Neue Rheinische Zeitung. Nr. 197. Köln, 17. Januar 1849.Schreiben vom 5. Januar 1849 -- erbetene Ermächtigung ertheilen." Wulfen hat noch beigefügt: "In Erwägung der persönlicher. Erklärung des Ministers in der Sitzung vom 11. d. Mts" Bei der Abstimmung antwortet das alte Kind Arndt, der Dichter des Liedes: "Was ist des Deutschen Vaterland?" mit Ja! Ein langes "Pfui!" und lange Katzenmusiken von den Tribünen belohnten den greisen Verräther dafür. -- Herr Dahlmann, der "Deutsche Professor", ward für sein "Ja" mit einem gleichen "Pfui!" belohnt. -- Der edle Minister von Gagern verschmäht es nicht, für seine eigne hohe Existenz mit Ja zu stimmen. -- Der "fundirte" Beseler stützte gleichfalls das Ministerium. Jahn und Jordan aus Berlin ebenso, auch Mittermaier verrieth seine Partei. Radowitz hat sich fortgeschlichen! Reh aus Darmstadt verrieth ebenfalls seine Partei. Schmerling, der Freund Gagerns, war bei der Abstimmung herausgelaufen (Langes höhnisches Bravo.) -- Der alte Ludwig Uhland blieb treu bei der Linken. -- Die Minoritäts-Anträge wurden mit 261 Stimmen gegen 224 Stimmen angenommen. Also für's Ministerium Gagern eine Majorität von 37 Stimmen! -- Aber genug für ein -- Reichsministerium. -- Nach Abzug des Ministeriums selbst, welches mitstimmte, verblieben dem Ministerium ungefähr ein Dutzend Stimmen Die ganze Linke legt eine feierliche Protestation ein, gegen den vorliegenden Beschluß, welcher Deutschland theilt, Oestreich abreißt, den Dynasten sich in die Arme wirft u. s. w. Morgen die ganze Protestation. Hierauf erfolgten noch 100,000 Erklärungen, -- so machens diese Burschen -- erst abstimmen, dann hinterdrein durch Erklärungen ihre Abstimmungen negiren. -- O du Deutschland! Vor Schluß der Sitzung frägt Wesendonk den Centrallegitimatiosausschuß, ob er bereits Kenntniß von Temme's Wahl hat. (Bravo von den Gallerien.) Plathner im Namen des Ausschusses, er wisse nichts von Temme noch von dessen Wahl. Um 8 Uhr wird die Sitzung geschlossen. Montag Tages-Ordnung: Entwurf vom Reichsoberhaupt. Nun werden sie den Kaiser ausbrüten. Wohl bekomm's! 34 Darmstadt, 13. Jan. Dem Antrage auf ein königlich preußisches Erbkaiserthum ist von dem Abg. Heldmann ein anderer entgegengestellt: "Die Kammer möge erklären, daß sie es mit Vergnügen sehen würde, wenn der Großherzog von Hessen (der nebenbei bemerkt, in Bezug auf die Erblichkeit mit Friedrich Wilhelm dasselbe Schicksal theilt) zum Reichsstatthalter ernannt werde." Es wird hoffentlich nicht gar zu lange dauern, daß die ganze Geschichte von dem neugebackenen Erbkaiserthum von Jedermann als ein schlechter Witz angesehen wird. In ihrer vorigen Sitzung hat die zweite Kammer über die Geschäftsordnung für die neu zu wählenden Kammern berathen. So ängstlich vermeidet man jeden Sprung, so behutsam hält man den Weg der "gesetzmäßigen Reformen" ein, daß man es den neuen Kammern nicht einmal überläßt, sich selbst eine neue Geschäftsordnung zu geben. Die alte konnte man ihnen freilich auch nicht gut überantworten, sie war gar zu niederträchtig. So hatte früher der Großherzog das Recht, den Präsidenten der ersten Kammer zu ernennen, und die beiden Präsidenten der zweiten Kammer aus sechs vorgeschlagenen Mitgliedern zu wählen, und diese fungirten dann natürlich für die ganze Diät von sechs Jahren. Anstatt dessen soll für die neuen Kammern die freie Wahl eintreten und dieselbe alle acht Wochen wieder erneuert werden. Die wichtigste Aenderung in der Geschäftsordnung wird auf den Antrag Lehne's beschlossen. Danach soll die Regierung ersucht werden, die in Art. 6 der alten Geschäftsordnung enthaltene Beschränkung, welche der Kammer das Einbringen von Gesetzentwürfen verbietet, und dasselbe zu einem Vorrecht der Regierung macht, aufzuheben, und beiden Kammern die Initiative in der Gesetzgebung zu verleihen. Freilich etwas Anderes, als ein demüthiges Ersuchen steht der Kammer jetzt nicht mehr zu, nachdem sie von vornherein durch die Steuerbewilligung sich alle Macht aus den Händen gegeben hat. Die ministerielle Partei ist bei der Abstimmung zwar mit 30 gegen 8 Stimmen erlegen; aber was soll das? Hat sie doch noch die erste Kammer und die großherzogliche Sanktion hinter sich! Art. 21 hebt das den Regierungskommissarien zustehende Recht, andere Redner zu unterbrechen, auf. Im Art. 25, wonach Interpellationen nur dann zulässig sind, wenn sie von fünf Mitgliedern unterstützt, vorher dem Präsidium überreicht sind, -- wird der Passus: "von fünf Mitgliedern unterstützt," mit 27 gegen 10 Stimmen verworfen. Zuletzt setzt die zweite Kammer ihrem "segensreichen Wirken" noch dadurch die Krone auf, daß sie die Diäten der neuen Abgeordneten von 5 Fl. auf 3 Fl. 30 Kr. reduzirt. So lange sie selbst am Ruder waren, haben sie die 5 Fl. ganz gemüthlich in die Tasche gesteckt; warum lassen sie diese Ersparniß nicht wenigstens schon sogleich ins Leben treten, wenn sie von ihrer Nothwendigkeit so überzeugt sind. Wie mir scheint, haben die meisten Herren wohl nur in der Voraussicht so gestimmt, daß ihre politische Carriere ein Ende erreicht hat; sie wollen ihren Nachfolgern noch einen kleinen Schabernack spielen. Will man sparen, dann beginne man bei den Civillisten, bei den Soldaten- und Beamtenheeren; das hilft jedenfalls besser, als die paar Gulden, welche man den Abgeordneten abzwackt. Man darf nicht vergessen, daß eine zu niedrige Besoldung derselben nichts weiter als ein indirekter Census ist. In der heutigen Sitzung ward über einen Gesetzentwurf, die Weideberechtigungen auf landwirthschaftlichem Boden betreffend, diskutirt. Es geht also schon wieder munter über die Gesetzgebung her, obschon diese eigentlich ganz und gar den neuen Kammern vorbehalten bleiben sollte. Ein Antrag Kretzschmar's, den Gesetzentwurf kurzer Hand beruhen zu lassen, weil von dieser Kammer eigentlich nur das Wahlgesetz und die Geschäftsordnung berathen werden solle, ward gegen 3 Stimmen (!!) abgelehnt. Kretzschmar fügte noch hinzu: Es sei wahr, daß das Volk Aufhebung dieses angemaßten Rechtes wolle; aber es wolle die Aufhebung ohne Entschädigung, dasselbe sei ganz analog dem Jagdrecht. -- Die Kammer wird wahrscheinlich nach Vorschlag des Ausschusses einen Mittelweg einschlagen; die ersten 10 Artikel, welche mit einigen Modifikationen angenommen sind, beschränken die Aufhebung der Weideberechtigung ohne Entschädigung auf einen bestimmten Umfang, für das Weitere wird eine Entschädigung stipulirt werden. So haben's unsere Volksvertreter halters mit allen mittelalterlichen "Rechten" gemacht. Sie überantworten den Grundbesitz den Hypothekengläubigern und zeigen dadurch selbst dem Bauer den Weg, den er in der nächsten Revolution für seine Befreiung einzuschlagen hat. In dieser Woche haben wir auch die angenehme Erfahrung gemacht, daß wir Kroaten ganz in unserer Nähe haben. Das erste Regiment, welches lange Zeit in Frankfurt die Ruhe und Ordnung aufrecht erhalten hat, und uns statt des demokratisirten zweiten geschickt wurde, hat auch hier für die Ordnung zu sorgen begonnen, indem es die Kneipe eines demokratischen Bierwirthes vollständig demolirt hat. Wie aus Allem hervorgeht, war die Sache angestiftet, und wird die eingeleitete Untersuchung deshalb auch wohl ohne Erfolg sein. Weitere Heldenthaten haben sich diese Grau- (nicht Roth-) Mäntel vorbehalten, über die ich Ihnen vielleicht in nächster Zeit berichten kann. Hannover, 12. Jan. Von wie trauriger Art die Ausflüchte sind, mit denen man in Hannover Etwas zu erreichen gedenkt, davon liefert die jüngst veröffentlichte Note vom 4. November ein Beispiel. Es war darin gesagt, die hannoversche Regierung befinde sich nicht in dem Besitze des authentischen Protokolls über den Bundesbeschluß vom 10. Juli, wodurch bekanntlich im Namen sämmtlicher Regierungen alle Bundesgewalt auf den Reichsverweser übertragen würde. Nun wird in der Zeitung für Norddeutschland die bestimmte Versicherung gegeben, "es existirt überhaupt kein Protokoll über jenen angeblichen Bundesbeschluß vom 10. Juli. Es war eine diplomatische Lüge, wenn am 12. Juli die Uebertragung der Centralgewalt als ein Beschluß vom 10. Juli mitgetheilt wurde; es war kein solcher Beschluß am 10. gefaßt, sondern nur mündlich in der Verwirrung und Rathlosigkeit des Augenblicks hatten die Bundestagsgesandten sich kurz vorher darüber verständigt. Weder die hannov. Regierung kann daher das Protokoll dieses Beschlusses publiciren, noch kann die Centralgewalt es ihr mittheilen. Das hannov. Ministerium mußte es durch den hannov. Bundestagsgesandten wissen, daß die Centralgewalt das nicht kann, -- und dennoch begründet es jetzt vor dem Publikum seine Weigerung auf die oben angegebene Weise!" 20 Aus dem Reiche. "Du hast ja gar keinen Vater!" warf ein Junge dem andern vor, während sie sich auf der Straße bei den Haaren hin- und herzausten. "Mehr als Du, dummer Junge!" antwortete auf's Tiefste empört, der Andere. Das germanische "Reichs"-Volk kann in ähnlicher Weise jeder Nation auf dem Erdenrunde entgegentreten. Bei den Haaren kann man es zausen nach Belieben, man kann es knuten und maulschelliren, man kann es mit Koth bewerfen und ihm in's Gesicht spucken: Ein Nuhm bleibt ihm unangetastet, ein Ruhm, der alle spießbürgerliche Bornirtheit, alle Misere im Innern und nach Außen vergessen läßt: der Ruhm, mehr Landesväter zu haben, als die Völker des Erdballs, mit Einschluß der Zigeuner, zusammengenommen. Die alten Römer, die wir als Gymnasiasten und Professoren in gewisser Beziehung pflichtschuldigst zu bewundern haben: brachten es in ihrer besten Zeit noch nicht bis zu einem Dutzend Kaiser oder Gegenkaiser. Sie waren hinter uns schmählig zurück: Wir schlagen die alten, wie die neuen Völker mit der einfachen Bemerkung aus dem Felde, daß wir mehr als ein halbes Schock theurer "Landesväter" bis auf den heutigen Tag zu konserviren verstanden haben. Es stehe irgend eine Nation des ganzen Erdrund's auf und weise uns einen ähnlichen Reichthum nach! Kühn fordern wir alle Jahrhunderte in die Schranken! Da uns der Himmel mit so außerordentlichem Segen begnadet hat, der uns jährlich bloß die Lumperei von 50 Mill. Thalern Preuß. Cour. kostet: so sollten wir dankerfüllt uns damit begnügen. Wir Reichskinder sind nun wohl auch ziemlich zufrieden, ja mehr als befriedigt. Allein unsere geliebten und sehr theuren "Landesväter" haben in unablässiger Fürsorge für das Reich entdeckt, daß wir zu den 3 Dutzend Landesvätern noch einen 37sten, obersten Landesvater bedürfen. Es wäre das ganz herrlich ohne die kitzliche Frage: Wer soll oberster Landesvater sein? Unsere gottbegnadeten Fürsorger haben längere oder kürzere Zeit die germanischen "Vaterfreuden" durchgekostet. Dürfen wir uns wundern, wenn nun Jeder sie zur höchsten Potenz zu erheben resp. sich zum obersten Landesvater zu machen sucht? Ist nicht Jeder unserer Landesväter par inter pares, gleich unter Gleichen? Hätte Heinrich der 281ste von Reuß-Greitz sich nicht während ein Paar Dezennien auf dem bekannten Prinzip wund geritten und in Folge dessen abgedankt: so wäre er der Mann. "Böse Beispiele verderben gute Sitten." Dieses schönen Spruches scheinen die ehrenwerthen und uns sehr theuern Landesväter gänzlich vergessen zu haben. Statt uns mit Friede und Einigkeit voranzuleuchten: balgen sie sich unter einander herum ärger wie Hunde und Katzen und entblößen dabei gegenseitig ihre Schaam, daß wir Reichskinder wohl "roth" werden müssen. Ihre Majestäten von Vaduz und Bückeburg halten sich an den Ohren gefaßt und beweisen sich gegenseitig durch Püffe, daß Jeder von ihnen der würdigste ist, aus dem Frankfurter Hexenkessel mit der Kaiserkrone bewappnet unter die wonnebeseligten Reichs-Bürger hervorzuspringen. Der hessische Kurfürst keilt sich mit dem hessischen Großherzog. Jener haut mit der Keule