Neue Rheinische Zeitung. Nr. 253. Köln, 23. März 1849.Vers 5: Umstürzen und niederreißen, das ist die Baukunst des jetzigen Geschlechts; theils mit Bewußtsein, theils in dunkelem Gefühl, sucht man den Eckstein, V. 6: um ihn zu zertrümmern; denn ihm allein, nicht dem Gebäude, ist der Untergang geschworen. V. 7: Sie wollen wiederbauen auf einem andern Grunde, die armen Thoren, und wissen nicht, daß nur der Eckstein bleibt und alles Andere schwindet. V. 8: Was man bisher gebaut, ist Menschenwerk; den Eckstein aber, den hat Gott gelegt, und nicht die fata morgana der Radikalen, Vers 9: nein, das Gebäude, was schon Moses schaute, wird aus den Trümmern aufgerichtet werden." Man bewundere den Zusammenhang und die kühne Gedankenfolge dieser "neuen preußischen" Weissagungen auf das feudale christlich-germanische Himmelreich, das für diese braven Prediger wieder nahe herbei gekommen ist. Die Inspiration von oben, die göttliche Trunkenheit der Prophetin blitzt aus jedem Wort, namentlich aber aus jedem Uebergang hervor. Selbst der Prophet Ezechiel verstand es nicht so gut,Subjekt und Prädikat malerisch durcheinander zu werfen, wie diese neuesten Männer Gottes. Diese strengen Kirchenväter übrigens, die der irdischen Majestät den Beruf geben, vermittelst "Meines herrlichen Kriegsheeres" die wühlerische Sünde in jeder Gestalt mit Stumpf und Stiel auszurotten, haben zuweilen selbst Momente der Barmherzigkeit und des wehmüthigen Mitgefühls für die armen verlornen Kinder der Finsterniß, die Demokraten. In Nr. 62 entdeckt ein würdiger Demokraten. In Nr. 62 entdeckt ein würdiger Seelsorger, daß die Halle'sche demokratische Zeitung der Contrerevolution allen dauernden Erfolg abspricht, weil die Grundlage aller reaktionären Macht, der religiöse Glaube, seine Wurzeln im Volk verloren habe. Hocherfreut nimmt er sogleich zu Protokoll, daß der "Glaube", selbst nach Aussage der Demokraten, die Wurzel aller guten preußischen Gesinnung, alles Gehorsams gegen die Obrigkeit ist, und schließt aus diesem ehrlichen Eingeständniß der Halle'schen demokratischen Zeitung, daß sie es wenigstens ehrlich meint, und daher wohl noch zur Buße zu bringen sei. Ob der Herr Pastor mit seiner Hoffnung auf Bekehrung der Halle'schen demokratischen Zeitung Aussicht auf Erfolg hat, können wir nicht wissen, da wir das Blättchen nicht kennen. Bewundern aber müssen wir die Naivetät des wohlehrwürdigen Herrn, der die Aeußerung irgend eines demokratischen Lokalblatts als das Programm der demokratischen Partei sofort aufgreift und mit beiden Händen festhält. Wir für unser Theil versichern wenigstens dem Herrn Pastor daß es uns höchst gleichgültig ist, ob das Volk "den Glauben" hat und was für einen "Glauben" es hat. Man muß wirklich Gottes Wort vom Lande oder sonst ein Stück Theoloe sein, um sich nach den letzten Erfahrungen noch einzubilden, daß Volk, die revolutionären Proletarier und Bauern würden ihre irdische Existenz ihrer himmlischen Hoffnungen opfern, und ihren hungrigen Magen mit Brodkarten abspeisen die erst in irgend einer andern Welt zahlbar sind. Unsere Proletarier und Bauern verlangen handgreiflichere, materiellere Kost als Bibelsprüche und preußische Litaneien, um somehr als sie sehen, daß die Herren Konsistorialräthe sich für ihre Bemühungen recht artig zahlen lassen und bis zum vierzigsten Jahre regelmäßig ein ganz hübsches Bäuchlein anlegen. Genug. Der Herr Pastor glaubt nun einmal, die Hallische demokratische Zeitung, die bereits den Glauben an den Glauben hat, sei noch zu bekehren. Einem so wohlmeinenden Blatt gegenüber wäre tertullianische Strenge höchst unchristlich. Wo das Herz noch nicht ganz verhärtet ist, muß man mit eindringlicher, liebevoller Ermahnung anpochen. Und so geschieht's: "Bei Lesung des ganzen Artikels hat uns, warum sollten wir es nicht gestehen? ein schmerzliches Gefühl des Mitleids gegen die bis zum Wahnsinn bethörten und verzauberten Menschen ergriffen, nicht als fürchteten wir, daß dadurch viele verführt werden könnten, wiewohl ein Tropfen zum andern kommt, und schon die allmählige Gewöhnung an solche Stimmen der freien Presse sittlich schadet, -- sondern daß die Rädelsführer doch gewiß selbst so verführt sind, das thut schmerzlich weh. Aber wir gehen jetzt an diese Gefühle vorüber, weil es sich nicht unterdrücken läßt, wir halten uns an die Demonstration selbst." Welche Milde und Sanftmuth; welche apostolische Wärme in diesen tiefgefühlten Worten! Gewiß, die Hallesche demokr. Ztg. wird dieser Vermahnung nicht widerstehen, sie wird ablassen von den Pfaden des Teufels, auf die sie sich verirrte, sie wird zu Bruder Leo und Gerlach in die Betstunde gehen! Ob übrigens das Volk "den Glauben" habe, schließt unser Pastor, sei ziemlich gleichgültig. Seine letzte Hoffnung sei vielmehr der Glaube