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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 202. Köln, 22. Januar 1849.

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irten provisorischen Oberbürgermeister, der sich Graf v. Villiers schreibt, schöne Sporen trägt, und über welchen die hiesige Zeitung anfragte, ob Hr. Oberbürgermeister seine Güter wirklich in Frankreich liegen habe, auch diesem Herrn wurde durch das Ausbleiben der Unruh schon im Voraus vielleicht eine Verlegenheit erspart. Uebrigens glauben wir sicher, daß Hr. v. Villiers, wie er uns von Regierungswegen genannt wird, ein tüchtiger Graf ist, er hat wenigstens gräflichen Anstand. Denn gestern Abend war Gemeiuderath angesagt; die Gemeinderäthe, welche unter sich jede Verspätung mit 5 Sgr. bestrafen, waren pünktlich um halb 6 Uhr erschienen, aber der Hr. Graf, in einem Nebenzimmer befindlich, war bis 1/4 nach 6 noch nicht so gnädig, in den Saal zu treten. Darob sprach der Eine Hm, Hm! der Andere etc. ; und so gingen die Herrn Gemeinderäthe bis auf vier Getreue auseinander. Das war die erste Plenarsitzung unter dem oktroyirten Bürgermeister und Grafen. Gott erhalte ihn bei Titel und Ehren!

X Kleve, 19. Jan.

Europa braucht Ruhe, und weil Europa Ruhe braucht, so braucht Europa Ruh. Dies Wiegenliedchen singt der hiesige konstitutionelle Verein den Klevern vor, und einige klevische Schafe blöken mit. Besagter Verein besteht aus kleinen Junkern mit großen Bärten, aus hoch- und niedergestellten Beamten; aus Geldsäcken mit ihrem Anhange; er entwickelt eine Thätigkeit, die erstaunlich ist. Der ganzen Sippschaft liegt das Wohl der Mitbürger plötzlich sehr an Herzen; die, welche früher die größten Esel waren, sind jetzt sanftmüthig und katzenfreundlich geworden, nebenbei aber auch strenge, wenn Noth am Manne ist; so haben mehrere Herren ihren Arbeitern befohlen, in den konstitutionellen Verein zu gehen; gingen sie in den Wahlverein, dann würden sie entlassen; ein Pröbchen, was diese Sorte unter Freiheit versteht. Den berühmten fürstbischöflichen Hirtenbrief hat man in tausenden Exemplaren drucken lassen; Justiz - und sonstige Räthe, alte Weiber und Laufjungen trugen diesen Brief aus Breslau auf das Land, zugleich mit den Machwerken aus der jetzt blühenden Fabrik Harkort-Meusebach. Das Landvolk begreift die freundlichen Sendboten nicht und wie wunderbar, es glaubt, der Hirtenbrief sei von den Herren selbst verfaßt. Jeder begreift, daß die Verzweiflung der Preußenvereinler groß ist, da sie sich so viel versprochen hatten von dem Briefe eines Fürstbischofs. Den Katholiken schicken sie Kreaturen zu, die bekannt machen, daß ein Deputirter gewählt würde, der den Pabst wieder auf seinen heiligen Stuhl setzen soll; die ganze Geistlichkeit gehöre ihrem Vereine an; der hiesige Wahlverein wolle die Religion abschaffen, es sei dieselbe Partei, die den Pabst weggejagt; wenn sie nicht gut wählten, dann käme Republik, dann flögen die Köpfe; dann kämem sie alle an den Galgen. Ein Haupführer dieser Partei, ein wahrer Stein der Krone, mit einem Zopfe, ich meine mit einem preußischen Schnurrbarte, Major a. D., kommt dann und wann nach Kleve, und nimmt hier sein Domizil. Er gehört zu den Menschen, die da kommen und wieder gehen, aber immer zu gewissen Zeiten wieder erscheinen, und den Meisten ein Räthsel sind und bleiben, "ein Stück von dem wandern Juden". Na! der schwärmt mal für den guten, braven, religiösen, gottbegnadeten König; schimpfen kann er aber wie ein Rohrspatz, wenn er die 270 Volksvertrter vor hat; die Augen werfen dann Blitze und er donnerwettert; so was sieht sich ganz possierlich an. Es ist auch Karnevalszeit! Der gute Knabe, möchte gar gern Deputirter werden. In der gestrigen großen Sitzung des Preußenvereins erklärte ein Mitglied, der Staatsprokurator Schmitz, der Volksvertreter Jung sei noch nicht trocken hinter den Ohren. Schmitz ist übrigens kein Vinke. Gottvoller Herr, dieser Herr Staatsprokurator! Er gebraucht volksthümliche Sprüchworte, damit er nur verstanden werde. Merkwürdiger Weise verstanden viele Anwesenden nicht Jung, sondern glaubten, der Herr p. p. habe damit den Präsidenten des Wahlvereins Dr. W. Junk gemeint; der Herr Staatsprokurator ist sehr unvorsichtig, aber er ist auch noch sehr jung.

So geht es hier! so geht's in der ganzen Umgegend; unverschämter als hier, wird und kann von der Beamtenparthei nicht gewühlt werden.

072 Vom Rhein, 20. Jan.

Heute läßt man in Berlin den Minister Kühlwetter noch weit hinter sich zurück. Die Büreaukratie wird nicht allein sorgfältigst erhalten, sondern auch durch ihr ganz gleichartige und als solche renomirte Bestandtheile ergänzt. Von Egen und einigen ähnlichen Männern war in dieser Zeitung schon die Rede; aber am tollsten geht es in dieser Hinsicht im Ministerium der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten her. Die vom Minister Schwerin niedergesetzte freisinnigere Kommission ist wieder aufgelöst, altersschwache evangelische Ministerialräthe sind mit der obersten Leitung des evangelischen Kirchenwesens betraut worden; diejenigen Männer, die ausdrücklich nach Berlin berufen worden waren, um Eichhorns rechter Arm zu sein, wie Richter, Snethlage und Stiehl, haben nunmehr als wirkliche Oberkonsistorialräthe oder Geheime Regierungsräthe im Ministerium förmlich Platz genommen; den Lehrern an den höhern Lehranstalten ist nicht vergönnt worden, eine wahrhaft freie Wahl anzustellen, damit auf der verheißenen Konferenz ihre Sache durch Männer ihres Vertrauens vertreten würde. Der neugebackene Geheime Regierungsrath Stiehl präsidirt der Versammlung von Seminar-Direktoren und Lehrern, welche über die künftige Lehrerbildung berathen soll. Daß diese Direktoren und Lehrer nicht durch Wahl von Seite ihrer Kollegen, sondern durch willkürliche Berufung von Seiten des Ministers in Berlin tagen, mag nur in Erinnerung gebracht werden, aber wer ist dieser Stiehl? Nun, es ist derselbe Stiehl, den dee bekannte Eilers nach Neuwied und dann nach Berlin brachte; derselbe Stiehl, der in Neuwied als Seminardirektor den Schulen einen Toast auf 50 Jahre rückwärts ausbrachte, wenn sie gut werden sollten, und der den Seminaristen für ihr Lehrerleben nichts angelegentlicher einzuschärfen wußte, als Demuth bei "harter Kost und leerer Wand"; derselbe Stiehl, der das Breslauer etc. Seminar auseinander sprengen half und so viel Schönes über die Zertheilung der Seminare und ihre Verlegung in idyllische Landstädtchen auch zum Zweck der besseren Vorbereitung auf die "harte Kost und leere Wand" gedacht und gesagt hat; derselbe Stiehl, wie seine Herren und Meister, für den christlich-germanischen Staat schwärmt. Dieser Stiehl präsidirt derjenigen Kommission, welche über die Lehrerbildung -- d. h. über den Geist und die ganze Zukunft unserer Volksschule und Volksbildung Berathung und, wenn es nach den Berliner Plänen geht, entscheidene Berathung pflegt.

102 Trier, 18. Januar.

Ein Pröbchen der hündischsten Perfidie unserer hiesigen Bourgeois gestatten Sie mir, den Lesern Ihres geschätzten Blattes mitzutheilen; es liefert zugleich einen neuen Beleg der niederträchtigen Mittel, wozu diese elende Race ihre Zuflucht nimmt, um im Brandenburg-Manteuffel'schen Interesse "mit Gott für König und Junkerschaft" zu reagieren. -- Unsere guten Trierer, die bekanntlich in der großen Majorität entschieden demokratisch gesinnt sind, befinden sich nämlich seit einigen Tagen in gewaltiger Bewegung bei Gelegenheit der am 22. d. Mts. stattfindenen Wahlen. Die Volksversammlungen der demokratischen Partei, die auf alle zwei Tage anberaumt sind, sind regelmäßig überfüllt; Flugschriften circuliren; an allen öffentlichen Localen wird eifrig discutirt und dergleichen mehr. (Die Heuler "volksversammeln" sich auch; so war gestern bei Recking eine solche Versammlung "zur Besprechung der Wahlangelegenheit," die 15 Mann hoch besucht war.) Die demokratische Partei hat zu ihren Kandidaten aufgestellt: "Für die erste Kammer die Herren Landgerichtsrath Gräff und Revisionsrath Esser, beide der entschiedenen Richtung der verjagten "Vereinbarer" angehörend; für die zweite Kammer Assessor Otto, ebenfalls von der Linken und Ludwig Simon, der sich immer noch bei der Centralohnmacht in Frankfurt abquält. Daß jene Kandidaten indeß unserer hiesigen Heulerclique nicht behagen, können Sie sich denken. An der Spitze dieser Krämer-Sippschaft befinden sich ein ehemaliger Artilleriefeuerwerker, jetzt Sub-Direktor der Moseldampfschifffahrt, Ritter des rothen Adlers 4ter Klasse, Hr. Secherling, aus Herford in Westphalen gebürtig, ein Seitenstück zu jenem Herforder Vereinbarer, dem Demokratenjäger von Borries; dann ein zweiter, ebenso arroganter Parvenü, Herr Lautz, nach Trier zur Zeit als Handlungscommis gekommen, jetzt Commerzienrath und gleichfalls Ritter des rothen etc.; endlich ein geborner Trierer, Fritz Lietz genannt, zwar noch nicht Ritter, aber, als Besitzer einer Buchdruckerei, die recht wacker die Traktätlein der Galgenzeitung nachdruckt, auf dem besten Wege, bei dem nächsten huldreichsten Ordensfest gerittert zu werden "ohne Schwerter." Dieses saubere Triumvirat vertritt nun hier die Interessen des gottbegnadeten Potsdamer "angestammten" Herrscherhauses. Aus der Offizin des letztgenannten Lietz gehen täglich zu Tausenden s. g. konstitutionelle Flugblätter hervor, womit Stadt und Land überschüttet werden. Die Sprache, die in diesen Traktätlein geführt wird, ist indessen so schrecklich dumm, daß der Bourgeois in seiner ganzen Glorie aus jeder Zeile hervorleuchtet; so werden z. B. in einem, wie man sich erzählt von dem hiesigen Staats-Prokurator v. Hölleben herrührenden Artikel, die Demokraten "Engel mit Pferdefüßen und langen Schwänzen" titulirt. Der gesunde Sinn unserer Bevölkerung ermangelt jedoch nicht, diesen Schandblättern die gebührende Ehre widerfahren zu lassen. Als nun aber die Heuler merkten, daß es damit durchaus nicht ziehen wollte, ersannen sie einen Plan, der -- wenn auch gelungen -- sicher einst seine bittern Früchte für sie bringen wird.

Bekanntlich sind die, welche öffentliche Almosen beziehen, nicht wahlberechtigt. Obige Clique hat nun hier vor einiger Zeit -- natürlich Alles im Wahlinteresse -- einen konstitutionellen Wohlthätigkeitsverein begründet; dieser Verein sollte den Leuten in punkto der Wohlthätigkeit der Herren Bourgeois Sand in die Augen streuen. Er fertigte Anweisungen, wonach jedem Vorzeiger, im Namen des Vereins, ein Centner Kohlen verabreicht werden sollte. Auf diese Weise wurden circa 1000 Ctr. Kohlen, im Werthe von etwa 200 Thlr. ausgetheilt; man ging sogar soweit, solchen Personen Kohlen ins Haus zu schicken, welche sich durchaus nicht darum beworben hatten. Als aber, trotz der Kohlen, die Empfänger, welche den Plan durchschauten, ihre Sympathien für die Kandidaten der demokratischen Partei laut manifestirten, geriethen die Herren Bourgeois in Wuth. Sie wandten sich an den kommissarischen Oberbürgermeister, Hrn. Wulfsheim, mit dem Antrage, die fraglichen 1000 Kohlenempfänger von den Wahllisten zu streichen; der Oberbürgermeister wieß diesen Antrag jedoch entschieden ab.

Die Herren Bourgeois lassen sich aber so leicht nicht abspeisen, sie wandten sich an das Regierungs-Präsidium, aber auch selbst der Coburger Sebaldt -- den Ihre Zeitung bereits früher schilderte -- ging den Vorschlag nicht ein. Das war denn doch gewiß ein unerwarteter Schlag. Aber Muth, die Herren Secherling und Genossen verzagen nicht; Hr. Manteuffel in Berlin wird Rath schaffen. Diesem wird also der Vorfall berichtet und umgehend kömmt der Befehl de par la grace de dieu, daß die 900 bis 1000 Kohlenempfänger nicht mitwählen dürfen!

Somit gehen durch dieses hündische Manöver unserer Partei alle diese Stimmen verloren; aber dennoch kann's ihnen Nichts helfen. Der Sieg der Demokratie -- für die zweite Kammer wenigstens -- ist in Trier gewiß. Wie es mit unsern dreißigjährigen Achtthalermännern aussieht, läßt sich jetzt noch nicht mit Gewißheit bestimmen; nächsten Montag wird es sich entscheiden und werde ich Ihnen Bericht erstatten.