zu, die er dem Wilhslmshöher Herkules entlehnte; dieser hat trotz seines Schildknappen Jaup nicht zu pariren vermocht und zieht sich heulend, aber seinen Ansprüchen nicht entsagend in seine Behausung zurück. Dort reiten Vaterwonne schnaubend der baierische Reichs-Max auf einem Oxthoft aus dem Bockskeller und die hannoveranische Majestät auf dem als ungeheures Roastbeef präparirten Stüve in die Schranken. Aus einer andern Ecke stürzt die Dresdner Majestät hervor, in Kleidung und Rüstung jenen am 1. Jan. 1848 leider zu früh verschiedenen zweibeinigen Bärenmützen täuschend nachgemacht. Von dritter Seite schreitet ein schwäbischer Gottesgnadenmann in die Schranken, dessen Krone mit dem niedlichen Nachtshäubchen der Fräulein Stubenrauch umhangen ist. Mit geballten Fäusten manövriren unsere altenburgischen, schwarzburgischen, hechingischen, mecklenburgischen, meiningischen, oldenburgischen etc Landesväter dazwischen. Nur Se. Majestät der Großherzog von Baden steht in die Lektüre von Kaspar Hausers Lebensgeschichte vertieft, auf jede Mitbewerbung resignirend da. Wie wenn eine Menge kleiner Kläffer sich eine Zeit lang herumgezaust und Lärm geschlagen und nun auf einmal still werden und den Schwanz zwischen die Beine nehmen, sobald große Bulldogs, ungarische Wolfshunde etc. unerwartet zwischen sie fahren: so stehen plötzlich unsere kleineren geliebten Landesväter verblüfft und erschrocken da, als sie die Majestäten mit dem Kroatenkopf, dem Wrangelschen Schleppsäbel und den Reichs-Max und das Roastbeef und die Dresdner Bärenmütze unter sich gewahren. Aber bald erwacht die Kampfeslust von Neuem. Der kroatische stürzt auf den christlich-germanischen Landesvater los mit einem Ziska-Schwerte. Die schwarz-weiße Majestät wechselt ebenfalls die Farbe und wird schwarz-gelb vor Aerger. Da ruft von fern eine bekannte Walhalla-Stimme in den urwäldlich-teutoburgischsten Satz-Construktionen: "Haltet ein, denn nicht gedacht habend meiner, schnöden Undanks, Ihr Euch selber zerfleischt: dem geliebten Reichsvolke zum üblen Muster seiend. Ich, der Teutscheste von Teuts Söhnen, weil augenblicklich außer Condition, mich erbietend Euch für Teutschlands Kaiserthron: Lola Eure Kaiserin! billig machend, viel gespart habend; Walhalla nach Frankfurt versetzend: Ihr sämmtlich hinein und auch meinen Beisele und Matthy, Beseler und Welcker und Mosle und sonstige Teutsche!" Einen Augenblick ruhen die Schwerter. Benutzen wir diese Pause, um uns ebenfalls einen Augenblick auszuruhen. Bald geht der Reichsvater-Spektakel wieder los und Schade wär's, wenn sich Reichskinder diese karnevalistische Ergötzlichkeit entgehen ließen. Italien. * Nach dem "Corriere mercantile" von Genua haben bereits mehrere Vorpostengefechte zwischen östreichischen und römischen Truppen in der Nähe von Bologna und Ferrara stattgefunden, die, obwohl an sich unbedeutend, dennoch als wahrscheinliches Vorspiel größerer Ereignisse von Wichtigkeit sind. Ebenso ist zu bemerken, daß aus Mantua zwölf Geschütze und verschiedene Truppenabtheilungen ausgerückt sind, um, wie man sagt, an die römische Gränze zu marschiren. Nach andern Berichten jedoch hätte dies Korps Ordre, sich nach Venedig zu wenden, was das frühere Gerücht von einer beabsichtigten Unternehmung Radetzky's gegen Venedig bestätigen würde. Uebrigens soll Radetzky, wie Briefe aus Mailand melden, in den Angelegenheiten der Lombardei die Vermittlung des Erzbischofs von Mailand angerufen haben, den er zu einer Reise nach Olmütz zu bestimmen sucht, um persönlich mit dem Kaiser zu verhandeln. Briefen aus Alessandria zufolge wären auch bereits piemontesische und östreichische Vorposten aneinandergerathen. Die "Alba" spricht mit großer Bestimmtheit von einem zu Piacenza ausgebrochenen Aufstande. Aus Rom wenig Neues. Briefe aus Livorno berichten, daß Sterbini nach Auflösung der Junta bis zum Zusammentreten der Constituante zum Diktator ernannt worden ist. Der "Corriere mercantile," welcher diese Maßregel voraussagte, giebt ihr seinen vollen Beifall zu erkennen. In einem so kritischen Augenblicke, sagt er, kann nur eine volle, konzentrirte Gewalt das Land retten. Der Prolegat von Bologna hat seine Demission eingereicht. Die Regierungskommission hat ihn durch den Prolegaten von Ferrara, Grafen Lavatelli, ersetzt. Der Pabst, schreibt man aus Rom am 4. Jan., wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach doch ehestens nach Frankreich begeben. Die Intriguen der Diplomatie haben keine Fäden zu Gaeta. Unter der Maske Spaniens entwickelt Rußland dort die größte Thätigkeit. Der Pabst scheint nicht zu glauben, daß die Angelegenheiten Italiens durch die Italiener selbst geordnet werden können. Von der italienischen Grenze, 3. Jan. In Calabrien fanden neuerdings an 5 Punkten Gefechte statt, und bei Brancaleone wurden die kön. Truppen geschlagen: es wäre thöricht, diese Gefechte als Räuberscenen zu behandeln. Zu Reggio machte der bekannte Agostino Plutino einen neuen Aufwiegelungsversuch, indem er sich von der sicilischen Küste hinüberwagte. Der König befindet sich ganz und gar in den Händen Rußlands: er ist ein Seitenstück zum Vladica von Montenegro, d. h. er ist russischer Vasall geworden. Chreptowitsch leitet alles, und die vorige Woche kamen drei russ. Couriere in Neapel und Gaeta an. Während noch vor wenigen Jahren alle neapolitanischen Blätter die Behauptung aufstellten in Sicilien herrsche kein Haß gegen Neapel, ist man jetzt endlich so aufrichtig geworden, in den Hofblättern einen Aufsatz: "Ueber die Abneigung der Sicilier gegen die Neapolitaner" abdrucken zu lassen, welcher jedoch mit den Worten schließen muß "che la Demagogia soccomba." In Messina, Palermo, Catania, in ganz Sicilien ist der Haß gegen Neapel unbeschreiblich groß. Die Wiederholung der Entthronung Ferdinands, der Anschluß an die italische Constituante und viele andere Dinge legen davon Zeugniß ab. Noch fehlen 16,000 Einwohner in Messina, und kein Sicilier nimmt eine neapolitanische Stelle in dem kleinen eroberten Bezirk an. Kürzlich desertirten neapolitanische Soldaten zwischen Patti und Barcellona zu den Siciliern: sogar Schweizer zeigten solche Gelüste. Das 3. Schweizerregiment ist auf 670 Mann zusammengeschmolzen. Hr. v. Gonzenbach, der schweizerische Konsul zu Messina, welcher sich mündlich und schriftlich (auch in dem Bericht an die Tagsatzung) über das Benehmen seiner Landsleute mißbilligend ausgesprochen, mußte der ihm geschwornen Rache wegen einige Zeit nach Catania entfliehen. Filangieri benimmt sich sehr gefällig gegen diejenigen Messinesen, welche ihm Geschenke bringen. Die Einnahme Messinas hat viele Menschen gekostet, und würde, nach dem Urtheil vieler neapolitanischen und schweizer Offiziere, nie gelungen sein, wenn nicht alle Minen der Sicilier, in denen das Pulver naß geworden, verunglückt wären. Antonini, Generalinspektor der sicilischen Armee, zeigt sich sehr thätig, er durchstreift die ganze Insel und ordnet alles an. Ich bin der Meinung, daß König Ferdinand niemals allein im Stande sein wird, Sicilien wieder zu erobern. Er bedroht Neapel mit einem Bombardement, und wird es daher ohne starke Besetzung zügeln, aber Calabrien, Apulien, das Basilikat und ganz Sicilien überwindet er nicht mit einem Heere von 100,000 Mann. (A. Z.) ** Von der italienischen Gränze, 10. Januar. Wie die Horden Radetzki's noch immer in Italien hausen, davon gibt folgender Vorfall ein Beispiel: An dem Tage, wo in Cremona das Te Deum für den neuen Kaiser gefeiert wurde, hielten die Offiziere der dortigen Garnison ein Bankett, betranken sich nach guter deutscher Sitte, und stürzten dann wie die wilden Bestien, mit gezogenem Säbel, auf die Straße hinaus. Dort liefen sie unter dem Ruf: Es lebe der Kaiser, hinter den ruhigen Einwohnern her, jagten sie in die Häuser, rissen den Damen die schwarzen Trauerhüte und Hauben ab, welche alle Lombardinnen seit der neuen Knechtung ihres Landes tragen, begingen die größten Exzesse und zwangen die Bewohner mehrerer Straßen, Lichter an ihre Fenster zu stellen. Nur Signora Guerri, eine Polin, wagte ihnen Widerstand zu leisten. Sie hielt den Wüthenden von ihrem Fenster herab in deutscher Sprache eine so energische Anrede und gab ihnen ihre Insulte in so würdiger und entschlossener Sprache zurück, daß das edle schwarzgelbe Offizierkorps sich zurückzog. So feiert die Blüthe des österreichischen und kroatischen Adels die Thronbesteigung ihres jungen Standrechtskaisers. Fast überall verließ das Volk in Masse die Kirchen, als die Geistlichen auf Radetzki's Befehl das Te Deum wegen des Thronwechsels absangen. Am Neujahrstage ließen die meisten lombardischen Geistlichen die üblichen Gebete für den Kaiser und das kaiserliche Haus fort, und das Volk jubelte Beifall. ** Rom, 3. Januar. Die "Constituente Italiana" meldet, daß in dem contrerevolutionären Intriguen-Centrum Gaeta jetzt dreierlei Meinungen debattirt werden: Der Pabst will die Entwickelung der römischen und italienischen Angelegenheiten der Vorsehung überlassen (braver Mann!) und nach Frankreich und Deutschland gehen, um dort den religiösen Geist wiederherzustellen. Die Kardinäle dagegen, die durch die römische Revolution eine Menge Reichthümer und ein üppiges Leben in aller Gottseligkeit und Trägheit verloren haben, verlangen den offenen Kampf, um entweder den alten Zustand wiederherzustellen oder in Ehren unterzugehen (wie Se. k. Hoheit der Prinz von Preußen) Endlich das diplomatische Corps, das der französischen Politik noch immer nicht recht traut (welche Lächerlichkeit!), räth Sr. Heiligkeit zu einer Vereinbarung mit seinen Ex-Unterthanen, in der Hoffnung auf bessere Zeiten. Welche von diesen drei Ansichten die Oberhand behalten wird, ist schwer abzusehen. Inzwischen soll Pius IX. eine neue Regierungskommission bestellt haben, die voraussichtlich eben so wenig Anerkennung in Rom finden wird, wie die erste. Sicher ist, daß die geheime Korrespondenz von Gaeta nach Rom fortwährend mit der größten Emsigkeit betrieben wird. Die Briefe gehen über Cellano nach Frosinone, und werden von da aus nach Rom spedirt. ** Florenz, 5. Jan. Unsere Stadt bleibt nach wie vor der Mittelpunkt der italienischen Einheitsbewegung, die hier auch zuerst durch die Proklamation der italienischen Constituante Konsistenz gewonnen hat. Die italienischen Volksvereine, deren Centrum hier ist, mehren sich in allen Staaten der Halbinsel. Sie streben nach der Herstellung eines einen und untheilbaren Italiens, lassen die zweideutigen und nothwendig partikularistischen Bestrebungen der Fürsten ganz bei Seite, und bearbeiten so den Boden für die Zeit, wo die Constituante die italische Republik wird proklamiren können. Ueberhaupt zeigt sich in der ganzen italienischen demokratischen Bewegung eine Konsequenz, ein Zusammenhang, eine Entschiedenheit und ein Bewußtsein des endlichen Ziels, das gegenüber der verworrenen, schwankenden und wüsten Bewegung Deutschlands im Jahre 1848 einen höchst wohlthuenden Eindruck macht. Schreiben vom 5. Januar 1849 — erbetene Ermächtigung ertheilen.“ Wulfen hat noch beigefügt: „In Erwägung der persönlicher. Erklärung des Ministers in der Sitzung vom 11. d. Mts“ Bei der Abstimmung antwortet das alte Kind Arndt, der Dichter des Liedes: „Was ist des Deutschen Vaterland?“ mit Ja! Ein langes „Pfui!“ und lange Katzenmusiken von den Tribünen belohnten den greisen Verräther dafür. — Herr Dahlmann, der „Deutsche Professor“, ward für sein „Ja“ mit einem gleichen „Pfui!