Neue Rheinische Zeitung. Nr. 188. Köln, 6. Januar 1849.Unsere Leser werden gestehen, daß diese Abrechnung eben nicht sehr günstig für unsern Ritter ausfiel. Wenn nicht der Pabst ebenso großmüthig war, wie die Herzogin von S., so ließen sich die geistigen Angelegenheiten unseres Helden bei weitem nicht so leicht ordnen, als es eben erst mit seinen materiellen Verhältnissen geschah. Herr von Schnapphahnski wollte aber nichts unversucht lassen, und so trat er denn eines Morgens in das Zimmer der Herzogin und sprach in der Weise Ritter Tannhäusers, die folgenden berühmten Worte: "Mein Leben das ist worden krank, ich mag nit lenger pleiben; nun gebt mir urlob, frewlin zart, von eurem stolzen leibe!" Die Herzogin erschrack natürlich im höchsten Grade und begriff nicht gleich, was die Geschichte zu bedeuten hatte. Sie war erst eben so gefällig gewesen, die Schulden ihres Freundes mit baaren 200,000 Thalern zu bezahlen, die Ablösung vieler kleinen Hypotheken ungerechnet; und nun wollte der Ritter schon wieder fortziehn: das war nicht recht! Es fiel ihr im Traume nicht ein, daß der Ritter zur Buße seiner Sünden nach Rom pilgern wollte -- -- Ohne sich daher an die altdeutsche Sprachweise ihres Freundes zu stören, fuhr die Herzogin in der Manier der Frau Venus fort zu reden und erwiederte: "Danhauser, nit reden also! ir tund euch nit wol besinnen; so gen wir in ain kemerlein und spilen der edlen minne!" Die Herzogin lispelte diese Worte gerade so verführerisch, wie sie einst Frau Venus gesprochen haben mag. Der Ritter schien aber wenig davon erbaut zu sein; er schüttelte mit dem schönen schwarzlockigen Kopfe und ohne von den Thränen Notiz zu nehmen, die aus den Augen der hohen Dame in den rothen Kaschmirshawl rieselten, öffnete er zum zweiten Male den holdseligen Mund und antwortete, indem er die Hände in die Hosentaschen steckte, mit sehr accentuirtem Tone: "Eur minne ist mir worden laid, ich hab in meinem Sinne: fraw Venus, edle fraw so zart! ir seind ain teufelinne." Hierüber entsetzte sich die Herzogin nur um so mehr, so daß sie unwillkürlich ein Kreuz schlug, was sie seit dem Einzug der Alliirten in Paris nicht mehr gethan hatte. Tödtlich wäre es der Herzogin gewesen, ihren Schnapphahnski zu verlieren; hätte sie nicht ihren kahlen Kopf gefürchtet, sie würde die Perrücke vor Verzweiflung unter die Decke geschleudert haben. Mit den Zähnen konnte sie ebenfalls nicht knirschen, denn, wie unsern Lesern bekannt ist, waren sie mehr ein Produkt des Zahnarztes als der Mutter Natur. Das Rollen der gewaltigen Augen durfte daher einzig und allein den Zorn ihres Innern zu erkennen geben und dies Augengeroll war entsetzlich: zwei Roulette-scheiben glaubte man in wilder Bewegung zu sehn. Vergebens waren aber alle Anstrengungen: der Ritter beharrte auf seinem Vorhaben und die Herzogin würde sich gewiß mit einer Haarnadel den Tod gegeben haben, wenn der muntere Schnapphahnski nicht plötzlich den Schluß des berühmten Tannhäuser Liedes gesprochen und ihr erklärt hätte: "Ich will gen Rom wol in die statt, gott well mein immer walten! zu einem bapst der haist Urban ob er mich möcht behalten -- --" Als nemlich der Ritter diesen Vers citirt hatte, trocknete die Herzogin ihre Thränen aus beiden Roulette-scheiben und sprang empor mit dem Schrei des Entzückens. "Ja, zum Pabst! zum Pabst Urban!" rief sie -- "wenn er dich auch nicht behalten soll, so soll er dich wenigstens erlösen. Ja, nach Rom, zum Pabst! ich werde dich begleiten -- -- " mit beiden Armen umschlang die Herzogin ihren geliebten Ritter. Am nächsten Morgen waren sie auf dem Wege nach Italien. Meine Leser können unmöglich verlangen, daß ich Ihnen die Abentheuer dieser italienischen Reise haarklein erzähle. Ich dachte damals noch nicht an den Ritter Schnapphahnski, und bestach daher weder einen Kutscher noch eine Kammerfrau, um mir alle die süßen Geheimnisse mitzutheilen, die zwischen der kalten Jungfrau und dem feurigen Vesuv vorgefallen sein mögen. Genug, unser glückliches Paar reiste von der Jungfrau bis fast an den Vesuv, d. h. bis nach Rom. -- Es versteht sich von selbst, daß unsere Pilger nicht wie die Pilger von ehedem, zu Fuß, in härenem Gewande, ihre Straße zogen. Nein, sowohl Frau Venus als Ritter Tannhäuser stimmten in der Ansicht überein, daß der religiöse Fanatismus mit einer bequemen Karosse wohl zu vereinbaren sei. Indem sie nicht nur bequem, sondern höchst elegant reisten, befolgten sie sogar recht eigentlich das Prinzip des Katholizismus, denn die katholische Religion ist die Religion des Glanzes und der Pracht. Gerade das macht den Katholizismus liebenswürdig, daß er ein Auge für das Schöne, für das Sinnliche hat. Alles was sinnlich ist, ist aber ewig und so glaube ich auch an die Ewigkeit des Katholizismus. Man lache mich ja nicht aus! In keinem Falle muß man mir aber mit den Griechen kommen. Man könnte mir nämlich vorwerfen, die Griechen seien auch im höchsten Grade sinnlich gewesen, und trotzdem wären ihre Götter verschwunden und Niemand denke und Niemand glaube mehr an sie -- -- dummes Zeug! die Griechengötter leben bis auf den heutigen Tag. O, ich habe das einem meiner alten Lehrer an der Nase angesehen. Am Morgen gab er uns nämlich den nüchternen protestantischen Religionsunterricht und dann war er ledern, zum verzweifeln. Steif wie ein Stockdegen stand er vor uns, seine Ohren [Deutschland] [Fortsetzung] an den König von Neapel. Der Kaiser geht darin auch in nähere Details, betreffend die britisch-französische Intervention, den Rechten eines freien Herrschers gegenüber, ein, und bemerkt, daß nur die Entfernung und die Unmöglichkeit physische Hülfe zu leisten, ihn abhielten, entschiedener über diesen Gegenstand zu sprechen. Seinen Gesandten in Paris und London habe er übrigens Befehl ertheilt, ganz energisch gegen die Fortdauer solcher Interventionen zu remonstriren und besonders seine Indignation über das Verfahren der beiden Admiräle, welche dem königl. General in der Ausführung seiner militärischen Dispositionen hindernd in den Weg getreten seien, auszusprechen." 24 Wien, 31.Dezbr. Kein Tag ohne Verurtheilungen; kein Tag ohne neue Verhaftungen. Sie sind unser tägliches Brod und die Wollust unserer Henker. So ist gestern wiederum der 28 Jahre alte Kutscher Hofstädter "wegen seiner beharrlichen Ausdauer und Hartnäckigkeit" in der Barrikadenvertheidigung kriegsrechtlich zu 6jährigem schweren Kerker verurtheilt worden. 121 Wien, 1. Jan. Zuerst das gewöhnliche standrechtliche Frühstück, woran Neujahr durchaus nichts ändert, nämlich: Joh. Grünzweig aus Böhmen, Joh. Furchtmayer aus Wien, Ignaz Szilaczky aus Schlesien, Proletarier, sind nicht etwa "wegen Zusammentreffen von Umständen", nein, ohne alle Umstände, zu drei- und zweijährigem schwerem Kerker verurtheilt worden. Die Verurtheilungen auf den Grund eigenen Geständnisses oder des Zusammentreffens von Umständen sind als zu umständlich eingestellt worden. Das eigene Geständniß war ohnehin in den allermeisten Fällen bloses Fabrikat der zu Gericht sitzenden Henker, dem zu widersprechen der Verurtheilte durchaus keine Mittel besitzt, da ihm nicht einmal ein Vertheidiger gestattet ist. In den energischsten Augenblicken des so verschrienen französischen Terrorismus beobachtete man bekanntlich wenigstens die äußere Form, aber in Oesterreich!!!! Lasciate ogni speranza, voi, che'ntrate! Für den 29. Dezember hatte Windischgrätz die Erstürmung der Festung Leopoldstadt in Ungarn angesagt, ohne daß die Heldenthat bis heute jedoch hier bekannt geworden ist. Ueberhaupt ist seit dem 26. keine neue gloire hier eingetroffen, was beweist, daß die Magyaren sich tapfer wehren. Aber der Heldenmuth von Rebellen darf zur Ehre der k. k. Banditen nicht bekannt werden, das Standrecht dekretirt seine Unmöglichkeit. -- Raab ist keine Festung, sondern eine offene Stadt, die nur verschanzt war, und von deutscher Bourgeoisie bewohnt ist. Dennoch war der Kampf um Raab ein furchtbarer, und wurde erst nach drei Tagen entschieden, indem sich die Magyaren zurückzogen. Windischgrätz hat damit noch wenig gewonnen, solange die Festungen Leopoldstadt, Komorn und Ofen in der Gewalt der Magyaren sind, und deren siegreiches Vordringen im Süden nicht von Türken und Russen aufgehalten wird. Wenn die französisch-englischen Reklamationen ankommen, wird die russische Armee die Sache schon entschieden haben; das ist alles schon so abgekartet. Die französischen Bourgeois unterstützen den asiatischen Despotismus, und helfen Ungarn, Wien, Berlin, Rom, und Neapel wieder zu den äußersten Vorposten der Knutenmajestät von Irkutz und Tobolzk machen. Sehr ehrenhaft -- erbaulich! In der Nacht vom Samstag auf den Sonntag mußte die ganze Garnison in den Kasernen unter den Waffen bleiben. Welden hoffte einen kleinen Anlaß benützen zu können, um loszuschlagen und seine neuliche Klub-Kundmachung zu bewahrheiten. Man rührte sich jedoch nicht. Die Zündlöcher der auf den Basteien stehenden Geschütze sind so vortrefflich mit Blech und Riemen bewahrt, und diese selbst der Art bewacht, daß das Vernageln seine bedeutenden Schwierigkeiten hat, und nur unter großer Masseerhebung vielleicht ausführbar würde. Uebrigens werden die Kasernen, Basteien und sonstige vom Militär besetzte Punkte durch Telegraphenlinien in Verbindung gesetzt. Erzherzog Albrecht ist aus Italien hier angekommen und wird, wie es heißt, an Welden's Stelle, Gouverneur von Wien werden, Welden aber in Italien oder Ungarn verwendet werden. Dieser Erzherzog Albrecht spielte unter Metternich in der Armee die Rolle, welche Erzherzog Ludwig in der Verwaltung spielte. Beide wurden im März sammt ihrem Patron leider nur verjagt. Albrecht hatte damals in's Volk schießen lassen. Ein anderer Zug von ihm ist aber dieser. In Oesterreich haben bekanntlich von jeher alle Wachen geladen; kein Posten ohne geladenes Gewehr. Nun hatte Albrecht das Tabackrauchen in den Straßen untersagt, und den einzelnen Posten auf's strengste einschärfen lassen, nach einmaligem Auffordern auf jeden zu schießen, der sich mit einer Cigarre oder Pfeife im Munde, ihnen nähere. Da der Nationalhaß immer bestand, so schoß der Czeche auf den Deutschen, der Italiener auf den Czechen, der Deutsche auf alle u. s. w., fast je nach Belieben. Die Sache wurde endlich selbst dem damaligen Wiener zu arg; man wandte sich an den kommandirenden General von Niederösterreich, und dieser befahl dem ihm untergebenen Albrecht, die Verordnung zu mildern, besser, ganz aufzuheben. Albrecht gehorchte nicht, aber der kommandirende General hatte nicht den Muth, diese Insubordination wider einen Erzherzog und metternich-sedlnitzky'sches Schooßkind zu rügen. Er brachte daher den Fall vor den sogenannten Staatsrath, dem der Kaiser präsidirte. Dort wurde lange hin- und herdebattirt, aber kein Resultat erzielt, da Albrecht nicht nachgeben wollte, die anwesenden Metternich-Sedlnitzky wohlweislich aber schwiegen. Ebenso der Kaiser. Endlich aber nahm letzterer seinen Hut, näherte sich befangen der Thüre, und, indem er in der halbgeöffneten stehen blieb, rief er angstvoll in den Staatsrath: "Beschließt, was ihr wollt, aber meiner Meinung nach sollen meine Unterthanen einer Cigarre wegen nicht zusammengeschossen werden!" Damit machte er sich durch, wie ein Holländer, der das Standrecht verwirkt hat. Ohne daß Albrecht's Befehl darauf annullirt worden wäre, wurde dem Kaiser zu lieb das Tabackrauchen ohne Zusammenschießen von nun an, aber immer nur nach Belieben der Posten geduldet. -- Ein solches Unthier befindet sich jetzt wieder in unserer standrechtlichen Atmosphäre! 