Neue Rheinische Zeitung. Nr. 199. Köln, 19. Januar 1849.Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 199. Köln, Freitag den 19. Januar. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. -- Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. -- Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis -- Nur frankirte Briefe werden angenommen. -- Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Die Wahlmanöver der Regierung, namentlich auf dem platten Lande). Vom Rhein. (Eine Fälschung). Aus Grevenbroich. (Junker Gudenau). Altenkirchen. (Regierungsassessor Wilhelmy). Berlin. (Hrn. Ladenbergs Wahlschreiben an die Volkslehrer. -- Untersuchung wegen eines geängstigten Spions. -- Die Polizei in den Wahlversammlungen. -- Meinungsinquisition in der Beamtenwelt. -- Wiederholtes Gerücht von nahenden Septembergesetzen. -- Polizeiliche Gewaltmittel zur Verhinderung volksthümlicher Wahlen. -- Bruno Bauers Vorlesungen verboten). Wien. (Entdeckung neuer Natiönchen. -- Preuß.-österr. Freundschaft. -- Preußische Gefälligkeiten. -- Ein Sprichwort durch preuß. Beamte zu Schanden gemacht. -- Eine Windischgrätzige Proklamation. -- Bem in der Bukowine. -- Verordnung gegen die Deutschkatholiken. -- Sachsen soll die Flüchtlinge ausliefern. -- Ungnade gegen die Slowanska Lipa in Agram). Triest. (Befestigungsplan. -- Ueber die für Neapel neugeworbenen Schweizer). Breslau. (Ein interessantes Eisenbahndokument. -- E. Reichenbach in Reichenstein. -- Truppenmasse bei Friedeberg. -- Der "Putsch" im belagerten Creutzburger Kreise verboten). Aus Netzkroatien. Frankfurt. (National-Versammlung). Italien. (Vermischtes aus Rom. -- In Modena und Sassuolo Ruhestörungen. -- Ein französischer Befehlshaber für die Piemontesen erwartet. -- Fremdenlegion in Turin. -- Demission der sizilischen Minister). Frankreich. Paris. (Zersetzungsprozeß in der Bourgeoisie. -- Dupins Commentar über die Konstitution. -- Rache der Kammer. -- Vermischtes. -- National-Versammlung). Ungarn. Hermanstadt. (Vordringen der Magyaren; Klausenburg von ihnen besetzt). Donaufürstenthümer. Bucharest. (Vermehrung der russischen Truppen. -- Ablösung der Kosaken durch Kalmuken. -- Aus der neuen Eidesformel für die Milizen). Portugal. Lissabon. (Eröffnung der Cortes. -- Vermischtes.) Großbritannien. London. (Harney an die Arbeiter.) Amerika. New-York. (Briefporto.) Washington. (Das kalifornische Gold.) Deutschland. 068 Köln, 18. Jan. Die Wahlen sind vor der Thür. In 4 Tagen, den 22., haben wir die Wahlmänner zu ernennen, die dann ihrerseits für uns Deputirte nach Berlin bestimmen sollen. Daß wir uns viel Zeit, Lauferei und Mühe ersparten, wenn wir geradewegs unsere Deputirten wählten: das begreift jedes Schulkind. Allein solch einfaches Verfahren, das bei den gescheuten Völkern zum Beispiel in Amerika, in der Schweiz, bei den Franzosen, in England u. s. w. im Gebrauch ist, paßt nicht in den Kram der preuß. Regierung und der mit ihr gegen das Volk verschwornen Adels-, Beamten- und Geldsack-Kaste. Denn bei dieser krummen Wahlart stehen den Feinden des Volkes tausend Mittel zu Gebote, die bei der geraden nicht anwendbar oder erfolglos wären. Um so mehr müssen wir auf unserer Hut sein. Die von unsern Feinden bereiteten Hindernisse sind groß. Einer der vielen Regierungskniffe besteht in der Eintheilung der Wahlbezirke. Die ist so getroffen, daß den Leuten auf dem Lande und in den kleinern Städten eine Vorbesprechung und Verständigung sehr erschwert wird, zumal in dieser Jahreszeit. Außerdem ist die Eintheilung absichtlich so spät bekannt gemacht worden, um das Volk an der Vereinigung zu hindern. Die Anhänger der preuß. Gewaltregierung kannten sie aber wochenlang zuvor, um danach ihre Pläne einzurichten. Doch die Regierung hat sich noch ganz anderer Mittel bedient, um bei den Wahlen nur Stockpreußen: das heißt: gnädige Landjunker, Beamte, Lämmelbrüder, allerunterthänigste Ja-Herren und dicke Geldsäcke durchzusetzen. Abgesehen von den offenen und geheimen Anweisungen an die Beamten, abgesehen von dem Rundschreiben des Ministers Manteuffel und dem Ladenberg'schen Liebesbriefchen an die Volkslehrer, die uns für die saubern Pläne der Polizeiregierung gewinnen sollen: ist das Land mit den lügenhaftesten, auf Irremachung des Volkes berechneten Plakaten und Flugblättern förmlich übersäet worden. Diese Flugblätter sind sämmtlich von bankerutten Landjunkern, heruntergekommenen Fabrikanten, von Landräthen und Mitgliedern der Preußenvereine ausgegangen und werden auf Staatskosten, also auf Kosten unseres eigenen Geldbeutels gedruckt und versandt. Meistens wenden sich die Volksfeinde an die Bewohner des platten Landes. In der Voraussetzung, daß der Landmann den Zusammenhang der Verhältnisse weniger kennt, weniger Gelegenheit zum Austausch richtiger Ansichten, als der Städter, hat: glauben sie hier ihre Verläumdungen und Lügen am leichtesten an den Mann bringen und aufs Herrlichste für sich im Trüben fischen zu können. Unter den unzähligen Flugblättern dieser Art ist dieser Tage auch ein offener Brief eines "rheinischen Bauern an seine Nachbarn" erschienen. Der "rheinische Bauer" ist ein bankrutter Fabrikant und steht im Solde der Regierung. Er fängt's ganz schlau an, um die Landleute für das jetzige volksverrätherische Ministerium und dessen mit Rußland und Oesterreich zusammen ausgesponnenen Pläne zu gewinnen. Daß er wie ein Rohrsperling auf die Demokraten schimpft, versteht sich von selbst. Der Mann mit seinem offenen Briefe gleicht dem Fuchse, der den Hühnern die besten Schmeichelworte gibt, sich als reumüthigen und völlig gebesserten Sünder hinstellt und sie doch ein Bischen auf seine Seite zu kommen bittet, um ihnen seine Liebe und Freundschaft zu beweisen. Die Hühner waren klug genug, den Schalk unverrichteter Dinge ablaufen zu lassen. Sollten die rheinischen Bauern einfältiger sein, als jene Hühner? Wer das glaubt, der kennt den rheinischen Bauer nicht. Nein, Herr Flugblattschreiber; in der Rheinprovinz wissen wir doch so ziemlich, schwarz von weiß zu unterscheiden und was hinter Eurem Schwarzweiß steckt, das haben wir leider seit 1815 mehr, als wir wünschten, erfahren. Wenn Ihr uns die Republik als die Herrschaft des Lumpengesindels schildert: so vergeßt Ihr, daß Millionen Landsleute aus Deutschland nach Amerika gewandett sind und dort in der Republik leben, wo sie nicht den 20sten Theil unsrer Steuern zu zahlen, wo sie keine hochmüthige Beamtenkaste, keinen auf ihre Kosten faullenzenden Adel und dergl. Sächelchen des preußischen Königthums zu ertragen haben. Und was Ihr gar von Kommunismus schwatzt; mit dieser Vogelscheuche macht ihr selbst alten Weibern nicht mehr Bange. Wenn das preußische Budget, das in einigen Jahren von 50 Millionen auf 100 Millionen gestiegen ist, in demselben Verhältnisse fortwächst, eine nothwendige Folge eures Armen-, Polizei-, Beamten- und Hofwesens, so wird das ganze Landesvermögen bald der Staatskasse verfallen und der "königlich preußische Kommunismus" hergestellt sein. Was Ihr von den "rheinischen Bauern" wollt, aber natürlich nicht sagt, besteht darin, daß sie Leute wählen sollen, die aus Selbstsucht oder Beschränktheit, um ein Ordensbändchen, Geld und dergl. alle bisherigen Gewaltthaten der preußischen Regierung gutheißen und welche die Karre wieder in's alte Gleis vor'm 18. März 1848 zurückbringen helfen. Ihr wollt Leute gewählt haben, welche die gebrochenen Frühjahrs-Verheißungen in Vergessenheit begraben und die mit Wrangel'schen Kanonen, Belagerungszuständen und massenweisen Einkerkerungen eingeweihte Gewalt-Verfassung lobpreisend hinnehmen; Leute, die nicht begreifen, oder nicht begreifen wollen, daß wir mit dieser Verfassung, trotz mehrerer, dem Anschein nach freisinnigen Phrasen und Artikel, doch sehr bald 1000 mal schlimmer daran sein würden, als zur Zeit der löblichen Provinzialstände und des vereinigten Landtags. Doch trotz aller bisherigen Anstrengungen, trotz der schnödesten und schamlosesten Mittel der Volksberückung und Wahlverfälschung trautet Ihr dem Ausgange der Sache nicht. Drum hattet Ihr Euch ein letztes Mittel aufgespart bis zu guter Letzt. Es ist Euer höchster Trumpf; Ihr