* Berlin, 19. Jan.

Die neueste Nummer des "Pr. St. A." enthält zwei Entwürfe, welche der Minister des Innern, Hr. Manteufel, an sämmtliche Provinzialregierungen übersandt hat, um deren Gutachten sobald als möglich kennen zu lernen. Der eine Entwurf betrifft die "Gemeindeordnung für den preußischen Staat", der andere eine "Kreis-, Bezirks- und Provinzialordnung". In dem Entwurf dieser "Gemeindeordnung" setzt Hr. Manteufel einen Wahlcensus fest, so daß, wenn der Manteufel'sche Wunsch durchginge, beispielsweise ein Bewohner in Mühlheim a. Rh. einen Grundbesitz im Werthe von 500 Rthlr. oder ein jährliches Einkommen von 200 Thlr. ausweisen müßte, falls er sich an der Wahl des Gemeinderathes betheiligen wollte.

Auch der ehemalige Kultusminister Rodbertus ist aus Berlin ausgewiesen worden, da er einen Zweck seines Aufenhalts nicht anzugeben vermochte, er hat sich nun in der Nähe der Stadt niedergelassen. Die "Spen. Ztg." theilt die Nachricht ohne Bemerkung mit.

X Berlin, 18 Jan.

Heute hatte die zweite Abtheilung unseres Criminalgerichts, unter Vorsitz des Criminalraths Busse, einen höchst interessanten Prozeß zu behandeln. Bekanntlich hatten im Sommer v. J. die hiesigen Schriftsetzer und Buchdruckergehilfen, behufs Durchführung der bekannten Mainzer Beschlüsse, die Arbeit eingestellt, nachdem sie vorher vorschriftsmäßig ihren Arbeitgebern gekündigt hatten und nachdem alle Vereinbarungsversuche kein Resultat herbeigeführt hatten. Schon damals hatten eine Anzahl hiesiger Buchdruckereibesitzer, welche als deren Comite figurirten, beim Staatsanwalt darauf gedrungen, derselbe solle gegen das Comite der Gehilfen eine Anklage wegen Ueberschreitung des §. 182 der Gewerbeordnung *) vom 17. Januar 1845 einleiten. Der Staatsanwalt aber wies dieses Unsinnen ab, indem er erklärte, die ganze Gemeindeverordnung sei nur ein Polizeigesetz und könne also zu einer Criminaluntersuchung nicht Anlaß geben.Der Polizeirichter, vor den die Sache gehört, nahm dieselbe jedoch nicht auf, und man hielt das Ganze um so mehr für abgethan, als zwischen Gehilfen und Herren später eine Einigung zu Stande gekommen war. Seitdem aber Herr Rindelen es mit seiner Ehre für verträglich gefunden, in das Gottbegnadete Ministerium Brandenburg-Manteuffel einzutreten, erhielt der Staatsanwalt höhern Befehl, die Sache wieder aufzunehmen, und so standen heute die fünf Comitemitglieder, Jansen, Magni, Fröhlich, Dittmann und Walter vor dem Criminalgericht, um für die durch sie begangene Uebertretung des §. 182 Rede zu stehen. Es war hierbei schon sehr auffallend, daß man von den an fünfhundert bei der Arbeitseinstellung betheiligten Gehilfen gerade diese fünf sich herausgesucht hatte und doch die Anklage gegen sie nicht als Rädelsführer erhoben ward. Daher hatten auch die andern Gehülfen einen mit mehr als 450 Unterschriften versehenen Protest durch den Zeugen Spiegel (Herausgeber des "Guttenberg") einreichen lassen, worin sie erklären, sie seien ganz ebenso schuldig oder unschuldig als die fünf Angeklagten; entweder müßten sie Alle vor Gericht gestellt, oder auch jene fünf von der Anklage entbunden werden. Daß aber die Angeklagten nicht Rädelsführer seien, daß sie nicht Andere zur Verabredung aufgefordert hätten, gestand selbst die Anklage zu. Der Staatsanwalt suchte nachzuweisen, die Angeklagten hätten sich des im §. 182 verbotenen Verabredens zur Einstellung der Arbeit, behufs Erlangung von Zugeständnissen, schuldig gemacht. Wenn auch die Arbeitseinstellung in einer Versammlung der Gehilfen, durch Majorität beschlossen worden sei, so könne doch das Vorhandensein der Verabredung nicht in Zweifel gestellt werden. Er müsse daher für jeden der Angeklagten auf eine achtmonatliche Gefängnißstrafe antragen. -- Die Angeklagten dagegen behaupteten, es habe eine Verabredung nicht stattgefunden, es sei auch nicht nöthig gewesen; vielmehr habe die Arbeitseinstellung nur in Folge der Mainzer Beschlüsse und nach vorheriger 14tägiger Aufkündigung Statt gehabt, es sei also gegen die Bestimmungen der Gewerbeordnung in keiner Weise gefehlt worden. -- Das Zeugneverhör brachte nichts zur Sache beachtenwerthes zu Tage, außer einer Aussage des Stadtrath Risch, welcher erklärte, der Magistrat, dem laut der Gewerbeordnung alle Gewerbsangelegenheiten zugewiesen sind, habe im August die Buchdruckereibesitzer als außerhalb seiner Competenz stehend, abgewiesen, weil die Buchdruckerei kein Gewerbe, sondern eine Kunft sei.

Auch zu einem interessanten Ineidenzfall gab außerdem das Zeugenverhör Anlaß. Der Zeuge Spiegel nämlich, durch den Zufall der Geburt ein Jude, sollte more judaico beeidigt werden, weigerte sich dessen aber, weil es für ihn keinen besondern "Gott Israels" gebe. Der Gerichtshof, nach einer halbstündigen Berathung, umging die Prinzipienfrage und erließ dem Zeugen den Eid, weil seine Aussagen durch die Aussage Anderer schon bestätigt seien. -- Es begann nun die sehr beredte Vertheidigung des Angeklagten durch Dr. Stieber. Derselbe bestritt zuerst die Competenz des Gerichtshofes und fußte dabei auf der früheren Ansicht des Staatsanwalts. Alsdann behauptete er, jener §. der Gewerbeordnung dürfe nicht isolirt betrachtet werden, sondern man müsse ihn im Zusammenhang mit den Vorhergehenden und Nachfolgenden nehmen. Aus diesem Zusammenhange erhelle dann, daß die Gewerbeordnung namentlich das Vereinigungsrecht der Arbeiter habe verbieten wollen, daß also durch das Gesetz vom 6. April d. J., welches das Assoziationsrecht frei gebe, alle jene Bestimmungen der Gewerbeordnung aufgehobeben seien. Auf das tiefer liegende Prinzip des Klassenkampfes zwischen Arbeitern und Arbeitgebern, in welchem Kampfe die Coalition eine bedeutende Rolle als Parteiwaffe spielt, ging der Vertheidiger ebenfalls ein, indem er auf die Ungerechtigkeit des Staatsanwalts aufmerksam machte, welcher die gegenseitige Verabredung der Buchdruckereibesitzer nicht verfolgt. Subsidiarisch wies er endlich darauf hin, daß der ganze Vorgang nicht unter die Gewerbeordnung gehöre, wobei er sich auf die obenerwähnte, durch Sprachgebrauch und vielhuudertjähriges Herkommen bestätigte Ansicht des Magistrats über den nichtgewerblichen Charakter der Buchdruckerei berief. Er beantragte daher völlige Freisprechung der Angeklagten, oder Falls die Richter sich an dem Buchstaben des Gesetzes halten wollten, eine ganz geringe Strafe, da das Gesetz kein Minimum, sondern nur ein Maximum feststelle. -- Der Gerichtshof wird sein Urtheil erst morgen Mittag abgeben. --

Ein neuer Beleg zur Gerechtigkeit unserer Polizei Ein Schneidergeselle spricht in einer Wahlversammlung der Sophienstraße in entschieden demokratischem Sinne. Am anderen Morgen wird er zum Revierkommissarius beschieden und mit Ausweisungsdekret binnen 24 Stunden begnadet. Vergebens protestirt er bei Hinkeldey dagegen und beruft sich darauf, daß er in vollster Arbeit stehe. Hinkeldey schiebt einen speziellen Wrangel'schen Befehl vor und der arme Schneidergesell muß Berlin verlassen.

Gegenüber dem vielen Wesen, das seit einigen Tagen in hiesigen und fremden Zeitungen von den Berathungen eines vom Handelsministerium berufenen sogenannten Handwerkerparlaments gemacht wird, halten wir es für nöthig, folgende aus bester Quelle kommenden Mittheilungen zu veröffentlichen. Dieses ganze Parlament besteht aus 24 Deputirten und ist seiner ganzen Zusammensetzung und Enstehungsweise nach nichts weniger als berechtigt und befähigt, die so komplzirten Interessen des Gewerbestandes zu vertreten und zu berathen. Die Einberufung war nämlich Seitens des Ministerii in doppelter Weise geschehen, einmal durch eine öffentliche, sehr unklar redegirte Einladung und dann durch spezielle Briefe. Letztere waren nur in die Hände durchaus nicht offizieller Personen gelangt, die zur Vertretung ihrer Provinz weder Beruf noch Mandat besaßen, und zwar so, daß z. B. in Pommern eiligst erst einige wenige Leute sich zusammenthun mußten, damit die Provinz überhaupt nur vertreten sein konnte. Dagegen hatten in Folge der öffentlichen Einladungen sich hier etwa 60 Personen, meist Westphalen, eingefunden, welche als Vertreter zahlreicher, viele Tausend Mitglieder zählender Vereine, mit obrigkeitlich beglaubigten Vollmachten erschienen. Da selbst die offiziell Berufenen jedenfalls nur eine berathende Stimme haben konnten, da ferner die freiwillig Erschienenen ebenfalls keine höhere Stellung beanspruchten und zudem auf alle Diäten Verzicht leisteten, so hätte man glauben sollen, daß einer vereinten Berathung sämmtlicher Erschienenen nichts im Wege stehen könne. Trotzdem war der Minister hierzu nicht zu bewegen und auch die offiziellen Herrn Deputirten widersprachen beharrlich der Zulassung ihrer im Grunde weit mehr als sie zur Vertretung beauftragten Standesgenossen. Erst nach langem Hin- und Herreden, und als man im Ministerium zu der Einsicht gelangt war, eine Rückkehr der Deputirten ohne alles Resultat werde auf die Söhne der rothen Erde einen sehr üblen Eindruck machen, hielt man es aus Wahlrücksichten für gut, diese Herren zum Hierbleiben und ?erathen unter Mitwirkung der offiziell Berufenen aufzufordern. Jedoch räumte man ihnen nicht einmal eines der vielen leer stehenden amtlichen Lokale ein, sondern es mußte sich das Nebenparlament im Meding'schen Caffehaus constituiren. Indeß ist gestern Abend die ganz erbärmliche, durchaus reaktionäre Vorlage des Ministeriums, welche neue Beschränkungen der Gewerbefreiheit, wie die Einführung des Unwesens der Concessionen und Dispensationen nach der Einsicht hochweiser Behörden und Kräftigung des Innungszwanges bezweckte, selbst von dem offiziellen Parlament verworfen worden, obgleich in dieser Versammlung die der Gewerbefreiheit feindliche Tendenz vorherrschte und ihr das bekannte Frankfurter Interimisticum als Ziel aller Anstrengungen vorschwebte. Aber das Produkt der ministeriellen Staatsweisheit war auch, trotz der Mühe, die es dem Ministerium gekostet hatte -- und davon zeugt unter anderem der Umstand, daß es den Deputirten erst unmittelbar vor Eröffnung der ersten Sitzung und feucht, wie es aus der Druckerpresse kam, eingehändigt ward -- gar zu nichts sagend.

Soviel Einsicht hatten selbst die offiziellen Deputirten, um wahrzunehmen, daß es dem Ministerium bei Einberufung dieses Kongresses durchaus nicht um eine wirkliche Reform der gewerblichen Verhältnisse zu thun war, sondern nur um ein Coquettiren mit den Interessen des kleinen Gewerbestandes. Die ganze Konferenz war nur ein Wahlmanöver, womit man den vielfachen Versprechungen der Harkert'schen Partei in Bezug auf Reform der gewerblichen Verhältnisse das Scheinmäntelchen der Aufrichtigkeit und Verwirklichung umhängen wollte. Aber auch dieses Manöver wird gleich manchem andern seinen Urhebern mehr schaden als nützen. Schließlich noch die Bemerkung, daß zwar in dem Nebenparlament ein etwas besserer Geist herrscht, als in dem offiziellen, daß aber auch dessen Berathungen ein gedeihliches Resultat sicherlich nicht erzielen werden. Denn einerseits ist ja überhaupt eine einseitige Reform der gewerblichen Verhältnisse eine Unmöglichkeit. Der Handwerkerstand wird in Deutschland ebenso wenig seinem Loose entrinnen, als in England und Frankreich. Dieser letzte Rest der mittelalterlichen Produktionsverhältnisse muß in Deutschland ebenso gut wie anderswo den modernen Mächten der Maschinen-Industrie und des conzentrirten Kapitals erliegen. Aber selbst für die Auffindung von Palliativen, die dem Dahinsterbenden noch eine Zeit lang das sieche Leben fristen könnten, sind andererseits die hier versammelten Vertreter des Handwerkerstandes nicht befähigt, sie sind viel zu sehr in der Einseitigkeit und Misere ihrer kleinlichen Anschauung befangen, um den Zusammenhang ihrer eigenen Interesen mit denen der Gesammtheit zu erkennen und irgend etwas Bedeutsames zu Tage zu fördern, wozu es ihnen zudem auch an allen Vorarbeiten fehlt.

* Breslau, 19. Jan.

