Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Neue Rheinische Zeitung. Nr. 229. Köln, 23. Februar 1849. Beilage.

Bild:
erste Seite
Beilage zu Nr. 229 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Freitag 23. Februar 1849.
[Französische Republik]

sellschaft sich handelt; mögen wir also uns nicht mehr auf uns allein beschränkt halten, sondern mit denen aller Länder Europa's verbünden und die Aufreißer der Pflastersteine zu Paaren treiben; die Strafe sei blitzschnell wie ihr Vergehen." Die "Constituante" in Florenz sagt richtig: "Der Zustand Frankreichs flößt uns billig Besorgnisse ein. Die Leidenschaften knirschen in den Zügel. Die Schaar der Feinde der Republik geht scharf vorwärts, sie zieht die Maske ab und verkündet, sie werde dem Volke die Februarresultate entwinden. Sie vernichten die Clubsfreiheit; die Montagne antwortet mit einer Anklage gegen das nationalverrätherische Ministerium... Wir hoffen aber dennoch das Volk siegreich zu sehen, und die Revolution wird ihre Gegner zermalmen." - Caussidiere und Louis Blanc ward von den Socialdemokraten Londons so eben ein großes Banket gegeben, wovon die "Times" spöttische Erwähnung thun, worauf die "Revolution democratique" erwidert: "möge das große Blatt nicht zu frühe triumphiren." La Reforme brachte einen detaillirten Bericht des ersten Prozesses der N. Rhein. Zeitung nebst dem Auszug der Rede des Redacteur en chef: "dieser deutsche Preßprozeß ist wichtig, sagt sie, die potsdamer Säbelmänner glaubten schon gewonnen Spiel zu haben, und siehe! da kommen die Wahlresultate, und die Geschwornen sprechen das rötheste aller deutschen social- demokratischen Organe frei." - Folgendes ist das ungeheuren Beifall findende "Studentenlied" (chant des etudiants) von P. Dupont:

"Söhne der französischen Schulen, ihr fröhlichen Freiwilligen des Fortschritts, auf, folgt dem Volke und seiner Wissenschaft, pfeifet aus den Malthus und dessen Dekrete. Studenten! erleuchtet die neuen Bahnen, welche die Arbeit sich brechen will; der Socialismus hat zwei Flügel: den Studenten und Handwerker. Auf, ohne Pauken und Posaunen, zur Eroberung der Zukunft, - zeigen wir der Kugel unsre Brust, wenn's sein muß, wie Robert Blum gethan (bis), der ruhmreiche Märthrer."

"Mit den Handarbeitern, unsern Brüdern, wandeln wir Arm in Arm; wir lachen ob der Eulen und Schuhus, die sich blind gucken im Strahlenlichte der Aufklärung. Erhellen wir die Vernunft derer, die unsern Todesdolch schleifen. D Deutschland, Italien, Frankreich, kommt, kommt, tragt das Licht gen Norden. - Zeigen wir der Kugel unsre Brust, wenn's sein muß, wie Robert Blum u. s. w."

"Die Arbeit der Arme schafft uns hieher, wo wir studiren; durch sie ward unser Brod, das einförmige Buch, das Kleidungsstück und das Kamin geschaffen, und zum Vergelten, Brüder des Studiums, laßt uns nicht hochmüthig mehr entfernt vom Handarbeitenden weilen; manch Herz voll Wissensdurst und Kunstliebe schlägt unter dem blauen Blousenkittel. - Zeigen wir u. s. w."

"Polka, Pfeife und Bier sind nicht mehr unser Eins und Alles; die Lauben der Cythere sind uns nicht mehr was früher; Minerva, unter der neuen Gestalt unsrer entzückenden jungen Republik, ist fortan unsre Geliebte und Herrin; Frau Venus mag später erst kommen. (Refrain.)

"Seht Blut, Blutspuren auf der Erde, da wandelte die Revolution, und vor dem Kanonenrachen öffneten sich die Hauptstädte bebend. Schon sinkt der Februarstern... Hört ihr sie wiehern die Schlachtpferde? das sind die Kosakenpferde. (Refrain.)"

"Hurrah! hurrah! Jünglinge der hohen Schulen Wiens, Berlins und von Paris, wir tragen die Fackel der Gottheit; unsre Attila's tragen nur Gottes Geißeln. Hurrah! ihr Tyrannen und Männer der greisen Mißbräuche, weicht zurück! (Refrain)." - Die Musik ist vorzüglich.

Diese Hinneigung zu Deutschlands Demokratie ist bei der französischen rein und scharf, wie alles, was im galloromanischen Wesen energisch sich regt. Sie begreift vollkommen, daß die italienische und polnische Demokratie nicht einen so gewaltigen Zusammenhang mit ihr haben, wenigstens nicht in diesem Augenblick, als die deutsche. Es wäre dem deutschen demokratischen Centralcomite freundschaftlichst zu rathen, endlich einmal eine desfallsige Demonstration auf schriftlichem Wege zu thun.

12 Paris, 20. Februar.

Was die Bourgeoisie nicht alles für ministerielles Unkraut zu Tage gefördert hat, um die Consequenzen der Februar- Revolution abzuwenden! Faucher und Barrot müssen jetzt als grüne Rasen dienen, die den immer stärker hervortretenden vulkanischen Boden der jetzigen Gesellschaft mit ihren zwei scharf gesonderten Klassen bedecken sollen. So lange die Bourgeoisie ungehindert ihre Exploitation betrieb, da verlachte man einen Barrot und Faucher, die mit ihren humanistisch- breit- gedehnten Phrasen, der eine auf dem moralischen, der andere auf dem ökonomischen Standpunkte, eine herzlich- gemüthliche Opposition zu machen suchten. Die Bourgeoisie verlachte sie und betrachtete beide als ganz unbrauchbare, sterile Schönredner und Schönschreiber. Als man nach der Junischlacht durch die Vermittlung Dufaure's und Vivien's auf dem besten Wege war, in das alte Geleise zu treten, da mußte plötzlich die Wahl Napoleon's die ganze Berechnung über'n Haufen werfen, die Bourgeoisie mußte wieder von vorn anfangen, sie mußte wieder einen Lamartine vorschieben, und da holte sie den Barrot hervor, den Mann der die Themis auf der Stirne geschrieben hat, und gab ihm den "ökonomisch- gebildeten" Faucher zur Seite. Barrot und Faucher sollen zusammen genommen weiter nichts vorstellen als Lamartine. Faucher soll das Correktivmittel sein gegen das politisch- duselnde des Herrn Lamartine, während man in Barrot die ewig hohle Phrase beibehalten wollte. Napoleon repräsentirt quasi den Volkswillen, d. h. Alles das, was das Volk nicht will, keine Säbelherrschaft, keine Ausbeutung durch das Kapital, und um diesen Volkswillen zur Ausführung zu bringen, stellte man das Ministerium Barrot- Faucher auf, welches alles das in der Phrase ebenfalls nicht will. Aber die Wirklichkeit ist stärker als alle Phrasen, und als man gestern Leon Faucher aufforderte, die Nationalgarde in Lyon zu reorganisiren, da bekannte er ganz offenherzig: "Die Stadt Lyon schließt die fürchterlichsten Elemente des Bürger- und sozialen Krieges in sich; es existirt zwischen diesen beiden Klassen der Gesellschaft ein so tief gewurzelter Haß, daß sie sich wie zwei feindliche Armee- Corps beständig mit den Waffen in der Hand gegenüber stehn."

In Lyon mehr als in irgend einer anderen Stadt Frankreich's nimmt der Klassenkampf eine bestimmte, genau bezeichnete Form an. Der größte Theil der Bevölkerung Lyon's, der größte Theil der Nationalgarde besteht aus dem Proletariate. Es handelte sich darum, dieses furchtbare Proletariat nicht als Nationalgarde zu bewaffnen und die Kammer, indem sie zur Tagesordnung überging, hat sich ganz auf die Seite Faucher's und Barrot's hingestellt.

Aber wer hat auch jetzt die Augen auf die Kammer gerichtet? Zwei Dinge sind's, welche nunmehr die ganze Aufmerksamkeit des französischen Proletariats in Anspruch nehmen: die Republik mit der Jakobinermütze in Rom und die Bank in Paris. Was hat die Bank mit der Republik zu schaffen? so konnte man noch fragen nach dem 24. Februar. Jetzt ist's klar geworden, daß die Bank der Zwangsthurm ist, welcher nach dem Februarsiege die Demokratie im Inlande sowohl wie im Auslande besiegt, und daß die Verbrüderung der Bourgeois- Nationalitäten ihren Sitz in der Bank und auf der Börse hat. Die Metalliques gebieten sowohl über Pariser als Wiener Arbeiter, und damit Metalliques und 5- Prozentige ruhig gegeneinander ausgetauscht werden können, müssen sie sich hülfreich die Hand geben, zur Anschaffung von Pulver und Blei, und zur Unterdrückung derjenigen, welche sich dieser Herrschaft entziehen wollen. Ihrerseits aber haben die Proletarier gefühlt, daß sie ebenfalls ein gemeinsames Interesse haben, sich gegenseitig zur Abschüttelung dieser Herrschaft beizustehen, und der Angriff am 15. Mai gegen die Kammer hatte keine andere Bedeutung. Es wurde damals die Polenfrage behandelt. Bei dem Anblicke der Bourgeoiskammer, die auf dem besten Wege war, im Sinne Lamartine's alle Intervention nach Außen abzulehnen, wurden die einstürmenden Proletarier, es waren ihrer an 200,000, von einer unbeschreiblichen Wuth ergriffen.

"Wir haben kein Geld, wir können keinen Krieg im Auslande führen," hieß es damals allgemein. Wer hatte dann das Geld? Wer hatte dann die Kapitalien? Die hohe Finanz, die hohe Bourgeoisie. Wenn nun die alten Verhältnisse gestürzt waren, wenn das innerhalb dieser Verhältnisse Erworbene als durch Corruption, durch Exploitation erworben sich herausstellte, sollte dann dieses Erworbene ein Recht haben, ferner exploitirend aufzutreten und zu wirken? Die Proletarier, die damals nicht wußten, unter welcher Form sie diese ihre Forderungen vorbringen sollten, standen in der Kammer mit verbissener Wuth den Bourgeois gegenüber, als Barbes mit seiner Zurückforderung der famösen Milliarde auftrat. Von dem Augenblicke an, als die Wuth ihren Ausspruch erhalten hatte, legte sich die Wuth selbst, und wenn die Bourgeois seitdem abermals gesiegt, so hat sich doch die Forderung der Milliarde der Massen allenthalben Eingang verschafft, daß, wenn es hieße, darüber durch das allgemeine Stimmrecht, wie über Napoleon, abzustimmen, dieselbe noch über 6 Millionen Stimmen erhalten könnte. Die Bauern sehen ein, daß sie es waren, welche die damaligen Emigranten entschädigen mußten, daß sie ein vollkommenes Recht haben, diese Entschädigung zurückzufordern, und daß die dem großen Grundbesitze entrissene Milliarde ihnen hauptsächlich zu Gute kommen würde. Es wäre dies der erste Schritt zu einer wirklich revolutionären Maßregel. Vom Grundbesitz ist es dann ein Leichtes, auf die Bank überzugehen, wie es die Reforme in ihrer heutigen Nummer thut.

Der Boden hat heutigen Tages nur einen sekundären Einfluß; die wahre Macht ist der Geldmarkt und die Zugänge zu diesem Markte brauchen weder durch Laufgräben noch Bollwerke beschützt zu werden. Die Bank, das eigentliche Schloß der Finanzbarone, hat zu ihrer Beschützung kaum einige Schildwachen. "Wollt Ihr wissen, wie die Rothschild's, Hottinguer, Baring, Davilliers, Delessert, Fould etc. etc. in diesem Schlosse hausen?"

Der Banquier schießt 55,60,80 Franken vor und empfängt dafür einen Schuldschein von 100 Franken, mit einem Rechte auf 5pCt. jährliches Interesse. Beispiele: "Unter dem Ministerium Richelieu wandte man sich an die Herren Hope und Baring, um für 30 Millionen 5pCt. Renten zu negociren. Der Staat, der sich als Schuldner von 600 Millionen Kapital anerkannte, empfing in Wahrheit nur 345 Millionen. Das Anleihen wurde effektuirt zum Curse von 57 Fr. 51 Cent. - netto Verlust für die Besteuerten 255 Millionen, die in letzter Instanz auf die Arbeiter zurückfallen.