habt ihn kürzlich ausgespielt. Aber verlaßt Euch darauf, bei den rheinischen Bauern gewinnt Ihr Euer Spiel doch nicht. Die setzen Euch als Gegentrumpf ihre Erfahrung und Behutsamkeit und Ihr werdet mit langer Nase abziehen. Dieser höchste Trumpf der volksfeindlichen Partei besteht darin, daß auch der König von Preußen ein eigenhändiges Flugblatt in Betreff der Wahlen abgefaßt hat, das nun in Millionen Exemplaren unter das Landvolk in den verschiedenen Provinzen ausgetheilt wird. Den Inhalt dieses Schriftstücks wollen wir morgen mit einigen Worten beleuchten. X Vom Rhein, 16. Januar. Von den reaktionären Flugblättern, durch welche man die Demokraten beim Volke zu verdächtigen sucht und deren eins (nach Nr. 192 d. Ztg.) den berüchtigten Harkort zum Verfasser haben soll, scheint die Elberfelderin den Vertrieb übernommen zu haben; uns wenigstens sind mit ihr die betreffenden Lügenwische zugegangen. Similis simili gaudet. Ob die Elberfelderin, um die Lüge glaublicher zu machen, die Unterschrift des einen Flugblattes durch Hinzufügung eines mit Dinte geschriebenen y vermehrt und verbessert hat, so daß aus Jacob "Jacoby" wurde, wird sie selbst am besten wissen. Es entspricht ganz dem frommen Charakter und der edlen Rolle dieser bekehrten Sünderin, daß sie zu Wahlkandidaten solche Leute empfiehlt, die sie vor dem 18. März selbst bekämpft hat, von denen es auch bekannt ist, daß sie mit Leib und Seele dem alten System angehörten, und die noch im September von Wittenberg aus einen Bußtag gegen den März ausgeschrieben haben. Diese Männer, die Gunstlinge und Helfershelfer von Eichhorn-Thiele, die evangelischen Professoren in Bonn, die Consistorialräthe, die Moderatoren der Synoden und Bethmann-Hollweg; sie, die nie den Mund aufthaten, weder für die Schule, noch für die Kirche, noch für das Volk, sollen nach der Elberfelderin die besten Vertreter dieser Freiheit sein. Doch, Herr Venedey, esgibt genug Deutsche, die niederträchtig sind. X Grevenbroich, (im Januar.) Die Wahlmanöver der Restauration, die im Jahre 1815 ein für Ludwig XVIII. selbst zu kontrerevolutionäre Kammer ergaben, werden bei weitem überboten durch die Operationen unsers Manteuffel. Es ist von allgemeinem Interesse, wenn die allgegenwärtigen Intriguen der gottbegnadeten Regierung von allen Theilen des Landes aus enthüllt und ihre Kandidaten dem öffentlichen Urtheil preisgegeben werden. Die Zusammenwürfelung liberaler Kreise mit schwarzweißen in Einen Wahlbezirk ist eines der bekannten Hauptmanöver unsers Manteuffel und seiner Trabanten. So wählen die Kreise Grevenbroich, Gladbach, Crefeld und Neuß zusammen zwei Deputirte für die erste Kammer in Neuß, die Kreise Grevenbroich und Gladbach zwei Deputirte für die zweite Kammer in Rheidt, dem verrufensten Sitze des Schwarzweißthums. Auf einer vor Kurzem in Düsseldorf stattgehabten Versammlung der Landräthe der angeführten Kreise ist in Folge des Manteuffelschen Wahlrescripts ein Schlachtplan entworfen worden. Als Kandidaten der ersten Kammer wurden festgesetzt, der gefürstete Altgraf Salm zu Dyk (Alter zwischen 75 und 80 J.) und der Geh. Commercienrath Diergardt zu Viersen; als Kandidaten der zweiten Kammer: der Landrath von Grevenbroich, Freiherr von Gudenau und Regierungsrath Ritz von Aachen, der weggelaufene Deputirte, der von Gladbach gewählt. Ritz ist hinlänglich bekannt. Sprechen wir von dem Freiherrn v. Gudenau, königl. preuß. Landrath zu Grevenbroich? v. Gudenau hat in Nr. 53 des "Grevenbroicher Kreisblattes" ein Glaubensbekenntniß abgelegt, worin es unter anderm heißt: "Ich bin derselbe noch, der ich war, nur, wie wir alle, um große Erfahrungen reicher; denn meine politische Ueberzeugung gründet sich nicht auf Barrikaden, sondern auf die Weltgeschichte." Sehn wir also, was Herr von Gudenau war! Vorher aber noch ein Wort über die sonderbaren Erlebnisse seines im Kreisblatt veröffentlichten Glaubensbekenntnisses. Als im Anfang November der Deputirte, Friedensrichter B. von Grevenbroich, durch Familienverhältnisse veranlaßt, sein Mandat niederlegte, wurde an seine Stelle v. Gudenau den 17. Nov. zum Deputirten gewählt. Gleich nach der Wahl hielt er eine Rede. In dem nächsten Kreisblatte vom 19. Nov. (Nr. 47) wurde er zur Veröffentlichung dieser Rede aufgefordert. Er schwieg damals und ging nach Brandenburg. Jetzt in Nr. 52 läßt er sich selbst durch einen Anonymus über jene Rede zur Rechenschaft ziehn. So erfolgte dann in Nr. 53 der Abdruck der angeblich am 17. gehaltenen Rede. Gudenau behauptet, seine Rede am Tage nach der Wahl, "wie er glaube wortgetreu" niedergeschrieben zu haben. Der dem Freiherrn gehorsamst unterthänige Bürgermeister und sonstige von ihm ressortirende Beamte sind seit lange schon fur ihn im Kreise thätig. Gudenau ist ein Junker von ächtem Schrot und Korn. Wie hätte er sonst vom Grafen v. Mirbach adoptirt werden können? v. Gudenau ist ein geborner Oestreicher und in Wien erzogen. Der Ritterhauptmann Graf v. Mirbach zu Haus Harff, Stifter und Protektor der Ritterakademie zu Bedburg, ist kinderlos: derselbe suchte unter seinen jugendlichen Verwandten den junkerhaftesten heraus, um ihn zum Erben seines zur Verewigung des Junkerthums in hiesiger Gegend gestifteten Familienfideikommisses oder Majorats zu machen. Die Wahl fiel auf v. Gudenau. Er wurde groß und mußte beweibt werden, um für die Vermehrung der Junker wirken zu können. Natürlich wurde nur in altadliger Familie sich umgesehen. Die Tochter des Grafen Hoyos (des berüchtigten Gliedes der den Kaiser Ferdinand umgebenden Camarilla) wurde ausersehen. Da der v. Gudenau zwar Junker, aber auch nur erst noch Junker und nur erst noch ein armer Junker, noch ohne Majorität (v. Mirbach lebt noch) und ohne jede öffentliche Stellung war, so erklärte Graf Hoyos, daß er ihm seine Tochter erst dann geben könne, wenn er zu irgend einer Stellung gelangt sei. Darauf erscheint von Gudenau auf einmal als Referendar in der Regierung zu Düsseldorf. Der alte Landrath von Propper zu Grevenbroich wird bald darauf durch v. Gudenau vertreten. Von Propper läßt sich nach einiger Zeit pensioniren. In der stattfindenden Landrathswahl wird der im Kreise geschätzte und beliebte Friedensrichter Bruch zum ersten und v. Gudenau zum dritten Candidaten vorgeschlagen. Zum größten Erstaunen des ganzen Kreises wird v. Gudenau zum Landrath ernannt und v. Propper bezog in Folge Uebereinkunft bis an sein Lebensende aus dem Gehalte des v. Gudenau 500 Thlr. jährlich zu seiner reglementsmäßigen Pension, so daß dadurch seine Pension seinem frühern Gehalte gleich kam. Der östreichische Junker v. Gudenau ist also preußischer Landrath -- Schwiegersohn des östreichischen Grafen v. Hoyos, Schwager des vom Volke zerrissenen Grafen Lamberg und Erbe des preußischen Ritterhauptmanns, Gafen v. Mirbach und damit in Zukunft preußischer Graf und Majoratsherr. Die Wahl im November wurde nicht öffentlich bekannt gemacht. Wenige Tage vor der Wahl wurden vielmehr die Wahlmänner schriftlich zur Wahl nach Grevenbroich einberufen und der Kreis fand sich nie mehr überrascht, als durch die Proklamation des Wahlkommissars v. Gudenau zum Deputirten. Die Wahlmänner, meistens Geistliche, waren im Stillen gehörig bearbeitet worden. Die damals befolgte Taktik genügt nicht mehr, denn die alten Wahlmänner werden neuen Platz machen müssen. Daher diese neue Taktik. Man versucht den Kreis durch Phrasen zu erobern. v. Gudenau war Deputirter auf dem vereinigten Landtag. Dort hat er stets mit der Regierung gestimmt, so oft die Regierung dem Volke gegenübertrat und sogar gegen die Regierung, wenn diese ausnahmsweise dem Volke eine halbe Konzession machte. So stimmte er gegen die Regierungsvorlage, betreffend die Aufhebung der Mahl- und Schlachtsteuer und die Einführung der Einkommensteuer. In der Frage wegen der großen Ostbahn stimmte er mit der fürstlich-gräflichen Minorität. Endlich hat von Gudenau das berüchtigte Harkort'sche Manifest mitunterzeichnet und jetzt ruft er dem Wahlkreis höhnisch zu: "Ich bin derselbe noch, der ich war." Der Kreis wird dem Herrn Junker nicht noch einmal die Mühe machen, "an großen Erfahrungen reicher zu werden." Altenkirchen, 15. Jan.