In der gestrigen Sitzung des "demokratischen Vereins" erhielt Dr. Elsner wegen des Harkort'schen Briefes "an die Gesellen" das Wort. Er gab dabei folgende Aufklärung über die Harkort'sche Liebe zu den Arbeitern. Als nämlich nach jenem blutigen Konflikt zwischen Bürgerwehr und Arbeitern zu Berlin, bei dem mehrere Arbeiter auf die persideste

*) Dieser §. lautet: "Gehülfen, Gesellen oder Fabrikarbeiter, welche entweder die Gewerbetreibenden selbst, oder die Obrigkeit zu gewissen Handlungen oder Zugeständnissen dadurch zu bestimmen suchen, daß sie die Einstellung der Arbeit oder die Verhinderung derselben bei einzelnen oder mehreren Gewerbetreibenden entweder selbst verabreden oder zu einer solchen Verabredung Andere auffordern, sollen mit Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft werden."

irten provisorischen Oberbürgermeister, der sich Graf v. Villiers schreibt, schöne Sporen trägt, und über welchen die hiesige Zeitung anfragte, ob Hr. Oberbürgermeister seine Güter wirklich in Frankreich liegen habe, auch diesem Herrn wurde durch das Ausbleiben der Unruh schon im Voraus vielleicht eine Verlegenheit erspart. Uebrigens glauben wir sicher, daß Hr. v. Villiers, wie er uns von Regierungswegen genannt wird, ein tüchtiger Graf ist, er hat wenigstens gräflichen Anstand. Denn gestern Abend war Gemeiuderath angesagt; die Gemeinderäthe, welche unter sich jede Verspätung mit 5 Sgr. bestrafen, waren pünktlich um halb 6 Uhr erschienen, aber der Hr. Graf, in einem Nebenzimmer befindlich, war bis 1/4 nach 6 noch nicht so gnädig, in den Saal zu treten. Darob sprach der Eine Hm, Hm! der Andere etc. ; und so gingen die Herrn Gemeinderäthe bis auf vier Getreue auseinander. Das war die erste Plenarsitzung unter dem oktroyirten Bürgermeister und Grafen. Gott erhalte ihn bei Titel und Ehren!

X Kleve, 19. Jan.

Europa braucht Ruhe, und weil Europa Ruhe braucht, so braucht Europa Ruh. Dies Wiegenliedchen singt der hiesige konstitutionelle Verein den Klevern vor, und einige klevische Schafe blöken mit. Besagter Verein besteht aus kleinen Junkern mit großen Bärten, aus hoch- und niedergestellten Beamten; aus Geldsäcken mit ihrem Anhange; er entwickelt eine Thätigkeit, die erstaunlich ist. Der ganzen Sippschaft liegt das Wohl der Mitbürger plötzlich sehr an Herzen; die, welche früher die größten Esel waren, sind jetzt sanftmüthig und katzenfreundlich geworden, nebenbei aber auch strenge, wenn Noth am Manne ist; so haben mehrere Herren ihren Arbeitern befohlen, in den konstitutionellen Verein zu gehen; gingen sie in den Wahlverein, dann würden sie entlassen; ein Pröbchen, was diese Sorte unter Freiheit versteht. Den berühmten fürstbischöflichen Hirtenbrief hat man in tausenden Exemplaren drucken lassen; Justiz - und sonstige Räthe, alte Weiber und Laufjungen trugen diesen Brief aus Breslau auf das Land, zugleich mit den Machwerken aus der jetzt blühenden Fabrik Harkort-Meusebach. Das Landvolk begreift die freundlichen Sendboten nicht und wie wunderbar, es glaubt, der Hirtenbrief sei von den Herren selbst verfaßt. Jeder begreift, daß die Verzweiflung der Preußenvereinler groß ist, da sie sich so viel versprochen hatten von dem Briefe eines Fürstbischofs. Den Katholiken schicken sie Kreaturen zu, die bekannt machen, daß ein Deputirter gewählt würde, der den Pabst wieder auf seinen heiligen Stuhl setzen soll; die ganze Geistlichkeit gehöre ihrem Vereine an; der hiesige Wahlverein wolle die Religion abschaffen, es sei dieselbe Partei, die den Pabst weggejagt; wenn sie nicht gut wählten, dann käme Republik, dann flögen die Köpfe; dann kämem sie alle an den Galgen. Ein Haupführer dieser Partei, ein wahrer Stein der Krone, mit einem Zopfe, ich meine mit einem preußischen Schnurrbarte, Major a. D., kommt dann und wann nach Kleve, und nimmt hier sein Domizil. Er gehört zu den Menschen, die da kommen und wieder gehen, aber immer zu gewissen Zeiten wieder erscheinen, und den Meisten ein Räthsel sind und bleiben, „ein Stück von dem wandern Juden“. Na! der schwärmt mal für den guten, braven, religiösen, gottbegnadeten König; schimpfen kann er aber wie ein Rohrspatz, wenn er die 270 Volksvertrter vor hat; die Augen werfen dann Blitze und er donnerwettert; so was sieht sich ganz possierlich an. Es ist auch Karnevalszeit! Der gute Knabe, möchte gar gern Deputirter werden. In der gestrigen großen Sitzung des Preußenvereins erklärte ein Mitglied, der Staatsprokurator Schmitz, der Volksvertreter Jung sei noch nicht trocken hinter den Ohren. Schmitz ist übrigens kein Vinke. Gottvoller Herr, dieser Herr Staatsprokurator! Er gebraucht volksthümliche Sprüchworte, damit er nur verstanden werde. Merkwürdiger Weise verstanden viele Anwesenden nicht Jung, sondern glaubten, der Herr p. p. habe damit den Präsidenten des Wahlvereins Dr. W. Junk gemeint; der Herr Staatsprokurator ist sehr unvorsichtig, aber er ist auch noch sehr jung.

So geht es hier! so geht's in der ganzen Umgegend; unverschämter als hier, wird und kann von der Beamtenparthei nicht gewühlt werden.

072 Vom Rhein, 20. Jan.

Heute läßt man in Berlin den Minister Kühlwetter noch weit hinter sich zurück. Die Büreaukratie wird nicht allein sorgfältigst erhalten, sondern auch durch ihr ganz gleichartige und als solche renomirte Bestandtheile ergänzt. Von Egen und einigen ähnlichen Männern war in dieser Zeitung schon die Rede; aber am tollsten geht es in dieser Hinsicht im Ministerium der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten her. Die vom Minister Schwerin niedergesetzte freisinnigere Kommission ist wieder aufgelöst, altersschwache evangelische Ministerialräthe sind mit der obersten Leitung des evangelischen Kirchenwesens betraut worden; diejenigen Männer, die ausdrücklich nach Berlin berufen worden waren, um Eichhorns rechter Arm zu sein, wie Richter, Snethlage und Stiehl, haben nunmehr als wirkliche Oberkonsistorialräthe oder Geheime Regierungsräthe im Ministerium förmlich Platz genommen; den Lehrern an den höhern Lehranstalten ist nicht vergönnt worden, eine wahrhaft freie Wahl anzustellen, damit auf der verheißenen Konferenz ihre Sache durch Männer ihres Vertrauens vertreten würde. Der neugebackene Geheime Regierungsrath Stiehl präsidirt der Versammlung von Seminar-Direktoren und Lehrern, welche über die künftige Lehrerbildung berathen soll. Daß diese Direktoren und Lehrer nicht durch Wahl von Seite ihrer Kollegen, sondern durch willkürliche Berufung von Seiten des Ministers in Berlin tagen, mag nur in Erinnerung gebracht werden, aber wer ist dieser Stiehl? Nun, es ist derselbe Stiehl, den dee bekannte Eilers nach Neuwied und dann nach Berlin brachte; derselbe Stiehl, der in Neuwied als Seminardirektor den Schulen einen Toast auf 50 Jahre rückwärts ausbrachte, wenn sie gut werden sollten, und der den Seminaristen für ihr Lehrerleben nichts angelegentlicher einzuschärfen wußte, als Demuth bei „harter Kost und leerer Wand“; derselbe Stiehl, der das Breslauer etc. Seminar auseinander sprengen half und so viel Schönes über die Zertheilung der Seminare und ihre Verlegung in idyllische Landstädtchen auch zum Zweck der besseren Vorbereitung auf die „harte Kost und leere Wand“ gedacht und gesagt hat; derselbe Stiehl, wie seine Herren und Meister, für den christlich-germanischen Staat schwärmt. Dieser Stiehl präsidirt derjenigen Kommission, welche über die Lehrerbildung — d. h. über den Geist und die ganze Zukunft unserer Volksschule und Volksbildung Berathung und, wenn es nach den Berliner Plänen geht, entscheidene Berathung pflegt.

102 Trier, 18. Januar.

Ein Pröbchen der hündischsten Perfidie unserer hiesigen Bourgeois gestatten Sie mir, den Lesern Ihres geschätzten Blattes mitzutheilen; es liefert zugleich einen neuen Beleg der niederträchtigen Mittel, wozu diese elende Race ihre Zuflucht nimmt, um im Brandenburg-Manteuffel'schen Interesse „mit Gott für König und Junkerschaft“ zu reagieren. — Unsere guten Trierer, die bekanntlich in der großen Majorität entschieden demokratisch gesinnt sind, befinden sich nämlich seit einigen Tagen in gewaltiger Bewegung bei Gelegenheit der am 22. d. Mts. stattfindenen Wahlen. Die Volksversammlungen der demokratischen Partei, die auf alle zwei Tage anberaumt sind, sind regelmäßig überfüllt; Flugschriften circuliren; an allen öffentlichen Localen wird eifrig discutirt und dergleichen mehr. (Die Heuler „volksversammeln“ sich auch; so war gestern bei Recking eine solche Versammlung „zur Besprechung der Wahlangelegenheit,“ die 15 Mann hoch besucht war.) Die demokratische Partei hat zu ihren Kandidaten aufgestellt: „Für die erste Kammer die Herren Landgerichtsrath Gräff und Revisionsrath Esser, beide der entschiedenen Richtung der verjagten „Vereinbarer“ angehörend; für die zweite Kammer Assessor Otto, ebenfalls von der Linken und Ludwig Simon, der sich immer noch bei der Centralohnmacht in Frankfurt abquält. Daß jene Kandidaten indeß unserer hiesigen Heulerclique nicht behagen, können Sie sich denken. An der Spitze dieser Krämer-Sippschaft befinden sich ein ehemaliger Artilleriefeuerwerker, jetzt Sub-Direktor der Moseldampfschifffahrt, Ritter des rothen Adlers 4ter Klasse, Hr. Secherling, aus Herford in Westphalen gebürtig, ein Seitenstück zu jenem Herforder Vereinbarer, dem Demokratenjäger von Borries; dann ein zweiter, ebenso arroganter Parvenü, Herr Lautz, nach Trier zur Zeit als Handlungscommis gekommen, jetzt Commerzienrath und gleichfalls Ritter des rothen etc.; endlich ein geborner Trierer, Fritz Lietz genannt, zwar noch nicht Ritter, aber, als Besitzer einer Buchdruckerei, die recht wacker die Traktätlein der Galgenzeitung nachdruckt, auf dem besten Wege, bei dem nächsten huldreichsten Ordensfest gerittert zu werden „ohne Schwerter.“ Dieses saubere Triumvirat vertritt nun hier die Interessen des gottbegnadeten Potsdamer „angestammten“ Herrscherhauses. Aus der Offizin des letztgenannten Lietz gehen täglich zu Tausenden s. g. konstitutionelle Flugblätter hervor, womit Stadt und Land überschüttet werden. Die Sprache, die in diesen Traktätlein geführt wird, ist indessen so schrecklich dumm, daß der Bourgeois in seiner ganzen Glorie aus jeder Zeile hervorleuchtet; so werden z. B. in einem, wie man sich erzählt von dem hiesigen Staats-Prokurator v. Hölleben herrührenden Artikel, die Demokraten „Engel mit Pferdefüßen und langen Schwänzen“ titulirt. Der gesunde Sinn unserer Bevölkerung ermangelt jedoch nicht, diesen Schandblättern die gebührende Ehre widerfahren zu lassen. Als nun aber die Heuler merkten, daß es damit durchaus nicht ziehen wollte, ersannen sie einen Plan, der — wenn auch gelungen — sicher einst seine bittern Früchte für sie bringen wird.

Bekanntlich sind die, welche öffentliche Almosen beziehen, nicht wahlberechtigt. Obige Clique hat nun hier vor einiger Zeit — natürlich Alles im Wahlinteresse — einen konstitutionellen Wohlthätigkeitsverein begründet; dieser Verein sollte den Leuten in punkto der Wohlthätigkeit der Herren Bourgeois Sand in die Augen streuen. Er fertigte Anweisungen, wonach jedem Vorzeiger, im Namen des Vereins, ein Centner Kohlen verabreicht werden sollte. Auf diese Weise wurden circa 1000 Ctr. Kohlen, im Werthe von etwa 200 Thlr. ausgetheilt; man ging sogar soweit, solchen Personen Kohlen ins Haus zu schicken, welche sich durchaus nicht darum beworben hatten. Als aber, trotz der Kohlen, die Empfänger, welche den Plan durchschauten, ihre Sympathien für die Kandidaten der demokratischen Partei laut manifestirten, geriethen die Herren Bourgeois in Wuth. Sie wandten sich an den kommissarischen Oberbürgermeister, Hrn. Wulfsheim, mit dem Antrage, die fraglichen 1000 Kohlenempfänger von den Wahllisten zu streichen; der Oberbürgermeister wieß diesen Antrag jedoch entschieden ab.