14 Wien, 1. Jan. Das "starke Ministerium der That des alt-ehrwürdigen mächtigen Oesterreich's" hat endlich außer dem gewöhnlichen standrechtlichen Heroismus zum Neujahr eine Großthat ersten Rangs begangen. Es hat die Censur, ja noch weit schlimmeres, wieder eingeführt. "Um das politische Recht der freien Presse den Staatsbürgern unverkümmert zu erhalten (ein solcher Hohn ist doch nur hier noch möglich, er ist gar zu plump selbst für Idioten!) und nicht durch fortgesetzten Mißbrauch beim bessern Theile (d. h. bei den eigentlichen Thieren) des Publikums um Ansehn und Theilnahme zu bringen, hat sich das Ministerium des Innern (Stadion) ..... um wenigstens in der äußern Form der Veröffentlichung die am meisten Aergerniß gebenden Uebergriffe (möglich unter dem Standrecht?) abzustellen, bestimmt gefunden: 1) Das Anheften von Plakaten politischen Inhalts ist bei 100 Fl. Strafe verboten. 2) Die Redakteure von Zeitungen müssen jedes Blatt eigenhändig unterschrieben, vor dem Druck täglich mit Bezeichnung von Tag und Stunde der Abgabe der Stadthauptmannschaft überweisen, bei jedesmaliger Strafe von 100 Fl. C.-M. für Versäumniß. Wien, den 28. Dez. 1848. Niederösterreichisches Regierungspräsidium: Bamberg. Was wird Europa dazu sagen? seufzt man in seiner Verzweiflung hier bei solcher Gelegenheit immer. Aber Europa schweigt. Paris und Frankfurt halten kaiserlichen Fasching, den sie wider alle Kalendersitte schon zwei Monate früher begonnen. Blut und Verrücktheit steht auf den Bajazzomützen Europa's. Doch ich habe Sie noch mit einem andern ähnlichen Aktenstück bekannt zu machen. Der hohe Klerus in Oesterreich, nämlich im Erzherzogthum ob und unter der Ems, der Fürsterzbischof von Wien, "Vinzenz Eduard", der Bischof von Linz, "Gregor", und der Bischof von St, Pölten, "Anton Buchmayr", protestiren in einer Denkschrift vom 12. Dez. wider §. 16 des Entwurfs der österreich. Grundrechte, lautend: "Eine Staatskirche gibt es nicht." Sie protestiren ferner gegen §. 19 daselbst, welcher heißt: "Keiner religiösen Gesellschaft darf ein leitender Einfluß auf öffentliche Lehranstalten eingeräumt werden." Sie verwahren sich sodann gegen jeden Eingriff in das Eigenthum der Kirche, und verlangen eine Entschädigung für die durch kaiserl. Ukas vom 7. Sept. aufgehobenen Zehnten und Urbarial-Bezüge. Endlich donnern sie wider den "Unfug" der Preßfreiheit. Der Ton der Schrift ist ungemein uhuächzend. Unter anderm kommt vor: "Nicht nur Robespierre fand sich veranlaßt, das Dasein Gottes zu proklamiren u. s. w." Der Reichstag wird als ein Scheusal dargestellt, größer als nach dem Krummstab Robespierre es war. Kuranda droht, die Juden würden aus Oesterreich alle nach Preußen auswandern, wenn der Reichstag sie nicht emanzipire. Er sieht die Juden-Antipathie nicht ohne Absicht durch das Glas des Religionshasses, obwohl dieser Grund auch bei dem albernsten Oesterreicher zur Lächerlichkeit geworden ist. 109 Düsseldorf, 3. Januar. Auch für Düsseldorf bringt das neue Jahr erfreuliche Gaben. Während man sich von vielen Seiten noch der naiven Hoffnung hingiebt, den Belagerungszustand bald quitt zu sein, lassen sich die hiesigen Behörden unter demselben im neuen Jahre erst recht wohl sein. Nicht genug, daß man sich erlaubt, die Versammlungsfreiheit im Angesicht der bevorstehenden Wahlen aufzuheben, ohne irgend den "Rechtsboden" zu berücksichtigen -- diejenigen, von denen die wohllöbl. Polizeiinspektion vermuthet, daß sie bei der Ansagung jener verbotenen Versammlung betheiligt seien, werden ausgewiesen. Dies ist an und für sich nichts wunderbares. Aber der heutige Fall -- die erste Ausweisung seit dem Belagerungszustand -- wird lehrreich durch die Person, die er getroffen. Es wurde nämlich der Lieutenant a. D. v. Lilljestroem zum Polizeiinspektor beschieden und ihm eröffnet, daß er auf Befehl "höhern Orts" vom 31. Dezember v. J. binnen 24 Stunden Düsseldorf zu verlassen habe. Als Grund wurde angegeben, daß v. Lilljestroem die erwähnte Versammlung ausgeschrieben, "oder doch wenigstens dabei betheiligt sei." (!!) Zu bemerken ist, daß v. Lilljestroem sich hier zum Vergnügen aufhält, und sich durchaus nicht mit Politik beschäftigt. Man sieht, für die hiesigen Behörden ist die Zeit der "Vermuthung" und des "dringenden Verdachts" wieder glücklich da. Wenigstens wird Herr Manteuffel mit der pflichtgetreuen Ausführung seiner "Andeutungen" zufrieden sein können. Hr. v. Lilljestroem wird morgen beim Regierungspräsidenten über dieses durch nichts gerechtfertigte Verfahren Beschwerde einlegen. (Wird natürlich ungeheuer viel helfen!) * Berlin, 8. Jan. Wie viel von den 16 Millionen Preußen wissen wo Dramburg liegt? und wie viele von diesen so Hochgelehrten haben je das Dramburger Kreisblatt gelesen oder kennen nur dessen Existenz? Wer aber von Allen hätte je vermuthet, daß die vielgewünschte ehrliche und offene Erklärung des Ministeriums über den vieldeutigen Begriff "selbstständig" gerade in diesem obscuren Blatt eines obscuren pommerschen Landstädtchens sich finden würde? und doch ist dem so. Die heut hier angelangte Ostseezeitung Nro. 1 bringt als Auszug aus dem Dramburger Kreisblatt einen Ministerial-Erlaß vom 20. Dezember, wonach das Wort "selbstständig" bei den diesmaligen Wahlen einen noch weitern Kreis umfaßt, als die landrechtliche Kategorie der Dispositionsfähigen. Das Ministerium erklärt nämlich ausdrücklich, daß "volljährige, aber in väterlicher Gewalt stehende Söhne, um dieser Eigenschaft willen von den Wahlen nicht unbedingt auszuschließen seien." Ferner wird eben so ausdrücklich erklärt, es sei "vor erfolgter gesetzlicher Feststellung des Begriffs der politischen Selbstständigkeit die Führung eines eigenen Haushaltes als Bedingung des aktiven Wahlrechtes nicht anzusehen," es seien also Dienstboten als Urwähler zulässig. Nur offenbar unselbstständige Personen, wie z. B. Wahnsinnige, gerichtlich erklärte Verschwender und Gefangene seien von den Wahlen auszuschließen. Ueberhaupt sollen die "Ortsbehörden bei der Aufstellung der Wahllisten sich jeder ängstlicher Prüfung der Frage enthalten, ob einem, die sonstigen gesetzlichen Bedingungen des aktiven Wahlrechts erfüllenden Einwohner, die erforderliche Selbstständigkeit beiwohne;" es soll vielmehr das Vorhandensein der letztern angenommen werden, bis der Beweis des Gegentheils irgendwie vorliegt. Wie richtig und zuverlässig unsere unter dem 28. Dez. gemachte Mittheilung über die eigenthümliche Interpretation war, welche das Ministerium der Verfassungsbestimmung über den sechsmonatlichen Aufenthalt in einer Gemeinde, der zum Urwähler qualifizire, betreffs der vielfach dislocirten Truppen geben wolle -- das beweist ein amtliches Circular des hiesigen Magistrats, das jetzt an alle Hauptbesitzer verschickt wird. Dasselbe trägt das Datum vom 25. Dezbr., dem Tage der Ausfertigung des damals von uns erwähnten Ministerialbefehls und bemerkt ausdrücklich, daß "die früher hier garnisonirten, inzwischen aber etwa dislocirten, seitdem jedoch wieder eingerückten Truppen ihr Wahlrecht für Berlin behalten." Auch ist in der That in den letzten Tagen mit Heranziehung früher hier garnisonirt gewesenen Truppentheile der Anfang gemacht worden. -- 80 Pritzwalk, 1. Jan. Die Märzerrungenschaften haben uns so viel Komisches und Humoristisches gebracht, daß die misanthropischste Weltanschauung hieran noch einige Erlustigung finden kann. Zu diesen komisch-humoristischen Märzerrungenschaften gehören vor Allem die sogenannten Preußenvereine, deren Entstehung, weitere Entwicklung und Ausbeutung durch Potsdam'sche Diplomatie gewiß in der Zukunft das reichste Material zu scherz- und ernsthaften Darstellungen bieten wird. In der Hoffnung, daß diese Preußenvereine ihren Thucidides finden werden, hier einen kleinen historischen Beitrag über Entstehung und Aufführung unseres hiesigen Preußenvereins. Mitte November des Revolutionsjahres 1848 bildete sich hier ein Klub unter dem Namen eines demokratisch-konstitutionellen Vereins, in welchem vorläufig alle politischen Farben vertreten waren; der Verein sprach sich schon in seinen ersten Sitzungen entschieden für die im November verfolgte Nationalversammlung aus. Sofort sonderten sich die Schlacken des Vereins von demselben, um demnächst als Preußenverein mit Gott für König und Vaterland zu gerinnen. Während der demokratisch-konstitutionelle Verein, dessen Mitglieder jetzt circa 200 Bürger, in seinen Berathungen über die Oktroyirte sich für Abschaffung des Adels, der Orden und Titel, für das Recht der Landwehr, als solche sich zu berathen, für eine von der Volksvertretung festgesetzte Civilliste und suspensives Veto des Königs, für das Urwählerrecht des 24jährigen Staatsbürgers, abgesehen von der Selbstständigkeit, für direkte Wahlen ohne Census und für eine in derselben Weise wie die zweite Kammer gewählte erste etc. etc. entschied, beschäftigte sich der Preußenverein mit ganz andern Dingen in harmlos-witziger Weise. Zuerst hielt er Umschau über die Häupter seiner Lieben und erblickte unter ihnen hauptsächlich Freiheitshelden von 13-15 mit der schwarzen Medaille der Nichtcombattanten, Braunbiergäste eines geldsackigen Brauers, einen pietistischen Stadt- und einige verbauerte Landpfaffen -- Alles in Allem 30-40 "gute Bürger" mit Gott für König und Vaterland. Die Geranten des Vereins faßten sich hierauf an die Köpfe, schüttelten sie und sannen, wie sie ihre Zahl mehreten. In dunkler Ahnung dessen, was die Breslauer Deputation später in Potsdam offiziell erfahren hat: daß der Thron vor Allem sich auf das platte Land stütze, entschlossen sie sich, die Massen des platten Landes, vulgo Bauern, heranzuziehen. Der Priegnitzer Bauer ist strammer Natur, Er pflügt seinen Acker, bestellet das Land Mit Gott für König und Vaterland. Also heißt es in einem schönen Gedichte, eigens für den hiesigen Preußenverein von einem patriotisch-politischen Landpastor fabrizirt. Wie aber Bauern heranziehen? Wohl war es bekannt, daß die "stramme Natur" derselben auch zugleich zähe ist und absonderlichen Reiz verlangt. Der Reiz wurde gefunden in einem sogenannten Baron Seld, vom Volke "Rübengraf" genannt, weil er in irgend einem Winkel des berühmten Teltower Kreises sein Nest und seine Jungen hat; Baron Seld reist in hiesiger Gegend für den Preußenverein in Berlin und macht auf Volksversammlun- Unsere Leser werden gestehen, daß diese Abrechnung eben nicht sehr günstig für unsern Ritter ausfiel. Wenn nicht der Pabst ebenso großmüthig war, wie die Herzogin von S., so ließen sich die geistigen Angelegenheiten unseres Helden bei weitem nicht so leicht ordnen, als es eben erst mit seinen materiellen Verhältnissen geschah. Herr von Schnapphahnski wollte aber nichts unversucht lassen, und so trat er denn eines Morgens in das Zimmer der Herzogin und sprach in der Weise Ritter Tannhäusers, die folgenden berühmten Worte: „Mein Leben das ist worden krank, ich mag nit lenger pleiben; nun gebt mir urlob, frewlin zart, von eurem stolzen leibe!