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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 242. Köln, 10. März 1849.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 242. Köln, Samstag, den 10. März 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. -- Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.

Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.

Nur frankirte Briefe werden angenommen.

Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Ruge. -- Eine amtliche Berichtigung). Berlin (Konstabler. -- Die Linkischen. -- Vermischtes). Stettin. (Die preußische Handelsflotte). Wien. (Finanzielles). Kremsier. (Reichstag. -- Der Konstitutionsentwurf). Weimar. (Freisprechung). Nürnberg. (Märzfeier). München. (Ministerielles).

Ungarn. (27. Bülletin. -- Kriegsnachrichten).

Italien. (Das J. d. Debats über Italien). Turin. (Der Krieg gegen Oestreich beschlossen). Florenz. (Vereinigung der römischen und toskanischen Republik. -- Zwei Interventionen, pro und contra). Reggio. (Heldenthaten der Oestreicher). Rom. (Rüstungen. -- Zwangsanleihe. -- Kanonen aus Glocken. -- Die Oestreicher). Mailand. (Die Kontributionen). Venedig. (Lage der Stadt).

Französische Republik. Paris. (Vermischtes. -- National-Versammlung)

Schweiz. Basel. (Schicksale einer schwarz-roth-goldenen K[unleserliches Material]rde. Bern. (Volksverein). Reuschatel. (Revolutionsfeier).

Großbritannien. London. (Parlament).

Amerika. (Aus Californien).

Deutschland.
* Köln, 5. März.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
068 Köln, 9. März.

Im Namen der Kommandantur hat Herr Oberst Engels "sich erlaubt," uns eine "amtliche Berichtigung" über die Thaten des Prinzen Waldemar in Ostindien zukommen lassen, betreffend einen Artikel d. d. Berlin, Nr. 229 der Neuen Rhein. Zeitung.

Wir gestehen nicht der Kommandantur, wir gestehen keiner Behörde das Recht zu, uns "amtliche Berichtigungen" zugehen zu lassen. Die Vorschrift über die "Berichtigungen" gehört der Zeit der Censur an und ist für censirte Zeitungen bestimmt. Wir veröffentlichen die Berichtigung des Obersten Engels nicht in diesem Augenblicke, um der Presse nichts zu vergeben.

Hr. Oberst Engels hat uns einen von der preußischen Gesandtschaft in England auf seine Forderung ihm zugeschickten Bericht des Lord Gough über den Prinzen Waldemar zur Insertion mitgetheilt. Wir glauben, daß jeder Führer eines Armeekorps einen fremden Prinzen in den offiziellen Berichten rühmlich erwähnen wird. Der offizielle Bericht des Lord Gough beweist also nichts in unsern Augen. Wir erinnern uns zur Zeit, als der Feldzug in Indien stattfand, gegentheilige Berichte in London selbst gelesen zu haben. Wir haben unsererseits wie die hiesige Kommandantur, nach London geschrieben. Sobald unsere Berichte eingehen, werden wir die Einsendung des Hrn. Engels veröffentlichen.

Wir stehen keinen Augenblick an, historische Berichtigungen anzunehmen. Wir weisen ebenso entschieden amtliche Berichtigungen zurück. Schließlich können wir aber eine Frage nicht unterdrücken. Was hätte Frankreich gesagt, wenn der Herzog von Orleans oder Joinville in Ostindien für England gekämpft hätte? Der Exploiteur der deutschen und der preußischen Industrie ist England. Die Stütze der englischen Industrie ist Ostindien. Prinz Waldemar hat also im besten Falle gegen die deutsche Industrie gefochten unter dem Banner ihres erklärten Feindes. Wünscht Hr. Engels seine Berichtigungen als Privatberichtigung aufgenommen zu sehen, so erklären wir uns jeden Augenblick dazu bereit.

9 Berlin, 6. März.

Die Constabler werden wieder täglich interessanter -- d. h. frecher. Unsere Demokraten erklären sich die Ursache so, daß vor dem 18. oder vor der Kammerverhandlung über Aufhebung des Belagerungszustandes durch allerlei provozirte Aufläufe etc. vom Ministerium die Gerechtigkeit dieses seligen Zustandes bewiesen werden soll Die Reaktionäre mögen noch besser unterrichtet sein. So viel ist gewiß, daß die Chikanen der Polizei (Constabler und Soldaten) sehr auffallender Natur sind. Jüngst ließen es sich einige Constabler sehr angelegen sein, mehrere Kinder, die mit "Murmeln" spielten, auf brutale Weise zu vertreiben; eine vorübergehende Dame erlaubte sich eine mißbilligende Bemerkung dieserhalb den Constablern ins Angesicht, und hatte dafür das Vergnügen, von diesen armseligen Kreaturen verhaftet zu werden. Heute Morgen ging auf dem Mühlendamme eine Bürgersfrau mit einem Packe unter dem Arme; einem Constabler fiel die Eile der bepakten Frau auf, und da er in seiner Weisheit vollkommen überzeugt war, eine Gratifikation zu erhalten, d. h. eine Diebin zu ertappen, so verhaftete er die Frau. Die Unschuldige schrie und wollte nicht folgen -- das souveräne Volk versammelte sich und forschte nach der Ursache -- es nahm Partei, mit Recht, denn die Frau erklärte, den Inhalt des Packes gekauft zu haben und bezeichnete den Laden. Nolens volens mußte der Constabler sich bequemen, die Wahrheit zu konstatiren; da sich aber inzwischen viele Kollegen von ihm und ein reaktionärer Vertheidiger eingefunden hatten, so wurde das Volk unruhig, so daß Militär requirirt wurde. Wir haben im vorigen Sommer vielfach Gelegenheit gehabt, uns von der Gerechtigkeit der Volksjustiz zu überzeugen; auch dieses neueste Beispiel ist ein neuer Beleg. Aber was wird die Folge sein? Man wird die Volksmänner des Rechts zu bestrafen wissen, und dem Mißbrauch der Herrenjustiz wird nicht eher abgeholfen, als bis die Volksjustiz allgemein wird.

Unsere linkischen Revisioners haben gestern wieder eine hübsche Schlappe erhalten. Sie mögen von andern Seiten anders benachrichtigt werden; ich aber kann Ihnen nur sagen, daß die Zauderer und Plauderer der sogenannten Demokratie täglich an Ansehen beim Volke verlieren.

* Berlin, 7. März.

Die Rechte der zweiten Kammer hat gestern einen vollständigen Sieg gefeiert mit einer Majorität von 13 Stimmen. Das ganze Büreau ist zusammengesetzt aus den Mitgliedern, welche wir als entschiedene Konservative kennen gelernt haben. Nicht einmal ein Schriftführer ist der andern Seite des Hauses entnommen worden.

