Neue Rheinische Zeitung. Nr. 201. Köln, 21. Januar 1849.männer wählen läßt, über deren Stockpreußenthum kein Mißtrauen obwaltet. Die "Errungenschaft" der Soldaten im ersten Jahre des preußischen Heils besteht also darin, daß sie zur Wahlurne geführt werden, wie die Schafe zur Schlachtbank. 068 Köln, 20. Januar. Unsern Lesern wird es nicht uninteressant sein, folgenden -- für die Offentlichkeit allerdings nicht bestimmten, sondern ganz vertraulich-Manteufel'schen -- Erlaß aus dem Ministerium des Innern an sämmtliche Regierungs-Präsidenten, und durch diese an alle Landräthe, Bürgermeister und -- Wahlkommissarien kennen zu lernen. Er lautet: "Es ist für die Regierung von Interesse sogleich nach Beendigung der am 22. d. Mts. und beziehungsweise 29. d. Mts. stattfindenden Urwahlen von dem Ausfall derselben Kenntniß zu erhalten. Das königl. Regierungs-Präsidium ersuche ich daher ergebenst die Wahlkommissarien des dortigen Regierungs-Bezirks zu veranlassen, daß sich dieselben zu diesem Zwecke mit den einzelnen Wahlvorstehern oder sonstigen zuverlässigen Einwohnern der Wahlorte in geeignete Verbindung setzen und mir sofort nach dem Empfange der desfallsigen Nachrichten unmittelbar anzeigen, in welchem Sinne die Urwahlen in ihrem Wahlbezirke ausgefallen sind. Diese Anzeige braucht weder von der vorgängigen formellen Prüfung der Wahlen abhängig gemacht werden noch eine vollständige Nachweisung der gewählten Wählmänner zu enthalten; vielmehr genügt es, das allgemeine Ergebniß der Urwahlen in soweit anzuzeigen, als sich daraus Vermuthungen über das Resultat der 14 Tage später stattfindenden Abgeordneten-Wahlen begründen lassen. Sofern sich diese Vermuthungen bereits auf die Person eines bestimmten Kandidaten richten lassen, wünsche ich hievon gleichzeitig Kenntniß zu erhalten; doch ist um deswillen die Berichterstattung nicht zu verzögern. Das königl Regierungs-Präsidium ersuche ich an die Wahlkommissarien hiernach schleunigst das Erforderliche zu verfügen. Berlin, 8. Januar 1849. Der Minister des Innern (gez.) Manteuffel." Als dieser Erlaß bei der Regierung zu Düsseldorf anlangte, beeilte sich der Präsident derselben, brevi manu Folgendes zu verfügen: "Abschrift an die Wahlkommissarien zur gefälligen Beachtung. -- Abschrift der Berichte an den Hrn. Minister bitte ich mir gefälligst zukommen zu lassen. Düsseldorf, 12. Januar 1849. Der Regierungs-Präsident." * Vom Rhein, 18. Januar. Der Sequester auf die metternich'sche Domäne Johannisberg (die er sich nach den sogenannten Freiheitskriegen schenken ließ und für die er bis zum Jahre 1848 nie einen Kreuzer Steuer entrichtet) ist jetzt wieder aufgehoben und dem Herrn Metternich zurückgestellt worden. Denn jener Sequester war bei der täglich steigenden Contrerevolution natürlich nicht länger zu dulden. 20 Elberfeld, 19. Januar. Heute wurden von den Steuerbehörden circa 50-60 Ctr. Kaffee in Beschlag genommen, der, ohne die Steuern zu zahlen, in das göttliche Wupperthal hereingeschmuggelt worden. Die Abladung sollte, wie man sagt, im Lokal für wahres Bürgerwohl geschehen; dies wurde jedoch von der Behörde verhindert. Die angeblichen Betheiligten sollen meistens Heuler und Personen sein, welche mit dem ersten Glockenklange mit journalgroßen Gesangbüchern zur Kirche eilen, und sich erboten haben, die Steuern pro 1849 vorauszuzahlen. Freilich könnte eine so patriotische Steuerzahlung unter bemeldeten Umständen wenig auffallen. Es wird aber dieser Vorfall seine Wirkungen auf die Wahlen nicht verfehlen, denn jetzt sieht man, wie die Reaction äußerlich patriotisches Schwarz und Weiß heraushängen läßt, im Innern aber schwärzer ist als ein Mohr! 119 Sinzig a. d. Ahr, 20. Januar. Welche Mühe und Kosten die Reaktion aufwendet, um in unserem Kreise und Stadt ihre Kandidaten durchzusetzen, das Volk zu bearbeiten und überall einzuwirken, davon mag Ihnen nachstehendes eine Idee geben. Im März v. J. wurde die Mehrzahl der hiesigen Beamten mit einem Schlage demokratisirt, die Berliner Revolution hatte wie ein Zauber gewirkt, die bekanntlich größten Royalisten träumten nur von Freiheit und schmeichelten dem Volke auf jede Art. Im Sommer schon wurde ein constitutionell-monarchischer Verein errichtet, der jedoch dem Herrn entschlafen ist; gemäß dem Ahrweiler Kreisblatt war der Präsident, Friedensrichter A., in der von ihm nach Bodendorf berufenen Versammlung allein, ganz allein erschienen und mußte dort leider seinem geliebten Kinde die Todesstunde versüßen. Am 15. Oktober aber schon ließ ein hiesiger, kurz vorher zum Landwehr-Premier-Lieutenant (quel bonheur) avancirter Beamter, nachdem sich am Morgen hier sowohl als in Remagen die Gemeinde zum Te Deum zu läuten geweigert hatte, des Abends aus Dankbarkeit für sein Avancement und in der Hoffnung baldiger Beförderung, wenigstens aus Sinzig, für sein Pulver einige Böller abschießen, damit doch etwas zur Tagesfeier geschehe. Jetzt endlich ist unsere, bei 2000 Seelen aus 22 Personen zusammengesetzte Beamtenwelt wieder schwarz-weißer wie früher, die reactionärsten Flugblätter werden in Masse, natürlich für des Volkes Geld, durch die Regierung an Bürgermeisterei und willige Diener gesandt. Eine am 17. Abends beim Pastor gehaltene Versammlung, zu der nur Beamte eingeladen waren, wird wahrscheinlich dem Werke die Krone aufsetzen sollen; ob die jüngste Anwesenheit des Ober-Präsidenten, der sich sehr angelegentlich nach der Volksstimmung erkundigt, sowie der Besuch eines Coblenzer Regierungsrathes diese Versammlung veranlaßt, darüber, sowie über deren Resultat, schwebt ein bureaukratisches Düster, die Mitglieder mußten Verschwiegenheit geloben, die baldigen Wahlen werden uns die Pläne der Volksfeinde enthüllen. Doch Alles ist umsonst, alle Bemühungen, das Volk nach ihrer Art zu bekehren, scheitern an dessen gesundem Sinne, keiner der heulenden Beamten wird gewählt, die Demokratie wird hier wie in der ganzen Welt siegen; der kommende Montag muß es zeigen! 105 Münster, 18. Jan. Es dürfte Ihnen nicht uninteressant sein, wenn ich Ihnen einige Aufschlüsse zu der geheimen Geschichte der Untersuchung gegen Temme mittheile. Es war natürlich ein fataler Umstand, daß so viele Juristen und insbesondere so viele Richter (nahe an 40) an dem Steuerverweigerungsbeschluß Theil genommen. Eine hohe Person hatte sich deshalb auch besonders über diejenigen Abgeordneten, welche dem höhern Richterstande angehören, mißfällig geäußert Einem derselben, der früher in hoher Gunst gestanden (Gierke), soll sogar durch die dritte Hand (Hansemann) der Antrag gemacht worden sein, auf seinen Richterposten zu verzichten, und dafür eine andere Entschädigung anzunehmen. Die Mittelsperson soll dabei geäußert haben, die übrigen werde man schon in sonstiger Weise zu beseitigen wissen. Wenn nun plötzlich die berüchtigten Adressen jener höheren Gerichtshöfe erschienen, so dürfte schon hieraus ein ziemlich klares Licht über deren Entstehung sich verbreiten. Zu denjenigen Personen, die sich einer hohen Gunst nicht zu erfreuen hatten, gehört Temme. Die Gerichte in Berlin sahen in der Steuerverweigerung kein Verbrechen. Die Gerichte in Münster dagegen hatten der Regierung schon im Anfange Dezember, durch Untersuchungen und Verhaftungen, ihre Bereitwilligkeit in Verfolgung sowohl des Steuerverweigerungsbeschlusses als auch mißliebiger Personen überhaupt an den Tag gelegt. Durch die Gerichte in Münster war also auch gegen Temme zu wirken, obendrein da dieser Temme nicht angenehm war, weil er im Sommer gegen Erwarten als Direktor in das Kollegium eingeschoben ward. Der Präsident des Oberlandesgerichts zu Münster ist ein Bruder des Intendanten v. Olfers zu Berlin, eines sehr bekannten Werkzeuges der Potsdamer Camarilla und der Preußenvereine. Zweifeln Sie noch, wie die Untersuchung gegen Temme entstanden ist? -- Ein Schwiegersohn des Präsidenten v. Olfers, der Assessor v. Stockhausen, soll sogar auf eigene Hand (?) die Untergerichte des Departements zu Mißtrauensadressen gegen Temme aufgefordert haben. Von der andern Seite spielt auch der hiesige Regierungspräsident eine Rolle in der Sache und wer dessen genaue Verbindung mit dem Minister Manteufel kennt, wird gleichfalls nicht zweifeln können, wo die geheimen Fäden dieser Untersuchung zu finden sind. 126 Münster, 19. Jan. Zu den westphälischen "public characters", welche sich als die eifrigsten Handlanger des Hohenzollern'schen Bajonett-Ministeriums bemerkbar gemacht, gehört auch der bis jetzt noch immer mögliche Regierungspräsident v. Bodelschwingh, die brüderliche Liebe des bekannten Exministers. Die Satrapenstelle des Hrn. v. Flottwell versehend, ist er die Seele der reaktionären Umtriebe auf rother Erde und der intellectuelle Urheber jener politischen Verfolgungen, deren Opfer in den Zellen des hiesigen Zuchthauses schmachten. Hr. v. Bodelschwingh ist ein Reaktionär vom reinsten Wasser und reinsten märkischen Vollblut, der früher als sogenannter Generalmandatar seiner Familie und ritterlichen Sippschaft, bei den Landleuten in der Umgegend von Heide und Pelkum noch in zu gutem Andenken steht, als daß jemals das Gras der Vergessenheit darüber wachsen sollte. Die Bauern werden sich stets erinnern, mit welcher rastlosen Sorgfalt er Pächte, Zinsgelder und Prästationen aller Art, selbst bis zum Betrage von 6 Pfennigen, wegen nicht eingehaltenen Verfalltags auf's prompteste vermittelst gerichtlicher Klagen und Exekutionen einzuziehen wußte. Daß die armen Bauern wegen eines Groschens oft mehrere Thaler an Gerichtskosten zahlen mußten, das fand seine Erledigung in dem Spruche: Fiat justitia, pereat mundus! Der Generalmandatar hatte außerdem das Verdienst, der Bruder eines Ministers zu sein und das genügte, um ihn die altpreußische Stufenleiter als Landrath, Oberregierungsrath, Regierungspräsident besteigen zu lassen. Die Verdienste des Hrn. v. Bodelschwingh in diesen einträglichen, höheren Verwaltungschargen um Beförderung echt pietistischer Kreaturen in allen Ressorts seines amtlichen Wirkungskreises, liegen hundertfältig zu Tage; sie gingen mit dem Korruptionssystem des Bodelschwingh-Eichhorn'schen Gouvernements Hand in Hand und würden die Unsterblichkeit des Herrn Vizepräsidenten unzweifelhaft sicher stellen, wenn das Ministerium Brandenburg-Manteufel überhaupt unsterblich wäre. Während des vorigen Sommers, wo die Contrerevolution ihre Vorbereitungen traf, feierte auch unser Herr Vizepräsident nicht, er sammelte aus allen Kreisen der Provinz tausende von Denunziationen, welche seine geschäftigen Satelliten ihm einlieferten und beutete, als die Siegesglocke der Potsdamer Camarilla am 9. November v. J. ertönte, die behaglich in seinem Kabinet aufgethürmten Ballen aus, um die betreffenden Proskriptionslisten in süßer Gewissenhaftigkeit anzufertigen. Welche heitere Erquickung für die altpreußische, in ihrer ritterlichen Uebertreibung noch herzerwärmende Gewissenhaftigkeit des Hrn. Präsidenten, der im Münsterschen Stadtgericht einen dienstergebenen Beistand zu finden wußte! Schlau ist der Mann, und seht ihr in die schielenden Luxaugen, so überkommt euch ein Frösteln, und schaut ihr vollends jenes sardonische Lächeln einer stolz affectirten Demuth, welches die Wangen des Präsidialantlitzes in eben so viele geheimnißvolle Falten zieht, wie der Mexikanische Meerbusen Inseln hat, dann beschleicht euch ein ganz absonderliches Gefühl, und ihr seid nahe daran, wenigstens in Gedanken das heilige Lied zu singen: "Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben?" X Berlin, 18. Jan. Heute Vormittag begaben sich die Vertreter einiger zwanzig hiesiger Stadtbezirke zum Magistrat, um von