Neue Rheinische Zeitung. Nr. 196. Köln, 16. Januar 1849.alle Gast-, Kaffee- u. s. w. Häuser einzudringen, und jeden vorfindlichen Gast zu arretiren. Das Papiergeld wird fleißig nachgemacht, Armuth, Elend und Diebstähle nehmen überhand, ebenso Selbstmorde und Wahnsinn. Der Lieutenant Pokorny ist zu fünf Jahren Eisen verurtheilt worden. Der neue slowakische Freiwilligenzug unter Hurban und Stur ist ebenfalls mißglückt; die Slowakei scheint kein günstiges Terrain zu sein, um Banditenhaufen unter k. k. Hauptleuten zu organisiren. * Kremsier, 8. Januar. Die heutige Sitzung des Reichstags war eine entscheidende. Pinkas (aus Prag) hatte folgenden dringlichen Antrag gestellt, über welchen gestern die Linke mit der Rechten übereingekommen war: "Die hohe Reichsversammlung erklärt, sie erkenne mit Bedauern in der durch das Ministerium am 4. Januar 1849 vor Beginn der Debatte über §. 1. des Entwurfes der Grundrechte abgegebenen Erklärung, in Folge deren die Darlegung selbst der loyalsten Gesinnung bei Abstimmung über diesen §. nicht mehr als freier unbehinderter Entschluß, sondern nur mehr als der Ausdruck einer aufgedrungenen Meinung erscheinen muß, -- eine sowohl nach dem Inhalte, als auch nach Fassung und Motivirung dieser Erklärung, der Würde freier Volksvertreter unangemessene, und mit der, dem constituirenden Reichstage durch die kaiserlichen Manifeste von 3. und 6. Juni 1848 eingeräumten Stellung unvereinbare Beirrung der freien Meinungsäußerung." Die Geschäftsordnung verlangt zur Unterstützung eines solchen Antrags 50 Unterschriften. Dieser hatte ihrer 178. Strobach übergab das Präsidium an Dobblhof und verlas den Antrag; Pinkas motirirte ihn. Die Dringlichkeit wurde fast einstimmig anerkannt. Gredler legt für das Ministerium eine Lanze ein und giebt dem Hrn. Schuselka Gelegenheit, sich wieder einmal als liberaler Salbaderer hören zu lassen, der nämliche Schuselka, der in den Oktobertagen Wien durch seine phrasenhafte Feigheit verrathen und uns dahin bringen half, wo wir jetzt sind und wo es nun selbst Leuten, wie Schuselka und Consorten zu unbehaglich wird. Der Minister Stadion hatte die Antwort auf diese und alle übrigen Reden schon in der Tasche. Es war wieder eine Ministerial-Erklärung, die er, freilich unter Zischen, das höchste Mißfallenszeichen welches der souveräne Reichstag sich noch in Momenten der höchsten Aufregung erlaubt -- von der Tribüne herab verlas. Der Inhalt der Erklärung war etwa der: Das Ministerium habe lediglich seine Meinung offen an den Tag gelegt, aber keineswegs die freie Diskussion beschränken wollen. Die Erklärung fruchtete nicht, denn obiger Antrag wurde mit 196 gegen 99 Stimmen angenommen. Somit haben wir endlich das erste leise Mißtrauensvotum des Reichstags gegen das Kabinet und die erste parlamentarische Niederlage des letztern erlebt. Allem Anschein nach wird aber das Kabinet diese Niederlage wohl bald in einen Sieg, d. h. in ein Nachhauseschicken des Reichstags, zu verwandeln wissen. Lauten doch die Nachrichten aus Ungarn ermunternd genug und Windischgrätz, der eigentliche und einzige Souverän Oestreichs, hat es schon lange satt, noch immer eine Menge "Kanaillen" unter dem Namen eines Reichstages versammelt und in Berathung zu sehen. Eine oktroyirte Verfassung, nach dem Beispiele des gottbegnadeten Patentkönigs von Potsdam, liegt bereit. Sie enthält unter einer Menge konstitutioneller Redensarten die thatsächliche Garantie, daß die metternich'sche Regierungswirthschaft, auf's Beste durchgesehen und nach Bedürfniß vermehrt, abermals zur Beglückung der Völker Oestreichs benutzt werden soll. In dieser beabsichtigten Verfassung soll es nur Nationalgarden mit Census -- Polizeihülfstruppen -- geben; die Presse der Polizei untergeordnet, das Vereinigungsrecht nur nach eingeholter "hoher" obrigkeitlicher Bewilligung gestattet, Klöster und Orden nebst der Staatskirche beibehalten, Verhaftungen auch ohne richterlichen Befehl erlaubt werden u. s. w. Aber selbst wenn sie freisinniger lauten sollte, ihr Geist würde der eben bezeichnete sein -- in der Praxis. Ob und wann man die fertige Arbeit dem "getreuen" Oestreich präsentiren wird, hängt lediglich noch von einigen Umständen ab, auf deren baldigen Eintritt gerechnet wird. Inzwischen läßt sich das Ministerium durch die Plaudereien des Reichstags wenig beirren. Hat man ihn satt und wird er irgendwie hemmend oder lästig, so hat sein letztes Stündlein geschlagen und er wird nach allen Weltgegenden hin auseinander gesprengt. Die jetzigen Klagen des Reichstages über das Verfahren der Minister ihm gegenüber, sind viel lächerlicher, als die jenes Jungen, welcher vor Kälte zitternd ausrief: 's ist meinem Vater schon recht, daß ich friere, warum hat er mir keine Handschuh' gekauft. Der Reichstag hatte im Oktober die beste Gelegenheit zum Einkauf der besten Handschuhe, ja, er durfte der Contrerevolution nur den Handschuh im Ernst hinwerfen: so fröre er jetzt nicht. Aber mit Feiglingen und Verräthern, oder Schwachköpfen und Phrasendrechslern hat man kein Mitleid, wenn sie endlich ihre angekreidete Zeche bezahlen müssen. Das Volk lernt dabei wenigstens so viel, daß es künftig weder den alten Feind aus Barmherzigkeit verschonen, oder sich auf die Tölpelei der "Vereinbarung" einlassen, noch sich einen neuen ebenso schlimmen Feind aus seiner Mitte 7 Monate lang ruhig gefallen lassen darf. Cilli, 4. Jan. Trotz 18 Grad Kälte wurde gestern die Probefahrt auf der Eisenbahnstrecke von Cilli nach Tüffer (auf dem Wege nach Laibach) mit Maschine und Tender unternommen, und lieferte den Beweis, daß die Fahrt seiner Zeit eben so sicher, als in geognostischer und ästhetischer Beziehung interessant sein wird. (Gratzer Z.) * Prag, 8. Jan. Gestern langte hier ein Ministerialdekret an, wonach sich der Kaiser entschlossen hat, Prag für eine slavische Universität zu erklären, und befiehlt, daß alle vom Staate angestellten Professoren Vorlesungen in böhmischer Sprache halten müssen, und daß bloß außerordentliche Dozenten in deutscher Sprache lesen dürfen. Vicepräsident Meesery soll bei seiner Rückkunft aus Olmütz mehrere kleine ministerielle Neujahrsgeschenke, d. h. Verbote und Beschränkungen mitgebracht haben, die er bis jetzt noch in seinem Portefeuille verwahrt hält. Als solche Geschenke nennt man: 1) ein Patent zur Reorganisation der Nationalgarde auf Grundlage eines Census etc., deren Oberoffiziere von der Regierung ernannt würden; 2) die Auflösung der deutschen Vereine und der Slowanska Lipa, und 3) das Verbot, irgendwie politische Abzeichen zu tragen. * Frankfurt. Da die Verhandlungen über die österreichische Frage sich in die Lange ziehn und die stenographischen Berichte durch die Schuld der Turn- und Taxischen und sonstiger Reichsposten noch später ankommen wie sonst, sind wir gezwungen, von unserm Vorhaben abzugehn und summarische Berichte der 3 bisher stattgefundenen Sitzungen zu geben. !!! Frankfurt, 12. Jan. Nationalversammlung. -- Seit gestern früh quält sich die sogenannte Nationalversammlung mit der österreichischen Frage, resp. dem sogenannten Gagern'schen Programm. Bei der unendlichen Geduld der Herren Nationalversammler läßt sich kaum morgen Abend die Lösung, d. h. der Schluß der Debatte erwarten. Nur 94 Redner sind zu der Debatte eingeschrieben. In der gestrigen Sitzung (welche zum erstenmal wieder in der wahrlich zu schön eingerichteten Paulskirche stattfand) sprach Venedey gegen das Ministerium. Hierauf von Gagern (der Minister) pro domo und pro ministerio wie gewöhnlich sehr schwach. Nach ihm Arneth gegen das Ministerium. Hierauf Ziegert sehr unbedeutend im Gagern'schen Sinne. Wagner für Oesterreich. Jordan aus Berlin, mit dürftiger Berliner Literaten-Malice, unter Zurechtweisungen und Unterbrechungen, brach eine ebenso lange als dünne Lanze für Gagern. Endlich der Ritter von Schmerling für Oesterreich. Verlangen Sie nicht die Spezialia dieser unendlichen Deklamationen, man würde sie doch nicht lesen. -- In der heutigen Sitzung, wie ich schon oben sagte, die Fortsetzung. Simon von Trier sprach für die einfache Tagesordnung, über das von Gagern'sche Programm. Seinen Antrag, den einzig annehmbaren, unterstützen: Wesendonk, Schlöffel, Rühl aus Hanau, Rösler von Oels, Würth von Sigmaringen. -- Raveaux sprach nicht so heiser als gewöhnlich und unter tiefster Ruhe für Oesterreich. Mit jener gewinnenden Naivetät und auffallenden Offenheit (wenn er sie braucht) sagt Raveaux: "Ich will eigentlich keinen von beiden an der Spitze weder Oesterreich noch Preußen; sondern eine republikanische Form. Es ist die Zeit da, wo wir endlich den Volk Rechnung tragen sollen über unsre Sendung, sonst dürfte es mit uns abrechnen. Seitdem man mit dem Städte-Bombardiren begonnen hat, spricht man von nichts als Tragweite -- Rechnung tragen -- abrechnen u. s. w. Statt all diesem Wortquatsch sollte man endlich an die Abrechnung denken. von Beckerath (Finanzminister) leiert eine Todtenklage für's Ministerium herunter. Von Wydenbrugk (der weimarische Minister): Alle Krisen haben wir nutzlos an uns vorbeipassiren lassen, wir haben weder Freunde noch Feinde mehr im deutschen Volk, nur wenig Heil ist selbst dann noch zu hoffen, wenn wir auch in dieser Frage den rechten Weg gehen; wenn wir nicht die beiden größten deutschen Mächte, Preußen und Oesterreich, aneinanderhetzen, statt die Einheit zu bilden. -- Leider hat das Ministerium diese große Verfassungsfrage zu einer kleinen ministeriellen Jammerfrage gemacht. Aber wenn es gilt, Deutschlands Einheit zu erhalten, will ich mich von jeder Person trennen -- und sei es Deutschlands beste. (??) (Sie sehen, von Wydenbrugk ist bei alledem ein großer Romantiker, er kann sich nicht ohne Thränen von dem edlen Gagern trennen). Auch dieser Rede folgte langer und heißer Beifall. -- Der ultramontane Sepp aus München predigt hierauf unter monströsem Skandal 3/4 Stunden (wie es scheint) für Oesterreich. Der Lärm ist so groß, daß der Präsident Simson meint, selbst die Stenographen würden nichts verstehen. -- Nach ihm von Würth (der rechte Arm Schmerlings und früher Unterstaatssekretär) in begeisterter Rede für Oesterreich mit Deutschland. Ohne Oesterreich sei Deutschland eine Ruine. (Rechts unglaublicher Tumult.) Würth fährt über Preußens Perfidie her. Man hört da allerliebste Wahrheiten von dem komödienhaften Wirken der Reichskommissäre Simson, Hergenhahn und von Gagern am potsdamer Hofe. (Wenn die Burschen sich in die Haare gerathen, hört man endlich einen Funken Wahrheit.) Lieber als diese preußische Perfidie (fährt von Würth fort) ist mir noch das offene Handeln des Fürsten Windischgrätz. (Dieser erbauliche Schluß erregt wollustiges Beifallgeklatsch. Man klatscht sich gegenseitig an, man freut sich kindisch über die Aufdeckung gegenseitiger Schande). Wenn (sagt Würth) ein Staat um seines Ungehorsams gegen die Nationalversammlung willen, aus dem Bundesstaat ausgeschlossen zu werden verdient, so ist es Preußen. (Das ganze Haus klatscht.) Die Anträge des Herrn von Würth lauten: "In Erwägung Hierauf gibt man dem Ex-preußischen Reichskommissär von Hergenhahn das Wort, welcher den von Würth einen Lügner nennt. Hierauf gibt man dem von Würth das Wort, welcher den von Hergenhahn einen Lügner nennt. Hierauf der Präsident Simson fast weinend: "Meine Herrn, ich will ihnen ja die Wahrheit sagen, ich will ja alles, was wir (Hergenhahn und ich) in Berlin gethan haben, einem Ausschuß vorlegen, dann werden Sie ja sehen, daß von Würth gelogen hat. (Beifall der Centren.) Hierauf bekommt Simon von Breslau das Wort, welcher authentisch nachweist, daß von Würth recht hat, vollkommenes Recht in allem, was er über die preußische Perfidie sprach und über die der Herrn Ex-Reichskommissare. (Großes Gaudium im Hause über diese preußisch-österreichische Hetzjagd.) Wurm aus Hamburg spricht hierauf für's Ministerium, aber