selbst, der Glaube allein, welcher Alles vermag, und wo er abhanden gekommen ist, auch wiederkommen kann, welcher auch die Rädelsführer selbst ereilen, auch den Verfasser jenes Artikels (in der Hall. dem. Ztg.) überwinden kann. Und welcher Christ wollte seinen Feinden nicht diese Wohlthat für Zeit und Ewigkeit wünschen..."Möchte sich doch auch an den Demokraten oder an ihrer Einem die selige Macht dieses allerheiligsten Glaubens bald bewähren!" Edelmüthigster aller Landprediger ! Wir sind weit entfernt, Ihre wohlwollenden und menschenfreundlichen Absichten zu verkennen. Wir wissen im Gegentheil sehr gut, daß es in der sogenannten demokratischen Partei Leute genug gibt, die selbst nicht weiter sind als in ihrer Carriere gestörte Landprediger. Solche Leute sitzen sogar in der Berliner Kammer bis auf die äußerste Linke. Sie würden nicht nur sich ein großes Verdienst erwerben, sondern auch uns einen nicht zu ermessenden Gefallen thun, wenn Sie diese armen Verirrten, [Deutschland] Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. * Köln, 22. März. Wollt Ihr wissen, wozu Ihr sogenannte Volksvertreter nach Berlin gesandt habt? Les't die gestrige Sitzung der zweiten Kammer. Der Abgeordnete Kirchmann greift bei der Adreßdebatte das Ministerium an und schließt mit der Phrase: "Die Tugenden der Minister sind nichts als glänzende Laster". Sofort erhebt sich Se. Excellenz der Herr Generallieutenant und Ministerpräsident Exgraf v. Brandenburg Hochgeboren. Dies possierliche Männchen, das gar nicht einmal Mitglied der Kammer ist, mischt sich in die innern Angelegenheiten der Kammer und verlangt, daß der Abgeordnete Kirchmann zur Ordnung gerufen werde! Der Bürgermeister Grabow Hochwohlgeboren, Präsident der Kammer beeilt sich dem Kommando des Hrn. Generallieutenants submissest Folge zu leisten und ruft Hrn. Kirchmann zur Ordnung. Daß die Linke nach dieser impertinenten und vom Präsidenten ohne Weiteres sanktionirten Einmischung eines Ministers, der gar nicht einmal Abgeordneter ist, in die innern Angelegenheiten der Kammer, nicht sofort aufstand und den Saal verließ, begreife wer da kann! Genug, sie blieb. D'Ester erhob sich und protestirte gegen die Impertinenz des ungewählten Ministers. Eine Debatte entspinnt sich. Jacobi nimmt das Wort: die Phrase des Abgeordneten Kirchmann schließt keine Beleidigung des Ministeriums in sich, sondern bloß ein Urtheil. Das ist aber eben der Punkt. Se. Excellenz der Hr. Banquier, Seidenhändler, Pietist, Parvenu und Handelsminister August von der Heydt, eine Figur, die nächstens in unserm Feuilleton erscheinen wird, erklärt mit dürren Worten Folgendes: "Das Ministerium kann den Abgeordneten das Recht nicht zugestehen, ein Urtheil über das Ministerium zu fällen!" Pends-toi, jeune Saedt, tu n'aurais pas invente cela! Und das "Urtheil", das Hr. August von der Heydt im vorigen März zu Elberfeld in einer öffentlichen Versammlung über Se. Majestät, seinen jetzigen gottbegnadeten König "zu fällen das Recht sich zugestand", und das wir neulich mittheilten: "Dieser Mensch hat uns so oft belogen, daß wir ihm nicht mehr trauen können; wir müssen Garantien gegen ihn haben!" Die Linke schrie ein ironisches Bravo und lachte zu der Aeußerung des Herrn Seidenhändlers von der Heydt. Sie verlangte nicht einmal, daß der Parvenu-Minister zur Ordnung gerufen wurde. Hätte die Linke die Majorität, so hätte sie das Recht zu solchen ministeriellen Gaucherieen zu lachen. Dann aber würden die Herren Minister sich auch vor solchen Gaucherieen hüten. Die Linke ist aber in der Minorität, und da muß sie alle diese arroganten Bemerkungen hinnehmen. Der Hr. Minister von der Heydt hat es gesagt, ohne zur Ordnung gerufen zu werden: sie hat kein Urtheil über das Ministerium! Allen französischen Kammern der schlimmsten Restaurationszeit von 1815 -- 1830 ist nicht so viel Insolenz geboten worden als der preußischen s. g. zweiten Kammer vom 26. Februar bis zum 21. März. Die preußische Kammer hat das Alles ruhig hingenommen. Meine Herren "Volksvertreter"! Auseinandergejagt werden Sie doch. Es giebt nur Ein Mittel dem zu entgehn: Gehen Sie bei der nächsten sporenklirrenden Sottise, die Ihnen das Ministerium in die Zähne wirft, von selbst nach Hause! 