Die Herren Bourgeois lassen sich aber so leicht nicht abspeisen, sie wandten sich an das Regierungs-Präsidium, aber auch selbst der Coburger Sebaldt — den Ihre Zeitung bereits früher schilderte — ging den Vorschlag nicht ein. Das war denn doch gewiß ein unerwarteter Schlag. Aber Muth, die Herren Secherling und Genossen verzagen nicht; Hr. Manteuffel in Berlin wird Rath schaffen. Diesem wird also der Vorfall berichtet und umgehend kömmt der Befehl de par la grâce de dieu, daß die 900 bis 1000 Kohlenempfänger nicht mitwählen dürfen!

Somit gehen durch dieses hündische Manöver unserer Partei alle diese Stimmen verloren; aber dennoch kann's ihnen Nichts helfen. Der Sieg der Demokratie — für die zweite Kammer wenigstens — ist in Trier gewiß. Wie es mit unsern dreißigjährigen Achtthalermännern aussieht, läßt sich jetzt noch nicht mit Gewißheit bestimmen; nächsten Montag wird es sich entscheiden und werde ich Ihnen Bericht erstatten.

* Berlin, 19. Jan.

Die neueste Nummer des „Pr. St. A.“ enthält zwei Entwürfe, welche der Minister des Innern, Hr. Manteufel, an sämmtliche Provinzialregierungen übersandt hat, um deren Gutachten sobald als möglich kennen zu lernen. Der eine Entwurf betrifft die „Gemeindeordnung für den preußischen Staat“, der andere eine „Kreis-, Bezirks- und Provinzialordnung“. In dem Entwurf dieser „Gemeindeordnung“ setzt Hr. Manteufel einen Wahlcensus fest, so daß, wenn der Manteufel'sche Wunsch durchginge, beispielsweise ein Bewohner in Mühlheim a. Rh. einen Grundbesitz im Werthe von 500 Rthlr. oder ein jährliches Einkommen von 200 Thlr. ausweisen müßte, falls er sich an der Wahl des Gemeinderathes betheiligen wollte.

Auch der ehemalige Kultusminister Rodbertus ist aus Berlin ausgewiesen worden, da er einen Zweck seines Aufenhalts nicht anzugeben vermochte, er hat sich nun in der Nähe der Stadt niedergelassen. Die „Spen. Ztg.“ theilt die Nachricht ohne Bemerkung mit.

X Berlin, 18 Jan.

Heute hatte die zweite Abtheilung unseres Criminalgerichts, unter Vorsitz des Criminalraths Busse, einen höchst interessanten Prozeß zu behandeln. Bekanntlich hatten im Sommer v. J. die hiesigen Schriftsetzer und Buchdruckergehilfen, behufs Durchführung der bekannten Mainzer Beschlüsse, die Arbeit eingestellt, nachdem sie vorher vorschriftsmäßig ihren Arbeitgebern gekündigt hatten und nachdem alle Vereinbarungsversuche kein Resultat herbeigeführt hatten. Schon damals hatten eine Anzahl hiesiger Buchdruckereibesitzer, welche als deren Comite figurirten, beim Staatsanwalt darauf gedrungen, derselbe solle gegen das Comite der Gehilfen eine Anklage wegen Ueberschreitung des §. 182 der Gewerbeordnung *) vom 17. Januar 1845 einleiten. Der Staatsanwalt aber wies dieses Unsinnen ab, indem er erklärte, die ganze Gemeindeverordnung sei nur ein Polizeigesetz und könne also zu einer Criminaluntersuchung nicht Anlaß geben.Der Polizeirichter, vor den die Sache gehört, nahm dieselbe jedoch nicht auf, und man hielt das Ganze um so mehr für abgethan, als zwischen Gehilfen und Herren später eine Einigung zu Stande gekommen war. Seitdem aber Herr Rindelen es mit seiner Ehre für verträglich gefunden, in das Gottbegnadete Ministerium Brandenburg-Manteuffel einzutreten, erhielt der Staatsanwalt höhern Befehl, die Sache wieder aufzunehmen, und so standen heute die fünf Comitemitglieder, Jansen, Magni, Fröhlich, Dittmann und Walter vor dem Criminalgericht, um für die durch sie begangene Uebertretung des §. 182 Rede zu stehen. Es war hierbei schon sehr auffallend, daß man von den an fünfhundert bei der Arbeitseinstellung betheiligten Gehilfen gerade diese fünf sich herausgesucht hatte und doch die Anklage gegen sie nicht als Rädelsführer erhoben ward. Daher hatten auch die andern Gehülfen einen mit mehr als 450 Unterschriften versehenen Protest durch den Zeugen Spiegel (Herausgeber des „Guttenberg“) einreichen lassen, worin sie erklären, sie seien ganz ebenso schuldig oder unschuldig als die fünf Angeklagten; entweder müßten sie Alle vor Gericht gestellt, oder auch jene fünf von der Anklage entbunden werden. Daß aber die Angeklagten nicht Rädelsführer seien, daß sie nicht Andere zur Verabredung aufgefordert hätten, gestand selbst die Anklage zu. Der Staatsanwalt suchte nachzuweisen, die Angeklagten hätten sich des im §. 182 verbotenen Verabredens zur Einstellung der Arbeit, behufs Erlangung von Zugeständnissen, schuldig gemacht. Wenn auch die Arbeitseinstellung in einer Versammlung der Gehilfen, durch Majorität beschlossen worden sei, so könne doch das Vorhandensein der Verabredung nicht in Zweifel gestellt werden. Er müsse daher für jeden der Angeklagten auf eine achtmonatliche Gefängnißstrafe antragen. — Die Angeklagten dagegen behaupteten, es habe eine Verabredung nicht stattgefunden, es sei auch nicht nöthig gewesen; vielmehr habe die Arbeitseinstellung nur in Folge der Mainzer Beschlüsse und nach vorheriger 14tägiger Aufkündigung Statt gehabt, es sei also gegen die Bestimmungen der Gewerbeordnung in keiner Weise gefehlt worden. — Das Zeugneverhör brachte nichts zur Sache beachtenwerthes zu Tage, außer einer Aussage des Stadtrath Risch, welcher erklärte, der Magistrat, dem laut der Gewerbeordnung alle Gewerbsangelegenheiten zugewiesen sind, habe im August die Buchdruckereibesitzer als außerhalb seiner Competenz stehend, abgewiesen, weil die Buchdruckerei kein Gewerbe, sondern eine Kunft sei.

Auch zu einem interessanten Ineidenzfall gab außerdem das Zeugenverhör Anlaß. Der Zeuge Spiegel nämlich, durch den Zufall der Geburt ein Jude, sollte more judaico beeidigt werden, weigerte sich dessen aber, weil es für ihn keinen besondern „Gott Israels“ gebe. Der Gerichtshof, nach einer halbstündigen Berathung, umging die Prinzipienfrage und erließ dem Zeugen den Eid, weil seine Aussagen durch die Aussage Anderer schon bestätigt seien. — Es begann nun die sehr beredte Vertheidigung des Angeklagten durch Dr. Stieber. Derselbe bestritt zuerst die Competenz des Gerichtshofes und fußte dabei auf der früheren Ansicht des Staatsanwalts. Alsdann behauptete er, jener §. der Gewerbeordnung dürfe nicht isolirt betrachtet werden, sondern man müsse ihn im Zusammenhang mit den Vorhergehenden und Nachfolgenden nehmen. Aus diesem Zusammenhange erhelle dann, daß die Gewerbeordnung namentlich das Vereinigungsrecht der Arbeiter habe verbieten wollen, daß also durch das Gesetz vom 6. April d. J., welches das Assoziationsrecht frei gebe, alle jene Bestimmungen der Gewerbeordnung aufgehobeben seien. Auf das tiefer liegende Prinzip des Klassenkampfes zwischen Arbeitern und Arbeitgebern, in welchem Kampfe die Coalition eine bedeutende Rolle als Parteiwaffe spielt, ging der Vertheidiger ebenfalls ein, indem er auf die Ungerechtigkeit des Staatsanwalts aufmerksam machte, welcher die gegenseitige Verabredung der Buchdruckereibesitzer nicht verfolgt. Subsidiarisch wies er endlich darauf hin, daß der ganze Vorgang nicht unter die Gewerbeordnung gehöre, wobei er sich auf die obenerwähnte, durch Sprachgebrauch und vielhuudertjähriges Herkommen bestätigte Ansicht des Magistrats über den nichtgewerblichen Charakter der Buchdruckerei berief. Er beantragte daher völlige Freisprechung der Angeklagten, oder Falls die Richter sich an dem Buchstaben des Gesetzes halten wollten, eine ganz geringe Strafe, da das Gesetz kein Minimum, sondern nur ein Maximum feststelle. — Der Gerichtshof wird sein Urtheil erst morgen Mittag abgeben. —

Ein neuer Beleg zur Gerechtigkeit unserer Polizei Ein Schneidergeselle spricht in einer Wahlversammlung der Sophienstraße in entschieden demokratischem Sinne. Am anderen Morgen wird er zum Revierkommissarius beschieden und mit Ausweisungsdekret binnen 24 Stunden begnadet. Vergebens protestirt er bei Hinkeldey dagegen und beruft sich darauf, daß er in vollster Arbeit stehe. Hinkeldey schiebt einen speziellen Wrangel'schen Befehl vor und der arme Schneidergesell muß Berlin verlassen.

Gegenüber dem vielen Wesen, das seit einigen Tagen in hiesigen und fremden Zeitungen von den Berathungen eines vom Handelsministerium berufenen sogenannten Handwerkerparlaments gemacht wird, halten wir es für nöthig, folgende aus bester Quelle kommenden Mittheilungen zu veröffentlichen. Dieses ganze Parlament besteht aus 24 Deputirten und ist seiner ganzen Zusammensetzung und Enstehungsweise nach nichts weniger als berechtigt und befähigt, die so komplzirten Interessen des Gewerbestandes zu vertreten und zu berathen. Die Einberufung war nämlich Seitens des Ministerii in doppelter Weise geschehen, einmal durch eine öffentliche, sehr unklar redegirte Einladung und dann durch spezielle Briefe. Letztere waren nur in die Hände durchaus nicht offizieller Personen gelangt, die zur Vertretung ihrer Provinz weder Beruf noch Mandat besaßen, und zwar so, daß z. B. in Pommern eiligst erst einige wenige Leute sich zusammenthun mußten, damit die Provinz überhaupt nur vertreten sein konnte. Dagegen hatten in Folge der öffentlichen Einladungen sich hier etwa 60 Personen, meist Westphalen, eingefunden, welche als Vertreter zahlreicher, viele Tausend Mitglieder zählender Vereine, mit obrigkeitlich beglaubigten Vollmachten erschienen. Da selbst die offiziell Berufenen jedenfalls nur eine berathende Stimme haben konnten, da ferner die freiwillig Erschienenen ebenfalls keine höhere Stellung beanspruchten und zudem auf alle Diäten Verzicht leisteten, so hätte man glauben sollen, daß einer vereinten Berathung sämmtlicher Erschienenen nichts im Wege stehen könne. Trotzdem war der Minister hierzu nicht zu bewegen und auch die offiziellen Herrn Deputirten widersprachen beharrlich der Zulassung ihrer im Grunde weit mehr als sie zur Vertretung beauftragten Standesgenossen. Erst nach langem Hin- und Herreden, und als man im Ministerium zu der Einsicht gelangt war, eine Rückkehr der Deputirten ohne alles Resultat werde auf die Söhne der rothen Erde einen sehr üblen Eindruck machen, hielt man es aus Wahlrücksichten für gut, diese Herren zum Hierbleiben und ?erathen unter Mitwirkung der offiziell Berufenen aufzufordern. Jedoch räumte man ihnen nicht einmal eines der vielen leer stehenden amtlichen Lokale ein, sondern es mußte sich das Nebenparlament im Meding'schen Caffehaus constituiren. Indeß ist gestern Abend die ganz erbärmliche, durchaus reaktionäre Vorlage des Ministeriums, welche neue Beschränkungen der Gewerbefreiheit, wie die Einführung des Unwesens der Concessionen und Dispensationen nach der Einsicht hochweiser Behörden und Kräftigung des Innungszwanges bezweckte, selbst von dem offiziellen Parlament verworfen worden, obgleich in dieser Versammlung die der Gewerbefreiheit feindliche Tendenz vorherrschte und ihr das bekannte Frankfurter Interimisticum als Ziel aller Anstrengungen vorschwebte. Aber das Produkt der ministeriellen Staatsweisheit war auch, trotz der Mühe, die es dem Ministerium gekostet hatte — und davon zeugt unter anderem der Umstand, daß es den Deputirten erst unmittelbar vor Eröffnung der ersten Sitzung und feucht, wie es aus der Druckerpresse kam, eingehändigt ward — gar zu nichts sagend.

Soviel Einsicht hatten selbst die offiziellen Deputirten, um wahrzunehmen, daß es dem Ministerium bei Einberufung dieses Kongresses durchaus nicht um eine wirkliche Reform der gewerblichen Verhältnisse zu thun war, sondern nur um ein Coquettiren mit den Interessen des kleinen Gewerbestandes. Die ganze Konferenz war nur ein Wahlmanöver, womit man den vielfachen Versprechungen der Harkert'schen Partei in Bezug auf Reform der gewerblichen Verhältnisse das Scheinmäntelchen der Aufrichtigkeit und Verwirklichung umhängen wollte. Aber auch dieses Manöver wird gleich manchem andern seinen Urhebern mehr schaden als nützen. Schließlich noch die Bemerkung, daß zwar in dem Nebenparlament ein etwas besserer Geist herrscht, als in dem offiziellen, daß aber auch dessen Berathungen ein gedeihliches Resultat sicherlich nicht erzielen werden. Denn einerseits ist ja überhaupt eine einseitige Reform der gewerblichen Verhältnisse eine Unmöglichkeit. Der Handwerkerstand wird in Deutschland ebenso wenig seinem Loose entrinnen, als in England und Frankreich. Dieser letzte Rest der mittelalterlichen Produktionsverhältnisse muß in Deutschland ebenso gut wie anderswo den modernen Mächten der Maschinen-Industrie und des conzentrirten Kapitals erliegen. Aber selbst für die Auffindung von Palliativen, die dem Dahinsterbenden noch eine Zeit lang das sieche Leben fristen könnten, sind andererseits die hier versammelten Vertreter des Handwerkerstandes nicht befähigt, sie sind viel zu sehr in der Einseitigkeit und Misere ihrer kleinlichen Anschauung befangen, um den Zusammenhang ihrer eigenen Interesen mit denen der Gesammtheit zu erkennen und irgend etwas Bedeutsames zu Tage zu fördern, wozu es ihnen zudem auch an allen Vorarbeiten fehlt.

