschuld, der Hypotheken u. s. w. keine Hypotheken zu zahlen, und ungeachtet aller Einflüsse von England und der Colonieen, aus denen die Gegenstände zur Befriedigung seiner &#x201E;civilisirten&#x201C; Bedürfnisse herkommen, dennoch diese Bedürfnisse ohne England u. s. w. befriedigen kann. Wir sehn das Unsinnige aller dieser Probleme aus ihrer Fassungsweise. Ueberhaupt sahen die Franzosen nur Frankreich und dachten bei der Arbeits-Frage: jeder Franzose hat so und so viel Kapital in seinen Armen, was geht uns das Kapital als solches an? Man weiß wie das Kapital als solches die Arme der Franzosen in jeder Hinsicht gelähmt hat; aber das hält sie nicht ab, weiter in ihren Projekten zu gehn. Die Staatsschuld lähmt die Arme! Tilgen wir die Staatsschuld durch Steuern. 30 Millionen Menschen werden doch die Millionen Schuld bezahlen können? Das Kapital trägt einen Hut und Rock, besteuern wir den Hut u. Rock und nehmen wir die Mützenträger u. Blusenmänner von den Steuern aus! Jeder, der einen Frack trägt, will der Deputirte Antoine, soll 100 Franken jährlich, der einen Rock 5 Fr. und der einen Hut 20 Fr. zahlen. Wäre der Hut und Frack wirklich das unterscheidende Merkmal des Kapitalisten, wie es der gute Antoine vermeint, wäre ferner der Rockträger Rock-Inhaber, so wäre das ein leichtes Mittel, den Kapitalisten zu treffen, und die Staatsschuld auf indirekte Weise zu tilgen, d h. ohne den Banquerut einzugestehen, und ohne geradezu einen Strich durch das &#x201E;große Buch&#x201C;, das Hauptbuch des Staates, zu machen. 100 Millionen in den Hüten, und mit jedem Jahre neue 100 Millionen, die jedes Mal auf's Neue aus den Hüten herausfallen, ohne der Fracks zu gedenken. Das ist gewiß eine schöne Einnahme. Wer will nicht sein Haupt mit einem Filze zieren, und wer zahlt nicht gerne 20 Fr. für den Filz auf seinem Haupte? Aber hier sind ungeheuer viele Fälle zu berücksichtigen. Zeigt wirklich der Filz den <hi rendition="#g">filzigen</hi> Kapitalisten an? Ist der nominelle Inhaber der wahre Besitzer des Filzes? und geht es nicht den Rockträgern, wie den Landbauern, welche Steuern für ein Land bezahlen, dessen wahrer Besitzer der Kapitalist ist? Weiter, wo hört der Ueberrock auf? wo fängt der Frack an? die langen und breiten Schöße, die man jetzt trägt, verlaufen sich dermaßen in den Ueberrock, daß man von Rechtswegen die Mode der Schwalbenschwänze wieder einführen müßte. Aber alles das sind nur Nebensachen; nicht zu gedenken der Schlafröcke, die über den Röcken, und der abgeschabten und durchlöcherten Röcke, die unter der Bluse stehn. Ich spreche ferner nicht von den verschiedenen Rock- und Blusengattungen, die ineinander hinüberspielen. Ich komme auf die Hauptsache. Es geht den meisten Rockträgern, wie es den Kleinbürgern im Juni erging. Gerade die Krämer und Fabrikanten, deren Kram und Fabrik schon durch Schulden den Wuchern verfallen waren, haben am heftigsten gegen die Juni-Insurgenten zur vermeintlichen Vertheidigung eines Krames gekämpft, der ihnen nicht mehr gehörte. Diejenigen, welche ihren Rock entweder noch schulden, oder im Leihhaus verzinset haben, sind diejenigen, die am meisten am Rocke halten, und welche die Steuer des Herrn Antoine doppelt treffen würde. Keiner hat mehr die Illusion des Eigenthums, keiner mehr den Genuß des Rockes, als