“ Die Herzogin erschrack natürlich im höchsten Grade und begriff nicht gleich, was die Geschichte zu bedeuten hatte. Sie war erst eben so gefällig gewesen, die Schulden ihres Freundes mit baaren 200,000 Thalern zu bezahlen, die Ablösung vieler kleinen Hypotheken ungerechnet; und nun wollte der Ritter schon wieder fortziehn: das war nicht recht! Es fiel ihr im Traume nicht ein, daß der Ritter zur Buße seiner Sünden nach Rom pilgern wollte — — Ohne sich daher an die altdeutsche Sprachweise ihres Freundes zu stören, fuhr die Herzogin in der Manier der Frau Venus fort zu reden und erwiederte: „Danhauser, nit reden also! ir tund euch nit wol besinnen; so gen wir in ain kemerlein und spilen der edlen minne!“ Die Herzogin lispelte diese Worte gerade so verführerisch, wie sie einst Frau Venus gesprochen haben mag. Der Ritter schien aber wenig davon erbaut zu sein; er schüttelte mit dem schönen schwarzlockigen Kopfe und ohne von den Thränen Notiz zu nehmen, die aus den Augen der hohen Dame in den rothen Kaschmirshawl rieselten, öffnete er zum zweiten Male den holdseligen Mund und antwortete, indem er die Hände in die Hosentaschen steckte, mit sehr accentuirtem Tone: „Eur minne ist mir worden laid, ich hab in meinem Sinne: fraw Venus, edle fraw so zart! ir seind ain teufelinne.“ Hierüber entsetzte sich die Herzogin nur um so mehr, so daß sie unwillkürlich ein Kreuz schlug, was sie seit dem Einzug der Alliirten in Paris nicht mehr gethan hatte. Tödtlich wäre es der Herzogin gewesen, ihren Schnapphahnski zu verlieren; hätte sie nicht ihren kahlen Kopf gefürchtet, sie würde die Perrücke vor Verzweiflung unter die Decke geschleudert haben. Mit den Zähnen konnte sie ebenfalls nicht knirschen, denn, wie unsern Lesern bekannt ist, waren sie mehr ein Produkt des Zahnarztes als der Mutter Natur. Das Rollen der gewaltigen Augen durfte daher einzig und allein den Zorn ihres Innern zu erkennen geben und dies Augengeroll war entsetzlich: zwei Roulette-scheiben glaubte man in wilder Bewegung zu sehn. Vergebens waren aber alle Anstrengungen: der Ritter beharrte auf seinem Vorhaben und die Herzogin würde sich gewiß mit einer Haarnadel den Tod gegeben haben, wenn der muntere Schnapphahnski nicht plötzlich den Schluß des berühmten Tannhäuser Liedes gesprochen und ihr erklärt hätte: „Ich will gen Rom wol in die statt, gott well mein immer walten! zu einem bapst der haist Urban ob er mich möcht behalten — —“ Als nemlich der Ritter diesen Vers citirt hatte, trocknete die Herzogin ihre Thränen aus beiden Roulette-scheiben und sprang empor mit dem Schrei des Entzückens. „Ja, zum Pabst! zum Pabst Urban!“ rief sie — „wenn er dich auch nicht behalten soll, so soll er dich wenigstens erlösen. Ja, nach Rom, zum Pabst! ich werde dich begleiten — — “ mit beiden Armen umschlang die Herzogin ihren geliebten Ritter. Am nächsten Morgen waren sie auf dem Wege nach Italien. Meine Leser können unmöglich verlangen, daß ich Ihnen die Abentheuer dieser italienischen Reise haarklein erzähle. Ich dachte damals noch nicht an den Ritter Schnapphahnski, und bestach daher weder einen Kutscher noch eine Kammerfrau, um mir alle die süßen Geheimnisse mitzutheilen, die zwischen der kalten Jungfrau und dem feurigen Vesuv vorgefallen sein mögen. Genug, unser glückliches Paar reiste von der Jungfrau bis fast an den Vesuv, d. h. bis nach Rom. — Es versteht sich von selbst, daß unsere Pilger nicht wie die Pilger von ehedem, zu Fuß, in härenem Gewande, ihre Straße zogen. Nein, sowohl Frau Venus als Ritter Tannhäuser stimmten in der Ansicht überein, daß der religiöse Fanatismus mit einer bequemen Karosse wohl zu vereinbaren sei. Indem sie nicht nur bequem, sondern höchst elegant reisten, befolgten sie sogar recht eigentlich das Prinzip des Katholizismus, denn die katholische Religion ist die Religion des Glanzes und der Pracht. Gerade das macht den Katholizismus liebenswürdig, daß er ein Auge für das Schöne, für das Sinnliche hat. Alles was sinnlich ist, ist aber ewig und so glaube ich auch an die Ewigkeit des Katholizismus. Man lache mich ja nicht aus! In keinem Falle muß man mir aber mit den Griechen kommen. Man könnte mir nämlich vorwerfen, die Griechen seien auch im höchsten Grade sinnlich gewesen, und trotzdem wären ihre Götter verschwunden und Niemand denke und Niemand glaube mehr an sie — — dummes Zeug! die Griechengötter leben bis auf den heutigen Tag. O, ich habe das einem meiner alten Lehrer an der Nase angesehen. Am Morgen gab er uns nämlich den nüchternen protestantischen Religionsunterricht und dann war er ledern, zum verzweifeln. Steif wie ein Stockdegen stand er vor uns, seine Ohren [Deutschland] [Fortsetzung] an den König von Neapel. Der Kaiser geht darin auch in nähere Details, betreffend die britisch-französische Intervention, den Rechten eines freien Herrschers gegenüber, ein, und bemerkt, daß nur die Entfernung und die Unmöglichkeit physische Hülfe zu leisten, ihn abhielten, entschiedener über diesen Gegenstand zu sprechen. Seinen Gesandten in Paris und London habe er übrigens Befehl ertheilt, ganz energisch gegen die Fortdauer solcher Interventionen zu remonstriren und besonders seine Indignation über das Verfahren der beiden Admiräle, welche dem königl. General in der Ausführung seiner militärischen Dispositionen hindernd in den Weg getreten seien, auszusprechen.“ 24 Wien, 31.Dezbr. Kein Tag ohne Verurtheilungen; kein Tag ohne neue Verhaftungen. Sie sind unser tägliches Brod und die Wollust unserer Henker. So ist gestern wiederum der 28 Jahre alte Kutscher Hofstädter „wegen seiner beharrlichen Ausdauer und Hartnäckigkeit“ in der Barrikadenvertheidigung kriegsrechtlich zu 6jährigem schweren Kerker verurtheilt worden. 121 Wien, 1. Jan. Zuerst das gewöhnliche standrechtliche Frühstück, woran Neujahr durchaus nichts ändert, nämlich: Joh. Grünzweig aus Böhmen, Joh. Furchtmayer aus Wien, Ignaz Szilaczky aus Schlesien, Proletarier, sind nicht etwa „wegen Zusammentreffen von Umständen“, nein, ohne alle Umstände, zu drei- und zweijährigem schwerem Kerker verurtheilt worden. Die Verurtheilungen auf den Grund eigenen Geständnisses oder des Zusammentreffens von Umständen sind als zu umständlich eingestellt worden. Das eigene Geständniß war ohnehin in den allermeisten Fällen bloses Fabrikat der zu Gericht sitzenden Henker, dem zu widersprechen der Verurtheilte durchaus keine Mittel besitzt, da ihm nicht einmal ein Vertheidiger gestattet ist. In den energischsten Augenblicken des so verschrienen französischen Terrorismus beobachtete man bekanntlich wenigstens die äußere Form, aber in Oesterreich!!!! Lasciate ogni speranza, voi, che'ntrate! Für den 29. Dezember hatte Windischgrätz die Erstürmung der Festung Leopoldstadt in Ungarn angesagt, ohne daß die Heldenthat bis heute jedoch hier bekannt geworden ist. Ueberhaupt ist seit dem 26. keine neue gloire hier eingetroffen, was beweist, daß die Magyaren sich tapfer wehren. Aber der Heldenmuth von Rebellen darf zur Ehre der k. k. Banditen nicht bekannt werden, das Standrecht dekretirt seine Unmöglichkeit. — Raab ist keine Festung, sondern eine offene Stadt, die nur verschanzt war, und von deutscher Bourgeoisie bewohnt ist. Dennoch war der Kampf um Raab ein furchtbarer, und wurde erst nach drei Tagen entschieden, indem sich die Magyaren zurückzogen. Windischgrätz hat damit noch wenig gewonnen, solange die Festungen Leopoldstadt, Komorn und Ofen in der Gewalt der Magyaren sind, und deren siegreiches Vordringen im Süden nicht von Türken und Russen aufgehalten wird. Wenn die französisch-englischen Reklamationen ankommen, wird die russische Armee die Sache schon entschieden haben; das ist alles schon so abgekartet. Die französischen Bourgeois unterstützen den asiatischen Despotismus, und helfen Ungarn, Wien, Berlin, Rom, und Neapel wieder zu den äußersten Vorposten der Knutenmajestät von Irkutz und Tobolzk machen. Sehr ehrenhaft — erbaulich! In der Nacht vom Samstag auf den Sonntag mußte die ganze Garnison in den Kasernen unter den Waffen bleiben. Welden hoffte einen kleinen Anlaß benützen zu können, um loszuschlagen und seine neuliche Klub-Kundmachung zu bewahrheiten. Man rührte sich jedoch nicht. Die Zündlöcher der auf den Basteien stehenden Geschütze sind so vortrefflich mit Blech und Riemen bewahrt, und diese selbst der Art bewacht, daß das Vernageln seine bedeutenden Schwierigkeiten hat, und nur unter großer Masseerhebung vielleicht ausführbar würde. Uebrigens werden die Kasernen, Basteien und sonstige vom Militär besetzte Punkte durch Telegraphenlinien in Verbindung gesetzt. Erzherzog Albrecht ist aus Italien hier angekommen und wird, wie es heißt, an Welden's Stelle, Gouverneur von Wien werden, Welden aber in Italien oder Ungarn verwendet werden. Dieser Erzherzog Albrecht spielte unter Metternich in der Armee die Rolle, welche Erzherzog Ludwig in der Verwaltung spielte. Beide wurden im März sammt ihrem Patron leider nur verjagt. Albrecht hatte damals in's Volk schießen lassen. Ein anderer Zug von ihm ist aber dieser. In Oesterreich haben bekanntlich von jeher alle Wachen geladen; kein Posten ohne geladenes Gewehr. Nun hatte Albrecht das Tabackrauchen in den Straßen untersagt, und den einzelnen Posten auf's strengste einschärfen lassen, nach einmaligem Auffordern auf jeden zu schießen, der sich mit einer Cigarre oder Pfeife im Munde, ihnen nähere. Da der Nationalhaß immer bestand, so schoß der Czeche auf den Deutschen, der Italiener auf den Czechen, der Deutsche auf alle u. s. w., fast je nach Belieben. Die Sache wurde endlich selbst dem damaligen Wiener zu arg; man wandte sich an den kommandirenden General von Niederösterreich, und dieser befahl dem ihm untergebenen Albrecht, die Verordnung zu mildern, besser, ganz aufzuheben. Albrecht gehorchte nicht, aber der kommandirende General hatte nicht den Muth, diese Insubordination wider einen Erzherzog und metternich-sedlnitzky'sches Schooßkind zu rügen. Er brachte daher den Fall vor den sogenannten Staatsrath, dem der Kaiser präsidirte. Dort wurde lange hin- und herdebattirt, aber kein Resultat erzielt, da Albrecht nicht nachgeben wollte, die anwesenden Metternich-Sedlnitzky wohlweislich aber schwiegen. Ebenso der Kaiser. Endlich aber nahm letzterer seinen Hut, näherte sich befangen der Thüre, und, indem er in der halbgeöffneten stehen blieb, rief er angstvoll in den Staatsrath: „Beschließt, was ihr wollt, aber meiner Meinung nach sollen meine Unterthanen einer Cigarre wegen nicht zusammengeschossen werden!“ Damit machte er sich durch, wie ein Holländer, der das Standrecht verwirkt hat. Ohne daß Albrecht's Befehl darauf annullirt worden wäre, wurde dem Kaiser zu lieb das Tabackrauchen ohne Zusammenschießen von nun an, aber immer nur nach Belieben der Posten geduldet. — Ein solches Unthier befindet sich jetzt wieder in unserer standrechtlichen Atmosphäre! 14 Wien, 1. Jan. Das „starke Ministerium der That des alt-ehrwürdigen mächtigen Oesterreich's“ hat endlich außer dem gewöhnlichen standrechtlichen Heroismus zum Neujahr eine Großthat ersten Rangs begangen. Es hat die Censur, ja noch weit schlimmeres, wieder eingeführt. „Um das politische Recht der freien Presse den Staatsbürgern unverkümmert zu erhalten (ein solcher Hohn ist doch nur hier noch möglich, er ist gar zu plump selbst für Idioten!) und nicht durch fortgesetzten Mißbrauch beim bessern Theile (d. h. bei den eigentlichen Thieren) des Publikums um Ansehn und Theilnahme zu bringen, hat sich das Ministerium des Innern (Stadion) ‥… um wenigstens in der äußern Form der Veröffentlichung die am meisten Aergerniß gebenden Uebergriffe (möglich unter dem Standrecht?) abzustellen, bestimmt gefunden: 1) Das Anheften von Plakaten politischen Inhalts ist bei 100 Fl. Strafe verboten. 