demselben zu erlangen, daß er die Eintheilung der Stadt in drei oder vier größere Wahlbezirke veröffentliche, noch ehe ihm das Resultat der Wahlmännerwahlen bekannt sei. Eingegeben von dem gerechten Mißtrauen gegen den durch und durch reaktionären Magistrat, welcher die Eintheilung der größern Wahlbezirke gern so vornehmen möchte, daß die reaktionäre Partei in zwei Wahlbezirken die Majorität habe, fand dieser Schritt natürlich bei unserm Magistrat keine freundliche Aufnahme. Der Bürgermeister Naunyn beschwerte sich sogar bei der Deputation über das, aus ihrer Forderung hervorleuchtende Mißtrauen und verwies dieselbe an die, mit Allem, was die Wahl-Angelegenheiten betreffe, beauftragte Kommission. Dieselbe werde heute Abend eine Sitzung halten; man solle sich an sie wenden. Da sie aus den bekannten Reaktionären Keibel und Möwes und dem höchstens als indifferent zu bezeichnenden Seeger besteht, so ist für den Schritt der Deputation wenig Erfolg zu hoffen. Wie sehr übrigens auch die reaktionäre Partei auf das Gelingen dieses Manövers rechnet, das darin besteht, einen der größern Wahlbezirke den Demokraten ganz zu überlassen, um dafür in den beiden andern eine wenn auch schwache Majorität zu erlisten -- davon zeigt auch der Umstand, daß von dieser Seite her für die zweite Kammer überhaupt nur sechs Kandidaten vorgeschlagen werden. Als solche nennt man uns den Oberbergrath Kühne, Professor Keller, Devoranne, Borsig, v. Griesheim und den Commerzienrath und Pietisten Behrend. Wenn durch die Mitwirkung des Magistrats dieses perfide Manöver gelingt, so können die Berliner Wahlen von vorn herein als verfälschte bezeichnet werden. Denn aus einer demokratischen Majorität von Wahlmännern würde dann eine reaktionäre Majorität von Vertretern hervorgegangen sein. Der Bau-Kondukteur Uhlmann, zu Brandenburg in Haft, ist in geheimer Sitzung des Kammergerichts wegen Majestätsbeleidigung und versuchten Aufruhrs in erster Instanz zu achtmonatlichem Festungsarrest verurtheilt; er sollte vorläufig nach einer Festung abgeführt werden; sie sind aber alle mit Staatsgefangenen so sehr besetzt, daß nur die Festung Stettin ihn, wie die Kommandantur erklärt hat, in eine Bodenkammer aufnehmen kann, in welcher sich nichts als eine leere Bettstelle befindet. Das bekannte Versammlungslokal der Linken bei Jaroschewitz ist seit einiger Zeit an einen neuen Besitzer übergegangen. Derselbe mußte nach den bestehenden Polizeigesetzen beim Jahreswechsel eine Erneuerung seiner Konzession nachsuchen. Diese ward ihm aber bis jetzt verweigert, weil er sein Lokal zu demokratischen Wahlversammlungen hergegeben habe. Das Gehässige dieser Polizeiwillkür tritt noch mehr hervor, wenn man weiß, daß die Veranstalter dieser Versammlungen alle Wrangelschen Vorschriften betreffs der Vorversammlungen erfüllt hatten. Aus guter Quelle wird uns versichert, der bekannte Maschinen-Fabrikant Borsig mache von seiner industriellen Stellung den gehässigsten politischen Gebrauch, indem er seine Arbeiter durch Androhung von Entlassung zu zwingen sucht, in seinem Sinne bei den Wahlen zu stimmen. Man sieht, Herr Borsig, der im Sommer mit der Demokratie und namentlich mit seinen Arbeitern so fleißig liebäugelte, hat seit dem November viel Muth bekommen, und hat namentlich im Umgange mit Herrn Harkort und andern Ehrenmännern dieses Schlages, schöne Begriffe von politischer Ehrenhaftigkeit angenommen. Während von allen Seiten, selbst von der Harkort'schen Parlaments-Korrespondenz, die sehr oft aus amtlichen Quellen schöpft, die Aufhebung des Belagerungszustandes, vor Eintritt der Wahlen, gemeldet wurde: fängt man seit heute an zu glauben, daß die octroyirten Segnungen dieser modernen konstitutionellen Erfindung Berlin noch länger begnaden werden. Man schließt dies namentlich aus dem neuen, wahrhaft draconischen Erlaß Vater Wrangel's gegen politische Publikationen jeder Art. Nur frägt man sich hierbei, ob das Verbot des Druckes politischer Flugblätter auch auf Wahlprogramme aller Parteien, auf "Ansprachen an die Wähler", "Enthüllungen", Harkort'sche "Briefe an die Handwerker", "Artikel eines alten Schulmeisters" und andere derartige saubere Produkte der reaktionären Presse ausgedehnt werden wird, und ob dieselbe fortan die Wrangel'sche Druckerlaubniß an ihrer Spitze tragen werden. -- Ebenso frägt man sich, ob eine andere Wrangel'sche Verfügung, welche in einem, den Bezirksvorstehern mitgetheilten Rescript des Polizeipräsidiums enthalten ist und das Vorlesen und Vertheilen auf die Wahlangelegenheiten nicht direkt bezüglicher Parteischriften verbietet, eine unparteiische Vollziehung finden wird. Alle diese octroyirten Beschränkungen der gesetzlichen Freiheiten sind übrigens, wir können es Herrn Manteuffel versichern, ebenso viel treffliche Werbemittel für die Demokratie. Also immer fleißig, meine Herren! Tant pis, tant mieux! Ein fernerer Beitrag zu der Art, wie unsere konstitutionellen Minister die politischen Rechte ihrer Unterbeamten ehren, ist folgende verbürgte Thatsache. Der bekannte Hr. v. Griesheim ließ dieser Tage einen höhern Beamten des Kriegsministeriums in sein Kabinet rufen und überschüttete ihn mit Vorwürfen wegen seiner demokratischen Gesinnungen und deren Kundgebung in den Wahl-Vorversammlungen. Eine solche Gesinnung vertrage sich durchaus nicht mit seiner Stellung. Wenn er in dieser Weise fortfahre, so werde sich das Ministerium genöthigt sehen, ihn seines Amtes zu entsetzen. Der zur Rede gestellte Beamte antwortete jedoch seinem büreaukratischen Vorgesetzten in einer sehr energischen Weise und drohte ihm mit Veröffentlichung, falls man sich die mindeste, auf Meinungsinquisition begründete ungesetzliche Maßregel gegen ihn erlaube. Diese Thatsache ist übrigens nicht die einzige der Art, die wir aus dem Kriegsministerium erzählen können. 24 Berlin, 18. Januar. Das liebliche Ordensfest, das die Vereinbarer in ihrer teuflischen Ruchlosigkeit für überflüssig hielten, meinend, das schwere Geld, welches es den Taschen der geliebten Unterthanen kostet, sei besser verwendbar, z. B. um einige hungerbegnadete Volksschullehrer sich einmal satt essen zu lassen: Dieses Ordens- (auch Krönungs- und neustes Contrerevolutions-) Fest wurde heute im hiesigen Schlosse mit erhöhtem Glanze begangen. Ja, es fehlte auch nicht an dem gewöhnlichen Schauspiele in der Hofkapelle, wo der bekannte Lämmelbruder, Hofprediger Gerlach, nachwies, daß Christus noch am Kreuze die Institution des königlich-preußischen Ordensfestes, wenn nicht ausdrücklich befohlen, so doch ziemlich klar angedeutet habe, indem er zu dem einen Schächer sagte: heute wirst Du mit mir im Himmelreiche sein! O, es gab diesmal eine große, lange Liste von Ordensrittern, die wegen ihrer Heldenthaten in Schleswig-Holstein (die kürzlich Ihre Zeitung mit wenig Worten gewürdigt hat), im Posen'schen und -- in Frankfurt a/M. dekorirt werden mußten. Obenan steht natürlich Hr. Wrangel; hat er doch seine Sache in Schlesweg-Holstein gar vortrefflich gemacht, so daß er in seiner wahren Eigenschaft erst später durchschaut wurde. Dafür bekam er den Militär-Verdienst-Orden und für seine Constablerischen Siege in den "grasbewachsenen" Straßen Berlins trug er den "rothen Adler-Orden erster Klasse mit Eichenlaub und Schwetern" (die "Kugeln in der Büchse" fehlten!) davon. General v. Shrapnell ist von nun an wegen des heroischen Muthes und der Unerschrockenheit seiner Shrapnells Träger des "Sterns zum Rothen Adler-Orden 2ter Klasse mit Eichenlaub und Schwertern" (und 7 neuen Shrapnells). Der Zusatz: "Schwerter" ist eine reine November-Errungenschaft. Der im März vom Volk begnadigte v. Möllerdorff: Den "Militär-Verdienst-Orden ohne Eichenlaub." Nebst ihm sind noch 14 auf gleiche Weise bedacht. Mit gerothvögelten Adlern 3ter Klasse (auch hier spukt die "Schwerter-Erfindung" herein) wurden versehen: 23 christlich-germanische Helden, mit dito dito 4ter Klasse (mit und ohne Schwerter) 123 militärische Patrioten; mit dito dito 4ter Klasse: 78 meist civilistische Patrioten. Darunter (unter der 3ten Klasse) Herr v. Ammon in Köln, Graf Hatzfeld; (vierte Klasse) Camphausen (von!!) und Siebel in Barmen. Das "allgemeine Ehren-Zeichen," das beim Volke unter einem andern Namen bekannter ist, beseeligte 51 Personen. Vergebens blicken wir die Liste von oben bis unten, von den Rothvögeln bis zu jenen Zeichen durch: wir finden Personen ausgelassen, deren Verdienste doch laut genug sprechen, um an einem christlich-germanischen Tage eine Anerkennung zu verdienen. So vermissen wir unter Andern den königl. preuß. Kommunisten Drigalski, verdienstvollen und siegreichen Belagerer Düsseldorf's; wir vermissen Hrn. Hecker (den Ex-Kölner, jetzigen Wupperthaler notabene), dessen Ehrenzeichen die Inschrift verdient: cedant arma togae; wir vermissen Hrn. Geiger, Ex-Kommiß- und nun wirkli- (Siehe den Verfolg in der 1. Beilage) könne -- einfache Bemerkungen, die sich durch zwei oder drei Stunden hinwinden. Kurz und bündig ziehst du dann die Gränzen deiner etwaigen Rede -- um natürlich nie innerhalb dieser Gränzen zu bleiben, sondern abzuschweifen und dich über Spanien und Portugal zu ergehen, über die heilige Allianz zu sprechen und über die Noth der arbeitenden Klasse, über deine Zuneigung zu Don Carlos und über englische Wettrennen und über Alles, nur nicht über das, was ursprünglich zum Ziele gesteckt wurde. Bist du mit deiner Exposition fertig, so gibst du dich an die Argumentation und argumentirst mit Händen und Füßen, bis es deinen Zuhörern gelb und grün vor den Augen wird, ja, bis sie zu gähnen anfangen aus reinem Erstaunen vor deiner entsetzlichen Gelehrsamkeit. Dann aber brichst du plötzlich ab und rüstest dich zu der ersten Attaque auf deine Gegner, ein Uebergang, der nie seine Wirkung verfehlt, der die Einschlafenden emporrüttelt und sie unwillkührlich in einen neuen Strom deiner Beredsamkeit hineinreißt. Mit Keulen schlägst du anfangs um dich, mit dem Morgenstern echt adliger Unverschämtheit; dann ziehst du den krummen Säbel des Humors und zuletzt spielst du mit dem Dolche des Witzes, der spitz die Herzen trifft und tödtet, wo bisher nur verwundet wurde. Schrecken, Lachen und lustige Thränen folgen deinen Worten -- doch da änderst du plötzlich deinen Ton und wie du bisher als gewandter Gladiator deinen Gegenstand tief im Staube behandeltest: so schwingst du dich jetzt auf das stolze, hochtrabende Schlachtroß des Pathos und galloppirst zermalmend über die Kadaver deiner Feinde, die Posaune des Sieges an die Lippen drückend, um unter dem kaum verhaltenen Jubel der Versammlung in wenigen mystischen Worten den Schluß zu sprechen, wo die Stenographen sich den Schweiß von der Stirn trocknen und das Haus "is ringing with cheers for several minutes." Schnapphahnski sprach's. Er ging hin, und wenn er auch kein Montalembert wurde, kein Larochejaquelin, kein Lamartine, kein Guizot, kein Thiers, kein Redner des Unterhauses oder des Oberhauses, so wurde er wenigstens -- -- nun was wurde er denn? männer wählen läßt, über deren Stockpreußenthum kein Mißtrauen obwaltet. Die „Errungenschaft“ der Soldaten im ersten Jahre des preußischen Heils besteht also darin, daß sie zur Wahlurne geführt werden, wie die Schafe zur Schlachtbank. 