“ belohnt. — Der edle Minister von Gagern verschmäht es nicht, für seine eigne hohe Existenz mit Ja zu stimmen. — Der „fundirte“ Beseler stützte gleichfalls das Ministerium. Jahn und Jordan aus Berlin ebenso, auch Mittermaier verrieth seine Partei. Radowitz hat sich fortgeschlichen! Reh aus Darmstadt verrieth ebenfalls seine Partei. Schmerling, der Freund Gagerns, war bei der Abstimmung herausgelaufen (Langes höhnisches Bravo.) — Der alte Ludwig Uhland blieb treu bei der Linken. — Die Minoritäts-Anträge wurden mit 261 Stimmen gegen 224 Stimmen angenommen. Also für's Ministerium Gagern eine Majorität von 37 Stimmen! — Aber genug für ein — Reichsministerium. — Nach Abzug des Ministeriums selbst, welches mitstimmte, verblieben dem Ministerium ungefähr ein Dutzend Stimmen Die ganze Linke legt eine feierliche Protestation ein, gegen den vorliegenden Beschluß, welcher Deutschland theilt, Oestreich abreißt, den Dynasten sich in die Arme wirft u. s. w. Morgen die ganze Protestation. Hierauf erfolgten noch 100,000 Erklärungen, — so machens diese Burschen — erst abstimmen, dann hinterdrein durch Erklärungen ihre Abstimmungen negiren. — O du Deutschland! Vor Schluß der Sitzung frägt Wesendonk den Centrallegitimatiosausschuß, ob er bereits Kenntniß von Temme's Wahl hat. (Bravo von den Gallerien.) Plathner im Namen des Ausschusses, er wisse nichts von Temme noch von dessen Wahl. Um 8 Uhr wird die Sitzung geschlossen. Montag Tages-Ordnung: Entwurf vom Reichsoberhaupt. Nun werden sie den Kaiser ausbrüten. Wohl bekomm's! 34 Darmstadt, 13. Jan. Dem Antrage auf ein königlich preußisches Erbkaiserthum ist von dem Abg. Heldmann ein anderer entgegengestellt: „Die Kammer möge erklären, daß sie es mit Vergnügen sehen würde, wenn der Großherzog von Hessen (der nebenbei bemerkt, in Bezug auf die Erblichkeit mit Friedrich Wilhelm dasselbe Schicksal theilt) zum Reichsstatthalter ernannt werde.“ Es wird hoffentlich nicht gar zu lange dauern, daß die ganze Geschichte von dem neugebackenen Erbkaiserthum von Jedermann als ein schlechter Witz angesehen wird. In ihrer vorigen Sitzung hat die zweite Kammer über die Geschäftsordnung für die neu zu wählenden Kammern berathen. So ängstlich vermeidet man jeden Sprung, so behutsam hält man den Weg der „gesetzmäßigen Reformen“ ein, daß man es den neuen Kammern nicht einmal überläßt, sich selbst eine neue Geschäftsordnung zu geben. Die alte konnte man ihnen freilich auch nicht gut überantworten, sie war gar zu niederträchtig. So hatte früher der Großherzog das Recht, den Präsidenten der ersten Kammer zu ernennen, und die beiden Präsidenten der zweiten Kammer aus sechs vorgeschlagenen Mitgliedern zu wählen, und diese fungirten dann natürlich für die ganze Diät von sechs Jahren. Anstatt dessen soll für die neuen Kammern die freie Wahl eintreten und dieselbe alle acht Wochen wieder erneuert werden. Die wichtigste Aenderung in der Geschäftsordnung wird auf den Antrag Lehne's beschlossen. Danach soll die Regierung ersucht werden, die in Art. 6 der alten Geschäftsordnung enthaltene Beschränkung, welche der Kammer das Einbringen von Gesetzentwürfen verbietet, und dasselbe zu einem Vorrecht der Regierung macht, aufzuheben, und beiden Kammern die Initiative in der Gesetzgebung zu verleihen. Freilich etwas Anderes, als ein demüthiges Ersuchen steht der Kammer jetzt nicht mehr zu, nachdem sie von vornherein durch die Steuerbewilligung sich alle Macht aus den Händen gegeben hat. Die ministerielle Partei ist bei der Abstimmung zwar mit 30 gegen 8 Stimmen erlegen; aber was soll das? Hat sie doch noch die erste Kammer und die großherzogliche Sanktion hinter sich! Art. 21 hebt das den Regierungskommissarien zustehende Recht, andere Redner zu unterbrechen, auf. Im Art. 25, wonach Interpellationen nur dann zulässig sind, wenn sie von fünf Mitgliedern unterstützt, vorher dem Präsidium überreicht sind, — wird der Passus: „von fünf Mitgliedern unterstützt,“ mit 27 gegen 10 Stimmen verworfen. Zuletzt setzt die zweite Kammer ihrem „segensreichen Wirken“ noch dadurch die Krone auf, daß sie die Diäten der neuen Abgeordneten von 5 Fl. auf 3 Fl. 30 Kr. reduzirt. So lange sie selbst am Ruder waren, haben sie die 5 Fl. ganz gemüthlich in die Tasche gesteckt; warum lassen sie diese Ersparniß nicht wenigstens schon sogleich ins Leben treten, wenn sie von ihrer Nothwendigkeit so überzeugt sind. Wie mir scheint, haben die meisten Herren wohl nur in der Voraussicht so gestimmt, daß ihre politische Carriere ein Ende erreicht hat; sie wollen ihren Nachfolgern noch einen kleinen Schabernack spielen. Will man sparen, dann beginne man bei den Civillisten, bei den Soldaten- und Beamtenheeren; das hilft jedenfalls besser, als die paar Gulden, welche man den Abgeordneten abzwackt. Man darf nicht vergessen, daß eine zu niedrige Besoldung derselben nichts weiter als ein indirekter Census ist. In der heutigen Sitzung ward über einen Gesetzentwurf, die Weideberechtigungen auf landwirthschaftlichem Boden betreffend, diskutirt. Es geht also schon wieder munter über die Gesetzgebung her, obschon diese eigentlich ganz und gar den neuen Kammern vorbehalten bleiben sollte. Ein Antrag Kretzschmar's, den Gesetzentwurf kurzer Hand beruhen zu lassen, weil von dieser Kammer eigentlich nur das Wahlgesetz und die Geschäftsordnung berathen werden solle, ward gegen 3 Stimmen (!!) abgelehnt. Kretzschmar fügte noch hinzu: Es sei wahr, daß das Volk Aufhebung dieses angemaßten Rechtes wolle; aber es wolle die Aufhebung ohne Entschädigung, dasselbe sei ganz analog dem Jagdrecht. — Die Kammer wird wahrscheinlich nach Vorschlag des Ausschusses einen Mittelweg einschlagen; die ersten 10 Artikel, welche mit einigen Modifikationen angenommen sind, beschränken die Aufhebung der Weideberechtigung ohne Entschädigung auf einen bestimmten Umfang, für das Weitere wird eine Entschädigung stipulirt werden. So haben's unsere Volksvertreter halters mit allen mittelalterlichen „Rechten“ gemacht. Sie überantworten den Grundbesitz den Hypothekengläubigern und zeigen dadurch selbst dem Bauer den Weg, den er in der nächsten Revolution für seine Befreiung einzuschlagen hat. In dieser Woche haben wir auch die angenehme Erfahrung gemacht, daß wir Kroaten ganz in unserer Nähe haben. Das erste Regiment, welches lange Zeit in Frankfurt die Ruhe und Ordnung aufrecht erhalten hat, und uns statt des demokratisirten zweiten geschickt wurde, hat auch hier für die Ordnung zu sorgen begonnen, indem es die Kneipe eines demokratischen Bierwirthes vollständig demolirt hat. Wie aus Allem hervorgeht, war die Sache angestiftet, und wird die eingeleitete Untersuchung deshalb auch wohl ohne Erfolg sein. Weitere Heldenthaten haben sich diese Grau- (nicht Roth-) Mäntel vorbehalten, über die ich Ihnen vielleicht in nächster Zeit berichten kann. Hannover, 12. Jan. Von wie trauriger Art die Ausflüchte sind, mit denen man in Hannover Etwas zu erreichen gedenkt, davon liefert die jüngst veröffentlichte Note vom 4. November ein Beispiel. Es war darin gesagt, die hannoversche Regierung befinde sich nicht in dem Besitze des authentischen Protokolls über den Bundesbeschluß vom 10. Juli, wodurch bekanntlich im Namen sämmtlicher Regierungen alle Bundesgewalt auf den Reichsverweser übertragen würde. Nun wird in der Zeitung für Norddeutschland die bestimmte Versicherung gegeben, „es existirt überhaupt kein Protokoll über jenen angeblichen Bundesbeschluß vom 10. Juli. Es war eine diplomatische Lüge, wenn am 12. Juli die Uebertragung der Centralgewalt als ein Beschluß vom 10. Juli mitgetheilt wurde; es war kein solcher Beschluß am 10. gefaßt, sondern nur mündlich in der Verwirrung und Rathlosigkeit des Augenblicks hatten die Bundestagsgesandten sich kurz vorher darüber verständigt. Weder die hannov. Regierung kann daher das Protokoll dieses Beschlusses publiciren, noch kann die Centralgewalt es ihr mittheilen. Das hannov. Ministerium mußte es durch den hannov. Bundestagsgesandten wissen, daß die Centralgewalt das nicht kann, — und dennoch begründet es jetzt vor dem Publikum seine Weigerung auf die oben angegebene Weise!“ 20 Aus dem Reiche. „Du hast ja gar keinen Vater!“ warf ein Junge dem andern vor, während sie sich auf der Straße bei den Haaren hin- und herzausten. „Mehr als Du, dummer Junge!“ antwortete auf's Tiefste empört, der Andere. Das germanische „Reichs“-Volk kann in ähnlicher Weise jeder Nation auf dem Erdenrunde entgegentreten. Bei den Haaren kann man es zausen nach Belieben, man kann es knuten und maulschelliren, man kann es mit Koth bewerfen und ihm in's Gesicht spucken: Ein Nuhm bleibt ihm unangetastet, ein Ruhm, der alle spießbürgerliche Bornirtheit, alle Misère im Innern und nach Außen vergessen läßt: der Ruhm, mehr Landesväter zu haben, als die Völker des Erdballs, mit Einschluß der Zigeuner, zusammengenommen. Die alten Römer, die wir als Gymnasiasten und Professoren in gewisser Beziehung pflichtschuldigst zu bewundern haben: brachten es in ihrer besten Zeit noch nicht bis zu einem Dutzend Kaiser oder Gegenkaiser. Sie waren hinter uns schmählig zurück: Wir schlagen die alten, wie die neuen Völker mit der einfachen Bemerkung aus dem Felde, daß wir mehr als ein halbes Schock theurer „Landesväter“ bis auf den heutigen Tag zu konserviren verstanden haben. Es stehe irgend eine Nation des ganzen Erdrund's auf und weise uns einen ähnlichen Reichthum nach! Kühn fordern wir alle Jahrhunderte in die Schranken! Da uns der Himmel mit so außerordentlichem Segen begnadet hat, der uns jährlich bloß die Lumperei von 50 Mill. Thalern Preuß. Cour. kostet: so sollten wir dankerfüllt uns damit begnügen. Wir Reichskinder sind nun wohl auch ziemlich zufrieden, ja mehr als befriedigt. Allein unsere geliebten und sehr theuren „Landesväter“ haben in unablässiger Fürsorge für das Reich entdeckt, daß wir zu den 3 Dutzend Landesvätern noch einen 37sten, obersten Landesvater bedürfen. Es wäre das ganz herrlich ohne die kitzliche Frage: Wer soll oberster Landesvater sein? Unsere gottbegnadeten Fürsorger haben längere oder kürzere Zeit die germanischen „Vaterfreuden“ durchgekostet. Dürfen wir uns wundern, wenn nun Jeder sie zur höchsten Potenz zu erheben resp. sich zum obersten Landesvater zu machen sucht? Ist nicht Jeder unserer Landesväter par inter pares, gleich unter Gleichen? Hätte Heinrich der 281ste von Reuß-Greitz sich nicht während ein Paar Dezennien auf dem bekannten Prinzip wund geritten und in Folge dessen abgedankt: so wäre er der Mann. „Böse Beispiele verderben gute Sitten.“ Dieses schönen Spruches scheinen die ehrenwerthen und uns sehr theuern Landesväter gänzlich vergessen zu haben. Statt uns mit Friede und Einigkeit voranzuleuchten: balgen sie sich unter einander herum ärger wie Hunde und Katzen und entblößen dabei gegenseitig ihre Schaam, daß wir Reichskinder wohl „roth“ werden müssen. Ihre Majestäten von Vaduz und Bückeburg halten sich an den Ohren gefaßt und beweisen sich gegenseitig durch Püffe, daß Jeder von ihnen der würdigste ist, aus dem Frankfurter Hexenkessel mit der Kaiserkrone bewappnet unter die wonnebeseligten Reichs-Bürger hervorzuspringen. Der hessische Kurfürst keilt sich mit dem hessischen Großherzog. Jener haut mit der Keule zu, die er dem Wilhslmshöher Herkules entlehnte; dieser hat trotz seines Schildknappen Jaup nicht zu pariren vermocht und zieht sich heulend, aber seinen Ansprüchen nicht entsagend in seine Behausung zurück. Dort reiten Vaterwonne schnaubend der baierische Reichs-Max auf einem Oxthoft aus dem Bockskeller und die hannoveranische Majestät auf dem als ungeheures Roastbeef präparirten Stüve in die Schranken. Aus einer andern Ecke stürzt die Dresdner Majestät hervor, in Kleidung und Rüstung jenen am 1. Jan. 1848 leider zu früh verschiedenen zweibeinigen Bärenmützen täuschend nachgemacht. Von dritter Seite schreitet ein schwäbischer Gottesgnadenmann in die Schranken, dessen Krone mit dem niedlichen Nachtshäubchen der Fräulein Stubenrauch umhangen ist. Mit geballten Fäusten manövriren unsere altenburgischen, schwarzburgischen, hechingischen, mecklenburgischen, meiningischen, oldenburgischen etc Landesväter dazwischen. Nur Se. Majestät der Großherzog von Baden steht in die Lektüre von Kaspar Hausers Lebensgeschichte vertieft, auf jede Mitbewerbung resignirend da. Wie wenn eine Menge kleiner Kläffer sich eine Zeit lang herumgezaust und Lärm geschlagen und nun auf einmal still werden und den Schwanz zwischen die Beine nehmen, sobald große Bulldogs, ungarische Wolfshunde etc. unerwartet zwischen sie fahren: so stehen plötzlich unsere kleineren geliebten Landesväter verblüfft und erschrocken da, als sie die Majestäten mit dem Kroatenkopf, dem Wrangelschen Schleppsäbel und den Reichs-Max und das Roastbeef und die Dresdner Bärenmütze unter sich gewahren. Aber bald erwacht die Kampfeslust von Neuem. Der kroatische stürzt auf den christlich-germanischen Landesvater los mit einem Ziska-Schwerte. Die schwarz-weiße Majestät wechselt ebenfalls die Farbe und wird schwarz-gelb vor Aerger. Da ruft von fern eine bekannte Walhalla-Stimme in den urwäldlich-teutoburgischsten Satz-Construktionen: „Haltet ein, denn nicht gedacht habend meiner, schnöden Undanks, Ihr Euch selber zerfleischt: dem geliebten Reichsvolke zum üblen Muster seiend. Ich, der Teutscheste von Teuts Söhnen, weil augenblicklich außer Condition, mich erbietend Euch für Teutschlands Kaiserthron: Lola Eure Kaiserin! billig machend, viel gespart habend; Walhalla nach Frankfurt versetzend: Ihr sämmtlich hinein und auch meinen Beisele und Matthy, Beseler und Welcker und Mosle und sonstige Teutsche!