schlecht. Einem Wurm ist alles möglich. Eines Tages fraß er den Gagern, heut kriecht er vor ihm. Trotz allem Spektakel und Geschrei nach Vertagung läßt man hierauf noch Moritz Mohl sprechen. (Es ist 4 Uhr.) Mohl ist antiministeriell, von allem was er aber spricht, kann kein Mensch ein Wort verstehen. Nach ihm vertagt man sich bis morgen. Schluß nach 4 Uhr. !!! Frankfurt, 13. Dezember. National-Versammlung. Beseler aus Greifswald beginnt heut den Reigen. Es ist eine Frage der Einheit, sagt er, welche uns beschäftigt, aber nicht gestattet die jetzige Sachlage, jene ideale Einheit herzustellen, "so weit die deutsche Zunge klingt." Wir haben Alles gethan, was möglich war, wir haben die Souveränetät des deutschen Bundesstaates gegründet. (Gelächter. Endlich wissen wir doch, was die National-Versammlung gethan hat!) Den Grundgedanken des Bundesstaates (ausgesprochen in den §§ 2 und 3) müssen wir unter allen Umständen festhalten. Was Oesterreich will, ist ein für allemal im Programm von Kremsier ausgesprochen und Oesterreichs Volk will dasselbe. (Links: Ist nicht wahr!) Beseler spricht heut mit einem nie geahnten Pathos, er ist wahrhaft erhebend. Der deutsche Bundesstaat hat drei Garanten: 1. die deutsche Freiheit (Gelächter), 2. die deutsche Wissenschaft (Aha!), 3. die Gemeinschaft der materiellen Interessen. Diese drei Garanten werden uns an Oesterreich knüpfen. Man hat gesagt, wenn Oesterreichs Abgeordnete aus diesem Hause schieden, würden wir Crokodillsthränen weinen, diese Zumuthung weise ich entschieden zurück, wir würden für unsre österreichischen Brüder einen deutschen Händedruck haben (Gelächter und spaßhafte Verbeugungen links) und ein liebevolles Andenken. Er schließt, meine Herren, unser Schiff ist in Gefahr (d. h. die Diäten), nageln wir die Flagge fest an den Mast, bleiben wir fest sitzen u. s. w. (Gelächter links, Bravo rechts). Vogt von Gießen: Die Rede meines Vorgängers, sagt er, beweist doch mindestens, daß er sich für etwas begeistern kann, und daß er, daß seine Partei einsieht, es müsse im jetzigen Augenblick etwas geschehen, das ist allerdings ein Beweis, daß wirklich Gefahr im Verzug ist. (Große Heiterkeit.) Von Vogts Rede führe ich Ihnen nur die Hauptmomente an. Unter anderm sagt er, aus Beselers Rede geht hervor, daß ein antidiluvianisches Ungethüm gegen uns im Anzuge ist, nämlich ein erblicher deutscher Kaiser. v. Gagern habe gesagt, er wolle keine Hegemonie Preußens, das glaube ich, er will einen preußisch-deutschen Kaiser, in dem der Hegemon schon drin steckt. Nur das Bedürfniß nach Einheit hätte die Revolution gemacht, hat der Minister gesagt, die verschiedenen Revolutionen in Berlin und Wien haben das nicht gezeigt. (Der Freiheit wegen hat man sie gemacht.) Ein Bundesstaat und Dynastien sind ganz unverträglich, und da Sie die Prämissen versäumt haben (d. h. die Dynastien nicht weggeräumt), werden Sie durch ihre papiernen Paragraphen nicht den Bundesstaat grunden. Wenn Sie eine Garantie für die Freiheit haben wollen, in der Wissenschaft (siehe Beseler) werden Sie sie nicht finden. (Heiterkeit) Eine materielle Einhei[t] Deutschland ohne politische Einigung ist auch unmöglich. Allerdings ist klar, sagt Vogt, Oesterreich sucht uns jetzt aus egoistischen Gründen, aber ist dies ein Grund für uns, das ministerielle Programm anzunehmen? Unter anderm nennt Vogt die Gesandten der Centralgewalt historische Gesandten. (Ungeheure Heiterkeit). Wer verlangt denn die österreichische Gesammtmonarchie? Etwa die Slawen? Etwa die Italiener? Etwa die Lombarden? Nein! weiter Niemand als das k. k. österreichische Ministerium und sein Beamtenheer. (Beifall) Jetzt wollen Sie (zur Rechten), meine Herren, die Stimme des österreichischen Volks auf einmal hören, jetzt, da es geknechtet und geknebelt ist; zur Zeit als es sich erhob und frei sprechen konnte da haben Sie jene Stimme nicht gehört. (Rauschender Applaus) Vogt theilt mit, daß an viele österreichische Abgeordnete aus Deutsch-Oesterreich Adressen mit vielen Unterschriften eingelaufen, worin der Anschluß an Deutschland sehnlich gewünscht wird, aber begleitet von Privatbriefen der Petenten, in denen man bittet, nur die Namen nicht zu veröffentlichen weil sonst Verfolgungen der österreichischen Beamten (d. h. Pulver und Blei) unvermeidlich folgten. Unter diesen Umstanden soll Oesterreichs Volk (nach Beseler) sich frei ausgesprochen haben. Nachdem Vogt in noch langer, oft von Beifall unterbrochener Rede gegen das Ministerprogramm gesprochen, tragen viele Mitglieder der Linken auf Schluß der Debatte an, ziehen aber, da sie sehen, daß v. Vincke die Tribüne betritt, mit äußerster Artigkeit ihren Antrag bis nach Schluß der Rede des Ritters zurück. Der v. Vincke stützt hieraf in langer und geschwätzigen Rede das Ministerium und greift bald das verehrte Mitglied von X, bald das verehrte Mitglied von Y mit gewohnter Bissigkeit und Eintönigkeit an. Besonders fährt er über Hrn. v. Widenbrugk her. Erbaulich ist es zu sehen, wie der Ritter diesmal den Exminister v. Schmerling wüthend angreift, mit dem er sich doch früher auf so traulichem Rechtsboden zusammen fand. Aber bei Gott und diesen Nationalversammlern ist nichts unmöglich. Vincke greift Schmerling und v. Würth so heftig an, daß man stürmisch auf "Ordnungsruf" dringt. Als es beinahe soweit kommt, giebt der tapfere Ritter eine ausweichende Erklärung (a la Eisenach). Niemals, meint Hr. v. Vincke u. a., ist ein Mitglied eines englischen oder französischen Parlaments soweit gegangen zu sagen, wie der Abgeordnete von Trier, das deutsche Parlament habe sich mit Schimpf und Schande bedeckt. (Simon von Trier vom Platz: Es hat auch noch kein englisches oder französisches Parlament so gehandelt!) Vincke schließt endlich unter Beifall von rechts und Zischen links. v. Würth erhält hierauf das Wort, um sich gegen Vinckes plumpe Grobheiten zu vertheidigen. Nach Vincke wird gegen hal[b] zwei Uhr die Debatte geschlossen, mit Vorbehalt der Erlaubniß zu reden für den Ministerpasidenten und die beiden Berichterstatter der Majorität und der Minorität. Auf den Vorschlag von Venedey vertagt man hierauf die Sitzung bis 3 Uhr Nachmittags. (Jetzt ist es 1/2 2 Uhr). Hamburg. Ueber die Mangelhaftigkeit der Vertretung der deutschen Handels-Interessen in Griechenland und in der Levante wird in einem uns gütigst mitgetheilten Privatschreiben aus Syra vom 24. Dezbr. unter Anderm folgendes berichtet: "Während meines Aufenthalts in Syra sind bereits 3 deutsche Schiffe gestrandet, es ist ihnen aber mehr durch die mit den deutschen Consulaten Beauftragten geraubt als durch die Gewalt der Stürme. Jetzt kommt dazu, daß der mit den preußischen, mecklenburgischen und hannoverschen Consulatgeschäften beauftragte Consul sowohl, als sein Secretär abwesend in London und die Geschäfte des Consulats einem Verwandten übertragen sind, der nichts mehr und nichts weniger als Pedell in einer Schule ist. Soeben komme ich von einem gestrandeten deutschen Schiffe zurück, es ist ein mecklenburgisches, die "Doris". Ich fand den armen Capitän in einem elenden Zustande. Der preußische sogenannte Consul war schon dagewesen und hatte ihm schon proponirt, das Schiff zu verkaufen. Ich brachte aber den Mann zum englischen Consul, der sich seiner Sache anzunehmen versprach, da die Ladung eine englische sei, und so hoffe ich, daß wir ihn retten werden." (B. H.)Hannover, 9. Jan. Commodore Parker, der Boston am 20. v. M. verlassen hat, ist gestern Abend hier durch nach Berlin gereist, um von dort in Begleitung des amerikanischen Gesandten Donelson nach Frankfurt zu gehen, wohin er zur Theilnahme an den Vorarbeiten für die deutsche Marine eingeladen ist. (H. M.-Z.)Göttingen, 9. Jan. "Nach einem von beiden Seiten geführten Wahlkampfe haben heute die Wahlen für die ersten sechs städtischen Distrikten stattgehabt; morgen wird die zweite Hälfte folgen. In jenen sämmtlichen sechs Distrikten sind die von der republikanischen Partei vorgeschlagenen Wahlmänner, freilich mitunter gegen sehr starke Minoritäten, in der Oberhand geblieben, und die Wahl des Hrn. Dr. Elissen kann als gesichert betrachtet werden. Italien. 68 Neapel. Die "Alba" von Florenz meldet aus Neapel vom 30 Dezbr., daß die Feindseligkeiten wieder erneuert worden sind. Die sizilianische Armee hat nach einem blutigen Kampfe Milazzo wieder genommen und in der Umgegend von Messina einen vollständigen Sieg davongetragen Gleichzeitig hieß es, die Sizilianer hätten Lucian Murat zum König von Sizilien ausgerufen. Ebenso erzählt die "Alba", ein außerordentlicher Gesandter des russischen Hofes sei zu Neapel angekommen, um den König zu benachrichtigen, daß die Familie Bonaparte, für den Fall, daß Louis Bonaparte zum Präsidenten gewählt würde, die Wünsche Siziliens zu Gunsten Lucian Murats offen unterstützen wolle. Aus diesem Grunde, fährt die "Alba" fort, fordert Rußland den König von Neapel auf, Sizilien sofort anzugreifen; möchten sich Frankreich und England der Invasion widersetzen, so werde Rußland dann alsbald mit bewaffneter Macht in Ungarn einfallen. -- Der neapolitanische Korrespondent der "Times", dessen jüngster Brief vom 4. Januar datirt ist, weiß von allen diesen Dingen nichts. Wohl soll durch die plötzliche Abreise General Filangieri's nach Messina das Gerücht veranlaßt worden sein, die Palermitaner hätten den Waffenstillstand gebrochen und die neapolitanische Armee würde daraufhin ebenfalls avanciren: es hat sich jedoch nicht bestätigt. Dagegen hat die provisorische Regierung von Palermo die Constituante proklamirt, and ihren Anschluß an die toskanische und piemontesische Bewegung erklärt. Die Note des Fürsten Cariati ist jetzt von Hrn. Temple und Hrn. Nayneval beantwortet worden. Namentlich Ersterer lehnt die von Cariati beantragte Betheiligung Spaniens mit äußerster Entschiedenheit ab, und besteht mehr als je auf der Bedingung einer sizilianischen Separat-Armee. Der Pabst war noch zu Gaeta. Daß Neapel und Oesterreich noch nicht in Rom intervenirt hatten, soll nach dem Berichterstatter der "Times" daran liegen, daß der junge Kaiser seine Thronbesteigung dem neapolitanischen Hofe noch nicht angezeigt hatte. Bevor dies geschehen, können keinerlei diplomatische Verhandlungen zwischen beiden Regierungen geführt werden. Uebrigens ist eine Annäherung bereits im Gange und der konservative Times-Korrespondent gibt sich der Hoffnung hin, daß der Etikettepunkt demnächst beseitigt und dadurch ein gemeinschaftliches Habsburg-Bourbon'sches Dreinschlagen im Kirchenstaat, reps. die alle Gast-, Kaffee- u. s. w. Häuser einzudringen, und jeden vorfindlichen Gast zu arretiren. Das Papiergeld wird fleißig nachgemacht, Armuth, Elend und Diebstähle nehmen überhand, ebenso Selbstmorde und Wahnsinn. Der Lieutenant Pokorny ist zu fünf Jahren Eisen verurtheilt worden. Der neue slowakische Freiwilligenzug unter Hurban und Stur ist ebenfalls mißglückt; die Slowakei scheint kein günstiges Terrain zu sein, um Banditenhaufen unter k. k. Hauptleuten zu organisiren. * Kremsier, 8. Januar. Die heutige Sitzung des Reichstags war eine entscheidende. Pinkas (aus Prag) hatte folgenden dringlichen Antrag gestellt, über welchen gestern die Linke mit der Rechten übereingekommen war: „Die hohe Reichsversammlung erklärt, sie erkenne mit Bedauern in der durch das Ministerium am 4. Januar 1849 vor Beginn der Debatte über §. 1. des Entwurfes der Grundrechte abgegebenen Erklärung, in Folge deren die Darlegung selbst der loyalsten Gesinnung bei Abstimmung über diesen §. nicht mehr als freier unbehinderter Entschluß, sondern nur mehr als der Ausdruck einer aufgedrungenen Meinung erscheinen muß, — eine sowohl nach dem Inhalte, als auch nach Fassung und Motivirung dieser Erklärung, der Würde freier Volksvertreter unangemessene, und mit der, dem constituirenden Reichstage durch die kaiserlichen Manifeste von 3. und 6. Juni 1848 eingeräumten Stellung unvereinbare Beirrung der freien Meinungsäußerung.