2) Die Redakteure von Zeitungen müssen jedes Blatt eigenhändig unterschrieben, vor dem Druck täglich mit Bezeichnung von Tag und Stunde der Abgabe der Stadthauptmannschaft überweisen, bei jedesmaliger Strafe von 100 Fl. C.-M. für Versäumniß. Wien, den 28. Dez. 1848. Niederösterreichisches Regierungspräsidium: Bamberg. Was wird Europa dazu sagen? seufzt man in seiner Verzweiflung hier bei solcher Gelegenheit immer. Aber Europa schweigt. Paris und Frankfurt halten kaiserlichen Fasching, den sie wider alle Kalendersitte schon zwei Monate früher begonnen. Blut und Verrücktheit steht auf den Bajazzomützen Europa's. Doch ich habe Sie noch mit einem andern ähnlichen Aktenstück bekannt zu machen. Der hohe Klerus in Oesterreich, nämlich im Erzherzogthum ob und unter der Ems, der Fürsterzbischof von Wien, „Vinzenz Eduard“, der Bischof von Linz, „Gregor“, und der Bischof von St, Pölten, „Anton Buchmayr“, protestiren in einer Denkschrift vom 12. Dez. wider §. 16 des Entwurfs der österreich. Grundrechte, lautend: „Eine Staatskirche gibt es nicht.“ Sie protestiren ferner gegen §. 19 daselbst, welcher heißt: „Keiner religiösen Gesellschaft darf ein leitender Einfluß auf öffentliche Lehranstalten eingeräumt werden.“ Sie verwahren sich sodann gegen jeden Eingriff in das Eigenthum der Kirche, und verlangen eine Entschädigung für die durch kaiserl. Ukas vom 7. Sept. aufgehobenen Zehnten und Urbarial-Bezüge. Endlich donnern sie wider den „Unfug“ der Preßfreiheit. Der Ton der Schrift ist ungemein uhuächzend. Unter anderm kommt vor: „Nicht nur Robespierre fand sich veranlaßt, das Dasein Gottes zu proklamiren u. s. w.“ Der Reichstag wird als ein Scheusal dargestellt, größer als nach dem Krummstab Robespierre es war. Kuranda droht, die Juden würden aus Oesterreich alle nach Preußen auswandern, wenn der Reichstag sie nicht emanzipire. Er sieht die Juden-Antipathie nicht ohne Absicht durch das Glas des Religionshasses, obwohl dieser Grund auch bei dem albernsten Oesterreicher zur Lächerlichkeit geworden ist. 109 Düsseldorf, 3. Januar. Auch für Düsseldorf bringt das neue Jahr erfreuliche Gaben. Während man sich von vielen Seiten noch der naiven Hoffnung hingiebt, den Belagerungszustand bald quitt zu sein, lassen sich die hiesigen Behörden unter demselben im neuen Jahre erst recht wohl sein. Nicht genug, daß man sich erlaubt, die Versammlungsfreiheit im Angesicht der bevorstehenden Wahlen aufzuheben, ohne irgend den „Rechtsboden“ zu berücksichtigen — diejenigen, von denen die wohllöbl. Polizeiinspektion vermuthet, daß sie bei der Ansagung jener verbotenen Versammlung betheiligt seien, werden ausgewiesen. Dies ist an und für sich nichts wunderbares. Aber der heutige Fall — die erste Ausweisung seit dem Belagerungszustand — wird lehrreich durch die Person, die er getroffen. Es wurde nämlich der Lieutenant a. D. v. Lilljestroem zum Polizeiinspektor beschieden und ihm eröffnet, daß er auf Befehl „höhern Orts“ vom 31. Dezember v. J. binnen 24 Stunden Düsseldorf zu verlassen habe. Als Grund wurde angegeben, daß v. Lilljestroem die erwähnte Versammlung ausgeschrieben, „oder doch wenigstens dabei betheiligt sei.“ (!!) Zu bemerken ist, daß v. Lilljestroem sich hier zum Vergnügen aufhält, und sich durchaus nicht mit Politik beschäftigt. Man sieht, für die hiesigen Behörden ist die Zeit der „Vermuthung“ und des „dringenden Verdachts“ wieder glücklich da. Wenigstens wird Herr Manteuffel mit der pflichtgetreuen Ausführung seiner „Andeutungen“ zufrieden sein können. Hr. v. Lilljestroem wird morgen beim Regierungspräsidenten über dieses durch nichts gerechtfertigte Verfahren Beschwerde einlegen. (Wird natürlich ungeheuer viel helfen!) * Berlin, 8. Jan. Wie viel von den 16 Millionen Preußen wissen wo Dramburg liegt? und wie viele von diesen so Hochgelehrten haben je das Dramburger Kreisblatt gelesen oder kennen nur dessen Existenz? Wer aber von Allen hätte je vermuthet, daß die vielgewünschte ehrliche und offene Erklärung des Ministeriums über den vieldeutigen Begriff „selbstständig“ gerade in diesem obscuren Blatt eines obscuren pommerschen Landstädtchens sich finden würde? und doch ist dem so. Die heut hier angelangte Ostseezeitung Nro. 1 bringt als Auszug aus dem Dramburger Kreisblatt einen Ministerial-Erlaß vom 20. Dezember, wonach das Wort „selbstständig“ bei den diesmaligen Wahlen einen noch weitern Kreis umfaßt, als die landrechtliche Kategorie der Dispositionsfähigen. Das Ministerium erklärt nämlich ausdrücklich, daß „volljährige, aber in väterlicher Gewalt stehende Söhne, um dieser Eigenschaft willen von den Wahlen nicht unbedingt auszuschließen seien.“ Ferner wird eben so ausdrücklich erklärt, es sei „vor erfolgter gesetzlicher Feststellung des Begriffs der politischen Selbstständigkeit die Führung eines eigenen Haushaltes als Bedingung des aktiven Wahlrechtes nicht anzusehen,“ es seien also Dienstboten als Urwähler zulässig. Nur offenbar unselbstständige Personen, wie z. B. Wahnsinnige, gerichtlich erklärte Verschwender und Gefangene seien von den Wahlen auszuschließen. Ueberhaupt sollen die „Ortsbehörden bei der Aufstellung der Wahllisten sich jeder ängstlicher Prüfung der Frage enthalten, ob einem, die sonstigen gesetzlichen Bedingungen des aktiven Wahlrechts erfüllenden Einwohner, die erforderliche Selbstständigkeit beiwohne;“ es soll vielmehr das Vorhandensein der letztern angenommen werden, bis der Beweis des Gegentheils irgendwie vorliegt. Wie richtig und zuverlässig unsere unter dem 28. Dez. gemachte Mittheilung über die eigenthümliche Interpretation war, welche das Ministerium der Verfassungsbestimmung über den sechsmonatlichen Aufenthalt in einer Gemeinde, der zum Urwähler qualifizire, betreffs der vielfach dislocirten Truppen geben wolle — das beweist ein amtliches Circular des hiesigen Magistrats, das jetzt an alle Hauptbesitzer verschickt wird. Dasselbe trägt das Datum vom 25. Dezbr., dem Tage der Ausfertigung des damals von uns erwähnten Ministerialbefehls und bemerkt ausdrücklich, daß „die früher hier garnisonirten, inzwischen aber etwa dislocirten, seitdem jedoch wieder eingerückten Truppen ihr Wahlrecht für Berlin behalten.“ Auch ist in der That in den letzten Tagen mit Heranziehung früher hier garnisonirt gewesenen Truppentheile der Anfang gemacht worden. — 80 Pritzwalk, 1. Jan. Die Märzerrungenschaften haben uns so viel Komisches und Humoristisches gebracht, daß die misanthropischste Weltanschauung hieran noch einige Erlustigung finden kann. Zu diesen komisch-humoristischen Märzerrungenschaften gehören vor Allem die sogenannten Preußenvereine, deren Entstehung, weitere Entwicklung und Ausbeutung durch Potsdam'sche Diplomatie gewiß in der Zukunft das reichste Material zu scherz- und ernsthaften Darstellungen bieten wird. In der Hoffnung, daß diese Preußenvereine ihren Thucidides finden werden, hier einen kleinen historischen Beitrag über Entstehung und Aufführung unseres hiesigen Preußenvereins. Mitte November des Revolutionsjahres 1848 bildete sich hier ein Klub unter dem Namen eines demokratisch-konstitutionellen Vereins, in welchem vorläufig alle politischen Farben vertreten waren; der Verein sprach sich schon in seinen ersten Sitzungen entschieden für die im November verfolgte Nationalversammlung aus. Sofort sonderten sich die Schlacken des Vereins von demselben, um demnächst als Preußenverein mit Gott für König und Vaterland zu gerinnen. Während der demokratisch-konstitutionelle Verein, dessen Mitglieder jetzt circa 200 Bürger, in seinen Berathungen über die Oktroyirte sich für Abschaffung des Adels, der Orden und Titel, für das Recht der Landwehr, als solche sich zu berathen, für eine von der Volksvertretung festgesetzte Civilliste und suspensives Veto des Königs, für das Urwählerrecht des 24jährigen Staatsbürgers, abgesehen von der Selbstständigkeit, für direkte Wahlen ohne Census und für eine in derselben Weise wie die zweite Kammer gewählte erste etc. etc. entschied, beschäftigte sich der Preußenverein mit ganz andern Dingen in harmlos-witziger Weise. Zuerst hielt er Umschau über die Häupter seiner Lieben und erblickte unter ihnen hauptsächlich Freiheitshelden von 13-15 mit der schwarzen Medaille der Nichtcombattanten, Braunbiergäste eines geldsackigen Brauers, einen pietistischen Stadt- und einige verbauerte Landpfaffen — Alles in Allem 30-40 „gute Bürger“ mit Gott für König und Vaterland. Die Geranten des Vereins faßten sich hierauf an die Köpfe, schüttelten sie und sannen, wie sie ihre Zahl mehreten. In dunkler Ahnung dessen, was die Breslauer Deputation später in Potsdam offiziell erfahren hat: daß der Thron vor Allem sich auf das platte Land stütze, entschlossen sie sich, die Massen des platten Landes, vulgo Bauern, heranzuziehen. Der Priegnitzer Bauer ist strammer Natur, Er pflügt seinen Acker, bestellet das Land Mit Gott für König und Vaterland. Also heißt es in einem schönen Gedichte, eigens für den hiesigen Preußenverein von einem patriotisch-politischen Landpastor fabrizirt. Wie aber Bauern heranziehen? Wohl war es bekannt, daß die „stramme Natur“ derselben auch zugleich zähe ist und absonderlichen Reiz verlangt. Der Reiz wurde gefunden in einem sogenannten Baron Seld, vom Volke „Rübengraf“ genannt, weil er in irgend einem Winkel des berühmten Teltower Kreises sein Nest und seine Jungen hat; Baron Seld reist in hiesiger Gegend für den Preußenverein in Berlin und macht auf Volksversammlun- <TEI> <text> <body> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ar188_003" type="jArticle"> <pb facs="#f0002" n="1014"/> <p>Unsere Leser werden gestehen, daß diese Abrechnung eben nicht sehr günstig für unsern Ritter ausfiel. Wenn nicht der Pabst ebenso großmüthig war, wie die Herzogin von S., so ließen sich die geistigen Angelegenheiten unseres Helden bei weitem nicht so leicht ordnen, als es eben erst mit seinen materiellen Verhältnissen geschah. Herr von Schnapphahnski wollte aber nichts unversucht lassen, und so trat er denn eines Morgens in das Zimmer der Herzogin und sprach in der Weise Ritter Tannhäusers, die folgenden berühmten Worte:</p> <lg type="poem"> <l>„Mein Leben das ist worden krank,</l><lb/> <l>ich mag nit lenger pleiben;</l><lb/> <l>nun gebt mir urlob, frewlin zart,</l><lb/> <l>von eurem stolzen leibe!“</l><lb/> </lg> <p>Die Herzogin erschrack natürlich im höchsten Grade und begriff nicht gleich, was die Geschichte zu bedeuten hatte. Sie war erst eben so gefällig gewesen, die Schulden ihres Freundes mit baaren 200,000 Thalern zu bezahlen, die Ablösung vieler kleinen Hypotheken ungerechnet; und nun wollte der Ritter schon wieder fortziehn: das war nicht recht! Es fiel ihr im Traume nicht ein, daß der Ritter zur Buße seiner Sünden nach Rom pilgern wollte — — Ohne sich daher an die altdeutsche Sprachweise ihres Freundes zu stören, fuhr die Herzogin in der Manier der Frau Venus fort zu reden und erwiederte:</p> <lg type="poem"> <l>„Danhauser, nit reden also!