“ Einen Augenblick ruhen die Schwerter. Benutzen wir diese Pause, um uns ebenfalls einen Augenblick auszuruhen. Bald geht der Reichsvater-Spektakel wieder los und Schade wär's, wenn sich Reichskinder diese karnevalistische Ergötzlichkeit entgehen ließen. Italien. * Nach dem „Corriere mercantile“ von Genua haben bereits mehrere Vorpostengefechte zwischen östreichischen und römischen Truppen in der Nähe von Bologna und Ferrara stattgefunden, die, obwohl an sich unbedeutend, dennoch als wahrscheinliches Vorspiel größerer Ereignisse von Wichtigkeit sind. Ebenso ist zu bemerken, daß aus Mantua zwölf Geschütze und verschiedene Truppenabtheilungen ausgerückt sind, um, wie man sagt, an die römische Gränze zu marschiren. Nach andern Berichten jedoch hätte dies Korps Ordre, sich nach Venedig zu wenden, was das frühere Gerücht von einer beabsichtigten Unternehmung Radetzky's gegen Venedig bestätigen würde. Uebrigens soll Radetzky, wie Briefe aus Mailand melden, in den Angelegenheiten der Lombardei die Vermittlung des Erzbischofs von Mailand angerufen haben, den er zu einer Reise nach Olmütz zu bestimmen sucht, um persönlich mit dem Kaiser zu verhandeln. Briefen aus Alessandria zufolge wären auch bereits piemontesische und östreichische Vorposten aneinandergerathen. Die „Alba“ spricht mit großer Bestimmtheit von einem zu Piacenza ausgebrochenen Aufstande. Aus Rom wenig Neues. Briefe aus Livorno berichten, daß Sterbini nach Auflösung der Junta bis zum Zusammentreten der Constituante zum Diktator ernannt worden ist. Der „Corriere mercantile,“ welcher diese Maßregel voraussagte, giebt ihr seinen vollen Beifall zu erkennen. In einem so kritischen Augenblicke, sagt er, kann nur eine volle, konzentrirte Gewalt das Land retten. Der Prolegat von Bologna hat seine Demission eingereicht. Die Regierungskommission hat ihn durch den Prolegaten von Ferrara, Grafen Lavatelli, ersetzt. Der Pabst, schreibt man aus Rom am 4. Jan., wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach doch ehestens nach Frankreich begeben. Die Intriguen der Diplomatie haben keine Fäden zu Gaeta. Unter der Maske Spaniens entwickelt Rußland dort die größte Thätigkeit. Der Pabst scheint nicht zu glauben, daß die Angelegenheiten Italiens durch die Italiener selbst geordnet werden können. Von der italienischen Grenze, 3. Jan. In Calabrien fanden neuerdings an 5 Punkten Gefechte statt, und bei Brancaleone wurden die kön. Truppen geschlagen: es wäre thöricht, diese Gefechte als Räuberscenen zu behandeln. Zu Reggio machte der bekannte Agostino Plutino einen neuen Aufwiegelungsversuch, indem er sich von der sicilischen Küste hinüberwagte. Der König befindet sich ganz und gar in den Händen Rußlands: er ist ein Seitenstück zum Vladica von Montenegro, d. h. er ist russischer Vasall geworden. Chreptowitsch leitet alles, und die vorige Woche kamen drei russ. Couriere in Neapel und Gaeta an. Während noch vor wenigen Jahren alle neapolitanischen Blätter die Behauptung aufstellten in Sicilien herrsche kein Haß gegen Neapel, ist man jetzt endlich so aufrichtig geworden, in den Hofblättern einen Aufsatz: „Ueber die Abneigung der Sicilier gegen die Neapolitaner“ abdrucken zu lassen, welcher jedoch mit den Worten schließen muß „che la Demagogia soccomba.“ In Messina, Palermo, Catania, in ganz Sicilien ist der Haß gegen Neapel unbeschreiblich groß. Die Wiederholung der Entthronung Ferdinands, der Anschluß an die italische Constituante und viele andere Dinge legen davon Zeugniß ab. Noch fehlen 16,000 Einwohner in Messina, und kein Sicilier nimmt eine neapolitanische Stelle in dem kleinen eroberten Bezirk an. Kürzlich desertirten neapolitanische Soldaten zwischen Patti und Barcellona zu den Siciliern: sogar Schweizer zeigten solche Gelüste. Das 3. Schweizerregiment ist auf 670 Mann zusammengeschmolzen. Hr. v. Gonzenbach, der schweizerische Konsul zu Messina, welcher sich mündlich und schriftlich (auch in dem Bericht an die Tagsatzung) über das Benehmen seiner Landsleute mißbilligend ausgesprochen, mußte der ihm geschwornen Rache wegen einige Zeit nach Catania entfliehen. Filangieri benimmt sich sehr gefällig gegen diejenigen Messinesen, welche ihm Geschenke bringen. Die Einnahme Messinas hat viele Menschen gekostet, und würde, nach dem Urtheil vieler neapolitanischen und schweizer Offiziere, nie gelungen sein, wenn nicht alle Minen der Sicilier, in denen das Pulver naß geworden, verunglückt wären. Antonini, Generalinspektor der sicilischen Armee, zeigt sich sehr thätig, er durchstreift die ganze Insel und ordnet alles an. Ich bin der Meinung, daß König Ferdinand niemals allein im Stande sein wird, Sicilien wieder zu erobern. Er bedroht Neapel mit einem Bombardement, und wird es daher ohne starke Besetzung zügeln, aber Calabrien, Apulien, das Basilikat und ganz Sicilien überwindet er nicht mit einem Heere von 100,000 Mann. (A. Z.) ** Von der italienischen Gränze, 10. Januar. Wie die Horden Radetzki's noch immer in Italien hausen, davon gibt folgender Vorfall ein Beispiel: An dem Tage, wo in Cremona das Te Deum für den neuen Kaiser gefeiert wurde, hielten die Offiziere der dortigen Garnison ein Bankett, betranken sich nach guter deutscher Sitte, und stürzten dann wie die wilden Bestien, mit gezogenem Säbel, auf die Straße hinaus. Dort liefen sie unter dem Ruf: Es lebe der Kaiser, hinter den ruhigen Einwohnern her, jagten sie in die Häuser, rissen den Damen die schwarzen Trauerhüte und Hauben ab, welche alle Lombardinnen seit der neuen Knechtung ihres Landes tragen, begingen die größten Exzesse und zwangen die Bewohner mehrerer Straßen, Lichter an ihre Fenster zu stellen. Nur Signora Guerri, eine Polin, wagte ihnen Widerstand zu leisten. Sie hielt den Wüthenden von ihrem Fenster herab in deutscher Sprache eine so energische Anrede und gab ihnen ihre Insulte in so würdiger und entschlossener Sprache zurück, daß das edle schwarzgelbe Offizierkorps sich zurückzog. So feiert die Blüthe des österreichischen und kroatischen Adels die Thronbesteigung ihres jungen Standrechtskaisers. Fast überall verließ das Volk in Masse die Kirchen, als die Geistlichen auf Radetzki's Befehl das Te Deum wegen des Thronwechsels absangen. Am Neujahrstage ließen die meisten lombardischen Geistlichen die üblichen Gebete für den Kaiser und das kaiserliche Haus fort, und das Volk jubelte Beifall. ** Rom, 3. Januar. Die „Constituente Italiana“ meldet, daß in dem contrerevolutionären Intriguen-Centrum Gaeta jetzt dreierlei Meinungen debattirt werden: Der Pabst will die Entwickelung der römischen und italienischen Angelegenheiten der Vorsehung überlassen (braver Mann!) und nach Frankreich und Deutschland gehen, um dort den religiösen Geist wiederherzustellen. Die Kardinäle dagegen, die durch die römische Revolution eine Menge Reichthümer und ein üppiges Leben in aller Gottseligkeit und Trägheit verloren haben, verlangen den offenen Kampf, um entweder den alten Zustand wiederherzustellen oder in Ehren unterzugehen (wie Se. k. Hoheit der Prinz von Preußen) Endlich das diplomatische Corps, das der französischen Politik noch immer nicht recht traut (welche Lächerlichkeit!), räth Sr. Heiligkeit zu einer Vereinbarung mit seinen Ex-Unterthanen, in der Hoffnung auf bessere Zeiten. Welche von diesen drei Ansichten die Oberhand behalten wird, ist schwer abzusehen. Inzwischen soll Pius IX. eine neue Regierungskommission bestellt haben, die voraussichtlich eben so wenig Anerkennung in Rom finden wird, wie die erste. Sicher ist, daß die geheime Korrespondenz von Gaeta nach Rom fortwährend mit der größten Emsigkeit betrieben wird. Die Briefe gehen über Cellano nach Frosinone, und werden von da aus nach Rom spedirt. ** Florenz, 5. Jan. Unsere Stadt bleibt nach wie vor der Mittelpunkt der italienischen Einheitsbewegung, die hier auch zuerst durch die Proklamation der italienischen Constituante Konsistenz gewonnen hat. Die italienischen Volksvereine, deren Centrum hier ist, mehren sich in allen Staaten der Halbinsel. Sie streben nach der Herstellung eines einen und untheilbaren Italiens, lassen die zweideutigen und nothwendig partikularistischen Bestrebungen der Fürsten ganz bei Seite, und bearbeiten so den Boden für die Zeit, wo die Constituante die italische Republik wird proklamiren können. Ueberhaupt zeigt sich in der ganzen italienischen demokratischen Bewegung eine Konsequenz, ein Zusammenhang, eine Entschiedenheit und ein Bewußtsein des endlichen Ziels, das gegenüber der verworrenen, schwankenden und wüsten Bewegung Deutschlands im Jahre 1848 einen höchst wohlthuenden Eindruck macht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar197_007" type="jArticle"> <p rendition="#et"><pb facs="#f0002" n="1070"/> Schreiben vom 5. Januar 1849 — erbetene Ermächtigung ertheilen.“</p> <p>Wulfen hat noch beigefügt:</p> <p rendition="#et">„In Erwägung der persönlicher. Erklärung des Ministers in der Sitzung vom 11. d. Mts“</p> <p>Bei der Abstimmung antwortet das alte Kind Arndt, der Dichter des Liedes: „Was ist des Deutschen Vaterland?“ mit Ja! Ein langes „Pfui!“ und lange Katzenmusiken von den Tribünen belohnten den greisen Verräther dafür. — Herr Dahlmann, der „Deutsche Professor“, ward für sein „Ja“ mit einem gleichen „Pfui!“ belohnt. — Der edle Minister von Gagern verschmäht es nicht, für seine eigne hohe Existenz mit Ja zu stimmen. — Der „fundirte“ Beseler stützte gleichfalls das Ministerium. Jahn und Jordan aus Berlin ebenso, auch Mittermaier verrieth seine Partei. Radowitz hat sich fortgeschlichen! Reh aus Darmstadt verrieth ebenfalls seine Partei. Schmerling, der Freund Gagerns, war bei der Abstimmung herausgelaufen (Langes höhnisches Bravo.) — Der alte Ludwig Uhland blieb treu bei der Linken. — Die Minoritäts-Anträge wurden mit 261 Stimmen gegen 224 Stimmen angenommen.</p> <p>Also für's Ministerium Gagern eine Majorität von 37 Stimmen! — Aber genug für ein — Reichsministerium. —</p> <p>Nach Abzug des Ministeriums selbst, welches mitstimmte, verblieben dem Ministerium ungefähr ein Dutzend Stimmen Die ganze Linke legt eine feierliche Protestation ein, gegen den vorliegenden Beschluß, welcher Deutschland theilt, Oestreich abreißt, den Dynasten sich in die Arme wirft u. s. w. Morgen die ganze Protestation.