078 Crefeld, 20. März. Hier sind wir außer einem konstitutionell-demokratischen Milch- und Wasserverein auch mit einem ächten "Preußenverein" beglückt, in welchem alle reationäre Geldsäcke, Büreaukraten, Pfaffen etc. ihr tolles Wesen treiben. -- Will Jemand diesen Verein besuchen, so wird schon an der Thüre des Vereinslokals eine genaue Untersuchung mit ihm angestellt. Er wird unerbittlich zurückgewiesen, wenn man eine entfernte Anlage zu einer demokratischen Idee bei ihm wahrnimmt. -- Hat ein Fremder endlich die von Cerberussen bewachte Thür passirt, so wird er im Lokal selbst nochmals einer genauen Beobachtung unterworfen, und wehe dem armen Schlucker, wenn ein "juter Breuße" die Entdeckung an ihm macht, daß er nicht durch und durch "schwarz-weiß" ist. Er wird ohne Weiteres zur Thür hinaus spedirt. Unter den Eulen mit Gott für König und Junkerschaft macht sich vor Allen der hiesige katholische Pfarrdechaut, Komitemitglied des gottbegnadeten Vereins, bemerklich. Sonntag vor acht Tagen suchte er seinen Zuhörern in einer langen Predigt zu beweisen, daß es keine Regierung in Europa gebe, die so weise und gerecht handle, der das Wohl der "Unterthanen" so sehr am Herzen liege als gerade die des Potsdamer Königs. -- Schade um die Mühe des Biedermannes. Die Mehrzahl der hiesigen Einwohner ist sozial-demokratisch gesinnt, und wenn sie auch jetzt noch schweigen müssen, da ihre Existenz von den reaktionären Geldsäcken abhängt, so werden sie doch bei der nächsten Gelegenheit mit diesen Nachteulen eine Abrechnung halten, daß ihnen die Augen übergehen sollen. Ein hiesiger protestantischer Lehrer, der fünf Kinder verführt hatte, erhielt von den Heulern 300 Thaler, um damit nach Amerika zu entfliehen. -- Der schwarz-weiße Lämmelbruder hatte Verbindungen mit vornehmen Familien, und so wurde es ihm möglich, der Justiz zu entschlüpfen. -- Die Frommen ärgern sich gewaltig, daß er so dumm war, sich erwischen zu lassen. 126 Eschweiler, 20. März. Wer hätte denken sollen, daß mit dem Einrücken des Militärs über unser so friedliches Städtchen auch der Belagerungszustand verhängt werden würde! Lachen Sie nicht, denn es ist dem wirklich so. Obgleich derselbe nicht geradezu ausgesprochen worden, so zeigen doch die Verfügungen unseres so gesetzkundigen (?) Bürgermeisters, Quadflieg heißt der Mann, daß Ausnahmezustände eingetreten sind. Unter Strafandrohungen von 1-5 Thlr. wurde Schießen in einer Entfernung von 500 Schritt von Gebäuden, Wegen und öffentlichen Plätzen verboten, (?) mußten die Wirthshäuser um 10 Uhr geschlossen sein und dergl. mehr. Zugleich wurde in der würdigen Person des Dr. L. der hiesigen längst eingeschlafenen Bürgerwehr ein Major oktroyirt, dessen Tagesbefehl Sie aus dem beiliegenden hiesigen Blatte, worin er auch die berliner März-Revolution eine "großartige Schlägerei" nennt, entnehmen können. Neben einer 50 Mann starken Wache wurde noch eine Compagnie aus Jülich requirirt, welche in der Nacht vom 18. auf den 19. in unserer Nähe zwischen Dürwiß und Fröhnhofen bivouakirte. Damit nun aber auch diese Maßregeln einen Anschein der Nothwendigkeit haben sollten, sah man am 19. im Hause des Dr. L. vier zerbrochene Fensterscheiben, welche er, wie hier allgemein behauptet wird, selbst zerbrochen hat, um so andere verdächtigen zu können. Gegen ein derartiges Treiben haben sich denn endlich die hiesigen Bürger erhoben und noch heute geht eine mit über 700 Unterschriften versehene Petition an die Regierung ab, uns den Bürgermeister vom Halse zu schaffen. (Dann wird der Bürgermeister erst recht bleiben!) * Berlin, 20. März. Zur Feier des 18. März hielt der Abg. Minsberg in Bunzlau eine große Volksversammlung ab. Wahrscheinlich zum eigenen Schutz derselben hatte das Militär ein Carre um sie geschlossen. Man schützte sie sogar durch geladene Kanonen, die merkwürdiger Weise gegen sie gerichtet waren. Heute Nachmittag um 5 Uhr ist Ministerialrath in Betreff der Gronewegschen Angelegenheit. Gestern Abend war in der Landsberger Straße noch ein von der Obrigkeit provocirter Krawall. Das Volk begnügte sich wieder die Konstabler durchzukeulen und damit endete Alles. Sitzung der zweiten Kammer. Nach Eröffnung der Sitzung verlangt der Finanzminister das Wort. Er überreicht den Staatshaushalt für das Jahr 1849 um denselben von der hohen Kammer feststellen und prüfen zu lassen, und trägt darauf an ihn einer besondern Commission zu überweisen. Zugleich benutzt er die Gelegenheit um zu erklärrn, daß das durch viele Zeitungen verbreitete Gerücht von einer beabsichtigten Anleihe von 70 Millionen Thaler völlig unbegründet sei. Auch sind keineswegs Unterhandlungen mit auswärtigen Bankierhäusern angeknüpft worden. Aus den noch vorzulegenden Nachweisungen über die Staatsrechnungen vom Jahr 1848 wird die Kammer ersehen, daß die Staatskassen im Stande waren alle Ausgaben zu bestreiten. Der Finanzminister versichert, daß die laufenden Einnahmen zur Zeit hinreichen, alle Ausgaben zu decken. -- Der Präsident Grabow befragt die Kammer, ob sie die Ueberweisung der Finanzvorlagen einer Commission genehmige, welches fast einstimmig bejahet wird. -- Hierauf geht man in der Adreß-Debatte weiter. Kirchmann greift das Ministerium, die Octroyirung der Verfassung, die rechte Seite des Hauses mit ihrer Anerkennung und Gültigkeitserklärung der Verfassung in einer