derjenige, welcher nur den Nießbrauch davon hat, und für den Nießbrauch zahlen muß. Keiner hängt mehr am Rocke, als derjenige, welcher ihn im Leihhaus hängen hat. Man fühlt seinen Magen erst recht, wenn er krank ist; man fühlt seinen Rock erst, wenn er irgend eine Wunde erhalten hat. Diejenigen, denen der Rock nie gefehlt hat, sind so zu sagen geboren mit dem Rock; er ist mit ihnen innig verwachsen. Die Arbeiter dagegen in Paris, die genöthigt sind fast alle Montag den Rock zu versetzen, wissen recht eigentlich, was er bedeutet. Jedesmal, wenn sie ihn anziehen, fühlen sie wie einen Bindfaden, der ihn ihnen vom Leibe wegzieht. Sie haben das Bewußtsein des Rockes, sie müssen für ihn büßen, wenn sie ihn tragen, und sie tragen ihn die übrigen Tage in der Tasche, auf dem Papiere, dem Pfandscheine verschrieben. Und da sie ihre Anwartschaft auf den Rock in keinem Falle aufgeben möchten, so müssen sie doppelt zahlen, erstens die Zinsen für den Rock, den sie nicht tragen, blos um vermeintlicher Besitzer zu bleiben; zweitens die Steuer für den Rock, den sie eines Tages tragen könnten, obschon die Zinsen sich häufen, die Wahrscheinlichkeit des Einlösens sich täglich mindert, bis sie zuletzt durch den Verfall des Zettels gänzlich verschwindet. Der erste Fall ist das Ansichsein, der zweite das Fürsichsein des Rockes. Die eigentlichen Fashionables und namentlich die Kapitalisten haben gar keine Röcke; sie haben mit ihrem Schneider einen Contrakt gemacht, gemäß dem sie jährlich so viele Fräcke, Ueberröcke nach der neuesten Mode geliefert erhalten; und da die Moden ungeheuer schnell wechseln, so werden die zwei oder dreimal getragenen Röcke, wenn sie die erste Frische verloren haben, sogleich dem Schneider abgeliefert, der sie nach Amerika versendet. Daher der ungeheure Handel der marchands d'habits in Paris. Die eigentlichen Kapitalisten tragen also geliehene Röcke, für welche sie keine Steuer zu zahlen brauchen. Die Fonds, Hypotheken-Ausleiher, Wucherer haben alle keine Röcke, zahlen alle keine Steuer. Rothschild ist der Schneider aller Kapitalisten, die Kapitalisten sind wiederum die Schneider aller Fabrikanten, die Fabrikanten sind wiederum die Schneider aller Proletarier; und der Schneider aller Schneider, der Schneider Rothschild's ist England.</p>
          <p>Nehmen wir statt der Röcke Matrazen; 160,000 Matrazen lie-
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[1011/0001] Beilage zu Nr. 187 der Neuen Rheinischen Zeitung. Organ der Demokratie. Freitag 5. Januar 1849. [Deutschland] [Fortsetzung] bürgerliche Republikaner tritt plötzlich als Freihandelsmann auf. Er hat das aber bloß seiner blinden Liebe für das Wort Freiheit zu verdanken. Er will die Freiheit für Alle, also auch die Freiheit für den Handel. „Wer für die Freiheit überhaupt wirkt, wirkt auch für den Handel.