068 Köln, 20. Januar. Unsern Lesern wird es nicht uninteressant sein, folgenden — für die Offentlichkeit allerdings nicht bestimmten, sondern ganz vertraulich-Manteufel'schen — Erlaß aus dem Ministerium des Innern an sämmtliche Regierungs-Präsidenten, und durch diese an alle Landräthe, Bürgermeister und — Wahlkommissarien kennen zu lernen. Er lautet: „Es ist für die Regierung von Interesse sogleich nach Beendigung der am 22. d. Mts. und beziehungsweise 29. d. Mts. stattfindenden Urwahlen von dem Ausfall derselben Kenntniß zu erhalten. Das königl. Regierungs-Präsidium ersuche ich daher ergebenst die Wahlkommissarien des dortigen Regierungs-Bezirks zu veranlassen, daß sich dieselben zu diesem Zwecke mit den einzelnen Wahlvorstehern oder sonstigen zuverlässigen Einwohnern der Wahlorte in geeignete Verbindung setzen und mir sofort nach dem Empfange der desfallsigen Nachrichten unmittelbar anzeigen, in welchem Sinne die Urwahlen in ihrem Wahlbezirke ausgefallen sind. Diese Anzeige braucht weder von der vorgängigen formellen Prüfung der Wahlen abhängig gemacht werden noch eine vollständige Nachweisung der gewählten Wählmänner zu enthalten; vielmehr genügt es, das allgemeine Ergebniß der Urwahlen in soweit anzuzeigen, als sich daraus Vermuthungen über das Resultat der 14 Tage später stattfindenden Abgeordneten-Wahlen begründen lassen. Sofern sich diese Vermuthungen bereits auf die Person eines bestimmten Kandidaten richten lassen, wünsche ich hievon gleichzeitig Kenntniß zu erhalten; doch ist um deswillen die Berichterstattung nicht zu verzögern. Das königl Regierungs-Präsidium ersuche ich an die Wahlkommissarien hiernach schleunigst das Erforderliche zu verfügen. Berlin, 8. Januar 1849. Der Minister des Innern (gez.) Manteuffel.“ Als dieser Erlaß bei der Regierung zu Düsseldorf anlangte, beeilte sich der Präsident derselben, brevi manu Folgendes zu verfügen: „Abschrift an die Wahlkommissarien zur gefälligen Beachtung. — Abschrift der Berichte an den Hrn. Minister bitte ich mir gefälligst zukommen zu lassen. Düsseldorf, 12. Januar 1849. Der Regierungs-Präsident.“ * Vom Rhein, 18. Januar. Der Sequester auf die metternich'sche Domäne Johannisberg (die er sich nach den sogenannten Freiheitskriegen schenken ließ und für die er bis zum Jahre 1848 nie einen Kreuzer Steuer entrichtet) ist jetzt wieder aufgehoben und dem Herrn Metternich zurückgestellt worden. Denn jener Sequester war bei der täglich steigenden Contrerevolution natürlich nicht länger zu dulden. 20 Elberfeld, 19. Januar. Heute wurden von den Steuerbehörden circa 50-60 Ctr. Kaffee in Beschlag genommen, der, ohne die Steuern zu zahlen, in das göttliche Wupperthal hereingeschmuggelt worden. Die Abladung sollte, wie man sagt, im Lokal für wahres Bürgerwohl geschehen; dies wurde jedoch von der Behörde verhindert. Die angeblichen Betheiligten sollen meistens Heuler und Personen sein, welche mit dem ersten Glockenklange mit journalgroßen Gesangbüchern zur Kirche eilen, und sich erboten haben, die Steuern pro 1849 vorauszuzahlen. Freilich könnte eine so patriotische Steuerzahlung unter bemeldeten Umständen wenig auffallen. Es wird aber dieser Vorfall seine Wirkungen auf die Wahlen nicht verfehlen, denn jetzt sieht man, wie die Reaction äußerlich patriotisches Schwarz und Weiß heraushängen läßt, im Innern aber schwärzer ist als ein Mohr! 119 Sinzig a. d. Ahr, 20. Januar. Welche Mühe und Kosten die Reaktion aufwendet, um in unserem Kreise und Stadt ihre Kandidaten durchzusetzen, das Volk zu bearbeiten und überall einzuwirken, davon mag Ihnen nachstehendes eine Idee geben. Im März v. J. wurde die Mehrzahl der hiesigen Beamten mit einem Schlage demokratisirt, die Berliner Revolution hatte wie ein Zauber gewirkt, die bekanntlich größten Royalisten träumten nur von Freiheit und schmeichelten dem Volke auf jede Art. Im Sommer schon wurde ein constitutionell-monarchischer Verein errichtet, der jedoch dem Herrn entschlafen ist; gemäß dem Ahrweiler Kreisblatt war der Präsident, Friedensrichter A., in der von ihm nach Bodendorf berufenen Versammlung allein, ganz allein erschienen und mußte dort leider seinem geliebten Kinde die Todesstunde versüßen. Am 15. Oktober aber schon ließ ein hiesiger, kurz vorher zum Landwehr-Premier-Lieutenant (quel bonheur) avancirter Beamter, nachdem sich am Morgen hier sowohl als in Remagen die Gemeinde zum Te Deum zu läuten geweigert hatte, des Abends aus Dankbarkeit für sein Avancement und in der Hoffnung baldiger Beförderung, wenigstens aus Sinzig, für sein Pulver einige Böller abschießen, damit doch etwas zur Tagesfeier geschehe. Jetzt endlich ist unsere, bei 2000 Seelen aus 22 Personen zusammengesetzte Beamtenwelt wieder schwarz-weißer wie früher, die reactionärsten Flugblätter werden in Masse, natürlich für des Volkes Geld, durch die Regierung an Bürgermeisterei und willige Diener gesandt. Eine am 17. Abends beim Pastor gehaltene Versammlung, zu der nur Beamte eingeladen waren, wird wahrscheinlich dem Werke die Krone aufsetzen sollen; ob die jüngste Anwesenheit des Ober-Präsidenten, der sich sehr angelegentlich nach der Volksstimmung erkundigt, sowie der Besuch eines Coblenzer Regierungsrathes diese Versammlung veranlaßt, darüber, sowie über deren Resultat, schwebt ein bureaukratisches Düster, die Mitglieder mußten Verschwiegenheit geloben, die baldigen Wahlen werden uns die Pläne der Volksfeinde enthüllen. Doch Alles ist umsonst, alle Bemühungen, das Volk nach ihrer Art zu bekehren, scheitern an dessen gesundem Sinne, keiner der heulenden Beamten wird gewählt, die Demokratie wird hier wie in der ganzen Welt siegen; der kommende Montag muß es zeigen! 105 Münster, 18. Jan. Es dürfte Ihnen nicht uninteressant sein, wenn ich Ihnen einige Aufschlüsse zu der geheimen Geschichte der Untersuchung gegen Temme mittheile. Es war natürlich ein fataler Umstand, daß so viele Juristen und insbesondere so viele Richter (nahe an 40) an dem Steuerverweigerungsbeschluß Theil genommen. Eine hohe Person hatte sich deshalb auch besonders über diejenigen Abgeordneten, welche dem höhern Richterstande angehören, mißfällig geäußert Einem derselben, der früher in hoher Gunst gestanden (Gierke), soll sogar durch die dritte Hand (Hansemann) der Antrag gemacht worden sein, auf seinen Richterposten zu verzichten, und dafür eine andere Entschädigung anzunehmen. Die Mittelsperson soll dabei geäußert haben, die übrigen werde man schon in sonstiger Weise zu beseitigen wissen. Wenn nun plötzlich die berüchtigten Adressen jener höheren Gerichtshöfe erschienen, so dürfte schon hieraus ein ziemlich klares Licht über deren Entstehung sich verbreiten. Zu denjenigen Personen, die sich einer hohen Gunst nicht zu erfreuen hatten, gehört Temme. Die Gerichte in Berlin sahen in der Steuerverweigerung kein Verbrechen. Die Gerichte in Münster dagegen hatten der Regierung schon im Anfange Dezember, durch Untersuchungen und Verhaftungen, ihre Bereitwilligkeit in Verfolgung sowohl des Steuerverweigerungsbeschlusses als auch mißliebiger Personen überhaupt an den Tag gelegt. Durch die Gerichte in Münster war also auch gegen Temme zu wirken, obendrein da dieser Temme nicht angenehm war, weil er im Sommer gegen Erwarten als Direktor in das Kollegium eingeschoben ward. Der Präsident des Oberlandesgerichts zu Münster ist ein Bruder des Intendanten v. Olfers zu Berlin, eines sehr bekannten Werkzeuges der Potsdamer Camarilla und der Preußenvereine. Zweifeln Sie noch, wie die Untersuchung gegen Temme entstanden ist? — Ein Schwiegersohn des Präsidenten v. Olfers, der Assessor v. Stockhausen, soll sogar auf eigene Hand (?) die Untergerichte des Departements zu Mißtrauensadressen gegen Temme aufgefordert haben. Von der andern Seite spielt auch der hiesige Regierungspräsident eine Rolle in der Sache und wer dessen genaue Verbindung mit dem Minister Manteufel kennt, wird gleichfalls nicht zweifeln können, wo die geheimen Fäden dieser Untersuchung zu finden sind. 126 Münster, 19. Jan. Zu den westphälischen „public characters“, welche sich als die eifrigsten Handlanger des Hohenzollern'schen Bajonett-Ministeriums bemerkbar gemacht, gehört auch der bis jetzt noch immer mögliche Regierungspräsident v. Bodelschwingh, die brüderliche Liebe des bekannten Exministers. Die Satrapenstelle des Hrn. v. Flottwell versehend, ist er die Seele der reaktionären Umtriebe auf rother Erde und der intellectuelle Urheber jener politischen Verfolgungen, deren Opfer in den Zellen des hiesigen Zuchthauses schmachten. Hr. v. Bodelschwingh ist ein Reaktionär vom reinsten Wasser und reinsten märkischen Vollblut, der früher als sogenannter Generalmandatar seiner Familie und ritterlichen Sippschaft, bei den Landleuten in der Umgegend von Heide und Pelkum noch in zu gutem Andenken steht, als daß jemals das Gras der Vergessenheit darüber wachsen sollte. Die Bauern werden sich stets erinnern, mit welcher rastlosen Sorgfalt er Pächte, Zinsgelder und Prästationen aller Art, selbst bis zum Betrage von 6 Pfennigen, wegen nicht eingehaltenen Verfalltags auf's prompteste vermittelst gerichtlicher Klagen und Exekutionen einzuziehen wußte. Daß die armen Bauern wegen eines Groschens oft mehrere Thaler an Gerichtskosten zahlen mußten, das fand seine Erledigung in dem Spruche: Fiat justitia, pereat mundus! Der Generalmandatar hatte außerdem das Verdienst, der Bruder eines Ministers zu sein und das genügte, um ihn die altpreußische Stufenleiter als Landrath, Oberregierungsrath, Regierungspräsident besteigen zu lassen. Die Verdienste des Hrn. v. Bodelschwingh in diesen einträglichen, höheren Verwaltungschargen um Beförderung echt pietistischer Kreaturen in allen Ressorts seines amtlichen Wirkungskreises, liegen hundertfältig zu Tage; sie gingen mit dem Korruptionssystem des Bodelschwingh-Eichhorn'schen Gouvernements Hand in Hand und würden die Unsterblichkeit des Herrn Vizepräsidenten unzweifelhaft sicher stellen, wenn das Ministerium Brandenburg-Manteufel überhaupt unsterblich wäre. Während des vorigen Sommers, wo die Contrerevolution ihre Vorbereitungen traf, feierte auch unser Herr Vizepräsident nicht, er sammelte aus allen Kreisen der Provinz tausende von Denunziationen, welche seine geschäftigen Satelliten ihm einlieferten und beutete, als die Siegesglocke der Potsdamer Camarilla am 9. November v. J. ertönte, die behaglich in seinem Kabinet aufgethürmten Ballen aus, um die betreffenden Proskriptionslisten in süßer Gewissenhaftigkeit anzufertigen. Welche heitere Erquickung für die altpreußische, in ihrer ritterlichen Uebertreibung noch herzerwärmende Gewissenhaftigkeit des Hrn. Präsidenten, der im Münsterschen Stadtgericht einen dienstergebenen Beistand zu finden wußte! Schlau ist der Mann, und seht ihr in die schielenden Luxaugen, so überkommt euch ein Frösteln, und schaut ihr vollends jenes sardonische Lächeln einer stolz affectirten Demuth, welches die Wangen des Präsidialantlitzes in eben so viele geheimnißvolle Falten zieht, wie der Mexikanische Meerbusen Inseln hat, dann beschleicht euch ein ganz absonderliches Gefühl, und ihr seid nahe daran, wenigstens in Gedanken das heilige Lied zu singen: „Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben?“ X Berlin, 18. Jan. Heute Vormittag begaben sich die Vertreter einiger zwanzig hiesiger Stadtbezirke zum Magistrat, um von demselben zu erlangen, daß er die Eintheilung der Stadt in drei oder vier größere Wahlbezirke veröffentliche, noch ehe ihm das Resultat der Wahlmännerwahlen bekannt sei. Eingegeben von dem gerechten Mißtrauen gegen den durch und durch reaktionären Magistrat, welcher die Eintheilung der größern Wahlbezirke gern so vornehmen möchte, daß die reaktionäre Partei in zwei Wahlbezirken die Majorität habe, fand dieser Schritt natürlich bei unserm Magistrat keine freundliche Aufnahme. Der Bürgermeister Naunyn beschwerte sich sogar bei der Deputation über das, aus ihrer Forderung hervorleuchtende Mißtrauen und verwies dieselbe an die, mit Allem, was die Wahl-Angelegenheiten betreffe, beauftragte Kommission. Dieselbe werde heute Abend eine Sitzung halten; man solle sich an sie wenden. Da sie aus den bekannten Reaktionären Keibel und Möwes und dem höchstens als indifferent zu bezeichnenden Seeger besteht, so ist für den Schritt der Deputation wenig Erfolg zu hoffen. Wie sehr übrigens auch die reaktionäre Partei auf das Gelingen dieses Manövers rechnet, das darin besteht, einen der größern Wahlbezirke den Demokraten ganz zu überlassen, um dafür in den beiden andern eine wenn auch schwache Majorität zu erlisten — davon zeigt auch der Umstand, daß von dieser Seite her für die zweite Kammer überhaupt nur sechs Kandidaten vorgeschlagen werden. Als solche nennt man uns den Oberbergrath Kühne, Professor Keller, Devoranne, Borsig, v. Griesheim und den Commerzienrath und Pietisten Behrend. Wenn durch die Mitwirkung des Magistrats dieses perfide Manöver gelingt, so können die Berliner Wahlen von vorn herein als verfälschte bezeichnet werden. Denn aus einer demokratischen Majorität von Wahlmännern würde dann eine reaktionäre Majorität von Vertretern hervorgegangen sein. Der Bau-Kondukteur Uhlmann, zu Brandenburg in Haft, ist in geheimer Sitzung des Kammergerichts wegen Majestätsbeleidigung und versuchten Aufruhrs in erster Instanz zu achtmonatlichem Festungsarrest verurtheilt; er sollte vorläufig nach einer Festung abgeführt werden; sie sind aber alle mit Staatsgefangenen so sehr besetzt, daß nur die Festung Stettin ihn, wie die Kommandantur erklärt hat, in eine Bodenkammer aufnehmen kann, in welcher sich nichts als eine leere Bettstelle befindet. Das bekannte Versammlungslokal der Linken bei Jaroschewitz ist seit einiger Zeit an einen neuen Besitzer übergegangen. Derselbe mußte nach den bestehenden Polizeigesetzen beim Jahreswechsel eine Erneuerung seiner Konzession nachsuchen. Diese ward ihm aber bis jetzt verweigert, weil er sein Lokal zu demokratischen Wahlversammlungen hergegeben habe. Das Gehässige dieser Polizeiwillkür tritt noch mehr hervor, wenn man weiß, daß die Veranstalter dieser Versammlungen alle Wrangelschen Vorschriften betreffs der Vorversammlungen erfüllt hatten. Aus guter Quelle wird uns versichert, der bekannte Maschinen-Fabrikant Borsig mache von seiner industriellen Stellung den gehässigsten politischen Gebrauch, indem er seine Arbeiter durch Androhung von Entlassung zu zwingen sucht, in seinem Sinne bei den Wahlen zu stimmen. Man sieht, Herr Borsig, der im Sommer mit der Demokratie und namentlich mit seinen Arbeitern so fleißig liebäugelte, hat seit dem November viel Muth bekommen, und hat namentlich im Umgange mit Herrn Harkort und andern Ehrenmännern dieses Schlages, schöne Begriffe von politischer Ehrenhaftigkeit angenommen. Während von allen Seiten, selbst von der Harkort'schen Parlaments-Korrespondenz, die sehr oft aus amtlichen Quellen schöpft, die Aufhebung des Belagerungszustandes, vor Eintritt der Wahlen, gemeldet wurde: fängt man seit heute an zu glauben, daß die octroyirten Segnungen dieser modernen konstitutionellen Erfindung Berlin noch länger begnaden werden. Man schließt dies namentlich aus dem neuen, wahrhaft draconischen Erlaß Vater Wrangel's gegen politische Publikationen jeder Art. Nur frägt man sich hierbei, ob das Verbot des Druckes politischer Flugblätter auch auf Wahlprogramme aller Parteien, auf „Ansprachen an die Wähler“, „Enthüllungen“, Harkort'sche „Briefe an die Handwerker“, „Artikel eines alten Schulmeisters“ und andere derartige saubere Produkte der reaktionären Presse ausgedehnt werden wird, und ob dieselbe fortan die Wrangel'sche Druckerlaubniß an ihrer Spitze tragen werden. — Ebenso frägt man sich, ob eine andere Wrangel'sche Verfügung, welche in einem, den Bezirksvorstehern mitgetheilten Rescript des Polizeipräsidiums enthalten ist und das Vorlesen und Vertheilen auf die Wahlangelegenheiten nicht direkt bezüglicher Parteischriften verbietet, eine unparteiische Vollziehung finden wird. Alle diese octroyirten Beschränkungen der gesetzlichen Freiheiten sind übrigens, wir können es Herrn Manteuffel versichern, ebenso viel treffliche Werbemittel für die Demokratie. Also immer fleißig, meine Herren! Tant pis, tant mieux! Ein fernerer Beitrag zu der Art, wie unsere konstitutionellen Minister die politischen Rechte ihrer Unterbeamten ehren, ist folgende verbürgte Thatsache. Der bekannte Hr. v. Griesheim ließ dieser Tage einen höhern Beamten des Kriegsministeriums in sein Kabinet rufen und überschüttete ihn mit Vorwürfen wegen seiner demokratischen Gesinnungen und deren Kundgebung in den Wahl-Vorversammlungen. Eine solche Gesinnung vertrage sich durchaus nicht mit seiner Stellung. Wenn er in dieser Weise fortfahre, so werde sich das Ministerium genöthigt sehen, ihn seines Amtes zu entsetzen. Der zur Rede gestellte Beamte antwortete jedoch seinem büreaukratischen Vorgesetzten in einer sehr energischen Weise und drohte ihm mit Veröffentlichung, falls man sich die mindeste, auf Meinungsinquisition begründete ungesetzliche Maßregel gegen ihn erlaube. Diese Thatsache ist übrigens nicht die einzige der Art, die wir aus dem Kriegsministerium erzählen können. 24 Berlin, 18. Januar. Das liebliche Ordensfest, das die Vereinbarer in ihrer teuflischen Ruchlosigkeit für überflüssig hielten, meinend, das schwere Geld, welches es den Taschen der geliebten Unterthanen kostet, sei besser verwendbar, z. B. um einige hungerbegnadete Volksschullehrer sich einmal satt essen zu lassen: Dieses Ordens- (auch Krönungs- und neustes Contrerevolutions-) Fest wurde heute im hiesigen Schlosse mit erhöhtem Glanze begangen. Ja, es fehlte auch nicht an dem gewöhnlichen Schauspiele in der Hofkapelle, wo der bekannte Lämmelbruder, Hofprediger Gerlach, nachwies, daß Christus noch am Kreuze die Institution des königlich-preußischen Ordensfestes, wenn nicht ausdrücklich befohlen, so doch ziemlich klar angedeutet habe, indem er zu dem einen Schächer sagte: heute wirst Du mit mir im Himmelreiche sein! O, es gab diesmal eine große, lange Liste von Ordensrittern, die wegen ihrer Heldenthaten in Schleswig-Holstein (die kürzlich Ihre Zeitung mit wenig Worten gewürdigt hat), im Posen'schen und — in Frankfurt a/M. dekorirt werden mußten. Obenan steht natürlich Hr. Wrangel; hat er doch seine Sache in Schlesweg-Holstein gar vortrefflich gemacht, so daß er in seiner wahren Eigenschaft erst später durchschaut wurde. Dafür bekam er den Militär-Verdienst-Orden und für seine Constablerischen Siege in den „grasbewachsenen“ Straßen Berlins trug er den „rothen Adler-Orden erster Klasse mit Eichenlaub und Schwetern“ (die „Kugeln in der Büchse“ fehlten!) davon. General v. Shrapnell ist von nun an wegen des heroischen Muthes und der Unerschrockenheit seiner Shrapnells Träger des „Sterns zum Rothen Adler-Orden 2ter Klasse mit Eichenlaub und Schwertern“ (und 7 neuen Shrapnells). Der Zusatz: „Schwerter“ ist eine reine November-Errungenschaft. Der im März vom Volk begnadigte v. Möllerdorff: Den „Militär-Verdienst-Orden ohne Eichenlaub.“ Nebst ihm sind noch 14 auf gleiche Weise bedacht. Mit gerothvögelten Adlern 3ter Klasse (auch hier spukt die „Schwerter-Erfindung“ herein) wurden versehen: 23 christlich-germanische Helden, mit dito dito 4ter Klasse (mit und ohne Schwerter) 123 militärische Patrioten; mit dito dito 4ter Klasse: 78 meist civilistische Patrioten. Darunter (unter der 3ten Klasse) Herr v. Ammon in Köln, Graf Hatzfeld; (vierte Klasse) Camphausen (von!!) und Siebel in Barmen. Das „allgemeine Ehren-Zeichen,“ das beim Volke unter einem andern Namen bekannter ist, beseeligte 51 Personen. Vergebens blicken wir die Liste von oben bis unten, von den Rothvögeln bis zu jenen Zeichen durch: wir finden Personen ausgelassen, deren Verdienste doch laut genug sprechen, um an einem christlich-germanischen Tage eine Anerkennung zu verdienen. So vermissen wir unter Andern den königl. preuß. Kommunisten Drigalski, verdienstvollen und siegreichen Belagerer Düsseldorf's; wir vermissen Hrn. Hecker (den Ex-Kölner, jetzigen Wupperthaler notabene), dessen Ehrenzeichen die Inschrift verdient: cedant arma togae; wir vermissen Hrn. Geiger, Ex-Kommiß- und nun wirkli- (Siehe den Verfolg in der 1. Beilage) könne — einfache Bemerkungen, die sich durch zwei oder drei Stunden hinwinden. Kurz und bündig ziehst du dann die Gränzen deiner etwaigen Rede — um natürlich nie innerhalb dieser Gränzen zu bleiben, sondern abzuschweifen und dich über Spanien und Portugal zu ergehen, über die heilige Allianz zu sprechen und über die Noth der arbeitenden Klasse, über deine Zuneigung zu Don Carlos und über englische Wettrennen und über Alles, nur nicht über das, was ursprünglich zum Ziele gesteckt wurde. Bist du mit deiner Exposition fertig, so gibst du dich an die Argumentation und argumentirst mit Händen und Füßen, bis es deinen Zuhörern gelb und grün vor den Augen wird, ja, bis sie zu gähnen anfangen aus reinem Erstaunen vor deiner entsetzlichen Gelehrsamkeit. Dann aber brichst du plötzlich ab und rüstest dich zu der ersten Attaque auf deine Gegner, ein Uebergang, der nie seine Wirkung verfehlt, der die Einschlafenden emporrüttelt und sie unwillkührlich in einen neuen Strom deiner Beredsamkeit hineinreißt. Mit Keulen schlägst du anfangs um dich, mit dem Morgenstern echt adliger Unverschämtheit; dann ziehst du den krummen Säbel des Humors und zuletzt spielst du mit dem Dolche des Witzes, der spitz die Herzen trifft und tödtet, wo bisher nur verwundet wurde. Schrecken, Lachen und lustige Thränen folgen deinen Worten — doch da änderst du plötzlich deinen Ton und wie du bisher als gewandter Gladiator deinen Gegenstand tief im Staube behandeltest: so schwingst du dich jetzt auf das stolze, hochtrabende Schlachtroß des Pathos und galloppirst zermalmend über die Kadaver deiner Feinde, die Posaune des Sieges an die Lippen drückend, um unter dem kaum verhaltenen Jubel der Versammlung in wenigen mystischen Worten den Schluß zu sprechen, wo die Stenographen sich den Schweiß von der Stirn trocknen und das Haus „is ringing with cheers for several minutes.“ Schnapphahnski sprach's. Er ging hin, und wenn er auch kein Montalembert wurde, kein Larochejaquelin, kein Lamartine, kein Guizot, kein Thiers, kein Redner des Unterhauses oder des Oberhauses, so wurde er wenigstens — — nun was wurde er denn? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar201_004" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="1095"/> männer wählen läßt, über deren Stockpreußenthum kein Mißtrauen obwaltet.</p> <p>Die „Errungenschaft“ der Soldaten im ersten Jahre des preußischen Heils besteht also darin, daß sie zur Wahlurne geführt werden, wie die Schafe zur Schlachtbank.</p> </div> <div xml:id="ar201_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>068</author></bibl> Köln, 20. Januar.