Im Jahre 1818 neue Negociationen: es handelte sich um ein Anleihen von 540 Millionen; Hope und Baring sind die Unterhändler. Das Anleihen wurde geschlossen zu dem damaligen Curse von 66 Franken 50 Centimes: reiner Verlust 33 pCt. d. h. 180 Millionen Kapital. Vom Jahr 1823 figuriren die Rothschild's theils als die alleinigen Wucherer, theils in Kompagnie mit Fould und Fould- Oppenheim. Sie haben es in diesen Operationen zu einer wahren Meisterschaft gebracht. Im Jahre 1847 hatte der Staat mit den Gebrüdern Rothschild ein Anleihen von 250 Millionen abgeschlossen. Nach der Februar- Revolution wollte der Staat die Gebrüder Rothschild zur Zahlung anhalten mit den früher stipulirten Bedingungen. Rothschild war schlauer als der Staat, der damals durch den National und Goudchaux repräsentirt wurde. Er zog diesen kleinen Staat in sein Interesse, entzog sich den frühern Bedingungen und mit Hülfe Goudchaux's schloß er ein Anleihen ab, das ihm und Goudchaux allein zu gute kam. Der National ist, wie man weiß, gestürzt, und nach dem Sturze Barrot's und Faucher's ist nichts natürlicher, als daß das Volk, wie jetzt mit der Milliarde, so mit den 200 Millionen und allen frühern Anleihen verführt.

Paris, 20. Febr.

Odilon Barrot hat eine sehr schlimme Nacht zugebracht. Allerlei böse Träume störten seinen Schlummer. Wie kann das aber auch anders sein? Gestern ist das Ministerium nicht weniger als drei Mal interpellirt - zu Deutsch: zur Rede gestellt worden! Ein Mal von Pelletier wegen Auflösung der Bürgerwehr in Lyon; das zweite Mal von Cavaignac wegen eines angeblich (alle Welt weiß es) aus Changarnier's Laboratorium herrührenden Artikels in der Union und das dritte Mal von Ledru- Rollin über Italien und die sogenante geheime Expedition die der Kirchenvater Falloux ohne alles Geräusch gegen die Römer und Florentiner in Toulou und Rom rüsten lassen soll.

Das ist denn doch zu arg und der "Moniteur" schleudert deshalb folgenden harten Stein an die Stirn Cavaignac's:

"Die Sitzung der Nationalversammlung bot einen bedauerlichen Zwischenfall, der die Grundsätze des Regierungswesens zu fälschen anstrebt. Indem der General Cavaignac die Versammlung als Richterin berief, um über die Angriffe zu urtheilen, denen er (in dem Journal Union) ausgesetzt war, begnügte er sich nicht, seine Fragen an den Minister des Innern zu richten, der keineswegs Anstand nahm, ihm zu antworten; er dehnte sie sogar auf den General Changarnier aus, als Oberbefehlshaber aller Militärkräfte in Paris und der Bürgerwehren des Seinedepartements. Man wird das Gefühl begreifen, mit welchem der General Changarnier sich in die Sache ziehen ließ. Der ehrenwerthe Repräsentant, welcher die Iniative jener Interpellationen ergriff, war aber derselbe Mann, dem Frankreich während sieben Monaten das Regierungsruder anvertraute. Derjenige Repräsentant, auf den sich die Interpellationen außerhalb des Ministeriums bezogen, durfte daher keinen Augenblick gestatten, daß auch nur der leiseste Verdacht auf ihm ruhe, als habe er die beleidigende Angriffe geleitet, welche gegen die Ehre seines ehemaligen Waffengefährten gerichtet worden sind. Ebenso wenig konnte das Ministerium einer Debatte Grenzen zu ziehen suchen, welche persönliche Fragen Derjenigen betraf, die ihm in der Staatsgewalt vorangegangen. Aber eben die außergewöhnliche Natur dieses Vorfalls legt der Regierung die Pflicht auf, sich gegen jede Wiederholung zu verwahren. Sie kann nicht zugeben daß man daraus das Recht folgere, sich künftig ähnliche Abweichungen (deviations) oder Zänkereien (tiraillements) in dem Verkehr der Nationalversammlung und des Ministeriums zu erlauben. Das Ministerium nimmt die Verantwortlichkeit aller Handlungen der Exekutivgewalt, gleichviel an welche Sproße der politischen oder administrativen Stufenleiter (hierarchie) sie sich knüpfe, für sich allein in Anspruch. So lange die Minister auf ihren Bänken sitzen und sich verantwortlich erklären (!), darf Niemand einen Beamten, wie hoch er auch immer stehe, zur Rechenschaft fordern (prendre a partie) weil sie ihn mit ihrer Verantwortlichkeit decken. Wenn es erlaubt wäre, außer den Ministern auch andere Vollstrecker der Exekutivgewalt, so zu sagen, vor die Schranken der Nationalversammlung zu fordern, so fände sich der Grundsatz der Verantwortlichkeit des Ministeriums vernichtet. Es gäbe keine Regierung mehr. Dem Grundsatze nach, verantwortet das Ministerium das Thun und Lassen aller Beamten, so lange bis es sie verleugnet, (jusqu'a a ce qu'il les ait desavoues) Ihm allein steht es zu, von ihnen Rechenschaft zu verlangen, sie zu billigen oder sie dem Tadel der öffentlichen Meinung zu überlassen, wenn es ihr Handeln nicht billigt. Das Ministerium allein ist wahrhaft und direkt verantwortlich. Das sind die wahren Grundsätze des Regierungswesens, welche in einer Zeit um so nützlicher in das Gedächtniß zu rufen sind, wo man an einem Tage das Ministerium oft drei Male von der Bühne herab zur Rechenschaft gezogen sieht."

- Die Reaktion gibt sich alle erdenkliche Mühe, um das hiesige Kabinet zu vermögen: im "herzlichen" Einverständniß mit England eine Flotille vor Livorno und Civita Becchia zu schicken. Die "Opinion" und die "Assemblee", zwei der Hauptnachtvögel stellen diese Maßregel als unerläßlich dar, "wenn die Republik (ha, ha, ha!) gedeihen wolle." Ihr Raisonnement ist der vollendetste Jesuitismus.

- Die Hitze, in welche gestern Abend bei Sitzungsschluß der Bauminister Lacrosse gegen Brives aussrach, bewies deutlich, daß dieser Lacrosse, ein Kavallerieoberst seines Gewerbes, zum Staatsmanne gar nicht tauge. Wie kann man sich wegen einer solchen Kleinigkeit auf das ministerielle Schlachtroß setzen, wie dies dieser Lacrosse dem unterbrechenden Brives gegenüber that?

- De Spicore, Geheimschreiber des Ex- Großherzogs von Toscana ist seit gestern hier, um für die Wiedereinsetzung seines Gebieters, der sich immer noch in San Stefano aufhalten soll, zu intriguiren. Spicore verließ übrigens schon Florenz (Siena) vor Absetzung des Großherzogs und hat daher nur höchst mangelhafte Vollmachten. Sein Auftrag wird daher nichts nützen.

- Morgen in aller Frühe werden wohl die fünf Brea Verurtheilten an der Barriere von Fontainebleau erschossen. Es sei denn, daß ihre Vertheidiger, welche heute Vormittags bei Bonaparte eine Audienz hatten, mit ihrem letzten Protest durchdrangen. Der Revisionshof, aus Rittmeistern und Freunden Breas bestehend, hat das kriegsgerichtliche Urtel bestätigt.

- Cremieux hat erst heute der Nat.- Vers. seinen Ausschußbericht gegen den ministeriellen Clubgesetzentwurf überreicht.

Morgen wird uns der Moniteur mit dem Faucherschen Programm, der 24. Febr. Grabesfeier überraschen.

Um 1/2 vor 4 Uhr bestieg Ledru- Rollin die Bühne, um den Minister des Auswärtigen wegen Italien zu interpelliren.

- Für die in Frankreich bevorstehenden Klassenkämpfe ist folgende Phrase von Bedeutung, die gestern der große Staatsminister Faucher vor der Nationalversammlung aussprach:

"Die Stadt Lyon enthält viele Elemente des bürgerlichen und sozialen Krieges. Es herrschen zwischen den beiden Klassen der Bevölkerung (also zwischen Arm und Reich) solche Mißstimmungen, daß sich diese beiden Klassen wie zwei Beobachtungsarmeen einander gegenüber stehen."

- Flocon, Cavaignac, Bac etc. erklären in den Journalen: daß sie nicht auf dem letzten Balle bei Bonaparte im Elysee waren. Von der Bergpartei war nur Guinard dort, dessen schöne Töchter vor Ungeduld brannten, einmal die republikanische Majestät von Angesicht zu Angesicht zu schauen.

Hierauf ist der Hohn der "weißen" Blätter zu beschränken.

- Die Vertheidigung der Union in der Cavaignacschen Angelegenheit ist entsetzlich fade. Von allen Journalen enthalten nur die Debats einen interessanten Brief aus Rom vom 10. und der National eine Epistel aus Konstantinopel vom 5. Febr. über die Donaufürstenthümer, die gelesen zu werden verdienen.

- Der Fasching ist ohne die geringste Ruhestörung vorübergegangen. Rechnet man eine Handvoll Gamins und sonstige Pflastertreter ab, die sich verkleideten und trotz des Kothes die gaffende Menge erlustigten, so kann man sagen, daß sich der diesjährige Karneval auf die Tanzböden beschränkte, in denen natürlich stark gelärmt, getrunken und geliebäugelt wurde. Auch in dem ernsten Fraternitätssaale der Rue Martel machten mehrere Nächte hintereinander die finsteren Clubbisten der Göttin Terpsichore Platz. So fanden auch die von der Nat.- Vers. ihres politischen Rechts beraubten Clubbisten wieder einmal gerechte Anerkennung. Die Damethsche Solidarität Soziale lieferte das stärkste weibliche Contingent für diese Bälle, bei denen es ebenso heiter als anständig zuging.

- National- Versammlung. Sitzung vom 20. Februar. Vicepräsident Corbon eröffnet um 1 1/2 Uhr die Sitzung. Die Bänke sind trotz des Fastnachtsdienstag ziemlich besetzt. Gleich nach Verlesung des Protokolls wird der Stadt Rennes die Summe von 296,000 Fr. zur Errichtung eines Schulgebäudes bewilligt. Die Hauptstadt der Bretagne besaß bisher noch keines dergleichen.

An der Tagesordnung befindet sich zunächst die dritte Debatte über die Erhöhung des Werthstempels bei kollektiven Besitzthümern (Spitalgütern, Kongregationsgütern, milden Stiftungen u. s. w.)

Gillon meint, man solle doch wenigstens die Spitalgüter ausnehmen.

Coulmann protestirt dagegen.

Rondot findet die neue Taxe von 62 1/2 Cent. per Franken des Steuerwerthes zu hoch. Er schlägt 40 Cent. vor.

Grevy bekämpft diese Ermäßigung.

Das Gesetz, d. h. die 62 1/2 Cent, gehen demnächst mit 602 gegen 95 Stimmen durch. Dieser Gegenstand wäre erledigt.

Es ist zu fürchten, daß diese neue Steuer der Republik unter den Bauern, die in ihrem Pacht höher gestellt werden dürften, abermals Feinde mache.

Cremieux erscheint in diesem Augenblick auf der Bühne. Er überreicht den Kommissionsbericht gegen den Faucher'schen Klubschließungsentwurf. (Diese Vorlage erregt Agitation im Saale).

Die Versammlung kehrt jedoch zu ihrer eigentlichen Tagesordnung, zu dem aus 114 Artikeln bestehenden Wahlgesetzentwurf zurück.

Sie war gestern Abend bis Artikel 50 vorgerückt.

Artikel 50.

"Der Präsident und die Glieder des Wahlbezirksausschusses überwachen die Entwickelung der Stimmzettel, bei Wahlcirkeln von weniger als 300 Stimmenden kann der vorsitzende Ausschuß selbst die Entwickelung und Zählung vornehmen u. s. w."

Wird angenommen.