</p> <p>Hierauf erfolgten noch 100,000 Erklärungen, — so machens diese Burschen — erst abstimmen, dann hinterdrein durch Erklärungen ihre Abstimmungen negiren. — O du Deutschland!</p> <p>Vor Schluß der Sitzung frägt Wesendonk den Centrallegitimatiosausschuß, ob er bereits Kenntniß von Temme's Wahl hat. (Bravo von den Gallerien.)</p> <p><hi rendition="#g">Plathner</hi> im Namen des Ausschusses, er wisse nichts von Temme noch von dessen Wahl.</p> <p>Um 8 Uhr wird die Sitzung geschlossen.</p> <p>Montag Tages-Ordnung: Entwurf vom Reichsoberhaupt.</p> <p>Nun werden sie den Kaiser ausbrüten. Wohl bekomm's!</p> </div> <div xml:id="ar197_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>34</author></bibl> Darmstadt, 13. Jan.</head> <p>Dem Antrage auf ein königlich preußisches Erbkaiserthum ist von dem Abg. Heldmann ein anderer entgegengestellt:</p> <p rendition="#et">„Die Kammer möge erklären, daß sie es mit Vergnügen sehen würde, wenn der Großherzog von Hessen (der nebenbei bemerkt, in Bezug auf die Erblichkeit mit Friedrich Wilhelm dasselbe Schicksal theilt) zum Reichsstatthalter ernannt werde.“</p> <p>Es wird hoffentlich nicht gar zu lange dauern, daß die ganze Geschichte von dem neugebackenen Erbkaiserthum von Jedermann als ein schlechter Witz angesehen wird.</p> <p>In ihrer vorigen Sitzung hat die zweite Kammer über die Geschäftsordnung für die neu zu wählenden Kammern berathen. So ängstlich vermeidet man jeden Sprung, so behutsam hält man den Weg der „gesetzmäßigen Reformen“ ein, daß man es den neuen Kammern nicht einmal überläßt, sich selbst eine neue Geschäftsordnung zu geben. Die alte konnte man ihnen freilich auch nicht gut überantworten, sie war gar zu niederträchtig. So hatte früher der Großherzog das Recht, den Präsidenten der ersten Kammer zu ernennen, und die beiden Präsidenten der zweiten Kammer aus sechs vorgeschlagenen Mitgliedern zu wählen, und diese fungirten dann natürlich für die ganze Diät von sechs Jahren. Anstatt dessen soll für die neuen Kammern die freie Wahl eintreten und dieselbe alle acht Wochen wieder erneuert werden.</p> <p>Die wichtigste Aenderung in der Geschäftsordnung wird auf den Antrag Lehne's beschlossen. Danach soll die Regierung ersucht werden, die in Art. 6 der alten Geschäftsordnung enthaltene Beschränkung, welche der Kammer das Einbringen von Gesetzentwürfen verbietet, und dasselbe zu einem Vorrecht der Regierung macht, aufzuheben, und beiden Kammern die Initiative in der Gesetzgebung zu verleihen.</p> <p>Freilich etwas Anderes, als ein demüthiges Ersuchen steht der Kammer jetzt nicht mehr zu, nachdem sie von vornherein durch die Steuerbewilligung sich alle Macht aus den Händen gegeben hat. Die ministerielle Partei ist bei der Abstimmung zwar mit 30 gegen 8 Stimmen erlegen; aber was soll das? Hat sie doch noch die erste Kammer und die großherzogliche Sanktion hinter sich!</p> <p>Art. 21 hebt das den Regierungskommissarien zustehende Recht, andere Redner zu unterbrechen, auf. Im Art. 25, wonach Interpellationen nur dann zulässig sind, wenn sie von fünf Mitgliedern unterstützt, vorher dem Präsidium überreicht sind, — wird der Passus: „von fünf Mitgliedern unterstützt,“ mit 27 gegen 10 Stimmen verworfen.</p> <p>Zuletzt setzt die zweite Kammer ihrem „segensreichen Wirken“ noch dadurch die Krone auf, daß sie die Diäten der neuen Abgeordneten von 5 Fl. auf 3 Fl. 30 Kr. reduzirt. So lange sie selbst am Ruder waren, haben sie die 5 Fl. ganz gemüthlich in die Tasche gesteckt; warum lassen sie diese Ersparniß nicht wenigstens schon sogleich ins Leben treten, wenn sie von ihrer Nothwendigkeit so überzeugt sind. Wie mir scheint, haben die meisten Herren wohl nur in der Voraussicht so gestimmt, daß ihre politische Carriere ein Ende erreicht hat; sie wollen ihren Nachfolgern noch einen kleinen Schabernack spielen. Will man sparen, dann beginne man bei den Civillisten, bei den Soldaten- und Beamtenheeren; das hilft jedenfalls besser, als die paar Gulden, welche man den Abgeordneten abzwackt. Man darf nicht vergessen, daß eine zu niedrige Besoldung derselben nichts weiter als ein indirekter Census ist.</p> <p>In der heutigen Sitzung ward über einen Gesetzentwurf, die Weideberechtigungen auf landwirthschaftlichem Boden betreffend, diskutirt. Es geht also schon wieder munter über die Gesetzgebung her, obschon diese eigentlich ganz und gar den neuen Kammern vorbehalten bleiben sollte. Ein Antrag Kretzschmar's, den Gesetzentwurf kurzer Hand beruhen zu lassen, weil von dieser Kammer eigentlich nur das Wahlgesetz und die Geschäftsordnung berathen werden solle, ward gegen 3 Stimmen (!!) abgelehnt. Kretzschmar fügte noch hinzu: Es sei wahr, daß das Volk <hi rendition="#g">Aufhebung</hi> dieses angemaßten Rechtes wolle; aber es wolle die <hi rendition="#g">Aufhebung ohne Entschädigung,</hi> dasselbe sei ganz analog dem Jagdrecht. — Die Kammer wird wahrscheinlich nach Vorschlag des Ausschusses einen Mittelweg einschlagen; die ersten 10 Artikel, welche mit einigen Modifikationen angenommen sind, beschränken die Aufhebung der Weideberechtigung ohne Entschädigung auf einen bestimmten Umfang, für das Weitere wird eine Entschädigung stipulirt werden. So haben's unsere Volksvertreter halters mit allen mittelalterlichen „Rechten“ gemacht. Sie überantworten den Grundbesitz den Hypothekengläubigern und zeigen dadurch selbst dem Bauer den Weg, den er in der nächsten Revolution für seine Befreiung einzuschlagen hat.</p> <p>In dieser Woche haben wir auch die angenehme Erfahrung gemacht, daß wir Kroaten ganz in unserer Nähe haben. Das erste Regiment, welches lange Zeit in Frankfurt die Ruhe und Ordnung aufrecht erhalten hat, und uns statt des demokratisirten zweiten geschickt wurde, hat auch hier für die Ordnung zu sorgen begonnen, indem es die Kneipe eines demokratischen Bierwirthes vollständig demolirt hat. Wie aus Allem hervorgeht, war die Sache angestiftet, und wird die eingeleitete Untersuchung deshalb auch wohl ohne Erfolg sein. Weitere Heldenthaten haben sich diese Grau- (nicht Roth-) Mäntel vorbehalten, über die ich Ihnen vielleicht in nächster Zeit berichten kann.</p> </div> <div xml:id="ar197_009" type="jArticle"> <head>Hannover, 12. Jan.</head> <p>Von wie trauriger Art die Ausflüchte sind, mit denen man in Hannover Etwas zu erreichen gedenkt, davon liefert die jüngst veröffentlichte Note vom 4. November ein Beispiel. Es war darin gesagt, die hannoversche Regierung befinde sich nicht in dem Besitze des authentischen Protokolls über den Bundesbeschluß vom 10. Juli, wodurch bekanntlich im Namen sämmtlicher Regierungen alle Bundesgewalt auf den Reichsverweser übertragen würde. Nun wird in der Zeitung für Norddeutschland die bestimmte Versicherung gegeben, „es existirt überhaupt kein Protokoll über jenen angeblichen Bundesbeschluß vom 10. Juli. Es war eine diplomatische Lüge, wenn am 12. Juli die Uebertragung der Centralgewalt als ein Beschluß vom 10. Juli mitgetheilt wurde; es war kein solcher Beschluß am 10. gefaßt, sondern nur mündlich in der Verwirrung und Rathlosigkeit des Augenblicks hatten die Bundestagsgesandten sich kurz vorher darüber verständigt. Weder die hannov. Regierung kann daher das Protokoll dieses Beschlusses publiciren, noch kann die Centralgewalt es ihr mittheilen. Das hannov. Ministerium mußte es durch den hannov. Bundestagsgesandten wissen, daß die Centralgewalt das nicht kann, — und dennoch begründet es jetzt vor dem Publikum seine Weigerung auf die oben angegebene Weise!“</p> </div> <div xml:id="ar197_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>20</author></bibl> Aus dem Reiche.</head> <p>„Du hast ja gar keinen Vater!“ warf ein Junge dem andern vor, während sie sich auf der Straße bei den Haaren hin- und herzausten. „Mehr als Du, dummer Junge!“ antwortete auf's Tiefste empört, der Andere.</p> <p>Das germanische „Reichs“-Volk kann in ähnlicher Weise jeder Nation auf dem Erdenrunde entgegentreten. Bei den Haaren kann man es zausen nach Belieben, man kann es knuten und maulschelliren, man kann es mit Koth bewerfen und ihm in's Gesicht spucken: <hi rendition="#g">Ein</hi> Nuhm bleibt ihm unangetastet, ein Ruhm, der alle spießbürgerliche Bornirtheit, alle Misère im Innern und nach Außen vergessen läßt: der Ruhm, mehr Landesväter zu haben, als die Völker des Erdballs, mit Einschluß der Zigeuner, zusammengenommen.</p> <p>Die alten Römer, die wir als Gymnasiasten und Professoren in gewisser Beziehung pflichtschuldigst zu bewundern haben: brachten es in ihrer besten Zeit noch nicht bis zu einem Dutzend Kaiser oder Gegenkaiser. Sie waren hinter uns schmählig zurück: Wir schlagen die alten, wie die neuen Völker mit der einfachen Bemerkung aus dem Felde, daß wir mehr als ein halbes Schock theurer „Landesväter“ bis auf den heutigen Tag zu konserviren verstanden haben. Es stehe irgend eine Nation des ganzen Erdrund's auf und weise uns einen ähnlichen Reichthum nach! Kühn fordern wir alle Jahrhunderte in die Schranken!</p> <p>Da uns der Himmel mit so außerordentlichem Segen begnadet hat, der uns jährlich bloß die Lumperei von 50 Mill. Thalern Preuß. Cour. kostet: so sollten wir dankerfüllt uns damit begnügen.</p> <p>Wir Reichskinder sind nun wohl auch ziemlich zufrieden, ja mehr als befriedigt. Allein unsere geliebten und sehr theuren „Landesväter“ haben in unablässiger Fürsorge für das Reich entdeckt, daß wir zu den 3 Dutzend Landesvätern noch einen 37sten, obersten Landesvater bedürfen.</p> <p>Es wäre das ganz herrlich ohne die kitzliche Frage: Wer soll oberster Landesvater sein?</p> <p>Unsere gottbegnadeten Fürsorger haben längere oder kürzere Zeit die germanischen „Vaterfreuden“ durchgekostet. Dürfen wir uns wundern, wenn nun Jeder sie zur höchsten Potenz zu erheben resp. sich zum obersten Landesvater zu machen sucht?</p> <p>Ist nicht Jeder unserer Landesväter par inter pares, gleich unter Gleichen? Hätte Heinrich der 281ste von Reuß-Greitz sich nicht während ein Paar Dezennien auf dem bekannten Prinzip wund geritten und in Folge dessen abgedankt: so wäre er der Mann.</p> <p>„Böse Beispiele verderben gute Sitten.“ Dieses schönen Spruches scheinen die ehrenwerthen und uns sehr theuern Landesväter gänzlich vergessen zu haben. Statt uns mit Friede und Einigkeit voranzuleuchten: balgen sie sich unter einander herum ärger wie Hunde und Katzen und entblößen dabei gegenseitig ihre Schaam, daß wir Reichskinder wohl „<hi rendition="#g">roth</hi>“ werden müssen.</p> <p>Ihre Majestäten von Vaduz und Bückeburg halten sich an den Ohren gefaßt und beweisen sich gegenseitig durch Püffe, daß Jeder von ihnen der würdigste ist, aus dem Frankfurter Hexenkessel mit der Kaiserkrone bewappnet unter die wonnebeseligten Reichs-Bürger hervorzuspringen. Der hessische Kurfürst keilt sich mit dem hessischen Großherzog. Jener haut mit der Keule zu, die er dem Wilhslmshöher Herkules entlehnte; dieser hat trotz seines Schildknappen Jaup nicht zu pariren vermocht und zieht sich heulend, aber seinen Ansprüchen nicht entsagend in seine Behausung zurück. Dort reiten Vaterwonne schnaubend der baierische Reichs-Max auf einem Oxthoft aus dem Bockskeller und die hannoveranische Majestät auf dem als ungeheures Roastbeef präparirten Stüve in die Schranken. Aus einer andern Ecke stürzt die Dresdner Majestät hervor, in Kleidung und Rüstung jenen am 1. Jan. 1848 leider zu früh verschiedenen zweibeinigen Bärenmützen täuschend nachgemacht. Von dritter Seite schreitet ein schwäbischer Gottesgnadenmann in die Schranken, dessen Krone mit dem niedlichen Nachtshäubchen der Fräulein Stubenrauch umhangen ist. Mit geballten Fäusten manövriren unsere altenburgischen, schwarzburgischen, hechingischen, mecklenburgischen, meiningischen, oldenburgischen etc Landesväter dazwischen. Nur Se. Majestät der Großherzog von Baden steht in die Lektüre von Kaspar Hausers Lebensgeschichte vertieft, auf jede Mitbewerbung resignirend da.