</head> <p>Unsern Lesern wird es nicht uninteressant sein, folgenden — für die Offentlichkeit allerdings <hi rendition="#g">nicht</hi> bestimmten, sondern ganz vertraulich-Manteufel'schen — Erlaß aus dem Ministerium des Innern an sämmtliche Regierungs-Präsidenten, und durch diese an alle Landräthe, Bürgermeister und — <hi rendition="#g">Wahlkommissarien</hi> kennen zu lernen. Er lautet:</p> <p>„Es ist für die Regierung von Interesse sogleich nach Beendigung der am 22. d. Mts. und beziehungsweise 29. d. Mts. stattfindenden Urwahlen von dem Ausfall derselben Kenntniß zu erhalten. Das königl. Regierungs-Präsidium ersuche ich daher ergebenst die Wahlkommissarien des dortigen Regierungs-Bezirks zu veranlassen, daß sich dieselben zu diesem Zwecke mit den einzelnen <hi rendition="#g">Wahlvorstehern</hi> oder sonstigen <hi rendition="#b">zuverlässigen</hi> Einwohnern der Wahlorte in <hi rendition="#g">geeignete</hi> Verbindung setzen und mir sofort nach dem Empfange der desfallsigen Nachrichten <hi rendition="#b">unmittelbar</hi> anzeigen, in welchem <hi rendition="#b">Sinne</hi> die Urwahlen in ihrem Wahlbezirke ausgefallen sind. Diese Anzeige braucht weder von der vorgängigen formellen Prüfung der Wahlen abhängig gemacht werden noch eine vollständige Nachweisung der gewählten Wählmänner zu enthalten; vielmehr genügt es, das <hi rendition="#g">allgemeine Ergebniß</hi> der Urwahlen in soweit anzuzeigen, als sich daraus <hi rendition="#g">Vermuthungen</hi> über das Resultat der 14 Tage später stattfindenden Abgeordneten-Wahlen begründen lassen. Sofern sich diese Vermuthungen bereits auf die Person eines <hi rendition="#b">bestimmten Kandidaten</hi> richten lassen, wünsche ich hievon gleichzeitig Kenntniß zu erhalten; doch ist um deswillen die Berichterstattung <hi rendition="#g">nicht zu verzögern</hi>.</p> <p>Das königl Regierungs-Präsidium ersuche ich an die Wahlkommissarien hiernach schleunigst das Erforderliche zu verfügen.</p> <p>Berlin, 8. Januar 1849.</p> <p>Der Minister des Innern (gez.) Manteuffel.“</p> <p>Als dieser Erlaß bei der Regierung zu Düsseldorf anlangte, beeilte sich der Präsident derselben, brevi manu Folgendes zu verfügen:</p> <p>„Abschrift an die Wahlkommissarien zur gefälligen Beachtung. — Abschrift der Berichte an den Hrn. Minister bitte ich mir gefälligst zukommen zu lassen.</p> <p>Düsseldorf, 12. Januar 1849.</p> <p>Der Regierungs-Präsident.“</p> </div> <div xml:id="ar201_006" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Vom Rhein, 18. Januar.</head> <p>Der Sequester auf die metternich'sche Domäne Johannisberg (die er sich nach den sogenannten Freiheitskriegen schenken ließ und für die er bis zum Jahre 1848 nie einen Kreuzer Steuer entrichtet) ist jetzt wieder aufgehoben und dem Herrn Metternich zurückgestellt worden. Denn jener Sequester war bei der täglich steigenden Contrerevolution natürlich nicht länger zu dulden.</p> </div> <div xml:id="ar201_007" type="jArticle"> <head><bibl><author>20</author></bibl> Elberfeld, 19. Januar.</head> <p>Heute wurden von den Steuerbehörden circa 50-60 Ctr. Kaffee in Beschlag genommen, der, ohne die Steuern zu zahlen, in das göttliche Wupperthal hereingeschmuggelt worden. Die Abladung sollte, wie man sagt, im Lokal für wahres Bürgerwohl geschehen; dies wurde jedoch von der Behörde verhindert.</p> <p>Die angeblichen Betheiligten sollen meistens Heuler und Personen sein, welche mit dem ersten Glockenklange mit journalgroßen Gesangbüchern zur Kirche eilen, und sich erboten haben, die Steuern pro 1849 vorauszuzahlen. Freilich könnte eine so patriotische Steuerzahlung unter bemeldeten Umständen wenig auffallen. Es wird aber dieser Vorfall seine Wirkungen auf die Wahlen nicht verfehlen, denn jetzt sieht man, wie die Reaction äußerlich patriotisches Schwarz und Weiß heraushängen läßt, im Innern aber schwärzer ist als ein Mohr!</p> </div> <div xml:id="ar201_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>119</author></bibl> Sinzig a. d. Ahr, 20. Januar.</head> <p>Welche Mühe und Kosten die Reaktion aufwendet, um in unserem Kreise und Stadt ihre Kandidaten durchzusetzen, das Volk zu bearbeiten und überall einzuwirken, davon mag Ihnen nachstehendes eine Idee geben. Im März v. J. wurde die Mehrzahl der hiesigen Beamten mit einem Schlage demokratisirt, die Berliner Revolution hatte wie ein Zauber gewirkt, die bekanntlich größten Royalisten träumten nur von Freiheit und schmeichelten dem Volke auf jede Art. Im Sommer schon wurde ein constitutionell-monarchischer Verein errichtet, der jedoch dem Herrn entschlafen ist; gemäß dem Ahrweiler Kreisblatt war der Präsident, Friedensrichter A., in der von ihm nach Bodendorf berufenen Versammlung allein, ganz allein erschienen und mußte dort leider seinem geliebten Kinde die Todesstunde versüßen. Am 15. Oktober aber schon ließ ein hiesiger, kurz vorher zum Landwehr-Premier-Lieutenant (quel bonheur) avancirter Beamter, nachdem sich am Morgen hier sowohl als in Remagen die Gemeinde zum Te Deum zu läuten geweigert hatte, des Abends aus Dankbarkeit für sein Avancement und in der Hoffnung baldiger Beförderung, wenigstens aus Sinzig, für sein Pulver einige Böller abschießen, damit doch etwas zur Tagesfeier geschehe. Jetzt endlich ist unsere, bei 2000 Seelen aus 22 Personen zusammengesetzte Beamtenwelt wieder schwarz-weißer wie früher, die reactionärsten Flugblätter werden in Masse, natürlich für des Volkes Geld, durch die Regierung an Bürgermeisterei und willige Diener gesandt. Eine am 17. Abends beim Pastor gehaltene Versammlung, zu der nur Beamte eingeladen waren, wird wahrscheinlich dem Werke die Krone aufsetzen sollen; ob die jüngste Anwesenheit des Ober-Präsidenten, der sich sehr angelegentlich nach der Volksstimmung erkundigt, sowie der Besuch eines Coblenzer Regierungsrathes diese Versammlung veranlaßt, darüber, sowie über deren Resultat, schwebt ein bureaukratisches Düster, die Mitglieder mußten Verschwiegenheit geloben, die baldigen Wahlen werden uns die Pläne der Volksfeinde enthüllen.</p> <p>Doch Alles ist umsonst, alle Bemühungen, das Volk nach ihrer Art zu bekehren, scheitern an dessen gesundem Sinne, keiner der heulenden Beamten wird gewählt, die Demokratie wird hier wie in der ganzen Welt siegen; der kommende Montag muß es zeigen!</p> </div> <div xml:id="ar201_009" type="jArticle"> <head><bibl><author>105</author></bibl> Münster, 18. Jan.</head> <p>Es dürfte Ihnen nicht uninteressant sein, wenn ich Ihnen einige Aufschlüsse zu der <hi rendition="#g">geheimen</hi> Geschichte der Untersuchung gegen <hi rendition="#g">Temme</hi> mittheile.</p> <p>Es war natürlich ein fataler Umstand, daß so viele Juristen und insbesondere so viele Richter (nahe an 40) an dem Steuerverweigerungsbeschluß Theil genommen. Eine hohe Person hatte sich deshalb auch besonders über diejenigen Abgeordneten, welche dem höhern Richterstande angehören, mißfällig geäußert Einem derselben, der früher in hoher Gunst gestanden (Gierke), soll sogar durch die dritte Hand (Hansemann) der Antrag gemacht worden sein, auf seinen Richterposten zu verzichten, und dafür eine andere Entschädigung anzunehmen. Die Mittelsperson soll dabei geäußert haben, die übrigen werde man schon in sonstiger Weise zu beseitigen wissen. Wenn nun plötzlich die berüchtigten Adressen jener höheren Gerichtshöfe erschienen, so dürfte schon hieraus ein ziemlich klares Licht über deren Entstehung sich verbreiten. Zu denjenigen Personen, die sich einer hohen Gunst nicht zu erfreuen hatten, gehört Temme. Die Gerichte in Berlin sahen in der Steuerverweigerung kein Verbrechen. Die Gerichte in Münster dagegen hatten der Regierung schon im Anfange Dezember, durch Untersuchungen und Verhaftungen, ihre Bereitwilligkeit in Verfolgung sowohl des Steuerverweigerungsbeschlusses als auch mißliebiger Personen überhaupt an den Tag gelegt. Durch die Gerichte in Münster war also auch gegen Temme zu wirken, obendrein da dieser Temme nicht angenehm war, weil er im Sommer gegen Erwarten als Direktor in das Kollegium eingeschoben ward. Der Präsident des Oberlandesgerichts zu Münster ist ein Bruder des Intendanten v. Olfers zu Berlin, eines sehr bekannten Werkzeuges der Potsdamer Camarilla und der Preußenvereine. Zweifeln Sie noch, wie die Untersuchung gegen Temme entstanden ist? — Ein Schwiegersohn des Präsidenten v. Olfers, der Assessor v. Stockhausen, soll sogar auf eigene Hand (?) die Untergerichte des Departements zu Mißtrauensadressen gegen Temme aufgefordert haben. Von der andern Seite spielt auch der hiesige Regierungspräsident eine Rolle in der Sache und wer dessen genaue Verbindung mit dem Minister Manteufel kennt, wird gleichfalls nicht zweifeln können, wo die geheimen Fäden dieser Untersuchung zu finden sind.</p> </div> <div xml:id="ar201_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>126</author></bibl> Münster, 19. Jan.</head> <p>Zu den westphälischen „public characters“, welche sich als die eifrigsten Handlanger des Hohenzollern'schen Bajonett-Ministeriums bemerkbar gemacht, gehört auch der bis jetzt noch immer mögliche Regierungspräsident v. Bodelschwingh, die brüderliche Liebe des bekannten Exministers. Die Satrapenstelle des Hrn. v. Flottwell versehend, ist er die Seele der reaktionären Umtriebe auf rother Erde und der intellectuelle Urheber jener politischen Verfolgungen, deren Opfer in den Zellen des hiesigen Zuchthauses schmachten. Hr. v. Bodelschwingh ist ein Reaktionär vom reinsten Wasser und reinsten märkischen Vollblut, der früher als sogenannter Generalmandatar seiner Familie und ritterlichen Sippschaft, bei den Landleuten in der Umgegend von Heide und Pelkum noch in zu gutem Andenken steht, als daß jemals das Gras der Vergessenheit darüber wachsen sollte. Die Bauern werden sich stets erinnern, mit welcher rastlosen Sorgfalt er Pächte, Zinsgelder und Prästationen aller Art, selbst bis zum Betrage von 6 Pfennigen, wegen nicht eingehaltenen Verfalltags auf's prompteste vermittelst gerichtlicher Klagen und Exekutionen einzuziehen wußte. Daß die armen Bauern wegen eines Groschens oft mehrere Thaler an Gerichtskosten zahlen mußten, das fand seine Erledigung in dem Spruche: Fiat justitia, pereat mundus!</p> <p>Der Generalmandatar hatte außerdem das Verdienst, der Bruder eines Ministers zu sein und das genügte, um ihn die altpreußische Stufenleiter als Landrath, Oberregierungsrath, Regierungspräsident besteigen zu lassen. Die Verdienste des Hrn. v. Bodelschwingh in diesen einträglichen, höheren Verwaltungschargen um Beförderung echt pietistischer Kreaturen in allen Ressorts seines amtlichen Wirkungskreises, liegen hundertfältig zu Tage; sie gingen mit dem Korruptionssystem des Bodelschwingh-Eichhorn'schen Gouvernements Hand in Hand und würden die Unsterblichkeit des Herrn Vizepräsidenten unzweifelhaft sicher stellen, wenn das Ministerium Brandenburg-Manteufel überhaupt unsterblich wäre. Während des vorigen Sommers, wo die Contrerevolution ihre Vorbereitungen traf, feierte auch unser Herr Vizepräsident nicht, er sammelte aus allen Kreisen der Provinz tausende von Denunziationen, welche seine geschäftigen Satelliten ihm einlieferten und beutete, als die Siegesglocke der Potsdamer Camarilla am 9. November v. J. ertönte, die behaglich in seinem Kabinet aufgethürmten Ballen aus, um die betreffenden Proskriptionslisten in süßer Gewissenhaftigkeit anzufertigen. Welche heitere Erquickung für die altpreußische, in ihrer ritterlichen Uebertreibung noch herzerwärmende Gewissenhaftigkeit des Hrn. Präsidenten, der im Münsterschen Stadtgericht einen dienstergebenen Beistand zu finden wußte!</p> <p>Schlau ist der Mann, und seht ihr in die schielenden Luxaugen, so überkommt euch ein Frösteln, und schaut ihr vollends jenes sardonische Lächeln einer stolz affectirten Demuth, welches die Wangen des Präsidialantlitzes in eben so viele geheimnißvolle Falten zieht, wie der Mexikanische Meerbusen Inseln hat, dann beschleicht euch ein ganz absonderliches Gefühl, und ihr seid nahe daran, wenigstens in Gedanken das heilige Lied zu singen: „Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben?“</p> </div> <div xml:id="ar201_011" type="jArticle"> <head><bibl><author>X</author></bibl> Berlin, 18. Jan.