* Breslau, 19. Jan.

In der gestrigen Sitzung des „demokratischen Vereins“ erhielt Dr. Elsner wegen des Harkort'schen Briefes „an die Gesellen“ das Wort. Er gab dabei folgende Aufklärung über die Harkort'sche Liebe zu den Arbeitern. Als nämlich nach jenem blutigen Konflikt zwischen Bürgerwehr und Arbeitern zu Berlin, bei dem mehrere Arbeiter auf die persideste

*) Dieser §. lautet: „Gehülfen, Gesellen oder Fabrikarbeiter, welche entweder die Gewerbetreibenden selbst, oder die Obrigkeit zu gewissen Handlungen oder Zugeständnissen dadurch zu bestimmen suchen, daß sie die Einstellung der Arbeit oder die Verhinderung derselben bei einzelnen oder mehreren Gewerbetreibenden entweder selbst verabreden oder zu einer solchen Verabredung Andere auffordern, sollen mit Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft werden.“
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irten provisorischen Oberbürgermeister, der sich Graf v. Villiers schreibt, schöne Sporen trägt, und über welchen die hiesige Zeitung anfragte, ob Hr. Oberbürgermeister seine Güter wirklich in Frankreich liegen habe, auch diesem Herrn wurde durch das Ausbleiben der Unruh schon im Voraus vielleicht eine Verlegenheit erspart. Uebrigens glauben wir sicher, daß Hr. v. Villiers, wie er uns von Regierungswegen genannt wird, ein tüchtiger Graf ist, er hat wenigstens gräflichen Anstand. Denn gestern Abend war Gemeiuderath angesagt; die Gemeinderäthe, welche unter sich jede Verspätung mit 5 Sgr. bestrafen, waren pünktlich um halb 6 Uhr erschienen, aber der Hr. Graf, in einem Nebenzimmer befindlich, war bis 1/4 nach 6 noch nicht so gnädig, in den Saal zu treten. Darob sprach der Eine Hm, Hm! der Andere etc. ; und so gingen die Herrn Gemeinderäthe bis auf vier Getreue auseinander. Das war die erste Plenarsitzung unter dem oktroyirten Bürgermeister und Grafen. Gott erhalte ihn bei Titel und Ehren!</p>
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          <head><bibl><author>X</author></bibl> Kleve, 19. Jan.</head>
          <p>Europa braucht Ruhe, und weil Europa Ruhe braucht, so braucht Europa Ruh. Dies Wiegenliedchen singt der hiesige konstitutionelle Verein den Klevern vor, und einige klevische Schafe blöken mit. Besagter Verein besteht aus kleinen Junkern mit großen Bärten, aus hoch- und niedergestellten Beamten; aus Geldsäcken mit ihrem Anhange; er entwickelt eine Thätigkeit, die erstaunlich ist. Der ganzen Sippschaft liegt das Wohl der Mitbürger plötzlich sehr an Herzen; die, welche früher die größten Esel waren, sind jetzt sanftmüthig und katzenfreundlich geworden, nebenbei aber auch strenge, wenn Noth am Manne ist; so haben mehrere Herren ihren Arbeitern befohlen, in den konstitutionellen Verein zu gehen; gingen sie in den Wahlverein, dann würden sie entlassen; ein Pröbchen, was diese Sorte unter Freiheit versteht. Den berühmten fürstbischöflichen Hirtenbrief hat man in tausenden Exemplaren drucken lassen; Justiz - und sonstige Räthe, alte Weiber und Laufjungen trugen diesen Brief aus Breslau auf das Land, zugleich mit den Machwerken aus der jetzt blühenden Fabrik Harkort-Meusebach. Das Landvolk begreift die freundlichen Sendboten nicht und wie wunderbar, es glaubt, der Hirtenbrief sei von den Herren selbst verfaßt. Jeder begreift, daß die Verzweiflung der Preußenvereinler groß ist, da sie sich so viel versprochen hatten von dem Briefe eines Fürstbischofs. Den Katholiken schicken sie Kreaturen zu, die bekannt machen, daß ein Deputirter gewählt würde, der den Pabst wieder auf seinen heiligen Stuhl setzen soll; die ganze Geistlichkeit gehöre ihrem Vereine an; der hiesige Wahlverein wolle die Religion abschaffen, es sei dieselbe Partei, die den Pabst weggejagt; wenn sie nicht gut wählten, dann käme Republik, dann flögen die Köpfe; dann kämem sie alle an den Galgen. Ein Haupführer dieser Partei, ein wahrer Stein der Krone, mit einem Zopfe, ich meine mit einem preußischen Schnurrbarte, Major a. D., kommt dann und wann nach Kleve, und nimmt hier sein Domizil. Er gehört zu den Menschen, die da kommen und wieder gehen, aber immer zu gewissen Zeiten wieder erscheinen, und den Meisten ein Räthsel sind und bleiben, &#x201E;ein Stück von dem wandern Juden&#x201C;. Na! der schwärmt mal für den guten, braven, religiösen, gottbegnadeten König; schimpfen kann er aber wie ein Rohrspatz, wenn er die 270 Volksvertrter vor hat; die Augen werfen dann Blitze und er donnerwettert; so was sieht sich ganz possierlich an. Es ist auch Karnevalszeit! Der gute Knabe, möchte gar gern Deputirter werden. In der gestrigen <hi rendition="#g">großen</hi> Sitzung des Preußenvereins erklärte ein Mitglied, der Staatsprokurator Schmitz, der Volksvertreter Jung sei noch nicht trocken hinter den Ohren. Schmitz ist übrigens kein Vinke. Gottvoller Herr, dieser Herr Staatsprokurator! Er gebraucht volksthümliche Sprüchworte, damit er nur verstanden werde. Merkwürdiger Weise verstanden viele Anwesenden nicht Jung, sondern glaubten, der Herr p. p. habe damit den Präsidenten des Wahlvereins Dr. W. Junk gemeint; der Herr Staatsprokurator ist sehr unvorsichtig, aber er ist auch noch sehr jung.</p>
          <p>So geht es hier! so geht's in der ganzen Umgegend; unverschämter als hier, wird und kann von der Beamtenparthei nicht gewühlt werden.</p>
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          <head><bibl><author>072</author></bibl> Vom Rhein, 20. Jan.</head>
          <p>Heute läßt man in Berlin den Minister Kühlwetter noch weit hinter sich zurück. Die Büreaukratie wird nicht allein sorgfältigst erhalten, sondern auch durch ihr ganz <hi rendition="#g">gleichartige</hi> und als solche <hi rendition="#g">renomirte</hi> Bestandtheile <hi rendition="#g">ergänzt</hi>. Von Egen und einigen ähnlichen Männern war in dieser Zeitung schon die Rede; aber am tollsten geht es in dieser Hinsicht im Ministerium der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten her. Die vom Minister Schwerin niedergesetzte freisinnigere Kommission ist wieder aufgelöst, altersschwache evangelische Ministerialräthe sind mit der obersten Leitung des evangelischen Kirchenwesens betraut worden; diejenigen Männer, die ausdrücklich nach Berlin berufen worden waren, um <hi rendition="#g">Eichhorns rechter Arm</hi> zu sein, wie Richter, Snethlage und Stiehl, haben nunmehr als wirkliche Oberkonsistorialräthe oder <hi rendition="#g">Geheime</hi> Regierungsräthe im Ministerium förmlich Platz genommen; den Lehrern an den höhern Lehranstalten ist nicht vergönnt worden, eine wahrhaft freie Wahl anzustellen, damit auf der verheißenen Konferenz ihre Sache durch Männer <hi rendition="#g">ihres</hi> Vertrauens vertreten würde. Der neugebackene Geheime Regierungsrath Stiehl präsidirt der Versammlung von Seminar-Direktoren und Lehrern, welche über die künftige <hi rendition="#g">Lehrerbildung</hi> berathen soll. Daß diese Direktoren und Lehrer nicht durch Wahl von Seite ihrer Kollegen, sondern durch willkürliche Berufung von Seiten des Ministers in Berlin tagen, mag nur in Erinnerung gebracht werden, aber wer ist dieser Stiehl? Nun, es ist derselbe Stiehl, den dee bekannte Eilers nach Neuwied und dann nach Berlin brachte; derselbe Stiehl, der in Neuwied als Seminardirektor den Schulen einen Toast auf 50 <hi rendition="#g">Jahre rückwärts</hi> ausbrachte, wenn sie gut werden sollten, und der den Seminaristen für ihr Lehrerleben nichts angelegentlicher einzuschärfen wußte, als <hi rendition="#g">Demuth</hi> bei &#x201E;harter Kost und leerer Wand&#x201C;; derselbe Stiehl, der das Breslauer etc. Seminar auseinander sprengen half und so viel Schönes über die Zertheilung der Seminare und ihre Verlegung in idyllische Landstädtchen auch zum Zweck der besseren Vorbereitung auf die &#x201E;harte Kost und leere Wand&#x201C; gedacht und gesagt hat; derselbe Stiehl, wie seine Herren und Meister, für den christlich-germanischen Staat schwärmt. Dieser Stiehl präsidirt derjenigen Kommission, welche über die Lehrerbildung &#x2014; d. h. über den Geist und die ganze Zukunft unserer Volksschule und Volksbildung Berathung und, wenn es nach den Berliner Plänen geht, entscheidene Berathung pflegt.</p>
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          <head><bibl><author>102</author></bibl> Trier, 18. Januar.</head>
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          <p>Bekanntlich sind die, welche öffentliche Almosen beziehen, nicht wahlberechtigt. Obige Clique hat nun hier vor einiger Zeit &#x2014; natürlich Alles im Wahlinteresse &#x2014; einen konstitutionellen Wohlthätigkeitsverein begründet; dieser Verein sollte den Leuten in punkto der Wohlthätigkeit der Herren Bourgeois Sand in die Augen streuen. Er fertigte Anweisungen, wonach jedem Vorzeiger, im Namen des Vereins, ein Centner Kohlen verabreicht werden sollte. Auf diese Weise wurden circa 1000 Ctr. Kohlen, im Werthe von etwa 200 Thlr. ausgetheilt; man ging sogar soweit, solchen Personen Kohlen ins Haus zu schicken, welche sich durchaus nicht darum beworben hatten. Als aber, trotz der Kohlen, die Empfänger, welche den Plan durchschauten, ihre Sympathien für die Kandidaten der demokratischen Partei laut manifestirten, geriethen die Herren Bourgeois in Wuth. Sie wandten sich an den kommissarischen Oberbürgermeister, Hrn. Wulfsheim, mit dem Antrage, die fraglichen 1000 Kohlenempfänger von den Wahllisten zu streichen; der Oberbürgermeister wieß diesen Antrag jedoch entschieden ab.</p>
          <p>Die Herren Bourgeois lassen sich aber so leicht nicht abspeisen, sie wandten sich an das Regierungs-Präsidium, aber auch selbst der Coburger Sebaldt &#x2014; den Ihre Zeitung bereits früher schilderte &#x2014; ging den Vorschlag <hi rendition="#g">nicht</hi> ein. Das war denn doch gewiß ein unerwarteter Schlag. Aber Muth, die Herren Secherling und Genossen verzagen nicht; Hr. Manteuffel in Berlin wird Rath schaffen. Diesem wird also der Vorfall berichtet und umgehend kömmt der Befehl de par la grâce de dieu, daß die 900 bis 1000 Kohlenempfänger <hi rendition="#g">nicht mitwählen</hi> dürfen!</p>
          <p>Somit gehen durch dieses hündische Manöver unserer Partei alle diese Stimmen verloren; aber dennoch kann's ihnen Nichts helfen. Der Sieg der Demokratie &#x2014; für die zweite Kammer wenigstens &#x2014; ist in Trier gewiß. Wie es mit unsern dreißigjährigen Achtthalermännern aussieht, läßt sich jetzt noch nicht mit Gewißheit bestimmen; nächsten Montag wird es sich entscheiden und werde ich Ihnen Bericht erstatten.</p>
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          <head><bibl><author>X</author></bibl> Berlin, 18 Jan.</head>