In der zweiten Kammer wurden gestern zu Schriftführern gewählt: die Abgeordneten Sperling mit 169 Stimmen, Groddeck mit 168, Ostermann mit 168, v. Borries mit 168, Geßler mit 167, Hartmann mit 166, und beim zweiten Scrutinium die Abgeordneten Gellern und Krause (Stettin). Alle acht gehören der Rechten an.

Es bildet sich schon jetzt ein gesinnungsvolles linkes Centrum. Hr. Kosch, der Biedermann aus Königsberg, bedurfte desselben eben so nöthig, wie Herr Grabow.

Erst nachdem wir das Resultat der Präsidentenwahlen erfuhren, hörten wir, auf welchem Vulkan wir standen. Der Abgeordnete Riedel nämlich erzählte, daß, wenn Unruh gewählt worden wäre, die Kammer augenblicklich vom Ministerium wieder in ihre Heimath würde entlassen worden sein. Hr. Manteuffel scheint also nicht geneigt zu sein, seinen Platz so bald im Stiche zu lassen, und wir haben vielleicht das Vergnügen, das alte Spiel vom November her sich erneuern zu sehen.

Seit Herr Bassermann wieder in Frankfurt ist, träumt er von seinen Schreckgestalten. Vorgestern erhielt Herr v. Manteuffel eine Depesche von diesem gesinnungstüchtigen Unterstaatssekretär, in der ihm gemeldet wurde, daß zwischen dem 18. und 20. März eine allgemeine Erhebung der rothen Republikaner in ganz Deutschland erfolgen würde. Er habe die sichersten und evidentesten Belege. Wahrscheinlich sind diese aber von derselben Art, wie die bekannten Beweise für die Berliner Anarchie, welche derselbe große Staatsmann aus Berlin mitbrachte. Natürlich verfehlte unser Ministerium nicht, seinen Getreuen sogleich von diesem wichtigen Aktenstück Kenntniß zu geben, da es dasselbe als Motiv für die Verlängerung des Belagerungszustandes zu benutzen gedenkt.

In der Parteiversammlung der Konversationshalle fiel der Antrag durch, die Amnestie der politischen Verbrecher zu bewirken. Als Gründe wurden angeführt von den Gemäßigten, man dürfe der Krone nicht vorgreifen. Von den Entschiedenen, man könne bei einem Ministerium Manteuffel nicht um Gnade bitten.

Als der Antrag der Berliner Abgeordneten auf Aufhebung des Belagerungszustandes in der fünften Abtheilung zur Berathung kam, meinte Herr Kißling für Jauer, der Belagerungszustand sei eine reine Verwaltungsmaßregel, nach der bekannten Theorie der Theilung der Gewalten, dürfe sich die Kammer gar nicht hineinmischen. Trotz dieser geistreichen Ausführung wurde indessen in der Abtheilung die Lesung dieses Antrages bewilligt.

Von Hrn. Grabow, dem Präsidenten der 5. Abtheilung, erwartete man mit Bestimmtheit, daß er dem Gebrauch gemäß, dies Amt niederlegen werde, nachdem er Präsident der Kammer geworden war. Da aber die Linke während dieser Zeit die Majorität in dieser Abtheilung erhalten hatte, und also auch einen ihrer Kandidaten bei der Wahl zum Präsidenten durchgesetzt hätte, hat es diesem Biedermann beliebt, seine beiden Präsidenturen zu behalten.

Für die Zeitung, welche Graf Lippe und seine Freunde mit dem 1. April herausgeben werden, sind schon so viele Aktien gezeichnet, daß sie bedeutend besser steht als die Hansemann'sche, welche unter den Auspicien ihres Begründers und Redakteurs täglich mehr und mehr von dem wenigen Kredit verliert, den sie zu Anfang noch hatte. Jeder übrigens, Schriftsteller, Drucker u. s. w. sind vollkommen sicher gestellt, indem ihnen ihr Gehalt auf sechs Jahre, unter jeder Bedingung, bezahlt wird.

222 Berlin, 7. März.

Folgendes Gerücht geht uns aus bewährter Quelle zu: Es heißt, die pommersche Landwehr werde demnächst nach Berlin berufen werden, und würden die hiesigen Garden als Reichstruppen nach Mecklenburg-Schwerin marschiren. Es werde nämlich beabsichtigt, auch dort eine Verfassung zu octroyiren, für welchen Fall die Regierung sich aber nicht auf das sehr demokratisch gesinnte Heer verlassen zu können glaubte. Es soll mit dieser Maßregel die bereits früher von uns gemeldet und später von anderer Seite bestätigte Marschordre zusammenhängen, welche den um Wittstock stationirten Truppen zu Theil geworden ist.

Der Aberglaube hat hier in den letzten Tagen reichen Stoff zu düsteren Prophezeihungen erhalten. Neben dem Palais des hochseligen Königs, in der Niederlagstraße unweit des College, stand ein hochgewachsener, im Sommer dichtbelaubter Baum. Dieser Baum, der im Jahre 1733 zum Andenken an die Vermählung Friedrichs des Großen gepflanzt sein soll, stürzte vor einigen Tagen plötzlich aus Altersschwäche um, jedoch ohne Jemand zu verletzen. Man ermangelt nicht darin einen errathbaren Hinweis zu finden.

Die auf heute vor dem Könige anberaumt gewesene große Militärparade fand nicht Statt; wahrscheinlich wird dieselbe morgen oder in den nächsten Tagen stattfinden.

Zu der oben gegebenen Notiz über mecklenburgische Verhältnisse fügen wir noch hinzu, das uns so eben von einer andern Seite die Mittheilung wird, einige Abtheilungen der hiesigen Garderegimenter hätten in der Stille bereits Berlin verlassen und sich dicht an der mecklenburgischen Gränze eingarnisonirt. Diese Quelle behauptet ebenfalls, daß bevorstehende große Ereignisse in Mecklenburg, welche nichts anderes umfaßten, als Auflösung der konstituirenden Versammlung und Octroyirung einer Verfassung, jene Vorkehrungen nöthig gemacht hätten. Die mecklenburgische Regierung habe selbst darum nachgesucht.

Gestern Abend hat sich hier eine dritte südaustralische Auswanderungsgesellschaft konstituirt, indem sie ein Comite ernannte, welches in Hamburg die Vorbereitungen zu treffen hat. Diese Gesellschaft folgt in ihren Einrichtungen ganz den zwei vorangegangenen Kolonisationsvereinen, und wird der Zeit nach nur zwei Tage hinter ihnen zurückbleiben, denn sie beabsichtigt schon am 20. d. M. ihre Reise anzutreten. Die Befürchtung vor einer später eintretenden dänischen Blokade beschleunigt diese wie manche andere Emigration. Die letzterwähnte Gesellschaft zählt bis jetzt 75 Köpfe, worunter 60 Berliner.