</head> <p>Heute Vormittag begaben sich die Vertreter einiger zwanzig hiesiger Stadtbezirke zum Magistrat, um von demselben zu erlangen, daß er die Eintheilung der Stadt in drei oder vier größere Wahlbezirke veröffentliche, noch ehe ihm das Resultat der Wahlmännerwahlen bekannt sei. Eingegeben von dem gerechten Mißtrauen gegen den durch und durch reaktionären Magistrat, welcher die Eintheilung der größern Wahlbezirke gern so vornehmen möchte, daß die reaktionäre Partei in zwei Wahlbezirken die Majorität habe, fand dieser Schritt natürlich bei unserm Magistrat keine freundliche Aufnahme. Der Bürgermeister Naunyn beschwerte sich sogar bei der Deputation über das, aus ihrer Forderung hervorleuchtende Mißtrauen und verwies dieselbe an die, mit Allem, was die Wahl-Angelegenheiten betreffe, beauftragte Kommission. Dieselbe werde heute Abend eine Sitzung halten; man solle sich an sie wenden. Da sie aus den bekannten Reaktionären <hi rendition="#g">Keibel</hi> und <hi rendition="#g">Möwes</hi> und dem höchstens als indifferent zu bezeichnenden <hi rendition="#g">Seeger</hi> besteht, so ist für den Schritt der Deputation wenig Erfolg zu hoffen.</p> <p>Wie sehr übrigens auch die reaktionäre Partei auf das Gelingen dieses Manövers rechnet, das darin besteht, einen der größern Wahlbezirke den Demokraten ganz zu überlassen, um dafür in den beiden andern eine wenn auch schwache Majorität zu erlisten — davon zeigt auch der Umstand, daß von dieser Seite her für die zweite Kammer überhaupt nur sechs Kandidaten vorgeschlagen werden. Als solche nennt man uns den Oberbergrath <hi rendition="#g">Kühne</hi>, Professor <hi rendition="#g">Keller, Devoranne, Borsig, v. Griesheim</hi> und den Commerzienrath und Pietisten <hi rendition="#g">Behrend</hi>. Wenn durch die Mitwirkung des Magistrats dieses perfide Manöver gelingt, so können die Berliner Wahlen von vorn herein als verfälschte bezeichnet werden. Denn aus einer demokratischen Majorität von Wahlmännern würde dann eine reaktionäre Majorität von Vertretern hervorgegangen sein.</p> <p>Der Bau-Kondukteur Uhlmann, zu Brandenburg in Haft, ist in geheimer Sitzung des Kammergerichts wegen Majestätsbeleidigung und versuchten Aufruhrs in erster Instanz zu achtmonatlichem Festungsarrest verurtheilt; er sollte vorläufig nach einer Festung abgeführt werden; sie sind aber alle mit Staatsgefangenen so sehr besetzt, daß nur die Festung Stettin ihn, wie die Kommandantur erklärt hat, in eine Bodenkammer aufnehmen kann, in welcher sich nichts als eine leere Bettstelle befindet.</p> <p>Das bekannte Versammlungslokal der Linken bei Jaroschewitz ist seit einiger Zeit an einen neuen Besitzer übergegangen. Derselbe mußte nach den bestehenden Polizeigesetzen beim Jahreswechsel eine Erneuerung seiner Konzession nachsuchen. Diese ward ihm aber bis jetzt verweigert, weil er sein Lokal zu demokratischen Wahlversammlungen hergegeben habe. Das Gehässige dieser Polizeiwillkür tritt noch mehr hervor, wenn man weiß, daß die Veranstalter dieser Versammlungen alle Wrangelschen Vorschriften betreffs der Vorversammlungen erfüllt hatten.</p> <p>Aus guter Quelle wird uns versichert, der bekannte Maschinen-Fabrikant <hi rendition="#g">Borsig</hi> mache von seiner industriellen Stellung den gehässigsten politischen Gebrauch, indem er seine Arbeiter durch Androhung von Entlassung zu zwingen sucht, in seinem Sinne bei den Wahlen zu stimmen. Man sieht, Herr Borsig, der im Sommer mit der Demokratie und namentlich mit seinen Arbeitern so fleißig liebäugelte, hat seit dem November viel Muth bekommen, und hat namentlich im Umgange mit Herrn <hi rendition="#g">Harkort</hi> und andern Ehrenmännern dieses Schlages, schöne Begriffe von politischer Ehrenhaftigkeit angenommen.</p> <p>Während von allen Seiten, selbst von der Harkort'schen Parlaments-Korrespondenz, die sehr oft aus amtlichen Quellen schöpft, die Aufhebung des Belagerungszustandes, vor Eintritt der Wahlen, gemeldet wurde: fängt man seit heute an zu glauben, daß die octroyirten Segnungen dieser modernen konstitutionellen Erfindung Berlin noch länger begnaden werden. Man schließt dies namentlich aus dem neuen, wahrhaft draconischen Erlaß Vater Wrangel's gegen politische Publikationen jeder Art. Nur frägt man sich hierbei, ob das Verbot des Druckes politischer Flugblätter auch auf Wahlprogramme aller Parteien, auf „Ansprachen an die Wähler“, „<hi rendition="#g">Enthüllungen</hi>“, Harkort'sche „Briefe an die Handwerker“, „Artikel eines alten Schulmeisters“ und andere derartige saubere Produkte der reaktionären Presse ausgedehnt werden wird, und ob dieselbe fortan die Wrangel'sche Druckerlaubniß an ihrer Spitze tragen werden. — Ebenso frägt man sich, ob eine andere Wrangel'sche Verfügung, welche in einem, den Bezirksvorstehern mitgetheilten Rescript des Polizeipräsidiums enthalten ist und das Vorlesen und Vertheilen auf die Wahlangelegenheiten nicht direkt bezüglicher Parteischriften verbietet, eine unparteiische Vollziehung finden wird. Alle diese octroyirten Beschränkungen der gesetzlichen Freiheiten sind übrigens, wir können es Herrn Manteuffel versichern, ebenso viel treffliche Werbemittel für die Demokratie. Also immer fleißig, meine Herren! Tant pis, tant mieux!</p> <p>Ein fernerer Beitrag zu der Art, wie unsere konstitutionellen Minister die politischen Rechte ihrer Unterbeamten ehren, ist folgende verbürgte Thatsache. Der bekannte Hr. v. Griesheim ließ dieser Tage einen höhern Beamten des Kriegsministeriums in sein Kabinet rufen und überschüttete ihn mit Vorwürfen wegen seiner demokratischen Gesinnungen und deren Kundgebung in den Wahl-Vorversammlungen. Eine solche Gesinnung vertrage sich durchaus nicht mit seiner Stellung. Wenn er in dieser Weise fortfahre, so werde sich das Ministerium genöthigt sehen, ihn seines Amtes zu entsetzen. Der zur Rede gestellte Beamte antwortete jedoch seinem büreaukratischen Vorgesetzten in einer sehr energischen Weise und drohte ihm mit Veröffentlichung, falls man sich die mindeste, auf Meinungsinquisition begründete ungesetzliche Maßregel gegen ihn erlaube. Diese Thatsache ist übrigens nicht die einzige der Art, die wir aus dem Kriegsministerium erzählen können.</p> </div> <div xml:id="ar201_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>24</author></bibl> Berlin, 18. Januar.</head> <p>Das liebliche Ordensfest, das die Vereinbarer in ihrer teuflischen Ruchlosigkeit für überflüssig hielten, meinend, das schwere Geld, welches es den Taschen der geliebten Unterthanen kostet, sei besser verwendbar, z. B. um einige hungerbegnadete Volksschullehrer sich einmal satt essen zu lassen: Dieses Ordens- (auch Krönungs- und neustes Contrerevolutions-) Fest wurde heute im hiesigen Schlosse mit erhöhtem Glanze begangen. Ja, es fehlte auch nicht an dem gewöhnlichen Schauspiele in der Hofkapelle, wo der bekannte Lämmelbruder, Hofprediger Gerlach, nachwies, daß Christus noch am Kreuze die Institution des königlich-preußischen Ordensfestes, wenn nicht ausdrücklich befohlen, so doch ziemlich klar angedeutet habe, indem er zu dem einen Schächer sagte: heute wirst Du mit mir im Himmelreiche sein!</p> <p>O, es gab diesmal eine große, lange Liste von Ordensrittern, die wegen ihrer Heldenthaten in Schleswig-Holstein (die kürzlich Ihre Zeitung mit wenig Worten gewürdigt hat), im Posen'schen und — in Frankfurt a/M. dekorirt werden mußten.</p> <p>Obenan steht natürlich Hr. Wrangel; hat er doch seine Sache in Schlesweg-Holstein gar vortrefflich gemacht, so daß er in seiner wahren Eigenschaft erst später durchschaut wurde. Dafür bekam er den Militär-Verdienst-Orden und für seine Constablerischen Siege in den „grasbewachsenen“ Straßen Berlins trug er den „rothen Adler-Orden erster Klasse mit Eichenlaub und <hi rendition="#g">Schwetern</hi>“ (die „Kugeln in der Büchse“ fehlten!) davon. General v. Shrapnell ist von nun an wegen des heroischen Muthes und der Unerschrockenheit seiner Shrapnells Träger des „Sterns zum Rothen Adler-Orden 2ter Klasse mit Eichenlaub und Schwertern“ (und 7 neuen Shrapnells). Der Zusatz: „Schwerter“ ist eine reine November-Errungenschaft. Der im März vom Volk begnadigte v. Möllerdorff: Den „Militär-Verdienst-Orden ohne Eichenlaub.“ Nebst ihm sind noch 14 auf gleiche Weise bedacht.</p> <p>Mit gerothvögelten Adlern 3ter Klasse (auch hier spukt die „Schwerter-Erfindung“ herein) wurden versehen: 23 christlich-germanische Helden, mit dito dito 4ter Klasse (mit und ohne Schwerter) 123 militärische Patrioten; mit dito dito 4ter Klasse: 78 meist civilistische Patrioten. Darunter (unter der 3ten Klasse) Herr v. Ammon in Köln, Graf Hatzfeld; (vierte Klasse) Camphausen (<hi rendition="#b">von!!</hi>) und Siebel in Barmen. Das „allgemeine Ehren-Zeichen,“ das beim Volke unter einem andern Namen bekannter ist, beseeligte 51 Personen.</p> <p>Vergebens blicken wir die Liste von oben bis unten, von den Rothvögeln bis zu jenen Zeichen durch: wir finden Personen ausgelassen, deren Verdienste doch laut genug sprechen, um an einem christlich-germanischen Tage eine Anerkennung zu verdienen. So vermissen wir unter Andern den königl. preuß. Kommunisten Drigalski, verdienstvollen und siegreichen Belagerer Düsseldorf's; wir vermissen Hrn. Hecker (den Ex-Kölner, jetzigen Wupperthaler notabene), dessen Ehrenzeichen die Inschrift verdient: cedant arma togae; wir vermissen Hrn. Geiger, Ex-Kommiß- und nun wirkli-</p> <p> <ref type="link"> <hi rendition="#b">(Siehe den Verfolg in der 1. Beilage)</hi> </ref> </p> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ar201_002a" type="jArticle"> <p>könne — einfache Bemerkungen, die sich durch zwei oder drei Stunden hinwinden. Kurz und bündig ziehst du dann die Gränzen deiner etwaigen Rede — um natürlich nie innerhalb dieser Gränzen zu bleiben, sondern abzuschweifen und dich über Spanien und Portugal zu ergehen, über die heilige Allianz zu sprechen und über die Noth der arbeitenden Klasse, über deine Zuneigung zu Don Carlos und über englische Wettrennen und über Alles, nur nicht über das, was ursprünglich zum Ziele gesteckt wurde.</p> <p>Bist du mit deiner Exposition fertig, so gibst du dich an die Argumentation und argumentirst mit Händen und Füßen, bis es deinen Zuhörern gelb und grün vor den Augen wird, ja, bis sie zu gähnen anfangen aus reinem Erstaunen vor deiner entsetzlichen Gelehrsamkeit. Dann aber brichst du plötzlich ab und rüstest dich zu der ersten Attaque auf deine Gegner, ein Uebergang, der nie seine Wirkung verfehlt, der die Einschlafenden emporrüttelt und sie unwillkührlich in einen neuen Strom deiner Beredsamkeit hineinreißt. Mit Keulen schlägst du anfangs um dich, mit dem Morgenstern echt adliger Unverschämtheit; dann ziehst du den krummen Säbel des Humors und zuletzt spielst du mit dem Dolche des Witzes, der spitz die Herzen trifft und tödtet, wo bisher nur verwundet wurde.</p> <p>Schrecken, Lachen und lustige Thränen folgen deinen Worten — doch da änderst du plötzlich deinen Ton und wie du bisher als gewandter Gladiator deinen Gegenstand tief im Staube behandeltest: so schwingst du dich jetzt auf das stolze, hochtrabende Schlachtroß des Pathos und galloppirst zermalmend über die Kadaver deiner Feinde, die Posaune des Sieges an die Lippen drückend, um unter dem kaum verhaltenen Jubel der Versammlung in wenigen mystischen Worten den Schluß zu sprechen, wo die Stenographen sich den Schweiß von der Stirn trocknen und das Haus „is ringing with cheers for several minutes.“</p> <p>Schnapphahnski sprach's. Er ging hin, und wenn er auch kein Montalembert wurde, kein Larochejaquelin, kein Lamartine, kein Guizot, kein Thiers, kein Redner des Unterhauses oder des Oberhauses, so wurde er wenigstens — — nun was wurde er denn?</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1095/0003]
männer wählen läßt, über deren Stockpreußenthum kein Mißtrauen obwaltet.