Beilage zu Nr. 229 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Freitag 23. Februar 1849.
[Französische Republik]

sellschaft sich handelt; mögen wir also uns nicht mehr auf uns allein beschränkt halten, sondern mit denen aller Länder Europa's verbünden und die Aufreißer der Pflastersteine zu Paaren treiben; die Strafe sei blitzschnell wie ihr Vergehen.“ Die „Constituante“ in Florenz sagt richtig: „Der Zustand Frankreichs flößt uns billig Besorgnisse ein. Die Leidenschaften knirschen in den Zügel. Die Schaar der Feinde der Republik geht scharf vorwärts, sie zieht die Maske ab und verkündet, sie werde dem Volke die Februarresultate entwinden. Sie vernichten die Clubsfreiheit; die Montagne antwortet mit einer Anklage gegen das nationalverrätherische Ministerium... Wir hoffen aber dennoch das Volk siegreich zu sehen, und die Revolution wird ihre Gegner zermalmen.“ ‒ Caussidiere und Louis Blanc ward von den Socialdemokraten Londons so eben ein großes Banket gegeben, wovon die „Times“ spöttische Erwähnung thun, worauf die „Revolution democratique“ erwidert: „möge das große Blatt nicht zu frühe triumphiren.“ La Reforme brachte einen detaillirten Bericht des ersten Prozesses der N. Rhein. Zeitung nebst dem Auszug der Rede des Redacteur en chef: „dieser deutsche Preßprozeß ist wichtig, sagt sie, die potsdamer Säbelmänner glaubten schon gewonnen Spiel zu haben, und siehe! da kommen die Wahlresultate, und die Geschwornen sprechen das rötheste aller deutschen social- demokratischen Organe frei.“ ‒ Folgendes ist das ungeheuren Beifall findende „Studentenlied“ (chant des étudiants) von P. Dupont:

„Söhne der französischen Schulen, ihr fröhlichen Freiwilligen des Fortschritts, auf, folgt dem Volke und seiner Wissenschaft, pfeifet aus den Malthus und dessen Dekrete. Studenten! erleuchtet die neuen Bahnen, welche die Arbeit sich brechen will; der Socialismus hat zwei Flügel: den Studenten und Handwerker. Auf, ohne Pauken und Posaunen, zur Eroberung der Zukunft, ‒ zeigen wir der Kugel unsre Brust, wenn's sein muß, wie Robert Blum gethan (bis), der ruhmreiche Märthrer.“

„Mit den Handarbeitern, unsern Brüdern, wandeln wir Arm in Arm; wir lachen ob der Eulen und Schuhus, die sich blind gucken im Strahlenlichte der Aufklärung. Erhellen wir die Vernunft derer, die unsern Todesdolch schleifen. D Deutschland, Italien, Frankreich, kommt, kommt, tragt das Licht gen Norden. ‒ Zeigen wir der Kugel unsre Brust, wenn's sein muß, wie Robert Blum u. s. w.“

„Die Arbeit der Arme schafft uns hieher, wo wir studiren; durch sie ward unser Brod, das einförmige Buch, das Kleidungsstück und das Kamin geschaffen, und zum Vergelten, Brüder des Studiums, laßt uns nicht hochmüthig mehr entfernt vom Handarbeitenden weilen; manch Herz voll Wissensdurst und Kunstliebe schlägt unter dem blauen Blousenkittel. ‒ Zeigen wir u. s. w.“

„Polka, Pfeife und Bier sind nicht mehr unser Eins und Alles; die Lauben der Cythere sind uns nicht mehr was früher; Minerva, unter der neuen Gestalt unsrer entzückenden jungen Republik, ist fortan unsre Geliebte und Herrin; Frau Venus mag später erst kommen. (Refrain.)

„Seht Blut, Blutspuren auf der Erde, da wandelte die Revolution, und vor dem Kanonenrachen öffneten sich die Hauptstädte bebend. Schon sinkt der Februarstern... Hört ihr sie wiehern die Schlachtpferde? das sind die Kosakenpferde. (Refrain.)“

„Hurrah! hurrah! Jünglinge der hohen Schulen Wiens, Berlins und von Paris, wir tragen die Fackel der Gottheit; unsre Attila's tragen nur Gottes Geißeln. Hurrah! ihr Tyrannen und Männer der greisen Mißbräuche, weicht zurück! (Refrain).“ ‒ Die Musik ist vorzüglich.

Diese Hinneigung zu Deutschlands Demokratie ist bei der französischen rein und scharf, wie alles, was im galloromanischen Wesen energisch sich regt. Sie begreift vollkommen, daß die italienische und polnische Demokratie nicht einen so gewaltigen Zusammenhang mit ihr haben, wenigstens nicht in diesem Augenblick, als die deutsche. Es wäre dem deutschen demokratischen Centralcomité freundschaftlichst zu rathen, endlich einmal eine desfallsige Demonstration auf schriftlichem Wege zu thun.

12 Paris, 20. Februar.

Was die Bourgeoisie nicht alles für ministerielles Unkraut zu Tage gefördert hat, um die Consequenzen der Februar- Revolution abzuwenden! Faucher und Barrot müssen jetzt als grüne Rasen dienen, die den immer stärker hervortretenden vulkanischen Boden der jetzigen Gesellschaft mit ihren zwei scharf gesonderten Klassen bedecken sollen. So lange die Bourgeoisie ungehindert ihre Exploitation betrieb, da verlachte man einen Barrot und Faucher, die mit ihren humanistisch- breit- gedehnten Phrasen, der eine auf dem moralischen, der andere auf dem ökonomischen Standpunkte, eine herzlich- gemüthliche Opposition zu machen suchten. Die Bourgeoisie verlachte sie und betrachtete beide als ganz unbrauchbare, sterile Schönredner und Schönschreiber. Als man nach der Junischlacht durch die Vermittlung Dufaure's und Vivien's auf dem besten Wege war, in das alte Geleise zu treten, da mußte plötzlich die Wahl Napoleon's die ganze Berechnung über'n Haufen werfen, die Bourgeoisie mußte wieder von vorn anfangen, sie mußte wieder einen Lamartine vorschieben, und da holte sie den Barrot hervor, den Mann der die Themis auf der Stirne geschrieben hat, und gab ihm den „ökonomisch- gebildeten“ Faucher zur Seite. Barrot und Faucher sollen zusammen genommen weiter nichts vorstellen als Lamartine. Faucher soll das Correktivmittel sein gegen das politisch- duselnde des Herrn Lamartine, während man in Barrot die ewig hohle Phrase beibehalten wollte. Napoleon repräsentirt quasi den Volkswillen, d. h. Alles das, was das Volk nicht will, keine Säbelherrschaft, keine Ausbeutung durch das Kapital, und um diesen Volkswillen zur Ausführung zu bringen, stellte man das Ministerium Barrot- Faucher auf, welches alles das in der Phrase ebenfalls nicht will. Aber die Wirklichkeit ist stärker als alle Phrasen, und als man gestern Leon Faucher aufforderte, die Nationalgarde in Lyon zu reorganisiren, da bekannte er ganz offenherzig: „Die Stadt Lyon schließt die fürchterlichsten Elemente des Bürger- und sozialen Krieges in sich; es existirt zwischen diesen beiden Klassen der Gesellschaft ein so tief gewurzelter Haß, daß sie sich wie zwei feindliche Armee- Corps beständig mit den Waffen in der Hand gegenüber stehn.“

In Lyon mehr als in irgend einer anderen Stadt Frankreich's nimmt der Klassenkampf eine bestimmte, genau bezeichnete Form an. Der größte Theil der Bevölkerung Lyon's, der größte Theil der Nationalgarde besteht aus dem Proletariate. Es handelte sich darum, dieses furchtbare Proletariat nicht als Nationalgarde zu bewaffnen und die Kammer, indem sie zur Tagesordnung überging, hat sich ganz auf die Seite Faucher's und Barrot's hingestellt.

Aber wer hat auch jetzt die Augen auf die Kammer gerichtet? Zwei Dinge sind's, welche nunmehr die ganze Aufmerksamkeit des französischen Proletariats in Anspruch nehmen: die Republik mit der Jakobinermütze in Rom und die Bank in Paris. Was hat die Bank mit der Republik zu schaffen? so konnte man noch fragen nach dem 24. Februar. Jetzt ist's klar geworden, daß die Bank der Zwangsthurm ist, welcher nach dem Februarsiege die Demokratie im Inlande sowohl wie im Auslande besiegt, und daß die Verbrüderung der Bourgeois- Nationalitäten ihren Sitz in der Bank und auf der Börse hat. Die Metalliques gebieten sowohl über Pariser als Wiener Arbeiter, und damit Metalliques und 5- Prozentige ruhig gegeneinander ausgetauscht werden können, müssen sie sich hülfreich die Hand geben, zur Anschaffung von Pulver und Blei, und zur Unterdrückung derjenigen, welche sich dieser Herrschaft entziehen wollen. Ihrerseits aber haben die Proletarier gefühlt, daß sie ebenfalls ein gemeinsames Interesse haben, sich gegenseitig zur Abschüttelung dieser Herrschaft beizustehen, und der Angriff am 15. Mai gegen die Kammer hatte keine andere Bedeutung. Es wurde damals die Polenfrage behandelt. Bei dem Anblicke der Bourgeoiskammer, die auf dem besten Wege war, im Sinne Lamartine's alle Intervention nach Außen abzulehnen, wurden die einstürmenden Proletarier, es waren ihrer an 200,000, von einer unbeschreiblichen Wuth ergriffen.

„Wir haben kein Geld, wir können keinen Krieg im Auslande führen,“ hieß es damals allgemein. Wer hatte dann das Geld? Wer hatte dann die Kapitalien? Die hohe Finanz, die hohe Bourgeoisie. Wenn nun die alten Verhältnisse gestürzt waren, wenn das innerhalb dieser Verhältnisse Erworbene als durch Corruption, durch Exploitation erworben sich herausstellte, sollte dann dieses Erworbene ein Recht haben, ferner exploitirend aufzutreten und zu wirken? Die Proletarier, die damals nicht wußten, unter welcher Form sie diese ihre Forderungen vorbringen sollten, standen in der Kammer mit verbissener Wuth den Bourgeois gegenüber, als Barbes mit seiner Zurückforderung der famösen Milliarde auftrat. Von dem Augenblicke an, als die Wuth ihren Ausspruch erhalten hatte, legte sich die Wuth selbst, und wenn die Bourgeois seitdem abermals gesiegt, so hat sich doch die Forderung der Milliarde der Massen allenthalben Eingang verschafft, daß, wenn es hieße, darüber durch das allgemeine Stimmrecht, wie über Napoleon, abzustimmen, dieselbe noch über 6 Millionen Stimmen erhalten könnte. Die Bauern sehen ein, daß sie es waren, welche die damaligen Emigranten entschädigen mußten, daß sie ein vollkommenes Recht haben, diese Entschädigung zurückzufordern, und daß die dem großen Grundbesitze entrissene Milliarde ihnen hauptsächlich zu Gute kommen würde. Es wäre dies der erste Schritt zu einer wirklich revolutionären Maßregel. Vom Grundbesitz ist es dann ein Leichtes, auf die Bank überzugehen, wie es die Reforme in ihrer heutigen Nummer thut.

Der Boden hat heutigen Tages nur einen sekundären Einfluß; die wahre Macht ist der Geldmarkt und die Zugänge zu diesem Markte brauchen weder durch Laufgräben noch Bollwerke beschützt zu werden. Die Bank, das eigentliche Schloß der Finanzbarone, hat zu ihrer Beschützung kaum einige Schildwachen. „Wollt Ihr wissen, wie die Rothschild's, Hottinguer, Baring, Davilliers, Delessert, Fould etc. etc. in diesem Schlosse hausen?“

Der Banquier schießt 55,60,80 Franken vor und empfängt dafür einen Schuldschein von 100 Franken, mit einem Rechte auf 5pCt. jährliches Interesse. Beispiele: „Unter dem Ministerium Richelieu wandte man sich an die Herren Hope und Baring, um für 30 Millionen 5pCt. Renten zu negociren. Der Staat, der sich als Schuldner von 600 Millionen Kapital anerkannte, empfing in Wahrheit nur 345 Millionen. Das Anleihen wurde effektuirt zum Curse von 57 Fr. 51 Cent. ‒ netto Verlust für die Besteuerten 255 Millionen, die in letzter Instanz auf die Arbeiter zurückfallen.