          <p>Heute hatte die zweite Abtheilung unseres Criminalgerichts, unter Vorsitz des Criminalraths Busse, einen höchst interessanten Prozeß zu behandeln. Bekanntlich hatten im Sommer v. J. die hiesigen Schriftsetzer und Buchdruckergehilfen, behufs Durchführung der bekannten Mainzer Beschlüsse, die Arbeit eingestellt, nachdem sie vorher vorschriftsmäßig ihren Arbeitgebern gekündigt hatten und nachdem alle Vereinbarungsversuche kein Resultat herbeigeführt hatten. Schon damals hatten eine Anzahl hiesiger Buchdruckereibesitzer, welche als deren Comite figurirten, beim Staatsanwalt darauf gedrungen, derselbe solle gegen das Comite der Gehilfen eine Anklage wegen Ueberschreitung des §. 182 der Gewerbeordnung *)<note place="foot">*) Dieser §. lautet: &#x201E;Gehülfen, Gesellen oder Fabrikarbeiter, welche entweder die Gewerbetreibenden selbst, oder die Obrigkeit zu gewissen Handlungen oder Zugeständnissen dadurch zu bestimmen suchen, daß sie die Einstellung der Arbeit oder die Verhinderung derselben bei einzelnen oder mehreren Gewerbetreibenden entweder selbst verabreden oder zu einer solchen Verabredung Andere auffordern, sollen mit Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft werden.&#x201C;</note> vom 17. Januar 1845 einleiten. Der Staatsanwalt aber wies dieses Unsinnen ab, indem er erklärte, die ganze Gemeindeverordnung sei nur ein Polizeigesetz und könne also zu einer Criminaluntersuchung nicht Anlaß geben.Der Polizeirichter, vor den die Sache gehört, nahm dieselbe jedoch nicht auf, und man hielt das Ganze um so mehr für abgethan, als zwischen Gehilfen und Herren später eine Einigung zu Stande gekommen war. Seitdem aber Herr Rindelen es mit seiner Ehre für verträglich gefunden, in das Gottbegnadete Ministerium Brandenburg-Manteuffel einzutreten, erhielt der Staatsanwalt höhern Befehl, die Sache wieder aufzunehmen, und so standen heute die fünf Comitemitglieder, Jansen, Magni, Fröhlich, Dittmann und Walter vor dem Criminalgericht, um für die durch sie begangene Uebertretung des §. 182 Rede zu stehen. Es war hierbei schon sehr auffallend, daß man von den an fünfhundert bei der Arbeitseinstellung betheiligten Gehilfen gerade diese fünf sich herausgesucht hatte und doch die Anklage gegen sie nicht als Rädelsführer erhoben ward. Daher hatten auch die andern Gehülfen einen mit mehr als 450 Unterschriften versehenen Protest durch den Zeugen Spiegel (Herausgeber des &#x201E;Guttenberg&#x201C;) einreichen lassen, worin sie erklären, sie seien ganz ebenso schuldig oder unschuldig als die fünf Angeklagten; entweder müßten sie Alle vor Gericht gestellt, oder auch jene fünf von der Anklage entbunden werden. Daß aber die Angeklagten nicht Rädelsführer seien, daß sie nicht Andere zur Verabredung aufgefordert hätten, gestand selbst die Anklage zu. Der Staatsanwalt suchte nachzuweisen, die Angeklagten hätten sich des im §. 182 verbotenen Verabredens zur Einstellung der Arbeit, behufs Erlangung von Zugeständnissen, schuldig gemacht. Wenn auch die Arbeitseinstellung in einer Versammlung der Gehilfen, durch Majorität beschlossen worden sei, so könne doch das Vorhandensein der Verabredung nicht in Zweifel gestellt werden. Er müsse daher für jeden der Angeklagten auf eine achtmonatliche Gefängnißstrafe antragen. &#x2014; Die Angeklagten dagegen behaupteten, es habe eine Verabredung nicht stattgefunden, es sei auch nicht nöthig gewesen; vielmehr habe die Arbeitseinstellung nur in Folge der Mainzer Beschlüsse und nach vorheriger 14tägiger Aufkündigung Statt gehabt, es sei also gegen die Bestimmungen der Gewerbeordnung in keiner Weise gefehlt worden. &#x2014; Das Zeugneverhör brachte nichts zur Sache beachtenwerthes zu Tage, außer einer Aussage des Stadtrath Risch, welcher erklärte, der Magistrat, dem laut der Gewerbeordnung alle Gewerbsangelegenheiten zugewiesen sind, habe im August die Buchdruckereibesitzer als außerhalb seiner Competenz stehend, abgewiesen, weil die Buchdruckerei kein Gewerbe, sondern eine Kunft sei.</p>
          <p>Auch zu einem interessanten Ineidenzfall gab außerdem das Zeugenverhör Anlaß. Der Zeuge <hi rendition="#g">Spiegel</hi> nämlich, durch den Zufall der Geburt ein Jude, sollte more judaico beeidigt werden, weigerte sich dessen aber, weil es für ihn keinen besondern &#x201E;Gott Israels&#x201C; gebe. Der Gerichtshof, nach einer halbstündigen Berathung, umging die Prinzipienfrage und erließ dem Zeugen den Eid, weil seine Aussagen durch die Aussage Anderer schon bestätigt seien. &#x2014; Es begann nun die sehr beredte Vertheidigung des Angeklagten durch Dr. Stieber. Derselbe bestritt zuerst die Competenz des Gerichtshofes und fußte dabei auf der früheren Ansicht des Staatsanwalts. Alsdann behauptete er, jener §. der Gewerbeordnung dürfe nicht isolirt betrachtet werden, sondern man müsse ihn im Zusammenhang mit den Vorhergehenden und Nachfolgenden nehmen. Aus diesem Zusammenhange erhelle dann, daß die Gewerbeordnung namentlich das Vereinigungsrecht der Arbeiter habe verbieten wollen, daß also durch das Gesetz vom 6. April d. J., welches das Assoziationsrecht frei gebe, alle jene Bestimmungen der Gewerbeordnung aufgehobeben seien. Auf das tiefer liegende Prinzip des Klassenkampfes zwischen Arbeitern und Arbeitgebern, in welchem Kampfe die Coalition eine bedeutende Rolle als Parteiwaffe spielt, ging der Vertheidiger ebenfalls ein, indem er auf die Ungerechtigkeit des Staatsanwalts aufmerksam machte, welcher die gegenseitige Verabredung der Buchdruckereibesitzer nicht verfolgt. Subsidiarisch wies er endlich darauf hin, daß der ganze Vorgang nicht unter die Gewerbeordnung gehöre, wobei er sich auf die obenerwähnte, durch Sprachgebrauch und vielhuudertjähriges Herkommen bestätigte Ansicht des Magistrats über den nichtgewerblichen Charakter der Buchdruckerei berief. Er beantragte daher völlige Freisprechung der Angeklagten, oder Falls die Richter sich an dem Buchstaben des Gesetzes halten wollten, eine ganz geringe Strafe, da das Gesetz kein Minimum, sondern nur ein Maximum feststelle. &#x2014; Der Gerichtshof wird sein Urtheil erst morgen Mittag abgeben. &#x2014;</p>
          <p>Ein neuer Beleg zur Gerechtigkeit unserer Polizei Ein Schneidergeselle spricht in einer Wahlversammlung der Sophienstraße in entschieden demokratischem Sinne. Am anderen Morgen wird er zum Revierkommissarius beschieden und mit Ausweisungsdekret binnen 24 Stunden begnadet. Vergebens protestirt er bei Hinkeldey dagegen und beruft sich darauf, daß er in vollster Arbeit stehe. Hinkeldey schiebt einen speziellen Wrangel'schen Befehl vor und der arme Schneidergesell muß Berlin verlassen.</p>
          <p>Gegenüber dem vielen Wesen, das seit einigen Tagen in hiesigen und fremden Zeitungen von den Berathungen eines vom Handelsministerium berufenen sogenannten Handwerkerparlaments gemacht wird, halten wir es für nöthig, folgende aus bester Quelle kommenden Mittheilungen zu veröffentlichen. Dieses ganze Parlament besteht aus 24 Deputirten und ist seiner ganzen Zusammensetzung und Enstehungsweise nach nichts weniger als berechtigt und befähigt, die so komplzirten Interessen des Gewerbestandes zu vertreten und zu berathen. Die Einberufung war nämlich Seitens des Ministerii in doppelter Weise geschehen, einmal durch eine öffentliche, sehr unklar redegirte Einladung und dann durch spezielle Briefe. Letztere waren nur in die Hände durchaus nicht offizieller Personen gelangt, die zur Vertretung ihrer Provinz weder Beruf noch Mandat besaßen, und zwar so, daß z. B. in Pommern eiligst erst einige wenige Leute sich zusammenthun mußten, damit die Provinz überhaupt nur vertreten sein konnte. Dagegen hatten in Folge der öffentlichen Einladungen sich hier etwa 60 Personen, meist Westphalen, eingefunden, welche als Vertreter zahlreicher, viele Tausend Mitglieder zählender Vereine, mit obrigkeitlich beglaubigten Vollmachten erschienen. Da selbst die offiziell Berufenen jedenfalls nur eine berathende Stimme haben konnten, da ferner die freiwillig Erschienenen ebenfalls keine höhere Stellung beanspruchten und zudem auf alle Diäten Verzicht leisteten, so hätte man glauben sollen, daß einer vereinten Berathung sämmtlicher Erschienenen nichts im Wege stehen könne. Trotzdem war der Minister hierzu nicht zu bewegen und auch die offiziellen Herrn Deputirten widersprachen beharrlich der Zulassung ihrer im Grunde weit mehr als sie zur Vertretung beauftragten Standesgenossen. Erst nach langem Hin- und Herreden, und als man im Ministerium zu der Einsicht gelangt war, eine Rückkehr der Deputirten ohne alles Resultat werde auf die Söhne der rothen Erde einen sehr üblen Eindruck machen, hielt man es aus Wahlrücksichten für gut, diese Herren zum Hierbleiben und ?erathen unter Mitwirkung der offiziell Berufenen aufzufordern. Jedoch räumte man ihnen nicht einmal eines der vielen leer stehenden amtlichen Lokale ein, sondern es mußte sich das Nebenparlament im Meding'schen Caffehaus constituiren. Indeß ist gestern Abend die ganz erbärmliche, durchaus reaktionäre Vorlage des Ministeriums, welche neue Beschränkungen der Gewerbefreiheit, wie die Einführung des Unwesens der Concessionen und Dispensationen nach der Einsicht hochweiser Behörden und Kräftigung des Innungszwanges bezweckte, selbst von dem offiziellen Parlament <hi rendition="#g">verworfen</hi> worden, obgleich in dieser Versammlung die der Gewerbefreiheit feindliche Tendenz vorherrschte und ihr das bekannte Frankfurter Interimisticum als Ziel aller Anstrengungen vorschwebte. Aber das Produkt der ministeriellen Staatsweisheit war auch, trotz der Mühe, die es dem Ministerium gekostet hatte &#x2014; und davon zeugt unter anderem der Umstand, daß es den Deputirten erst unmittelbar vor Eröffnung der ersten Sitzung und feucht, wie es aus der Druckerpresse kam, eingehändigt ward &#x2014; gar zu nichts sagend.</p>
          <p>Soviel Einsicht hatten selbst die offiziellen Deputirten, um wahrzunehmen, daß es dem Ministerium bei Einberufung dieses Kongresses durchaus nicht um eine wirkliche Reform der gewerblichen Verhältnisse zu thun war, sondern nur um ein Coquettiren mit den Interessen des kleinen Gewerbestandes. Die ganze Konferenz war nur ein Wahlmanöver, womit man den vielfachen Versprechungen der Harkert'schen Partei in Bezug auf Reform der gewerblichen Verhältnisse das Scheinmäntelchen der Aufrichtigkeit und Verwirklichung umhängen wollte. Aber auch dieses Manöver wird gleich manchem andern seinen Urhebern mehr schaden als nützen. Schließlich noch die Bemerkung, daß zwar in dem Nebenparlament ein etwas besserer Geist herrscht, als in dem offiziellen, daß aber auch dessen Berathungen ein gedeihliches Resultat sicherlich nicht erzielen werden. Denn einerseits ist ja überhaupt eine einseitige Reform der gewerblichen Verhältnisse eine Unmöglichkeit. Der Handwerkerstand wird in Deutschland ebenso wenig seinem Loose entrinnen, als in England und Frankreich. Dieser letzte Rest der mittelalterlichen Produktionsverhältnisse muß in Deutschland ebenso gut wie anderswo den modernen Mächten der Maschinen-Industrie und des conzentrirten Kapitals erliegen. Aber selbst für die Auffindung von Palliativen, die dem Dahinsterbenden noch eine Zeit lang das sieche Leben fristen könnten, sind andererseits die hier versammelten Vertreter des Handwerkerstandes nicht befähigt, sie sind viel zu sehr in der Einseitigkeit und Misere ihrer kleinlichen Anschauung befangen, um den Zusammenhang ihrer eigenen Interesen mit denen der Gesammtheit zu erkennen und irgend etwas Bedeutsames zu Tage zu fördern, wozu es ihnen zudem auch an allen Vorarbeiten fehlt.</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Breslau, 19. Jan.</head>
          <p>In der gestrigen Sitzung des &#x201E;demokratischen Vereins&#x201C; erhielt Dr. Elsner wegen des <hi rendition="#g">Harkort</hi>'schen Briefes &#x201E;an die Gesellen&#x201C; das Wort. Er gab dabei folgende Aufklärung über die Harkort'sche Liebe zu den Arbeitern. Als nämlich nach jenem blutigen Konflikt zwischen Bürgerwehr und Arbeitern zu Berlin, bei dem mehrere Arbeiter auf die persideste
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</TEI>