“ Der freie Handel ist freilich nur die Freiheit des Kapitals zur Ausbeutung und Vernichtung des Arbeiters. Aber weil Herr Karl Heinzen für „die Freiheit überhaupt“ wirkt, so muß er auch für diese Freiheit wirken. Warum nicht auch für die Freiheit des russischen Autokraten? Ein Königreich für so einen kleinbürgerlich-republikanisch-revolutionären Freihandelsmann! Dresden, 29. Dezember. Die Partei des Vaterlandsvereins hat in Bezug auf die Wahlen zum Landtage, welcher den 10. Jan. seinen Anfang nehmen wird, einen überraschenden Triumph erlebt. Wenn man auch hoffen durfte, daß seine Kandidaten für die zweite Kammer größtentheils die Mehrzahl der Stimmen erhalten würden, so war dies doch in Bezug auf die Kandidaten für die erste Kammer sehr zweifelhaft, weil hierzu nur Ansässige wählen konnten, diese aber angeblich sich mehr zur Partei des deutschen Vereins neigen sollten. Allein gerade für die erste Kammer hat der deutsche Verein keinen einzigen Kandidaten, der Vaterlandsverein die seinigen sämmtlich durchgebracht. (Fr. J.) 20 . Aus dem Reich. „Wollen warten, was Hannover thut“! sagen mehrere unserer geliebten Landesväter, die man zum Unterschied von den großen Propheten die kleinen nennt. „Wollen Hannover abwarten,“ rufen sie denen zu, die um Verkündigung der sogenannten „Grundrechte“ des Reichsvolkes bitten. So ist Hannover der Polarstern geworden, auf den die kleinen deutschen Schiffer „von Gottes Gnaden“ erwartungsvoll und verwandten Auges hinblicken. Unser Reichsvater, der Großherzog von Kleinrußland, früher unter dem Namen Nassau bekannt, hatte es seit dem März 1848 jeden Tag bitterlich empfunden, daß ihm während des unfreundlichen Frühlings die „Gottes Gnade“ abhanden gekommen. Der St. Petersburger Vetter hatte ihn arg deswegen geuzt und unser geliebter Reichsrusse hatte sich's vorgenommen, den großrussischen Sticheleien ein Ende zu machen. Dies hat er gethan. Der nassauische (offizielle) „Landeskalender“ mußte ihn wieder bis „von Gottes Gnaden“ avanciren. Drum nimmt sich dieser Landeskalender heuer auch wiederum ganz lieblich aus. Nun sind wir auch wieder froh und guter Dinge und brauchen uns als deutsche Kleinrussen neben den übrigen Reichsschaafen nicht mehr zu schämen, indem uns das Vorrecht, blos „von Gottes Gnaden“ geschoren zu werden, allerhuldreichst, wie Figura zeigt, zurückgegeben worden. Ach! zu dieser Wonne im tiefgerührten Herzen unsres Landesvaters gesellt sich der auf russisch blos durch die Knute aussprechbare Weltschmerz, daß wegen — — — Insubordination das erste Infanterie-Regiment hat aufgelöst werden müssen. Auflösung eines Regiments in dem Augenblicke, wo allnächtlich das ganze großherzogliche Schloß von den „rothen Hosen“ — im Traum — angefüllt wird? Von rothen Hosen, die sich in noch schrecklichere „Ohnehosen“ verwandeln? Was sollen unsre keuschen Reichsprinzessinnen davon denken, wenn ihnen das Nämliche oder noch Schlimmeres, als dem geliebten männlichen Landesvater, träumt? Was ist zu thun? Unser landesväterlicher Kleinrusse ist in dieser Beziehung kein so dummer Kerl. Zum Ersatz der aufgelösten und zur Herbeischaffung neuer Reichssoldaten läßt er 1600 Rekruten statt im April schon jetzt im Januar einziehen und kann nun, falls er nicht Reichskaiser wird, ohne Furcht weiter träumen. Die Firma Eisele und Beisele ist aufgelöst; wir zeigen dies allen Geschäftsfreunden im Reich hiermit ergebenst an. Herr Beisele, vulgär Herr von Beisler geheißen, ist kaum aus dem Reich nach München zurückgekehrt und alsbald bringt er das Jahr 1848 für das liebliche Reichsbierbaiern zu einem würdigen Abschluß — durch Uebernahme des Ministeriums des Innern und Beendigung der Ministercrisis (bis zur nächsten im neuen Jahre). Im neuen Jahre will Herr von Abel zum Kain am Reichsbeisele werden. Er hat's