</l><lb/> <l>ir tund euch nit wol besinnen;</l><lb/> <l>so gen wir in ain kemerlein</l><lb/> <l>und spilen der edlen minne!“</l><lb/> </lg> <p>Die Herzogin lispelte diese Worte gerade so verführerisch, wie sie einst Frau Venus gesprochen haben mag. Der Ritter schien aber wenig davon erbaut zu sein; er schüttelte mit dem schönen schwarzlockigen Kopfe und ohne von den Thränen Notiz zu nehmen, die aus den Augen der hohen Dame in den rothen Kaschmirshawl rieselten, öffnete er zum zweiten Male den holdseligen Mund und antwortete, indem er die Hände in die Hosentaschen steckte, mit sehr accentuirtem Tone:</p> <lg type="poem"> <l>„Eur minne ist mir worden laid,</l><lb/> <l>ich hab in meinem Sinne:</l><lb/> <l>fraw Venus, edle fraw so zart!</l><lb/> <l>ir seind ain teufelinne.“</l><lb/> </lg> <p>Hierüber entsetzte sich die Herzogin nur um so mehr, so daß sie unwillkürlich ein Kreuz schlug, was sie seit dem Einzug der Alliirten in Paris nicht mehr gethan hatte. Tödtlich wäre es der Herzogin gewesen, ihren Schnapphahnski zu verlieren; hätte sie nicht ihren kahlen Kopf gefürchtet, sie würde die Perrücke vor Verzweiflung unter die Decke geschleudert haben. Mit den Zähnen konnte sie ebenfalls nicht knirschen, denn, wie unsern Lesern bekannt ist, waren sie mehr ein Produkt des Zahnarztes als der Mutter Natur. Das Rollen der gewaltigen Augen durfte daher einzig und allein den Zorn ihres Innern zu erkennen geben und dies Augengeroll war entsetzlich: zwei Roulette-scheiben glaubte man in wilder Bewegung zu sehn.</p> <p>Vergebens waren aber alle Anstrengungen: der Ritter beharrte auf seinem Vorhaben und die Herzogin würde sich gewiß mit einer Haarnadel den Tod gegeben haben, wenn der muntere Schnapphahnski nicht plötzlich den Schluß des berühmten Tannhäuser Liedes gesprochen und ihr erklärt hätte:</p> <lg type="poem"> <l>„Ich will gen Rom wol in die statt,</l><lb/> <l>gott well mein immer walten!</l><lb/> <l>zu einem bapst der haist Urban</l><lb/> <l>ob er mich möcht behalten — —“</l><lb/> </lg> <p>Als nemlich der Ritter diesen Vers citirt hatte, trocknete die Herzogin ihre Thränen aus beiden Roulette-scheiben und sprang empor mit dem Schrei des Entzückens.</p> <p>„Ja, zum Pabst! zum Pabst Urban!“ rief sie — „wenn er dich auch nicht behalten soll, so soll er dich wenigstens erlösen. Ja, nach Rom, zum Pabst! ich werde dich begleiten — — “ mit beiden Armen umschlang die Herzogin ihren geliebten Ritter.</p> <p>Am nächsten Morgen waren sie auf dem Wege nach Italien.</p> <p>Meine Leser können unmöglich verlangen, daß ich Ihnen die Abentheuer dieser italienischen Reise haarklein erzähle. Ich dachte damals noch nicht an den Ritter Schnapphahnski, und bestach daher weder einen Kutscher noch eine Kammerfrau, um mir alle die süßen Geheimnisse mitzutheilen, die zwischen der kalten Jungfrau und dem feurigen Vesuv vorgefallen sein mögen. Genug, unser glückliches Paar reiste von der Jungfrau bis fast an den Vesuv, d. h. bis nach Rom. — Es versteht sich von selbst, daß unsere Pilger nicht wie die Pilger von ehedem, zu Fuß, in härenem Gewande, ihre Straße zogen. Nein, sowohl Frau Venus als Ritter Tannhäuser stimmten in der Ansicht überein, daß der religiöse Fanatismus mit einer bequemen Karosse wohl zu vereinbaren sei. Indem sie nicht nur bequem, sondern höchst elegant reisten, befolgten sie sogar recht eigentlich das Prinzip des Katholizismus, denn die katholische Religion ist die Religion des Glanzes und der Pracht.</p> <p>Gerade das macht den Katholizismus liebenswürdig, daß er ein Auge für das Schöne, für das Sinnliche hat. Alles was sinnlich ist, ist aber ewig und so glaube ich auch an die Ewigkeit des Katholizismus. Man lache mich ja nicht aus! In keinem Falle muß man mir aber mit den Griechen kommen. Man könnte mir nämlich vorwerfen, die Griechen seien auch im höchsten Grade sinnlich gewesen, und trotzdem wären ihre Götter verschwunden und Niemand denke und Niemand glaube mehr an sie — — dummes Zeug! die Griechengötter leben bis auf den heutigen Tag.</p> <p>O, ich habe das einem meiner alten Lehrer an der Nase angesehen. Am Morgen gab er uns nämlich den nüchternen protestantischen Religionsunterricht und dann war er ledern, zum verzweifeln. Steif wie ein Stockdegen stand er vor uns, seine Ohren</p> </div> </div> <div n="1"> <head>[Deutschland]</head> <div xml:id="ar188_004" type="jArticle"> <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> an den König von Neapel. Der Kaiser geht darin auch in nähere Details, betreffend die britisch-französische Intervention, den Rechten eines freien Herrschers gegenüber, ein, und bemerkt, daß nur die Entfernung und die Unmöglichkeit physische Hülfe zu leisten, ihn abhielten, entschiedener über diesen Gegenstand zu sprechen. Seinen Gesandten in Paris und London habe er übrigens Befehl ertheilt, ganz energisch gegen die Fortdauer solcher Interventionen zu remonstriren und besonders seine Indignation über das Verfahren der beiden Admiräle, welche dem königl. General in der Ausführung seiner militärischen Dispositionen hindernd in den Weg getreten seien, auszusprechen.“</p> </div> <div xml:id="ar188_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>24</author></bibl> Wien, 31.Dezbr.</head> <p>Kein Tag ohne Verurtheilungen; kein Tag ohne neue Verhaftungen. Sie sind unser tägliches Brod und die Wollust unserer Henker. So ist gestern wiederum der 28 Jahre alte Kutscher Hofstädter „wegen seiner beharrlichen Ausdauer und Hartnäckigkeit“ in der Barrikadenvertheidigung kriegsrechtlich zu 6jährigem schweren Kerker verurtheilt worden.</p> </div> <div xml:id="ar188_006" type="jArticle"> <head><bibl><author>121</author></bibl> Wien, 1. Jan.</head> <p>Zuerst das gewöhnliche standrechtliche Frühstück, woran Neujahr durchaus nichts ändert, nämlich: Joh. Grünzweig aus Böhmen, Joh. Furchtmayer aus Wien, Ignaz Szilaczky aus Schlesien, Proletarier, sind nicht etwa „wegen Zusammentreffen von Umständen“, nein, ohne alle Umstände, zu drei- und zweijährigem schwerem Kerker verurtheilt worden. Die Verurtheilungen auf den Grund eigenen Geständnisses oder des Zusammentreffens von Umständen sind als zu umständlich eingestellt worden. Das eigene Geständniß war ohnehin in den allermeisten Fällen bloses Fabrikat der zu Gericht sitzenden Henker, dem zu widersprechen der Verurtheilte durchaus keine Mittel besitzt, da ihm nicht einmal ein Vertheidiger gestattet ist. In den energischsten Augenblicken des so verschrienen französischen Terrorismus beobachtete man bekanntlich wenigstens die äußere Form, aber in Oesterreich!!!!</p> <p rendition="#et">Lasciate ogni speranza, voi, che'ntrate!</p> <p>Für den 29. Dezember hatte Windischgrätz die Erstürmung der Festung Leopoldstadt in Ungarn angesagt, ohne daß die Heldenthat bis heute jedoch hier bekannt geworden ist. Ueberhaupt ist seit dem 26. keine neue gloire hier eingetroffen, was beweist, daß die Magyaren sich tapfer wehren. Aber der Heldenmuth von Rebellen darf zur Ehre der k. k. Banditen nicht bekannt werden, das Standrecht dekretirt seine Unmöglichkeit. — Raab ist keine Festung, sondern eine offene Stadt, die nur verschanzt war, und von deutscher Bourgeoisie bewohnt ist. Dennoch war der Kampf um Raab ein furchtbarer, und wurde erst nach drei Tagen entschieden, indem sich die Magyaren zurückzogen. Windischgrätz hat damit noch wenig gewonnen, solange die Festungen Leopoldstadt, Komorn und Ofen in der Gewalt der Magyaren sind, und deren siegreiches Vordringen im Süden nicht von Türken und Russen aufgehalten wird. Wenn die französisch-englischen Reklamationen ankommen, wird die russische Armee die Sache schon entschieden haben; das ist alles schon so abgekartet. Die französischen Bourgeois unterstützen den asiatischen Despotismus, und helfen Ungarn, Wien, Berlin, Rom, und Neapel wieder zu den äußersten Vorposten der Knutenmajestät von Irkutz und Tobolzk machen. Sehr ehrenhaft — erbaulich!</p> <p>In der Nacht vom Samstag auf den Sonntag mußte die ganze Garnison in den Kasernen unter den Waffen bleiben. Welden hoffte einen kleinen Anlaß benützen zu können, um loszuschlagen und seine neuliche Klub-Kundmachung zu bewahrheiten. Man rührte sich jedoch nicht. Die Zündlöcher der auf den Basteien stehenden Geschütze sind so vortrefflich mit Blech und Riemen bewahrt, und diese selbst der Art bewacht, daß das Vernageln seine bedeutenden Schwierigkeiten hat, und nur unter großer Masseerhebung vielleicht ausführbar würde.</p> <p>Uebrigens werden die Kasernen, Basteien und sonstige vom Militär besetzte Punkte durch Telegraphenlinien in Verbindung gesetzt.</p> <p>Erzherzog Albrecht ist aus Italien hier angekommen und wird, wie es heißt, an Welden's Stelle, Gouverneur von Wien werden, Welden aber in Italien oder Ungarn verwendet werden. Dieser Erzherzog Albrecht spielte unter Metternich in der Armee die Rolle, welche Erzherzog Ludwig in der Verwaltung spielte. Beide wurden im März sammt ihrem Patron leider nur verjagt. Albrecht hatte damals in's Volk schießen lassen. Ein anderer Zug von ihm ist aber dieser. In Oesterreich haben bekanntlich von jeher alle Wachen geladen; kein Posten ohne geladenes Gewehr. Nun hatte Albrecht das Tabackrauchen in den Straßen untersagt, und den einzelnen Posten auf's strengste einschärfen lassen, nach einmaligem Auffordern auf jeden zu schießen, der sich mit einer Cigarre oder Pfeife im Munde, ihnen nähere. Da der Nationalhaß immer bestand, so schoß der Czeche auf den Deutschen, der Italiener auf den Czechen, der Deutsche auf alle u. s. w., fast je nach Belieben. Die Sache wurde endlich selbst dem damaligen Wiener zu arg; man wandte sich an den kommandirenden General von Niederösterreich, und dieser befahl dem ihm untergebenen Albrecht, die Verordnung zu mildern, besser, ganz aufzuheben. Albrecht gehorchte nicht, aber der kommandirende General hatte nicht den Muth, diese Insubordination wider einen Erzherzog und metternich-sedlnitzky'sches Schooßkind zu rügen. Er brachte daher den Fall vor den sogenannten Staatsrath, dem der Kaiser präsidirte. Dort wurde lange hin- und herdebattirt, aber kein Resultat erzielt, da Albrecht nicht nachgeben wollte, die anwesenden Metternich-Sedlnitzky wohlweislich aber schwiegen. Ebenso der Kaiser. Endlich aber nahm letzterer seinen Hut, näherte sich befangen der Thüre, und, indem er in der halbgeöffneten stehen blieb, rief er angstvoll in den Staatsrath: „Beschließt, was ihr wollt, aber meiner Meinung nach sollen meine Unterthanen einer Cigarre wegen nicht zusammengeschossen werden!“ Damit machte er sich durch, wie ein Holländer, der das Standrecht verwirkt hat. Ohne daß Albrecht's Befehl darauf annullirt worden wäre, wurde dem Kaiser zu lieb das Tabackrauchen ohne Zusammenschießen von nun an, aber immer nur nach Belieben der Posten geduldet. — Ein solches Unthier befindet sich jetzt wieder in unserer standrechtlichen Atmosphäre!</p> </div> <div xml:id="ar188_007" type="jArticle"> <head><bibl><author>14</author></bibl> Wien, 1. Jan.