längern ironisch gehaltenen Rede an. Er sagte u. A.: Will man aber durchaus sich auf den Rechtsboden stellen, so muß man doch zugeben, daß die Ertheilung der Verfassung am 5. Decbr. ein Staatsstreich war. Man muß erstaunen über die revolutionären Gründe, die zur Unterstützung dieser Maßregel vorgebracht sind. Man spricht von deren Nothwendigkeit, vom Volkswillen, der die Octroyirung verlangte u. s. w. Wer kann da die Revolution leugnen? ... Man entschuldigt die Octroyirung der Verfassung mit der Unfähigkeit der Nat. Vers. Es ist aber jetzt ein öffentliches Geheimniß geworden, -- daß umgekehrt die sich immer mehr und mehr vergrößernde Fähigkeit (?) der Nat. Vers. daran Schuld war und die Auflösung der N. V. herbeiführte ... die Verfassung wird ja aber selbst von unserer Regierung als rechtbestehend noch nicht angesehen. Will eine Gemeinde in Folge der Verf.-Bestimmungen ihre kirchlichen Angelegenheiten selbst ordnen, da sagt das Ministerium "nein", das sind bis jetzt nur erst "Versprechungen", dazu habt ihr erst später ein Recht. Wird ein Geistlicher vom Consistorium seiner Stelle entsetzt und er beruft sich auf die Verfassung, so heißt es wieder, das sind nur erst "Versprechungen". Der Bauer beruft sich auf die, in der Verf. ausgesprochene Aufhebung aller Privilegien, das sind noch "Versprechungen". Nichts ist uns durch die Verf. geworden, als die vom Ministerium angeordnete mildere Bestrafung der Diebe. (Heiterkeit.) Wir leben seit Ertheilung der Verf. unter einem Säbelregiment. Die Grundrechte des Volkes sind aufgehoben. ... Ich habe weder Vertrauen noch Furcht. Mißtrauen zunächst dem Ministerium gegenüber. Das was sie dem Lande an Freiheit gegeben haben, ist nicht ihr Werk, es ist vielleicht gegen ihren Willen geschehen. Sehen wir die vielen Tausend politische Untersuchungen, die man im ganzen Lande anhängig gemacht, sie übersteigen die Demagogenriechereien unter dem Ministerium Camptz. ... Im Schlußsatz der Rede hesßt es: "Die Handlungen der Minister sind als glänzende Laster anzusehen." Der Ministerpräsident verlangt vom Präsidenten Grabow, daß er das Staatsministerium vor Beleidigungen zu schützen habe und verlangt, daß der letzte Redner zur Ordnung gerufen werde. -- Diese Worte rufen einen allgemeinen Sturm hervor. Der unpartheiische Präsident folgt jedoch dem Befehle des Ministerpräsidenten und ruft den Abg. Kirchmann zur Ordnung. Das erregt die größte Erbitterung auf der Linken, man ruft: Redefreiheit! Redefreiheit darf nicht geschmälert werden! Unter allgemeiner Aufregung erhält zur Geschäftsordnung das Wort: D'Ester (gegen den Minister gewendet sehr gereizt): Es steht dem Herrn Ministerpräsidenten, da er nicht Mitglied dieser Kammer ist, keinesfalls zu, in Angelegenheiten der Geschäftsordnung das Wort zu ergreifen. Das Ministerium kann nicht verlangen, daß ein Abgeordneter zur Ordnung gerufen werde. Den Herrn Präsidenten Grabow muß ich jedoch darauf aufmerksam machen, daß er mir gestern das Wort verweigerte, als ich von dem Abgeordneten Vincke persönlich beleidigt worden war. ... Vincke will seine gestrige Rede, den Abgeordneten D'Ester betreffend, rechtfertigen und wiederholt seine gestrigen Worte, die aber von D'Ester wieder berichtigt werden müssen, da sie Vincke unrichtig wiedergab. Eine Menge Redner sprechen einer nach dem Andern zur Geschäftsordnung über diese Angelegenheit. Parrisius schließt seine Worte: die Minister sind da, daß wir sie angreifen. (Allgemeine Heiterkeit.) Minister v. d. Heydt: Wenn die Angriffe auf das Ministerium in männlicher Weise ergehen, werden wir die Antwort nicht schuldig bleiben, auf Injurien bleibt uns nur ein Ordnungsruf. Auch der Abgeordnete v. Bismark muß sein Wort zur Geschäftsordnung geben und nennt die Worte Kirchmanns "Grobheiten". -- Dafür wird er, auf das Verlangen der Linken, zur Ordnung gerufen. -- Nach einigen anderen faktischen Berichtigungen berichtigt Jakobi: Der Abg. Kirchmann ist ohne Ursache zur Ordnung gerufen worden. Seine Worte: "die Handlungen der Minister sind als glänzende Laster anzusehen", das ist keine Beleidigung, das ist ein Urtheil .... Minister v. d. Heidt: Das Ministerium kann den Abgeordneten das Recht nicht zugestehen ein Urtheil über das Ministerium auszusprechen. Links: Bravo! Bravo! Allgemeine Heiterkeit.) Sie haben das Recht eine Anklage gegen das Ministerium zu erheben, aber nicht das Urtheil auszusprechen (!!!!) Endlich beruhigt sich die Kammer und die Adreßdebatte wird fortgesetzt. Mehrere Redner sprechen für und gegen den Entwurf. Wir geben einige Auszüge davon. Unruh kann in der Wahl zu den Kammern keine unbedingte Annahme der Verf. erkennen. Das Gesetz vom 6. April ist der Rechtsboden auf dem wir stehen. Durch die Verf. kann das Gesetz vom 6. April nicht aufgehoben werden. Das Volk will sich das Gesetz erhalten und nicht durch die Anerkennung der Verf. nehmen lassen. Fragen Sie Ihre Wähler, die werden ebenso antworten. ... Die Angriffe gegen die aufgelöste Nat.