geschworen bei Maxen's Barte „von Gottes Gnaden“. Die Annalen des Reichs werden im Jahre 1849 den merkwürdigsten Zuwachs erhalten. Wichtiges bereitet sich vor. Vorläufig verrathen wir nur so viel, daß die braven „Borger“ der Reichsstadt Frankfurt ihrem Militär binnen 14 Tagen Waffenrock und Pickelhaube einbescheeren wollen. Bei der sonstigen Plattheit dieser „Borger“ und ihrer Central-Reichs-Witzlosigkeit kann endlich einmal eine Pointe nichts schaden! Soweit wäre alles ganz gut, aber denken Sie sich, die treuen „Gothaner“ sollen Exzesse gegen die Reichstruppen begangen haben. Ist dies wirklich der Fall, so möge ihnen die deutsche Vorsehung einige märkische, wasserpolackische oder andere preußische ausgehungerte Bataillone auf den Hals senden, damit letztere sich auf Kosten widerborstig gewordener Reichsbürger ein wenig auffüttern können. * Schleswig, 30. Dezbr. Die Landesversammlung hat sich heute vertagt. Ihre diesmalige Sitzung war also sehr kurz. Das Büreau hat den Auftrag, die Versammlung je nach Erforderniß einzuberufen. Dies wird schwerlich vor März geschehen. Italien. * Palermo, 19. Dez. Die Deputirtenkammer hat das vom Minister des Auswärtigen vorgelegte Dekret über den Anschluß Siciliens an die italienische Constituante nach einer langen Diskussion genehmigt. — General Antonini, kaum in Sicilien angekommen, ist sofort zum Generalinspektor der sicilianischen Armee ernannt worden. Er bereist jetzt in dieser Eigenschaft die Insel, und läßt die zur Vertheidigung geeigneten Punkte der Küste befestigen. * Neapel, 20. Dez. Die neapolitanische Armee wird in wenigen Tagen auf 120,000 Mann angewachsen sein. Auch die Rüstungen zur See dauern fort. * Civita-Vecchia, 20. Dez. Der „Tenare,“ von Gaeta kommend, ist in unserm Hafen eingetroffen, und es heißt, daß er den Pabst an Bord hat. Niemand darf sich dem Schiffe nähern, welches ein anderes englisches Dampfschiff zum Schutze neben sich liegen hat. Der Kardinal Perretti ist mit seinem Almosenier inkognito zu Civita-Vecchia angekommen, um nach Gaeta zurückzukehren. * Modena, 22. Dezbr. In Folge eines Befehls unsres Herzogs, wodurch er die Juden, die Arbeiter und die Fremden aus Modena ausweist, hat sich die hiesige Nationalgarde en masse aufgelöst. * Mantua, 21. Dezbr. Hier werden alle Vorbereitungen für den Krieg getroffen. Zu Curtatone arbeiten 800 Oestreicher an den Befestigungen. Man droht uns mit einer Requisition von 700 Ochsen. * Genua, 25. Dezbr. Gestern hatten wir hier eine großartige konstitutionelle Demonstration. Die Massen begaben sich mit Fahnen vor das Hotel des Ministers Buffe, der vom Balkon herab eine Rede an sie hielt. 68 Unter der Ueberschrift: „Wie liegt die italienische Frage nach dem Rücktritte General Cavaignac's und Herrn Bastide's“ bringt die „Presse“ vom 2. Januar eine erste „Communication“, die sich hauptsächlich die Vertheidigung Lamartine's in Bezug auf das jammervolle Verhalten der provisorischen Regierung zur italienischen Fräge angelegen sein läßt. Die Logik des Herrn de Girardin zeigt sich dabei ungemein schwach. Herr de Girardin kann nicht wohl umhin, die Italien betreffende Stelle in Lamartine's Manifest vom 4. März („Wenn die unabhängigen Staaten Italiens angegriffen würden; wenn man ihrer inneren Umbildung Grenzen setzen oder Hindernisse in den Weg legen wollte; wenn man ihnen mit bewaffneter Hand das Recht bestritte, zur Festigung eines italienischen Vaterlandes unter sich zu vereinigen: so würde auch die französische Republik sich für ermächtigt halten, diese legitimen Bewegungen des Wachsens und der Nationalität der Völker mit bewaffneter Hand zu schützen.