Im Jahre 1818 neue Negociationen: es handelte sich um ein Anleihen von 540 Millionen; Hope und Baring sind die Unterhändler. Das Anleihen wurde geschlossen zu dem damaligen Curse von 66 Franken 50 Centimes: reiner Verlust 33 pCt. d. h. 180 Millionen Kapital. Vom Jahr 1823 figuriren die Rothschild's theils als die alleinigen Wucherer, theils in Kompagnie mit Fould und Fould- Oppenheim. Sie haben es in diesen Operationen zu einer wahren Meisterschaft gebracht. Im Jahre 1847 hatte der Staat mit den Gebrüdern Rothschild ein Anleihen von 250 Millionen abgeschlossen. Nach der Februar- Revolution wollte der Staat die Gebrüder Rothschild zur Zahlung anhalten mit den früher stipulirten Bedingungen. Rothschild war schlauer als der Staat, der damals durch den National und Goudchaux repräsentirt wurde. Er zog diesen kleinen Staat in sein Interesse, entzog sich den frühern Bedingungen und mit Hülfe Goudchaux's schloß er ein Anleihen ab, das ihm und Goudchaux allein zu gute kam. Der National ist, wie man weiß, gestürzt, und nach dem Sturze Barrot's und Faucher's ist nichts natürlicher, als daß das Volk, wie jetzt mit der Milliarde, so mit den 200 Millionen und allen frühern Anleihen verführt.

Paris, 20. Febr.

Odilon Barrot hat eine sehr schlimme Nacht zugebracht. Allerlei böse Träume störten seinen Schlummer. Wie kann das aber auch anders sein? Gestern ist das Ministerium nicht weniger als drei Mal interpellirt ‒ zu Deutsch: zur Rede gestellt worden! Ein Mal von Pelletier wegen Auflösung der Bürgerwehr in Lyon; das zweite Mal von Cavaignac wegen eines angeblich (alle Welt weiß es) aus Changarnier's Laboratorium herrührenden Artikels in der Union und das dritte Mal von Ledru- Rollin über Italien und die sogenante geheime Expedition die der Kirchenvater Falloux ohne alles Geräusch gegen die Römer und Florentiner in Toulou und Rom rüsten lassen soll.

Das ist denn doch zu arg und der „Moniteur“ schleudert deshalb folgenden harten Stein an die Stirn Cavaignac's:

„Die Sitzung der Nationalversammlung bot einen bedauerlichen Zwischenfall, der die Grundsätze des Regierungswesens zu fälschen anstrebt. Indem der General Cavaignac die Versammlung als Richterin berief, um über die Angriffe zu urtheilen, denen er (in dem Journal Union) ausgesetzt war, begnügte er sich nicht, seine Fragen an den Minister des Innern zu richten, der keineswegs Anstand nahm, ihm zu antworten; er dehnte sie sogar auf den General Changarnier aus, als Oberbefehlshaber aller Militärkräfte in Paris und der Bürgerwehren des Seinedepartements. Man wird das Gefühl begreifen, mit welchem der General Changarnier sich in die Sache ziehen ließ. Der ehrenwerthe Repräsentant, welcher die Iniative jener Interpellationen ergriff, war aber derselbe Mann, dem Frankreich während sieben Monaten das Regierungsruder anvertraute. Derjenige Repräsentant, auf den sich die Interpellationen außerhalb des Ministeriums bezogen, durfte daher keinen Augenblick gestatten, daß auch nur der leiseste Verdacht auf ihm ruhe, als habe er die beleidigende Angriffe geleitet, welche gegen die Ehre seines ehemaligen Waffengefährten gerichtet worden sind. Ebenso wenig konnte das Ministerium einer Debatte Grenzen zu ziehen suchen, welche persönliche Fragen Derjenigen betraf, die ihm in der Staatsgewalt vorangegangen. Aber eben die außergewöhnliche Natur dieses Vorfalls legt der Regierung die Pflicht auf, sich gegen jede Wiederholung zu verwahren. Sie kann nicht zugeben daß man daraus das Recht folgere, sich künftig ähnliche Abweichungen (déviations) oder Zänkereien (tiraillements) in dem Verkehr der Nationalversammlung und des Ministeriums zu erlauben. Das Ministerium nimmt die Verantwortlichkeit aller Handlungen der Exekutivgewalt, gleichviel an welche Sproße der politischen oder administrativen Stufenleiter (hièrarchie) sie sich knüpfe, für sich allein in Anspruch. So lange die Minister auf ihren Bänken sitzen und sich verantwortlich erklären (!), darf Niemand einen Beamten, wie hoch er auch immer stehe, zur Rechenschaft fordern (préndre à partie) weil sie ihn mit ihrer Verantwortlichkeit decken. Wenn es erlaubt wäre, außer den Ministern auch andere Vollstrecker der Exekutivgewalt, so zu sagen, vor die Schranken der Nationalversammlung zu fordern, so fände sich der Grundsatz der Verantwortlichkeit des Ministeriums vernichtet. Es gäbe keine Regierung mehr. Dem Grundsatze nach, verantwortet das Ministerium das Thun und Lassen aller Beamten, so lange bis es sie verleugnet, (jusqu'à â ce qu'il les ait désavoués) Ihm allein steht es zu, von ihnen Rechenschaft zu verlangen, sie zu billigen oder sie dem Tadel der öffentlichen Meinung zu überlassen, wenn es ihr Handeln nicht billigt. Das Ministerium allein ist wahrhaft und direkt verantwortlich. Das sind die wahren Grundsätze des Regierungswesens, welche in einer Zeit um so nützlicher in das Gedächtniß zu rufen sind, wo man an einem Tage das Ministerium oft drei Male von der Bühne herab zur Rechenschaft gezogen sieht.“

‒ Die Reaktion gibt sich alle erdenkliche Mühe, um das hiesige Kabinet zu vermögen: im „herzlichen“ Einverständniß mit England eine Flotille vor Livorno und Civita Becchia zu schicken. Die „Opinion“ und die „Assemblée“, zwei der Hauptnachtvögel stellen diese Maßregel als unerläßlich dar, „wenn die Republik (ha, ha, ha!) gedeihen wolle.“ Ihr Raisonnement ist der vollendetste Jesuitismus.

‒ Die Hitze, in welche gestern Abend bei Sitzungsschluß der Bauminister Lacrosse gegen Brives aussrach, bewies deutlich, daß dieser Lacrosse, ein Kavallerieoberst seines Gewerbes, zum Staatsmanne gar nicht tauge. Wie kann man sich wegen einer solchen Kleinigkeit auf das ministerielle Schlachtroß setzen, wie dies dieser Lacrosse dem unterbrechenden Brives gegenüber that?

‒ De Spicore, Geheimschreiber des Ex- Großherzogs von Toscana ist seit gestern hier, um für die Wiedereinsetzung seines Gebieters, der sich immer noch in San Stefano aufhalten soll, zu intriguiren. Spicore verließ übrigens schon Florenz (Siena) vor Absetzung des Großherzogs und hat daher nur höchst mangelhafte Vollmachten. Sein Auftrag wird daher nichts nützen.

‒ Morgen in aller Frühe werden wohl die fünf Brea Verurtheilten an der Barriere von Fontainebleau erschossen. Es sei denn, daß ihre Vertheidiger, welche heute Vormittags bei Bonaparte eine Audienz hatten, mit ihrem letzten Protest durchdrangen. Der Revisionshof, aus Rittmeistern und Freunden Breas bestehend, hat das kriegsgerichtliche Urtel bestätigt.

‒ Cremieux hat erst heute der Nat.- Vers. seinen Ausschußbericht gegen den ministeriellen Clubgesetzentwurf überreicht.

Morgen wird uns der Moniteur mit dem Faucherschen Programm, der 24. Febr. Grabesfeier überraschen.

Um 1/2 vor 4 Uhr bestieg Ledru- Rollin die Bühne, um den Minister des Auswärtigen wegen Italien zu interpelliren.

‒ Für die in Frankreich bevorstehenden Klassenkämpfe ist folgende Phrase von Bedeutung, die gestern der große Staatsminister Faucher vor der Nationalversammlung aussprach:

„Die Stadt Lyon enthält viele Elemente des bürgerlichen und sozialen Krieges. Es herrschen zwischen den beiden Klassen der Bevölkerung (also zwischen Arm und Reich) solche Mißstimmungen, daß sich diese beiden Klassen wie zwei Beobachtungsarmeen einander gegenüber stehen.“

‒ Flocon, Cavaignac, Bac etc. erklären in den Journalen: daß sie nicht auf dem letzten Balle bei Bonaparte im Elysée waren. Von der Bergpartei war nur Guinard dort, dessen schöne Töchter vor Ungeduld brannten, einmal die republikanische Majestät von Angesicht zu Angesicht zu schauen.

Hierauf ist der Hohn der „weißen“ Blätter zu beschränken.

‒ Die Vertheidigung der Union in der Cavaignacschen Angelegenheit ist entsetzlich fade. Von allen Journalen enthalten nur die Debats einen interessanten Brief aus Rom vom 10. und der National eine Epistel aus Konstantinopel vom 5. Febr. über die Donaufürstenthümer, die gelesen zu werden verdienen.

‒ Der Fasching ist ohne die geringste Ruhestörung vorübergegangen. Rechnet man eine Handvoll Gamins und sonstige Pflastertreter ab, die sich verkleideten und trotz des Kothes die gaffende Menge erlustigten, so kann man sagen, daß sich der diesjährige Karneval auf die Tanzböden beschränkte, in denen natürlich stark gelärmt, getrunken und geliebäugelt wurde. Auch in dem ernsten Fraternitätssaale der Rue Martel machten mehrere Nächte hintereinander die finsteren Clubbisten der Göttin Terpsichore Platz. So fanden auch die von der Nat.- Vers. ihres politischen Rechts beraubten Clubbisten wieder einmal gerechte Anerkennung. Die Damethsche Solidarität Soziale lieferte das stärkste weibliche Contingent für diese Bälle, bei denen es ebenso heiter als anständig zuging.

National- Versammlung. Sitzung vom 20. Februar. Vicepräsident Corbon eröffnet um 1 1/2 Uhr die Sitzung. Die Bänke sind trotz des Fastnachtsdienstag ziemlich besetzt. Gleich nach Verlesung des Protokolls wird der Stadt Rennes die Summe von 296,000 Fr. zur Errichtung eines Schulgebäudes bewilligt. Die Hauptstadt der Bretagne besaß bisher noch keines dergleichen.

An der Tagesordnung befindet sich zunächst die dritte Debatte über die Erhöhung des Werthstempels bei kollektiven Besitzthümern (Spitalgütern, Kongregationsgütern, milden Stiftungen u. s. w.)

Gillon meint, man solle doch wenigstens die Spitalgüter ausnehmen.

Coulmann protestirt dagegen.

Rondot findet die neue Taxe von 62 1/2 Cent. per Franken des Steuerwerthes zu hoch. Er schlägt 40 Cent. vor.

Grevy bekämpft diese Ermäßigung.

Das Gesetz, d. h. die 62 1/2 Cent, gehen demnächst mit 602 gegen 95 Stimmen durch. Dieser Gegenstand wäre erledigt.

Es ist zu fürchten, daß diese neue Steuer der Republik unter den Bauern, die in ihrem Pacht höher gestellt werden dürften, abermals Feinde mache.

Cremieux erscheint in diesem Augenblick auf der Bühne. Er überreicht den Kommissionsbericht gegen den Faucher'schen Klubschließungsentwurf. (Diese Vorlage erregt Agitation im Saale).

Die Versammlung kehrt jedoch zu ihrer eigentlichen Tagesordnung, zu dem aus 114 Artikeln bestehenden Wahlgesetzentwurf zurück.

Sie war gestern Abend bis Artikel 50 vorgerückt.

Artikel 50.

„Der Präsident und die Glieder des Wahlbezirksausschusses überwachen die Entwickelung der Stimmzettel, bei Wahlcirkeln von weniger als 300 Stimmenden kann der vorsitzende Ausschuß selbst die Entwickelung und Zählung vornehmen u. s. w.“

Wird angenommen.