-Vers. sucht der Redner mit Glück zu widerlegen. Dem Vorwurf der Uneinigkeit, den man der Nat.-Vers. macht, stellt der Redner grade die große Majorität entgegen, mit der alle Beschlüsse in der letzten Zeit ihrer Wirksamkeit gefaßt wurden. Er erinnert an die große Einigkeit, die am 2. November herrscht, wo selbst ein Mitglied dieses Ministeriums an den Beschlüssen seine Zustimmung gab und sogar Mitglied der bekannten Deputation war.... Justizminister Rintelen: Es ist wahr, daß er an dem Beschlusse am 2. November Theil genommen. Seine ganze Partei hatte beschlossen dem Antrage entgegenzutreten; da aber vorauszusehen, daß sie nicht die Majorität erhalten würden, betheiligten sie sich an dem Beschlusse, um ihm seine Härte zu nehmen. Nachher gestaltete sich die Lage so, daß seine Liebe zum Vaterlande ihm gebot ins Ministerium einzutreten. Auerswald gibt zu, daß die Verfassung erst durch die Anerkennung des Volkes rechtsgültig geworden sei. Griesheim sieht sich veranlaßt, eine faktische Berichtigung über seine durch öffentliche Blätter verbreitete Aeußerung in der Abtheilung zu geben. Der Vorsitzende der Abtheilung (Philipps) habe dort erzählt, daß man schon im Juli v. J. den Gedanken an eine Oktroyirung der Verfassung gehabt habe. Er erzählt den bekannten Vorfall und schließt, daß er gesagt: Man habe schon damals die Leichen riechen können. Dieser Zwischenfall gibt wieder Veranlassung zu vielen faktischen Bemerkungen, welche kein Ende erreichen. Die Rechte beantragt den Schluß der Debatte, doch die Linke und das neugebildete rechte Centrum ist dagegen. -- Auf eine Aeußerung des Abg. Schneider (Schönebeck), das Ministerium habe das Vertrauen des Landes nicht, macht Graf Ziethen die faktische Berichtigung, daß er als Abg. einer großen Stadt, von seinen Wählern behaupten könne, daß das Ministerium dies Vertrauen wohl besitze. Er will sich noch in weitere Redensarten ergehen, wird aber von der Tribune heruntergetrommelt. Endlich wird der Schluß der Debatte angenommen und Vinke, als Referent der Adreßkommission, sucht nochmal in einer langen Rede alle Einwendungen der Linken gegen seinen Entwurf und gegen die Rechtsgültigkeit der Verfassung zu widerlegen. Endlich kommt man zur Abstimmung über § §. 1 und 2 der Adresse. Zuerst wird über den D'Ester'schen Entwurf abgestimmt, welcher nach namentlicher Abstimmung mit 256 gegen 62 St. verworfen wird. -- (Die äußerste Linke besteht demnach aus 62 Mitgliedern. Die Linke, Rodbertus, Berg, Kirchmann, Philipps stimmten gegen diesen Entwurf.) Auch das Rodbertus'sche Amendement §. 1 wird verworfen. Ueber §. 2 dieses Amendements wird namentlich abgestimmt und dasselbe mit 212 gegen 120 St. verworfen. (Die äußerste Linke und die ganze Rechte stimmt dagegen). -- Ebenso wurden die Amendements von Thiel, von Kosch und Genossen und von Pape und Genossen nach und nach verworfen. Jetzt kam man zu dem Commissions-Entwurf. Nach namentlicher Abstimmung wird Königsberg, 17. März. Die Genehmigung zu dem von den Gewerken, der Bürgerwehr, den Arbeitervereinen etc. zum 18. März beabsichtigten Festzuge durch die Stadt ist vom interimistischen Polizeipräsidenten, Regierungsrath Peters, versagt worden. Als die bei Letzterm erschienene, vom Festcomite abgesendete Deputation, der auch die HH. Walesrode und Stud. Meihe ange- Vers 5: Umstürzen und niederreißen, das ist die Baukunst des jetzigen Geschlechts; theils mit Bewußtsein, theils in dunkelem Gefühl, sucht man den Eckstein, V. 6: um ihn zu zertrümmern; denn ihm allein, nicht dem Gebäude, ist der Untergang geschworen. V. 7: Sie wollen wiederbauen auf einem andern Grunde, die armen Thoren, und wissen nicht, daß nur der Eckstein bleibt und alles Andere schwindet. V. 8: Was man bisher gebaut, ist Menschenwerk; den Eckstein aber, den hat Gott gelegt, und nicht die fata morgana der Radikalen, Vers 9: nein, das Gebäude, was schon Moses schaute, wird aus den Trümmern aufgerichtet werden.