“ Die Geschäftsordnung verlangt zur Unterstützung eines solchen Antrags 50 Unterschriften. Dieser hatte ihrer 178. Strobach übergab das Präsidium an Dobblhof und verlas den Antrag; Pinkas motirirte ihn. Die Dringlichkeit wurde fast einstimmig anerkannt. Gredler legt für das Ministerium eine Lanze ein und giebt dem Hrn. Schuselka Gelegenheit, sich wieder einmal als liberaler Salbaderer hören zu lassen, der nämliche Schuselka, der in den Oktobertagen Wien durch seine phrasenhafte Feigheit verrathen und uns dahin bringen half, wo wir jetzt sind und wo es nun selbst Leuten, wie Schuselka und Consorten zu unbehaglich wird. Der Minister Stadion hatte die Antwort auf diese und alle übrigen Reden schon in der Tasche. Es war wieder eine Ministerial-Erklärung, die er, freilich unter Zischen, das höchste Mißfallenszeichen welches der souveräne Reichstag sich noch in Momenten der höchsten Aufregung erlaubt — von der Tribüne herab verlas. Der Inhalt der Erklärung war etwa der: Das Ministerium habe lediglich seine Meinung offen an den Tag gelegt, aber keineswegs die freie Diskussion beschränken wollen. Die Erklärung fruchtete nicht, denn obiger Antrag wurde mit 196 gegen 99 Stimmen angenommen. Somit haben wir endlich das erste leise Mißtrauensvotum des Reichstags gegen das Kabinet und die erste parlamentarische Niederlage des letztern erlebt. Allem Anschein nach wird aber das Kabinet diese Niederlage wohl bald in einen Sieg, d. h. in ein Nachhauseschicken des Reichstags, zu verwandeln wissen. Lauten doch die Nachrichten aus Ungarn ermunternd genug und Windischgrätz, der eigentliche und einzige Souverän Oestreichs, hat es schon lange satt, noch immer eine Menge „Kanaillen“ unter dem Namen eines Reichstages versammelt und in Berathung zu sehen. Eine oktroyirte Verfassung, nach dem Beispiele des gottbegnadeten Patentkönigs von Potsdam, liegt bereit. Sie enthält unter einer Menge konstitutioneller Redensarten die thatsächliche Garantie, daß die metternich'sche Regierungswirthschaft, auf's Beste durchgesehen und nach Bedürfniß vermehrt, abermals zur Beglückung der Völker Oestreichs benutzt werden soll. In dieser beabsichtigten Verfassung soll es nur Nationalgarden mit Census — Polizeihülfstruppen — geben; die Presse der Polizei untergeordnet, das Vereinigungsrecht nur nach eingeholter „hoher“ obrigkeitlicher Bewilligung gestattet, Klöster und Orden nebst der Staatskirche beibehalten, Verhaftungen auch ohne richterlichen Befehl erlaubt werden u. s. w. Aber selbst wenn sie freisinniger lauten sollte, ihr Geist würde der eben bezeichnete sein — in der Praxis. Ob und wann man die fertige Arbeit dem „getreuen“ Oestreich präsentiren wird, hängt lediglich noch von einigen Umständen ab, auf deren baldigen Eintritt gerechnet wird. Inzwischen läßt sich das Ministerium durch die Plaudereien des Reichstags wenig beirren. Hat man ihn satt und wird er irgendwie hemmend oder lästig, so hat sein letztes Stündlein geschlagen und er wird nach allen Weltgegenden hin auseinander gesprengt. Die jetzigen Klagen des Reichstages über das Verfahren der Minister ihm gegenüber, sind viel lächerlicher, als die jenes Jungen, welcher vor Kälte zitternd ausrief: 's ist meinem Vater schon recht, daß ich friere, warum hat er mir keine Handschuh' gekauft. Der Reichstag hatte im Oktober die beste Gelegenheit zum Einkauf der besten Handschuhe, ja, er durfte der Contrerevolution nur den Handschuh im Ernst hinwerfen: so fröre er jetzt nicht. Aber mit Feiglingen und Verräthern, oder Schwachköpfen und Phrasendrechslern hat man kein Mitleid, wenn sie endlich ihre angekreidete Zeche bezahlen müssen. Das Volk lernt dabei wenigstens so viel, daß es künftig weder den alten Feind aus Barmherzigkeit verschonen, oder sich auf die Tölpelei der „Vereinbarung“ einlassen, noch sich einen neuen ebenso schlimmen Feind aus seiner Mitte 7 Monate lang ruhig gefallen lassen darf. Cilli, 4. Jan. Trotz 18 Grad Kälte wurde gestern die Probefahrt auf der Eisenbahnstrecke von Cilli nach Tüffer (auf dem Wege nach Laibach) mit Maschine und Tender unternommen, und lieferte den Beweis, daß die Fahrt seiner Zeit eben so sicher, als in geognostischer und ästhetischer Beziehung interessant sein wird. (Gratzer Z.) * Prag, 8. Jan. Gestern langte hier ein Ministerialdekret an, wonach sich der Kaiser entschlossen hat, Prag für eine slavische Universität zu erklären, und befiehlt, daß alle vom Staate angestellten Professoren Vorlesungen in böhmischer Sprache halten müssen, und daß bloß außerordentliche Dozenten in deutscher Sprache lesen dürfen. Vicepräsident Meesery soll bei seiner Rückkunft aus Olmütz mehrere kleine ministerielle Neujahrsgeschenke, d. h. Verbote und Beschränkungen mitgebracht haben, die er bis jetzt noch in seinem Portefeuille verwahrt hält. Als solche Geschenke nennt man: 1) ein Patent zur Reorganisation der Nationalgarde auf Grundlage eines Census etc., deren Oberoffiziere von der Regierung ernannt würden; 2) die Auflösung der deutschen Vereine und der Slowanska Lipa, und 3) das Verbot, irgendwie politische Abzeichen zu tragen. * Frankfurt. Da die Verhandlungen über die österreichische Frage sich in die Lange ziehn und die stenographischen Berichte durch die Schuld der Turn- und Taxischen und sonstiger Reichsposten noch später ankommen wie sonst, sind wir gezwungen, von unserm Vorhaben abzugehn und summarische Berichte der 3 bisher stattgefundenen Sitzungen zu geben. !!! Frankfurt, 12. Jan. Nationalversammlung. — Seit gestern früh quält sich die sogenannte Nationalversammlung mit der österreichischen Frage, resp. dem sogenannten Gagern'schen Programm. Bei der unendlichen Geduld der Herren Nationalversammler läßt sich kaum morgen Abend die Lösung, d. h. der Schluß der Debatte erwarten. Nur 94 Redner sind zu der Debatte eingeschrieben. In der gestrigen Sitzung (welche zum erstenmal wieder in der wahrlich zu schön eingerichteten Paulskirche stattfand) sprach Venedey gegen das Ministerium. Hierauf von Gagern (der Minister) pro domo und pro ministerio wie gewöhnlich sehr schwach. Nach ihm Arneth gegen das Ministerium. Hierauf Ziegert sehr unbedeutend im Gagern'schen Sinne. Wagner für Oesterreich. Jordan aus Berlin, mit dürftiger Berliner Literaten-Malice, unter Zurechtweisungen und Unterbrechungen, brach eine ebenso lange als dünne Lanze für Gagern. Endlich der Ritter von Schmerling für Oesterreich. Verlangen Sie nicht die Spezialia dieser unendlichen Deklamationen, man würde sie doch nicht lesen. — In der heutigen Sitzung, wie ich schon oben sagte, die Fortsetzung. Simon von Trier sprach für die einfache Tagesordnung, über das von Gagern'sche Programm. Seinen Antrag, den einzig annehmbaren, unterstützen: Wesendonk, Schlöffel, Rühl aus Hanau, Rösler von Oels, Würth von Sigmaringen. — Raveaux sprach nicht so heiser als gewöhnlich und unter tiefster Ruhe für Oesterreich. Mit jener gewinnenden Naivetät und auffallenden Offenheit (wenn er sie braucht) sagt Raveaux: „Ich will eigentlich keinen von beiden an der Spitze weder Oesterreich noch Preußen; sondern eine republikanische Form. Es ist die Zeit da, wo wir endlich den Volk Rechnung tragen sollen über unsre Sendung, sonst dürfte es mit uns abrechnen. Seitdem man mit dem Städte-Bombardiren begonnen hat, spricht man von nichts als Tragweite — Rechnung tragen — abrechnen u. s. w. Statt all diesem Wortquatsch sollte man endlich an die Abrechnung denken. von Beckerath (Finanzminister) leiert eine Todtenklage für's Ministerium herunter. Von Wydenbrugk (der weimarische Minister): Alle Krisen haben wir nutzlos an uns vorbeipassiren lassen, wir haben weder Freunde noch Feinde mehr im deutschen Volk, nur wenig Heil ist selbst dann noch zu hoffen, wenn wir auch in dieser Frage den rechten Weg gehen; wenn wir nicht die beiden größten deutschen Mächte, Preußen und Oesterreich, aneinanderhetzen, statt die Einheit zu bilden. — Leider hat das Ministerium diese große Verfassungsfrage zu einer kleinen ministeriellen Jammerfrage gemacht. Aber wenn es gilt, Deutschlands Einheit zu erhalten, will ich mich von jeder Person trennen — und sei es Deutschlands beste. (??) (Sie sehen, von Wydenbrugk ist bei alledem ein großer Romantiker, er kann sich nicht ohne Thränen von dem edlen Gagern trennen). Auch dieser Rede folgte langer und heißer Beifall. — Der ultramontane Sepp aus München predigt hierauf unter monströsem Skandal 3/4 Stunden (wie es scheint) für Oesterreich. Der Lärm ist so groß, daß der Präsident Simson meint, selbst die Stenographen würden nichts verstehen. — Nach ihm von Würth (der rechte Arm Schmerlings und früher Unterstaatssekretär) in begeisterter Rede für Oesterreich mit Deutschland. Ohne Oesterreich sei Deutschland eine Ruine. (Rechts unglaublicher Tumult.) Würth fährt über Preußens Perfidie her. Man hört da allerliebste Wahrheiten von dem komödienhaften Wirken der Reichskommissäre Simson, Hergenhahn und von Gagern am potsdamer Hofe. (Wenn die Burschen sich in die Haare gerathen, hört man endlich einen Funken Wahrheit.) Lieber als diese preußische Perfidie (fährt von Würth fort) ist mir noch das offene Handeln des Fürsten Windischgrätz. (Dieser erbauliche Schluß erregt wollustiges Beifallgeklatsch. Man klatscht sich gegenseitig an, man freut sich kindisch über die Aufdeckung gegenseitiger Schande). Wenn (sagt Würth) ein Staat um seines Ungehorsams gegen die Nationalversammlung willen, aus dem Bundesstaat ausgeschlossen zu werden verdient, so ist es Preußen. (Das ganze Haus klatscht.) Die Anträge des Herrn von Würth lauten: „In Erwägung Hierauf gibt man dem Ex-preußischen Reichskommissär von Hergenhahn das Wort, welcher den von Würth einen Lügner nennt. Hierauf gibt man dem von Würth das Wort, welcher den von Hergenhahn einen Lügner nennt. Hierauf der Präsident Simson fast weinend: „Meine Herrn, ich will ihnen ja die Wahrheit sagen, ich will ja alles, was wir (Hergenhahn und ich) in Berlin gethan haben, einem Ausschuß vorlegen, dann werden Sie ja sehen, daß von Würth gelogen hat. (Beifall der Centren.) Hierauf bekommt Simon von Breslau das Wort, welcher authentisch nachweist, daß von Würth recht hat, vollkommenes Recht in allem, was er über die preußische Perfidie sprach und über die der Herrn Ex-Reichskommissare. (Großes Gaudium im Hause über diese preußisch-österreichische Hetzjagd.) Wurm aus Hamburg spricht hierauf für's Ministerium, aber schlecht. Einem Wurm ist alles möglich. Eines Tages fraß er den Gagern, heut kriecht er vor ihm. Trotz allem Spektakel und Geschrei nach Vertagung läßt man hierauf noch Moritz Mohl sprechen. (Es ist 4 Uhr.) Mohl ist antiministeriell, von allem was er aber spricht, kann kein Mensch ein Wort verstehen. Nach ihm vertagt man sich bis morgen. Schluß nach 4 Uhr. !!! Frankfurt, 13. Dezember. National-Versammlung. Beseler aus Greifswald beginnt heut den Reigen. Es ist eine Frage der Einheit, sagt er, welche uns beschäftigt, aber nicht gestattet die jetzige Sachlage, jene ideale Einheit herzustellen, „so weit die deutsche Zunge klingt.