<TEI>
  <text>
    <pb facs="#f0001" n="1261"/>
    <front>
      <titlePage type="heading">
        <titlePart type="main">Beilage zu Nr. 229 der Neuen Rheinischen Zeitung.</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
        <docImprint>
          <docDate>Freitag 23. Februar 1849.</docDate>
        </docImprint>
      </titlePage>
    </front>
    <body>
      <div n="1">
        <head>[Französische Republik]</head>
        <div xml:id="ar229b_001" type="jArticle">
          <p>sellschaft sich handelt; mögen wir also uns nicht mehr auf uns allein beschränkt halten, sondern mit denen aller Länder Europa's verbünden und die Aufreißer der Pflastersteine zu Paaren treiben; die Strafe sei blitzschnell wie ihr Vergehen.&#x201C; Die &#x201E;Constituante&#x201C; in Florenz sagt richtig: &#x201E;Der Zustand Frankreichs flößt uns billig Besorgnisse ein. Die Leidenschaften knirschen in den Zügel. Die Schaar der Feinde der Republik geht scharf vorwärts, sie zieht die Maske ab und verkündet, sie werde dem Volke die Februarresultate entwinden. Sie vernichten die Clubsfreiheit; die Montagne antwortet mit einer Anklage gegen das nationalverrätherische Ministerium... Wir hoffen aber dennoch das Volk siegreich zu sehen, und die Revolution wird ihre Gegner zermalmen.&#x201C; &#x2012; Caussidiere und Louis Blanc ward von den Socialdemokraten Londons so eben ein großes Banket gegeben, wovon die &#x201E;Times&#x201C; spöttische Erwähnung thun, worauf die &#x201E;Revolution democratique&#x201C; erwidert: &#x201E;möge das große Blatt nicht zu frühe triumphiren.&#x201C; La Reforme brachte einen detaillirten Bericht des ersten Prozesses der N. Rhein. Zeitung nebst dem Auszug der Rede des Redacteur en chef: &#x201E;dieser deutsche Preßprozeß ist wichtig, sagt sie, die potsdamer Säbelmänner glaubten schon gewonnen Spiel zu haben, und siehe! da kommen die Wahlresultate, und die Geschwornen sprechen das rötheste aller deutschen social- demokratischen Organe frei.&#x201C; &#x2012; Folgendes ist das ungeheuren Beifall findende &#x201E;Studentenlied&#x201C; (chant des étudiants) von P. Dupont:</p>
          <p>&#x201E;Söhne der französischen Schulen, ihr fröhlichen Freiwilligen des Fortschritts, auf, folgt dem Volke und seiner Wissenschaft, pfeifet aus den Malthus und dessen Dekrete. Studenten! erleuchtet die neuen Bahnen, welche die Arbeit sich brechen will; der Socialismus hat zwei Flügel: den Studenten und Handwerker. Auf, ohne Pauken und Posaunen, zur Eroberung der Zukunft, &#x2012; zeigen wir der Kugel unsre Brust, wenn's sein muß, wie Robert Blum gethan (bis), der ruhmreiche Märthrer.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Mit den Handarbeitern, unsern Brüdern, wandeln wir Arm in Arm; wir lachen ob der Eulen und Schuhus, die sich blind gucken im Strahlenlichte der Aufklärung. Erhellen wir die Vernunft derer, die unsern Todesdolch schleifen. D Deutschland, Italien, Frankreich, kommt, kommt, tragt das Licht gen Norden. &#x2012; Zeigen wir der Kugel unsre Brust, wenn's sein muß, wie Robert Blum u. s. w.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Die Arbeit der Arme schafft uns hieher, wo wir studiren; durch sie ward unser Brod, das einförmige Buch, das Kleidungsstück und das Kamin geschaffen, und zum Vergelten, Brüder des Studiums, laßt uns nicht hochmüthig mehr entfernt vom Handarbeitenden weilen; manch Herz voll Wissensdurst und Kunstliebe schlägt unter dem blauen Blousenkittel. &#x2012; Zeigen wir u. s. w.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Polka, Pfeife und Bier sind nicht mehr unser Eins und Alles; die Lauben der Cythere sind uns nicht mehr was früher; Minerva, unter der neuen Gestalt unsrer entzückenden jungen Republik, ist fortan unsre Geliebte und Herrin; Frau Venus mag später erst kommen. (Refrain.)</p>
          <p>&#x201E;Seht Blut, Blutspuren auf der Erde, da wandelte die Revolution, und vor dem Kanonenrachen öffneten sich die Hauptstädte bebend. Schon sinkt der Februarstern... Hört ihr sie wiehern die Schlachtpferde? das sind die Kosakenpferde. (Refrain.)&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Hurrah! hurrah! Jünglinge der hohen Schulen Wiens, Berlins und von Paris, wir tragen die Fackel der Gottheit; unsre Attila's tragen nur Gottes Geißeln. Hurrah! ihr Tyrannen und Männer der greisen Mißbräuche, weicht zurück! (Refrain).&#x201C; &#x2012; Die Musik ist vorzüglich.</p>
          <p>Diese Hinneigung zu Deutschlands Demokratie ist bei der französischen rein und scharf, wie alles, was im galloromanischen Wesen energisch sich regt. Sie begreift vollkommen, daß die italienische und polnische Demokratie nicht einen so gewaltigen Zusammenhang mit ihr haben, wenigstens nicht in diesem Augenblick, als die deutsche. Es wäre dem deutschen demokratischen Centralcomité freundschaftlichst zu rathen, endlich einmal eine desfallsige Demonstration auf schriftlichem Wege zu thun.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar229b_002" type="jArticle">
          <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 20. Februar.</head>
          <p>Was die Bourgeoisie nicht alles für ministerielles Unkraut zu Tage gefördert hat, um die Consequenzen der Februar- Revolution abzuwenden! Faucher und Barrot müssen jetzt als grüne Rasen dienen, die den immer stärker hervortretenden vulkanischen Boden der jetzigen Gesellschaft mit ihren zwei scharf gesonderten Klassen bedecken sollen. So lange die Bourgeoisie ungehindert ihre Exploitation betrieb, da verlachte man einen Barrot und Faucher, die mit ihren humanistisch- breit- gedehnten Phrasen, der eine auf dem moralischen, der andere auf dem ökonomischen Standpunkte, eine herzlich- gemüthliche Opposition zu machen suchten. Die Bourgeoisie verlachte sie und betrachtete beide als ganz unbrauchbare, sterile Schönredner und Schönschreiber. Als man nach der Junischlacht durch die Vermittlung Dufaure's und Vivien's auf dem besten Wege war, in das alte Geleise zu treten, da mußte plötzlich die Wahl Napoleon's die ganze Berechnung über'n Haufen werfen, die Bourgeoisie mußte wieder von vorn anfangen, sie mußte wieder einen Lamartine vorschieben, und da holte sie den Barrot hervor, den Mann der die Themis auf der Stirne geschrieben hat, und gab ihm den &#x201E;ökonomisch- gebildeten&#x201C; Faucher zur Seite. Barrot und Faucher sollen zusammen genommen weiter nichts vorstellen als Lamartine. Faucher soll das Correktivmittel sein gegen das politisch- duselnde des Herrn Lamartine, während man in Barrot die ewig hohle Phrase beibehalten wollte. Napoleon repräsentirt quasi den Volkswillen, d. h. Alles das, was das Volk nicht will, keine Säbelherrschaft, keine Ausbeutung durch das Kapital, und um diesen Volkswillen zur Ausführung zu bringen, stellte man das Ministerium Barrot- Faucher auf, welches alles das <hi rendition="#g">in der Phrase</hi> ebenfalls nicht will. Aber die Wirklichkeit ist stärker als alle Phrasen, und als man gestern Leon Faucher aufforderte, die Nationalgarde in Lyon zu reorganisiren, da bekannte er ganz offenherzig: &#x201E;Die Stadt Lyon schließt die fürchterlichsten Elemente des Bürger- und sozialen Krieges in sich; es existirt zwischen diesen beiden Klassen der Gesellschaft ein so tief gewurzelter Haß, daß sie sich wie zwei feindliche Armee- Corps beständig mit den Waffen in der Hand gegenüber stehn.&#x201C;</p>
          <p>In Lyon mehr als in irgend einer anderen Stadt Frankreich's nimmt der Klassenkampf eine bestimmte, genau bezeichnete Form an. Der größte Theil der Bevölkerung Lyon's, der größte Theil der Nationalgarde besteht aus dem Proletariate. Es handelte sich darum, dieses furchtbare Proletariat nicht als Nationalgarde zu bewaffnen und die Kammer, indem sie zur Tagesordnung überging, hat sich ganz auf die Seite Faucher's und Barrot's hingestellt.</p>
          <p>Aber wer hat auch jetzt die Augen auf die Kammer gerichtet? Zwei Dinge sind's, welche nunmehr die ganze Aufmerksamkeit des französischen Proletariats in Anspruch nehmen: die Republik mit der Jakobinermütze in Rom und die Bank in Paris. Was hat die Bank mit der Republik zu schaffen? so konnte man noch fragen nach dem 24. Februar. Jetzt ist's klar geworden, daß die Bank der Zwangsthurm ist, welcher nach dem Februarsiege die Demokratie im Inlande sowohl wie im Auslande besiegt, und daß die Verbrüderung der Bourgeois- Nationalitäten ihren Sitz in der Bank und auf der Börse hat. Die Metalliques gebieten sowohl über Pariser als Wiener Arbeiter, und damit Metalliques und 5- Prozentige ruhig gegeneinander ausgetauscht werden können, müssen sie sich hülfreich die Hand geben, zur Anschaffung von Pulver und Blei, und zur Unterdrückung derjenigen, welche sich dieser Herrschaft entziehen wollen. Ihrerseits aber haben die Proletarier gefühlt, daß sie ebenfalls ein gemeinsames Interesse haben, sich gegenseitig zur Abschüttelung dieser Herrschaft beizustehen, und der Angriff am 15. Mai gegen die Kammer hatte keine andere Bedeutung. Es wurde damals die Polenfrage behandelt. Bei dem Anblicke der Bourgeoiskammer, die auf dem besten Wege war, im Sinne Lamartine's alle Intervention nach Außen abzulehnen, wurden die einstürmenden Proletarier, es waren ihrer an 200,000, von einer unbeschreiblichen Wuth ergriffen.</p>
          <p>&#x201E;Wir haben kein Geld, wir können keinen Krieg im Auslande führen,&#x201C; hieß es damals allgemein. Wer hatte dann das Geld? Wer hatte dann die Kapitalien? Die hohe Finanz, die hohe Bourgeoisie. Wenn nun die alten Verhältnisse gestürzt waren, wenn das innerhalb dieser Verhältnisse Erworbene als durch Corruption, durch Exploitation erworben sich herausstellte, sollte dann dieses Erworbene ein Recht haben, ferner exploitirend aufzutreten und zu wirken? Die Proletarier, die damals nicht wußten, unter welcher Form sie diese ihre Forderungen vorbringen sollten, standen in der Kammer mit verbissener Wuth den Bourgeois gegenüber, als Barbes mit seiner Zurückforderung der famösen Milliarde auftrat. Von dem Augenblicke an, als die Wuth ihren Ausspruch erhalten hatte, legte sich die Wuth selbst, und wenn die Bourgeois seitdem abermals gesiegt, so hat sich doch die Forderung der Milliarde der Massen allenthalben Eingang verschafft, daß, wenn es hieße, darüber durch das allgemeine Stimmrecht, wie über Napoleon, abzustimmen, dieselbe noch über 6 Millionen Stimmen erhalten könnte. Die Bauern sehen ein, daß sie es waren, welche die damaligen Emigranten entschädigen mußten, daß sie ein vollkommenes Recht haben, diese Entschädigung zurückzufordern, und daß die dem großen Grundbesitze entrissene Milliarde ihnen hauptsächlich zu Gute kommen würde. Es wäre dies der erste Schritt zu einer wirklich revolutionären Maßregel. Vom Grundbesitz ist es dann ein Leichtes, auf die Bank überzugehen, wie es die Reforme in ihrer heutigen Nummer thut.</p>
          <p>Der Boden hat heutigen Tages nur einen sekundären Einfluß; die wahre Macht ist der Geldmarkt und die Zugänge zu diesem Markte brauchen weder durch Laufgräben noch Bollwerke beschützt zu werden. Die Bank, das eigentliche Schloß der Finanzbarone, hat zu ihrer Beschützung kaum einige Schildwachen. &#x201E;Wollt Ihr wissen, wie die Rothschild's, Hottinguer, Baring, Davilliers, Delessert, Fould etc. etc. in diesem Schlosse hausen?&#x201C;</p>