“ Man bewundere den Zusammenhang und die kühne Gedankenfolge dieser „neuen preußischen“ Weissagungen auf das feudale christlich-germanische Himmelreich, das für diese braven Prediger wieder nahe herbei gekommen ist. Die Inspiration von oben, die göttliche Trunkenheit der Prophetin blitzt aus jedem Wort, namentlich aber aus jedem Uebergang hervor. Selbst der Prophet Ezechiel verstand es nicht so gut,Subjekt und Prädikat malerisch durcheinander zu werfen, wie diese neuesten Männer Gottes. Diese strengen Kirchenväter übrigens, die der irdischen Majestät den Beruf geben, vermittelst „Meines herrlichen Kriegsheeres“ die wühlerische Sünde in jeder Gestalt mit Stumpf und Stiel auszurotten, haben zuweilen selbst Momente der Barmherzigkeit und des wehmüthigen Mitgefühls für die armen verlornen Kinder der Finsterniß, die Demokraten. In Nr. 62 entdeckt ein würdiger Demokraten. In Nr. 62 entdeckt ein würdiger Seelsorger, daß die Halle'sche demokratische Zeitung der Contrerevolution allen dauernden Erfolg abspricht, weil die Grundlage aller reaktionären Macht, der religiöse Glaube, seine Wurzeln im Volk verloren habe. Hocherfreut nimmt er sogleich zu Protokoll, daß der „Glaube“, selbst nach Aussage der Demokraten, die Wurzel aller guten preußischen Gesinnung, alles Gehorsams gegen die Obrigkeit ist, und schließt aus diesem ehrlichen Eingeständniß der Halle'schen demokratischen Zeitung, daß sie es wenigstens ehrlich meint, und daher wohl noch zur Buße zu bringen sei. Ob der Herr Pastor mit seiner Hoffnung auf Bekehrung der Halle'schen demokratischen Zeitung Aussicht auf Erfolg hat, können wir nicht wissen, da wir das Blättchen nicht kennen. Bewundern aber müssen wir die Naivetät des wohlehrwürdigen Herrn, der die Aeußerung irgend eines demokratischen Lokalblatts als das Programm der demokratischen Partei sofort aufgreift und mit beiden Händen festhält. Wir für unser Theil versichern wenigstens dem Herrn Pastor daß es uns höchst gleichgültig ist, ob das Volk „den Glauben“ hat und was für einen „Glauben“ es hat. Man muß wirklich Gottes Wort vom Lande oder sonst ein Stück Theoloe sein, um sich nach den letzten Erfahrungen noch einzubilden, daß Volk, die revolutionären Proletarier und Bauern würden ihre irdische Existenz ihrer himmlischen Hoffnungen opfern, und ihren hungrigen Magen mit Brodkarten abspeisen die erst in irgend einer andern Welt zahlbar sind. Unsere Proletarier und Bauern verlangen handgreiflichere, materiellere Kost als Bibelsprüche und preußische Litaneien, um somehr als sie sehen, daß die Herren Konsistorialräthe sich für ihre Bemühungen recht artig zahlen lassen und bis zum vierzigsten Jahre regelmäßig ein ganz hübsches Bäuchlein anlegen. Genug. Der Herr Pastor glaubt nun einmal, die Hallische demokratische Zeitung, die bereits den Glauben an den Glauben hat, sei noch zu bekehren. Einem so wohlmeinenden Blatt gegenüber wäre tertullianische Strenge höchst unchristlich. Wo das Herz noch nicht ganz verhärtet ist, muß man mit eindringlicher, liebevoller Ermahnung anpochen. Und so geschieht's: „Bei Lesung des ganzen Artikels hat uns, warum sollten wir es nicht gestehen? ein schmerzliches Gefühl des Mitleids gegen die bis zum Wahnsinn bethörten und verzauberten Menschen ergriffen, nicht als fürchteten wir, daß dadurch viele verführt werden könnten, wiewohl ein Tropfen zum andern kommt, und schon die allmählige Gewöhnung an solche Stimmen der freien Presse sittlich schadet, — sondern daß die Rädelsführer doch gewiß selbst so verführt sind, das thut schmerzlich weh. Aber wir gehen jetzt an diese Gefühle vorüber, weil es sich nicht unterdrücken läßt, wir halten uns an die Demonstration selbst.“ Welche Milde und Sanftmuth; welche apostolische Wärme in diesen tiefgefühlten Worten! Gewiß, die Hallesche demokr. Ztg. wird dieser Vermahnung nicht widerstehen, sie wird ablassen von den Pfaden des Teufels, auf die sie sich verirrte, sie wird zu Bruder Leo und Gerlach in die Betstunde gehen! Ob übrigens das Volk „den Glauben“ habe, schließt unser Pastor, sei ziemlich gleichgültig. Seine letzte Hoffnung sei vielmehr der Glaube selbst, der Glaube allein, welcher Alles vermag, und wo er abhanden gekommen ist, auch wiederkommen kann, welcher auch die Rädelsführer selbst ereilen, auch den Verfasser jenes Artikels (in der Hall. dem. Ztg.) überwinden kann. Und welcher Christ wollte seinen Feinden nicht diese Wohlthat für Zeit und Ewigkeit wünschen…“Möchte sich doch auch an den Demokraten oder an ihrer Einem die selige Macht dieses allerheiligsten Glaubens bald bewähren!“ Edelmüthigster aller Landprediger ! Wir sind weit entfernt, Ihre wohlwollenden und menschenfreundlichen Absichten zu verkennen. Wir wissen im Gegentheil sehr gut, daß es in der sogenannten demokratischen Partei Leute genug gibt, die selbst nicht weiter sind als in ihrer Carriere gestörte Landprediger. Solche Leute sitzen sogar in der Berliner Kammer bis auf die äußerste Linke. Sie würden nicht nur sich ein großes Verdienst erwerben, sondern auch uns einen nicht zu ermessenden Gefallen thun, wenn Sie diese armen Verirrten, [Deutschland] Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. * Köln, 22. März. Wollt Ihr wissen, wozu Ihr sogenannte Volksvertreter nach Berlin gesandt habt? Les't die gestrige Sitzung der zweiten Kammer. Der Abgeordnete Kirchmann greift bei der Adreßdebatte das Ministerium an und schließt mit der Phrase: „Die Tugenden der Minister sind nichts als glänzende