“) und der Passus in einer spätern Rede des schönsprechenden Dichters: „Wenn ein Ruf über die Alpen an uns erklungen wäre, so würden wir augenblicklich französische Truppen zum Schutze der italienischen Unabhängigkeit abgeschickt haben,“ anzuführen: Alles, was er sagen kann, um sie mit dem Nicht-Einschreiten Frankreichs einigermaßen zu versöhnen, ist: daß der Redepassus dem Dichter-Staatsmann in der „Hitze der Improvisation“ entschlüpft, und daß im Manifest ja nur von den unabhängigen Staaten Italiens die Rede sei. Die Vertheidigung ist schwach, wie der Schwächling, der sie rein zu waschen strebt. Die Lombardei war natürlich ein abhängiger Staat. Französische Republik. 12 Paris, 2. Jan. Die Dinge werden mit jedem Tag heiterer, komischer. Die stoische Tugend des Herrn von Malleville und seine Beharrlichkeit, dem Präsidenten Napoleon die Aktenstücke nicht herauszugeben über den damaligen Heldenstreich L. Napoleons haben ihren guten Grund. Malleville war damals Minister des Innern unter Thiers; er selbst hatte in Abwesenheit des Ministers unsern Helden und jetzigen Präsidenten arretiren lassen: er war also bei der Abfassung dieser Protokolle großentheils betheiligt. Dann aber auch erstrecken sich diese Aktenstücke nicht allein auf die Geschichte von Straßburg, sondern sie bestehen aus Berichten bis zum 24. Februar von zwei Polizei-Sergeanten, die von Louis Philipp bezahlt wurden, damit sie Napoleon auf Schritt und Tritt nachfolgten, und von seinen geringsten Handlungen Rechenschaft abstatteten. Alles dieses bildet einen ganzen Papierstoß, der in einer eisernen Kiste, unter Schloß, Riegel und Siegel im Ministerium des Innern aufbewahrt wird. Warum aber Napoleon so sehr auf die Herausgabe dieser Papiere dringt? Nach der Komödie von Straßburg kam die von Toulouse, die nur eine Wiederholung der erstern war. Wenn man nun weiß, welche Rolle Thiers bei der Herzogin von Berry gespielt hat, so kann man leicht auf den Gedanken kommen, daß derselbe Thiers dieselbe Rolle in der Geschichte von Boulogne wiederholt und den armen Tropf Napoleon in die Schlinge gelockt habe. Wenn man nun ferner weiß, daß wie damals, so auch jetzt Napoleon den Thiers gerne zum Minister gehabt hätte, so versteht man, wie sehr ersterm daran gelegen sein muß, seine Freunde von seinen Feinden unterscheiden zu lernen. Wie dem aber auch sein mag, Louis Napoleon hat sich von einer neuen Seite gezeigt; denn in dem Briefe, den er an Malleville schreibt, sagt er: Sachen der Art wurden so unter Louis Philipp abgemacht; Mein Wille ist, daß ein gleiches Verfahren unter mir beobachtet werde. Der Ministerwechsel, der beiläufig gesagt, noch nicht zu Ende ist, (denn man will Dufaure in's Ministerium hineinziehen) wird der Gegenstand von Interpellationen in der Kammer werden. Die Sitzung wird eine der wichtigsten und kann eine der skandalösesten werden, wenn die Deputirten sich nicht beständig zuzurufen schienen: Leise, leise, nur keinen Skandal gemacht; das Juni-Gespenst möchte