Der Oberpräsident Eichmann hat Folgendes verfügt: "Nachdem der königl. Regierungs-Assessor Wilhelmy daselbst die meinerseits an ihn gerichtete Frage: ob er die in Nro. 98 des Altenkirchener Intelligenz- und Kreisblattes abgedruckte Adresse an des Königs Majestät abgefaßt und veröffentlicht habe? in einem Schreiben vom 23. l. M. bejaht hat, beauftrage ich Sie, dem etc. Wilhelmy anzukündigen, daß er durch das königl. Ministerium für landwirthschaftliche Angelegenheiten seines bisherigen Commissoriums enthoben sei, seine sämmtlichen Dienstpapiere unverzüglich an Sie abzugeben habe und daß das königl. Ministerium die weitere Verfügung über ihn sich vorbehalte. Koblenz, den 25. Dezember 1848. Der Oberpräsident der Rheinprovinz, gez. Eichmann. An den königl. Landrath Hrn. Frhrn. v. Hilgers zu Altenkirchen." (Rh.- u. M.-Z.)Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 199. Köln, Freitag den 19. Januar. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. — Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. — Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis — Nur frankirte Briefe werden angenommen. — Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Die Wahlmanöver der Regierung, namentlich auf dem platten Lande). Vom Rhein. (Eine Fälschung). Aus Grevenbroich. (Junker Gudenau). Altenkirchen. (Regierungsassessor Wilhelmy). Berlin. (Hrn. Ladenbergs Wahlschreiben an die Volkslehrer. — Untersuchung wegen eines geängstigten Spions. — Die Polizei in den Wahlversammlungen. — Meinungsinquisition in der Beamtenwelt. — Wiederholtes Gerücht von nahenden Septembergesetzen. — Polizeiliche Gewaltmittel zur Verhinderung volksthümlicher Wahlen. — Bruno Bauers Vorlesungen verboten). Wien. (Entdeckung neuer Natiönchen. — Preuß.-österr. Freundschaft. — Preußische Gefälligkeiten. — Ein Sprichwort durch preuß. Beamte zu Schanden gemacht. — Eine Windischgrätzige Proklamation. — Bem in der Bukowine. — Verordnung gegen die Deutschkatholiken. — Sachsen soll die Flüchtlinge ausliefern. — Ungnade gegen die Slowanska Lipa in Agram). Triest. (Befestigungsplan. — Ueber die für Neapel neugeworbenen Schweizer). Breslau. (Ein interessantes Eisenbahndokument. — E. Reichenbach in Reichenstein. — Truppenmasse bei Friedeberg. — Der „Putsch“ im belagerten Creutzburger Kreise verboten). Aus Netzkroatien. Frankfurt. (National-Versammlung). Italien. (Vermischtes aus Rom. — In Modena und Sassuolo Ruhestörungen. — Ein französischer Befehlshaber für die Piemontesen erwartet. — Fremdenlegion in Turin. — Demission der sizilischen Minister). Frankreich. Paris. (Zersetzungsprozeß in der Bourgeoisie. — Dupins Commentar über die Konstitution. — Rache der Kammer. — Vermischtes. — National-Versammlung). Ungarn. Hermanstadt. (Vordringen der Magyaren; Klausenburg von ihnen besetzt). Donaufürstenthümer. Bucharest. (Vermehrung der russischen Truppen. — Ablösung der Kosaken durch Kalmuken. — Aus der neuen Eidesformel für die Milizen). Portugal. Lissabon. (Eröffnung der Cortes. — Vermischtes.) Großbritannien. London. (Harney an die Arbeiter.) Amerika. New-York. (Briefporto.) Washington. (Das kalifornische Gold.) Deutschland. 068 Köln, 18. Jan. Die Wahlen sind vor der Thür. In 4 Tagen, den 22., haben wir die Wahlmänner zu ernennen, die dann ihrerseits für uns Deputirte nach Berlin bestimmen sollen. Daß wir uns viel Zeit, Lauferei und Mühe ersparten, wenn wir geradewegs unsere Deputirten wählten: das begreift jedes Schulkind. Allein solch einfaches Verfahren, das bei den gescheuten Völkern zum Beispiel in Amerika, in der Schweiz, bei den Franzosen, in England u. s. w. im Gebrauch ist, paßt nicht in den Kram der preuß. Regierung und der mit ihr gegen das Volk verschwornen Adels-, Beamten- und Geldsack-Kaste. Denn bei dieser krummen Wahlart stehen den Feinden des Volkes tausend Mittel zu Gebote, die bei der geraden nicht anwendbar oder erfolglos wären. Um so mehr müssen wir auf unserer Hut sein. Die von unsern Feinden bereiteten Hindernisse sind groß. Einer der vielen Regierungskniffe besteht in der Eintheilung der Wahlbezirke. Die ist so getroffen, daß den Leuten auf dem Lande und in den kleinern Städten eine Vorbesprechung und Verständigung sehr erschwert wird, zumal in dieser Jahreszeit. Außerdem ist die Eintheilung absichtlich so spät bekannt gemacht worden, um das Volk an der Vereinigung zu hindern. Die Anhänger der preuß. Gewaltregierung kannten sie aber wochenlang zuvor, um danach ihre Pläne einzurichten. Doch die Regierung hat sich noch ganz anderer Mittel bedient, um bei den Wahlen nur Stockpreußen: das heißt: gnädige Landjunker, Beamte, Lämmelbrüder, allerunterthänigste Ja-Herren und dicke Geldsäcke durchzusetzen. Abgesehen von den offenen und geheimen Anweisungen an die Beamten, abgesehen von dem Rundschreiben des Ministers Manteuffel und dem Ladenberg'schen Liebesbriefchen an die Volkslehrer, die uns für die saubern Pläne der Polizeiregierung gewinnen sollen: ist das Land mit den lügenhaftesten, auf Irremachung des Volkes berechneten Plakaten und Flugblättern förmlich übersäet worden. Diese Flugblätter sind sämmtlich von bankerutten Landjunkern, heruntergekommenen Fabrikanten, von Landräthen und Mitgliedern der Preußenvereine ausgegangen und werden auf Staatskosten, also auf Kosten unseres eigenen Geldbeutels gedruckt und versandt. Meistens wenden sich die Volksfeinde an die Bewohner des platten Landes. In der Voraussetzung, daß der Landmann den Zusammenhang der Verhältnisse weniger kennt, weniger Gelegenheit zum Austausch richtiger Ansichten, als der Städter, hat: glauben sie hier ihre Verläumdungen und Lügen am leichtesten an den Mann bringen und aufs Herrlichste für sich im Trüben fischen zu können. Unter den unzähligen Flugblättern dieser Art ist dieser Tage auch ein offener Brief eines „rheinischen Bauern an seine Nachbarn“ erschienen. Der „rheinische Bauer“ ist ein bankrutter Fabrikant und steht im Solde der Regierung. Er fängt's ganz schlau an, um die Landleute für das jetzige volksverrätherische Ministerium und dessen mit Rußland und Oesterreich zusammen ausgesponnenen Pläne zu gewinnen. Daß er wie ein Rohrsperling auf die Demokraten schimpft, versteht sich von selbst. Der Mann mit seinem offenen Briefe gleicht dem Fuchse, der den Hühnern die besten Schmeichelworte gibt, sich als reumüthigen und völlig gebesserten Sünder hinstellt und sie doch ein Bischen auf seine Seite zu kommen bittet, um ihnen seine Liebe und Freundschaft zu beweisen. Die Hühner waren klug genug, den Schalk unverrichteter Dinge ablaufen zu lassen. Sollten die rheinischen Bauern einfältiger sein, als jene Hühner? Wer das glaubt, der kennt den rheinischen Bauer nicht. Nein, Herr Flugblattschreiber; in der Rheinprovinz wissen wir doch so ziemlich, schwarz von weiß zu unterscheiden und was hinter Eurem Schwarzweiß steckt, das haben wir leider seit 1815 mehr, als wir wünschten, erfahren. Wenn Ihr uns die Republik als die Herrschaft des Lumpengesindels schildert: so vergeßt Ihr, daß Millionen Landsleute aus Deutschland nach Amerika gewandett sind und dort in der Republik leben, wo sie nicht den 20sten Theil unsrer Steuern zu zahlen, wo sie keine hochmüthige Beamtenkaste, keinen auf ihre Kosten faullenzenden Adel und dergl. Sächelchen des preußischen Königthums zu ertragen haben. Und was Ihr gar von Kommunismus schwatzt; mit dieser Vogelscheuche macht ihr selbst alten Weibern nicht mehr Bange. Wenn das preußische Budget, das in einigen Jahren von 50 Millionen auf 100 Millionen gestiegen ist, in demselben Verhältnisse fortwächst, eine nothwendige Folge eures Armen-, Polizei-, Beamten- und Hofwesens, so wird das ganze Landesvermögen bald der Staatskasse verfallen und der „königlich preußische Kommunismus“ hergestellt sein. Was Ihr von den „rheinischen Bauern“ wollt, aber natürlich nicht sagt, besteht darin, daß sie Leute wählen sollen, die aus Selbstsucht oder Beschränktheit, um ein Ordensbändchen, Geld und dergl. alle bisherigen Gewaltthaten der preußischen Regierung gutheißen und welche die Karre wieder in's alte Gleis vor'm 18. März 1848 zurückbringen helfen. Ihr wollt Leute gewählt haben, welche die gebrochenen Frühjahrs-Verheißungen in Vergessenheit begraben und die mit Wrangel'schen Kanonen, Belagerungszuständen und massenweisen Einkerkerungen eingeweihte Gewalt-Verfassung lobpreisend hinnehmen; Leute, die nicht begreifen, oder nicht begreifen wollen, daß wir mit dieser Verfassung, trotz mehrerer, dem Anschein nach freisinnigen Phrasen und Artikel, doch sehr bald 1000 mal schlimmer