Laster“. Sofort erhebt sich Se. Excellenz der Herr Generallieutenant und Ministerpräsident Exgraf v. Brandenburg Hochgeboren. Dies possierliche Männchen, das gar nicht einmal Mitglied der Kammer ist, mischt sich in die innern Angelegenheiten der Kammer und verlangt, daß der Abgeordnete Kirchmann zur Ordnung gerufen werde! Der Bürgermeister Grabow Hochwohlgeboren, Präsident der Kammer beeilt sich dem Kommando des Hrn. Generallieutenants submissest Folge zu leisten und ruft Hrn. Kirchmann zur Ordnung. Daß die Linke nach dieser impertinenten und vom Präsidenten ohne Weiteres sanktionirten Einmischung eines Ministers, der gar nicht einmal Abgeordneter ist, in die innern Angelegenheiten der Kammer, nicht sofort aufstand und den Saal verließ, begreife wer da kann! Genug, sie blieb. D'Ester erhob sich und protestirte gegen die Impertinenz des ungewählten Ministers. Eine Debatte entspinnt sich. Jacobi nimmt das Wort: die Phrase des Abgeordneten Kirchmann schließt keine Beleidigung des Ministeriums in sich, sondern bloß ein Urtheil. Das ist aber eben der Punkt. Se. Excellenz der Hr. Banquier, Seidenhändler, Pietist, Parvenu und Handelsminister August von der Heydt, eine Figur, die nächstens in unserm Feuilleton erscheinen wird, erklärt mit dürren Worten Folgendes: „Das Ministerium kann den Abgeordneten das Recht nicht zugestehen, ein Urtheil über das Ministerium zu fällen!“ Pends-toi, jeune Saedt, tu n'aurais pas inventé cela! Und das „Urtheil“, das Hr. August von der Heydt im vorigen März zu Elberfeld in einer öffentlichen Versammlung über Se. Majestät, seinen jetzigen gottbegnadeten König „zu fällen das Recht sich zugestand“, und das wir neulich mittheilten: „Dieser Mensch hat uns so oft belogen, daß wir ihm nicht mehr trauen können; wir müssen Garantien gegen ihn haben!“ Die Linke schrie ein ironisches Bravo und lachte zu der Aeußerung des Herrn Seidenhändlers von der Heydt. Sie verlangte nicht einmal, daß der Parvenu-Minister zur Ordnung gerufen wurde. Hätte die Linke die Majorität, so hätte sie das Recht zu solchen ministeriellen Gaucherieen zu lachen. Dann aber würden die Herren Minister sich auch vor solchen Gaucherieen hüten. Die Linke ist aber in der Minorität, und da muß sie alle diese arroganten Bemerkungen hinnehmen. Der Hr. Minister von der Heydt hat es gesagt, ohne zur Ordnung gerufen zu werden: sie hat kein Urtheil über das Ministerium! Allen französischen Kammern der schlimmsten Restaurationszeit von 1815 — 1830 ist nicht so viel Insolenz geboten worden als der preußischen s. g. zweiten Kammer vom 26. Februar bis zum 21. März. Die preußische Kammer hat das Alles ruhig hingenommen. Meine Herren „Volksvertreter“! Auseinandergejagt werden Sie doch. Es giebt nur Ein Mittel dem zu entgehn: Gehen Sie bei der nächsten sporenklirrenden Sottise, die Ihnen das Ministerium in die Zähne wirft, von selbst nach Hause! 078 Crefeld, 20. März. Hier sind wir außer einem konstitutionell-demokratischen Milch- und Wasserverein auch mit einem ächten „Preußenverein“ beglückt, in welchem alle reationäre Geldsäcke, Büreaukraten, Pfaffen etc. ihr tolles Wesen treiben. — Will Jemand diesen Verein besuchen, so wird schon an der Thüre des Vereinslokals eine genaue Untersuchung mit ihm angestellt. Er wird unerbittlich zurückgewiesen, wenn man eine entfernte Anlage zu einer demokratischen Idee bei ihm wahrnimmt. — Hat ein Fremder endlich die von Cerberussen bewachte Thür passirt, so wird er im Lokal selbst nochmals einer genauen Beobachtung unterworfen, und wehe dem armen Schlucker, wenn ein „juter Breuße“ die Entdeckung an ihm macht, daß er nicht durch und durch „schwarz-weiß“ ist. Er wird ohne Weiteres zur Thür hinaus spedirt. Unter den Eulen mit Gott für König und Junkerschaft macht sich vor Allen der hiesige katholische Pfarrdechaut, Komitemitglied des gottbegnadeten Vereins, bemerklich. Sonntag vor acht Tagen suchte er seinen Zuhörern in einer langen Predigt zu beweisen, daß es keine Regierung in Europa gebe, die so weise und gerecht handle, der das Wohl der „Unterthanen“ so sehr am Herzen liege als gerade die des Potsdamer Königs. — Schade um die Mühe des Biedermannes. Die Mehrzahl der hiesigen Einwohner ist sozial-demokratisch gesinnt, und wenn sie auch jetzt noch schweigen müssen, da ihre Existenz von den reaktionären Geldsäcken abhängt, so werden sie doch bei der nächsten Gelegenheit mit diesen Nachteulen eine Abrechnung halten, daß ihnen die Augen übergehen sollen. Ein hiesiger protestantischer Lehrer, der fünf Kinder verführt hatte, erhielt von den Heulern 300 Thaler, um damit nach Amerika zu entfliehen. — Der schwarz-weiße Lämmelbruder hatte Verbindungen mit vornehmen Familien, und so wurde es ihm möglich, der Justiz zu entschlüpfen. — Die Frommen ärgern sich gewaltig, daß er so dumm war, sich erwischen zu lassen. 