Heute sollte gegen den Redakteur der Neuen Preuß. Zeitung, Herrn Wagner, ein Kriminalprozeß wegen Nachdrucks stattfinden. Es hatten sich hierzu Richterkollegium, wie Zeugen und Angeklagter eingefunden. Der Staatsanwalt blieb jedoch, angeblich aus Versehen, aus, so daß die Gerichtssitzung vertagt werden mußte.

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 242. Köln, Samstag, den 10. März 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. — Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.

Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.

Nur frankirte Briefe werden angenommen.

Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Ruge. — Eine amtliche Berichtigung). Berlin (Konstabler. — Die Linkischen. — Vermischtes). Stettin. (Die preußische Handelsflotte). Wien. (Finanzielles). Kremsier. (Reichstag. — Der Konstitutionsentwurf). Weimar. (Freisprechung). Nürnberg. (Märzfeier). München. (Ministerielles).

Ungarn. (27. Bülletin. — Kriegsnachrichten).

Italien. (Das J. d. Debats über Italien). Turin. (Der Krieg gegen Oestreich beschlossen). Florenz. (Vereinigung der römischen und toskanischen Republik. — Zwei Interventionen, pro und contra). Reggio. (Heldenthaten der Oestreicher). Rom. (Rüstungen. — Zwangsanleihe. — Kanonen aus Glocken. — Die Oestreicher). Mailand. (Die Kontributionen). Venedig. (Lage der Stadt).

Französische Republik. Paris. (Vermischtes. — National-Versammlung)

Schweiz. Basel. (Schicksale einer schwarz-roth-goldenen K[unleserliches Material]rde. Bern. (Volksverein). Reuschatel. (Revolutionsfeier).

Großbritannien. London. (Parlament).

Amerika. (Aus Californien).

Deutschland.
* Köln, 5. März.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
068 Köln, 9. März.

Im Namen der Kommandantur hat Herr Oberst Engels „sich erlaubt,“ uns eine „amtliche Berichtigung“ über die Thaten des Prinzen Waldemar in Ostindien zukommen lassen, betreffend einen Artikel d. d. Berlin, Nr. 229 der Neuen Rhein. Zeitung.

Wir gestehen nicht der Kommandantur, wir gestehen keiner Behörde das Recht zu, uns „amtliche Berichtigungen“ zugehen zu lassen. Die Vorschrift über die „Berichtigungen“ gehört der Zeit der Censur an und ist für censirte Zeitungen bestimmt. Wir veröffentlichen die Berichtigung des Obersten Engels nicht in diesem Augenblicke, um der Presse nichts zu vergeben.

Hr. Oberst Engels hat uns einen von der preußischen Gesandtschaft in England auf seine Forderung ihm zugeschickten Bericht des Lord Gough über den Prinzen Waldemar zur Insertion mitgetheilt. Wir glauben, daß jeder Führer eines Armeekorps einen fremden Prinzen in den offiziellen Berichten rühmlich erwähnen wird. Der offizielle Bericht des Lord Gough beweist also nichts in unsern Augen. Wir erinnern uns zur Zeit, als der Feldzug in Indien stattfand, gegentheilige Berichte in London selbst gelesen zu haben. Wir haben unsererseits wie die hiesige Kommandantur, nach London geschrieben. Sobald unsere Berichte eingehen, werden wir die Einsendung des Hrn. Engels veröffentlichen.

Wir stehen keinen Augenblick an, historische Berichtigungen anzunehmen. Wir weisen ebenso entschieden amtliche Berichtigungen zurück. Schließlich können wir aber eine Frage nicht unterdrücken. Was hätte Frankreich gesagt, wenn der Herzog von Orleans oder Joinville in Ostindien für England gekämpft hätte? Der Exploiteur der deutschen und der preußischen Industrie ist England. Die Stütze der englischen Industrie ist Ostindien. Prinz Waldemar hat also im besten Falle gegen die deutsche Industrie gefochten unter dem Banner ihres erklärten Feindes. Wünscht Hr. Engels seine Berichtigungen als Privatberichtigung aufgenommen zu sehen, so erklären wir uns jeden Augenblick dazu bereit.

9 Berlin, 6. März.

Die Constabler werden wieder täglich interessanter — d. h. frecher. Unsere Demokraten erklären sich die Ursache so, daß vor dem 18. oder vor der Kammerverhandlung über Aufhebung des Belagerungszustandes durch allerlei provozirte Aufläufe etc. vom Ministerium die Gerechtigkeit dieses seligen Zustandes bewiesen werden soll Die Reaktionäre mögen noch besser unterrichtet sein. So viel ist gewiß, daß die Chikanen der Polizei (Constabler und Soldaten) sehr auffallender Natur sind. Jüngst ließen es sich einige Constabler sehr angelegen sein, mehrere Kinder, die mit „Murmeln“ spielten, auf brutale Weise zu vertreiben; eine vorübergehende Dame erlaubte sich eine mißbilligende Bemerkung dieserhalb den Constablern ins Angesicht, und hatte dafür das Vergnügen, von diesen armseligen Kreaturen verhaftet zu werden. Heute Morgen ging auf dem Mühlendamme eine Bürgersfrau mit einem Packe unter dem Arme; einem Constabler fiel die Eile der bepakten Frau auf, und da er in seiner Weisheit vollkommen überzeugt war, eine Gratifikation zu erhalten, d. h. eine Diebin zu ertappen, so verhaftete er die Frau. Die Unschuldige schrie und wollte nicht folgen — das souveräne Volk versammelte sich und forschte nach der Ursache — es nahm Partei, mit Recht, denn die Frau erklärte, den Inhalt des Packes gekauft zu haben und bezeichnete den Laden. Nolens volens mußte der Constabler sich bequemen, die Wahrheit zu konstatiren; da sich aber inzwischen viele Kollegen von ihm und ein reaktionärer Vertheidiger eingefunden hatten, so wurde das Volk unruhig, so daß Militär requirirt wurde. Wir haben im vorigen Sommer vielfach Gelegenheit gehabt, uns von der Gerechtigkeit der Volksjustiz zu überzeugen; auch dieses neueste Beispiel ist ein neuer Beleg. Aber was wird die Folge sein? Man wird die Volksmänner des Rechts zu bestrafen wissen, und dem Mißbrauch der Herrenjustiz wird nicht eher abgeholfen, als bis die Volksjustiz allgemein wird.