daran sein würden, als zur Zeit der löblichen Provinzialstände und des vereinigten Landtags. Doch trotz aller bisherigen Anstrengungen, trotz der schnödesten und schamlosesten Mittel der Volksberückung und Wahlverfälschung trautet Ihr dem Ausgange der Sache nicht. Drum hattet Ihr Euch ein letztes Mittel aufgespart bis zu guter Letzt. Es ist Euer höchster Trumpf; Ihr habt ihn kürzlich ausgespielt. Aber verlaßt Euch darauf, bei den rheinischen Bauern gewinnt Ihr Euer Spiel doch nicht. Die setzen Euch als Gegentrumpf ihre Erfahrung und Behutsamkeit und Ihr werdet mit langer Nase abziehen. Dieser höchste Trumpf der volksfeindlichen Partei besteht darin, daß auch der König von Preußen ein eigenhändiges Flugblatt in Betreff der Wahlen abgefaßt hat, das nun in Millionen Exemplaren unter das Landvolk in den verschiedenen Provinzen ausgetheilt wird. Den Inhalt dieses Schriftstücks wollen wir morgen mit einigen Worten beleuchten. X Vom Rhein, 16. Januar. Von den reaktionären Flugblättern, durch welche man die Demokraten beim Volke zu verdächtigen sucht und deren eins (nach Nr. 192 d. Ztg.) den berüchtigten Harkort zum Verfasser haben soll, scheint die Elberfelderin den Vertrieb übernommen zu haben; uns wenigstens sind mit ihr die betreffenden Lügenwische zugegangen. Similis simili gaudet. Ob die Elberfelderin, um die Lüge glaublicher zu machen, die Unterschrift des einen Flugblattes durch Hinzufügung eines mit Dinte geschriebenen y vermehrt und verbessert hat, so daß aus Jacob „Jacoby“ wurde, wird sie selbst am besten wissen. Es entspricht ganz dem frommen Charakter und der edlen Rolle dieser bekehrten Sünderin, daß sie zu Wahlkandidaten solche Leute empfiehlt, die sie vor dem 18. März selbst bekämpft hat, von denen es auch bekannt ist, daß sie mit Leib und Seele dem alten System angehörten, und die noch im September von Wittenberg aus einen Bußtag gegen den März ausgeschrieben haben. Diese Männer, die Gunstlinge und Helfershelfer von Eichhorn-Thiele, die evangelischen Professoren in Bonn, die Consistorialräthe, die Moderatoren der Synoden und Bethmann-Hollweg; sie, die nie den Mund aufthaten, weder für die Schule, noch für die Kirche, noch für das Volk, sollen nach der Elberfelderin die besten Vertreter dieser Freiheit sein. Doch, Herr Venedey, esgibt genug Deutsche, die niederträchtig sind. X Grevenbroich, (im Januar.) Die Wahlmanöver der Restauration, die im Jahre 1815 ein für Ludwig XVIII. selbst zu kontrerevolutionäre Kammer ergaben, werden bei weitem überboten durch die Operationen unsers Manteuffel. Es ist von allgemeinem Interesse, wenn die allgegenwärtigen Intriguen der gottbegnadeten Regierung von allen Theilen des Landes aus enthüllt und ihre Kandidaten dem öffentlichen Urtheil preisgegeben werden. Die Zusammenwürfelung liberaler Kreise mit schwarzweißen in Einen Wahlbezirk ist eines der bekannten Hauptmanöver unsers Manteuffel und seiner Trabanten. So wählen die Kreise Grevenbroich, Gladbach, Crefeld und Neuß zusammen zwei Deputirte für die erste Kammer in Neuß, die Kreise Grevenbroich und Gladbach zwei Deputirte für die zweite Kammer in Rheidt, dem verrufensten Sitze des Schwarzweißthums. Auf einer vor Kurzem in Düsseldorf stattgehabten Versammlung der Landräthe der angeführten Kreise ist in Folge des Manteuffelschen Wahlrescripts ein Schlachtplan entworfen worden. Als Kandidaten der ersten Kammer wurden festgesetzt, der gefürstete Altgraf Salm zu Dyk (Alter zwischen 75 und 80 J.) und der Geh. Commercienrath Diergardt zu Viersen; als Kandidaten der zweiten Kammer: der Landrath von Grevenbroich, Freiherr von Gudenau und Regierungsrath Ritz von Aachen, der weggelaufene Deputirte, der von Gladbach gewählt. Ritz ist hinlänglich bekannt. Sprechen wir von dem Freiherrn v. Gudenau, königl. preuß. Landrath zu Grevenbroich? v. Gudenau hat in Nr. 53 des „Grevenbroicher Kreisblattes“ ein Glaubensbekenntniß abgelegt, worin es unter anderm heißt: „Ich bin derselbe noch, der ich war, nur, wie wir alle, um große Erfahrungen reicher; denn meine politische Ueberzeugung gründet sich nicht auf Barrikaden, sondern auf die Weltgeschichte.“ Sehn wir also, was Herr von Gudenau war! Vorher aber noch ein Wort über die sonderbaren Erlebnisse seines im Kreisblatt veröffentlichten Glaubensbekenntnisses. Als im Anfang November der Deputirte, Friedensrichter B. von Grevenbroich, durch Familienverhältnisse veranlaßt, sein Mandat niederlegte, wurde an seine Stelle v. Gudenau den 17. Nov. zum Deputirten gewählt. Gleich nach der Wahl hielt er eine Rede. In dem nächsten Kreisblatte vom 19. Nov. (Nr. 47) wurde er zur Veröffentlichung dieser Rede aufgefordert. Er schwieg damals und ging nach Brandenburg. Jetzt in Nr. 52 läßt er sich selbst durch einen Anonymus über jene Rede zur Rechenschaft ziehn. So erfolgte dann in Nr. 53 der Abdruck der angeblich am 17. gehaltenen Rede. Gudenau behauptet, seine Rede am Tage nach der Wahl, „wie er glaube wortgetreu“ niedergeschrieben zu haben. Der dem Freiherrn gehorsamst unterthänige Bürgermeister und sonstige von ihm ressortirende Beamte sind seit lange schon fur ihn im Kreise thätig. Gudenau ist ein Junker von ächtem Schrot und Korn. Wie hätte er sonst vom Grafen v. Mirbach adoptirt werden können? v. Gudenau ist ein geborner Oestreicher und in Wien erzogen. Der Ritterhauptmann Graf v. Mirbach zu Haus Harff, Stifter und Protektor der Ritterakademie zu Bedburg, ist kinderlos: derselbe suchte unter seinen jugendlichen Verwandten den junkerhaftesten heraus, um ihn zum Erben seines zur Verewigung des Junkerthums in hiesiger Gegend gestifteten Familienfideikommisses oder Majorats zu machen. Die Wahl fiel auf v. Gudenau. Er wurde groß und mußte beweibt werden, um für die Vermehrung der Junker wirken zu können. Natürlich wurde nur in altadliger Familie sich umgesehen. Die Tochter des Grafen Hoyos (des berüchtigten Gliedes der den Kaiser Ferdinand umgebenden Camarilla) wurde ausersehen. Da der v. Gudenau zwar Junker, aber auch nur erst noch Junker und nur erst noch ein armer Junker, noch ohne Majorität (v. Mirbach lebt noch) und ohne jede öffentliche Stellung war, so erklärte Graf Hoyos, daß er ihm seine Tochter erst dann geben könne, wenn er zu irgend einer Stellung gelangt sei. Darauf erscheint von Gudenau auf einmal als Referendar in der Regierung zu Düsseldorf. Der alte Landrath von Propper zu Grevenbroich wird bald darauf durch v. Gudenau vertreten. Von Propper läßt sich nach einiger Zeit pensioniren. In der stattfindenden Landrathswahl wird der im Kreise geschätzte und beliebte Friedensrichter Bruch zum ersten und v. Gudenau zum dritten Candidaten vorgeschlagen. Zum größten Erstaunen des ganzen Kreises wird v. Gudenau zum Landrath ernannt und v. Propper bezog in Folge Uebereinkunft bis an sein Lebensende aus dem Gehalte des v. Gudenau 500 Thlr. jährlich zu seiner reglementsmäßigen Pension, so daß dadurch seine Pension seinem frühern Gehalte gleich kam. Der östreichische Junker v. Gudenau ist also preußischer Landrath — Schwiegersohn des östreichischen Grafen v. Hoyos, Schwager des vom Volke zerrissenen Grafen Lamberg und Erbe des preußischen Ritterhauptmanns, Gafen v. Mirbach und damit in Zukunft preußischer Graf und Majoratsherr. Die Wahl im November wurde nicht öffentlich bekannt gemacht. Wenige Tage vor der Wahl wurden vielmehr die Wahlmänner schriftlich zur Wahl nach Grevenbroich einberufen und der Kreis fand sich nie mehr überrascht, als durch die Proklamation des Wahlkommissars v. Gudenau zum Deputirten. Die Wahlmänner, meistens Geistliche, waren im Stillen gehörig bearbeitet worden. Die damals befolgte Taktik genügt nicht mehr, denn die alten Wahlmänner werden neuen Platz machen müssen. Daher diese neue Taktik. Man versucht den Kreis durch Phrasen zu erobern. v. Gudenau war Deputirter auf dem vereinigten Landtag. Dort hat er stets mit der Regierung gestimmt, so oft die Regierung dem Volke gegenübertrat und sogar gegen die Regierung, wenn diese ausnahmsweise dem Volke eine halbe Konzession machte. So stimmte er gegen die Regierungsvorlage, betreffend die Aufhebung der Mahl- und Schlachtsteuer und die Einführung der Einkommensteuer. In der Frage wegen der großen Ostbahn stimmte er mit der fürstlich-gräflichen Minorität. Endlich hat von Gudenau das berüchtigte Harkort'sche Manifest mitunterzeichnet und jetzt ruft er dem Wahlkreis höhnisch zu: „Ich bin derselbe noch, der ich war.“ Der Kreis wird dem Herrn Junker nicht noch einmal die Mühe machen, „an großen Erfahrungen reicher zu werden.“ Altenkirchen, 15. Jan.