</p> <p>Wie wenn eine Menge kleiner Kläffer sich eine Zeit lang herumgezaust und Lärm geschlagen und nun auf einmal still werden und den Schwanz zwischen die Beine nehmen, sobald große Bulldogs, ungarische Wolfshunde etc. unerwartet zwischen sie fahren: so stehen plötzlich unsere kleineren geliebten Landesväter verblüfft und erschrocken da, als sie die Majestäten mit dem Kroatenkopf, dem Wrangelschen Schleppsäbel und den Reichs-Max und das Roastbeef und die Dresdner Bärenmütze unter sich gewahren.</p> <p>Aber bald erwacht die Kampfeslust von Neuem. Der kroatische stürzt auf den christlich-germanischen Landesvater los mit einem Ziska-Schwerte.</p> <p>Die schwarz-weiße Majestät wechselt ebenfalls die Farbe und wird schwarz-gelb vor Aerger.</p> <p>Da ruft von fern eine bekannte Walhalla-Stimme in den urwäldlich-teutoburgischsten Satz-Construktionen:</p> <p>„Haltet ein, denn nicht gedacht habend meiner, schnöden Undanks, Ihr Euch selber zerfleischt: dem geliebten Reichsvolke zum üblen Muster seiend. Ich, der Teutscheste von Teuts Söhnen, weil augenblicklich außer Condition, mich erbietend Euch für Teutschlands Kaiserthron: Lola Eure Kaiserin! billig machend, viel gespart habend; Walhalla nach Frankfurt versetzend: Ihr sämmtlich hinein und auch meinen Beisele und Matthy, Beseler und Welcker und Mosle und sonstige Teutsche!“</p> <p>Einen Augenblick ruhen die Schwerter.</p> <p>Benutzen wir diese Pause, um uns ebenfalls einen Augenblick auszuruhen. Bald geht der Reichsvater-Spektakel wieder los und Schade wär's, wenn sich Reichskinder diese karnevalistische Ergötzlichkeit entgehen ließen.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Italien.</head> <div xml:id="ar197_011" type="jArticle"> <head> <bibl> <author>*</author> </bibl> </head> <p>Nach dem „Corriere mercantile“ von Genua haben bereits mehrere Vorpostengefechte zwischen östreichischen und römischen Truppen in der Nähe von Bologna und Ferrara stattgefunden, die, obwohl an sich unbedeutend, dennoch als wahrscheinliches Vorspiel größerer Ereignisse von Wichtigkeit sind. Ebenso ist zu bemerken, daß aus Mantua zwölf Geschütze und verschiedene Truppenabtheilungen ausgerückt sind, um, wie man sagt, an die römische Gränze zu marschiren. Nach andern Berichten jedoch hätte dies Korps Ordre, sich nach Venedig zu wenden, was das frühere Gerücht von einer beabsichtigten Unternehmung Radetzky's gegen Venedig bestätigen würde. Uebrigens soll Radetzky, wie Briefe aus Mailand melden, in den Angelegenheiten der Lombardei die Vermittlung des Erzbischofs von Mailand angerufen haben, den er zu einer Reise nach Olmütz zu bestimmen sucht, um persönlich mit dem Kaiser zu verhandeln.</p> <p>Briefen aus Alessandria zufolge wären auch bereits piemontesische und östreichische Vorposten aneinandergerathen.</p> <p>Die „Alba“ spricht mit großer Bestimmtheit von einem zu Piacenza ausgebrochenen Aufstande.</p> <p>Aus Rom wenig Neues. Briefe aus Livorno berichten, daß Sterbini nach Auflösung der Junta bis zum Zusammentreten der Constituante zum Diktator ernannt worden ist. Der „Corriere mercantile,“ welcher diese Maßregel voraussagte, giebt ihr seinen vollen Beifall zu erkennen. In einem so kritischen Augenblicke, sagt er, kann nur eine volle, konzentrirte Gewalt das Land retten.</p> <p>Der Prolegat von Bologna hat seine Demission eingereicht. Die Regierungskommission hat ihn durch den Prolegaten von Ferrara, Grafen Lavatelli, ersetzt.</p> <p>Der Pabst, schreibt man aus Rom am 4. Jan., wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach doch ehestens nach Frankreich begeben. Die Intriguen der Diplomatie haben keine Fäden zu Gaeta. Unter der Maske Spaniens entwickelt Rußland dort die größte Thätigkeit. Der Pabst scheint nicht zu glauben, daß die Angelegenheiten Italiens durch die Italiener selbst geordnet werden können.</p> </div> <div xml:id="ar197_012" type="jArticle"> <head>Von der italienischen Grenze, 3. Jan.</head> <p>In Calabrien fanden neuerdings an 5 Punkten Gefechte statt, und bei Brancaleone wurden die kön. Truppen geschlagen: es wäre thöricht, diese Gefechte als Räuberscenen zu behandeln. Zu Reggio machte der bekannte Agostino Plutino einen neuen Aufwiegelungsversuch, indem er sich von der sicilischen Küste hinüberwagte. Der König befindet sich ganz und gar in den Händen Rußlands: er ist ein Seitenstück zum Vladica von Montenegro, d. h. er ist russischer Vasall geworden. Chreptowitsch leitet alles, und die vorige Woche kamen drei russ. Couriere in Neapel und Gaeta an. Während noch vor wenigen Jahren alle neapolitanischen Blätter die Behauptung aufstellten in Sicilien herrsche kein Haß gegen Neapel, ist man jetzt endlich so aufrichtig geworden, in den Hofblättern einen Aufsatz: „Ueber die Abneigung der Sicilier gegen die Neapolitaner“ abdrucken zu lassen, welcher jedoch mit den Worten schließen muß „che la Demagogia soccomba.“ In Messina, Palermo, Catania, in ganz Sicilien ist der Haß gegen Neapel unbeschreiblich groß. Die Wiederholung der Entthronung Ferdinands, der Anschluß an die italische Constituante und viele andere Dinge legen davon Zeugniß ab. Noch fehlen 16,000 Einwohner in Messina, und kein Sicilier nimmt eine neapolitanische Stelle in dem kleinen eroberten Bezirk an. Kürzlich desertirten neapolitanische Soldaten zwischen Patti und Barcellona zu den Siciliern: sogar Schweizer zeigten solche Gelüste. Das 3. Schweizerregiment ist auf 670 Mann zusammengeschmolzen. Hr. v. Gonzenbach, der schweizerische Konsul zu Messina, welcher sich mündlich und schriftlich (auch in dem Bericht an die Tagsatzung) über das Benehmen seiner Landsleute mißbilligend ausgesprochen, mußte der ihm geschwornen Rache wegen einige Zeit nach Catania entfliehen. Filangieri benimmt sich sehr gefällig gegen diejenigen Messinesen, welche ihm Geschenke bringen. Die Einnahme Messinas hat viele Menschen gekostet, und würde, nach dem Urtheil vieler neapolitanischen und schweizer Offiziere, nie gelungen sein, wenn nicht alle Minen der Sicilier, in denen das Pulver naß geworden, verunglückt wären. Antonini, Generalinspektor der sicilischen Armee, zeigt sich sehr thätig, er durchstreift die ganze Insel und ordnet alles an. Ich bin der Meinung, daß König Ferdinand niemals allein im Stande sein wird, Sicilien wieder zu erobern. Er bedroht Neapel mit einem Bombardement, und wird es daher ohne starke Besetzung zügeln, aber Calabrien, Apulien, das Basilikat und ganz Sicilien überwindet er nicht mit einem Heere von 100,000 Mann.</p> <bibl>(A. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar197_013" type="jArticle"> <head><bibl><author>**</author></bibl> Von der italienischen Gränze, 10. Januar.</head> <p>Wie die Horden Radetzki's noch immer in Italien hausen, davon gibt folgender Vorfall ein Beispiel: An dem Tage, wo in Cremona das Te Deum für den neuen Kaiser gefeiert wurde, hielten die Offiziere der dortigen Garnison ein Bankett, betranken sich nach guter deutscher Sitte, und stürzten dann wie die wilden Bestien, mit gezogenem Säbel, auf die Straße hinaus. Dort liefen sie unter dem Ruf: Es lebe der Kaiser, hinter den ruhigen Einwohnern her, jagten sie in die Häuser, rissen den Damen die schwarzen Trauerhüte und Hauben ab, welche alle Lombardinnen seit der neuen Knechtung ihres Landes tragen, begingen die größten Exzesse und zwangen die Bewohner mehrerer Straßen, Lichter an ihre Fenster zu stellen. Nur Signora Guerri, eine Polin, wagte ihnen Widerstand zu leisten. Sie hielt den Wüthenden von ihrem Fenster herab in deutscher Sprache eine so energische Anrede und gab ihnen ihre Insulte in so würdiger und entschlossener Sprache zurück, daß das edle schwarzgelbe Offizierkorps sich zurückzog. So feiert die Blüthe des österreichischen und kroatischen Adels die Thronbesteigung ihres jungen Standrechtskaisers.</p> <p>Fast überall verließ das Volk in Masse die Kirchen, als die Geistlichen auf Radetzki's Befehl das Te Deum wegen des Thronwechsels absangen. Am Neujahrstage ließen die meisten lombardischen Geistlichen die üblichen Gebete für den Kaiser und das kaiserliche Haus fort, und das Volk jubelte Beifall.</p> </div> <div xml:id="ar197_014" type="jArticle"> <head><bibl><author>**</author></bibl> Rom, 3. Januar.</head> <p>Die „Constituente Italiana“ meldet, daß in dem contrerevolutionären Intriguen-Centrum Gaeta jetzt dreierlei Meinungen debattirt werden: Der Pabst will die Entwickelung der römischen und italienischen Angelegenheiten der Vorsehung überlassen (braver Mann!) und nach Frankreich und Deutschland gehen, um dort den religiösen Geist wiederherzustellen. Die Kardinäle dagegen, die durch die römische Revolution eine Menge Reichthümer und ein üppiges Leben in aller Gottseligkeit und Trägheit verloren haben, verlangen den offenen Kampf, um entweder den alten Zustand wiederherzustellen oder in Ehren unterzugehen (wie Se. k. Hoheit der Prinz von Preußen) Endlich das diplomatische Corps, das der französischen Politik noch immer nicht recht traut (welche Lächerlichkeit!), räth Sr. Heiligkeit zu einer Vereinbarung mit seinen Ex-Unterthanen, in der Hoffnung auf bessere Zeiten. Welche von diesen drei Ansichten die Oberhand behalten wird, ist schwer abzusehen. Inzwischen soll Pius IX. eine neue Regierungskommission bestellt haben, die voraussichtlich eben so wenig Anerkennung in Rom finden wird, wie die erste. Sicher ist, daß die geheime Korrespondenz von Gaeta nach Rom fortwährend mit der größten Emsigkeit betrieben wird. Die Briefe gehen über Cellano nach Frosinone, und werden von da aus nach Rom spedirt.</p> </div> <div xml:id="ar197_015" type="jArticle"> <head><bibl><author>**</author></bibl> Florenz, 5. Jan.</head> <p>Unsere Stadt bleibt nach wie vor der Mittelpunkt der italienischen Einheitsbewegung, die hier auch zuerst durch die Proklamation der italienischen Constituante Konsistenz gewonnen hat. Die italienischen Volksvereine, deren Centrum hier ist, mehren sich in allen Staaten der Halbinsel. Sie streben nach der Herstellung eines <hi rendition="#g">einen und untheilbaren Italiens,</hi> lassen die zweideutigen und nothwendig partikularistischen Bestrebungen der Fürsten ganz bei Seite, und bearbeiten so den Boden für die Zeit, wo die Constituante die italische Republik wird proklamiren können. Ueberhaupt zeigt sich in der ganzen italienischen demokratischen Bewegung eine Konsequenz, ein Zusammenhang, eine Entschiedenheit und ein Bewußtsein des endlichen Ziels, das gegenüber der verworrenen, schwankenden und wüsten Bewegung Deutschlands im Jahre 1848 einen höchst wohlthuenden Eindruck macht.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1070/0002]
Schreiben vom 5. Januar 1849 — erbetene Ermächtigung ertheilen.“
Wulfen hat noch beigefügt:
„In Erwägung der persönlicher. Erklärung des Ministers in der Sitzung vom 11. d. Mts“
Bei der Abstimmung antwortet das alte Kind Arndt, der Dichter des Liedes: „Was ist des Deutschen Vaterland?“ mit Ja! Ein langes „Pfui!“ und lange Katzenmusiken von den Tribünen belohnten den greisen Verräther dafür. — Herr Dahlmann, der „Deutsche Professor“, ward für sein „Ja“ mit einem gleichen „Pfui!“ belohnt. — Der edle Minister von Gagern verschmäht es nicht, für seine eigne hohe Existenz mit Ja zu stimmen. — Der „fundirte“ Beseler stützte gleichfalls das Ministerium. Jahn und Jordan aus Berlin ebenso, auch Mittermaier verrieth seine Partei. Radowitz hat sich fortgeschlichen! Reh aus Darmstadt verrieth ebenfalls seine Partei. Schmerling, der Freund Gagerns, war bei der Abstimmung herausgelaufen (Langes höhnisches Bravo.) — Der alte Ludwig Uhland blieb treu bei der Linken. — Die Minoritäts-Anträge wurden mit 261 Stimmen gegen 224 Stimmen angenommen.