[1102/0002] irten provisorischen Oberbürgermeister, der sich Graf v. Villiers schreibt, schöne Sporen trägt, und über welchen die hiesige Zeitung anfragte, ob Hr. Oberbürgermeister seine Güter wirklich in Frankreich liegen habe, auch diesem Herrn wurde durch das Ausbleiben der Unruh schon im Voraus vielleicht eine Verlegenheit erspart. Uebrigens glauben wir sicher, daß Hr. v. Villiers, wie er uns von Regierungswegen genannt wird, ein tüchtiger Graf ist, er hat wenigstens gräflichen Anstand. Denn gestern Abend war Gemeiuderath angesagt; die Gemeinderäthe, welche unter sich jede Verspätung mit 5 Sgr. bestrafen, waren pünktlich um halb 6 Uhr erschienen, aber der Hr. Graf, in einem Nebenzimmer befindlich, war bis 1/4 nach 6 noch nicht so gnädig, in den Saal zu treten. Darob sprach der Eine Hm, Hm! der Andere etc. ; und so gingen die Herrn Gemeinderäthe bis auf vier Getreue auseinander. Das war die erste Plenarsitzung unter dem oktroyirten Bürgermeister und Grafen. Gott erhalte ihn bei Titel und Ehren! X Kleve, 19. Jan. Europa braucht Ruhe, und weil Europa Ruhe braucht, so braucht Europa Ruh. Dies Wiegenliedchen singt der hiesige konstitutionelle Verein den Klevern vor, und einige klevische Schafe blöken mit. Besagter Verein besteht aus kleinen Junkern mit großen Bärten, aus hoch- und niedergestellten Beamten; aus Geldsäcken mit ihrem Anhange; er entwickelt eine Thätigkeit, die erstaunlich ist. Der ganzen Sippschaft liegt das Wohl der Mitbürger plötzlich sehr an Herzen; die, welche früher die größten Esel waren, sind jetzt sanftmüthig und katzenfreundlich geworden, nebenbei aber auch strenge, wenn Noth am Manne ist; so haben mehrere Herren ihren Arbeitern befohlen, in den konstitutionellen Verein zu gehen; gingen sie in den Wahlverein, dann würden sie entlassen; ein Pröbchen, was diese Sorte unter Freiheit versteht. Den berühmten fürstbischöflichen Hirtenbrief hat man in tausenden Exemplaren drucken lassen; Justiz - und sonstige Räthe, alte Weiber und Laufjungen trugen diesen Brief aus Breslau auf das Land, zugleich mit den Machwerken aus der jetzt blühenden Fabrik Harkort-Meusebach. Das Landvolk begreift die freundlichen Sendboten nicht und wie wunderbar, es glaubt, der Hirtenbrief sei von den Herren selbst verfaßt. Jeder begreift, daß die Verzweiflung der Preußenvereinler groß ist, da sie sich so viel versprochen hatten von dem Briefe eines Fürstbischofs. Den Katholiken schicken sie Kreaturen zu, die bekannt machen, daß ein Deputirter gewählt würde, der den Pabst wieder auf seinen heiligen Stuhl setzen soll; die ganze Geistlichkeit gehöre ihrem Vereine an; der hiesige Wahlverein wolle die Religion abschaffen, es sei dieselbe Partei, die den Pabst weggejagt; wenn sie nicht gut wählten, dann käme Republik, dann flögen die Köpfe; dann kämem sie alle an den Galgen. Ein Haupführer dieser Partei, ein wahrer Stein der Krone, mit einem Zopfe, ich meine mit einem preußischen Schnurrbarte, Major a. D., kommt dann und wann nach Kleve, und nimmt hier sein Domizil. Er gehört zu den Menschen, die da kommen und wieder gehen, aber immer zu gewissen Zeiten wieder erscheinen, und den Meisten ein Räthsel sind und bleiben, „ein Stück von dem wandern Juden“. Na! der schwärmt mal für den guten, braven, religiösen, gottbegnadeten König; schimpfen kann er aber wie ein Rohrspatz, wenn er die 270 Volksvertrter vor hat; die Augen werfen dann Blitze und er donnerwettert; so was sieht sich ganz possierlich an. Es ist auch Karnevalszeit! Der gute Knabe, möchte gar gern Deputirter werden. In der gestrigen großen Sitzung des Preußenvereins erklärte ein Mitglied, der Staatsprokurator Schmitz, der Volksvertreter Jung sei noch nicht trocken hinter den Ohren. Schmitz ist übrigens kein Vinke. Gottvoller Herr, dieser Herr Staatsprokurator! Er gebraucht volksthümliche Sprüchworte, damit er nur verstanden werde. Merkwürdiger Weise verstanden viele Anwesenden nicht Jung, sondern glaubten, der Herr p. p. habe damit den Präsidenten des Wahlvereins Dr. W. Junk gemeint; der Herr Staatsprokurator ist sehr unvorsichtig, aber er ist auch noch sehr jung. So geht es hier! so geht's in der ganzen Umgegend; unverschämter als hier, wird und kann von der Beamtenparthei nicht gewühlt werden. 072 Vom Rhein, 20. Jan. Heute läßt man in Berlin den Minister Kühlwetter noch weit hinter sich zurück. Die Büreaukratie wird nicht allein sorgfältigst erhalten, sondern auch durch ihr ganz gleichartige und als solche renomirte Bestandtheile ergänzt. Von Egen und einigen ähnlichen Männern war in dieser Zeitung schon die Rede; aber am tollsten geht es in dieser Hinsicht im Ministerium der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten her. Die vom Minister Schwerin niedergesetzte freisinnigere Kommission ist wieder aufgelöst, altersschwache evangelische Ministerialräthe sind mit der obersten Leitung des evangelischen Kirchenwesens betraut worden; diejenigen Männer, die ausdrücklich nach Berlin berufen worden waren, um Eichhorns rechter Arm zu sein, wie Richter, Snethlage und Stiehl, haben nunmehr als wirkliche Oberkonsistorialräthe oder Geheime Regierungsräthe im Ministerium förmlich Platz genommen; den Lehrern an den höhern Lehranstalten ist nicht vergönnt worden, eine wahrhaft freie Wahl anzustellen, damit auf der verheißenen Konferenz ihre Sache durch Männer ihres Vertrauens vertreten würde. Der neugebackene Geheime Regierungsrath Stiehl präsidirt der Versammlung von Seminar-Direktoren und Lehrern, welche über die künftige Lehrerbildung berathen soll. Daß diese Direktoren und Lehrer nicht durch Wahl von Seite ihrer Kollegen, sondern durch willkürliche Berufung von Seiten des Ministers in Berlin tagen, mag nur in Erinnerung gebracht werden, aber wer ist dieser Stiehl? Nun, es ist derselbe Stiehl, den dee bekannte Eilers nach Neuwied und dann nach Berlin brachte; derselbe Stiehl, der in Neuwied als Seminardirektor den Schulen einen Toast auf 50 Jahre rückwärts ausbrachte, wenn sie gut werden sollten, und der den Seminaristen für ihr Lehrerleben nichts angelegentlicher einzuschärfen wußte, als Demuth bei „harter Kost und leerer Wand“; derselbe Stiehl, der das Breslauer etc. Seminar auseinander sprengen half und so viel Schönes über die Zertheilung der Seminare und ihre Verlegung in idyllische Landstädtchen auch zum Zweck der besseren Vorbereitung auf die „harte Kost und leere Wand“ gedacht und gesagt hat; derselbe Stiehl, wie seine Herren und Meister, für den christlich-germanischen Staat schwärmt. Dieser Stiehl präsidirt derjenigen Kommission, welche über die Lehrerbildung — d. h. über den Geist und die ganze Zukunft unserer Volksschule und Volksbildung Berathung und, wenn es nach den Berliner Plänen geht, entscheidene Berathung pflegt. 102 Trier, 18. Januar. Ein Pröbchen der hündischsten Perfidie unserer hiesigen Bourgeois gestatten Sie mir, den Lesern Ihres geschätzten Blattes mitzutheilen; es liefert zugleich einen neuen Beleg der niederträchtigen Mittel, wozu diese elende Race ihre Zuflucht nimmt, um im Brandenburg-Manteuffel'schen Interesse „mit Gott für König und Junkerschaft“ zu reagieren. — Unsere guten Trierer, die bekanntlich in der großen Majorität entschieden demokratisch gesinnt sind, befinden sich nämlich seit einigen Tagen in gewaltiger Bewegung bei Gelegenheit der am 22. d. Mts. stattfindenen Wahlen. Die Volksversammlungen der demokratischen Partei, die auf alle zwei Tage anberaumt sind, sind regelmäßig überfüllt; Flugschriften circuliren; an allen öffentlichen Localen wird eifrig discutirt und dergleichen mehr. (Die Heuler „volksversammeln“ sich auch; so war gestern bei Recking eine solche Versammlung „zur Besprechung der Wahlangelegenheit,“ die 15 Mann hoch besucht war.) Die demokratische Partei hat zu ihren Kandidaten aufgestellt: „Für die erste Kammer die Herren Landgerichtsrath Gräff und Revisionsrath Esser, beide der entschiedenen Richtung der verjagten „Vereinbarer“ angehörend; für die zweite Kammer Assessor Otto, ebenfalls von der Linken und Ludwig Simon, der sich immer noch bei der Centralohnmacht in Frankfurt abquält. Daß jene Kandidaten indeß unserer hiesigen Heulerclique nicht behagen, können Sie sich denken. An der Spitze dieser Krämer-Sippschaft befinden sich ein ehemaliger Artilleriefeuerwerker, jetzt Sub-Direktor der Moseldampfschifffahrt, Ritter des rothen Adlers 4ter Klasse, Hr. Secherling, aus Herford in Westphalen gebürtig, ein Seitenstück zu jenem Herforder Vereinbarer, dem Demokratenjäger von Borries; dann ein zweiter, ebenso arroganter Parvenü, Herr Lautz, nach Trier zur Zeit als Handlungscommis gekommen, jetzt Commerzienrath und gleichfalls Ritter des rothen etc.; endlich ein geborner Trierer, Fritz Lietz genannt, zwar noch nicht Ritter, aber, als Besitzer einer Buchdruckerei, die recht wacker die Traktätlein der Galgenzeitung nachdruckt, auf dem besten Wege, bei dem nächsten huldreichsten Ordensfest gerittert zu werden „ohne Schwerter.“ Dieses saubere Triumvirat vertritt nun hier die Interessen des gottbegnadeten Potsdamer „angestammten“ Herrscherhauses. Aus der Offizin des letztgenannten Lietz gehen täglich zu Tausenden s. g. konstitutionelle Flugblätter hervor, womit Stadt und Land überschüttet werden. Die Sprache, die in diesen Traktätlein geführt wird, ist indessen so schrecklich dumm, daß der Bourgeois in seiner ganzen Glorie aus jeder Zeile hervorleuchtet; so werden z. B. in einem, wie man sich erzählt von dem hiesigen Staats-Prokurator v. Hölleben herrührenden Artikel, die Demokraten „Engel mit Pferdefüßen und langen Schwänzen“ titulirt. Der gesunde Sinn unserer Bevölkerung ermangelt jedoch nicht, diesen Schandblättern die gebührende Ehre widerfahren zu lassen. Als nun aber die Heuler merkten, daß es damit durchaus nicht ziehen wollte, ersannen sie einen Plan, der — wenn auch gelungen — sicher einst seine bittern Früchte für sie bringen wird. Bekanntlich sind die, welche öffentliche Almosen beziehen, nicht wahlberechtigt. Obige Clique hat nun hier vor einiger Zeit — natürlich Alles im Wahlinteresse — einen konstitutionellen Wohlthätigkeitsverein begründet; dieser Verein sollte den Leuten in punkto der Wohlthätigkeit der Herren Bourgeois Sand in die Augen streuen. Er fertigte Anweisungen, wonach jedem Vorzeiger, im Namen des Vereins, ein Centner Kohlen verabreicht werden sollte. Auf diese Weise wurden circa 1000 Ctr. Kohlen, im Werthe von etwa 200 Thlr. ausgetheilt; man ging sogar soweit, solchen Personen Kohlen ins Haus zu schicken, welche sich durchaus nicht darum beworben hatten. Als aber, trotz der Kohlen, die Empfänger, welche den Plan durchschauten, ihre Sympathien für die Kandidaten der demokratischen Partei laut manifestirten, geriethen die Herren Bourgeois in Wuth. Sie wandten sich an den kommissarischen Oberbürgermeister, Hrn. Wulfsheim, mit dem Antrage, die fraglichen 1000 Kohlenempfänger von den Wahllisten zu streichen; der Oberbürgermeister wieß diesen Antrag jedoch entschieden ab. Die Herren Bourgeois lassen sich aber so leicht nicht abspeisen, sie wandten sich an das Regierungs-Präsidium, aber auch selbst der Coburger Sebaldt — den Ihre Zeitung bereits früher schilderte — ging den Vorschlag nicht ein. Das war denn doch gewiß ein unerwarteter Schlag. Aber Muth, die Herren Secherling und Genossen verzagen nicht; Hr. Manteuffel in Berlin wird Rath schaffen. Diesem wird also der Vorfall berichtet und umgehend kömmt der Befehl de par la grâce de dieu, daß die 900 bis 1000 Kohlenempfänger nicht mitwählen dürfen! Somit gehen durch dieses hündische Manöver unserer Partei alle diese Stimmen verloren; aber dennoch kann's ihnen Nichts helfen. Der Sieg der Demokratie — für die zweite Kammer wenigstens — ist in Trier gewiß. Wie es mit unsern dreißigjährigen Achtthalermännern aussieht, läßt sich jetzt noch nicht mit Gewißheit bestimmen; nächsten Montag wird es sich entscheiden und werde ich Ihnen Bericht erstatten. * Berlin, 19. Jan. Die neueste Nummer des „Pr. St. A.“ enthält zwei Entwürfe, welche der Minister des Innern, Hr. Manteufel, an sämmtliche Provinzialregierungen übersandt hat, um deren Gutachten sobald als möglich kennen zu lernen. Der eine Entwurf betrifft die „Gemeindeordnung für den preußischen Staat“, der andere eine „Kreis-, Bezirks- und Provinzialordnung“. In dem Entwurf dieser „Gemeindeordnung“ setzt Hr. Manteufel einen Wahlcensus fest, so daß, wenn der Manteufel'sche Wunsch durchginge, beispielsweise ein Bewohner in Mühlheim a. Rh. einen Grundbesitz im Werthe von 500 Rthlr. oder ein jährliches Einkommen von 200 Thlr. ausweisen müßte, falls er sich an der Wahl des Gemeinderathes betheiligen wollte. Auch der ehemalige Kultusminister Rodbertus ist aus Berlin ausgewiesen worden, da er einen Zweck seines Aufenhalts nicht anzugeben vermochte, er hat sich nun in der Nähe der Stadt niedergelassen. Die „Spen. Ztg.