Unsere linkischen Revisioners haben gestern wieder eine hübsche Schlappe erhalten. Sie mögen von andern Seiten anders benachrichtigt werden; ich aber kann Ihnen nur sagen, daß die Zauderer und Plauderer der sogenannten Demokratie täglich an Ansehen beim Volke verlieren.

* Berlin, 7. März.

Die Rechte der zweiten Kammer hat gestern einen vollständigen Sieg gefeiert mit einer Majorität von 13 Stimmen. Das ganze Büreau ist zusammengesetzt aus den Mitgliedern, welche wir als entschiedene Konservative kennen gelernt haben. Nicht einmal ein Schriftführer ist der andern Seite des Hauses entnommen worden.

In der zweiten Kammer wurden gestern zu Schriftführern gewählt: die Abgeordneten Sperling mit 169 Stimmen, Groddeck mit 168, Ostermann mit 168, v. Borries mit 168, Geßler mit 167, Hartmann mit 166, und beim zweiten Scrutinium die Abgeordneten Gellern und Krause (Stettin). Alle acht gehören der Rechten an.

Es bildet sich schon jetzt ein gesinnungsvolles linkes Centrum. Hr. Kosch, der Biedermann aus Königsberg, bedurfte desselben eben so nöthig, wie Herr Grabow.

Erst nachdem wir das Resultat der Präsidentenwahlen erfuhren, hörten wir, auf welchem Vulkan wir standen. Der Abgeordnete Riedel nämlich erzählte, daß, wenn Unruh gewählt worden wäre, die Kammer augenblicklich vom Ministerium wieder in ihre Heimath würde entlassen worden sein. Hr. Manteuffel scheint also nicht geneigt zu sein, seinen Platz so bald im Stiche zu lassen, und wir haben vielleicht das Vergnügen, das alte Spiel vom November her sich erneuern zu sehen.

Seit Herr Bassermann wieder in Frankfurt ist, träumt er von seinen Schreckgestalten. Vorgestern erhielt Herr v. Manteuffel eine Depesche von diesem gesinnungstüchtigen Unterstaatssekretär, in der ihm gemeldet wurde, daß zwischen dem 18. und 20. März eine allgemeine Erhebung der rothen Republikaner in ganz Deutschland erfolgen würde. Er habe die sichersten und evidentesten Belege. Wahrscheinlich sind diese aber von derselben Art, wie die bekannten Beweise für die Berliner Anarchie, welche derselbe große Staatsmann aus Berlin mitbrachte. Natürlich verfehlte unser Ministerium nicht, seinen Getreuen sogleich von diesem wichtigen Aktenstück Kenntniß zu geben, da es dasselbe als Motiv für die Verlängerung des Belagerungszustandes zu benutzen gedenkt.

In der Parteiversammlung der Konversationshalle fiel der Antrag durch, die Amnestie der politischen Verbrecher zu bewirken. Als Gründe wurden angeführt von den Gemäßigten, man dürfe der Krone nicht vorgreifen. Von den Entschiedenen, man könne bei einem Ministerium Manteuffel nicht um Gnade bitten.

Als der Antrag der Berliner Abgeordneten auf Aufhebung des Belagerungszustandes in der fünften Abtheilung zur Berathung kam, meinte Herr Kißling für Jauer, der Belagerungszustand sei eine reine Verwaltungsmaßregel, nach der bekannten Theorie der Theilung der Gewalten, dürfe sich die Kammer gar nicht hineinmischen. Trotz dieser geistreichen Ausführung wurde indessen in der Abtheilung die Lesung dieses Antrages bewilligt.

Von Hrn. Grabow, dem Präsidenten der 5. Abtheilung, erwartete man mit Bestimmtheit, daß er dem Gebrauch gemäß, dies Amt niederlegen werde, nachdem er Präsident der Kammer geworden war. Da aber die Linke während dieser Zeit die Majorität in dieser Abtheilung erhalten hatte, und also auch einen ihrer Kandidaten bei der Wahl zum Präsidenten durchgesetzt hätte, hat es diesem Biedermann beliebt, seine beiden Präsidenturen zu behalten.

Für die Zeitung, welche Graf Lippe und seine Freunde mit dem 1. April herausgeben werden, sind schon so viele Aktien gezeichnet, daß sie bedeutend besser steht als die Hansemann'sche, welche unter den Auspicien ihres Begründers und Redakteurs täglich mehr und mehr von dem wenigen Kredit verliert, den sie zu Anfang noch hatte. Jeder übrigens, Schriftsteller, Drucker u. s. w. sind vollkommen sicher gestellt, indem ihnen ihr Gehalt auf sechs Jahre, unter jeder Bedingung, bezahlt wird.

222 Berlin, 7. März.

Folgendes Gerücht geht uns aus bewährter Quelle zu: Es heißt, die pommersche Landwehr werde demnächst nach Berlin berufen werden, und würden die hiesigen Garden als Reichstruppen nach Mecklenburg-Schwerin marschiren. Es werde nämlich beabsichtigt, auch dort eine Verfassung zu octroyiren, für welchen Fall die Regierung sich aber nicht auf das sehr demokratisch gesinnte Heer verlassen zu können glaubte. Es soll mit dieser Maßregel die bereits früher von uns gemeldet und später von anderer Seite bestätigte Marschordre zusammenhängen, welche den um Wittstock stationirten Truppen zu Theil geworden ist.

Der Aberglaube hat hier in den letzten Tagen reichen Stoff zu düsteren Prophezeihungen erhalten. Neben dem Palais des hochseligen Königs, in der Niederlagstraße unweit des College, stand ein hochgewachsener, im Sommer dichtbelaubter Baum. Dieser Baum, der im Jahre 1733 zum Andenken an die Vermählung Friedrichs des Großen gepflanzt sein soll, stürzte vor einigen Tagen plötzlich aus Altersschwäche um, jedoch ohne Jemand zu verletzen. Man ermangelt nicht darin einen errathbaren Hinweis zu finden.

Die auf heute vor dem Könige anberaumt gewesene große Militärparade fand nicht Statt; wahrscheinlich wird dieselbe morgen oder in den nächsten Tagen stattfinden.

Zu der oben gegebenen Notiz über mecklenburgische Verhältnisse fügen wir noch hinzu, das uns so eben von einer andern Seite die Mittheilung wird, einige Abtheilungen der hiesigen Garderegimenter hätten in der Stille bereits Berlin verlassen und sich dicht an der mecklenburgischen Gränze eingarnisonirt. Diese Quelle behauptet ebenfalls, daß bevorstehende große Ereignisse in Mecklenburg, welche nichts anderes umfaßten, als Auflösung der konstituirenden Versammlung und Octroyirung einer Verfassung, jene Vorkehrungen nöthig gemacht hätten. Die mecklenburgische Regierung habe selbst darum nachgesucht.