          <p>Der Banquier schießt 55,60,80 Franken vor und empfängt dafür einen Schuldschein von 100 Franken, mit einem Rechte auf 5pCt. jährliches Interesse. Beispiele: &#x201E;Unter dem Ministerium Richelieu wandte man sich an die Herren Hope und Baring, um für 30 Millionen 5pCt. Renten zu negociren. Der Staat, der sich als Schuldner von 600 Millionen Kapital anerkannte, empfing in Wahrheit nur 345 Millionen. Das Anleihen wurde effektuirt zum Curse von 57 Fr. 51 Cent. &#x2012; netto Verlust für die Besteuerten 255 Millionen, die in letzter Instanz auf die Arbeiter zurückfallen.</p>
          <p>Im Jahre 1818 neue Negociationen: es handelte sich um ein Anleihen von 540 Millionen; Hope und Baring sind die Unterhändler. Das Anleihen wurde geschlossen zu dem damaligen Curse von 66 Franken 50 Centimes: reiner Verlust 33 pCt. d. h. 180 Millionen Kapital. Vom Jahr 1823 figuriren die Rothschild's theils als die alleinigen Wucherer, theils in Kompagnie mit Fould und Fould- Oppenheim. Sie haben es in diesen Operationen zu einer wahren Meisterschaft gebracht. Im Jahre 1847 hatte der Staat mit den Gebrüdern Rothschild ein Anleihen von 250 Millionen abgeschlossen. Nach der Februar- Revolution wollte der Staat die Gebrüder Rothschild zur Zahlung anhalten mit den früher stipulirten Bedingungen. Rothschild war schlauer als der Staat, der damals durch den National und Goudchaux repräsentirt wurde. Er zog diesen kleinen Staat in sein Interesse, entzog sich den frühern Bedingungen und mit Hülfe Goudchaux's schloß er ein Anleihen ab, das ihm und Goudchaux allein zu gute kam. Der National ist, wie man weiß, gestürzt, und nach dem Sturze Barrot's und Faucher's ist nichts natürlicher, als daß das Volk, wie jetzt mit der Milliarde, so mit den 200 Millionen und allen frühern Anleihen verführt.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar229b_003" type="jArticle">
          <head>Paris, 20. Febr.</head>
          <p>Odilon Barrot hat eine sehr schlimme Nacht zugebracht. Allerlei böse Träume störten seinen Schlummer. Wie kann das aber auch anders sein? Gestern ist das Ministerium nicht weniger als <hi rendition="#g">drei</hi> Mal interpellirt &#x2012; zu Deutsch: zur Rede gestellt worden! Ein Mal von Pelletier wegen Auflösung der Bürgerwehr in Lyon; das zweite Mal von Cavaignac wegen eines angeblich (alle Welt weiß es) aus Changarnier's Laboratorium herrührenden Artikels in der Union und das dritte Mal von Ledru- Rollin über Italien und die sogenante geheime Expedition die der Kirchenvater Falloux ohne alles Geräusch gegen die Römer und Florentiner in Toulou und Rom rüsten lassen soll.</p>
          <p>Das ist denn doch zu arg und der &#x201E;Moniteur&#x201C; schleudert deshalb folgenden harten Stein an die Stirn Cavaignac's:</p>
          <p>&#x201E;Die Sitzung der Nationalversammlung bot einen bedauerlichen Zwischenfall, der die Grundsätze des Regierungswesens zu fälschen anstrebt. Indem der General Cavaignac die Versammlung als Richterin berief, um über die Angriffe zu urtheilen, denen er (in dem Journal Union) ausgesetzt war, begnügte er sich nicht, seine Fragen an den Minister des Innern zu richten, der keineswegs Anstand nahm, ihm zu antworten; er dehnte sie sogar auf den General Changarnier aus, als Oberbefehlshaber aller Militärkräfte in Paris und der Bürgerwehren des Seinedepartements. Man wird das Gefühl begreifen, mit welchem der General Changarnier sich in die Sache ziehen ließ. Der ehrenwerthe Repräsentant, welcher die Iniative jener Interpellationen ergriff, war aber derselbe Mann, dem Frankreich während sieben Monaten das Regierungsruder anvertraute. Derjenige Repräsentant, auf den sich die Interpellationen außerhalb des Ministeriums bezogen, durfte daher keinen Augenblick gestatten, daß auch nur der leiseste Verdacht auf ihm ruhe, als habe er die beleidigende Angriffe geleitet, welche gegen die Ehre seines ehemaligen Waffengefährten gerichtet worden sind. Ebenso wenig konnte das Ministerium einer Debatte Grenzen zu ziehen suchen, welche persönliche Fragen Derjenigen betraf, die ihm in der Staatsgewalt vorangegangen. Aber eben die außergewöhnliche Natur dieses Vorfalls legt der Regierung die Pflicht auf, sich gegen jede Wiederholung zu verwahren. Sie kann nicht zugeben daß man daraus das Recht folgere, sich künftig ähnliche Abweichungen (déviations) oder Zänkereien (tiraillements) in dem Verkehr der Nationalversammlung und des Ministeriums zu erlauben. Das Ministerium nimmt die Verantwortlichkeit aller Handlungen der Exekutivgewalt, gleichviel an welche Sproße der politischen oder administrativen Stufenleiter (hièrarchie) sie sich knüpfe, für sich allein in Anspruch. So lange die Minister auf ihren Bänken sitzen und sich verantwortlich erklären (!), darf Niemand einen Beamten, wie hoch er auch immer stehe, zur Rechenschaft fordern (préndre à partie) weil sie ihn mit ihrer Verantwortlichkeit decken. Wenn es erlaubt wäre, außer den Ministern auch andere Vollstrecker der Exekutivgewalt, so zu sagen, vor die Schranken der Nationalversammlung zu fordern, so fände sich der Grundsatz der Verantwortlichkeit des Ministeriums vernichtet. Es gäbe keine Regierung mehr. Dem Grundsatze nach, verantwortet das Ministerium das Thun und Lassen aller Beamten, so lange bis es sie verleugnet, (jusqu'à â ce qu'il les ait désavoués) Ihm allein steht es zu, von ihnen Rechenschaft zu verlangen, sie zu billigen oder sie dem Tadel der öffentlichen Meinung zu überlassen, wenn es ihr Handeln nicht billigt. Das Ministerium allein ist wahrhaft und direkt verantwortlich. Das sind die wahren Grundsätze des Regierungswesens, welche in einer Zeit um so nützlicher in das Gedächtniß zu rufen sind, wo man an einem Tage das Ministerium oft drei Male von der Bühne herab zur Rechenschaft gezogen sieht.&#x201C;</p>
          <p>&#x2012; Die Reaktion gibt sich alle erdenkliche Mühe, um das hiesige Kabinet zu vermögen: im &#x201E;herzlichen&#x201C; Einverständniß mit England eine Flotille vor Livorno und Civita Becchia zu schicken. Die &#x201E;Opinion&#x201C; und die &#x201E;Assemblée&#x201C;, zwei der Hauptnachtvögel stellen diese Maßregel als unerläßlich dar, &#x201E;wenn die Republik (ha, ha, ha!) gedeihen wolle.&#x201C; Ihr Raisonnement ist der vollendetste Jesuitismus.</p>
          <p>&#x2012; Die Hitze, in welche gestern Abend bei Sitzungsschluß der Bauminister Lacrosse gegen Brives aussrach, bewies deutlich, daß dieser Lacrosse, ein Kavallerieoberst seines Gewerbes, zum Staatsmanne gar nicht tauge. Wie kann man sich wegen einer solchen Kleinigkeit auf das ministerielle Schlachtroß setzen, wie dies dieser Lacrosse dem unterbrechenden Brives gegenüber that?</p>
          <p>&#x2012; De Spicore, Geheimschreiber des Ex- Großherzogs von Toscana ist seit gestern hier, um für die Wiedereinsetzung seines Gebieters, der sich immer noch in San Stefano aufhalten soll, zu intriguiren. Spicore verließ übrigens schon Florenz (Siena) vor Absetzung des Großherzogs und hat daher nur höchst mangelhafte Vollmachten. Sein Auftrag wird daher nichts nützen.</p>
          <p>&#x2012; Morgen in aller Frühe werden wohl die fünf Brea Verurtheilten an der Barriere von Fontainebleau erschossen. Es sei denn, daß ihre Vertheidiger, welche heute Vormittags bei Bonaparte eine Audienz hatten, mit ihrem letzten Protest durchdrangen. Der Revisionshof, aus Rittmeistern und Freunden Breas bestehend, hat das kriegsgerichtliche Urtel bestätigt.</p>
          <p>&#x2012; Cremieux hat erst heute der Nat.- Vers. seinen Ausschußbericht gegen den ministeriellen Clubgesetzentwurf überreicht.</p>
          <p>Morgen wird uns der Moniteur mit dem Faucherschen Programm, der 24. Febr. Grabesfeier überraschen.</p>
          <p>Um 1/2 vor 4 Uhr bestieg Ledru- Rollin die Bühne, um den Minister des Auswärtigen wegen Italien zu interpelliren.</p>
          <p>&#x2012; Für die in Frankreich bevorstehenden Klassenkämpfe ist folgende Phrase von Bedeutung, die gestern der große Staatsminister Faucher vor der Nationalversammlung aussprach:</p>
          <p>&#x201E;Die Stadt Lyon enthält viele Elemente des bürgerlichen und sozialen Krieges. Es herrschen zwischen den beiden Klassen der Bevölkerung (also zwischen Arm und Reich) solche Mißstimmungen, daß sich diese beiden Klassen wie zwei Beobachtungsarmeen einander gegenüber stehen.&#x201C;</p>
          <p>&#x2012; Flocon, Cavaignac, Bac etc. erklären in den Journalen: daß sie nicht auf dem letzten Balle bei Bonaparte im Elysée waren. Von der Bergpartei war nur Guinard dort, dessen schöne Töchter vor Ungeduld brannten, einmal die republikanische Majestät von Angesicht zu Angesicht zu schauen.</p>
          <p>Hierauf ist der Hohn der &#x201E;weißen&#x201C; Blätter zu beschränken.</p>
          <p>&#x2012; Die Vertheidigung der Union in der Cavaignacschen Angelegenheit ist entsetzlich fade. Von allen Journalen enthalten nur die Debats einen interessanten Brief aus Rom vom 10. und der National eine Epistel aus Konstantinopel vom 5. Febr. über die Donaufürstenthümer, die gelesen zu werden verdienen.</p>
          <p>&#x2012; Der Fasching ist ohne die geringste Ruhestörung vorübergegangen. Rechnet man eine Handvoll Gamins und sonstige Pflastertreter ab, die sich verkleideten und trotz des Kothes die gaffende Menge erlustigten, so kann man sagen, daß sich der diesjährige Karneval auf die Tanzböden beschränkte, in denen natürlich stark gelärmt, getrunken und geliebäugelt wurde. Auch in dem ernsten Fraternitätssaale der Rue Martel machten mehrere Nächte hintereinander die finsteren Clubbisten der Göttin Terpsichore Platz. So fanden auch die von der Nat.- Vers. ihres politischen Rechts beraubten Clubbisten wieder einmal gerechte Anerkennung. Die Damethsche Solidarität Soziale lieferte das stärkste weibliche Contingent für diese Bälle, bei denen es ebenso heiter als anständig zuging.</p>
          <p>&#x2012; <hi rendition="#g">National- Versammlung.</hi> Sitzung vom 20. Februar. Vicepräsident Corbon eröffnet um 1 1/2 Uhr die Sitzung. Die Bänke sind trotz des Fastnachtsdienstag ziemlich besetzt. Gleich nach Verlesung des Protokolls wird der Stadt Rennes die Summe von 296,000 Fr. zur Errichtung eines Schulgebäudes bewilligt. Die Hauptstadt der Bretagne besaß bisher noch keines dergleichen.</p>
          <p>An der Tagesordnung befindet sich zunächst die dritte Debatte über die Erhöhung des Werthstempels bei kollektiven Besitzthümern (Spitalgütern, Kongregationsgütern, milden Stiftungen u. s. w.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Gillon</hi> meint, man solle doch wenigstens die Spitalgüter ausnehmen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Coulmann</hi> protestirt dagegen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Rondot</hi> findet die neue Taxe von 62 1/2 Cent. per Franken des Steuerwerthes zu hoch. Er schlägt 40 Cent. vor.</p>
          <p><hi rendition="#g">Grevy</hi> bekämpft diese Ermäßigung.</p>
          <p>Das Gesetz, d. h. die 62 1/2 Cent, gehen demnächst mit 602 gegen 95 Stimmen durch. Dieser Gegenstand wäre erledigt.</p>