“ Wir haben Alles gethan, was möglich war, wir haben die Souveränetät des deutschen Bundesstaates gegründet. (Gelächter. Endlich wissen wir doch, was die National-Versammlung gethan hat!) Den Grundgedanken des Bundesstaates (ausgesprochen in den §§ 2 und 3) müssen wir unter allen Umständen festhalten. Was Oesterreich will, ist ein für allemal im Programm von Kremsier ausgesprochen und Oesterreichs Volk will dasselbe. (Links: Ist nicht wahr!) Beseler spricht heut mit einem nie geahnten Pathos, er ist wahrhaft erhebend. Der deutsche Bundesstaat hat drei Garanten: 1. die deutsche Freiheit (Gelächter), 2. die deutsche Wissenschaft (Aha!), 3. die Gemeinschaft der materiellen Interessen. Diese drei Garanten werden uns an Oesterreich knüpfen. Man hat gesagt, wenn Oesterreichs Abgeordnete aus diesem Hause schieden, würden wir Crokodillsthränen weinen, diese Zumuthung weise ich entschieden zurück, wir würden für unsre österreichischen Brüder einen deutschen Händedruck haben (Gelächter und spaßhafte Verbeugungen links) und ein liebevolles Andenken. Er schließt, meine Herren, unser Schiff ist in Gefahr (d. h. die Diäten), nageln wir die Flagge fest an den Mast, bleiben wir fest sitzen u. s. w. (Gelächter links, Bravo rechts). Vogt von Gießen: Die Rede meines Vorgängers, sagt er, beweist doch mindestens, daß er sich für etwas begeistern kann, und daß er, daß seine Partei einsieht, es müsse im jetzigen Augenblick etwas geschehen, das ist allerdings ein Beweis, daß wirklich Gefahr im Verzug ist. (Große Heiterkeit.) Von Vogts Rede führe ich Ihnen nur die Hauptmomente an. Unter anderm sagt er, aus Beselers Rede geht hervor, daß ein antidiluvianisches Ungethüm gegen uns im Anzuge ist, nämlich ein erblicher deutscher Kaiser. v. Gagern habe gesagt, er wolle keine Hegemonie Preußens, das glaube ich, er will einen preußisch-deutschen Kaiser, in dem der Hegemon schon drin steckt. Nur das Bedürfniß nach Einheit hätte die Revolution gemacht, hat der Minister gesagt, die verschiedenen Revolutionen in Berlin und Wien haben das nicht gezeigt. (Der Freiheit wegen hat man sie gemacht.) Ein Bundesstaat und Dynastien sind ganz unverträglich, und da Sie die Prämissen versäumt haben (d. h. die Dynastien nicht weggeräumt), werden Sie durch ihre papiernen Paragraphen nicht den Bundesstaat grunden. Wenn Sie eine Garantie für die Freiheit haben wollen, in der Wissenschaft (siehe Beseler) werden Sie sie nicht finden. (Heiterkeit) Eine materielle Einhei[t] Deutschland ohne politische Einigung ist auch unmöglich. Allerdings ist klar, sagt Vogt, Oesterreich sucht uns jetzt aus egoistischen Gründen, aber ist dies ein Grund für uns, das ministerielle Programm anzunehmen? Unter anderm nennt Vogt die Gesandten der Centralgewalt historische Gesandten. (Ungeheure Heiterkeit). Wer verlangt denn die österreichische Gesammtmonarchie? Etwa die Slawen? Etwa die Italiener? Etwa die Lombarden? Nein! weiter Niemand als das k. k. österreichische Ministerium und sein Beamtenheer. (Beifall) Jetzt wollen Sie (zur Rechten), meine Herren, die Stimme des österreichischen Volks auf einmal hören, jetzt, da es geknechtet und geknebelt ist; zur Zeit als es sich erhob und frei sprechen konnte da haben Sie jene Stimme nicht gehört. (Rauschender Applaus) Vogt theilt mit, daß an viele österreichische Abgeordnete aus Deutsch-Oesterreich Adressen mit vielen Unterschriften eingelaufen, worin der Anschluß an Deutschland sehnlich gewünscht wird, aber begleitet von Privatbriefen der Petenten, in denen man bittet, nur die Namen nicht zu veröffentlichen weil sonst Verfolgungen der österreichischen Beamten (d. h. Pulver und Blei) unvermeidlich folgten. Unter diesen Umstanden soll Oesterreichs Volk (nach Beseler) sich frei ausgesprochen haben. Nachdem Vogt in noch langer, oft von Beifall unterbrochener Rede gegen das Ministerprogramm gesprochen, tragen viele Mitglieder der Linken auf Schluß der Debatte an, ziehen aber, da sie sehen, daß v. Vincke die Tribüne betritt, mit äußerster Artigkeit ihren Antrag bis nach Schluß der Rede des Ritters zurück. Der v. Vincke stützt hieraf in langer und geschwätzigen Rede das Ministerium und greift bald das verehrte Mitglied von X, bald das verehrte Mitglied von Y mit gewohnter Bissigkeit und Eintönigkeit an. Besonders fährt er über Hrn. v. Widenbrugk her. Erbaulich ist es zu sehen, wie der Ritter diesmal den Exminister v. Schmerling wüthend angreift, mit dem er sich doch früher auf so traulichem Rechtsboden zusammen fand. Aber bei Gott und diesen Nationalversammlern ist nichts unmöglich. Vincke greift Schmerling und v. Würth so heftig an, daß man stürmisch auf „Ordnungsruf“ dringt. Als es beinahe soweit kommt, giebt der tapfere Ritter eine ausweichende Erklärung (à la Eisenach). Niemals, meint Hr. v. Vincke u. a., ist ein Mitglied eines englischen oder französischen Parlaments soweit gegangen zu sagen, wie der Abgeordnete von Trier, das deutsche Parlament habe sich mit Schimpf und Schande bedeckt. (Simon von Trier vom Platz: Es hat auch noch kein englisches oder französisches Parlament so gehandelt!) Vincke schließt endlich unter Beifall von rechts und Zischen links. v. Würth erhält hierauf das Wort, um sich gegen Vinckes plumpe Grobheiten zu vertheidigen. Nach Vincke wird gegen hal[b] zwei Uhr die Debatte geschlossen, mit Vorbehalt der Erlaubniß zu reden für den Ministerpasidenten und die beiden Berichterstatter der Majorität und der Minorität. Auf den Vorschlag von Venedey vertagt man hierauf die Sitzung bis 3 Uhr Nachmittags. (Jetzt ist es 1/2 2 Uhr). Hamburg. Ueber die Mangelhaftigkeit der Vertretung der deutschen Handels-Interessen in Griechenland und in der Levante wird in einem uns gütigst mitgetheilten Privatschreiben aus Syra vom 24. Dezbr. unter Anderm folgendes berichtet: „Während meines Aufenthalts in Syra sind bereits 3 deutsche Schiffe gestrandet, es ist ihnen aber mehr durch die mit den deutschen Consulaten Beauftragten geraubt als durch die Gewalt der Stürme. Jetzt kommt dazu, daß der mit den preußischen, mecklenburgischen und hannoverschen Consulatgeschäften beauftragte Consul sowohl, als sein Secretär abwesend in London und die Geschäfte des Consulats einem Verwandten übertragen sind, der nichts mehr und nichts weniger als Pedell in einer Schule ist. Soeben komme ich von einem gestrandeten deutschen Schiffe zurück, es ist ein mecklenburgisches, die „Doris“. Ich fand den armen Capitän in einem elenden Zustande. Der preußische sogenannte Consul war schon dagewesen und hatte ihm schon proponirt, das Schiff zu verkaufen. Ich brachte aber den Mann zum englischen Consul, der sich seiner Sache anzunehmen versprach, da die Ladung eine englische sei, und so hoffe ich, daß wir ihn retten werden.“ (B. H.)Hannover, 9. Jan. Commodore Parker, der Boston am 20. v. M. verlassen hat, ist gestern Abend hier durch nach Berlin gereist, um von dort in Begleitung des amerikanischen Gesandten Donelson nach Frankfurt zu gehen, wohin er zur Theilnahme an den Vorarbeiten für die deutsche Marine eingeladen ist. (H. M.-Z.)Göttingen, 9. Jan. „Nach einem von beiden Seiten geführten Wahlkampfe haben heute die Wahlen für die ersten sechs städtischen Distrikten stattgehabt; morgen wird die zweite Hälfte folgen. In jenen sämmtlichen sechs Distrikten sind die von der republikanischen Partei vorgeschlagenen Wahlmänner, freilich mitunter gegen sehr starke Minoritäten, in der Oberhand geblieben, und die Wahl des Hrn. Dr. Elissen kann als gesichert betrachtet werden. Italien. 68 Neapel. Die „Alba“ von Florenz meldet aus Neapel vom 30 Dezbr., daß die Feindseligkeiten wieder erneuert worden sind. Die sizilianische Armee hat nach einem blutigen Kampfe Milazzo wieder genommen und in der Umgegend von Messina einen vollständigen Sieg davongetragen Gleichzeitig hieß es, die Sizilianer hätten Lucian Murat zum König von Sizilien ausgerufen. Ebenso erzählt die „Alba“, ein außerordentlicher Gesandter des russischen Hofes sei zu Neapel angekommen, um den König zu benachrichtigen, daß die Familie Bonaparte, für den Fall, daß Louis Bonaparte zum Präsidenten gewählt würde, die Wünsche Siziliens zu Gunsten Lucian Murats offen unterstützen wolle. Aus diesem Grunde, fährt die „Alba“ fort, fordert Rußland den König von Neapel auf, Sizilien sofort anzugreifen; möchten sich Frankreich und England der Invasion widersetzen, so werde Rußland dann alsbald mit bewaffneter Macht in Ungarn einfallen. — Der neapolitanische Korrespondent der „Times“, dessen jüngster Brief vom 4. Januar datirt ist, weiß von allen diesen Dingen nichts. Wohl soll durch die plötzliche Abreise General Filangieri's nach Messina das Gerücht veranlaßt worden sein, die Palermitaner hätten den Waffenstillstand gebrochen und die neapolitanische Armee würde daraufhin ebenfalls avanciren: es hat sich jedoch nicht bestätigt. Dagegen hat die provisorische Regierung von Palermo die Constituante proklamirt, and ihren Anschluß an die toskanische und piemontesische Bewegung erklärt. Die Note des Fürsten Cariati ist jetzt von Hrn. Temple und Hrn. Nayneval beantwortet worden. Namentlich Ersterer lehnt die von Cariati beantragte Betheiligung Spaniens mit äußerster Entschiedenheit ab, und besteht mehr als je auf der Bedingung einer sizilianischen Separat-Armee. Der Pabst war noch zu Gaeta. Daß Neapel und Oesterreich noch nicht in Rom intervenirt hatten, soll nach dem Berichterstatter der „Times“ daran liegen, daß der junge Kaiser seine Thronbesteigung dem neapolitanischen Hofe noch nicht angezeigt hatte. Bevor dies geschehen, können keinerlei diplomatische Verhandlungen zwischen beiden Regierungen geführt werden. Uebrigens ist eine Annäherung bereits im Gange und der konservative Times-Korrespondent gibt sich der Hoffnung hin, daß der Etikettepunkt demnächst beseitigt und dadurch ein gemeinschaftliches Habsburg-Bourbon'sches Dreinschlagen im Kirchenstaat, reps. die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar196_011" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="1065"/> alle Gast-, Kaffee- u. s. w. Häuser einzudringen, und jeden vorfindlichen Gast zu arretiren. Das Papiergeld wird fleißig nachgemacht, Armuth, Elend und Diebstähle nehmen überhand, ebenso Selbstmorde und Wahnsinn. Der Lieutenant Pokorny ist zu fünf Jahren Eisen verurtheilt worden.</p> <p>Der neue slowakische Freiwilligenzug unter Hurban und Stur ist ebenfalls mißglückt; die Slowakei scheint kein günstiges Terrain zu sein, um Banditenhaufen unter k. k. Hauptleuten zu organisiren.</p> </div> <div xml:id="ar196_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Kremsier, 8. Januar.</head> <p>Die heutige Sitzung des Reichstags war eine entscheidende. Pinkas (aus Prag) hatte folgenden dringlichen Antrag gestellt, über welchen gestern die Linke mit der Rechten übereingekommen war:</p> <p rendition="#et">„Die hohe Reichsversammlung erklärt, sie erkenne mit Bedauern in der durch das Ministerium am 4. Januar 1849 vor Beginn der Debatte über §. 1. des Entwurfes der Grundrechte abgegebenen Erklärung, in Folge deren die Darlegung selbst der loyalsten Gesinnung bei Abstimmung über diesen §. nicht mehr als freier unbehinderter Entschluß, sondern nur mehr als der Ausdruck einer aufgedrungenen Meinung erscheinen muß, — eine sowohl nach dem Inhalte, als auch nach Fassung und Motivirung dieser Erklärung, der Würde freier Volksvertreter unangemessene, und mit der, dem constituirenden Reichstage durch die kaiserlichen Manifeste von 3. und 6. Juni 1848 eingeräumten Stellung unvereinbare Beirrung der freien Meinungsäußerung.“</p> <p>Die Geschäftsordnung verlangt zur Unterstützung eines solchen Antrags 50 Unterschriften. Dieser hatte ihrer 178. Strobach übergab das Präsidium an Dobblhof und verlas den Antrag; Pinkas motirirte ihn. Die Dringlichkeit wurde fast einstimmig anerkannt. Gredler legt für das Ministerium eine Lanze ein und giebt dem Hrn. Schuselka Gelegenheit, sich wieder einmal als liberaler Salbaderer hören zu lassen, der nämliche Schuselka, der in den Oktobertagen Wien durch seine phrasenhafte Feigheit verrathen und uns dahin bringen half, wo wir jetzt sind und wo es nun selbst Leuten, wie Schuselka und Consorten zu unbehaglich wird. Der Minister Stadion hatte die Antwort auf diese und alle übrigen Reden schon in der Tasche. Es war wieder eine Ministerial-Erklärung, die er, freilich unter Zischen, das höchste Mißfallenszeichen welches der souveräne Reichstag sich noch in Momenten der höchsten Aufregung erlaubt — von der Tribüne herab verlas. Der Inhalt der Erklärung war etwa der: Das Ministerium habe lediglich seine Meinung offen an den Tag gelegt, aber keineswegs die freie Diskussion beschränken wollen. Die Erklärung fruchtete nicht, denn obiger Antrag wurde mit 196 gegen 99 Stimmen angenommen. Somit haben wir endlich das erste leise Mißtrauensvotum des Reichstags gegen das Kabinet und die erste parlamentarische Niederlage des letztern erlebt. Allem Anschein nach wird aber das Kabinet diese Niederlage wohl bald in einen Sieg, d. h. in ein Nachhauseschicken des Reichstags, zu verwandeln wissen. Lauten doch die Nachrichten aus Ungarn ermunternd genug und Windischgrätz, der eigentliche und einzige Souverän Oestreichs, hat es schon lange satt, noch immer eine Menge „Kanaillen“ unter dem Namen eines Reichstages versammelt und in Berathung zu sehen.