</head> <p>Das „starke Ministerium der That des alt-ehrwürdigen mächtigen Oesterreich's“ hat endlich außer dem gewöhnlichen standrechtlichen Heroismus zum Neujahr eine Großthat ersten Rangs begangen. Es hat die Censur, ja noch weit schlimmeres, wieder eingeführt. „Um das politische Recht der freien Presse den Staatsbürgern unverkümmert zu erhalten (ein solcher Hohn ist doch nur hier noch möglich, er ist gar zu plump selbst für Idioten!) und nicht durch fortgesetzten Mißbrauch beim bessern Theile (d. h. bei den eigentlichen Thieren) des Publikums um Ansehn und Theilnahme zu bringen, hat sich das Ministerium des Innern (Stadion) ‥… um wenigstens in der äußern Form der Veröffentlichung die am meisten Aergerniß gebenden Uebergriffe (möglich unter dem Standrecht?) abzustellen, bestimmt gefunden:</p> <p>1) Das Anheften von Plakaten politischen Inhalts ist bei 100 Fl. Strafe verboten.</p> <p>2) Die Redakteure von Zeitungen müssen jedes Blatt eigenhändig unterschrieben, vor dem Druck täglich mit Bezeichnung von Tag und Stunde der Abgabe der Stadthauptmannschaft überweisen, bei jedesmaliger Strafe von 100 Fl. C.-M. für Versäumniß.</p> <p>Wien, den 28. Dez. 1848.</p> <p>Niederösterreichisches Regierungspräsidium: Bamberg.</p> <p>Was wird Europa dazu sagen? seufzt man in seiner Verzweiflung hier bei solcher Gelegenheit immer. Aber Europa schweigt. Paris und Frankfurt halten kaiserlichen Fasching, den sie wider alle Kalendersitte schon zwei Monate früher begonnen. Blut und Verrücktheit steht auf den Bajazzomützen Europa's.</p> <p>Doch ich habe Sie noch mit einem andern ähnlichen Aktenstück bekannt zu machen.</p> <p>Der hohe Klerus in Oesterreich, nämlich im Erzherzogthum ob und unter der Ems, der Fürsterzbischof von Wien, „Vinzenz Eduard“, der Bischof von Linz, „Gregor“, und der Bischof von St, Pölten, „Anton Buchmayr“, protestiren in einer Denkschrift vom 12. Dez. wider §. 16 des Entwurfs der österreich. Grundrechte, lautend: „Eine Staatskirche gibt es nicht.“ Sie protestiren ferner gegen §. 19 daselbst, welcher heißt: „Keiner religiösen Gesellschaft darf ein leitender Einfluß auf öffentliche Lehranstalten eingeräumt werden.“</p> <p>Sie verwahren sich sodann gegen jeden Eingriff in das Eigenthum der Kirche, und verlangen eine Entschädigung für die durch kaiserl. Ukas vom 7. Sept. aufgehobenen Zehnten und Urbarial-Bezüge. Endlich donnern sie wider den „Unfug“ der Preßfreiheit.</p> <p>Der Ton der Schrift ist ungemein uhuächzend. Unter anderm kommt vor: „Nicht nur Robespierre fand sich veranlaßt, das Dasein Gottes zu proklamiren u. s. w.“ Der Reichstag wird als ein Scheusal dargestellt, größer als nach dem Krummstab Robespierre es war.</p> <p>Kuranda droht, die Juden würden aus Oesterreich alle nach Preußen auswandern, wenn der Reichstag sie nicht emanzipire. Er sieht die Juden-Antipathie nicht ohne Absicht durch das Glas des Religionshasses, obwohl dieser Grund auch bei dem albernsten Oesterreicher zur Lächerlichkeit geworden ist.</p> </div> <div xml:id="ar188_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>109</author></bibl> Düsseldorf, 3. Januar.</head> <p>Auch für Düsseldorf bringt das neue Jahr erfreuliche Gaben. Während man sich von vielen Seiten noch der naiven Hoffnung hingiebt, den Belagerungszustand bald quitt zu sein, lassen sich die hiesigen Behörden unter demselben im neuen Jahre erst recht wohl sein. Nicht genug, daß man sich erlaubt, die Versammlungsfreiheit im Angesicht der bevorstehenden Wahlen aufzuheben, ohne irgend den „Rechtsboden“ zu berücksichtigen — diejenigen, von denen die wohllöbl. Polizeiinspektion vermuthet, daß sie bei der Ansagung jener verbotenen Versammlung betheiligt seien, werden <hi rendition="#g">ausgewiesen</hi>. Dies ist an und für sich nichts wunderbares. Aber der heutige Fall — die erste Ausweisung seit dem Belagerungszustand — wird lehrreich durch die Person, die er getroffen. Es wurde nämlich der Lieutenant a. D. v. Lilljestroem zum Polizeiinspektor beschieden und ihm eröffnet, daß er auf Befehl „höhern Orts“ vom 31. Dezember v. J. binnen 24 Stunden Düsseldorf zu verlassen habe. Als Grund wurde angegeben, daß v. Lilljestroem die erwähnte Versammlung ausgeschrieben, „oder doch wenigstens dabei betheiligt sei.“ (!!) Zu bemerken ist, daß v. Lilljestroem sich hier zum Vergnügen aufhält, und sich durchaus nicht mit Politik beschäftigt. Man sieht, für die hiesigen Behörden ist die Zeit der „Vermuthung“ und des „dringenden Verdachts“ wieder glücklich da. Wenigstens wird Herr Manteuffel mit der pflichtgetreuen Ausführung seiner „Andeutungen“ zufrieden sein können. Hr. v. Lilljestroem wird morgen beim Regierungspräsidenten über dieses durch nichts gerechtfertigte Verfahren Beschwerde einlegen. (Wird natürlich ungeheuer viel helfen!)</p> </div> <div xml:id="ar188_009" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 8. Jan.</head> <p>Wie viel von den 16 Millionen Preußen wissen wo <hi rendition="#g">Dramburg</hi> liegt? und wie viele von diesen so Hochgelehrten haben je das Dramburger Kreisblatt gelesen oder kennen nur dessen Existenz? 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Das Ministerium erklärt nämlich ausdrücklich, daß „volljährige, aber in väterlicher Gewalt stehende Söhne, um dieser Eigenschaft willen von den Wahlen nicht unbedingt auszuschließen seien.“</p> <p>Ferner wird eben so ausdrücklich erklärt, es sei „vor erfolgter gesetzlicher Feststellung des Begriffs der politischen <hi rendition="#g">Selbstständigkeit</hi> die Führung eines eigenen Haushaltes als Bedingung des aktiven Wahlrechtes <hi rendition="#g">nicht</hi> anzusehen,“ es seien also <hi rendition="#g">Dienstboten</hi> als Urwähler zulässig. Nur offenbar unselbstständige Personen, wie z. B. Wahnsinnige, gerichtlich erklärte Verschwender und Gefangene seien von den Wahlen auszuschließen. Ueberhaupt sollen die „Ortsbehörden bei der Aufstellung der Wahllisten sich jeder ängstlicher Prüfung der Frage enthalten, ob einem, die sonstigen gesetzlichen Bedingungen des aktiven Wahlrechts erfüllenden Einwohner, die erforderliche Selbstständigkeit beiwohne;“ es soll vielmehr das Vorhandensein der letztern angenommen werden, bis der Beweis des Gegentheils irgendwie vorliegt.</p> <p>Wie richtig und zuverlässig unsere unter dem 28. Dez. gemachte Mittheilung über die eigenthümliche Interpretation war, welche das Ministerium der Verfassungsbestimmung über den sechsmonatlichen Aufenthalt in einer Gemeinde, der zum Urwähler qualifizire, betreffs der vielfach dislocirten Truppen geben wolle — das beweist ein amtliches Circular des hiesigen Magistrats, das jetzt an alle Hauptbesitzer verschickt wird. Dasselbe trägt das Datum vom 25. Dezbr., dem Tage der Ausfertigung des damals von uns erwähnten Ministerialbefehls und bemerkt ausdrücklich, daß „die früher hier garnisonirten, inzwischen aber etwa dislocirten, seitdem jedoch wieder eingerückten Truppen ihr Wahlrecht für Berlin behalten.“ Auch ist in der That in den letzten Tagen mit Heranziehung früher hier garnisonirt gewesenen Truppentheile der Anfang gemacht worden. —</p> </div> <div xml:id="ar188_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>80</author></bibl> Pritzwalk, 1. Jan.</head> <p>Die Märzerrungenschaften haben uns so viel Komisches und Humoristisches gebracht, daß die misanthropischste Weltanschauung hieran noch einige Erlustigung finden kann. Zu diesen komisch-humoristischen Märzerrungenschaften gehören vor Allem die sogenannten Preußenvereine, deren Entstehung, weitere Entwicklung und Ausbeutung durch Potsdam'sche Diplomatie gewiß in der Zukunft das reichste Material zu scherz- und ernsthaften Darstellungen bieten wird. In der Hoffnung, daß diese Preußenvereine ihren Thucidides finden werden, hier einen kleinen historischen Beitrag über Entstehung und Aufführung unseres hiesigen Preußenvereins.</p> <p>Mitte November des Revolutionsjahres 1848 bildete sich hier ein Klub unter dem Namen eines demokratisch-konstitutionellen Vereins, in welchem vorläufig alle politischen Farben vertreten waren; der Verein sprach sich schon in seinen ersten Sitzungen entschieden für die im November verfolgte Nationalversammlung aus. Sofort sonderten sich die Schlacken des Vereins von demselben, um demnächst als Preußenverein mit Gott für König und Vaterland zu gerinnen. Während der demokratisch-konstitutionelle Verein, dessen Mitglieder jetzt circa 200 Bürger, in seinen Berathungen über die Oktroyirte sich für Abschaffung des Adels, der Orden und Titel, für das Recht der Landwehr, als solche sich zu berathen, für eine von der Volksvertretung festgesetzte Civilliste und suspensives Veto des Königs, für das Urwählerrecht des 24jährigen Staatsbürgers, abgesehen von der Selbstständigkeit, für direkte Wahlen ohne Census und für eine in derselben Weise wie die zweite Kammer gewählte erste etc. etc. entschied, beschäftigte sich der Preußenverein mit ganz andern Dingen in harmlos-witziger Weise. Zuerst hielt er Umschau über die Häupter seiner Lieben und erblickte unter ihnen hauptsächlich Freiheitshelden von 13-15 mit der schwarzen Medaille der Nichtcombattanten, Braunbiergäste eines geldsackigen Brauers, einen pietistischen Stadt- und einige verbauerte Landpfaffen — Alles in Allem 30-40 „gute Bürger“ mit Gott für König und Vaterland. Die Geranten des Vereins faßten sich hierauf an die Köpfe, schüttelten sie und sannen, wie sie ihre Zahl mehreten. In dunkler Ahnung dessen, was die Breslauer Deputation später in Potsdam offiziell erfahren hat: daß der Thron vor Allem sich auf das platte Land stütze, entschlossen sie sich, die Massen des platten Landes, vulgo Bauern, heranzuziehen.</p> <lg type="poem"> <l>Der Priegnitzer Bauer ist strammer Natur,</l><lb/> <l>Er pflügt seinen Acker, bestellet das Land</l><lb/> <l>Mit Gott für König und Vaterland.</l><lb/> </lg> <p>Also heißt es in einem schönen Gedichte, eigens für den hiesigen Preußenverein von einem patriotisch-politischen Landpastor fabrizirt. Wie aber Bauern heranziehen? Wohl war es bekannt, daß die „stramme Natur“ derselben auch zugleich zähe ist und absonderlichen Reiz verlangt. Der Reiz wurde gefunden in einem sogenannten Baron Seld, vom Volke „Rübengraf“ genannt, weil er in irgend einem Winkel des berühmten Teltower Kreises sein Nest und seine Jungen hat; Baron Seld reist in hiesiger Gegend für den Preußenverein in Berlin und macht auf Volksversammlun- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1014/0002]
Unsere Leser werden gestehen, daß diese Abrechnung eben nicht sehr günstig für unsern Ritter ausfiel. Wenn nicht der Pabst ebenso großmüthig war, wie die Herzogin von S., so ließen sich die geistigen Angelegenheiten unseres Helden bei weitem nicht so leicht ordnen, als es eben erst mit seinen materiellen Verhältnissen geschah. Herr von Schnapphahnski wollte aber nichts unversucht lassen, und so trat er denn eines Morgens in das Zimmer der Herzogin und sprach in der Weise Ritter Tannhäusers, die folgenden berühmten Worte:
„Mein Leben das ist worden krank,
ich mag nit lenger pleiben;
nun gebt mir urlob, frewlin zart,
von eurem stolzen leibe!“
Die Herzogin erschrack natürlich im höchsten Grade und begriff nicht gleich, was die Geschichte zu bedeuten hatte. Sie war erst eben so gefällig gewesen, die Schulden ihres Freundes mit baaren 200,000 Thalern zu bezahlen, die Ablösung vieler kleinen Hypotheken ungerechnet; und nun wollte der Ritter schon wieder fortziehn: das war nicht recht! Es fiel ihr im Traume nicht ein, daß der Ritter zur Buße seiner Sünden nach Rom pilgern wollte — — Ohne sich daher an die altdeutsche Sprachweise ihres Freundes zu stören, fuhr die Herzogin in der Manier der Frau Venus fort zu reden und erwiederte:
„Danhauser, nit reden also!