aufwachen! Von der andern Seite hat die Kammer Furcht, man möchte sie fortschicken; denn immer stellt es sich deutlicher heraus, daß die Konstituante mit ihren 900 Mitgliedern, die 8 Minister in ihrem beständigem Wechsel, und der Präsident mit seinem noch nicht ernannten Appendix, dem Vicepräsidenten, nicht über 24 Stunden in Frieden neben einander leben können. Von diesen drei Gewalten wird wenigstens Eine, möglicher Weise aber 2 verabschiedet werden: und wenn es gut geht, werden sie binnen Kurzem alle drei den Abschied erhalten. Indessen freut sich der neue Präsident seines neuen Amtes: er hat gestern das diplomatische Korps von allen Mächten der Erde empfangen, mit dem Nuncius an der Spitze; des russische Gesandte hat allein gefehlt. Napoleon hat jedem der Gesandten in seiner Landessprache geantwortet, und es soll ihm gelungen sein, auf deutsch, französisch, italienisch und englisch sich zu kompromittiren: in keiner von diesen vier Sprachen ist es ihm gelungen, ein einziges kluges Wort zum Vorschein zu bringen. 12 Paris, 2. Jan. Wir haben uns getäuscht. Wir haben in dem vorletzten Artikel gesagt: Napoleon und Rothschild! Es muß heißen: Napoleon und Karl Braunschweig. Ja, Braunschweig, der Ex-Herzog von Braunschweig, muß an die Stelle Rothschilds treten. Vor der Wahl des Prinzen Napoleon zum Präsidenten hat man beständig gefragt: wo nimmt der Kerl das Geld her? Man hat von Rußland gesprochen, von Holland und Brabant, da hören wir auf einmal, daß ihm aus einer Quelle Geld geflossen, die Niemand geahnt, daß Napoleon einen Freund besessen, wie selten Menschen sich dessen rühmen können: der Herzog von Braunschweig hat dem Napoleon 25,000 Pfund Sterling vor der Wahl vorgeschossen. Napoleon und Braunschweig, Orestes und Pylades, beide durch gemeinsames Unglück erprobt, in London gleiches Schicksal theilend: beide, verkommene Prinzen, sind in London in den hotels garnis herumgefahren, oder haben als Eonstabler gedient. Braunschweig hat dem Napoleon im Unglück beigestanden, Napoleon will, daß Braunschweig sein Glück theile. Braunschweig geht nach Paris und hat bereits seine Londoner Zeitung verkauft. 12 Paris, 2. Jan. Man muß die erste Zeit nach der Februar-Revolution in Paris gewesen sein, um sich einen Begriff machen zu können von den Tausend und abermal Tausenden von Plänen, die damals in dem Gehirne von Tausenden von Franzosen auftauchten, zur Beglückung des menschlichen Geschlechtes. Der Staat lag so aufgelößt da, die Verhältnisse waren vermeintlicher Weise so los, so brach geworden, daß jeder Beglücker des Menschengeschlechtes nur seinen Kreis von Wünschen und frühern Plänen auszusäen brauchte, um sogleich die aufgelöste Gesellschaft zu reguliren. Als Form aller dieser Pläne, wie sie als Probleme, Postulata u. s. w. an's Tageslicht traten, kann folgendes Formular betrachtet werden: Gegeben ist ein Mensch mit allen seinen „natürlichen Bedürfnissen.