</p> <p>Eine oktroyirte Verfassung, nach dem Beispiele des gottbegnadeten Patentkönigs von Potsdam, liegt bereit. Sie enthält unter einer Menge konstitutioneller Redensarten die thatsächliche Garantie, daß die metternich'sche Regierungswirthschaft, auf's Beste durchgesehen und nach Bedürfniß vermehrt, abermals zur Beglückung der Völker Oestreichs benutzt werden soll. In dieser beabsichtigten Verfassung soll es nur Nationalgarden mit Census — Polizeihülfstruppen — geben; die Presse der Polizei untergeordnet, das Vereinigungsrecht nur nach eingeholter „hoher“ obrigkeitlicher Bewilligung gestattet, Klöster und Orden nebst der Staatskirche beibehalten, Verhaftungen auch ohne richterlichen Befehl erlaubt werden u. s. w. Aber selbst wenn sie freisinniger lauten sollte, ihr Geist würde der eben bezeichnete sein — in der Praxis. Ob und wann man die fertige Arbeit dem „getreuen“ Oestreich präsentiren wird, hängt lediglich noch von einigen Umständen ab, auf deren baldigen Eintritt gerechnet wird.</p> <p>Inzwischen läßt sich das Ministerium durch die Plaudereien des Reichstags wenig beirren. Hat man ihn satt und wird er irgendwie hemmend oder lästig, so hat sein letztes Stündlein geschlagen und er wird nach allen Weltgegenden hin auseinander gesprengt.</p> <p>Die jetzigen Klagen des Reichstages über das Verfahren der Minister ihm gegenüber, sind viel lächerlicher, als die jenes Jungen, welcher vor Kälte zitternd ausrief: 's ist meinem Vater schon recht, daß ich friere, warum hat er mir keine Handschuh' gekauft. Der Reichstag hatte im Oktober die beste Gelegenheit zum Einkauf der besten Handschuhe, ja, er durfte der Contrerevolution nur den Handschuh im Ernst hinwerfen: so fröre er jetzt nicht. Aber mit Feiglingen und Verräthern, oder Schwachköpfen und Phrasendrechslern hat man kein Mitleid, wenn sie endlich ihre angekreidete Zeche bezahlen müssen. Das Volk lernt dabei wenigstens so viel, daß es künftig weder den alten Feind aus Barmherzigkeit verschonen, oder sich auf die Tölpelei der „Vereinbarung“ einlassen, noch sich einen neuen ebenso schlimmen Feind aus seiner Mitte 7 Monate lang ruhig gefallen lassen darf.</p> </div> <div xml:id="ar196_013" type="jArticle"> <head>Cilli, 4. Jan.</head> <p>Trotz 18 Grad Kälte wurde gestern die Probefahrt auf der Eisenbahnstrecke von Cilli nach Tüffer (auf dem Wege nach Laibach) mit Maschine und Tender unternommen, und lieferte den Beweis, daß die Fahrt seiner Zeit eben so sicher, als in geognostischer und ästhetischer Beziehung interessant sein wird.</p> <bibl>(Gratzer Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar196_014" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Prag, 8. Jan.</head> <p>Gestern langte hier ein Ministerialdekret an, wonach sich der Kaiser entschlossen hat, Prag für eine slavische Universität zu erklären, und befiehlt, daß alle vom Staate angestellten Professoren Vorlesungen in böhmischer Sprache halten müssen, und daß bloß außerordentliche Dozenten in deutscher Sprache lesen dürfen.</p> <p>Vicepräsident Meesery soll bei seiner Rückkunft aus Olmütz mehrere kleine ministerielle Neujahrsgeschenke, d. h. Verbote und Beschränkungen mitgebracht haben, die er bis jetzt noch in seinem Portefeuille verwahrt hält. Als solche Geschenke nennt man: 1) ein Patent zur Reorganisation der Nationalgarde auf Grundlage eines Census etc., deren Oberoffiziere von der Regierung ernannt würden; 2) die Auflösung der deutschen Vereine und der Slowanska Lipa, und 3) das Verbot, irgendwie politische Abzeichen zu tragen.</p> </div> <div xml:id="ar196_015" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Frankfurt.</head> <p>Da die Verhandlungen über die österreichische Frage sich in die Lange ziehn und die stenographischen Berichte durch die Schuld der Turn- und Taxischen und sonstiger Reichsposten noch später ankommen wie sonst, sind wir gezwungen, von unserm Vorhaben abzugehn und summarische Berichte der 3 bisher stattgefundenen Sitzungen zu geben.</p> </div> <div xml:id="ar196_016" type="jArticle"> <head><bibl><author>!!!</author></bibl> Frankfurt, 12. Jan.</head> <p><hi rendition="#g">Nationalversammlung</hi>. — Seit gestern früh quält sich die sogenannte Nationalversammlung mit der österreichischen Frage, resp. dem sogenannten Gagern'schen Programm. Bei der unendlichen Geduld der Herren Nationalversammler läßt sich kaum morgen Abend die Lösung, d. h. der Schluß der Debatte erwarten. Nur 94 Redner sind zu der Debatte eingeschrieben. In der gestrigen Sitzung (welche zum erstenmal wieder in der wahrlich zu schön eingerichteten Paulskirche stattfand) sprach Venedey gegen das Ministerium. Hierauf von Gagern (der Minister) pro domo und pro ministerio wie gewöhnlich sehr schwach. Nach ihm <hi rendition="#g">Arneth</hi> gegen das Ministerium. Hierauf <hi rendition="#g">Ziegert</hi> sehr unbedeutend im Gagern'schen Sinne. <hi rendition="#g">Wagner</hi> für Oesterreich. <hi rendition="#g">Jordan</hi> aus Berlin, mit dürftiger Berliner Literaten-Malice, unter Zurechtweisungen und Unterbrechungen, brach eine ebenso lange als dünne Lanze für Gagern. Endlich der Ritter von <hi rendition="#g">Schmerling</hi> für Oesterreich. Verlangen Sie nicht die Spezialia dieser unendlichen Deklamationen, man würde sie doch nicht lesen. — In der heutigen Sitzung, wie ich schon oben sagte, die Fortsetzung. <hi rendition="#g">Simon</hi> von Trier sprach für die einfache Tagesordnung, über das von Gagern'sche Programm. Seinen Antrag, den einzig annehmbaren, unterstützen: Wesendonk, Schlöffel, Rühl aus Hanau, Rösler von Oels, Würth von Sigmaringen. — <hi rendition="#g">Raveaux</hi> sprach nicht so heiser als gewöhnlich und unter tiefster Ruhe für Oesterreich. Mit jener gewinnenden Naivetät und auffallenden Offenheit (wenn er sie braucht) sagt Raveaux: „Ich will eigentlich keinen von beiden an der Spitze weder Oesterreich noch Preußen; sondern eine republikanische Form. Es ist die Zeit da, wo wir endlich den Volk Rechnung tragen sollen über unsre Sendung, sonst dürfte es mit uns <hi rendition="#g">abrechnen</hi>. Seitdem man mit dem Städte-Bombardiren begonnen hat, spricht man von nichts als Tragweite — Rechnung tragen — abrechnen u. s. w. Statt all diesem Wortquatsch sollte man endlich an die Abrechnung denken. von <hi rendition="#g">Beckerath</hi> (Finanzminister) leiert eine Todtenklage für's Ministerium herunter. Von <hi rendition="#g">Wydenbrugk</hi> (der weimarische Minister): Alle Krisen haben wir nutzlos an uns vorbeipassiren lassen, wir haben weder Freunde noch Feinde mehr im deutschen Volk, nur wenig Heil ist selbst dann noch zu hoffen, wenn wir auch in dieser Frage den rechten Weg gehen; wenn wir <hi rendition="#g">nicht</hi> die beiden größten deutschen Mächte, Preußen und Oesterreich, aneinanderhetzen, statt die Einheit zu bilden. — Leider hat das Ministerium diese große Verfassungsfrage zu einer kleinen ministeriellen Jammerfrage gemacht. Aber wenn es gilt, Deutschlands Einheit zu erhalten, will ich mich von jeder Person trennen — und sei es Deutschlands <hi rendition="#g">beste</hi>. (??) (Sie sehen, von Wydenbrugk ist bei alledem ein großer Romantiker, er kann sich nicht ohne Thränen von dem edlen Gagern trennen). Auch dieser Rede folgte langer und heißer Beifall. — Der ultramontane <hi rendition="#g">Sepp</hi> aus München predigt hierauf unter monströsem Skandal 3/4 Stunden (wie es scheint) für Oesterreich. Der Lärm ist so groß, daß der Präsident Simson meint, selbst die Stenographen würden nichts verstehen. — Nach ihm von <hi rendition="#g">Würth</hi> (der rechte Arm Schmerlings und früher Unterstaatssekretär) in begeisterter Rede für Oesterreich mit Deutschland. Ohne Oesterreich sei Deutschland eine Ruine. (Rechts unglaublicher Tumult.) Würth fährt über Preußens Perfidie her. Man hört da allerliebste Wahrheiten von dem komödienhaften Wirken der Reichskommissäre Simson, Hergenhahn und von Gagern am potsdamer Hofe. (Wenn die Burschen sich in die Haare gerathen, hört man endlich einen Funken Wahrheit.) Lieber als diese preußische Perfidie (fährt von Würth fort) ist mir noch das offene Handeln des Fürsten <hi rendition="#g">Windischgrätz</hi>. (Dieser erbauliche Schluß erregt wollustiges Beifallgeklatsch. Man klatscht sich gegenseitig an, man freut sich kindisch über die Aufdeckung gegenseitiger Schande). Wenn (sagt Würth) ein Staat um seines Ungehorsams gegen die Nationalversammlung willen, aus dem Bundesstaat ausgeschlossen zu werden verdient, so ist es <hi rendition="#g">Preußen</hi>. (Das ganze Haus klatscht.) Die Anträge des Herrn von Würth lauten:</p> <p rendition="#et">„In Erwägung<lb/> 1. daß die National-Versammlung getreu ihrer Pflicht und ihrer Vollmacht dahin trachten muß, ganz Deutschland mit Einschluß der osterreichischen Bestandtheile des deutschen Bundesgebietes im Bundesstaate zu einigen;<lb/> 2. daß die National-Versammlung ihre Selbstständigkeit als Organ des deutschen Volkes nicht beeinträchtigt, wenn sie die bestehenden Verhältnisse und Interessen der deutschen Einzelstaaten berücksichtigt und vor der endlichen Festsetzung des Verfassungswerkes durch ein Benehmen mit den Regierungen jene Hindernisse oder Schwierigkeiten zu beseitigen sucht, welche der Verwirklichung von Verfassungsbestimmungen entgegenstehen könnten;<lb/> 3. daß Oesterreichs Stellung als Gesammtstaat, aus deutschen und außerdeutschen Gebietstheilen zusammengesetzt, eigenthümliche Schwierigkeiten darbietet;<lb/> 4. daß es an der Zeit ist, die Zweifel zu beseitigen, zu welchen das österreichische Ministerprogramm vom 27. Nov. v. J. über das Eingehen Oesterreichs in den deutschen Bundesstaat Grund gegeben hat;<lb/> 5. daß es nicht blos nothwendig ist, einer Lossagung des österreichischen Bundesgebiets von Deutschland rechtzeitig entgegen zu wirken, sondern daß auch die Anbahnung einer möglichst innigen Einigung der außerdeutschen Länder Oesterreichs mit dem deutschen Gesammtstaate im Interesse der betheiligten Nationen und des europäischen Friedens liegt,<lb/> beschließt die National-Versammlung:<lb/> Das Reichsministerium werde ermächtigt, mit der österreischen Regierung zur Beseitigung der Schwierigkeiten, welche der Durchführung der deutschen Reichsverfassung in den deutsch-österreichischen Ländern entgegenstehen konnten, und zur Anbahnung einer Union der außerdeutschen Provinz[e]n Oesterreichs mit ganz Deutschland in Verhandlung zu treten.“</p> <p>Hierauf gibt man dem Ex-preußischen Reichskommissär von Hergenhahn das Wort, welcher den von Würth einen Lügner nennt. Hierauf gibt man dem von Würth das Wort, welcher den von Hergenhahn einen Lügner nennt. Hierauf der Präsident Simson fast weinend: „Meine Herrn, ich will ihnen ja die Wahrheit sagen, ich will ja alles, was wir (Hergenhahn und ich) in Berlin gethan haben, einem Ausschuß vorlegen, dann werden Sie ja sehen, daß von Würth gelogen hat. (Beifall der Centren.) Hierauf bekommt <hi rendition="#g">Simon</hi> von Breslau das Wort, welcher authentisch nachweist, daß von Würth recht hat, vollkommenes Recht in allem, was er über die preußische Perfidie sprach und über die der Herrn Ex-Reichskommissare. (Großes Gaudium im Hause über diese preußisch-österreichische Hetzjagd.) <hi rendition="#g">Wurm</hi> aus Hamburg spricht hierauf für's Ministerium, aber schlecht. Einem Wurm ist alles möglich. Eines Tages fraß er den Gagern, heut kriecht er vor ihm. Trotz allem Spektakel und Geschrei nach Vertagung läßt man hierauf noch Moritz Mohl sprechen. (Es ist 4 Uhr.) Mohl ist antiministeriell, von allem was er aber spricht, kann kein Mensch ein Wort verstehen. Nach ihm vertagt man sich bis morgen. Schluß nach 4 Uhr.