Also für's Ministerium Gagern eine Majorität von 37 Stimmen! — Aber genug für ein — Reichsministerium. —
Nach Abzug des Ministeriums selbst, welches mitstimmte, verblieben dem Ministerium ungefähr ein Dutzend Stimmen Die ganze Linke legt eine feierliche Protestation ein, gegen den vorliegenden Beschluß, welcher Deutschland theilt, Oestreich abreißt, den Dynasten sich in die Arme wirft u. s. w. Morgen die ganze Protestation.
Hierauf erfolgten noch 100,000 Erklärungen, — so machens diese Burschen — erst abstimmen, dann hinterdrein durch Erklärungen ihre Abstimmungen negiren. — O du Deutschland!
Vor Schluß der Sitzung frägt Wesendonk den Centrallegitimatiosausschuß, ob er bereits Kenntniß von Temme's Wahl hat. (Bravo von den Gallerien.)
Plathner im Namen des Ausschusses, er wisse nichts von Temme noch von dessen Wahl.
Um 8 Uhr wird die Sitzung geschlossen.
Montag Tages-Ordnung: Entwurf vom Reichsoberhaupt.
Nun werden sie den Kaiser ausbrüten. Wohl bekomm's!
34 Darmstadt, 13. Jan. Dem Antrage auf ein königlich preußisches Erbkaiserthum ist von dem Abg. Heldmann ein anderer entgegengestellt:
„Die Kammer möge erklären, daß sie es mit Vergnügen sehen würde, wenn der Großherzog von Hessen (der nebenbei bemerkt, in Bezug auf die Erblichkeit mit Friedrich Wilhelm dasselbe Schicksal theilt) zum Reichsstatthalter ernannt werde.“
Es wird hoffentlich nicht gar zu lange dauern, daß die ganze Geschichte von dem neugebackenen Erbkaiserthum von Jedermann als ein schlechter Witz angesehen wird.
In ihrer vorigen Sitzung hat die zweite Kammer über die Geschäftsordnung für die neu zu wählenden Kammern berathen. So ängstlich vermeidet man jeden Sprung, so behutsam hält man den Weg der „gesetzmäßigen Reformen“ ein, daß man es den neuen Kammern nicht einmal überläßt, sich selbst eine neue Geschäftsordnung zu geben. Die alte konnte man ihnen freilich auch nicht gut überantworten, sie war gar zu niederträchtig. So hatte früher der Großherzog das Recht, den Präsidenten der ersten Kammer zu ernennen, und die beiden Präsidenten der zweiten Kammer aus sechs vorgeschlagenen Mitgliedern zu wählen, und diese fungirten dann natürlich für die ganze Diät von sechs Jahren. Anstatt dessen soll für die neuen Kammern die freie Wahl eintreten und dieselbe alle acht Wochen wieder erneuert werden.
Die wichtigste Aenderung in der Geschäftsordnung wird auf den Antrag Lehne's beschlossen. Danach soll die Regierung ersucht werden, die in Art. 6 der alten Geschäftsordnung enthaltene Beschränkung, welche der Kammer das Einbringen von Gesetzentwürfen verbietet, und dasselbe zu einem Vorrecht der Regierung macht, aufzuheben, und beiden Kammern die Initiative in der Gesetzgebung zu verleihen.
Freilich etwas Anderes, als ein demüthiges Ersuchen steht der Kammer jetzt nicht mehr zu, nachdem sie von vornherein durch die Steuerbewilligung sich alle Macht aus den Händen gegeben hat. Die ministerielle Partei ist bei der Abstimmung zwar mit 30 gegen 8 Stimmen erlegen; aber was soll das? Hat sie doch noch die erste Kammer und die großherzogliche Sanktion hinter sich!
Art. 21 hebt das den Regierungskommissarien zustehende Recht, andere Redner zu unterbrechen, auf. Im Art. 25, wonach Interpellationen nur dann zulässig sind, wenn sie von fünf Mitgliedern unterstützt, vorher dem Präsidium überreicht sind, — wird der Passus: „von fünf Mitgliedern unterstützt,“ mit 27 gegen 10 Stimmen verworfen.
Zuletzt setzt die zweite Kammer ihrem „segensreichen Wirken“ noch dadurch die Krone auf, daß sie die Diäten der neuen Abgeordneten von 5 Fl. auf 3 Fl. 30 Kr. reduzirt. So lange sie selbst am Ruder waren, haben sie die 5 Fl. ganz gemüthlich in die Tasche gesteckt; warum lassen sie diese Ersparniß nicht wenigstens schon sogleich ins Leben treten, wenn sie von ihrer Nothwendigkeit so überzeugt sind. Wie mir scheint, haben die meisten Herren wohl nur in der Voraussicht so gestimmt, daß ihre politische Carriere ein Ende erreicht hat; sie wollen ihren Nachfolgern noch einen kleinen Schabernack spielen. Will man sparen, dann beginne man bei den Civillisten, bei den Soldaten- und Beamtenheeren; das hilft jedenfalls besser, als die paar Gulden, welche man den Abgeordneten abzwackt. Man darf nicht vergessen, daß eine zu niedrige Besoldung derselben nichts weiter als ein indirekter Census ist.
In der heutigen Sitzung ward über einen Gesetzentwurf, die Weideberechtigungen auf landwirthschaftlichem Boden betreffend, diskutirt. Es geht also schon wieder munter über die Gesetzgebung her, obschon diese eigentlich ganz und gar den neuen Kammern vorbehalten bleiben sollte. Ein Antrag Kretzschmar's, den Gesetzentwurf kurzer Hand beruhen zu lassen, weil von dieser Kammer eigentlich nur das Wahlgesetz und die Geschäftsordnung berathen werden solle, ward gegen 3 Stimmen (!!) abgelehnt. Kretzschmar fügte noch hinzu: Es sei wahr, daß das Volk Aufhebung dieses angemaßten Rechtes wolle; aber es wolle die Aufhebung ohne Entschädigung, dasselbe sei ganz analog dem Jagdrecht. — Die Kammer wird wahrscheinlich nach Vorschlag des Ausschusses einen Mittelweg einschlagen; die ersten 10 Artikel, welche mit einigen Modifikationen angenommen sind, beschränken die Aufhebung der Weideberechtigung ohne Entschädigung auf einen bestimmten Umfang, für das Weitere wird eine Entschädigung stipulirt werden. So haben's unsere Volksvertreter halters mit allen mittelalterlichen „Rechten“ gemacht. Sie überantworten den Grundbesitz den Hypothekengläubigern und zeigen dadurch selbst dem Bauer den Weg, den er in der nächsten Revolution für seine Befreiung einzuschlagen hat.
In dieser Woche haben wir auch die angenehme Erfahrung gemacht, daß wir Kroaten ganz in unserer Nähe haben. Das erste Regiment, welches lange Zeit in Frankfurt die Ruhe und Ordnung aufrecht erhalten hat, und uns statt des demokratisirten zweiten geschickt wurde, hat auch hier für die Ordnung zu sorgen begonnen, indem es die Kneipe eines demokratischen Bierwirthes vollständig demolirt hat. Wie aus Allem hervorgeht, war die Sache angestiftet, und wird die eingeleitete Untersuchung deshalb auch wohl ohne Erfolg sein. Weitere Heldenthaten haben sich diese Grau- (nicht Roth-) Mäntel vorbehalten, über die ich Ihnen vielleicht in nächster Zeit berichten kann.
Hannover, 12. Jan. Von wie trauriger Art die Ausflüchte sind, mit denen man in Hannover Etwas zu erreichen gedenkt, davon liefert die jüngst veröffentlichte Note vom 4. November ein Beispiel. Es war darin gesagt, die hannoversche Regierung befinde sich nicht in dem Besitze des authentischen Protokolls über den Bundesbeschluß vom 10. Juli, wodurch bekanntlich im Namen sämmtlicher Regierungen alle Bundesgewalt auf den Reichsverweser übertragen würde. Nun wird in der Zeitung für Norddeutschland die bestimmte Versicherung gegeben, „es existirt überhaupt kein Protokoll über jenen angeblichen Bundesbeschluß vom 10. Juli. Es war eine diplomatische Lüge, wenn am 12. Juli die Uebertragung der Centralgewalt als ein Beschluß vom 10. Juli mitgetheilt wurde; es war kein solcher Beschluß am 10. gefaßt, sondern nur mündlich in der Verwirrung und Rathlosigkeit des Augenblicks hatten die Bundestagsgesandten sich kurz vorher darüber verständigt. Weder die hannov. Regierung kann daher das Protokoll dieses Beschlusses publiciren, noch kann die Centralgewalt es ihr mittheilen. Das hannov. Ministerium mußte es durch den hannov. Bundestagsgesandten wissen, daß die Centralgewalt das nicht kann, — und dennoch begründet es jetzt vor dem Publikum seine Weigerung auf die oben angegebene Weise!“
20 Aus dem Reiche. „Du hast ja gar keinen Vater!“ warf ein Junge dem andern vor, während sie sich auf der Straße bei den Haaren hin- und herzausten. „Mehr als Du, dummer Junge!“ antwortete auf's Tiefste empört, der Andere.
Das germanische „Reichs“-Volk kann in ähnlicher Weise jeder Nation auf dem Erdenrunde entgegentreten. Bei den Haaren kann man es zausen nach Belieben, man kann es knuten und maulschelliren, man kann es mit Koth bewerfen und ihm in's Gesicht spucken: Ein Nuhm bleibt ihm unangetastet, ein Ruhm, der alle spießbürgerliche Bornirtheit, alle Misère im Innern und nach Außen vergessen läßt: der Ruhm, mehr Landesväter zu haben, als die Völker des Erdballs, mit Einschluß der Zigeuner, zusammengenommen.
Die alten Römer, die wir als Gymnasiasten und Professoren in gewisser Beziehung pflichtschuldigst zu bewundern haben: brachten es in ihrer besten Zeit noch nicht bis zu einem Dutzend Kaiser oder Gegenkaiser. Sie waren hinter uns schmählig zurück: Wir schlagen die alten, wie die neuen Völker mit der einfachen Bemerkung aus dem Felde, daß wir mehr als ein halbes Schock theurer „Landesväter“ bis auf den heutigen Tag zu konserviren verstanden haben. Es stehe irgend eine Nation des ganzen Erdrund's auf und weise uns einen ähnlichen Reichthum nach! Kühn fordern wir alle Jahrhunderte in die Schranken!
Da uns der Himmel mit so außerordentlichem Segen begnadet hat, der uns jährlich bloß die Lumperei von 50 Mill. Thalern Preuß. Cour. kostet: so sollten wir dankerfüllt uns damit begnügen.
Wir Reichskinder sind nun wohl auch ziemlich zufrieden, ja mehr als befriedigt. Allein unsere geliebten und sehr theuren „Landesväter“ haben in unablässiger Fürsorge für das Reich entdeckt, daß wir zu den 3 Dutzend Landesvätern noch einen 37sten, obersten Landesvater bedürfen.
Es wäre das ganz herrlich ohne die kitzliche Frage: Wer soll oberster Landesvater sein?
Unsere gottbegnadeten Fürsorger haben längere oder kürzere Zeit die germanischen „Vaterfreuden“ durchgekostet. Dürfen wir uns wundern, wenn nun Jeder sie zur höchsten Potenz zu erheben resp. sich zum obersten Landesvater zu machen sucht?
Ist nicht Jeder unserer Landesväter par inter pares, gleich unter Gleichen? Hätte Heinrich der 281ste von Reuß-Greitz sich nicht während ein Paar Dezennien auf dem bekannten Prinzip wund geritten und in Folge dessen abgedankt: so wäre er der Mann.