“ Es soll eine gesellschaftliche Ordnung gefunden werden, in welcher alle diese natürlichen menschlichen Bedürfnisse Befriedigung erhalten. Wie diese Bedürfnisse mit der Erzeugung der Bedürfnisse, die Erzeugung mit der Produktionsweise, die Produktionsweise mit der ganzen bürgerlich-politischen Staatsform zusammenhing, wie zwischen allem diesen die Staatsschuld, die Hypothek u. s. w. durchspielt, und wie alles dieses Zusammenhängende sowohl wie das Durchspielende wieder mit England, und England wieder mit dem Weltmarkt und der Weltmarkt mit der ganzen Welt zusammenhängt, wie der „gegebene Mensch“ sammt seinen „natürlichen Bedürfnissen“ von allen diesen Dingen abhängt und aus ihnen geschaffen wird, das sahen die „Reformatoren“ des menschlichen Geschlechtes nicht. England existirte für sie nicht; ja die Staatsschuld u. s. w. ließen sie auf dem „Menschen“ haften. Also das obenstehende Problem lautet in der richtigen Uebersetzung folgendermaßen: Gegeben ist ein Franzose mit der Staatsschuld, mit den Hypotheken, und mit den natürlichen resp. französischen Bedürfnissen in den verschiedenen Ständen und Klassen: es soll gefunden werden ein Mensch, Civilisations-Mensch, der ungeachtet des Fortbestehens der Staatsschuld, der Hypotheken u. s. w. keine Hypotheken zu zahlen, und ungeachtet aller Einflüsse von England und der Colonieen, aus denen die Gegenstände zur Befriedigung seiner „civilisirten“ Bedürfnisse herkommen, dennoch diese Bedürfnisse ohne England u. s. w. befriedigen kann. Wir sehn das Unsinnige aller dieser Probleme aus ihrer Fassungsweise. Ueberhaupt sahen die Franzosen nur Frankreich und dachten bei der Arbeits-Frage: jeder Franzose hat so und so viel Kapital in seinen Armen, was geht uns das Kapital als solches an? Man weiß wie das Kapital als solches die Arme der Franzosen in jeder Hinsicht gelähmt hat; aber das hält sie nicht ab, weiter in ihren Projekten zu gehn. Die Staatsschuld lähmt die Arme! Tilgen wir die Staatsschuld durch Steuern. 30 Millionen Menschen werden doch die Millionen Schuld bezahlen können? Das Kapital trägt einen Hut und Rock, besteuern wir den Hut u. Rock und nehmen wir die Mützenträger u. Blusenmänner von den Steuern aus! Jeder, der einen Frack trägt, will der Deputirte Antoine, soll 100 Franken jährlich, der einen Rock 5 Fr. und der einen Hut 20 Fr. zahlen. Wäre der Hut und Frack wirklich das unterscheidende Merkmal des Kapitalisten, wie es der gute Antoine vermeint, wäre ferner der Rockträger Rock-Inhaber, so wäre das ein leichtes Mittel, den Kapitalisten zu treffen, und die Staatsschuld auf indirekte Weise zu tilgen, d h. ohne den Banquerut einzugestehen, und ohne geradezu einen Strich durch das „große Buch“, das Hauptbuch des Staates, zu machen. 100 Millionen in den Hüten, und mit jedem Jahre neue 100 Millionen, die jedes Mal auf's Neue aus den Hüten herausfallen, ohne der Fracks zu gedenken. Das ist gewiß eine schöne Einnahme. Wer will nicht sein Haupt mit einem Filze zieren, und wer zahlt nicht gerne 20 Fr. für den Filz auf seinem Haupte? Aber hier sind ungeheuer viele Fälle zu berücksichtigen. Zeigt wirklich der Filz den filzigen Kapitalisten an? Ist der nominelle Inhaber der wahre Besitzer des Filzes? und geht es nicht den Rockträgern, wie den Landbauern, welche Steuern für ein Land bezahlen, dessen wahrer Besitzer der Kapitalist ist? Weiter, wo hört der Ueberrock auf? wo fängt der Frack an? die langen und breiten Schöße, die man jetzt trägt, verlaufen sich dermaßen in den Ueberrock, daß man von Rechtswegen die Mode der Schwalbenschwänze wieder einführen müßte. Aber alles das sind nur Nebensachen; nicht zu gedenken der Schlafröcke, die über den Röcken, und der abgeschabten und durchlöcherten