Gestern Abend hat sich hier eine dritte südaustralische Auswanderungsgesellschaft konstituirt, indem sie ein Comité ernannte, welches in Hamburg die Vorbereitungen zu treffen hat. Diese Gesellschaft folgt in ihren Einrichtungen ganz den zwei vorangegangenen Kolonisationsvereinen, und wird der Zeit nach nur zwei Tage hinter ihnen zurückbleiben, denn sie beabsichtigt schon am 20. d. M. ihre Reise anzutreten. Die Befürchtung vor einer später eintretenden dänischen Blokade beschleunigt diese wie manche andere Emigration. Die letzterwähnte Gesellschaft zählt bis jetzt 75 Köpfe, worunter 60 Berliner.

Heute sollte gegen den Redakteur der Neuen Preuß. Zeitung, Herrn Wagner, ein Kriminalprozeß wegen Nachdrucks stattfinden. Es hatten sich hierzu Richterkollegium, wie Zeugen und Angeklagter eingefunden. Der Staatsanwalt blieb jedoch, angeblich aus Versehen, aus, so daß die Gerichtssitzung vertagt werden mußte.

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          <head><bibl><author>9</author></bibl> Berlin, 6. März.</head>
          <p>Die Constabler werden wieder täglich interessanter &#x2014; d. h. frecher. Unsere Demokraten erklären sich die Ursache so, daß vor dem 18. oder vor der Kammerverhandlung über Aufhebung des Belagerungszustandes durch allerlei provozirte Aufläufe etc. vom Ministerium die Gerechtigkeit dieses seligen Zustandes bewiesen werden soll Die Reaktionäre mögen noch besser unterrichtet sein. So viel ist gewiß, daß die Chikanen der Polizei (Constabler und Soldaten) sehr auffallender Natur sind. Jüngst ließen es sich einige Constabler sehr angelegen sein, mehrere Kinder, die mit &#x201E;Murmeln&#x201C; spielten, auf brutale Weise zu vertreiben; eine vorübergehende Dame erlaubte sich eine mißbilligende Bemerkung dieserhalb den Constablern ins Angesicht, und hatte dafür das Vergnügen, von diesen armseligen Kreaturen verhaftet zu werden. Heute Morgen ging auf dem Mühlendamme eine Bürgersfrau mit einem Packe unter dem Arme; einem Constabler fiel die Eile der bepakten Frau auf, und da er in seiner Weisheit vollkommen überzeugt war, eine Gratifikation zu erhalten, d. h. eine Diebin zu ertappen, so verhaftete er die Frau. Die Unschuldige schrie und wollte nicht folgen &#x2014; das souveräne Volk versammelte sich und forschte nach der Ursache &#x2014; es nahm Partei, mit Recht, denn die Frau erklärte, den Inhalt des Packes gekauft zu haben und bezeichnete den Laden. Nolens volens mußte der Constabler sich bequemen, die Wahrheit zu konstatiren; da sich aber inzwischen viele Kollegen von ihm und ein reaktionärer Vertheidiger eingefunden hatten, so wurde das Volk unruhig, so daß Militär requirirt wurde. Wir haben im vorigen Sommer vielfach Gelegenheit gehabt, uns von der Gerechtigkeit der Volksjustiz zu überzeugen; auch dieses neueste Beispiel ist ein neuer Beleg. Aber was wird die Folge sein? Man wird die Volksmänner des Rechts zu bestrafen wissen, und dem Mißbrauch der Herrenjustiz wird nicht eher abgeholfen, als bis die Volksjustiz allgemein wird.</p>
          <p>Unsere linkischen Revisioners haben gestern wieder eine hübsche Schlappe erhalten. Sie mögen von andern Seiten anders benachrichtigt werden; ich aber kann Ihnen nur sagen, daß die Zauderer und Plauderer der sogenannten Demokratie täglich an Ansehen beim Volke verlieren.</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 7. März.</head>
          <p>Die Rechte der zweiten Kammer hat gestern einen vollständigen Sieg gefeiert mit einer Majorität von 13 Stimmen. Das ganze Büreau ist zusammengesetzt aus den Mitgliedern, welche wir als entschiedene Konservative kennen gelernt haben. Nicht einmal ein Schriftführer ist der andern Seite des Hauses entnommen worden.</p>
          <p>In der zweiten Kammer wurden gestern zu Schriftführern gewählt: die Abgeordneten <hi rendition="#g">Sperling</hi> mit 169 Stimmen, <hi rendition="#g">Groddeck</hi> mit 168, <hi rendition="#g">Ostermann</hi> mit 168, v. <hi rendition="#g">Borries</hi> mit 168, <hi rendition="#g">Geßler</hi> mit 167, <hi rendition="#g">Hartmann</hi> mit 166, und beim zweiten Scrutinium die Abgeordneten <hi rendition="#g">Gellern</hi> und <hi rendition="#g">Krause</hi> (Stettin). Alle acht gehören der Rechten an.</p>
          <p>Es bildet sich schon jetzt ein gesinnungsvolles linkes Centrum. Hr. <hi rendition="#g">Kosch,</hi> der Biedermann aus Königsberg, bedurfte desselben eben so nöthig, wie Herr <hi rendition="#g">Grabow.</hi> </p>
          <p>Erst nachdem wir das Resultat der Präsidentenwahlen erfuhren, hörten wir, auf welchem Vulkan wir standen. Der Abgeordnete <hi rendition="#g">Riedel</hi> nämlich erzählte, daß, wenn <hi rendition="#g">Unruh</hi> gewählt worden wäre, die Kammer augenblicklich vom Ministerium wieder in ihre Heimath würde entlassen worden sein. Hr. <hi rendition="#g">Manteuffel</hi> scheint also nicht geneigt zu sein, seinen Platz so bald im Stiche zu lassen, und wir haben vielleicht das Vergnügen, das alte Spiel vom November her sich erneuern zu sehen.</p>
          <p>Seit Herr <hi rendition="#g">Bassermann</hi> wieder in Frankfurt ist, träumt er von seinen Schreckgestalten. Vorgestern erhielt Herr v. Manteuffel eine Depesche von diesem gesinnungstüchtigen Unterstaatssekretär, in der ihm gemeldet wurde, daß zwischen dem 18. und 20. März eine allgemeine Erhebung der rothen Republikaner in ganz Deutschland erfolgen würde. Er habe die sichersten und evidentesten Belege. Wahrscheinlich sind diese aber von derselben Art, wie die bekannten Beweise für die Berliner Anarchie, welche derselbe große Staatsmann aus Berlin mitbrachte. Natürlich verfehlte unser Ministerium nicht, seinen Getreuen sogleich von diesem wichtigen Aktenstück Kenntniß zu geben, da es dasselbe als Motiv für die Verlängerung des Belagerungszustandes zu benutzen gedenkt.</p>