Die „Errungenschaft“ der Soldaten im ersten Jahre des preußischen Heils besteht also darin, daß sie zur Wahlurne geführt werden, wie die Schafe zur Schlachtbank.
068 Köln, 20. Januar. Unsern Lesern wird es nicht uninteressant sein, folgenden — für die Offentlichkeit allerdings nicht bestimmten, sondern ganz vertraulich-Manteufel'schen — Erlaß aus dem Ministerium des Innern an sämmtliche Regierungs-Präsidenten, und durch diese an alle Landräthe, Bürgermeister und — Wahlkommissarien kennen zu lernen. Er lautet:
„Es ist für die Regierung von Interesse sogleich nach Beendigung der am 22. d. Mts. und beziehungsweise 29. d. Mts. stattfindenden Urwahlen von dem Ausfall derselben Kenntniß zu erhalten. Das königl. Regierungs-Präsidium ersuche ich daher ergebenst die Wahlkommissarien des dortigen Regierungs-Bezirks zu veranlassen, daß sich dieselben zu diesem Zwecke mit den einzelnen Wahlvorstehern oder sonstigen zuverlässigen Einwohnern der Wahlorte in geeignete Verbindung setzen und mir sofort nach dem Empfange der desfallsigen Nachrichten unmittelbar anzeigen, in welchem Sinne die Urwahlen in ihrem Wahlbezirke ausgefallen sind. Diese Anzeige braucht weder von der vorgängigen formellen Prüfung der Wahlen abhängig gemacht werden noch eine vollständige Nachweisung der gewählten Wählmänner zu enthalten; vielmehr genügt es, das allgemeine Ergebniß der Urwahlen in soweit anzuzeigen, als sich daraus Vermuthungen über das Resultat der 14 Tage später stattfindenden Abgeordneten-Wahlen begründen lassen. Sofern sich diese Vermuthungen bereits auf die Person eines bestimmten Kandidaten richten lassen, wünsche ich hievon gleichzeitig Kenntniß zu erhalten; doch ist um deswillen die Berichterstattung nicht zu verzögern.
Das königl Regierungs-Präsidium ersuche ich an die Wahlkommissarien hiernach schleunigst das Erforderliche zu verfügen.
Berlin, 8. Januar 1849.
Der Minister des Innern (gez.) Manteuffel.“
Als dieser Erlaß bei der Regierung zu Düsseldorf anlangte, beeilte sich der Präsident derselben, brevi manu Folgendes zu verfügen:
„Abschrift an die Wahlkommissarien zur gefälligen Beachtung. — Abschrift der Berichte an den Hrn. Minister bitte ich mir gefälligst zukommen zu lassen.
Düsseldorf, 12. Januar 1849.
Der Regierungs-Präsident.“
* Vom Rhein, 18. Januar. Der Sequester auf die metternich'sche Domäne Johannisberg (die er sich nach den sogenannten Freiheitskriegen schenken ließ und für die er bis zum Jahre 1848 nie einen Kreuzer Steuer entrichtet) ist jetzt wieder aufgehoben und dem Herrn Metternich zurückgestellt worden. Denn jener Sequester war bei der täglich steigenden Contrerevolution natürlich nicht länger zu dulden.
20 Elberfeld, 19. Januar. Heute wurden von den Steuerbehörden circa 50-60 Ctr. Kaffee in Beschlag genommen, der, ohne die Steuern zu zahlen, in das göttliche Wupperthal hereingeschmuggelt worden. Die Abladung sollte, wie man sagt, im Lokal für wahres Bürgerwohl geschehen; dies wurde jedoch von der Behörde verhindert.
Die angeblichen Betheiligten sollen meistens Heuler und Personen sein, welche mit dem ersten Glockenklange mit journalgroßen Gesangbüchern zur Kirche eilen, und sich erboten haben, die Steuern pro 1849 vorauszuzahlen. Freilich könnte eine so patriotische Steuerzahlung unter bemeldeten Umständen wenig auffallen. Es wird aber dieser Vorfall seine Wirkungen auf die Wahlen nicht verfehlen, denn jetzt sieht man, wie die Reaction äußerlich patriotisches Schwarz und Weiß heraushängen läßt, im Innern aber schwärzer ist als ein Mohr!
119 Sinzig a. d. Ahr, 20. Januar. Welche Mühe und Kosten die Reaktion aufwendet, um in unserem Kreise und Stadt ihre Kandidaten durchzusetzen, das Volk zu bearbeiten und überall einzuwirken, davon mag Ihnen nachstehendes eine Idee geben. Im März v. J. wurde die Mehrzahl der hiesigen Beamten mit einem Schlage demokratisirt, die Berliner Revolution hatte wie ein Zauber gewirkt, die bekanntlich größten Royalisten träumten nur von Freiheit und schmeichelten dem Volke auf jede Art. Im Sommer schon wurde ein constitutionell-monarchischer Verein errichtet, der jedoch dem Herrn entschlafen ist; gemäß dem Ahrweiler Kreisblatt war der Präsident, Friedensrichter A., in der von ihm nach Bodendorf berufenen Versammlung allein, ganz allein erschienen und mußte dort leider seinem geliebten Kinde die Todesstunde versüßen. Am 15. Oktober aber schon ließ ein hiesiger, kurz vorher zum Landwehr-Premier-Lieutenant (quel bonheur) avancirter Beamter, nachdem sich am Morgen hier sowohl als in Remagen die Gemeinde zum Te Deum zu läuten geweigert hatte, des Abends aus Dankbarkeit für sein Avancement und in der Hoffnung baldiger Beförderung, wenigstens aus Sinzig, für sein Pulver einige Böller abschießen, damit doch etwas zur Tagesfeier geschehe. Jetzt endlich ist unsere, bei 2000 Seelen aus 22 Personen zusammengesetzte Beamtenwelt wieder schwarz-weißer wie früher, die reactionärsten Flugblätter werden in Masse, natürlich für des Volkes Geld, durch die Regierung an Bürgermeisterei und willige Diener gesandt. Eine am 17. Abends beim Pastor gehaltene Versammlung, zu der nur Beamte eingeladen waren, wird wahrscheinlich dem Werke die Krone aufsetzen sollen; ob die jüngste Anwesenheit des Ober-Präsidenten, der sich sehr angelegentlich nach der Volksstimmung erkundigt, sowie der Besuch eines Coblenzer Regierungsrathes diese Versammlung veranlaßt, darüber, sowie über deren Resultat, schwebt ein bureaukratisches Düster, die Mitglieder mußten Verschwiegenheit geloben, die baldigen Wahlen werden uns die Pläne der Volksfeinde enthüllen.
Doch Alles ist umsonst, alle Bemühungen, das Volk nach ihrer Art zu bekehren, scheitern an dessen gesundem Sinne, keiner der heulenden Beamten wird gewählt, die Demokratie wird hier wie in der ganzen Welt siegen; der kommende Montag muß es zeigen!
105 Münster, 18. Jan. Es dürfte Ihnen nicht uninteressant sein, wenn ich Ihnen einige Aufschlüsse zu der geheimen Geschichte der Untersuchung gegen Temme mittheile.
Es war natürlich ein fataler Umstand, daß so viele Juristen und insbesondere so viele Richter (nahe an 40) an dem Steuerverweigerungsbeschluß Theil genommen. Eine hohe Person hatte sich deshalb auch besonders über diejenigen Abgeordneten, welche dem höhern Richterstande angehören, mißfällig geäußert Einem derselben, der früher in hoher Gunst gestanden (Gierke), soll sogar durch die dritte Hand (Hansemann) der Antrag gemacht worden sein, auf seinen Richterposten zu verzichten, und dafür eine andere Entschädigung anzunehmen. Die Mittelsperson soll dabei geäußert haben, die übrigen werde man schon in sonstiger Weise zu beseitigen wissen. Wenn nun plötzlich die berüchtigten Adressen jener höheren Gerichtshöfe erschienen, so dürfte schon hieraus ein ziemlich klares Licht über deren Entstehung sich verbreiten. Zu denjenigen Personen, die sich einer hohen Gunst nicht zu erfreuen hatten, gehört Temme. Die Gerichte in Berlin sahen in der Steuerverweigerung kein Verbrechen. Die Gerichte in Münster dagegen hatten der Regierung schon im Anfange Dezember, durch Untersuchungen und Verhaftungen, ihre Bereitwilligkeit in Verfolgung sowohl des Steuerverweigerungsbeschlusses als auch mißliebiger Personen überhaupt an den Tag gelegt. Durch die Gerichte in Münster war also auch gegen Temme zu wirken, obendrein da dieser Temme nicht angenehm war, weil er im Sommer gegen Erwarten als Direktor in das Kollegium eingeschoben ward. Der Präsident des Oberlandesgerichts zu Münster ist ein Bruder des Intendanten v. Olfers zu Berlin, eines sehr bekannten Werkzeuges der Potsdamer Camarilla und der Preußenvereine. Zweifeln Sie noch, wie die Untersuchung gegen Temme entstanden ist? — Ein Schwiegersohn des Präsidenten v. Olfers, der Assessor v. Stockhausen, soll sogar auf eigene Hand (?) die Untergerichte des Departements zu Mißtrauensadressen gegen Temme aufgefordert haben. Von der andern Seite spielt auch der hiesige Regierungspräsident eine Rolle in der Sache und wer dessen genaue Verbindung mit dem Minister Manteufel kennt, wird gleichfalls nicht zweifeln können, wo die geheimen Fäden dieser Untersuchung zu finden sind.
126 Münster, 19. Jan. Zu den westphälischen „public characters“, welche sich als die eifrigsten Handlanger des Hohenzollern'schen Bajonett-Ministeriums bemerkbar gemacht, gehört auch der bis jetzt noch immer mögliche Regierungspräsident v. Bodelschwingh, die brüderliche Liebe des bekannten Exministers. Die Satrapenstelle des Hrn. v. Flottwell versehend, ist er die Seele der reaktionären Umtriebe auf rother Erde und der intellectuelle Urheber jener politischen Verfolgungen, deren Opfer in den Zellen des hiesigen Zuchthauses schmachten. Hr. v. Bodelschwingh ist ein Reaktionär vom reinsten Wasser und reinsten märkischen Vollblut, der früher als sogenannter Generalmandatar seiner Familie und ritterlichen Sippschaft, bei den Landleuten in der Umgegend von Heide und Pelkum noch in zu gutem Andenken steht, als daß jemals das Gras der Vergessenheit darüber wachsen sollte. Die Bauern werden sich stets erinnern, mit welcher rastlosen Sorgfalt er Pächte, Zinsgelder und Prästationen aller Art, selbst bis zum Betrage von 6 Pfennigen, wegen nicht eingehaltenen Verfalltags auf's prompteste vermittelst gerichtlicher Klagen und Exekutionen einzuziehen wußte. Daß die armen Bauern wegen eines Groschens oft mehrere Thaler an Gerichtskosten zahlen mußten, das fand seine Erledigung in dem Spruche: Fiat justitia, pereat mundus!
Der Generalmandatar hatte außerdem das Verdienst, der Bruder eines Ministers zu sein und das genügte, um ihn die altpreußische Stufenleiter als Landrath, Oberregierungsrath, Regierungspräsident besteigen zu lassen. Die Verdienste des Hrn. v. Bodelschwingh in diesen einträglichen, höheren Verwaltungschargen um Beförderung echt pietistischer Kreaturen in allen Ressorts seines amtlichen Wirkungskreises, liegen hundertfältig zu Tage; sie gingen mit dem Korruptionssystem des Bodelschwingh-Eichhorn'schen Gouvernements Hand in Hand und würden die Unsterblichkeit des Herrn Vizepräsidenten unzweifelhaft sicher stellen, wenn das Ministerium Brandenburg-Manteufel überhaupt unsterblich wäre. Während des vorigen Sommers, wo die Contrerevolution ihre Vorbereitungen traf, feierte auch unser Herr Vizepräsident nicht, er sammelte aus allen Kreisen der Provinz tausende von Denunziationen, welche seine geschäftigen Satelliten ihm einlieferten und beutete, als die Siegesglocke der Potsdamer Camarilla am 9. November v. J. ertönte, die behaglich in seinem Kabinet aufgethürmten Ballen aus, um die betreffenden Proskriptionslisten in süßer Gewissenhaftigkeit anzufertigen. Welche heitere Erquickung für die altpreußische, in ihrer ritterlichen Uebertreibung noch herzerwärmende Gewissenhaftigkeit des Hrn. Präsidenten, der im Münsterschen Stadtgericht einen dienstergebenen Beistand zu finden wußte!