ir tund euch nit wol besinnen;
so gen wir in ain kemerlein
und spilen der edlen minne!“
Die Herzogin lispelte diese Worte gerade so verführerisch, wie sie einst Frau Venus gesprochen haben mag. Der Ritter schien aber wenig davon erbaut zu sein; er schüttelte mit dem schönen schwarzlockigen Kopfe und ohne von den Thränen Notiz zu nehmen, die aus den Augen der hohen Dame in den rothen Kaschmirshawl rieselten, öffnete er zum zweiten Male den holdseligen Mund und antwortete, indem er die Hände in die Hosentaschen steckte, mit sehr accentuirtem Tone:
„Eur minne ist mir worden laid,
ich hab in meinem Sinne:
fraw Venus, edle fraw so zart!
ir seind ain teufelinne.“
Hierüber entsetzte sich die Herzogin nur um so mehr, so daß sie unwillkürlich ein Kreuz schlug, was sie seit dem Einzug der Alliirten in Paris nicht mehr gethan hatte. Tödtlich wäre es der Herzogin gewesen, ihren Schnapphahnski zu verlieren; hätte sie nicht ihren kahlen Kopf gefürchtet, sie würde die Perrücke vor Verzweiflung unter die Decke geschleudert haben. Mit den Zähnen konnte sie ebenfalls nicht knirschen, denn, wie unsern Lesern bekannt ist, waren sie mehr ein Produkt des Zahnarztes als der Mutter Natur. Das Rollen der gewaltigen Augen durfte daher einzig und allein den Zorn ihres Innern zu erkennen geben und dies Augengeroll war entsetzlich: zwei Roulette-scheiben glaubte man in wilder Bewegung zu sehn.
Vergebens waren aber alle Anstrengungen: der Ritter beharrte auf seinem Vorhaben und die Herzogin würde sich gewiß mit einer Haarnadel den Tod gegeben haben, wenn der muntere Schnapphahnski nicht plötzlich den Schluß des berühmten Tannhäuser Liedes gesprochen und ihr erklärt hätte:
„Ich will gen Rom wol in die statt,
gott well mein immer walten!
zu einem bapst der haist Urban
ob er mich möcht behalten — —“
Als nemlich der Ritter diesen Vers citirt hatte, trocknete die Herzogin ihre Thränen aus beiden Roulette-scheiben und sprang empor mit dem Schrei des Entzückens.
„Ja, zum Pabst! zum Pabst Urban!“ rief sie — „wenn er dich auch nicht behalten soll, so soll er dich wenigstens erlösen. Ja, nach Rom, zum Pabst! ich werde dich begleiten — — “ mit beiden Armen umschlang die Herzogin ihren geliebten Ritter.
Am nächsten Morgen waren sie auf dem Wege nach Italien.
Meine Leser können unmöglich verlangen, daß ich Ihnen die Abentheuer dieser italienischen Reise haarklein erzähle. Ich dachte damals noch nicht an den Ritter Schnapphahnski, und bestach daher weder einen Kutscher noch eine Kammerfrau, um mir alle die süßen Geheimnisse mitzutheilen, die zwischen der kalten Jungfrau und dem feurigen Vesuv vorgefallen sein mögen. Genug, unser glückliches Paar reiste von der Jungfrau bis fast an den Vesuv, d. h. bis nach Rom. — Es versteht sich von selbst, daß unsere Pilger nicht wie die Pilger von ehedem, zu Fuß, in härenem Gewande, ihre Straße zogen. Nein, sowohl Frau Venus als Ritter Tannhäuser stimmten in der Ansicht überein, daß der religiöse Fanatismus mit einer bequemen Karosse wohl zu vereinbaren sei. Indem sie nicht nur bequem, sondern höchst elegant reisten, befolgten sie sogar recht eigentlich das Prinzip des Katholizismus, denn die katholische Religion ist die Religion des Glanzes und der Pracht.
Gerade das macht den Katholizismus liebenswürdig, daß er ein Auge für das Schöne, für das Sinnliche hat. Alles was sinnlich ist, ist aber ewig und so glaube ich auch an die Ewigkeit des Katholizismus. Man lache mich ja nicht aus! In keinem Falle muß man mir aber mit den Griechen kommen. Man könnte mir nämlich vorwerfen, die Griechen seien auch im höchsten Grade sinnlich gewesen, und trotzdem wären ihre Götter verschwunden und Niemand denke und Niemand glaube mehr an sie — — dummes Zeug! die Griechengötter leben bis auf den heutigen Tag.
O, ich habe das einem meiner alten Lehrer an der Nase angesehen. Am Morgen gab er uns nämlich den nüchternen protestantischen Religionsunterricht und dann war er ledern, zum verzweifeln. Steif wie ein Stockdegen stand er vor uns, seine Ohren
[Deutschland] [Fortsetzung] an den König von Neapel. Der Kaiser geht darin auch in nähere Details, betreffend die britisch-französische Intervention, den Rechten eines freien Herrschers gegenüber, ein, und bemerkt, daß nur die Entfernung und die Unmöglichkeit physische Hülfe zu leisten, ihn abhielten, entschiedener über diesen Gegenstand zu sprechen. Seinen Gesandten in Paris und London habe er übrigens Befehl ertheilt, ganz energisch gegen die Fortdauer solcher Interventionen zu remonstriren und besonders seine Indignation über das Verfahren der beiden Admiräle, welche dem königl. General in der Ausführung seiner militärischen Dispositionen hindernd in den Weg getreten seien, auszusprechen.“
24 Wien, 31.Dezbr. Kein Tag ohne Verurtheilungen; kein Tag ohne neue Verhaftungen. Sie sind unser tägliches Brod und die Wollust unserer Henker. So ist gestern wiederum der 28 Jahre alte Kutscher Hofstädter „wegen seiner beharrlichen Ausdauer und Hartnäckigkeit“ in der Barrikadenvertheidigung kriegsrechtlich zu 6jährigem schweren Kerker verurtheilt worden.
121 Wien, 1. Jan. Zuerst das gewöhnliche standrechtliche Frühstück, woran Neujahr durchaus nichts ändert, nämlich: Joh. Grünzweig aus Böhmen, Joh. Furchtmayer aus Wien, Ignaz Szilaczky aus Schlesien, Proletarier, sind nicht etwa „wegen Zusammentreffen von Umständen“, nein, ohne alle Umstände, zu drei- und zweijährigem schwerem Kerker verurtheilt worden. Die Verurtheilungen auf den Grund eigenen Geständnisses oder des Zusammentreffens von Umständen sind als zu umständlich eingestellt worden. Das eigene Geständniß war ohnehin in den allermeisten Fällen bloses Fabrikat der zu Gericht sitzenden Henker, dem zu widersprechen der Verurtheilte durchaus keine Mittel besitzt, da ihm nicht einmal ein Vertheidiger gestattet ist. In den energischsten Augenblicken des so verschrienen französischen Terrorismus beobachtete man bekanntlich wenigstens die äußere Form, aber in Oesterreich!!!!
Lasciate ogni speranza, voi, che'ntrate!
Für den 29. Dezember hatte Windischgrätz die Erstürmung der Festung Leopoldstadt in Ungarn angesagt, ohne daß die Heldenthat bis heute jedoch hier bekannt geworden ist. Ueberhaupt ist seit dem 26. keine neue gloire hier eingetroffen, was beweist, daß die Magyaren sich tapfer wehren. Aber der Heldenmuth von Rebellen darf zur Ehre der k. k. Banditen nicht bekannt werden, das Standrecht dekretirt seine Unmöglichkeit. — Raab ist keine Festung, sondern eine offene Stadt, die nur verschanzt war, und von deutscher Bourgeoisie bewohnt ist. Dennoch war der Kampf um Raab ein furchtbarer, und wurde erst nach drei Tagen entschieden, indem sich die Magyaren zurückzogen. Windischgrätz hat damit noch wenig gewonnen, solange die Festungen Leopoldstadt, Komorn und Ofen in der Gewalt der Magyaren sind, und deren siegreiches Vordringen im Süden nicht von Türken und Russen aufgehalten wird. Wenn die französisch-englischen Reklamationen ankommen, wird die russische Armee die Sache schon entschieden haben; das ist alles schon so abgekartet. Die französischen Bourgeois unterstützen den asiatischen Despotismus, und helfen Ungarn, Wien, Berlin, Rom, und Neapel wieder zu den äußersten Vorposten der Knutenmajestät von Irkutz und Tobolzk machen. Sehr ehrenhaft — erbaulich!
In der Nacht vom Samstag auf den Sonntag mußte die ganze Garnison in den Kasernen unter den Waffen bleiben. Welden hoffte einen kleinen Anlaß benützen zu können, um loszuschlagen und seine neuliche Klub-Kundmachung zu bewahrheiten. Man rührte sich jedoch nicht. Die Zündlöcher der auf den Basteien stehenden Geschütze sind so vortrefflich mit Blech und Riemen bewahrt, und diese selbst der Art bewacht, daß das Vernageln seine bedeutenden Schwierigkeiten hat, und nur unter großer Masseerhebung vielleicht ausführbar würde.
Uebrigens werden die Kasernen, Basteien und sonstige vom Militär besetzte Punkte durch Telegraphenlinien in Verbindung gesetzt.
Erzherzog Albrecht ist aus Italien hier angekommen und wird, wie es heißt, an Welden's Stelle, Gouverneur von Wien werden, Welden aber in Italien oder Ungarn verwendet werden. Dieser Erzherzog Albrecht spielte unter Metternich in der Armee die Rolle, welche Erzherzog Ludwig in der Verwaltung spielte. Beide wurden im März sammt ihrem Patron leider nur verjagt. Albrecht hatte damals in's Volk schießen lassen. Ein anderer Zug von ihm ist aber dieser. In Oesterreich haben bekanntlich von jeher alle Wachen geladen; kein Posten ohne geladenes Gewehr. Nun hatte Albrecht das Tabackrauchen in den Straßen untersagt, und den einzelnen Posten auf's strengste einschärfen lassen, nach einmaligem Auffordern auf jeden zu schießen, der sich mit einer Cigarre oder Pfeife im Munde, ihnen nähere. Da der Nationalhaß immer bestand, so schoß der Czeche auf den Deutschen, der Italiener auf den Czechen, der Deutsche auf alle u. s. w., fast je nach Belieben. Die Sache wurde endlich selbst dem damaligen Wiener zu arg; man wandte sich an den kommandirenden General von Niederösterreich, und dieser befahl dem ihm untergebenen Albrecht, die Verordnung zu mildern, besser, ganz aufzuheben. Albrecht gehorchte nicht, aber der kommandirende General hatte nicht den Muth, diese Insubordination wider einen Erzherzog und metternich-sedlnitzky'sches Schooßkind zu rügen. Er brachte daher den Fall vor den sogenannten Staatsrath, dem der Kaiser präsidirte. Dort wurde lange hin- und herdebattirt, aber kein Resultat erzielt, da Albrecht nicht nachgeben wollte, die anwesenden Metternich-Sedlnitzky wohlweislich aber schwiegen. Ebenso der Kaiser. Endlich aber nahm letzterer seinen Hut, näherte sich befangen der Thüre, und, indem er in der halbgeöffneten stehen blieb, rief er angstvoll in den Staatsrath: „Beschließt, was ihr wollt, aber meiner Meinung nach sollen meine Unterthanen einer Cigarre wegen nicht zusammengeschossen werden!“ Damit machte er sich durch, wie ein Holländer, der das Standrecht verwirkt hat. Ohne daß Albrecht's Befehl darauf annullirt worden wäre, wurde dem Kaiser zu lieb das Tabackrauchen ohne Zusammenschießen von nun an, aber immer nur nach Belieben der Posten geduldet. — Ein solches Unthier befindet sich jetzt wieder in unserer standrechtlichen Atmosphäre!