          <p>In der Parteiversammlung der Konversationshalle fiel der Antrag durch, die Amnestie der politischen Verbrecher zu bewirken. Als Gründe wurden angeführt von den Gemäßigten, man dürfe der Krone nicht vorgreifen. Von den Entschiedenen, man könne bei einem Ministerium Manteuffel nicht um Gnade bitten.</p>
          <p>Als der Antrag der Berliner Abgeordneten auf Aufhebung des Belagerungszustandes in der fünften Abtheilung zur Berathung kam, meinte Herr <hi rendition="#g">Kißling</hi> für Jauer, der Belagerungszustand sei eine reine Verwaltungsmaßregel, nach der bekannten Theorie der Theilung der Gewalten, dürfe sich die Kammer gar nicht hineinmischen. Trotz dieser geistreichen Ausführung wurde indessen in der Abtheilung die Lesung dieses Antrages bewilligt.</p>
          <p>Von Hrn. <hi rendition="#g">Grabow,</hi> dem Präsidenten der 5. Abtheilung, erwartete man mit Bestimmtheit, daß er dem Gebrauch gemäß, dies Amt niederlegen werde, nachdem er Präsident der Kammer geworden war. Da aber die Linke während dieser Zeit die Majorität in dieser Abtheilung erhalten hatte, und also auch einen ihrer Kandidaten bei der Wahl zum Präsidenten durchgesetzt hätte, hat es diesem Biedermann beliebt, seine beiden Präsidenturen zu behalten.</p>
          <p>Für die Zeitung, welche Graf <hi rendition="#g">Lippe</hi> und seine Freunde mit dem 1. April herausgeben werden, sind schon so viele Aktien gezeichnet, daß sie bedeutend besser steht als die Hansemann'sche, welche unter den Auspicien ihres Begründers und Redakteurs täglich mehr und mehr von dem wenigen Kredit verliert, den sie zu Anfang noch hatte. Jeder übrigens, Schriftsteller, Drucker u. s. w. sind vollkommen sicher gestellt, indem ihnen ihr Gehalt auf sechs Jahre, unter jeder Bedingung, bezahlt wird.</p>
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          <head><bibl><author>222</author></bibl> Berlin, 7. März.</head>
          <p>Folgendes Gerücht geht uns aus bewährter Quelle zu: Es heißt, die pommersche Landwehr werde demnächst nach Berlin berufen werden, und würden die hiesigen Garden als Reichstruppen nach Mecklenburg-Schwerin marschiren. Es werde nämlich beabsichtigt, auch dort eine Verfassung zu octroyiren, für welchen Fall die Regierung sich aber nicht auf das sehr demokratisch gesinnte Heer verlassen zu können glaubte. Es soll mit dieser Maßregel die bereits früher von uns gemeldet und später von anderer Seite bestätigte Marschordre zusammenhängen, welche den um Wittstock stationirten Truppen zu Theil geworden ist.</p>
          <p>Der Aberglaube hat hier in den letzten Tagen reichen Stoff zu düsteren Prophezeihungen erhalten. Neben dem Palais des hochseligen Königs, in der Niederlagstraße unweit des College, stand ein hochgewachsener, im Sommer dichtbelaubter Baum. Dieser Baum, der im Jahre 1733 zum Andenken an die Vermählung Friedrichs des Großen gepflanzt sein soll, stürzte vor einigen Tagen plötzlich aus Altersschwäche um, jedoch ohne Jemand zu verletzen. Man ermangelt nicht darin einen errathbaren Hinweis zu finden.</p>
          <p>Die auf heute vor dem Könige anberaumt gewesene große Militärparade fand nicht Statt; wahrscheinlich wird dieselbe morgen oder in den nächsten Tagen stattfinden.</p>
          <p>Zu der oben gegebenen Notiz über mecklenburgische Verhältnisse fügen wir noch hinzu, das uns so eben von einer andern Seite die Mittheilung wird, einige Abtheilungen der hiesigen Garderegimenter hätten in der Stille bereits Berlin verlassen und sich dicht an der mecklenburgischen Gränze eingarnisonirt. Diese Quelle behauptet ebenfalls, daß bevorstehende große Ereignisse in Mecklenburg, welche nichts anderes umfaßten, als Auflösung der konstituirenden Versammlung und Octroyirung einer Verfassung, jene Vorkehrungen nöthig gemacht hätten. Die mecklenburgische Regierung habe selbst darum nachgesucht.</p>
          <p>Gestern Abend hat sich hier eine dritte südaustralische Auswanderungsgesellschaft konstituirt, indem sie ein Comité ernannte, welches in Hamburg die Vorbereitungen zu treffen hat. Diese Gesellschaft folgt in ihren Einrichtungen ganz den zwei vorangegangenen Kolonisationsvereinen, und wird der Zeit nach nur zwei Tage hinter ihnen zurückbleiben, denn sie beabsichtigt schon am 20. d. M. ihre Reise anzutreten. Die Befürchtung vor einer später eintretenden dänischen Blokade beschleunigt diese wie manche andere Emigration. Die letzterwähnte Gesellschaft zählt bis jetzt 75 Köpfe, worunter 60 Berliner.</p>
          <p>Heute sollte gegen den Redakteur der Neuen Preuß. Zeitung, Herrn Wagner, ein Kriminalprozeß wegen Nachdrucks stattfinden. Es hatten sich hierzu Richterkollegium, wie Zeugen und Angeklagter eingefunden. Der Staatsanwalt blieb jedoch, angeblich aus Versehen, aus, so daß die Gerichtssitzung vertagt werden mußte.