Röcke, die unter der Bluse stehn. Ich spreche ferner nicht von den verschiedenen Rock- und Blusengattungen, die ineinander hinüberspielen. Ich komme auf die Hauptsache. Es geht den meisten Rockträgern, wie es den Kleinbürgern im Juni erging. Gerade die Krämer und Fabrikanten, deren Kram und Fabrik schon durch Schulden den Wuchern verfallen waren, haben am heftigsten gegen die Juni-Insurgenten zur vermeintlichen Vertheidigung eines Krames gekämpft, der ihnen nicht mehr gehörte. Diejenigen, welche ihren Rock entweder noch schulden, oder im Leihhaus verzinset haben, sind diejenigen, die am meisten am Rocke halten, und welche die Steuer des Herrn Antoine doppelt treffen würde. Keiner hat mehr die Illusion des Eigenthums, keiner mehr den Genuß des Rockes, als derjenige, welcher nur den Nießbrauch davon hat, und für den Nießbrauch zahlen muß. Keiner hängt mehr am Rocke, als derjenige, welcher ihn im Leihhaus hängen hat. Man fühlt seinen Magen erst recht, wenn er krank ist; man fühlt seinen Rock erst, wenn er irgend eine Wunde erhalten hat. Diejenigen, denen der Rock nie gefehlt hat, sind so zu sagen geboren mit dem Rock; er ist mit ihnen innig verwachsen. Die Arbeiter dagegen in Paris, die genöthigt sind fast alle Montag den Rock zu versetzen, wissen recht eigentlich, was er bedeutet. Jedesmal, wenn sie ihn anziehen, fühlen sie wie einen Bindfaden, der ihn ihnen vom Leibe wegzieht. Sie haben das Bewußtsein des Rockes, sie müssen für ihn büßen, wenn sie ihn tragen, und sie tragen ihn die übrigen Tage in der Tasche, auf dem Papiere, dem Pfandscheine verschrieben. Und da sie ihre Anwartschaft auf den Rock in keinem Falle aufgeben möchten, so müssen sie doppelt zahlen, erstens die Zinsen für den Rock, den sie nicht tragen, blos um vermeintlicher Besitzer zu bleiben; zweitens die Steuer für den Rock, den sie eines Tages tragen könnten, obschon die Zinsen sich häufen, die Wahrscheinlichkeit des Einlösens sich täglich mindert, bis sie zuletzt durch den Verfall des Zettels gänzlich verschwindet. Der erste Fall ist das Ansichsein, der zweite das Fürsichsein des Rockes. Die eigentlichen Fashionables und namentlich die Kapitalisten haben gar keine Röcke; sie haben mit ihrem Schneider einen Contrakt gemacht, gemäß dem sie jährlich so viele Fräcke, Ueberröcke nach der neuesten Mode geliefert erhalten; und da die Moden ungeheuer schnell wechseln, so werden die zwei oder dreimal getragenen Röcke, wenn sie die erste Frische verloren haben, sogleich dem Schneider abgeliefert, der sie nach Amerika versendet. Daher der ungeheure Handel der marchands d'habits in Paris. Die eigentlichen Kapitalisten tragen also geliehene Röcke, für welche sie keine Steuer zu zahlen brauchen. Die Fonds, Hypotheken-Ausleiher, Wucherer haben alle keine Röcke, zahlen alle keine Steuer. Rothschild ist der Schneider aller Kapitalisten, die Kapitalisten sind wiederum die Schneider aller Fabrikanten, die Fabrikanten sind wiederum die Schneider aller Proletarier; und der Schneider aller Schneider, der Schneider Rothschild's ist England. Nehmen wir statt der Röcke Matrazen; 160,000 Matrazen lie-

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 187. Köln, 5. Januar 1849. Beilage, S. 1011. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz187b_1849/1>, abgerufen am 21.11.2024.