Der Oberpräsident Eichmann hat Folgendes verfügt: „Nachdem der königl. Regierungs-Assessor Wilhelmy daselbst die meinerseits an ihn gerichtete Frage: ob er die in Nro. 98 des Altenkirchener Intelligenz- und Kreisblattes abgedruckte Adresse an des Königs Majestät abgefaßt und veröffentlicht habe? in einem Schreiben vom 23. l. M. bejaht hat, beauftrage ich Sie, dem etc. Wilhelmy anzukündigen, daß er durch das königl. Ministerium für landwirthschaftliche Angelegenheiten seines bisherigen Commissoriums enthoben sei, seine sämmtlichen Dienstpapiere unverzüglich an Sie abzugeben habe und daß das königl. Ministerium die weitere Verfügung über ihn sich vorbehalte. Koblenz, den 25. Dezember 1848. Der Oberpräsident der Rheinprovinz, gez. Eichmann. An den königl. Landrath Hrn. Frhrn. v. Hilgers zu Altenkirchen.“ (Rh.- u. M.-Z.)<TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="1081"/> <front> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart> <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart> <docImprint> <docDate>No 199. Köln, Freitag den 19. Januar. 1849.</docDate> </docImprint> </titlePage> </front> <body> <div type="jExpedition"> <p>Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. — Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.</p> <p>Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. — Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis — Nur frankirte Briefe werden angenommen. — Expedition in Aachen bei <hi rendition="#g">Ernst ter Meer;</hi> in Düsseldorf bei F. W. <hi rendition="#g">Schmitz,</hi> Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.</p> </div> <div type="contents" n="1"> <head>Uebersicht.</head> <p><hi rendition="#g">Deutschland</hi>. Köln. (Die Wahlmanöver der Regierung, namentlich auf dem platten Lande). Vom Rhein. (Eine Fälschung). Aus Grevenbroich. (Junker Gudenau). Altenkirchen. (Regierungsassessor Wilhelmy). Berlin. (Hrn. Ladenbergs Wahlschreiben an die Volkslehrer. — Untersuchung wegen eines geängstigten Spions. — Die Polizei in den Wahlversammlungen. — Meinungsinquisition in der Beamtenwelt. — Wiederholtes Gerücht von nahenden Septembergesetzen. — Polizeiliche Gewaltmittel zur Verhinderung volksthümlicher Wahlen. — Bruno Bauers Vorlesungen verboten). Wien. (Entdeckung neuer Natiönchen. — Preuß.-österr. Freundschaft. — Preußische Gefälligkeiten. — Ein Sprichwort durch preuß. Beamte zu Schanden gemacht. — Eine Windischgrätzige Proklamation. — Bem in der Bukowine. — Verordnung gegen die Deutschkatholiken. — Sachsen soll die Flüchtlinge ausliefern. — Ungnade gegen die Slowanska Lipa in Agram). Triest. (Befestigungsplan. — Ueber die für Neapel neugeworbenen Schweizer). Breslau. (Ein interessantes Eisenbahndokument. — E. Reichenbach in Reichenstein. — Truppenmasse bei Friedeberg. — Der „Putsch“ im belagerten Creutzburger Kreise verboten). Aus Netzkroatien. Frankfurt. (National-Versammlung).</p> <p><hi rendition="#g">Italien</hi>. (Vermischtes aus Rom. — In Modena und Sassuolo Ruhestörungen. — Ein französischer Befehlshaber für die Piemontesen erwartet. — Fremdenlegion in Turin. — Demission der sizilischen Minister).</p> <p><hi rendition="#g">Frankreich</hi>. Paris. (Zersetzungsprozeß in der Bourgeoisie. — Dupins Commentar über die Konstitution. — Rache der Kammer. — Vermischtes. — National-Versammlung).</p> <p><hi rendition="#g">Ungarn</hi>. Hermanstadt. (Vordringen der Magyaren; Klausenburg von ihnen besetzt).</p> <p><hi rendition="#g">Donaufürstenthümer</hi>. Bucharest. (Vermehrung der russischen Truppen. — Ablösung der Kosaken durch Kalmuken. — Aus der neuen Eidesformel für die Milizen).</p> <p><hi rendition="#g">Portugal</hi>. Lissabon. (Eröffnung der Cortes. — Vermischtes.)</p> <p><hi rendition="#g">Großbritannien</hi>. London. (Harney an die Arbeiter.)</p> <p><hi rendition="#g">Amerika</hi>. New-York. (Briefporto.) Washington. (Das kalifornische Gold.)</p> </div> <div n="1"> <head>Deutschland.</head> <div xml:id="ar199_001" type="jArticle"> <head><bibl><author>068</author></bibl> Köln, 18. Jan.</head> <p>Die Wahlen sind vor der Thür. In 4 Tagen, den 22., haben wir die Wahlmänner zu ernennen, die dann ihrerseits für uns Deputirte nach Berlin bestimmen sollen. Daß wir uns viel Zeit, Lauferei und Mühe ersparten, wenn wir geradewegs unsere Deputirten wählten: das begreift jedes Schulkind. Allein solch einfaches Verfahren, das bei den gescheuten Völkern zum Beispiel in Amerika, in der Schweiz, bei den Franzosen, in England u. s. w. im Gebrauch ist, paßt nicht in den Kram der preuß. Regierung und der mit ihr gegen das Volk verschwornen Adels-, Beamten- und Geldsack-Kaste. Denn bei dieser krummen Wahlart stehen den Feinden des Volkes tausend Mittel zu Gebote, die bei der geraden nicht anwendbar oder erfolglos wären.</p> <p>Um so mehr müssen wir auf unserer Hut sein. Die von unsern Feinden bereiteten Hindernisse sind groß.</p> <p>Einer der vielen Regierungskniffe besteht in der Eintheilung der Wahlbezirke. Die ist so getroffen, daß den Leuten auf dem Lande und in den kleinern Städten eine Vorbesprechung und Verständigung sehr erschwert wird, zumal in dieser Jahreszeit. Außerdem ist die Eintheilung absichtlich so spät bekannt gemacht worden, um das Volk an der Vereinigung zu hindern. Die Anhänger der preuß. Gewaltregierung kannten sie aber wochenlang zuvor, um danach ihre Pläne einzurichten.</p> <p>Doch die Regierung hat sich noch ganz anderer Mittel bedient, um bei den Wahlen nur Stockpreußen: das heißt: gnädige Landjunker, Beamte, Lämmelbrüder, allerunterthänigste Ja-Herren und dicke Geldsäcke durchzusetzen.</p> <p>Abgesehen von den offenen und geheimen Anweisungen an die Beamten, abgesehen von dem Rundschreiben des Ministers Manteuffel und dem Ladenberg'schen Liebesbriefchen an die Volkslehrer, die uns für die saubern Pläne der Polizeiregierung gewinnen sollen: ist das Land mit den lügenhaftesten, auf Irremachung des Volkes berechneten Plakaten und Flugblättern förmlich übersäet worden.</p> <p>Diese Flugblätter sind sämmtlich von bankerutten Landjunkern, heruntergekommenen Fabrikanten, von Landräthen und Mitgliedern der Preußenvereine ausgegangen und werden auf Staatskosten, also auf Kosten unseres eigenen Geldbeutels gedruckt und versandt.</p> <p>Meistens wenden sich die Volksfeinde an die Bewohner des platten Landes. In der Voraussetzung, daß der Landmann den Zusammenhang der Verhältnisse weniger kennt, weniger Gelegenheit zum Austausch richtiger Ansichten, als der Städter, hat: glauben sie hier ihre Verläumdungen und Lügen am leichtesten an den Mann bringen und aufs Herrlichste für sich im Trüben fischen zu können.</p> <p>Unter den unzähligen Flugblättern dieser Art ist dieser Tage auch ein offener Brief eines „rheinischen Bauern an seine Nachbarn“ erschienen.</p> <p>Der „rheinische Bauer“ ist ein bankrutter Fabrikant und steht im Solde der Regierung.</p> <p>Er fängt's ganz schlau an, um die Landleute für das jetzige volksverrätherische Ministerium und dessen mit Rußland und Oesterreich zusammen ausgesponnenen Pläne zu gewinnen. Daß er wie ein Rohrsperling auf die Demokraten schimpft, versteht sich von selbst. Der Mann mit seinem offenen Briefe gleicht dem Fuchse, der den Hühnern die besten Schmeichelworte gibt, sich als reumüthigen und völlig gebesserten Sünder hinstellt und sie doch ein Bischen auf seine Seite zu kommen bittet, um ihnen seine Liebe und Freundschaft zu beweisen. Die Hühner waren klug genug, den Schalk unverrichteter Dinge ablaufen zu lassen. Sollten die rheinischen Bauern einfältiger sein, als jene Hühner? Wer das glaubt, der kennt den rheinischen Bauer nicht.</p> <p>Nein, Herr Flugblattschreiber; in der Rheinprovinz wissen wir doch so ziemlich, schwarz von weiß zu unterscheiden und was hinter Eurem Schwarzweiß steckt, das haben wir leider seit 1815 mehr, als wir wünschten, erfahren.</p> <p>Wenn Ihr uns die Republik als die Herrschaft des Lumpengesindels schildert: so vergeßt Ihr, daß Millionen Landsleute aus Deutschland nach Amerika gewandett sind und dort in der Republik leben, wo sie nicht den 20sten Theil unsrer Steuern zu zahlen, wo sie keine hochmüthige Beamtenkaste, keinen auf ihre Kosten faullenzenden Adel und dergl. Sächelchen des preußischen Königthums zu ertragen haben.</p> <p>Und was Ihr gar von Kommunismus schwatzt; mit dieser Vogelscheuche macht ihr selbst alten Weibern nicht mehr Bange. Wenn das preußische Budget, das in einigen Jahren von 50 Millionen auf 100 Millionen gestiegen ist, in demselben Verhältnisse fortwächst, eine nothwendige Folge eures Armen-, Polizei-, Beamten- und Hofwesens, so wird das ganze Landesvermögen bald der Staatskasse verfallen und der „königlich preußische Kommunismus“ hergestellt sein.</p> <p>Was Ihr von den „rheinischen Bauern“ wollt, aber natürlich nicht sagt, besteht darin, daß sie Leute wählen sollen, die aus Selbstsucht oder Beschränktheit, um ein Ordensbändchen, Geld und dergl. alle bisherigen Gewaltthaten der preußischen Regierung gutheißen und welche die Karre wieder in's alte Gleis vor'm 18. März 1848 zurückbringen helfen.</p> <p>Ihr wollt Leute gewählt haben, welche die gebrochenen Frühjahrs-Verheißungen in Vergessenheit begraben und die mit Wrangel'schen Kanonen, Belagerungszuständen und massenweisen Einkerkerungen eingeweihte Gewalt-Verfassung lobpreisend hinnehmen; Leute, die nicht begreifen, oder nicht begreifen wollen, daß wir mit dieser Verfassung, trotz mehrerer, dem Anschein nach freisinnigen Phrasen und Artikel, doch sehr bald 1000 mal schlimmer daran sein würden, als zur Zeit der löblichen Provinzialstände und des vereinigten Landtags.</p> <p>Doch trotz aller bisherigen Anstrengungen, trotz der schnödesten und schamlosesten Mittel der Volksberückung und Wahlverfälschung trautet Ihr dem Ausgange der Sache nicht.</p> <p>Drum hattet Ihr Euch ein letztes Mittel aufgespart bis zu guter Letzt. Es ist Euer höchster Trumpf; Ihr habt ihn kürzlich ausgespielt. Aber verlaßt Euch darauf, bei den rheinischen Bauern gewinnt Ihr Euer Spiel doch nicht. Die setzen Euch als Gegentrumpf ihre Erfahrung und Behutsamkeit und Ihr werdet mit langer Nase abziehen.