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[1337/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 242. Köln, Samstag, den 10. März 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. — Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. Nur frankirte Briefe werden angenommen. Expedition Unter Hutmacher Nro. 17. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Ruge. — Eine amtliche Berichtigung). Berlin (Konstabler. — Die Linkischen. — Vermischtes). Stettin. (Die preußische Handelsflotte). Wien. (Finanzielles). Kremsier. (Reichstag. — Der Konstitutionsentwurf). Weimar. (Freisprechung). Nürnberg. (Märzfeier). München. (Ministerielles). Ungarn. (27. Bülletin. — Kriegsnachrichten). Italien. (Das J. d. Debats über Italien). Turin. (Der Krieg gegen Oestreich beschlossen). Florenz. (Vereinigung der römischen und toskanischen Republik. — Zwei Interventionen, pro und contra). Reggio. (Heldenthaten der Oestreicher). Rom. (Rüstungen. — Zwangsanleihe. — Kanonen aus Glocken. — Die Oestreicher). Mailand. (Die Kontributionen). Venedig. (Lage der Stadt). Französische Republik. Paris. (Vermischtes. — National-Versammlung) Schweiz. Basel. (Schicksale einer schwarz-roth-goldenen K_ rde. Bern. (Volksverein). Reuschatel. (Revolutionsfeier). Großbritannien. London. (Parlament). Amerika. (Aus Californien). Deutschland. * Köln, 5. März. _ 068 Köln, 9. März. Im Namen der Kommandantur hat Herr Oberst Engels „sich erlaubt,“ uns eine „amtliche Berichtigung“ über die Thaten des Prinzen Waldemar in Ostindien zukommen lassen, betreffend einen Artikel d. d. Berlin, Nr. 229 der Neuen Rhein. Zeitung. Wir gestehen nicht der Kommandantur, wir gestehen keiner Behörde das Recht zu, uns „amtliche Berichtigungen“ zugehen zu lassen. Die Vorschrift über die „Berichtigungen“ gehört der Zeit der Censur an und ist für censirte Zeitungen bestimmt. Wir veröffentlichen die Berichtigung des Obersten Engels nicht in diesem Augenblicke, um der Presse nichts zu vergeben. Hr. Oberst Engels hat uns einen von der preußischen Gesandtschaft in England auf seine Forderung ihm zugeschickten Bericht des Lord Gough über den Prinzen Waldemar zur Insertion mitgetheilt. Wir glauben, daß jeder Führer eines Armeekorps einen fremden Prinzen in den offiziellen Berichten rühmlich erwähnen wird. Der offizielle Bericht des Lord Gough beweist also nichts in unsern Augen. Wir erinnern uns zur Zeit, als der Feldzug in Indien stattfand, gegentheilige Berichte in London selbst gelesen zu haben. Wir haben unsererseits wie die hiesige Kommandantur, nach London geschrieben. Sobald unsere Berichte eingehen, werden wir die Einsendung des Hrn. Engels veröffentlichen. Wir stehen keinen Augenblick an, historische Berichtigungen anzunehmen. Wir weisen ebenso entschieden amtliche Berichtigungen zurück. Schließlich können wir aber eine Frage nicht unterdrücken. Was hätte Frankreich gesagt, wenn der Herzog von Orleans oder Joinville in Ostindien für England gekämpft hätte? Der Exploiteur der deutschen und der preußischen Industrie ist England. Die Stütze der englischen Industrie ist Ostindien. Prinz Waldemar hat also im besten Falle gegen die deutsche Industrie gefochten unter dem Banner ihres erklärten Feindes. Wünscht Hr. Engels seine Berichtigungen als Privatberichtigung aufgenommen zu sehen, so erklären wir uns jeden Augenblick dazu bereit. 9 Berlin, 6. März. Die Constabler werden wieder täglich interessanter — d. h. frecher. Unsere Demokraten erklären sich die Ursache so, daß vor dem 18. oder vor der Kammerverhandlung über Aufhebung des Belagerungszustandes durch allerlei provozirte Aufläufe etc. vom Ministerium die Gerechtigkeit dieses seligen Zustandes bewiesen werden soll Die Reaktionäre mögen noch besser unterrichtet sein. So viel ist gewiß, daß die Chikanen der Polizei (Constabler und Soldaten) sehr auffallender Natur sind. Jüngst ließen es sich einige Constabler sehr angelegen sein, mehrere Kinder, die mit „Murmeln“ spielten, auf brutale Weise zu vertreiben; eine vorübergehende Dame erlaubte sich eine mißbilligende Bemerkung dieserhalb den Constablern ins Angesicht, und hatte dafür das Vergnügen, von diesen armseligen Kreaturen verhaftet zu werden. Heute Morgen ging auf dem Mühlendamme eine Bürgersfrau mit einem Packe unter dem Arme; einem Constabler fiel die Eile der bepakten Frau auf, und da er in seiner Weisheit vollkommen überzeugt war, eine Gratifikation zu erhalten, d. h. eine Diebin zu ertappen, so verhaftete er die Frau. Die Unschuldige schrie und wollte nicht folgen — das souveräne Volk versammelte sich und forschte nach der Ursache — es nahm Partei, mit Recht, denn die Frau erklärte, den Inhalt des Packes gekauft zu haben und bezeichnete den Laden. Nolens volens mußte der Constabler sich bequemen, die Wahrheit zu konstatiren; da sich aber inzwischen viele Kollegen von ihm und ein reaktionärer Vertheidiger eingefunden hatten, so wurde das Volk unruhig, so daß Militär requirirt wurde. Wir haben im vorigen Sommer vielfach Gelegenheit gehabt, uns von der Gerechtigkeit der Volksjustiz zu überzeugen; auch dieses neueste Beispiel ist ein neuer Beleg. Aber was wird die Folge sein? Man wird die Volksmänner des Rechts zu bestrafen wissen, und dem Mißbrauch der Herrenjustiz wird nicht eher abgeholfen, als bis die Volksjustiz allgemein wird. Unsere linkischen Revisioners haben gestern wieder eine hübsche Schlappe erhalten. Sie mögen von andern Seiten anders benachrichtigt werden; ich aber kann Ihnen nur sagen, daß die Zauderer und Plauderer der sogenannten Demokratie täglich an Ansehen beim Volke verlieren. * Berlin, 7. März. Die Rechte der zweiten Kammer hat gestern einen vollständigen Sieg gefeiert mit einer Majorität von 13 Stimmen. Das ganze Büreau ist zusammengesetzt aus den Mitgliedern, welche wir als entschiedene Konservative kennen gelernt haben. Nicht einmal ein Schriftführer ist der andern Seite des Hauses entnommen worden. In der zweiten Kammer wurden gestern zu Schriftführern gewählt: die Abgeordneten Sperling mit 169 Stimmen, Groddeck mit 168, Ostermann mit 168, v. Borries mit 168, Geßler mit 167, Hartmann mit 166, und beim zweiten Scrutinium die Abgeordneten Gellern und Krause (Stettin). Alle acht gehören der Rechten an. Es bildet sich schon jetzt ein gesinnungsvolles linkes Centrum. Hr. Kosch, der Biedermann aus Königsberg, bedurfte desselben eben so nöthig, wie Herr Grabow. Erst nachdem wir das Resultat der Präsidentenwahlen erfuhren, hörten wir, auf welchem Vulkan wir standen. Der Abgeordnete Riedel nämlich erzählte, daß, wenn