</p> </div> <div xml:id="ar196_017" type="jArticle"> <head><bibl><author>!!!</author></bibl> Frankfurt, 13. Dezember.</head> <p>National-Versammlung.</p> <p><hi rendition="#g">Beseler</hi> aus Greifswald beginnt heut den Reigen. Es ist eine Frage der Einheit, sagt er, welche uns beschäftigt, aber nicht gestattet die jetzige Sachlage, jene ideale Einheit herzustellen, „so weit die deutsche Zunge klingt.“ Wir haben Alles gethan, was möglich war, wir haben die Souveränetät des deutschen Bundesstaates gegründet. (Gelächter. Endlich wissen wir doch, was die National-Versammlung gethan hat!) Den Grundgedanken des Bundesstaates (ausgesprochen in den §§ 2 und 3) müssen wir unter allen Umständen festhalten. Was Oesterreich will, ist ein für allemal im Programm von Kremsier ausgesprochen und Oesterreichs Volk will dasselbe. (Links: Ist nicht wahr!) Beseler spricht heut mit einem nie geahnten Pathos, er ist wahrhaft erhebend. Der deutsche Bundesstaat hat drei Garanten: 1. die deutsche Freiheit (Gelächter), 2. die deutsche Wissenschaft (Aha!), 3. die Gemeinschaft der materiellen Interessen. Diese drei Garanten werden uns an Oesterreich knüpfen. Man hat gesagt, wenn Oesterreichs Abgeordnete aus diesem Hause schieden, würden wir Crokodillsthränen weinen, diese Zumuthung weise ich entschieden zurück, wir würden für unsre österreichischen Brüder einen deutschen Händedruck haben (Gelächter und spaßhafte Verbeugungen links) und ein liebevolles Andenken. Er schließt, meine Herren, unser Schiff ist in Gefahr (d. h. die Diäten), nageln wir die Flagge fest an den Mast, bleiben wir fest sitzen u. s. w. (Gelächter links, Bravo rechts).</p> <p><hi rendition="#g">Vogt</hi> von Gießen: Die Rede meines Vorgängers, sagt er, beweist doch mindestens, daß er sich für etwas begeistern kann, und daß er, daß seine Partei einsieht, es müsse im jetzigen Augenblick etwas geschehen, das ist allerdings ein Beweis, daß wirklich Gefahr im Verzug ist. (Große Heiterkeit.) Von Vogts Rede führe ich Ihnen nur die Hauptmomente an. Unter anderm sagt er, aus Beselers Rede geht hervor, daß ein antidiluvianisches Ungethüm gegen uns im Anzuge ist, nämlich ein erblicher deutscher Kaiser. v. Gagern habe gesagt, er wolle keine Hegemonie Preußens, das glaube ich, er will einen preußisch-deutschen Kaiser, in dem der Hegemon schon drin steckt. Nur das Bedürfniß nach Einheit hätte die Revolution gemacht, hat der Minister gesagt, die verschiedenen Revolutionen in Berlin und Wien haben das nicht gezeigt. (Der Freiheit wegen hat man sie gemacht.) Ein Bundesstaat und Dynastien sind ganz unverträglich, und da Sie die Prämissen versäumt haben (d. h. die Dynastien nicht weggeräumt), werden Sie durch ihre papiernen Paragraphen nicht den Bundesstaat grunden. Wenn Sie eine Garantie für die Freiheit haben wollen, in der Wissenschaft (siehe Beseler) werden Sie sie nicht finden. (Heiterkeit) Eine materielle Einhei[t] Deutschland ohne politische Einigung ist auch unmöglich. Allerdings ist klar, sagt Vogt, Oesterreich sucht uns jetzt aus egoistischen Gründen, aber ist dies ein Grund für uns, das ministerielle Programm anzunehmen? Unter anderm nennt Vogt die Gesandten der Centralgewalt historische Gesandten. (Ungeheure Heiterkeit). Wer verlangt denn die österreichische Gesammtmonarchie? Etwa die Slawen? Etwa die Italiener? Etwa die Lombarden? Nein! weiter Niemand als das k. k. österreichische Ministerium und sein Beamtenheer. (Beifall) Jetzt wollen Sie (zur Rechten), meine Herren, die Stimme des österreichischen Volks auf einmal hören, jetzt, da es geknechtet und geknebelt ist; zur Zeit als es sich erhob und frei sprechen konnte da haben Sie jene Stimme nicht gehört. (Rauschender Applaus) Vogt theilt mit, daß an viele österreichische Abgeordnete aus Deutsch-Oesterreich Adressen mit vielen Unterschriften eingelaufen, worin der Anschluß an Deutschland sehnlich gewünscht wird, aber begleitet von Privatbriefen der Petenten, in denen man bittet, nur die Namen nicht zu veröffentlichen weil sonst Verfolgungen der österreichischen Beamten (d. h. Pulver und Blei) unvermeidlich folgten. Unter diesen Umstanden soll Oesterreichs Volk (nach Beseler) sich frei ausgesprochen haben.</p> <p>Nachdem Vogt in noch langer, oft von Beifall unterbrochener Rede gegen das Ministerprogramm gesprochen, tragen viele Mitglieder der Linken auf Schluß der Debatte an, ziehen aber, da sie sehen, daß v. Vincke die Tribüne betritt, mit äußerster Artigkeit ihren Antrag bis nach Schluß der Rede des Ritters zurück.</p> <p>Der v. Vincke stützt hieraf in langer und geschwätzigen Rede das Ministerium und greift bald das verehrte Mitglied von X, bald das verehrte Mitglied von Y mit gewohnter Bissigkeit und Eintönigkeit an. Besonders fährt er über Hrn. v. Widenbrugk her. Erbaulich ist es zu sehen, wie der Ritter diesmal den Exminister v. Schmerling wüthend angreift, mit dem er sich doch früher auf so traulichem Rechtsboden zusammen fand. Aber bei Gott und diesen Nationalversammlern ist nichts unmöglich. Vincke greift Schmerling und v. Würth so heftig an, daß man stürmisch auf „Ordnungsruf“ dringt. Als es beinahe soweit kommt, giebt der tapfere Ritter eine ausweichende Erklärung (à la Eisenach). Niemals, meint Hr. v. Vincke u. a., ist ein Mitglied eines englischen oder französischen Parlaments soweit gegangen zu sagen, wie der Abgeordnete von Trier, das deutsche Parlament habe sich mit Schimpf und Schande bedeckt. (Simon von Trier vom Platz: Es hat auch noch kein englisches oder französisches Parlament so gehandelt!)</p> <p>Vincke schließt endlich unter Beifall von rechts und Zischen links. v. Würth erhält hierauf das Wort, um sich gegen Vinckes plumpe Grobheiten zu vertheidigen.</p> <p>Nach Vincke wird gegen hal[b] zwei Uhr die Debatte geschlossen, mit Vorbehalt der Erlaubniß zu reden für den Ministerpasidenten und die beiden Berichterstatter der Majorität und der Minorität.</p> <p>Auf den Vorschlag von Venedey vertagt man hierauf die Sitzung bis 3 Uhr Nachmittags. (Jetzt ist es 1/2 2 Uhr).</p> </div> <div xml:id="ar196_018" type="jArticle"> <head>Hamburg.</head> <p>Ueber die Mangelhaftigkeit der Vertretung der deutschen Handels-Interessen in Griechenland und in der Levante wird in einem uns gütigst mitgetheilten Privatschreiben aus <hi rendition="#g">Syra</hi> vom 24. Dezbr. unter Anderm folgendes berichtet: „Während meines Aufenthalts in Syra sind bereits 3 deutsche Schiffe gestrandet, es ist ihnen aber mehr durch die mit den deutschen Consulaten Beauftragten geraubt als durch die Gewalt der Stürme. Jetzt kommt dazu, daß der mit den preußischen, mecklenburgischen und hannoverschen Consulatgeschäften beauftragte Consul sowohl, als sein Secretär abwesend in London und die Geschäfte des Consulats einem Verwandten übertragen sind, der nichts mehr und nichts weniger als Pedell in einer Schule ist. Soeben komme ich von einem gestrandeten deutschen Schiffe zurück, es ist ein mecklenburgisches, die „Doris“. Ich fand den armen Capitän in einem elenden Zustande. Der preußische sogenannte Consul war schon dagewesen und hatte ihm schon proponirt, das Schiff zu verkaufen. Ich brachte aber den Mann zum englischen Consul, der sich seiner Sache anzunehmen versprach, da die Ladung eine englische sei, und so hoffe ich, daß wir ihn retten werden.“</p> <bibl>(B. H.)</bibl> </div> <div xml:id="ar196_019" type="jArticle"> <head>Hannover, 9. Jan.</head> <p>Commodore Parker, der Boston am 20. v. M. verlassen hat, ist gestern Abend hier durch nach Berlin gereist, um von dort in Begleitung des amerikanischen Gesandten Donelson nach Frankfurt zu gehen, wohin er zur Theilnahme an den Vorarbeiten für die deutsche Marine eingeladen ist.</p> <bibl>(H. M.-Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar196_020" type="jArticle"> <head>Göttingen, 9. Jan.</head> <p>„Nach einem von beiden Seiten geführten Wahlkampfe haben heute die Wahlen für die ersten sechs städtischen Distrikten stattgehabt; morgen wird die zweite Hälfte folgen. In jenen sämmtlichen sechs Distrikten sind die von der republikanischen Partei vorgeschlagenen Wahlmänner, freilich mitunter gegen sehr starke Minoritäten, in der Oberhand geblieben, und die Wahl des Hrn. Dr. Elissen kann als gesichert betrachtet werden.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Italien.</head> <div xml:id="ar196_021" type="jArticle"> <head><bibl><author>68</author></bibl> Neapel.</head> <p>Die „Alba“ von Florenz meldet aus Neapel vom 30 Dezbr., daß die Feindseligkeiten wieder erneuert worden sind. Die sizilianische Armee hat nach einem blutigen Kampfe Milazzo wieder genommen und in der Umgegend von Messina einen vollständigen Sieg davongetragen Gleichzeitig hieß es, die Sizilianer hätten Lucian Murat zum König von Sizilien ausgerufen. Ebenso erzählt die „Alba“, ein außerordentlicher Gesandter des russischen Hofes sei zu Neapel angekommen, um den König zu benachrichtigen, daß die Familie Bonaparte, für den Fall, daß Louis Bonaparte zum Präsidenten gewählt würde, die Wünsche Siziliens zu Gunsten Lucian Murats offen unterstützen wolle. Aus diesem Grunde, fährt die „Alba“ fort, fordert Rußland den König von Neapel auf, Sizilien sofort anzugreifen; möchten sich Frankreich und England der Invasion widersetzen, so werde Rußland dann alsbald mit bewaffneter Macht in Ungarn einfallen. — Der neapolitanische Korrespondent der „Times“, dessen jüngster Brief vom 4. Januar datirt ist, weiß von allen diesen Dingen nichts. Wohl soll durch die plötzliche Abreise General Filangieri's nach Messina das Gerücht veranlaßt worden sein, die Palermitaner hätten den Waffenstillstand gebrochen und die neapolitanische Armee würde daraufhin ebenfalls avanciren: es hat sich jedoch nicht bestätigt. Dagegen hat die provisorische Regierung von Palermo die Constituante proklamirt, and ihren Anschluß an die toskanische und piemontesische Bewegung erklärt.</p> <p>Die Note des Fürsten Cariati ist jetzt von Hrn. Temple und Hrn. Nayneval beantwortet worden. Namentlich Ersterer lehnt die von Cariati beantragte Betheiligung Spaniens mit äußerster Entschiedenheit ab, und besteht mehr als je auf der Bedingung einer sizilianischen Separat-Armee.</p> <p>Der Pabst war noch zu Gaeta. Daß Neapel und Oesterreich noch nicht in Rom intervenirt hatten, soll nach dem Berichterstatter der „Times“ daran liegen, daß der junge Kaiser seine Thronbesteigung dem neapolitanischen Hofe noch nicht angezeigt hatte. Bevor dies geschehen, können keinerlei diplomatische Verhandlungen zwischen beiden Regierungen geführt werden. Uebrigens ist eine Annäherung bereits im Gange und der konservative Times-Korrespondent gibt sich der Hoffnung hin, daß der Etikettepunkt demnächst beseitigt und dadurch ein gemeinschaftliches Habsburg-Bourbon'sches Dreinschlagen im Kirchenstaat, reps. die </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1065/0003]
alle Gast-, Kaffee- u. s. w. Häuser einzudringen, und jeden vorfindlichen Gast zu arretiren. Das Papiergeld wird fleißig nachgemacht, Armuth, Elend und Diebstähle nehmen überhand, ebenso Selbstmorde und Wahnsinn. Der Lieutenant Pokorny ist zu fünf Jahren Eisen verurtheilt worden.
Der neue slowakische Freiwilligenzug unter Hurban und Stur ist ebenfalls mißglückt; die Slowakei scheint kein günstiges Terrain zu sein, um Banditenhaufen unter k. k. Hauptleuten zu organisiren.