</p> <p>Dieser höchste Trumpf der volksfeindlichen Partei besteht darin, daß auch der König von Preußen ein eigenhändiges Flugblatt in Betreff der Wahlen abgefaßt hat, das nun in Millionen Exemplaren unter das Landvolk in den verschiedenen Provinzen ausgetheilt wird. Den Inhalt dieses Schriftstücks wollen wir morgen mit einigen Worten beleuchten.</p> </div> <div xml:id="ar199_002" type="jArticle"> <head><bibl><author>X</author></bibl> Vom Rhein, 16. Januar.</head> <p>Von den reaktionären Flugblättern, durch welche man die Demokraten beim Volke zu verdächtigen sucht und deren eins (nach Nr. 192 d. Ztg.) den berüchtigten Harkort zum Verfasser haben soll, scheint die Elberfelderin den Vertrieb übernommen zu haben; uns wenigstens sind mit ihr die betreffenden Lügenwische zugegangen. Similis simili gaudet. Ob die Elberfelderin, um die Lüge glaublicher zu machen, die Unterschrift des einen Flugblattes durch Hinzufügung eines mit Dinte geschriebenen y vermehrt und verbessert hat, so daß aus Jacob „<hi rendition="#g">Jacoby</hi>“ wurde, wird sie selbst am besten wissen.</p> <p>Es entspricht ganz dem frommen Charakter und der edlen Rolle dieser bekehrten Sünderin, daß sie zu Wahlkandidaten solche Leute empfiehlt, die sie vor dem 18. März selbst bekämpft hat, von denen es auch bekannt ist, daß sie mit Leib und Seele dem alten System angehörten, und die noch im September von Wittenberg aus einen Bußtag gegen den März ausgeschrieben haben. Diese Männer, die Gunstlinge und Helfershelfer von Eichhorn-Thiele, die evangelischen Professoren in Bonn, die Consistorialräthe, die Moderatoren der Synoden und Bethmann-Hollweg; sie, die nie den Mund aufthaten, weder für die Schule, noch für die Kirche, noch für das Volk, sollen nach der Elberfelderin die besten Vertreter dieser Freiheit sein.</p> <p>Doch, Herr Venedey, esgibt genug Deutsche, die <hi rendition="#g">niederträchtig</hi> sind.</p> </div> <div xml:id="ar199_003" type="jArticle"> <head><bibl><author>X</author></bibl> Grevenbroich, (im Januar.)</head> <p>Die Wahlmanöver der Restauration, die im Jahre 1815 ein für Ludwig XVIII. selbst zu kontrerevolutionäre Kammer ergaben, werden bei weitem überboten durch die Operationen unsers Manteuffel. Es ist von allgemeinem Interesse, wenn die allgegenwärtigen Intriguen der gottbegnadeten Regierung von allen Theilen des Landes aus enthüllt und ihre Kandidaten dem öffentlichen Urtheil preisgegeben werden.</p> <p>Die Zusammenwürfelung liberaler Kreise mit schwarzweißen in Einen Wahlbezirk ist eines der bekannten Hauptmanöver unsers Manteuffel und seiner Trabanten.</p> <p>So wählen die Kreise Grevenbroich, Gladbach, Crefeld und Neuß zusammen zwei Deputirte für die erste Kammer in <hi rendition="#g">Neuß</hi>, die Kreise Grevenbroich und Gladbach zwei Deputirte für die zweite Kammer in Rheidt, dem verrufensten Sitze des Schwarzweißthums.</p> <p>Auf einer vor Kurzem in Düsseldorf stattgehabten Versammlung der Landräthe der angeführten Kreise ist in Folge des Manteuffelschen Wahlrescripts ein Schlachtplan entworfen worden. Als Kandidaten der ersten Kammer wurden festgesetzt, der gefürstete Altgraf Salm zu Dyk (Alter zwischen 75 und 80 J.) und der Geh. Commercienrath <hi rendition="#g">Diergardt</hi> zu Viersen; als Kandidaten der zweiten Kammer: der Landrath von Grevenbroich, Freiherr von <hi rendition="#g">Gudenau</hi> und Regierungsrath <hi rendition="#g">Ritz</hi> von Aachen, der weggelaufene Deputirte, der von Gladbach gewählt.</p> <p><hi rendition="#g">Ritz</hi> ist hinlänglich bekannt. Sprechen wir von dem Freiherrn v. <hi rendition="#g">Gudenau,</hi> königl. preuß. Landrath zu Grevenbroich?</p> <p>v. Gudenau hat in Nr. 53 des „Grevenbroicher Kreisblattes“ ein Glaubensbekenntniß abgelegt, worin es unter anderm heißt:</p> <p>„<hi rendition="#g">Ich bin derselbe noch, der ich war,</hi> nur, wie wir alle, um große Erfahrungen reicher; denn meine politische Ueberzeugung gründet sich nicht auf Barrikaden, sondern auf die Weltgeschichte.“</p> <p>Sehn wir also, was Herr von Gudenau <hi rendition="#g">war!</hi> Vorher aber noch ein Wort über die sonderbaren Erlebnisse seines im Kreisblatt veröffentlichten Glaubensbekenntnisses.</p> <p>Als im Anfang November der Deputirte, Friedensrichter B. von Grevenbroich, durch Familienverhältnisse veranlaßt, sein Mandat niederlegte, wurde an seine Stelle v. Gudenau den 17. Nov. zum Deputirten gewählt. Gleich <hi rendition="#g">nach</hi> der Wahl hielt er eine Rede. In dem nächsten Kreisblatte vom 19. Nov. (Nr. 47) wurde er zur Veröffentlichung dieser Rede aufgefordert. Er schwieg damals und ging nach Brandenburg. Jetzt in Nr. 52 läßt <hi rendition="#g">er sich selbst</hi> durch einen Anonymus über jene Rede zur Rechenschaft ziehn. So erfolgte dann in Nr. 53 der Abdruck der angeblich am 17. gehaltenen Rede. Gudenau behauptet, seine Rede am Tage <hi rendition="#g">nach</hi> der Wahl, „wie er glaube <hi rendition="#g">wortgetreu</hi>“ niedergeschrieben zu haben.</p> <p>Der dem Freiherrn gehorsamst unterthänige Bürgermeister und sonstige von ihm ressortirende Beamte sind seit lange schon fur ihn im Kreise thätig.</p> <p>Gudenau ist ein Junker von ächtem Schrot und Korn. Wie hätte er sonst vom Grafen v. Mirbach adoptirt werden können? v. Gudenau ist ein geborner Oestreicher und in Wien erzogen.</p> <p>Der Ritterhauptmann Graf v. Mirbach zu Haus Harff, Stifter und Protektor der Ritterakademie zu Bedburg, ist kinderlos: derselbe suchte unter seinen jugendlichen Verwandten den junkerhaftesten heraus, um ihn zum Erben seines zur Verewigung des Junkerthums in hiesiger Gegend gestifteten Familienfideikommisses oder Majorats zu machen. Die Wahl fiel auf v. Gudenau. Er wurde groß und mußte beweibt werden, um für die Vermehrung der Junker wirken zu können.</p> <p>Natürlich wurde nur in altadliger Familie sich umgesehen. Die Tochter des Grafen <hi rendition="#g">Hoyos</hi> (des berüchtigten Gliedes der den Kaiser Ferdinand umgebenden Camarilla) wurde ausersehen.</p> <p>Da der v. Gudenau zwar Junker, aber auch nur erst noch Junker und nur erst noch ein armer Junker, noch ohne Majorität (v. Mirbach lebt noch) und ohne jede öffentliche Stellung war, so erklärte Graf Hoyos, daß er ihm seine Tochter erst dann geben könne, wenn er zu irgend einer Stellung gelangt sei. Darauf erscheint von Gudenau auf einmal als Referendar in der Regierung zu Düsseldorf. Der alte Landrath von Propper zu Grevenbroich wird bald darauf durch v. Gudenau vertreten. Von Propper läßt sich nach einiger Zeit pensioniren. In der stattfindenden Landrathswahl wird der im Kreise geschätzte und beliebte Friedensrichter Bruch zum ersten und v. Gudenau zum dritten Candidaten vorgeschlagen.</p> <p>Zum größten Erstaunen des ganzen Kreises wird v. Gudenau zum Landrath ernannt und v. Propper bezog in Folge Uebereinkunft bis an sein Lebensende aus dem Gehalte des v. Gudenau 500 Thlr. jährlich zu seiner reglementsmäßigen Pension, so daß dadurch seine Pension seinem frühern Gehalte gleich kam.</p> <p>Der östreichische Junker v. Gudenau ist also preußischer Landrath — Schwiegersohn des östreichischen Grafen v. Hoyos, Schwager des vom Volke zerrissenen Grafen Lamberg und Erbe des preußischen Ritterhauptmanns, Gafen v. Mirbach und damit in Zukunft preußischer Graf und Majoratsherr.</p> <p>Die Wahl im November wurde nicht öffentlich bekannt gemacht. Wenige Tage vor der Wahl wurden vielmehr die Wahlmänner schriftlich zur Wahl nach Grevenbroich einberufen und der Kreis fand sich nie mehr überrascht, als durch die Proklamation des Wahlkommissars v. Gudenau zum Deputirten. Die Wahlmänner, meistens Geistliche, waren im Stillen gehörig bearbeitet worden.</p> <p>Die damals befolgte Taktik genügt nicht mehr, denn die alten Wahlmänner werden neuen Platz machen müssen. Daher diese neue Taktik. Man versucht den Kreis durch Phrasen zu erobern.</p> <p>v. Gudenau war Deputirter auf dem vereinigten Landtag. Dort hat er stets mit der Regierung gestimmt, so oft die Regierung dem Volke gegenübertrat und sogar <hi rendition="#g">gegen</hi> die Regierung, wenn diese ausnahmsweise dem Volke eine halbe Konzession machte.</p> <p>So stimmte er gegen die Regierungsvorlage, betreffend die Aufhebung der Mahl- und Schlachtsteuer und die Einführung der Einkommensteuer.</p> <p>In der Frage wegen der großen Ostbahn stimmte er mit der fürstlich-gräflichen Minorität.</p> <p>Endlich hat von Gudenau das berüchtigte Harkort'sche Manifest mitunterzeichnet und jetzt ruft er dem Wahlkreis höhnisch zu:</p> <p rendition="#et">„<hi rendition="#g">Ich bin derselbe noch, der ich war</hi>.“</p> <p>Der Kreis wird dem Herrn Junker nicht noch einmal die Mühe machen, „an großen Erfahrungen reicher zu werden.“</p> </div> <div xml:id="ar199_004" type="jArticle"> <head>Altenkirchen, 15. Jan.</head> <p>Der Oberpräsident Eichmann hat Folgendes verfügt:</p> <p>„Nachdem der königl. Regierungs-Assessor <hi rendition="#g">Wilhelmy</hi> daselbst die meinerseits an ihn gerichtete Frage: ob er die in Nro. 98 des Altenkirchener Intelligenz- und Kreisblattes abgedruckte Adresse an des Königs Majestät abgefaßt und veröffentlicht habe? in einem Schreiben vom 23. l. M. bejaht hat, beauftrage ich Sie, dem etc. Wilhelmy anzukündigen, daß er durch das königl. Ministerium für landwirthschaftliche Angelegenheiten seines bisherigen Commissoriums enthoben sei, seine sämmtlichen Dienstpapiere unverzüglich an Sie abzugeben habe und daß das königl. Ministerium die weitere Verfügung über ihn sich vorbehalte.</p> <p>Koblenz, den 25. Dezember 1848.</p> <p>Der Oberpräsident der Rheinprovinz, gez. <hi rendition="#g">Eichmann</hi>.</p> <p>An den königl. Landrath Hrn. Frhrn. v. <hi rendition="#g">Hilgers</hi> zu Altenkirchen.“</p> <bibl>(Rh.- u. M.-Z.)</bibl> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1081/0001]
Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 199. Köln, Freitag den 19. Januar. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. — Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.
Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. — Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis — Nur frankirte Briefe werden angenommen. — Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.
Uebersicht. Deutschland. Köln. (Die Wahlmanöver der Regierung, namentlich auf dem platten Lande). Vom Rhein. (Eine Fälschung). Aus Grevenbroich. (Junker Gudenau). Altenkirchen. (Regierungsassessor Wilhelmy). Berlin. (Hrn. Ladenbergs Wahlschreiben an die Volkslehrer. — Untersuchung wegen eines geängstigten Spions. — Die Polizei in den Wahlversammlungen. — Meinungsinquisition in der Beamtenwelt. — Wiederholtes Gerücht von nahenden Septembergesetzen. — Polizeiliche Gewaltmittel zur Verhinderung volksthümlicher Wahlen. — Bruno Bauers Vorlesungen verboten). Wien. (Entdeckung neuer Natiönchen. — Preuß.-österr. Freundschaft. — Preußische Gefälligkeiten. — Ein Sprichwort durch preuß. Beamte zu Schanden gemacht. — Eine Windischgrätzige Proklamation. — Bem in der Bukowine. — Verordnung gegen die Deutschkatholiken. — Sachsen soll die Flüchtlinge ausliefern. — Ungnade gegen die Slowanska Lipa in Agram). Triest. (Befestigungsplan. — Ueber die für Neapel neugeworbenen Schweizer). Breslau. (Ein interessantes Eisenbahndokument. — E. Reichenbach in Reichenstein. — Truppenmasse bei Friedeberg. — Der „Putsch“ im belagerten Creutzburger Kreise verboten). Aus Netzkroatien. Frankfurt. (National-Versammlung).
Italien. (Vermischtes aus Rom. — In Modena und Sassuolo Ruhestörungen. — Ein französischer Befehlshaber für die Piemontesen erwartet. — Fremdenlegion in Turin. — Demission der sizilischen Minister).
Frankreich. Paris. (Zersetzungsprozeß in der Bourgeoisie. — Dupins Commentar über die Konstitution. — Rache der Kammer. — Vermischtes. — National-Versammlung).
Ungarn. Hermanstadt. (Vordringen der Magyaren; Klausenburg von ihnen besetzt).
Donaufürstenthümer. Bucharest. (Vermehrung der russischen Truppen. — Ablösung der Kosaken durch Kalmuken. — Aus der neuen Eidesformel für die Milizen).
Portugal. Lissabon. (Eröffnung der Cortes. — Vermischtes.)
Großbritannien. London. (Harney an die Arbeiter.)
Amerika. New-York. (Briefporto.) Washington. (Das kalifornische Gold.)
Deutschland. 068 Köln, 18. Jan. Die Wahlen sind vor der Thür. In 4 Tagen, den 22., haben wir die Wahlmänner zu ernennen, die dann ihrerseits für uns Deputirte nach Berlin bestimmen sollen. Daß wir uns viel Zeit, Lauferei und Mühe ersparten, wenn wir geradewegs unsere Deputirten wählten: das begreift jedes Schulkind. Allein solch einfaches Verfahren, das bei den gescheuten Völkern zum Beispiel in Amerika, in der Schweiz, bei den Franzosen, in England u. s. w. im Gebrauch ist, paßt nicht in den Kram der preuß. Regierung und der mit ihr gegen das Volk verschwornen Adels-, Beamten- und Geldsack-Kaste. Denn bei dieser krummen Wahlart stehen den Feinden des Volkes tausend Mittel zu Gebote, die bei der geraden nicht anwendbar oder erfolglos wären.
Um so mehr müssen wir auf unserer Hut sein. Die von unsern Feinden bereiteten Hindernisse sind groß.
Einer der vielen Regierungskniffe besteht in der Eintheilung der Wahlbezirke. Die ist so getroffen, daß den Leuten auf dem Lande und in den kleinern Städten eine Vorbesprechung und Verständigung sehr erschwert wird, zumal in dieser Jahreszeit. Außerdem ist die Eintheilung absichtlich so spät bekannt gemacht worden, um das Volk an der Vereinigung zu hindern. Die Anhänger der preuß. Gewaltregierung kannten sie aber wochenlang zuvor, um danach ihre Pläne einzurichten.
Doch die Regierung hat sich noch ganz anderer Mittel bedient, um bei den Wahlen nur Stockpreußen: das heißt: gnädige Landjunker, Beamte, Lämmelbrüder, allerunterthänigste Ja-Herren und dicke Geldsäcke durchzusetzen.
Abgesehen von den offenen und geheimen Anweisungen an die Beamten, abgesehen von dem Rundschreiben des Ministers Manteuffel und dem Ladenberg'schen Liebesbriefchen an die Volkslehrer, die uns für die saubern Pläne der Polizeiregierung gewinnen sollen: ist das Land mit den lügenhaftesten, auf Irremachung des Volkes berechneten Plakaten und Flugblättern förmlich übersäet worden.
Diese Flugblätter sind sämmtlich von bankerutten Landjunkern, heruntergekommenen Fabrikanten, von Landräthen und Mitgliedern der Preußenvereine ausgegangen und werden auf Staatskosten, also auf Kosten unseres eigenen Geldbeutels gedruckt und versandt.
Meistens wenden sich die Volksfeinde an die Bewohner des platten Landes. In der Voraussetzung, daß der Landmann den Zusammenhang der Verhältnisse weniger kennt, weniger Gelegenheit zum Austausch richtiger Ansichten, als der Städter, hat: glauben sie hier ihre Verläumdungen und Lügen am leichtesten an den Mann bringen und aufs Herrlichste für sich im Trüben fischen zu können.
Unter den unzähligen Flugblättern dieser Art ist dieser Tage auch ein offener Brief eines „rheinischen Bauern an seine Nachbarn“ erschienen.
Der „rheinische Bauer“ ist ein bankrutter Fabrikant und steht im Solde der Regierung.
Er fängt's ganz schlau an, um die Landleute für das jetzige volksverrätherische Ministerium und dessen mit Rußland und Oesterreich zusammen ausgesponnenen Pläne zu gewinnen. Daß er wie ein Rohrsperling auf die Demokraten schimpft, versteht sich von selbst. Der Mann mit seinem offenen Briefe gleicht dem Fuchse, der den Hühnern die besten Schmeichelworte gibt, sich als reumüthigen und völlig gebesserten Sünder hinstellt und sie doch ein Bischen auf seine Seite zu kommen bittet, um ihnen seine Liebe und Freundschaft zu beweisen. Die Hühner waren klug genug, den Schalk unverrichteter Dinge ablaufen zu lassen. Sollten die rheinischen Bauern einfältiger sein, als jene Hühner? Wer das glaubt, der kennt den rheinischen Bauer nicht.
Nein, Herr Flugblattschreiber; in der Rheinprovinz wissen wir doch so ziemlich, schwarz von weiß zu unterscheiden und was hinter Eurem Schwarzweiß steckt, das haben wir leider seit 1815 mehr, als wir wünschten, erfahren.
Wenn Ihr uns die Republik als die Herrschaft des Lumpengesindels schildert: so vergeßt Ihr, daß Millionen Landsleute aus Deutschland nach Amerika gewandett sind und dort in der Republik leben, wo sie nicht den 20sten Theil unsrer Steuern zu zahlen, wo sie keine hochmüthige Beamtenkaste, keinen auf ihre Kosten faullenzenden Adel und dergl. Sächelchen des preußischen Königthums zu ertragen haben.
Und was Ihr gar von Kommunismus schwatzt; mit dieser Vogelscheuche macht ihr selbst alten Weibern nicht mehr Bange. Wenn das preußische Budget, das in einigen Jahren von 50 Millionen auf 100 Millionen gestiegen ist, in demselben Verhältnisse fortwächst, eine nothwendige Folge eures Armen-, Polizei-, Beamten- und Hofwesens, so wird das ganze Landesvermögen bald der Staatskasse verfallen und der „königlich preußische Kommunismus“ hergestellt sein.
Was Ihr von den „rheinischen Bauern“ wollt, aber natürlich nicht sagt, besteht darin, daß sie Leute wählen sollen, die aus Selbstsucht oder Beschränktheit, um ein Ordensbändchen, Geld und dergl. alle bisherigen Gewaltthaten der preußischen Regierung gutheißen und welche die Karre wieder in's alte Gleis vor'm 18. März 1848 zurückbringen helfen.
Ihr wollt Leute gewählt haben, welche die gebrochenen Frühjahrs-Verheißungen in Vergessenheit begraben und die mit Wrangel'schen Kanonen, Belagerungszuständen und massenweisen Einkerkerungen eingeweihte Gewalt-Verfassung lobpreisend hinnehmen; Leute, die nicht begreifen, oder nicht begreifen wollen, daß wir mit dieser Verfassung, trotz mehrerer, dem Anschein nach freisinnigen Phrasen und Artikel, doch sehr bald 1000 mal schlimmer daran sein würden, als zur Zeit der löblichen Provinzialstände und des vereinigten Landtags.
Doch trotz aller bisherigen Anstrengungen, trotz der schnödesten und schamlosesten Mittel der Volksberückung und Wahlverfälschung trautet Ihr dem Ausgange der Sache nicht.
Drum hattet Ihr Euch ein letztes Mittel aufgespart bis zu guter Letzt. Es ist Euer höchster Trumpf; Ihr habt ihn kürzlich ausgespielt. Aber verlaßt Euch darauf, bei den rheinischen Bauern gewinnt Ihr Euer Spiel doch nicht. Die setzen Euch als Gegentrumpf ihre Erfahrung und Behutsamkeit und Ihr werdet mit langer Nase abziehen.