Schlau ist der Mann, und seht ihr in die schielenden Luxaugen, so überkommt euch ein Frösteln, und schaut ihr vollends jenes sardonische Lächeln einer stolz affectirten Demuth, welches die Wangen des Präsidialantlitzes in eben so viele geheimnißvolle Falten zieht, wie der Mexikanische Meerbusen Inseln hat, dann beschleicht euch ein ganz absonderliches Gefühl, und ihr seid nahe daran, wenigstens in Gedanken das heilige Lied zu singen: „Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben?“
X Berlin, 18. Jan. Heute Vormittag begaben sich die Vertreter einiger zwanzig hiesiger Stadtbezirke zum Magistrat, um von demselben zu erlangen, daß er die Eintheilung der Stadt in drei oder vier größere Wahlbezirke veröffentliche, noch ehe ihm das Resultat der Wahlmännerwahlen bekannt sei. Eingegeben von dem gerechten Mißtrauen gegen den durch und durch reaktionären Magistrat, welcher die Eintheilung der größern Wahlbezirke gern so vornehmen möchte, daß die reaktionäre Partei in zwei Wahlbezirken die Majorität habe, fand dieser Schritt natürlich bei unserm Magistrat keine freundliche Aufnahme. Der Bürgermeister Naunyn beschwerte sich sogar bei der Deputation über das, aus ihrer Forderung hervorleuchtende Mißtrauen und verwies dieselbe an die, mit Allem, was die Wahl-Angelegenheiten betreffe, beauftragte Kommission. Dieselbe werde heute Abend eine Sitzung halten; man solle sich an sie wenden. Da sie aus den bekannten Reaktionären Keibel und Möwes und dem höchstens als indifferent zu bezeichnenden Seeger besteht, so ist für den Schritt der Deputation wenig Erfolg zu hoffen.
Wie sehr übrigens auch die reaktionäre Partei auf das Gelingen dieses Manövers rechnet, das darin besteht, einen der größern Wahlbezirke den Demokraten ganz zu überlassen, um dafür in den beiden andern eine wenn auch schwache Majorität zu erlisten — davon zeigt auch der Umstand, daß von dieser Seite her für die zweite Kammer überhaupt nur sechs Kandidaten vorgeschlagen werden. Als solche nennt man uns den Oberbergrath Kühne, Professor Keller, Devoranne, Borsig, v. Griesheim und den Commerzienrath und Pietisten Behrend. Wenn durch die Mitwirkung des Magistrats dieses perfide Manöver gelingt, so können die Berliner Wahlen von vorn herein als verfälschte bezeichnet werden. Denn aus einer demokratischen Majorität von Wahlmännern würde dann eine reaktionäre Majorität von Vertretern hervorgegangen sein.
Der Bau-Kondukteur Uhlmann, zu Brandenburg in Haft, ist in geheimer Sitzung des Kammergerichts wegen Majestätsbeleidigung und versuchten Aufruhrs in erster Instanz zu achtmonatlichem Festungsarrest verurtheilt; er sollte vorläufig nach einer Festung abgeführt werden; sie sind aber alle mit Staatsgefangenen so sehr besetzt, daß nur die Festung Stettin ihn, wie die Kommandantur erklärt hat, in eine Bodenkammer aufnehmen kann, in welcher sich nichts als eine leere Bettstelle befindet.
Das bekannte Versammlungslokal der Linken bei Jaroschewitz ist seit einiger Zeit an einen neuen Besitzer übergegangen. Derselbe mußte nach den bestehenden Polizeigesetzen beim Jahreswechsel eine Erneuerung seiner Konzession nachsuchen. Diese ward ihm aber bis jetzt verweigert, weil er sein Lokal zu demokratischen Wahlversammlungen hergegeben habe. Das Gehässige dieser Polizeiwillkür tritt noch mehr hervor, wenn man weiß, daß die Veranstalter dieser Versammlungen alle Wrangelschen Vorschriften betreffs der Vorversammlungen erfüllt hatten.
Aus guter Quelle wird uns versichert, der bekannte Maschinen-Fabrikant Borsig mache von seiner industriellen Stellung den gehässigsten politischen Gebrauch, indem er seine Arbeiter durch Androhung von Entlassung zu zwingen sucht, in seinem Sinne bei den Wahlen zu stimmen. Man sieht, Herr Borsig, der im Sommer mit der Demokratie und namentlich mit seinen Arbeitern so fleißig liebäugelte, hat seit dem November viel Muth bekommen, und hat namentlich im Umgange mit Herrn Harkort und andern Ehrenmännern dieses Schlages, schöne Begriffe von politischer Ehrenhaftigkeit angenommen.
Während von allen Seiten, selbst von der Harkort'schen Parlaments-Korrespondenz, die sehr oft aus amtlichen Quellen schöpft, die Aufhebung des Belagerungszustandes, vor Eintritt der Wahlen, gemeldet wurde: fängt man seit heute an zu glauben, daß die octroyirten Segnungen dieser modernen konstitutionellen Erfindung Berlin noch länger begnaden werden. Man schließt dies namentlich aus dem neuen, wahrhaft draconischen Erlaß Vater Wrangel's gegen politische Publikationen jeder Art. Nur frägt man sich hierbei, ob das Verbot des Druckes politischer Flugblätter auch auf Wahlprogramme aller Parteien, auf „Ansprachen an die Wähler“, „Enthüllungen“, Harkort'sche „Briefe an die Handwerker“, „Artikel eines alten Schulmeisters“ und andere derartige saubere Produkte der reaktionären Presse ausgedehnt werden wird, und ob dieselbe fortan die Wrangel'sche Druckerlaubniß an ihrer Spitze tragen werden. — Ebenso frägt man sich, ob eine andere Wrangel'sche Verfügung, welche in einem, den Bezirksvorstehern mitgetheilten Rescript des Polizeipräsidiums enthalten ist und das Vorlesen und Vertheilen auf die Wahlangelegenheiten nicht direkt bezüglicher Parteischriften verbietet, eine unparteiische Vollziehung finden wird. Alle diese octroyirten Beschränkungen der gesetzlichen Freiheiten sind übrigens, wir können es Herrn Manteuffel versichern, ebenso viel treffliche Werbemittel für die Demokratie. Also immer fleißig, meine Herren! Tant pis, tant mieux!
Ein fernerer Beitrag zu der Art, wie unsere konstitutionellen Minister die politischen Rechte ihrer Unterbeamten ehren, ist folgende verbürgte Thatsache. Der bekannte Hr. v. Griesheim ließ dieser Tage einen höhern Beamten des Kriegsministeriums in sein Kabinet rufen und überschüttete ihn mit Vorwürfen wegen seiner demokratischen Gesinnungen und deren Kundgebung in den Wahl-Vorversammlungen. Eine solche Gesinnung vertrage sich durchaus nicht mit seiner Stellung. Wenn er in dieser Weise fortfahre, so werde sich das Ministerium genöthigt sehen, ihn seines Amtes zu entsetzen. Der zur Rede gestellte Beamte antwortete jedoch seinem büreaukratischen Vorgesetzten in einer sehr energischen Weise und drohte ihm mit Veröffentlichung, falls man sich die mindeste, auf Meinungsinquisition begründete ungesetzliche Maßregel gegen ihn erlaube. Diese Thatsache ist übrigens nicht die einzige der Art, die wir aus dem Kriegsministerium erzählen können.
24 Berlin, 18. Januar. Das liebliche Ordensfest, das die Vereinbarer in ihrer teuflischen Ruchlosigkeit für überflüssig hielten, meinend, das schwere Geld, welches es den Taschen der geliebten Unterthanen kostet, sei besser verwendbar, z. B. um einige hungerbegnadete Volksschullehrer sich einmal satt essen zu lassen: Dieses Ordens- (auch Krönungs- und neustes Contrerevolutions-) Fest wurde heute im hiesigen Schlosse mit erhöhtem Glanze begangen. Ja, es fehlte auch nicht an dem gewöhnlichen Schauspiele in der Hofkapelle, wo der bekannte Lämmelbruder, Hofprediger Gerlach, nachwies, daß Christus noch am Kreuze die Institution des königlich-preußischen Ordensfestes, wenn nicht ausdrücklich befohlen, so doch ziemlich klar angedeutet habe, indem er zu dem einen Schächer sagte: heute wirst Du mit mir im Himmelreiche sein!
O, es gab diesmal eine große, lange Liste von Ordensrittern, die wegen ihrer Heldenthaten in Schleswig-Holstein (die kürzlich Ihre Zeitung mit wenig Worten gewürdigt hat), im Posen'schen und — in Frankfurt a/M. dekorirt werden mußten.
Obenan steht natürlich Hr. Wrangel; hat er doch seine Sache in Schlesweg-Holstein gar vortrefflich gemacht, so daß er in seiner wahren Eigenschaft erst später durchschaut wurde. Dafür bekam er den Militär-Verdienst-Orden und für seine Constablerischen Siege in den „grasbewachsenen“ Straßen Berlins trug er den „rothen Adler-Orden erster Klasse mit Eichenlaub und Schwetern“ (die „Kugeln in der Büchse“ fehlten!) davon. General v. Shrapnell ist von nun an wegen des heroischen Muthes und der Unerschrockenheit seiner Shrapnells Träger des „Sterns zum Rothen Adler-Orden 2ter Klasse mit Eichenlaub und Schwertern“ (und 7 neuen Shrapnells). Der Zusatz: „Schwerter“ ist eine reine November-Errungenschaft. Der im März vom Volk begnadigte v. Möllerdorff: Den „Militär-Verdienst-Orden ohne Eichenlaub.“ Nebst ihm sind noch 14 auf gleiche Weise bedacht.
Mit gerothvögelten Adlern 3ter Klasse (auch hier spukt die „Schwerter-Erfindung“ herein) wurden versehen: 23 christlich-germanische Helden, mit dito dito 4ter Klasse (mit und ohne Schwerter) 123 militärische Patrioten; mit dito dito 4ter Klasse: 78 meist civilistische Patrioten. Darunter (unter der 3ten Klasse) Herr v. Ammon in Köln, Graf Hatzfeld; (vierte Klasse) Camphausen (von!!) und Siebel in Barmen. Das „allgemeine Ehren-Zeichen,“ das beim Volke unter einem andern Namen bekannter ist, beseeligte 51 Personen.
Vergebens blicken wir die Liste von oben bis unten, von den Rothvögeln bis zu jenen Zeichen durch: wir finden Personen ausgelassen, deren Verdienste doch laut genug sprechen, um an einem christlich-germanischen Tage eine Anerkennung zu verdienen. So vermissen wir unter Andern den königl. preuß. Kommunisten Drigalski, verdienstvollen und siegreichen Belagerer Düsseldorf's; wir vermissen Hrn. Hecker (den Ex-Kölner, jetzigen Wupperthaler notabene), dessen Ehrenzeichen die Inschrift verdient: cedant arma togae; wir vermissen Hrn. Geiger, Ex-Kommiß- und nun wirkli-
(Siehe den Verfolg in der 1. Beilage)
könne — einfache Bemerkungen, die sich durch zwei oder drei Stunden hinwinden. Kurz und bündig ziehst du dann die Gränzen deiner etwaigen Rede — um natürlich nie innerhalb dieser Gränzen zu bleiben, sondern abzuschweifen und dich über Spanien und Portugal zu ergehen, über die heilige Allianz zu sprechen und über die Noth der arbeitenden Klasse, über deine Zuneigung zu Don Carlos und über englische Wettrennen und über Alles, nur nicht über das, was ursprünglich zum Ziele gesteckt wurde.
Bist du mit deiner Exposition fertig, so gibst du dich an die Argumentation und argumentirst mit Händen und Füßen, bis es deinen Zuhörern gelb und grün vor den Augen wird, ja, bis sie zu gähnen anfangen aus reinem Erstaunen vor deiner entsetzlichen Gelehrsamkeit. Dann aber brichst du plötzlich ab und rüstest dich zu der ersten Attaque auf deine Gegner, ein Uebergang, der nie seine Wirkung verfehlt, der die Einschlafenden emporrüttelt und sie unwillkührlich in einen neuen Strom deiner Beredsamkeit hineinreißt. Mit Keulen schlägst du anfangs um dich, mit dem Morgenstern echt adliger Unverschämtheit; dann ziehst du den krummen Säbel des Humors und zuletzt spielst du mit dem Dolche des Witzes, der spitz die Herzen trifft und tödtet, wo bisher nur verwundet wurde.
Schrecken, Lachen und lustige Thränen folgen deinen Worten — doch da änderst du plötzlich deinen Ton und wie du bisher als gewandter Gladiator deinen Gegenstand tief im Staube behandeltest: so schwingst du dich jetzt auf das stolze, hochtrabende Schlachtroß des Pathos und galloppirst zermalmend über die Kadaver deiner Feinde, die Posaune des Sieges an die Lippen drückend, um unter dem kaum verhaltenen Jubel der Versammlung in wenigen mystischen Worten den Schluß zu sprechen, wo die Stenographen sich den Schweiß von der Stirn trocknen und das Haus „is ringing with cheers for several minutes.“
Schnapphahnski sprach's. Er ging hin, und wenn er auch kein Montalembert wurde, kein Larochejaquelin, kein Lamartine, kein Guizot, kein Thiers, kein Redner des Unterhauses oder des Oberhauses, so wurde er wenigstens — — nun was wurde er denn?
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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