* Kremsier, 8. Januar. Die heutige Sitzung des Reichstags war eine entscheidende. Pinkas (aus Prag) hatte folgenden dringlichen Antrag gestellt, über welchen gestern die Linke mit der Rechten übereingekommen war:
„Die hohe Reichsversammlung erklärt, sie erkenne mit Bedauern in der durch das Ministerium am 4. Januar 1849 vor Beginn der Debatte über §. 1. des Entwurfes der Grundrechte abgegebenen Erklärung, in Folge deren die Darlegung selbst der loyalsten Gesinnung bei Abstimmung über diesen §. nicht mehr als freier unbehinderter Entschluß, sondern nur mehr als der Ausdruck einer aufgedrungenen Meinung erscheinen muß, — eine sowohl nach dem Inhalte, als auch nach Fassung und Motivirung dieser Erklärung, der Würde freier Volksvertreter unangemessene, und mit der, dem constituirenden Reichstage durch die kaiserlichen Manifeste von 3. und 6. Juni 1848 eingeräumten Stellung unvereinbare Beirrung der freien Meinungsäußerung.“
Die Geschäftsordnung verlangt zur Unterstützung eines solchen Antrags 50 Unterschriften. Dieser hatte ihrer 178. Strobach übergab das Präsidium an Dobblhof und verlas den Antrag; Pinkas motirirte ihn. Die Dringlichkeit wurde fast einstimmig anerkannt. Gredler legt für das Ministerium eine Lanze ein und giebt dem Hrn. Schuselka Gelegenheit, sich wieder einmal als liberaler Salbaderer hören zu lassen, der nämliche Schuselka, der in den Oktobertagen Wien durch seine phrasenhafte Feigheit verrathen und uns dahin bringen half, wo wir jetzt sind und wo es nun selbst Leuten, wie Schuselka und Consorten zu unbehaglich wird. Der Minister Stadion hatte die Antwort auf diese und alle übrigen Reden schon in der Tasche. Es war wieder eine Ministerial-Erklärung, die er, freilich unter Zischen, das höchste Mißfallenszeichen welches der souveräne Reichstag sich noch in Momenten der höchsten Aufregung erlaubt — von der Tribüne herab verlas. Der Inhalt der Erklärung war etwa der: Das Ministerium habe lediglich seine Meinung offen an den Tag gelegt, aber keineswegs die freie Diskussion beschränken wollen. Die Erklärung fruchtete nicht, denn obiger Antrag wurde mit 196 gegen 99 Stimmen angenommen. Somit haben wir endlich das erste leise Mißtrauensvotum des Reichstags gegen das Kabinet und die erste parlamentarische Niederlage des letztern erlebt. Allem Anschein nach wird aber das Kabinet diese Niederlage wohl bald in einen Sieg, d. h. in ein Nachhauseschicken des Reichstags, zu verwandeln wissen. Lauten doch die Nachrichten aus Ungarn ermunternd genug und Windischgrätz, der eigentliche und einzige Souverän Oestreichs, hat es schon lange satt, noch immer eine Menge „Kanaillen“ unter dem Namen eines Reichstages versammelt und in Berathung zu sehen.
Eine oktroyirte Verfassung, nach dem Beispiele des gottbegnadeten Patentkönigs von Potsdam, liegt bereit. Sie enthält unter einer Menge konstitutioneller Redensarten die thatsächliche Garantie, daß die metternich'sche Regierungswirthschaft, auf's Beste durchgesehen und nach Bedürfniß vermehrt, abermals zur Beglückung der Völker Oestreichs benutzt werden soll. In dieser beabsichtigten Verfassung soll es nur Nationalgarden mit Census — Polizeihülfstruppen — geben; die Presse der Polizei untergeordnet, das Vereinigungsrecht nur nach eingeholter „hoher“ obrigkeitlicher Bewilligung gestattet, Klöster und Orden nebst der Staatskirche beibehalten, Verhaftungen auch ohne richterlichen Befehl erlaubt werden u. s. w. Aber selbst wenn sie freisinniger lauten sollte, ihr Geist würde der eben bezeichnete sein — in der Praxis. Ob und wann man die fertige Arbeit dem „getreuen“ Oestreich präsentiren wird, hängt lediglich noch von einigen Umständen ab, auf deren baldigen Eintritt gerechnet wird.
Inzwischen läßt sich das Ministerium durch die Plaudereien des Reichstags wenig beirren. Hat man ihn satt und wird er irgendwie hemmend oder lästig, so hat sein letztes Stündlein geschlagen und er wird nach allen Weltgegenden hin auseinander gesprengt.
Die jetzigen Klagen des Reichstages über das Verfahren der Minister ihm gegenüber, sind viel lächerlicher, als die jenes Jungen, welcher vor Kälte zitternd ausrief: 's ist meinem Vater schon recht, daß ich friere, warum hat er mir keine Handschuh' gekauft. Der Reichstag hatte im Oktober die beste Gelegenheit zum Einkauf der besten Handschuhe, ja, er durfte der Contrerevolution nur den Handschuh im Ernst hinwerfen: so fröre er jetzt nicht. Aber mit Feiglingen und Verräthern, oder Schwachköpfen und Phrasendrechslern hat man kein Mitleid, wenn sie endlich ihre angekreidete Zeche bezahlen müssen. Das Volk lernt dabei wenigstens so viel, daß es künftig weder den alten Feind aus Barmherzigkeit verschonen, oder sich auf die Tölpelei der „Vereinbarung“ einlassen, noch sich einen neuen ebenso schlimmen Feind aus seiner Mitte 7 Monate lang ruhig gefallen lassen darf.
Cilli, 4. Jan. Trotz 18 Grad Kälte wurde gestern die Probefahrt auf der Eisenbahnstrecke von Cilli nach Tüffer (auf dem Wege nach Laibach) mit Maschine und Tender unternommen, und lieferte den Beweis, daß die Fahrt seiner Zeit eben so sicher, als in geognostischer und ästhetischer Beziehung interessant sein wird.
(Gratzer Z.) * Prag, 8. Jan. Gestern langte hier ein Ministerialdekret an, wonach sich der Kaiser entschlossen hat, Prag für eine slavische Universität zu erklären, und befiehlt, daß alle vom Staate angestellten Professoren Vorlesungen in böhmischer Sprache halten müssen, und daß bloß außerordentliche Dozenten in deutscher Sprache lesen dürfen.
Vicepräsident Meesery soll bei seiner Rückkunft aus Olmütz mehrere kleine ministerielle Neujahrsgeschenke, d. h. Verbote und Beschränkungen mitgebracht haben, die er bis jetzt noch in seinem Portefeuille verwahrt hält. Als solche Geschenke nennt man: 1) ein Patent zur Reorganisation der Nationalgarde auf Grundlage eines Census etc., deren Oberoffiziere von der Regierung ernannt würden; 2) die Auflösung der deutschen Vereine und der Slowanska Lipa, und 3) das Verbot, irgendwie politische Abzeichen zu tragen.
* Frankfurt. Da die Verhandlungen über die österreichische Frage sich in die Lange ziehn und die stenographischen Berichte durch die Schuld der Turn- und Taxischen und sonstiger Reichsposten noch später ankommen wie sonst, sind wir gezwungen, von unserm Vorhaben abzugehn und summarische Berichte der 3 bisher stattgefundenen Sitzungen zu geben.
!!! Frankfurt, 12. Jan. Nationalversammlung. — Seit gestern früh quält sich die sogenannte Nationalversammlung mit der österreichischen Frage, resp. dem sogenannten Gagern'schen Programm. Bei der unendlichen Geduld der Herren Nationalversammler läßt sich kaum morgen Abend die Lösung, d. h. der Schluß der Debatte erwarten. Nur 94 Redner sind zu der Debatte eingeschrieben. In der gestrigen Sitzung (welche zum erstenmal wieder in der wahrlich zu schön eingerichteten Paulskirche stattfand) sprach Venedey gegen das Ministerium. Hierauf von Gagern (der Minister) pro domo und pro ministerio wie gewöhnlich sehr schwach. Nach ihm Arneth gegen das Ministerium. Hierauf Ziegert sehr unbedeutend im Gagern'schen Sinne. Wagner für Oesterreich. Jordan aus Berlin, mit dürftiger Berliner Literaten-Malice, unter Zurechtweisungen und Unterbrechungen, brach eine ebenso lange als dünne Lanze für Gagern. Endlich der Ritter von Schmerling für Oesterreich. Verlangen Sie nicht die Spezialia dieser unendlichen Deklamationen, man würde sie doch nicht lesen. — In der heutigen Sitzung, wie ich schon oben sagte, die Fortsetzung. Simon von Trier sprach für die einfache Tagesordnung, über das von Gagern'sche Programm. Seinen Antrag, den einzig annehmbaren, unterstützen: Wesendonk, Schlöffel, Rühl aus Hanau, Rösler von Oels, Würth von Sigmaringen. — Raveaux sprach nicht so heiser als gewöhnlich und unter tiefster Ruhe für Oesterreich. Mit jener gewinnenden Naivetät und auffallenden Offenheit (wenn er sie braucht) sagt Raveaux: „Ich will eigentlich keinen von beiden an der Spitze weder Oesterreich noch Preußen; sondern eine republikanische Form. Es ist die Zeit da, wo wir endlich den Volk Rechnung tragen sollen über unsre Sendung, sonst dürfte es mit uns abrechnen. Seitdem man mit dem Städte-Bombardiren begonnen hat, spricht man von nichts als Tragweite — Rechnung tragen — abrechnen u. s. w. Statt all diesem Wortquatsch sollte man endlich an die Abrechnung denken. von Beckerath (Finanzminister) leiert eine Todtenklage für's Ministerium herunter. Von Wydenbrugk (der weimarische Minister): Alle Krisen haben wir nutzlos an uns vorbeipassiren lassen, wir haben weder Freunde noch Feinde mehr im deutschen Volk, nur wenig Heil ist selbst dann noch zu hoffen, wenn wir auch in dieser Frage den rechten Weg gehen; wenn wir nicht die beiden größten deutschen Mächte, Preußen und Oesterreich, aneinanderhetzen, statt die Einheit zu bilden. — Leider hat das Ministerium diese große Verfassungsfrage zu einer kleinen ministeriellen Jammerfrage gemacht. Aber wenn es gilt, Deutschlands Einheit zu erhalten, will ich mich von jeder Person trennen — und sei es Deutschlands beste. (??) (Sie sehen, von Wydenbrugk ist bei alledem ein großer Romantiker, er kann sich nicht ohne Thränen von dem edlen Gagern trennen). Auch dieser Rede folgte langer und heißer Beifall. — Der ultramontane Sepp aus München predigt hierauf unter monströsem Skandal 3/4 Stunden (wie es scheint) für Oesterreich. Der Lärm ist so groß, daß der Präsident Simson meint, selbst die Stenographen würden nichts verstehen. — Nach ihm von Würth (der rechte Arm Schmerlings und früher Unterstaatssekretär) in begeisterter Rede für Oesterreich mit Deutschland. Ohne Oesterreich sei Deutschland eine Ruine. (Rechts unglaublicher Tumult.) Würth fährt über Preußens Perfidie her. Man hört da allerliebste Wahrheiten von dem komödienhaften Wirken der Reichskommissäre Simson, Hergenhahn und von Gagern am potsdamer Hofe. (Wenn die Burschen sich in die Haare gerathen, hört man endlich einen Funken Wahrheit.) Lieber als diese preußische Perfidie (fährt von Würth fort) ist mir noch das offene Handeln des Fürsten Windischgrätz. (Dieser erbauliche Schluß erregt wollustiges Beifallgeklatsch. Man klatscht sich gegenseitig an, man freut sich kindisch über die Aufdeckung gegenseitiger Schande). Wenn (sagt Würth) ein Staat um seines Ungehorsams gegen die Nationalversammlung willen, aus dem Bundesstaat ausgeschlossen zu werden verdient, so ist es Preußen. (Das ganze Haus klatscht.) Die Anträge des Herrn von Würth lauten:
„In Erwägung
1. daß die National-Versammlung getreu ihrer Pflicht und ihrer Vollmacht dahin trachten muß, ganz Deutschland mit Einschluß der osterreichischen Bestandtheile des deutschen Bundesgebietes im Bundesstaate zu einigen;
2. daß die National-Versammlung ihre Selbstständigkeit als Organ des deutschen Volkes nicht beeinträchtigt, wenn sie die bestehenden Verhältnisse und Interessen der deutschen Einzelstaaten berücksichtigt und vor der endlichen Festsetzung des Verfassungswerkes durch ein Benehmen mit den Regierungen jene Hindernisse oder Schwierigkeiten zu beseitigen sucht, welche der Verwirklichung von Verfassungsbestimmungen entgegenstehen könnten;
3. daß Oesterreichs Stellung als Gesammtstaat, aus deutschen und außerdeutschen Gebietstheilen zusammengesetzt, eigenthümliche Schwierigkeiten darbietet;
4. daß es an der Zeit ist, die Zweifel zu beseitigen, zu welchen das österreichische Ministerprogramm vom 27. Nov. v. J. über das Eingehen Oesterreichs in den deutschen Bundesstaat Grund gegeben hat;
5. daß es nicht blos nothwendig ist, einer Lossagung des österreichischen Bundesgebiets von Deutschland rechtzeitig entgegen zu wirken, sondern daß auch die Anbahnung einer möglichst innigen Einigung der außerdeutschen Länder Oesterreichs mit dem deutschen Gesammtstaate im Interesse der betheiligten Nationen und des europäischen Friedens liegt,
beschließt die National-Versammlung:
Das Reichsministerium werde ermächtigt, mit der österreischen Regierung zur Beseitigung der Schwierigkeiten, welche der Durchführung der deutschen Reichsverfassung in den deutsch-österreichischen Ländern entgegenstehen konnten, und zur Anbahnung einer Union der außerdeutschen Provinz[e]n Oesterreichs mit ganz Deutschland in Verhandlung zu treten.“
Hierauf gibt man dem Ex-preußischen Reichskommissär von Hergenhahn das Wort, welcher den von Würth einen Lügner nennt. Hierauf gibt man dem von Würth das Wort, welcher den von Hergenhahn einen Lügner nennt. Hierauf der Präsident Simson fast weinend: „Meine Herrn, ich will ihnen ja die Wahrheit sagen, ich will ja alles, was wir (Hergenhahn und ich) in Berlin gethan haben, einem Ausschuß vorlegen, dann werden Sie ja sehen, daß von Würth gelogen hat. (Beifall der Centren.) Hierauf bekommt Simon von Breslau das Wort, welcher authentisch nachweist, daß von Würth recht hat, vollkommenes Recht in allem, was er über die preußische Perfidie sprach und über die der Herrn Ex-Reichskommissare. (Großes Gaudium im Hause über diese preußisch-österreichische Hetzjagd.) Wurm aus Hamburg spricht hierauf für's Ministerium, aber schlecht. Einem Wurm ist alles möglich. Eines Tages fraß er den Gagern, heut kriecht er vor ihm. Trotz allem Spektakel und Geschrei nach Vertagung läßt man hierauf noch Moritz Mohl sprechen. (Es ist 4 Uhr.) Mohl ist antiministeriell, von allem was er aber spricht, kann kein Mensch ein Wort verstehen. Nach ihm vertagt man sich bis morgen. Schluß nach 4 Uhr.