Dieser höchste Trumpf der volksfeindlichen Partei besteht darin, daß auch der König von Preußen ein eigenhändiges Flugblatt in Betreff der Wahlen abgefaßt hat, das nun in Millionen Exemplaren unter das Landvolk in den verschiedenen Provinzen ausgetheilt wird. Den Inhalt dieses Schriftstücks wollen wir morgen mit einigen Worten beleuchten.
X Vom Rhein, 16. Januar. Von den reaktionären Flugblättern, durch welche man die Demokraten beim Volke zu verdächtigen sucht und deren eins (nach Nr. 192 d. Ztg.) den berüchtigten Harkort zum Verfasser haben soll, scheint die Elberfelderin den Vertrieb übernommen zu haben; uns wenigstens sind mit ihr die betreffenden Lügenwische zugegangen. Similis simili gaudet. Ob die Elberfelderin, um die Lüge glaublicher zu machen, die Unterschrift des einen Flugblattes durch Hinzufügung eines mit Dinte geschriebenen y vermehrt und verbessert hat, so daß aus Jacob „Jacoby“ wurde, wird sie selbst am besten wissen.
Es entspricht ganz dem frommen Charakter und der edlen Rolle dieser bekehrten Sünderin, daß sie zu Wahlkandidaten solche Leute empfiehlt, die sie vor dem 18. März selbst bekämpft hat, von denen es auch bekannt ist, daß sie mit Leib und Seele dem alten System angehörten, und die noch im September von Wittenberg aus einen Bußtag gegen den März ausgeschrieben haben. Diese Männer, die Gunstlinge und Helfershelfer von Eichhorn-Thiele, die evangelischen Professoren in Bonn, die Consistorialräthe, die Moderatoren der Synoden und Bethmann-Hollweg; sie, die nie den Mund aufthaten, weder für die Schule, noch für die Kirche, noch für das Volk, sollen nach der Elberfelderin die besten Vertreter dieser Freiheit sein.
Doch, Herr Venedey, esgibt genug Deutsche, die niederträchtig sind.
X Grevenbroich, (im Januar.) Die Wahlmanöver der Restauration, die im Jahre 1815 ein für Ludwig XVIII. selbst zu kontrerevolutionäre Kammer ergaben, werden bei weitem überboten durch die Operationen unsers Manteuffel. Es ist von allgemeinem Interesse, wenn die allgegenwärtigen Intriguen der gottbegnadeten Regierung von allen Theilen des Landes aus enthüllt und ihre Kandidaten dem öffentlichen Urtheil preisgegeben werden.
Die Zusammenwürfelung liberaler Kreise mit schwarzweißen in Einen Wahlbezirk ist eines der bekannten Hauptmanöver unsers Manteuffel und seiner Trabanten.
So wählen die Kreise Grevenbroich, Gladbach, Crefeld und Neuß zusammen zwei Deputirte für die erste Kammer in Neuß, die Kreise Grevenbroich und Gladbach zwei Deputirte für die zweite Kammer in Rheidt, dem verrufensten Sitze des Schwarzweißthums.
Auf einer vor Kurzem in Düsseldorf stattgehabten Versammlung der Landräthe der angeführten Kreise ist in Folge des Manteuffelschen Wahlrescripts ein Schlachtplan entworfen worden. Als Kandidaten der ersten Kammer wurden festgesetzt, der gefürstete Altgraf Salm zu Dyk (Alter zwischen 75 und 80 J.) und der Geh. Commercienrath Diergardt zu Viersen; als Kandidaten der zweiten Kammer: der Landrath von Grevenbroich, Freiherr von Gudenau und Regierungsrath Ritz von Aachen, der weggelaufene Deputirte, der von Gladbach gewählt.
Ritz ist hinlänglich bekannt. Sprechen wir von dem Freiherrn v. Gudenau, königl. preuß. Landrath zu Grevenbroich?
v. Gudenau hat in Nr. 53 des „Grevenbroicher Kreisblattes“ ein Glaubensbekenntniß abgelegt, worin es unter anderm heißt:
„Ich bin derselbe noch, der ich war, nur, wie wir alle, um große Erfahrungen reicher; denn meine politische Ueberzeugung gründet sich nicht auf Barrikaden, sondern auf die Weltgeschichte.“
Sehn wir also, was Herr von Gudenau war! Vorher aber noch ein Wort über die sonderbaren Erlebnisse seines im Kreisblatt veröffentlichten Glaubensbekenntnisses.
Als im Anfang November der Deputirte, Friedensrichter B. von Grevenbroich, durch Familienverhältnisse veranlaßt, sein Mandat niederlegte, wurde an seine Stelle v. Gudenau den 17. Nov. zum Deputirten gewählt. Gleich nach der Wahl hielt er eine Rede. In dem nächsten Kreisblatte vom 19. Nov. (Nr. 47) wurde er zur Veröffentlichung dieser Rede aufgefordert. Er schwieg damals und ging nach Brandenburg. Jetzt in Nr. 52 läßt er sich selbst durch einen Anonymus über jene Rede zur Rechenschaft ziehn. So erfolgte dann in Nr. 53 der Abdruck der angeblich am 17. gehaltenen Rede. Gudenau behauptet, seine Rede am Tage nach der Wahl, „wie er glaube wortgetreu“ niedergeschrieben zu haben.
Der dem Freiherrn gehorsamst unterthänige Bürgermeister und sonstige von ihm ressortirende Beamte sind seit lange schon fur ihn im Kreise thätig.
Gudenau ist ein Junker von ächtem Schrot und Korn. Wie hätte er sonst vom Grafen v. Mirbach adoptirt werden können? v. Gudenau ist ein geborner Oestreicher und in Wien erzogen.
Der Ritterhauptmann Graf v. Mirbach zu Haus Harff, Stifter und Protektor der Ritterakademie zu Bedburg, ist kinderlos: derselbe suchte unter seinen jugendlichen Verwandten den junkerhaftesten heraus, um ihn zum Erben seines zur Verewigung des Junkerthums in hiesiger Gegend gestifteten Familienfideikommisses oder Majorats zu machen. Die Wahl fiel auf v. Gudenau. Er wurde groß und mußte beweibt werden, um für die Vermehrung der Junker wirken zu können.
Natürlich wurde nur in altadliger Familie sich umgesehen. Die Tochter des Grafen Hoyos (des berüchtigten Gliedes der den Kaiser Ferdinand umgebenden Camarilla) wurde ausersehen.
Da der v. Gudenau zwar Junker, aber auch nur erst noch Junker und nur erst noch ein armer Junker, noch ohne Majorität (v. Mirbach lebt noch) und ohne jede öffentliche Stellung war, so erklärte Graf Hoyos, daß er ihm seine Tochter erst dann geben könne, wenn er zu irgend einer Stellung gelangt sei. Darauf erscheint von Gudenau auf einmal als Referendar in der Regierung zu Düsseldorf. Der alte Landrath von Propper zu Grevenbroich wird bald darauf durch v. Gudenau vertreten. Von Propper läßt sich nach einiger Zeit pensioniren. In der stattfindenden Landrathswahl wird der im Kreise geschätzte und beliebte Friedensrichter Bruch zum ersten und v. Gudenau zum dritten Candidaten vorgeschlagen.
Zum größten Erstaunen des ganzen Kreises wird v. Gudenau zum Landrath ernannt und v. Propper bezog in Folge Uebereinkunft bis an sein Lebensende aus dem Gehalte des v. Gudenau 500 Thlr. jährlich zu seiner reglementsmäßigen Pension, so daß dadurch seine Pension seinem frühern Gehalte gleich kam.
Der östreichische Junker v. Gudenau ist also preußischer Landrath — Schwiegersohn des östreichischen Grafen v. Hoyos, Schwager des vom Volke zerrissenen Grafen Lamberg und Erbe des preußischen Ritterhauptmanns, Gafen v. Mirbach und damit in Zukunft preußischer Graf und Majoratsherr.
Die Wahl im November wurde nicht öffentlich bekannt gemacht. Wenige Tage vor der Wahl wurden vielmehr die Wahlmänner schriftlich zur Wahl nach Grevenbroich einberufen und der Kreis fand sich nie mehr überrascht, als durch die Proklamation des Wahlkommissars v. Gudenau zum Deputirten. Die Wahlmänner, meistens Geistliche, waren im Stillen gehörig bearbeitet worden.
Die damals befolgte Taktik genügt nicht mehr, denn die alten Wahlmänner werden neuen Platz machen müssen. Daher diese neue Taktik. Man versucht den Kreis durch Phrasen zu erobern.
v. Gudenau war Deputirter auf dem vereinigten Landtag. Dort hat er stets mit der Regierung gestimmt, so oft die Regierung dem Volke gegenübertrat und sogar gegen die Regierung, wenn diese ausnahmsweise dem Volke eine halbe Konzession machte.
So stimmte er gegen die Regierungsvorlage, betreffend die Aufhebung der Mahl- und Schlachtsteuer und die Einführung der Einkommensteuer.
In der Frage wegen der großen Ostbahn stimmte er mit der fürstlich-gräflichen Minorität.
Endlich hat von Gudenau das berüchtigte Harkort'sche Manifest mitunterzeichnet und jetzt ruft er dem Wahlkreis höhnisch zu:
„Ich bin derselbe noch, der ich war.“
Der Kreis wird dem Herrn Junker nicht noch einmal die Mühe machen, „an großen Erfahrungen reicher zu werden.“
Altenkirchen, 15. Jan. Der Oberpräsident Eichmann hat Folgendes verfügt:
„Nachdem der königl. Regierungs-Assessor Wilhelmy daselbst die meinerseits an ihn gerichtete Frage: ob er die in Nro. 98 des Altenkirchener Intelligenz- und Kreisblattes abgedruckte Adresse an des Königs Majestät abgefaßt und veröffentlicht habe? in einem Schreiben vom 23. l. M. bejaht hat, beauftrage ich Sie, dem etc. Wilhelmy anzukündigen, daß er durch das königl. Ministerium für landwirthschaftliche Angelegenheiten seines bisherigen Commissoriums enthoben sei, seine sämmtlichen Dienstpapiere unverzüglich an Sie abzugeben habe und daß das königl. Ministerium die weitere Verfügung über ihn sich vorbehalte.
Koblenz, den 25. Dezember 1848.
Der Oberpräsident der Rheinprovinz, gez. Eichmann.
An den königl. Landrath Hrn. Frhrn. v. Hilgers zu Altenkirchen.“
(Rh.- u. M.-Z.)
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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