          <p>Es ist zu fürchten, daß diese neue Steuer der Republik unter den Bauern, die in ihrem Pacht höher gestellt werden dürften, abermals Feinde mache.</p>
          <p><hi rendition="#g">Cremieux</hi> erscheint in diesem Augenblick auf der Bühne. Er überreicht den Kommissionsbericht gegen den Faucher'schen Klubschließungsentwurf. (Diese Vorlage erregt Agitation im Saale).</p>
          <p>Die Versammlung kehrt jedoch zu ihrer eigentlichen Tagesordnung, zu dem aus 114 Artikeln bestehenden Wahlgesetzentwurf zurück.</p>
          <p>Sie war gestern Abend bis Artikel 50 vorgerückt.</p>
          <p>Artikel 50.</p>
          <p>&#x201E;Der Präsident und die Glieder des Wahlbezirksausschusses überwachen die Entwickelung der Stimmzettel, bei Wahlcirkeln von weniger als 300 Stimmenden kann der vorsitzende Ausschuß selbst die Entwickelung und Zählung vornehmen u. s. w.&#x201C;</p>
          <p>Wird angenommen.</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1261/0001] Beilage zu Nr. 229 der Neuen Rheinischen Zeitung. Organ der Demokratie. Freitag 23. Februar 1849. [Französische Republik] sellschaft sich handelt; mögen wir also uns nicht mehr auf uns allein beschränkt halten, sondern mit denen aller Länder Europa's verbünden und die Aufreißer der Pflastersteine zu Paaren treiben; die Strafe sei blitzschnell wie ihr Vergehen.“ Die „Constituante“ in Florenz sagt richtig: „Der Zustand Frankreichs flößt uns billig Besorgnisse ein. Die Leidenschaften knirschen in den Zügel. Die Schaar der Feinde der Republik geht scharf vorwärts, sie zieht die Maske ab und verkündet, sie werde dem Volke die Februarresultate entwinden. Sie vernichten die Clubsfreiheit; die Montagne antwortet mit einer Anklage gegen das nationalverrätherische Ministerium... Wir hoffen aber dennoch das Volk siegreich zu sehen, und die Revolution wird ihre Gegner zermalmen.“ ‒ Caussidiere und Louis Blanc ward von den Socialdemokraten Londons so eben ein großes Banket gegeben, wovon die „Times“ spöttische Erwähnung thun, worauf die „Revolution democratique“ erwidert: „möge das große Blatt nicht zu frühe triumphiren.“ La Reforme brachte einen detaillirten Bericht des ersten Prozesses der N. Rhein. Zeitung nebst dem Auszug der Rede des Redacteur en chef: „dieser deutsche Preßprozeß ist wichtig, sagt sie, die potsdamer Säbelmänner glaubten schon gewonnen Spiel zu haben, und siehe! da kommen die Wahlresultate, und die Geschwornen sprechen das rötheste aller deutschen social- demokratischen Organe frei.“ ‒ Folgendes ist das ungeheuren Beifall findende „Studentenlied“ (chant des étudiants) von P. Dupont: „Söhne der französischen Schulen, ihr fröhlichen Freiwilligen des Fortschritts, auf, folgt dem Volke und seiner Wissenschaft, pfeifet aus den Malthus und dessen Dekrete. Studenten! erleuchtet die neuen Bahnen, welche die Arbeit sich brechen will; der Socialismus hat zwei Flügel: den Studenten und Handwerker. Auf, ohne Pauken und Posaunen, zur Eroberung der Zukunft, ‒ zeigen wir der Kugel unsre Brust, wenn's sein muß, wie Robert Blum gethan (bis), der ruhmreiche Märthrer.“ „Mit den Handarbeitern, unsern Brüdern, wandeln wir Arm in Arm; wir lachen ob der Eulen und Schuhus, die sich blind gucken im Strahlenlichte der Aufklärung. Erhellen wir die Vernunft derer, die unsern Todesdolch schleifen. D Deutschland, Italien, Frankreich, kommt, kommt, tragt das Licht gen Norden. ‒ Zeigen wir der Kugel unsre Brust, wenn's sein muß, wie Robert Blum u. s. w.“ „Die Arbeit der Arme schafft uns hieher, wo wir studiren; durch sie ward unser Brod, das einförmige Buch, das Kleidungsstück und das Kamin geschaffen, und zum Vergelten, Brüder des Studiums, laßt uns nicht hochmüthig mehr entfernt vom Handarbeitenden weilen; manch Herz voll Wissensdurst und Kunstliebe schlägt unter dem blauen Blousenkittel. ‒ Zeigen wir u. s. w.“ „Polka, Pfeife und Bier sind nicht mehr unser Eins und Alles; die Lauben der Cythere sind uns nicht mehr was früher; Minerva, unter der neuen Gestalt unsrer entzückenden jungen Republik, ist fortan unsre Geliebte und Herrin; Frau Venus mag später erst kommen. (Refrain.) „Seht Blut, Blutspuren auf der Erde, da wandelte die Revolution, und vor dem Kanonenrachen öffneten sich die Hauptstädte bebend. Schon sinkt der Februarstern... Hört ihr sie wiehern die Schlachtpferde? das sind die Kosakenpferde. (Refrain.)“ „Hurrah! hurrah! Jünglinge der hohen Schulen Wiens, Berlins und von Paris, wir tragen die Fackel der Gottheit; unsre Attila's tragen nur Gottes Geißeln. Hurrah! ihr Tyrannen und Männer der greisen Mißbräuche, weicht zurück! (Refrain).“ ‒ Die Musik ist vorzüglich. Diese Hinneigung zu Deutschlands Demokratie ist bei der französischen rein und scharf, wie alles, was im galloromanischen Wesen energisch sich regt. Sie begreift vollkommen, daß die italienische und polnische Demokratie nicht einen so gewaltigen Zusammenhang mit ihr haben, wenigstens nicht in diesem Augenblick, als die deutsche. Es wäre dem deutschen demokratischen Centralcomité freundschaftlichst zu rathen, endlich einmal eine desfallsige Demonstration auf schriftlichem Wege zu thun. 12 Paris, 20. Februar. Was die Bourgeoisie nicht alles für ministerielles Unkraut zu Tage gefördert hat, um die Consequenzen der Februar- Revolution abzuwenden! Faucher und Barrot müssen jetzt als grüne Rasen dienen, die den immer stärker hervortretenden vulkanischen Boden der jetzigen Gesellschaft mit ihren zwei scharf gesonderten Klassen bedecken sollen. So lange die Bourgeoisie ungehindert ihre Exploitation betrieb, da verlachte man einen Barrot und Faucher, die mit ihren humanistisch- breit- gedehnten Phrasen, der eine auf dem moralischen, der andere auf dem ökonomischen Standpunkte, eine herzlich- gemüthliche Opposition zu machen suchten. Die Bourgeoisie verlachte sie und betrachtete beide als ganz unbrauchbare, sterile Schönredner und Schönschreiber. Als man nach der Junischlacht durch die Vermittlung Dufaure's und Vivien's auf dem besten Wege war, in das alte Geleise zu treten, da mußte plötzlich die Wahl Napoleon's die ganze Berechnung über'n Haufen werfen, die Bourgeoisie mußte wieder von vorn anfangen, sie mußte wieder einen Lamartine vorschieben, und da holte sie den Barrot hervor, den Mann der die Themis auf der Stirne geschrieben hat, und gab ihm den „ökonomisch- gebildeten“ Faucher zur Seite. Barrot und Faucher sollen zusammen genommen weiter nichts vorstellen als Lamartine. Faucher soll das Correktivmittel sein gegen das politisch- duselnde des Herrn Lamartine, während man in Barrot die ewig hohle Phrase beibehalten wollte. Napoleon repräsentirt quasi den Volkswillen, d. h. Alles das, was das Volk nicht will, keine Säbelherrschaft, keine Ausbeutung durch das Kapital, und um diesen Volkswillen zur Ausführung zu bringen, stellte man das Ministerium Barrot- Faucher auf, welches alles das in der Phrase ebenfalls nicht will. Aber die Wirklichkeit ist stärker als alle Phrasen, und als man gestern Leon Faucher aufforderte, die Nationalgarde in Lyon zu reorganisiren, da bekannte er ganz offenherzig: „Die Stadt Lyon schließt die fürchterlichsten Elemente des Bürger- und sozialen Krieges in sich; es existirt zwischen diesen beiden Klassen der Gesellschaft ein so tief gewurzelter Haß, daß sie sich wie zwei feindliche Armee- Corps beständig mit den Waffen in der Hand gegenüber stehn.“ In Lyon mehr als in irgend einer anderen Stadt Frankreich's nimmt der Klassenkampf eine bestimmte, genau bezeichnete Form an. Der größte Theil der Bevölkerung Lyon's, der größte Theil der Nationalgarde besteht aus dem Proletariate. Es handelte sich darum, dieses furchtbare Proletariat nicht als Nationalgarde zu bewaffnen und die Kammer, indem sie zur Tagesordnung überging, hat sich ganz auf die Seite Faucher's und Barrot's hingestellt. Aber wer hat auch jetzt die Augen auf die Kammer gerichtet? Zwei Dinge sind's, welche nunmehr die ganze Aufmerksamkeit des französischen Proletariats in Anspruch nehmen: die Republik mit der Jakobinermütze in Rom und die Bank in Paris. Was hat die Bank mit der Republik zu schaffen? so konnte man noch fragen nach dem 24. Februar. Jetzt ist's klar geworden, daß die Bank der Zwangsthurm ist, welcher nach dem Februarsiege die Demokratie im Inlande sowohl wie im Auslande besiegt, und daß die Verbrüderung der Bourgeois- Nationalitäten ihren Sitz in der Bank und auf der Börse hat. Die Metalliques gebieten sowohl über Pariser als Wiener Arbeiter, und damit Metalliques und 5- Prozentige ruhig gegeneinander ausgetauscht werden können, müssen sie sich hülfreich die Hand geben, zur Anschaffung von Pulver und Blei, und zur Unterdrückung derjenigen, welche sich dieser Herrschaft entziehen wollen. Ihrerseits aber haben die Proletarier gefühlt, daß sie ebenfalls ein gemeinsames Interesse haben, sich gegenseitig zur Abschüttelung dieser Herrschaft beizustehen, und der Angriff am 15. Mai gegen die Kammer hatte keine andere Bedeutung. Es wurde damals die Polenfrage behandelt. Bei dem Anblicke der Bourgeoiskammer, die auf dem besten Wege war, im Sinne Lamartine's alle Intervention nach Außen abzulehnen, wurden die einstürmenden Proletarier, es waren ihrer an 200,000, von einer unbeschreiblichen Wuth ergriffen. „Wir haben kein Geld, wir können keinen Krieg im Auslande führen,“ hieß es damals allgemein. Wer hatte dann das Geld? Wer hatte dann die Kapitalien? Die hohe Finanz, die hohe Bourgeoisie. Wenn nun die alten Verhältnisse gestürzt waren, wenn das innerhalb dieser Verhältnisse Erworbene als durch Corruption, durch Exploitation erworben sich herausstellte, sollte dann dieses Erworbene ein Recht haben, ferner exploitirend aufzutreten und zu wirken? Die Proletarier, die damals nicht wußten, unter welcher Form sie diese ihre Forderungen vorbringen sollten, standen in der Kammer mit verbissener Wuth den Bourgeois gegenüber, als Barbes mit seiner Zurückforderung der famösen Milliarde auftrat. Von dem Augenblicke an, als die Wuth ihren Ausspruch erhalten hatte, legte sich die Wuth selbst, und wenn die Bourgeois seitdem abermals gesiegt, so hat sich doch die Forderung der Milliarde der Massen allenthalben Eingang verschafft, daß, wenn es hieße, darüber durch das allgemeine Stimmrecht, wie über Napoleon, abzustimmen, dieselbe noch über 6 Millionen Stimmen erhalten könnte. Die Bauern sehen ein, daß sie es waren, welche die damaligen Emigranten entschädigen mußten, daß sie ein vollkommenes Recht haben, diese Entschädigung zurückzufordern, und daß die dem großen Grundbesitze entrissene Milliarde ihnen hauptsächlich zu Gute kommen würde. Es wäre dies der erste Schritt zu einer wirklich revolutionären Maßregel. Vom Grundbesitz ist es dann ein Leichtes, auf die Bank überzugehen, wie es die Reforme in ihrer heutigen Nummer thut. Der Boden hat heutigen Tages nur einen sekundären Einfluß; die wahre Macht ist der Geldmarkt und die Zugänge zu diesem Markte brauchen weder durch Laufgräben noch Bollwerke beschützt zu werden. Die Bank, das eigentliche Schloß der Finanzbarone, hat zu ihrer Beschützung kaum einige Schildwachen. „Wollt Ihr wissen, wie die Rothschild's, Hottinguer, Baring, Davilliers, Delessert, Fould etc. etc. in diesem Schlosse hausen?