„Böse Beispiele verderben gute Sitten.“ Dieses schönen Spruches scheinen die ehrenwerthen und uns sehr theuern Landesväter gänzlich vergessen zu haben. Statt uns mit Friede und Einigkeit voranzuleuchten: balgen sie sich unter einander herum ärger wie Hunde und Katzen und entblößen dabei gegenseitig ihre Schaam, daß wir Reichskinder wohl „roth“ werden müssen.
Ihre Majestäten von Vaduz und Bückeburg halten sich an den Ohren gefaßt und beweisen sich gegenseitig durch Püffe, daß Jeder von ihnen der würdigste ist, aus dem Frankfurter Hexenkessel mit der Kaiserkrone bewappnet unter die wonnebeseligten Reichs-Bürger hervorzuspringen. Der hessische Kurfürst keilt sich mit dem hessischen Großherzog. Jener haut mit der Keule zu, die er dem Wilhslmshöher Herkules entlehnte; dieser hat trotz seines Schildknappen Jaup nicht zu pariren vermocht und zieht sich heulend, aber seinen Ansprüchen nicht entsagend in seine Behausung zurück. Dort reiten Vaterwonne schnaubend der baierische Reichs-Max auf einem Oxthoft aus dem Bockskeller und die hannoveranische Majestät auf dem als ungeheures Roastbeef präparirten Stüve in die Schranken. Aus einer andern Ecke stürzt die Dresdner Majestät hervor, in Kleidung und Rüstung jenen am 1. Jan. 1848 leider zu früh verschiedenen zweibeinigen Bärenmützen täuschend nachgemacht. Von dritter Seite schreitet ein schwäbischer Gottesgnadenmann in die Schranken, dessen Krone mit dem niedlichen Nachtshäubchen der Fräulein Stubenrauch umhangen ist. Mit geballten Fäusten manövriren unsere altenburgischen, schwarzburgischen, hechingischen, mecklenburgischen, meiningischen, oldenburgischen etc Landesväter dazwischen. Nur Se. Majestät der Großherzog von Baden steht in die Lektüre von Kaspar Hausers Lebensgeschichte vertieft, auf jede Mitbewerbung resignirend da.
Wie wenn eine Menge kleiner Kläffer sich eine Zeit lang herumgezaust und Lärm geschlagen und nun auf einmal still werden und den Schwanz zwischen die Beine nehmen, sobald große Bulldogs, ungarische Wolfshunde etc. unerwartet zwischen sie fahren: so stehen plötzlich unsere kleineren geliebten Landesväter verblüfft und erschrocken da, als sie die Majestäten mit dem Kroatenkopf, dem Wrangelschen Schleppsäbel und den Reichs-Max und das Roastbeef und die Dresdner Bärenmütze unter sich gewahren.
Aber bald erwacht die Kampfeslust von Neuem. Der kroatische stürzt auf den christlich-germanischen Landesvater los mit einem Ziska-Schwerte.
Die schwarz-weiße Majestät wechselt ebenfalls die Farbe und wird schwarz-gelb vor Aerger.
Da ruft von fern eine bekannte Walhalla-Stimme in den urwäldlich-teutoburgischsten Satz-Construktionen:
„Haltet ein, denn nicht gedacht habend meiner, schnöden Undanks, Ihr Euch selber zerfleischt: dem geliebten Reichsvolke zum üblen Muster seiend. Ich, der Teutscheste von Teuts Söhnen, weil augenblicklich außer Condition, mich erbietend Euch für Teutschlands Kaiserthron: Lola Eure Kaiserin! billig machend, viel gespart habend; Walhalla nach Frankfurt versetzend: Ihr sämmtlich hinein und auch meinen Beisele und Matthy, Beseler und Welcker und Mosle und sonstige Teutsche!“
Einen Augenblick ruhen die Schwerter.
Benutzen wir diese Pause, um uns ebenfalls einen Augenblick auszuruhen. Bald geht der Reichsvater-Spektakel wieder los und Schade wär's, wenn sich Reichskinder diese karnevalistische Ergötzlichkeit entgehen ließen.
Italien. * Nach dem „Corriere mercantile“ von Genua haben bereits mehrere Vorpostengefechte zwischen östreichischen und römischen Truppen in der Nähe von Bologna und Ferrara stattgefunden, die, obwohl an sich unbedeutend, dennoch als wahrscheinliches Vorspiel größerer Ereignisse von Wichtigkeit sind. Ebenso ist zu bemerken, daß aus Mantua zwölf Geschütze und verschiedene Truppenabtheilungen ausgerückt sind, um, wie man sagt, an die römische Gränze zu marschiren. Nach andern Berichten jedoch hätte dies Korps Ordre, sich nach Venedig zu wenden, was das frühere Gerücht von einer beabsichtigten Unternehmung Radetzky's gegen Venedig bestätigen würde. Uebrigens soll Radetzky, wie Briefe aus Mailand melden, in den Angelegenheiten der Lombardei die Vermittlung des Erzbischofs von Mailand angerufen haben, den er zu einer Reise nach Olmütz zu bestimmen sucht, um persönlich mit dem Kaiser zu verhandeln.
Briefen aus Alessandria zufolge wären auch bereits piemontesische und östreichische Vorposten aneinandergerathen.
Die „Alba“ spricht mit großer Bestimmtheit von einem zu Piacenza ausgebrochenen Aufstande.
Aus Rom wenig Neues. Briefe aus Livorno berichten, daß Sterbini nach Auflösung der Junta bis zum Zusammentreten der Constituante zum Diktator ernannt worden ist. Der „Corriere mercantile,“ welcher diese Maßregel voraussagte, giebt ihr seinen vollen Beifall zu erkennen. In einem so kritischen Augenblicke, sagt er, kann nur eine volle, konzentrirte Gewalt das Land retten.
Der Prolegat von Bologna hat seine Demission eingereicht. Die Regierungskommission hat ihn durch den Prolegaten von Ferrara, Grafen Lavatelli, ersetzt.
Der Pabst, schreibt man aus Rom am 4. Jan., wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach doch ehestens nach Frankreich begeben. Die Intriguen der Diplomatie haben keine Fäden zu Gaeta. Unter der Maske Spaniens entwickelt Rußland dort die größte Thätigkeit. Der Pabst scheint nicht zu glauben, daß die Angelegenheiten Italiens durch die Italiener selbst geordnet werden können.
Von der italienischen Grenze, 3. Jan. In Calabrien fanden neuerdings an 5 Punkten Gefechte statt, und bei Brancaleone wurden die kön. Truppen geschlagen: es wäre thöricht, diese Gefechte als Räuberscenen zu behandeln. Zu Reggio machte der bekannte Agostino Plutino einen neuen Aufwiegelungsversuch, indem er sich von der sicilischen Küste hinüberwagte. Der König befindet sich ganz und gar in den Händen Rußlands: er ist ein Seitenstück zum Vladica von Montenegro, d. h. er ist russischer Vasall geworden. Chreptowitsch leitet alles, und die vorige Woche kamen drei russ. Couriere in Neapel und Gaeta an. Während noch vor wenigen Jahren alle neapolitanischen Blätter die Behauptung aufstellten in Sicilien herrsche kein Haß gegen Neapel, ist man jetzt endlich so aufrichtig geworden, in den Hofblättern einen Aufsatz: „Ueber die Abneigung der Sicilier gegen die Neapolitaner“ abdrucken zu lassen, welcher jedoch mit den Worten schließen muß „che la Demagogia soccomba.“ In Messina, Palermo, Catania, in ganz Sicilien ist der Haß gegen Neapel unbeschreiblich groß. Die Wiederholung der Entthronung Ferdinands, der Anschluß an die italische Constituante und viele andere Dinge legen davon Zeugniß ab. Noch fehlen 16,000 Einwohner in Messina, und kein Sicilier nimmt eine neapolitanische Stelle in dem kleinen eroberten Bezirk an. Kürzlich desertirten neapolitanische Soldaten zwischen Patti und Barcellona zu den Siciliern: sogar Schweizer zeigten solche Gelüste. Das 3. Schweizerregiment ist auf 670 Mann zusammengeschmolzen. Hr. v. Gonzenbach, der schweizerische Konsul zu Messina, welcher sich mündlich und schriftlich (auch in dem Bericht an die Tagsatzung) über das Benehmen seiner Landsleute mißbilligend ausgesprochen, mußte der ihm geschwornen Rache wegen einige Zeit nach Catania entfliehen. Filangieri benimmt sich sehr gefällig gegen diejenigen Messinesen, welche ihm Geschenke bringen. Die Einnahme Messinas hat viele Menschen gekostet, und würde, nach dem Urtheil vieler neapolitanischen und schweizer Offiziere, nie gelungen sein, wenn nicht alle Minen der Sicilier, in denen das Pulver naß geworden, verunglückt wären. Antonini, Generalinspektor der sicilischen Armee, zeigt sich sehr thätig, er durchstreift die ganze Insel und ordnet alles an. Ich bin der Meinung, daß König Ferdinand niemals allein im Stande sein wird, Sicilien wieder zu erobern. Er bedroht Neapel mit einem Bombardement, und wird es daher ohne starke Besetzung zügeln, aber Calabrien, Apulien, das Basilikat und ganz Sicilien überwindet er nicht mit einem Heere von 100,000 Mann.
(A. Z.) ** Von der italienischen Gränze, 10. Januar. Wie die Horden Radetzki's noch immer in Italien hausen, davon gibt folgender Vorfall ein Beispiel: An dem Tage, wo in Cremona das Te Deum für den neuen Kaiser gefeiert wurde, hielten die Offiziere der dortigen Garnison ein Bankett, betranken sich nach guter deutscher Sitte, und stürzten dann wie die wilden Bestien, mit gezogenem Säbel, auf die Straße hinaus. Dort liefen sie unter dem Ruf: Es lebe der Kaiser, hinter den ruhigen Einwohnern her, jagten sie in die Häuser, rissen den Damen die schwarzen Trauerhüte und Hauben ab, welche alle Lombardinnen seit der neuen Knechtung ihres Landes tragen, begingen die größten Exzesse und zwangen die Bewohner mehrerer Straßen, Lichter an ihre Fenster zu stellen. Nur Signora Guerri, eine Polin, wagte ihnen Widerstand zu leisten. Sie hielt den Wüthenden von ihrem Fenster herab in deutscher Sprache eine so energische Anrede und gab ihnen ihre Insulte in so würdiger und entschlossener Sprache zurück, daß das edle schwarzgelbe Offizierkorps sich zurückzog. So feiert die Blüthe des österreichischen und kroatischen Adels die Thronbesteigung ihres jungen Standrechtskaisers.
Fast überall verließ das Volk in Masse die Kirchen, als die Geistlichen auf Radetzki's Befehl das Te Deum wegen des Thronwechsels absangen. Am Neujahrstage ließen die meisten lombardischen Geistlichen die üblichen Gebete für den Kaiser und das kaiserliche Haus fort, und das Volk jubelte Beifall.
** Rom, 3. Januar. Die „Constituente Italiana“ meldet, daß in dem contrerevolutionären Intriguen-Centrum Gaeta jetzt dreierlei Meinungen debattirt werden: Der Pabst will die Entwickelung der römischen und italienischen Angelegenheiten der Vorsehung überlassen (braver Mann!) und nach Frankreich und Deutschland gehen, um dort den religiösen Geist wiederherzustellen. Die Kardinäle dagegen, die durch die römische Revolution eine Menge Reichthümer und ein üppiges Leben in aller Gottseligkeit und Trägheit verloren haben, verlangen den offenen Kampf, um entweder den alten Zustand wiederherzustellen oder in Ehren unterzugehen (wie Se. k. Hoheit der Prinz von Preußen) Endlich das diplomatische Corps, das der französischen Politik noch immer nicht recht traut (welche Lächerlichkeit!), räth Sr. Heiligkeit zu einer Vereinbarung mit seinen Ex-Unterthanen, in der Hoffnung auf bessere Zeiten. Welche von diesen drei Ansichten die Oberhand behalten wird, ist schwer abzusehen. Inzwischen soll Pius IX. eine neue Regierungskommission bestellt haben, die voraussichtlich eben so wenig Anerkennung in Rom finden wird, wie die erste. Sicher ist, daß die geheime Korrespondenz von Gaeta nach Rom fortwährend mit der größten Emsigkeit betrieben wird. Die Briefe gehen über Cellano nach Frosinone, und werden von da aus nach Rom spedirt.
** Florenz, 5. Jan. Unsere Stadt bleibt nach wie vor der Mittelpunkt der italienischen Einheitsbewegung, die hier auch zuerst durch die Proklamation der italienischen Constituante Konsistenz gewonnen hat. Die italienischen Volksvereine, deren Centrum hier ist, mehren sich in allen Staaten der Halbinsel. Sie streben nach der Herstellung eines einen und untheilbaren Italiens, lassen die zweideutigen und nothwendig partikularistischen Bestrebungen der Fürsten ganz bei Seite, und bearbeiten so den Boden für die Zeit, wo die Constituante die italische Republik wird proklamiren können. Ueberhaupt zeigt sich in der ganzen italienischen demokratischen Bewegung eine Konsequenz, ein Zusammenhang, eine Entschiedenheit und ein Bewußtsein des endlichen Ziels, das gegenüber der verworrenen, schwankenden und wüsten Bewegung Deutschlands im Jahre 1848 einen höchst wohlthuenden Eindruck macht.
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