“ theilt die Nachricht ohne Bemerkung mit. X Berlin, 18 Jan. Heute hatte die zweite Abtheilung unseres Criminalgerichts, unter Vorsitz des Criminalraths Busse, einen höchst interessanten Prozeß zu behandeln. Bekanntlich hatten im Sommer v. J. die hiesigen Schriftsetzer und Buchdruckergehilfen, behufs Durchführung der bekannten Mainzer Beschlüsse, die Arbeit eingestellt, nachdem sie vorher vorschriftsmäßig ihren Arbeitgebern gekündigt hatten und nachdem alle Vereinbarungsversuche kein Resultat herbeigeführt hatten. Schon damals hatten eine Anzahl hiesiger Buchdruckereibesitzer, welche als deren Comite figurirten, beim Staatsanwalt darauf gedrungen, derselbe solle gegen das Comite der Gehilfen eine Anklage wegen Ueberschreitung des §. 182 der Gewerbeordnung *) vom 17. Januar 1845 einleiten. Der Staatsanwalt aber wies dieses Unsinnen ab, indem er erklärte, die ganze Gemeindeverordnung sei nur ein Polizeigesetz und könne also zu einer Criminaluntersuchung nicht Anlaß geben.Der Polizeirichter, vor den die Sache gehört, nahm dieselbe jedoch nicht auf, und man hielt das Ganze um so mehr für abgethan, als zwischen Gehilfen und Herren später eine Einigung zu Stande gekommen war. Seitdem aber Herr Rindelen es mit seiner Ehre für verträglich gefunden, in das Gottbegnadete Ministerium Brandenburg-Manteuffel einzutreten, erhielt der Staatsanwalt höhern Befehl, die Sache wieder aufzunehmen, und so standen heute die fünf Comitemitglieder, Jansen, Magni, Fröhlich, Dittmann und Walter vor dem Criminalgericht, um für die durch sie begangene Uebertretung des §. 182 Rede zu stehen. Es war hierbei schon sehr auffallend, daß man von den an fünfhundert bei der Arbeitseinstellung betheiligten Gehilfen gerade diese fünf sich herausgesucht hatte und doch die Anklage gegen sie nicht als Rädelsführer erhoben ward. Daher hatten auch die andern Gehülfen einen mit mehr als 450 Unterschriften versehenen Protest durch den Zeugen Spiegel (Herausgeber des „Guttenberg“) einreichen lassen, worin sie erklären, sie seien ganz ebenso schuldig oder unschuldig als die fünf Angeklagten; entweder müßten sie Alle vor Gericht gestellt, oder auch jene fünf von der Anklage entbunden werden. Daß aber die Angeklagten nicht Rädelsführer seien, daß sie nicht Andere zur Verabredung aufgefordert hätten, gestand selbst die Anklage zu. Der Staatsanwalt suchte nachzuweisen, die Angeklagten hätten sich des im §. 182 verbotenen Verabredens zur Einstellung der Arbeit, behufs Erlangung von Zugeständnissen, schuldig gemacht. Wenn auch die Arbeitseinstellung in einer Versammlung der Gehilfen, durch Majorität beschlossen worden sei, so könne doch das Vorhandensein der Verabredung nicht in Zweifel gestellt werden. Er müsse daher für jeden der Angeklagten auf eine achtmonatliche Gefängnißstrafe antragen. — Die Angeklagten dagegen behaupteten, es habe eine Verabredung nicht stattgefunden, es sei auch nicht nöthig gewesen; vielmehr habe die Arbeitseinstellung nur in Folge der Mainzer Beschlüsse und nach vorheriger 14tägiger Aufkündigung Statt gehabt, es sei also gegen die Bestimmungen der Gewerbeordnung in keiner Weise gefehlt worden. — Das Zeugneverhör brachte nichts zur Sache beachtenwerthes zu Tage, außer einer Aussage des Stadtrath Risch, welcher erklärte, der Magistrat, dem laut der Gewerbeordnung alle Gewerbsangelegenheiten zugewiesen sind, habe im August die Buchdruckereibesitzer als außerhalb seiner Competenz stehend, abgewiesen, weil die Buchdruckerei kein Gewerbe, sondern eine Kunft sei. Auch zu einem interessanten Ineidenzfall gab außerdem das Zeugenverhör Anlaß. Der Zeuge Spiegel nämlich, durch den Zufall der Geburt ein Jude, sollte more judaico beeidigt werden, weigerte sich dessen aber, weil es für ihn keinen besondern „Gott Israels“ gebe. Der Gerichtshof, nach einer halbstündigen Berathung, umging die Prinzipienfrage und erließ dem Zeugen den Eid, weil seine Aussagen durch die Aussage Anderer schon bestätigt seien. — Es begann nun die sehr beredte Vertheidigung des Angeklagten durch Dr. Stieber. Derselbe bestritt zuerst die Competenz des Gerichtshofes und fußte dabei auf der früheren Ansicht des Staatsanwalts. Alsdann behauptete er, jener §. der Gewerbeordnung dürfe nicht isolirt betrachtet werden, sondern man müsse ihn im Zusammenhang mit den Vorhergehenden und Nachfolgenden nehmen. Aus diesem Zusammenhange erhelle dann, daß die Gewerbeordnung namentlich das Vereinigungsrecht der Arbeiter habe verbieten wollen, daß also durch das Gesetz vom 6. April d. J., welches das Assoziationsrecht frei gebe, alle jene Bestimmungen der Gewerbeordnung aufgehobeben seien. Auf das tiefer liegende Prinzip des Klassenkampfes zwischen Arbeitern und Arbeitgebern, in welchem Kampfe die Coalition eine bedeutende Rolle als Parteiwaffe spielt, ging der Vertheidiger ebenfalls ein, indem er auf die Ungerechtigkeit des Staatsanwalts aufmerksam machte, welcher die gegenseitige Verabredung der Buchdruckereibesitzer nicht verfolgt. Subsidiarisch wies er endlich darauf hin, daß der ganze Vorgang nicht unter die Gewerbeordnung gehöre, wobei er sich auf die obenerwähnte, durch Sprachgebrauch und vielhuudertjähriges Herkommen bestätigte Ansicht des Magistrats über den nichtgewerblichen Charakter der Buchdruckerei berief. Er beantragte daher völlige Freisprechung der Angeklagten, oder Falls die Richter sich an dem Buchstaben des Gesetzes halten wollten, eine ganz geringe Strafe, da das Gesetz kein Minimum, sondern nur ein Maximum feststelle. — Der Gerichtshof wird sein Urtheil erst morgen Mittag abgeben. — Ein neuer Beleg zur Gerechtigkeit unserer Polizei Ein Schneidergeselle spricht in einer Wahlversammlung der Sophienstraße in entschieden demokratischem Sinne. Am anderen Morgen wird er zum Revierkommissarius beschieden und mit Ausweisungsdekret binnen 24 Stunden begnadet. Vergebens protestirt er bei Hinkeldey dagegen und beruft sich darauf, daß er in vollster Arbeit stehe. Hinkeldey schiebt einen speziellen Wrangel'schen Befehl vor und der arme Schneidergesell muß Berlin verlassen. Gegenüber dem vielen Wesen, das seit einigen Tagen in hiesigen und fremden Zeitungen von den Berathungen eines vom Handelsministerium berufenen sogenannten Handwerkerparlaments gemacht wird, halten wir es für nöthig, folgende aus bester Quelle kommenden Mittheilungen zu veröffentlichen. Dieses ganze Parlament besteht aus 24 Deputirten und ist seiner ganzen Zusammensetzung und Enstehungsweise nach nichts weniger als berechtigt und befähigt, die so komplzirten Interessen des Gewerbestandes zu vertreten und zu berathen. Die Einberufung war nämlich Seitens des Ministerii in doppelter Weise geschehen, einmal durch eine öffentliche, sehr unklar redegirte Einladung und dann durch spezielle Briefe. Letztere waren nur in die Hände durchaus nicht offizieller Personen gelangt, die zur Vertretung ihrer Provinz weder Beruf noch Mandat besaßen, und zwar so, daß z. B. in Pommern eiligst erst einige wenige Leute sich zusammenthun mußten, damit die Provinz überhaupt nur vertreten sein konnte. Dagegen hatten in Folge der öffentlichen Einladungen sich hier etwa 60 Personen, meist Westphalen, eingefunden, welche als Vertreter zahlreicher, viele Tausend Mitglieder zählender Vereine, mit obrigkeitlich beglaubigten Vollmachten erschienen. Da selbst die offiziell Berufenen jedenfalls nur eine berathende Stimme haben konnten, da ferner die freiwillig Erschienenen ebenfalls keine höhere Stellung beanspruchten und zudem auf alle Diäten Verzicht leisteten, so hätte man glauben sollen, daß einer vereinten Berathung sämmtlicher Erschienenen nichts im Wege stehen könne. Trotzdem war der Minister hierzu nicht zu bewegen und auch die offiziellen Herrn Deputirten widersprachen beharrlich der Zulassung ihrer im Grunde weit mehr als sie zur Vertretung beauftragten Standesgenossen. Erst nach langem Hin- und Herreden, und als man im Ministerium zu der Einsicht gelangt war, eine Rückkehr der Deputirten ohne alles Resultat werde auf die Söhne der rothen Erde einen sehr üblen Eindruck machen, hielt man es aus Wahlrücksichten für gut, diese Herren zum Hierbleiben und ?erathen unter Mitwirkung der offiziell Berufenen aufzufordern. Jedoch räumte man ihnen nicht einmal eines der vielen leer stehenden amtlichen Lokale ein, sondern es mußte sich das Nebenparlament im Meding'schen Caffehaus constituiren. Indeß ist gestern Abend die ganz erbärmliche, durchaus reaktionäre Vorlage des Ministeriums, welche neue Beschränkungen der Gewerbefreiheit, wie die Einführung des Unwesens der Concessionen und Dispensationen nach der Einsicht hochweiser Behörden und Kräftigung des Innungszwanges bezweckte, selbst von dem offiziellen Parlament verworfen worden, obgleich in dieser Versammlung die der Gewerbefreiheit feindliche Tendenz vorherrschte und ihr das bekannte Frankfurter Interimisticum als Ziel aller Anstrengungen vorschwebte. Aber das Produkt der ministeriellen Staatsweisheit war auch, trotz der Mühe, die es dem Ministerium gekostet hatte — und davon zeugt unter anderem der Umstand, daß es den Deputirten erst unmittelbar vor Eröffnung der ersten Sitzung und feucht, wie es aus der Druckerpresse kam, eingehändigt ward — gar zu nichts sagend. Soviel Einsicht hatten selbst die offiziellen Deputirten, um wahrzunehmen, daß es dem Ministerium bei Einberufung dieses Kongresses durchaus nicht um eine wirkliche Reform der gewerblichen Verhältnisse zu thun war, sondern nur um ein Coquettiren mit den Interessen des kleinen Gewerbestandes. Die ganze Konferenz war nur ein Wahlmanöver, womit man den vielfachen Versprechungen der Harkert'schen Partei in Bezug auf Reform der gewerblichen Verhältnisse das Scheinmäntelchen der Aufrichtigkeit und Verwirklichung umhängen wollte. Aber auch dieses Manöver wird gleich manchem andern seinen Urhebern mehr schaden als nützen. Schließlich noch die Bemerkung, daß zwar in dem Nebenparlament ein etwas besserer Geist herrscht, als in dem offiziellen, daß aber auch dessen Berathungen ein gedeihliches Resultat sicherlich nicht erzielen werden. Denn einerseits ist ja überhaupt eine einseitige Reform der gewerblichen Verhältnisse eine Unmöglichkeit. Der Handwerkerstand wird in Deutschland ebenso wenig seinem Loose entrinnen, als in England und Frankreich. Dieser letzte Rest der mittelalterlichen Produktionsverhältnisse muß in Deutschland ebenso gut wie anderswo den modernen Mächten der Maschinen-Industrie und des conzentrirten Kapitals erliegen. Aber selbst für die Auffindung von Palliativen, die dem Dahinsterbenden noch eine Zeit lang das sieche Leben fristen könnten, sind andererseits die hier versammelten Vertreter des Handwerkerstandes nicht befähigt, sie sind viel zu sehr in der Einseitigkeit und Misere ihrer kleinlichen Anschauung befangen, um den Zusammenhang ihrer eigenen Interesen mit denen der Gesammtheit zu erkennen und irgend etwas Bedeutsames zu Tage zu fördern, wozu es ihnen zudem auch an allen Vorarbeiten fehlt. * Breslau, 19. Jan. In der gestrigen Sitzung des „demokratischen Vereins“ erhielt Dr. Elsner wegen des Harkort'schen Briefes „an die Gesellen“ das Wort. Er gab dabei folgende Aufklärung über die Harkort'sche Liebe zu den Arbeitern. Als nämlich nach jenem blutigen Konflikt zwischen Bürgerwehr und Arbeitern zu Berlin, bei dem mehrere Arbeiter auf die persideste *) Dieser §. lautet: „Gehülfen, Gesellen oder Fabrikarbeiter, welche entweder die Gewerbetreibenden selbst, oder die Obrigkeit zu gewissen Handlungen oder Zugeständnissen dadurch zu bestimmen suchen, daß sie die Einstellung der Arbeit oder die Verhinderung derselben bei einzelnen oder mehreren Gewerbetreibenden entweder selbst verabreden oder zu einer solchen Verabredung Andere auffordern, sollen mit Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft werden.“

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 202. Köln, 22. Januar 1849, S. 1102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz202_1849/2>, abgerufen am 21.11.2024.