Unruh gewählt worden wäre, die Kammer augenblicklich vom Ministerium wieder in ihre Heimath würde entlassen worden sein. Hr. Manteuffel scheint also nicht geneigt zu sein, seinen Platz so bald im Stiche zu lassen, und wir haben vielleicht das Vergnügen, das alte Spiel vom November her sich erneuern zu sehen. Seit Herr Bassermann wieder in Frankfurt ist, träumt er von seinen Schreckgestalten. Vorgestern erhielt Herr v. Manteuffel eine Depesche von diesem gesinnungstüchtigen Unterstaatssekretär, in der ihm gemeldet wurde, daß zwischen dem 18. und 20. März eine allgemeine Erhebung der rothen Republikaner in ganz Deutschland erfolgen würde. Er habe die sichersten und evidentesten Belege. Wahrscheinlich sind diese aber von derselben Art, wie die bekannten Beweise für die Berliner Anarchie, welche derselbe große Staatsmann aus Berlin mitbrachte. Natürlich verfehlte unser Ministerium nicht, seinen Getreuen sogleich von diesem wichtigen Aktenstück Kenntniß zu geben, da es dasselbe als Motiv für die Verlängerung des Belagerungszustandes zu benutzen gedenkt. In der Parteiversammlung der Konversationshalle fiel der Antrag durch, die Amnestie der politischen Verbrecher zu bewirken. Als Gründe wurden angeführt von den Gemäßigten, man dürfe der Krone nicht vorgreifen. Von den Entschiedenen, man könne bei einem Ministerium Manteuffel nicht um Gnade bitten. Als der Antrag der Berliner Abgeordneten auf Aufhebung des Belagerungszustandes in der fünften Abtheilung zur Berathung kam, meinte Herr Kißling für Jauer, der Belagerungszustand sei eine reine Verwaltungsmaßregel, nach der bekannten Theorie der Theilung der Gewalten, dürfe sich die Kammer gar nicht hineinmischen. Trotz dieser geistreichen Ausführung wurde indessen in der Abtheilung die Lesung dieses Antrages bewilligt. Von Hrn. Grabow, dem Präsidenten der 5. Abtheilung, erwartete man mit Bestimmtheit, daß er dem Gebrauch gemäß, dies Amt niederlegen werde, nachdem er Präsident der Kammer geworden war. Da aber die Linke während dieser Zeit die Majorität in dieser Abtheilung erhalten hatte, und also auch einen ihrer Kandidaten bei der Wahl zum Präsidenten durchgesetzt hätte, hat es diesem Biedermann beliebt, seine beiden Präsidenturen zu behalten. Für die Zeitung, welche Graf Lippe und seine Freunde mit dem 1. April herausgeben werden, sind schon so viele Aktien gezeichnet, daß sie bedeutend besser steht als die Hansemann'sche, welche unter den Auspicien ihres Begründers und Redakteurs täglich mehr und mehr von dem wenigen Kredit verliert, den sie zu Anfang noch hatte. Jeder übrigens, Schriftsteller, Drucker u. s. w. sind vollkommen sicher gestellt, indem ihnen ihr Gehalt auf sechs Jahre, unter jeder Bedingung, bezahlt wird. 222 Berlin, 7. März. Folgendes Gerücht geht uns aus bewährter Quelle zu: Es heißt, die pommersche Landwehr werde demnächst nach Berlin berufen werden, und würden die hiesigen Garden als Reichstruppen nach Mecklenburg-Schwerin marschiren. Es werde nämlich beabsichtigt, auch dort eine Verfassung zu octroyiren, für welchen Fall die Regierung sich aber nicht auf das sehr demokratisch gesinnte Heer verlassen zu können glaubte. Es soll mit dieser Maßregel die bereits früher von uns gemeldet und später von anderer Seite bestätigte Marschordre zusammenhängen, welche den um Wittstock stationirten Truppen zu Theil geworden ist. Der Aberglaube hat hier in den letzten Tagen reichen Stoff zu düsteren Prophezeihungen erhalten. Neben dem Palais des hochseligen Königs, in der Niederlagstraße unweit des College, stand ein hochgewachsener, im Sommer dichtbelaubter Baum. Dieser Baum, der im Jahre 1733 zum Andenken an die Vermählung Friedrichs des Großen gepflanzt sein soll, stürzte vor einigen Tagen plötzlich aus Altersschwäche um, jedoch ohne Jemand zu verletzen. Man ermangelt nicht darin einen errathbaren Hinweis zu finden. Die auf heute vor dem Könige anberaumt gewesene große Militärparade fand nicht Statt; wahrscheinlich wird dieselbe morgen oder in den nächsten Tagen stattfinden. Zu der oben gegebenen Notiz über mecklenburgische Verhältnisse fügen wir noch hinzu, das uns so eben von einer andern Seite die Mittheilung wird, einige Abtheilungen der hiesigen Garderegimenter hätten in der Stille bereits Berlin verlassen und sich dicht an der mecklenburgischen Gränze eingarnisonirt. Diese Quelle behauptet ebenfalls, daß bevorstehende große Ereignisse in Mecklenburg, welche nichts anderes umfaßten, als Auflösung der konstituirenden Versammlung und Octroyirung einer Verfassung, jene Vorkehrungen nöthig gemacht hätten. Die mecklenburgische Regierung habe selbst darum nachgesucht. Gestern Abend hat sich hier eine dritte südaustralische Auswanderungsgesellschaft konstituirt, indem sie ein Comité ernannte, welches in Hamburg die Vorbereitungen zu treffen hat. Diese Gesellschaft folgt in ihren Einrichtungen ganz den zwei vorangegangenen Kolonisationsvereinen, und wird der Zeit nach nur zwei Tage hinter ihnen zurückbleiben, denn sie beabsichtigt schon am 20. d. M. ihre Reise anzutreten. Die Befürchtung vor einer später eintretenden dänischen Blokade beschleunigt diese wie manche andere Emigration. Die letzterwähnte Gesellschaft zählt bis jetzt 75 Köpfe, worunter 60 Berliner. Heute sollte gegen den Redakteur der Neuen Preuß. Zeitung, Herrn Wagner, ein Kriminalprozeß wegen Nachdrucks stattfinden. Es hatten sich hierzu Richterkollegium, wie Zeugen und Angeklagter eingefunden. Der Staatsanwalt blieb jedoch, angeblich aus Versehen, aus, so daß die Gerichtssitzung vertagt werden mußte.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 242. Köln, 10. März 1849, S. 1337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz242_1849/1>, abgerufen am 21.11.2024.