“ Der Banquier schießt 55,60,80 Franken vor und empfängt dafür einen Schuldschein von 100 Franken, mit einem Rechte auf 5pCt. jährliches Interesse. Beispiele: „Unter dem Ministerium Richelieu wandte man sich an die Herren Hope und Baring, um für 30 Millionen 5pCt. Renten zu negociren. Der Staat, der sich als Schuldner von 600 Millionen Kapital anerkannte, empfing in Wahrheit nur 345 Millionen. Das Anleihen wurde effektuirt zum Curse von 57 Fr. 51 Cent. ‒ netto Verlust für die Besteuerten 255 Millionen, die in letzter Instanz auf die Arbeiter zurückfallen. Im Jahre 1818 neue Negociationen: es handelte sich um ein Anleihen von 540 Millionen; Hope und Baring sind die Unterhändler. Das Anleihen wurde geschlossen zu dem damaligen Curse von 66 Franken 50 Centimes: reiner Verlust 33 pCt. d. h. 180 Millionen Kapital. Vom Jahr 1823 figuriren die Rothschild's theils als die alleinigen Wucherer, theils in Kompagnie mit Fould und Fould- Oppenheim. Sie haben es in diesen Operationen zu einer wahren Meisterschaft gebracht. Im Jahre 1847 hatte der Staat mit den Gebrüdern Rothschild ein Anleihen von 250 Millionen abgeschlossen. Nach der Februar- Revolution wollte der Staat die Gebrüder Rothschild zur Zahlung anhalten mit den früher stipulirten Bedingungen. Rothschild war schlauer als der Staat, der damals durch den National und Goudchaux repräsentirt wurde. Er zog diesen kleinen Staat in sein Interesse, entzog sich den frühern Bedingungen und mit Hülfe Goudchaux's schloß er ein Anleihen ab, das ihm und Goudchaux allein zu gute kam. Der National ist, wie man weiß, gestürzt, und nach dem Sturze Barrot's und Faucher's ist nichts natürlicher, als daß das Volk, wie jetzt mit der Milliarde, so mit den 200 Millionen und allen frühern Anleihen verführt. Paris, 20. Febr. Odilon Barrot hat eine sehr schlimme Nacht zugebracht. Allerlei böse Träume störten seinen Schlummer. Wie kann das aber auch anders sein? Gestern ist das Ministerium nicht weniger als drei Mal interpellirt ‒ zu Deutsch: zur Rede gestellt worden! Ein Mal von Pelletier wegen Auflösung der Bürgerwehr in Lyon; das zweite Mal von Cavaignac wegen eines angeblich (alle Welt weiß es) aus Changarnier's Laboratorium herrührenden Artikels in der Union und das dritte Mal von Ledru- Rollin über Italien und die sogenante geheime Expedition die der Kirchenvater Falloux ohne alles Geräusch gegen die Römer und Florentiner in Toulou und Rom rüsten lassen soll. Das ist denn doch zu arg und der „Moniteur“ schleudert deshalb folgenden harten Stein an die Stirn Cavaignac's: „Die Sitzung der Nationalversammlung bot einen bedauerlichen Zwischenfall, der die Grundsätze des Regierungswesens zu fälschen anstrebt. Indem der General Cavaignac die Versammlung als Richterin berief, um über die Angriffe zu urtheilen, denen er (in dem Journal Union) ausgesetzt war, begnügte er sich nicht, seine Fragen an den Minister des Innern zu richten, der keineswegs Anstand nahm, ihm zu antworten; er dehnte sie sogar auf den General Changarnier aus, als Oberbefehlshaber aller Militärkräfte in Paris und der Bürgerwehren des Seinedepartements. Man wird das Gefühl begreifen, mit welchem der General Changarnier sich in die Sache ziehen ließ. Der ehrenwerthe Repräsentant, welcher die Iniative jener Interpellationen ergriff, war aber derselbe Mann, dem Frankreich während sieben Monaten das Regierungsruder anvertraute. Derjenige Repräsentant, auf den sich die Interpellationen außerhalb des Ministeriums bezogen, durfte daher keinen Augenblick gestatten, daß auch nur der leiseste Verdacht auf ihm ruhe, als habe er die beleidigende Angriffe geleitet, welche gegen die Ehre seines ehemaligen Waffengefährten gerichtet worden sind. Ebenso wenig konnte das Ministerium einer Debatte Grenzen zu ziehen suchen, welche persönliche Fragen Derjenigen betraf, die ihm in der Staatsgewalt vorangegangen. Aber eben die außergewöhnliche Natur dieses Vorfalls legt der Regierung die Pflicht auf, sich gegen jede Wiederholung zu verwahren. Sie kann nicht zugeben daß man daraus das Recht folgere, sich künftig ähnliche Abweichungen (déviations) oder Zänkereien (tiraillements) in dem Verkehr der Nationalversammlung und des Ministeriums zu erlauben. Das Ministerium nimmt die Verantwortlichkeit aller Handlungen der Exekutivgewalt, gleichviel an welche Sproße der politischen oder administrativen Stufenleiter (hièrarchie) sie sich knüpfe, für sich allein in Anspruch. So lange die Minister auf ihren Bänken sitzen und sich verantwortlich erklären (!), darf Niemand einen Beamten, wie hoch er auch immer stehe, zur Rechenschaft fordern (préndre à partie) weil sie ihn mit ihrer Verantwortlichkeit decken. Wenn es erlaubt wäre, außer den Ministern auch andere Vollstrecker der Exekutivgewalt, so zu sagen, vor die Schranken der Nationalversammlung zu fordern, so fände sich der Grundsatz der Verantwortlichkeit des Ministeriums vernichtet. Es gäbe keine Regierung mehr. Dem Grundsatze nach, verantwortet das Ministerium das Thun und Lassen aller Beamten, so lange bis es sie verleugnet, (jusqu'à â ce qu'il les ait désavoués) Ihm allein steht es zu, von ihnen Rechenschaft zu verlangen, sie zu billigen oder sie dem Tadel der öffentlichen Meinung zu überlassen, wenn es ihr Handeln nicht billigt. Das Ministerium allein ist wahrhaft und direkt verantwortlich. Das sind die wahren Grundsätze des Regierungswesens, welche in einer Zeit um so nützlicher in das Gedächtniß zu rufen sind, wo man an einem Tage das Ministerium oft drei Male von der Bühne herab zur Rechenschaft gezogen sieht.“ ‒ Die Reaktion gibt sich alle erdenkliche Mühe, um das hiesige Kabinet zu vermögen: im „herzlichen“ Einverständniß mit England eine Flotille vor Livorno und Civita Becchia zu schicken. Die „Opinion“ und die „Assemblée“, zwei der Hauptnachtvögel stellen diese Maßregel als unerläßlich dar, „wenn die Republik (ha, ha, ha!) gedeihen wolle.“ Ihr Raisonnement ist der vollendetste Jesuitismus. ‒ Die Hitze, in welche gestern Abend bei Sitzungsschluß der Bauminister Lacrosse gegen Brives aussrach, bewies deutlich, daß dieser Lacrosse, ein Kavallerieoberst seines Gewerbes, zum Staatsmanne gar nicht tauge. Wie kann man sich wegen einer solchen Kleinigkeit auf das ministerielle Schlachtroß setzen, wie dies dieser Lacrosse dem unterbrechenden Brives gegenüber that? ‒ De Spicore, Geheimschreiber des Ex- Großherzogs von Toscana ist seit gestern hier, um für die Wiedereinsetzung seines Gebieters, der sich immer noch in San Stefano aufhalten soll, zu intriguiren. Spicore verließ übrigens schon Florenz (Siena) vor Absetzung des Großherzogs und hat daher nur höchst mangelhafte Vollmachten. Sein Auftrag wird daher nichts nützen. ‒ Morgen in aller Frühe werden wohl die fünf Brea Verurtheilten an der Barriere von Fontainebleau erschossen. Es sei denn, daß ihre Vertheidiger, welche heute Vormittags bei Bonaparte eine Audienz hatten, mit ihrem letzten Protest durchdrangen. Der Revisionshof, aus Rittmeistern und Freunden Breas bestehend, hat das kriegsgerichtliche Urtel bestätigt. ‒ Cremieux hat erst heute der Nat.- Vers. seinen Ausschußbericht gegen den ministeriellen Clubgesetzentwurf überreicht. Morgen wird uns der Moniteur mit dem Faucherschen Programm, der 24. Febr. Grabesfeier überraschen. Um 1/2 vor 4 Uhr bestieg Ledru- Rollin die Bühne, um den Minister des Auswärtigen wegen Italien zu interpelliren. ‒ Für die in Frankreich bevorstehenden Klassenkämpfe ist folgende Phrase von Bedeutung, die gestern der große Staatsminister Faucher vor der Nationalversammlung aussprach: „Die Stadt Lyon enthält viele Elemente des bürgerlichen und sozialen Krieges. Es herrschen zwischen den beiden Klassen der Bevölkerung (also zwischen Arm und Reich) solche Mißstimmungen, daß sich diese beiden Klassen wie zwei Beobachtungsarmeen einander gegenüber stehen.“ ‒ Flocon, Cavaignac, Bac etc. erklären in den Journalen: daß sie nicht auf dem letzten Balle bei Bonaparte im Elysée waren. Von der Bergpartei war nur Guinard dort, dessen schöne Töchter vor Ungeduld brannten, einmal die republikanische Majestät von Angesicht zu Angesicht zu schauen. Hierauf ist der Hohn der „weißen“ Blätter zu beschränken. ‒ Die Vertheidigung der Union in der Cavaignacschen Angelegenheit ist entsetzlich fade. Von allen Journalen enthalten nur die Debats einen interessanten Brief aus Rom vom 10. und der National eine Epistel aus Konstantinopel vom 5. Febr. über die Donaufürstenthümer, die gelesen zu werden verdienen. ‒ Der Fasching ist ohne die geringste Ruhestörung vorübergegangen. Rechnet man eine Handvoll Gamins und sonstige Pflastertreter ab, die sich verkleideten und trotz des Kothes die gaffende Menge erlustigten, so kann man sagen, daß sich der diesjährige Karneval auf die Tanzböden beschränkte, in denen natürlich stark gelärmt, getrunken und geliebäugelt wurde. Auch in dem ernsten Fraternitätssaale der Rue Martel machten mehrere Nächte hintereinander die finsteren Clubbisten der Göttin Terpsichore Platz. So fanden auch die von der Nat.- Vers. ihres politischen Rechts beraubten Clubbisten wieder einmal gerechte Anerkennung. Die Damethsche Solidarität Soziale lieferte das stärkste weibliche Contingent für diese Bälle, bei denen es ebenso heiter als anständig zuging. ‒ National- Versammlung. Sitzung vom 20. Februar. Vicepräsident Corbon eröffnet um 1 1/2 Uhr die Sitzung. Die Bänke sind trotz des Fastnachtsdienstag ziemlich besetzt. Gleich nach Verlesung des Protokolls wird der Stadt Rennes die Summe von 296,000 Fr. zur Errichtung eines Schulgebäudes bewilligt. Die Hauptstadt der Bretagne besaß bisher noch keines dergleichen. An der Tagesordnung befindet sich zunächst die dritte Debatte über die Erhöhung des Werthstempels bei kollektiven Besitzthümern (Spitalgütern, Kongregationsgütern, milden Stiftungen u. s. w.) Gillon meint, man solle doch wenigstens die Spitalgüter ausnehmen. Coulmann protestirt dagegen. Rondot findet die neue Taxe von 62 1/2 Cent. per Franken des Steuerwerthes zu hoch. Er schlägt 40 Cent. vor. Grevy bekämpft diese Ermäßigung. Das Gesetz, d. h. die 62 1/2 Cent, gehen demnächst mit 602 gegen 95 Stimmen durch. Dieser Gegenstand wäre erledigt. Es ist zu fürchten, daß diese neue Steuer der Republik unter den Bauern, die in ihrem Pacht höher gestellt werden dürften, abermals Feinde mache. Cremieux erscheint in diesem Augenblick auf der Bühne. Er überreicht den Kommissionsbericht gegen den Faucher'schen Klubschließungsentwurf. (Diese Vorlage erregt Agitation im Saale). Die Versammlung kehrt jedoch zu ihrer eigentlichen Tagesordnung, zu dem aus 114 Artikeln bestehenden Wahlgesetzentwurf zurück. Sie war gestern Abend bis Artikel 50 vorgerückt. Artikel 50. „Der Präsident und die Glieder des Wahlbezirksausschusses überwachen die Entwickelung der Stimmzettel, bei Wahlcirkeln von weniger als 300 Stimmenden kann der vorsitzende Ausschuß selbst die Entwickelung und Zählung vornehmen u. s. w.“ Wird angenommen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz229b_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz229b_1849/1
Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 229. Köln, 23. Februar 1849. Beilage, S. 1261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz229b_1849/1>, abgerufen am 21.11.2024.