14 Wien, 1. Jan. Das „starke Ministerium der That des alt-ehrwürdigen mächtigen Oesterreich's“ hat endlich außer dem gewöhnlichen standrechtlichen Heroismus zum Neujahr eine Großthat ersten Rangs begangen. Es hat die Censur, ja noch weit schlimmeres, wieder eingeführt. „Um das politische Recht der freien Presse den Staatsbürgern unverkümmert zu erhalten (ein solcher Hohn ist doch nur hier noch möglich, er ist gar zu plump selbst für Idioten!) und nicht durch fortgesetzten Mißbrauch beim bessern Theile (d. h. bei den eigentlichen Thieren) des Publikums um Ansehn und Theilnahme zu bringen, hat sich das Ministerium des Innern (Stadion) ‥… um wenigstens in der äußern Form der Veröffentlichung die am meisten Aergerniß gebenden Uebergriffe (möglich unter dem Standrecht?) abzustellen, bestimmt gefunden:
1) Das Anheften von Plakaten politischen Inhalts ist bei 100 Fl. Strafe verboten.
2) Die Redakteure von Zeitungen müssen jedes Blatt eigenhändig unterschrieben, vor dem Druck täglich mit Bezeichnung von Tag und Stunde der Abgabe der Stadthauptmannschaft überweisen, bei jedesmaliger Strafe von 100 Fl. C.-M. für Versäumniß.
Wien, den 28. Dez. 1848.
Niederösterreichisches Regierungspräsidium: Bamberg.
Was wird Europa dazu sagen? seufzt man in seiner Verzweiflung hier bei solcher Gelegenheit immer. Aber Europa schweigt. Paris und Frankfurt halten kaiserlichen Fasching, den sie wider alle Kalendersitte schon zwei Monate früher begonnen. Blut und Verrücktheit steht auf den Bajazzomützen Europa's.
Doch ich habe Sie noch mit einem andern ähnlichen Aktenstück bekannt zu machen.
Der hohe Klerus in Oesterreich, nämlich im Erzherzogthum ob und unter der Ems, der Fürsterzbischof von Wien, „Vinzenz Eduard“, der Bischof von Linz, „Gregor“, und der Bischof von St, Pölten, „Anton Buchmayr“, protestiren in einer Denkschrift vom 12. Dez. wider §. 16 des Entwurfs der österreich. Grundrechte, lautend: „Eine Staatskirche gibt es nicht.“ Sie protestiren ferner gegen §. 19 daselbst, welcher heißt: „Keiner religiösen Gesellschaft darf ein leitender Einfluß auf öffentliche Lehranstalten eingeräumt werden.“
Sie verwahren sich sodann gegen jeden Eingriff in das Eigenthum der Kirche, und verlangen eine Entschädigung für die durch kaiserl. Ukas vom 7. Sept. aufgehobenen Zehnten und Urbarial-Bezüge. Endlich donnern sie wider den „Unfug“ der Preßfreiheit.
Der Ton der Schrift ist ungemein uhuächzend. Unter anderm kommt vor: „Nicht nur Robespierre fand sich veranlaßt, das Dasein Gottes zu proklamiren u. s. w.“ Der Reichstag wird als ein Scheusal dargestellt, größer als nach dem Krummstab Robespierre es war.
Kuranda droht, die Juden würden aus Oesterreich alle nach Preußen auswandern, wenn der Reichstag sie nicht emanzipire. Er sieht die Juden-Antipathie nicht ohne Absicht durch das Glas des Religionshasses, obwohl dieser Grund auch bei dem albernsten Oesterreicher zur Lächerlichkeit geworden ist.
109 Düsseldorf, 3. Januar. Auch für Düsseldorf bringt das neue Jahr erfreuliche Gaben. Während man sich von vielen Seiten noch der naiven Hoffnung hingiebt, den Belagerungszustand bald quitt zu sein, lassen sich die hiesigen Behörden unter demselben im neuen Jahre erst recht wohl sein. Nicht genug, daß man sich erlaubt, die Versammlungsfreiheit im Angesicht der bevorstehenden Wahlen aufzuheben, ohne irgend den „Rechtsboden“ zu berücksichtigen — diejenigen, von denen die wohllöbl. Polizeiinspektion vermuthet, daß sie bei der Ansagung jener verbotenen Versammlung betheiligt seien, werden ausgewiesen. Dies ist an und für sich nichts wunderbares. Aber der heutige Fall — die erste Ausweisung seit dem Belagerungszustand — wird lehrreich durch die Person, die er getroffen. Es wurde nämlich der Lieutenant a. D. v. Lilljestroem zum Polizeiinspektor beschieden und ihm eröffnet, daß er auf Befehl „höhern Orts“ vom 31. Dezember v. J. binnen 24 Stunden Düsseldorf zu verlassen habe. Als Grund wurde angegeben, daß v. Lilljestroem die erwähnte Versammlung ausgeschrieben, „oder doch wenigstens dabei betheiligt sei.“ (!!) Zu bemerken ist, daß v. Lilljestroem sich hier zum Vergnügen aufhält, und sich durchaus nicht mit Politik beschäftigt. Man sieht, für die hiesigen Behörden ist die Zeit der „Vermuthung“ und des „dringenden Verdachts“ wieder glücklich da. Wenigstens wird Herr Manteuffel mit der pflichtgetreuen Ausführung seiner „Andeutungen“ zufrieden sein können. Hr. v. Lilljestroem wird morgen beim Regierungspräsidenten über dieses durch nichts gerechtfertigte Verfahren Beschwerde einlegen. (Wird natürlich ungeheuer viel helfen!)
* Berlin, 8. Jan. Wie viel von den 16 Millionen Preußen wissen wo Dramburg liegt? und wie viele von diesen so Hochgelehrten haben je das Dramburger Kreisblatt gelesen oder kennen nur dessen Existenz? Wer aber von Allen hätte je vermuthet, daß die vielgewünschte ehrliche und offene Erklärung des Ministeriums über den vieldeutigen Begriff „selbstständig“ gerade in diesem obscuren Blatt eines obscuren pommerschen Landstädtchens sich finden würde? und doch ist dem so. Die heut hier angelangte Ostseezeitung Nro. 1 bringt als Auszug aus dem Dramburger Kreisblatt einen Ministerial-Erlaß vom 20. Dezember, wonach das Wort „selbstständig“ bei den diesmaligen Wahlen einen noch weitern Kreis umfaßt, als die landrechtliche Kategorie der Dispositionsfähigen. Das Ministerium erklärt nämlich ausdrücklich, daß „volljährige, aber in väterlicher Gewalt stehende Söhne, um dieser Eigenschaft willen von den Wahlen nicht unbedingt auszuschließen seien.“
Ferner wird eben so ausdrücklich erklärt, es sei „vor erfolgter gesetzlicher Feststellung des Begriffs der politischen Selbstständigkeit die Führung eines eigenen Haushaltes als Bedingung des aktiven Wahlrechtes nicht anzusehen,“ es seien also Dienstboten als Urwähler zulässig. Nur offenbar unselbstständige Personen, wie z. B. Wahnsinnige, gerichtlich erklärte Verschwender und Gefangene seien von den Wahlen auszuschließen. Ueberhaupt sollen die „Ortsbehörden bei der Aufstellung der Wahllisten sich jeder ängstlicher Prüfung der Frage enthalten, ob einem, die sonstigen gesetzlichen Bedingungen des aktiven Wahlrechts erfüllenden Einwohner, die erforderliche Selbstständigkeit beiwohne;“ es soll vielmehr das Vorhandensein der letztern angenommen werden, bis der Beweis des Gegentheils irgendwie vorliegt.
Wie richtig und zuverlässig unsere unter dem 28. Dez. gemachte Mittheilung über die eigenthümliche Interpretation war, welche das Ministerium der Verfassungsbestimmung über den sechsmonatlichen Aufenthalt in einer Gemeinde, der zum Urwähler qualifizire, betreffs der vielfach dislocirten Truppen geben wolle — das beweist ein amtliches Circular des hiesigen Magistrats, das jetzt an alle Hauptbesitzer verschickt wird. Dasselbe trägt das Datum vom 25. Dezbr., dem Tage der Ausfertigung des damals von uns erwähnten Ministerialbefehls und bemerkt ausdrücklich, daß „die früher hier garnisonirten, inzwischen aber etwa dislocirten, seitdem jedoch wieder eingerückten Truppen ihr Wahlrecht für Berlin behalten.“ Auch ist in der That in den letzten Tagen mit Heranziehung früher hier garnisonirt gewesenen Truppentheile der Anfang gemacht worden. —
80 Pritzwalk, 1. Jan. Die Märzerrungenschaften haben uns so viel Komisches und Humoristisches gebracht, daß die misanthropischste Weltanschauung hieran noch einige Erlustigung finden kann. Zu diesen komisch-humoristischen Märzerrungenschaften gehören vor Allem die sogenannten Preußenvereine, deren Entstehung, weitere Entwicklung und Ausbeutung durch Potsdam'sche Diplomatie gewiß in der Zukunft das reichste Material zu scherz- und ernsthaften Darstellungen bieten wird. In der Hoffnung, daß diese Preußenvereine ihren Thucidides finden werden, hier einen kleinen historischen Beitrag über Entstehung und Aufführung unseres hiesigen Preußenvereins.
Mitte November des Revolutionsjahres 1848 bildete sich hier ein Klub unter dem Namen eines demokratisch-konstitutionellen Vereins, in welchem vorläufig alle politischen Farben vertreten waren; der Verein sprach sich schon in seinen ersten Sitzungen entschieden für die im November verfolgte Nationalversammlung aus. Sofort sonderten sich die Schlacken des Vereins von demselben, um demnächst als Preußenverein mit Gott für König und Vaterland zu gerinnen. Während der demokratisch-konstitutionelle Verein, dessen Mitglieder jetzt circa 200 Bürger, in seinen Berathungen über die Oktroyirte sich für Abschaffung des Adels, der Orden und Titel, für das Recht der Landwehr, als solche sich zu berathen, für eine von der Volksvertretung festgesetzte Civilliste und suspensives Veto des Königs, für das Urwählerrecht des 24jährigen Staatsbürgers, abgesehen von der Selbstständigkeit, für direkte Wahlen ohne Census und für eine in derselben Weise wie die zweite Kammer gewählte erste etc. etc. entschied, beschäftigte sich der Preußenverein mit ganz andern Dingen in harmlos-witziger Weise. Zuerst hielt er Umschau über die Häupter seiner Lieben und erblickte unter ihnen hauptsächlich Freiheitshelden von 13-15 mit der schwarzen Medaille der Nichtcombattanten, Braunbiergäste eines geldsackigen Brauers, einen pietistischen Stadt- und einige verbauerte Landpfaffen — Alles in Allem 30-40 „gute Bürger“ mit Gott für König und Vaterland. Die Geranten des Vereins faßten sich hierauf an die Köpfe, schüttelten sie und sannen, wie sie ihre Zahl mehreten. In dunkler Ahnung dessen, was die Breslauer Deputation später in Potsdam offiziell erfahren hat: daß der Thron vor Allem sich auf das platte Land stütze, entschlossen sie sich, die Massen des platten Landes, vulgo Bauern, heranzuziehen.
Der Priegnitzer Bauer ist strammer Natur,
Er pflügt seinen Acker, bestellet das Land
Mit Gott für König und Vaterland.
Also heißt es in einem schönen Gedichte, eigens für den hiesigen Preußenverein von einem patriotisch-politischen Landpastor fabrizirt. Wie aber Bauern heranziehen? Wohl war es bekannt, daß die „stramme Natur“ derselben auch zugleich zähe ist und absonderlichen Reiz verlangt. Der Reiz wurde gefunden in einem sogenannten Baron Seld, vom Volke „Rübengraf“ genannt, weil er in irgend einem Winkel des berühmten Teltower Kreises sein Nest und seine Jungen hat; Baron Seld reist in hiesiger Gegend für den Preußenverein in Berlin und macht auf Volksversammlun-
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(2017-03-20T13:08:10Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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