!!! Frankfurt, 13. Dezember. National-Versammlung.
Beseler aus Greifswald beginnt heut den Reigen. Es ist eine Frage der Einheit, sagt er, welche uns beschäftigt, aber nicht gestattet die jetzige Sachlage, jene ideale Einheit herzustellen, „so weit die deutsche Zunge klingt.“ Wir haben Alles gethan, was möglich war, wir haben die Souveränetät des deutschen Bundesstaates gegründet. (Gelächter. Endlich wissen wir doch, was die National-Versammlung gethan hat!) Den Grundgedanken des Bundesstaates (ausgesprochen in den §§ 2 und 3) müssen wir unter allen Umständen festhalten. Was Oesterreich will, ist ein für allemal im Programm von Kremsier ausgesprochen und Oesterreichs Volk will dasselbe. (Links: Ist nicht wahr!) Beseler spricht heut mit einem nie geahnten Pathos, er ist wahrhaft erhebend. Der deutsche Bundesstaat hat drei Garanten: 1. die deutsche Freiheit (Gelächter), 2. die deutsche Wissenschaft (Aha!), 3. die Gemeinschaft der materiellen Interessen. Diese drei Garanten werden uns an Oesterreich knüpfen. Man hat gesagt, wenn Oesterreichs Abgeordnete aus diesem Hause schieden, würden wir Crokodillsthränen weinen, diese Zumuthung weise ich entschieden zurück, wir würden für unsre österreichischen Brüder einen deutschen Händedruck haben (Gelächter und spaßhafte Verbeugungen links) und ein liebevolles Andenken. Er schließt, meine Herren, unser Schiff ist in Gefahr (d. h. die Diäten), nageln wir die Flagge fest an den Mast, bleiben wir fest sitzen u. s. w. (Gelächter links, Bravo rechts).
Vogt von Gießen: Die Rede meines Vorgängers, sagt er, beweist doch mindestens, daß er sich für etwas begeistern kann, und daß er, daß seine Partei einsieht, es müsse im jetzigen Augenblick etwas geschehen, das ist allerdings ein Beweis, daß wirklich Gefahr im Verzug ist. (Große Heiterkeit.) Von Vogts Rede führe ich Ihnen nur die Hauptmomente an. Unter anderm sagt er, aus Beselers Rede geht hervor, daß ein antidiluvianisches Ungethüm gegen uns im Anzuge ist, nämlich ein erblicher deutscher Kaiser. v. Gagern habe gesagt, er wolle keine Hegemonie Preußens, das glaube ich, er will einen preußisch-deutschen Kaiser, in dem der Hegemon schon drin steckt. Nur das Bedürfniß nach Einheit hätte die Revolution gemacht, hat der Minister gesagt, die verschiedenen Revolutionen in Berlin und Wien haben das nicht gezeigt. (Der Freiheit wegen hat man sie gemacht.) Ein Bundesstaat und Dynastien sind ganz unverträglich, und da Sie die Prämissen versäumt haben (d. h. die Dynastien nicht weggeräumt), werden Sie durch ihre papiernen Paragraphen nicht den Bundesstaat grunden. Wenn Sie eine Garantie für die Freiheit haben wollen, in der Wissenschaft (siehe Beseler) werden Sie sie nicht finden. (Heiterkeit) Eine materielle Einhei[t] Deutschland ohne politische Einigung ist auch unmöglich. Allerdings ist klar, sagt Vogt, Oesterreich sucht uns jetzt aus egoistischen Gründen, aber ist dies ein Grund für uns, das ministerielle Programm anzunehmen? Unter anderm nennt Vogt die Gesandten der Centralgewalt historische Gesandten. (Ungeheure Heiterkeit). Wer verlangt denn die österreichische Gesammtmonarchie? Etwa die Slawen? Etwa die Italiener? Etwa die Lombarden? Nein! weiter Niemand als das k. k. österreichische Ministerium und sein Beamtenheer. (Beifall) Jetzt wollen Sie (zur Rechten), meine Herren, die Stimme des österreichischen Volks auf einmal hören, jetzt, da es geknechtet und geknebelt ist; zur Zeit als es sich erhob und frei sprechen konnte da haben Sie jene Stimme nicht gehört. (Rauschender Applaus) Vogt theilt mit, daß an viele österreichische Abgeordnete aus Deutsch-Oesterreich Adressen mit vielen Unterschriften eingelaufen, worin der Anschluß an Deutschland sehnlich gewünscht wird, aber begleitet von Privatbriefen der Petenten, in denen man bittet, nur die Namen nicht zu veröffentlichen weil sonst Verfolgungen der österreichischen Beamten (d. h. Pulver und Blei) unvermeidlich folgten. Unter diesen Umstanden soll Oesterreichs Volk (nach Beseler) sich frei ausgesprochen haben.
Nachdem Vogt in noch langer, oft von Beifall unterbrochener Rede gegen das Ministerprogramm gesprochen, tragen viele Mitglieder der Linken auf Schluß der Debatte an, ziehen aber, da sie sehen, daß v. Vincke die Tribüne betritt, mit äußerster Artigkeit ihren Antrag bis nach Schluß der Rede des Ritters zurück.
Der v. Vincke stützt hieraf in langer und geschwätzigen Rede das Ministerium und greift bald das verehrte Mitglied von X, bald das verehrte Mitglied von Y mit gewohnter Bissigkeit und Eintönigkeit an. Besonders fährt er über Hrn. v. Widenbrugk her. Erbaulich ist es zu sehen, wie der Ritter diesmal den Exminister v. Schmerling wüthend angreift, mit dem er sich doch früher auf so traulichem Rechtsboden zusammen fand. Aber bei Gott und diesen Nationalversammlern ist nichts unmöglich. Vincke greift Schmerling und v. Würth so heftig an, daß man stürmisch auf „Ordnungsruf“ dringt. Als es beinahe soweit kommt, giebt der tapfere Ritter eine ausweichende Erklärung (à la Eisenach). Niemals, meint Hr. v. Vincke u. a., ist ein Mitglied eines englischen oder französischen Parlaments soweit gegangen zu sagen, wie der Abgeordnete von Trier, das deutsche Parlament habe sich mit Schimpf und Schande bedeckt. (Simon von Trier vom Platz: Es hat auch noch kein englisches oder französisches Parlament so gehandelt!)
Vincke schließt endlich unter Beifall von rechts und Zischen links. v. Würth erhält hierauf das Wort, um sich gegen Vinckes plumpe Grobheiten zu vertheidigen.
Nach Vincke wird gegen hal[b] zwei Uhr die Debatte geschlossen, mit Vorbehalt der Erlaubniß zu reden für den Ministerpasidenten und die beiden Berichterstatter der Majorität und der Minorität.
Auf den Vorschlag von Venedey vertagt man hierauf die Sitzung bis 3 Uhr Nachmittags. (Jetzt ist es 1/2 2 Uhr).
Hamburg. Ueber die Mangelhaftigkeit der Vertretung der deutschen Handels-Interessen in Griechenland und in der Levante wird in einem uns gütigst mitgetheilten Privatschreiben aus Syra vom 24. Dezbr. unter Anderm folgendes berichtet: „Während meines Aufenthalts in Syra sind bereits 3 deutsche Schiffe gestrandet, es ist ihnen aber mehr durch die mit den deutschen Consulaten Beauftragten geraubt als durch die Gewalt der Stürme. Jetzt kommt dazu, daß der mit den preußischen, mecklenburgischen und hannoverschen Consulatgeschäften beauftragte Consul sowohl, als sein Secretär abwesend in London und die Geschäfte des Consulats einem Verwandten übertragen sind, der nichts mehr und nichts weniger als Pedell in einer Schule ist. Soeben komme ich von einem gestrandeten deutschen Schiffe zurück, es ist ein mecklenburgisches, die „Doris“. Ich fand den armen Capitän in einem elenden Zustande. Der preußische sogenannte Consul war schon dagewesen und hatte ihm schon proponirt, das Schiff zu verkaufen. Ich brachte aber den Mann zum englischen Consul, der sich seiner Sache anzunehmen versprach, da die Ladung eine englische sei, und so hoffe ich, daß wir ihn retten werden.“
(B. H.) Hannover, 9. Jan. Commodore Parker, der Boston am 20. v. M. verlassen hat, ist gestern Abend hier durch nach Berlin gereist, um von dort in Begleitung des amerikanischen Gesandten Donelson nach Frankfurt zu gehen, wohin er zur Theilnahme an den Vorarbeiten für die deutsche Marine eingeladen ist.
(H. M.-Z.) Göttingen, 9. Jan. „Nach einem von beiden Seiten geführten Wahlkampfe haben heute die Wahlen für die ersten sechs städtischen Distrikten stattgehabt; morgen wird die zweite Hälfte folgen. In jenen sämmtlichen sechs Distrikten sind die von der republikanischen Partei vorgeschlagenen Wahlmänner, freilich mitunter gegen sehr starke Minoritäten, in der Oberhand geblieben, und die Wahl des Hrn. Dr. Elissen kann als gesichert betrachtet werden.
Italien. 68 Neapel. Die „Alba“ von Florenz meldet aus Neapel vom 30 Dezbr., daß die Feindseligkeiten wieder erneuert worden sind. Die sizilianische Armee hat nach einem blutigen Kampfe Milazzo wieder genommen und in der Umgegend von Messina einen vollständigen Sieg davongetragen Gleichzeitig hieß es, die Sizilianer hätten Lucian Murat zum König von Sizilien ausgerufen. Ebenso erzählt die „Alba“, ein außerordentlicher Gesandter des russischen Hofes sei zu Neapel angekommen, um den König zu benachrichtigen, daß die Familie Bonaparte, für den Fall, daß Louis Bonaparte zum Präsidenten gewählt würde, die Wünsche Siziliens zu Gunsten Lucian Murats offen unterstützen wolle. Aus diesem Grunde, fährt die „Alba“ fort, fordert Rußland den König von Neapel auf, Sizilien sofort anzugreifen; möchten sich Frankreich und England der Invasion widersetzen, so werde Rußland dann alsbald mit bewaffneter Macht in Ungarn einfallen. — Der neapolitanische Korrespondent der „Times“, dessen jüngster Brief vom 4. Januar datirt ist, weiß von allen diesen Dingen nichts. Wohl soll durch die plötzliche Abreise General Filangieri's nach Messina das Gerücht veranlaßt worden sein, die Palermitaner hätten den Waffenstillstand gebrochen und die neapolitanische Armee würde daraufhin ebenfalls avanciren: es hat sich jedoch nicht bestätigt. Dagegen hat die provisorische Regierung von Palermo die Constituante proklamirt, and ihren Anschluß an die toskanische und piemontesische Bewegung erklärt.
Die Note des Fürsten Cariati ist jetzt von Hrn. Temple und Hrn. Nayneval beantwortet worden. Namentlich Ersterer lehnt die von Cariati beantragte Betheiligung Spaniens mit äußerster Entschiedenheit ab, und besteht mehr als je auf der Bedingung einer sizilianischen Separat-Armee.
Der Pabst war noch zu Gaeta. Daß Neapel und Oesterreich noch nicht in Rom intervenirt hatten, soll nach dem Berichterstatter der „Times“ daran liegen, daß der junge Kaiser seine Thronbesteigung dem neapolitanischen Hofe noch nicht angezeigt hatte. Bevor dies geschehen, können keinerlei diplomatische Verhandlungen zwischen beiden Regierungen geführt werden. Uebrigens ist eine Annäherung bereits im Gange und der konservative Times-Korrespondent gibt sich der Hoffnung hin, daß der Etikettepunkt demnächst beseitigt und dadurch ein gemeinschaftliches Habsburg-Bourbon'sches Dreinschlagen im Kirchenstaat, reps. die
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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