126 Eschweiler, 20. März. Wer hätte denken sollen, daß mit dem Einrücken des Militärs über unser so friedliches Städtchen auch der Belagerungszustand verhängt werden würde! Lachen Sie nicht, denn es ist dem wirklich so. Obgleich derselbe nicht geradezu ausgesprochen worden, so zeigen doch die Verfügungen unseres so gesetzkundigen (?) Bürgermeisters, Quadflieg heißt der Mann, daß Ausnahmezustände eingetreten sind. Unter Strafandrohungen von 1-5 Thlr. wurde Schießen in einer Entfernung von 500 Schritt von Gebäuden, Wegen und öffentlichen Plätzen verboten, (?) mußten die Wirthshäuser um 10 Uhr geschlossen sein und dergl. mehr. Zugleich wurde in der würdigen Person des Dr. L. der hiesigen längst eingeschlafenen Bürgerwehr ein Major oktroyirt, dessen Tagesbefehl Sie aus dem beiliegenden hiesigen Blatte, worin er auch die berliner März-Revolution eine „großartige Schlägerei“ nennt, entnehmen können. Neben einer 50 Mann starken Wache wurde noch eine Compagnie aus Jülich requirirt, welche in der Nacht vom 18. auf den 19. in unserer Nähe zwischen Dürwiß und Fröhnhofen bivouakirte. Damit nun aber auch diese Maßregeln einen Anschein der Nothwendigkeit haben sollten, sah man am 19. im Hause des Dr. L. vier zerbrochene Fensterscheiben, welche er, wie hier allgemein behauptet wird, selbst zerbrochen hat, um so andere verdächtigen zu können. Gegen ein derartiges Treiben haben sich denn endlich die hiesigen Bürger erhoben und noch heute geht eine mit über 700 Unterschriften versehene Petition an die Regierung ab, uns den Bürgermeister vom Halse zu schaffen. (Dann wird der Bürgermeister erst recht bleiben!) * Berlin, 20. März. Zur Feier des 18. März hielt der Abg. Minsberg in Bunzlau eine große Volksversammlung ab. Wahrscheinlich zum eigenen Schutz derselben hatte das Militär ein Carré um sie geschlossen. Man schützte sie sogar durch geladene Kanonen, die merkwürdiger Weise gegen sie gerichtet waren. Heute Nachmittag um 5 Uhr ist Ministerialrath in Betreff der Gronewegschen Angelegenheit. Gestern Abend war in der Landsberger Straße noch ein von der Obrigkeit provocirter Krawall. Das Volk begnügte sich wieder die Konstabler durchzukeulen und damit endete Alles. Sitzung der zweiten Kammer. Nach Eröffnung der Sitzung verlangt der Finanzminister das Wort. Er überreicht den Staatshaushalt für das Jahr 1849 um denselben von der hohen Kammer feststellen und prüfen zu lassen, und trägt darauf an ihn einer besondern Commission zu überweisen. Zugleich benutzt er die Gelegenheit um zu erklärrn, daß das durch viele Zeitungen verbreitete Gerücht von einer beabsichtigten Anleihe von 70 Millionen Thaler völlig unbegründet sei. Auch sind keineswegs Unterhandlungen mit auswärtigen Bankierhäusern angeknüpft worden. Aus den noch vorzulegenden Nachweisungen über die Staatsrechnungen vom Jahr 1848 wird die Kammer ersehen, daß die Staatskassen im Stande waren alle Ausgaben zu bestreiten. Der Finanzminister versichert, daß die laufenden Einnahmen zur Zeit hinreichen, alle Ausgaben zu decken. — Der Präsident Grabow befragt die Kammer, ob sie die Ueberweisung der Finanzvorlagen einer Commission genehmige, welches fast einstimmig bejahet wird. — Hierauf geht man in der Adreß-Debatte weiter. Kirchmann greift das Ministerium, die Octroyirung der Verfassung, die rechte Seite des Hauses mit ihrer Anerkennung und Gültigkeitserklärung der Verfassung in einer längern ironisch gehaltenen Rede an. Er sagte u. A.: Will man aber durchaus sich auf den Rechtsboden stellen, so muß man doch zugeben, daß die Ertheilung der Verfassung am 5. Decbr. ein Staatsstreich war. Man muß erstaunen über die revolutionären Gründe, die zur Unterstützung dieser Maßregel vorgebracht sind. Man spricht von deren Nothwendigkeit, vom Volkswillen, der die Octroyirung verlangte u. s. w. Wer kann da die Revolution leugnen? … Man entschuldigt die Octroyirung der Verfassung mit der Unfähigkeit der Nat. Vers. Es ist aber jetzt ein öffentliches Geheimniß geworden, — daß umgekehrt die sich immer mehr und mehr vergrößernde Fähigkeit (?) der Nat. Vers. daran Schuld war und die Auflösung der N. V. herbeiführte … die Verfassung wird ja aber selbst von unserer Regierung als rechtbestehend noch nicht angesehen. Will eine Gemeinde in Folge der Verf.-Bestimmungen ihre kirchlichen Angelegenheiten selbst ordnen, da sagt das Ministerium „nein“, das sind bis jetzt nur erst „Versprechungen“, dazu habt ihr erst später ein Recht. Wird ein Geistlicher vom Consistorium seiner Stelle entsetzt und er beruft sich auf die Verfassung, so heißt es wieder, das sind nur erst „Versprechungen“. Der Bauer beruft sich auf die, in der Verf. ausgesprochene Aufhebung aller Privilegien, das sind noch „Versprechungen“. Nichts ist uns durch die Verf. geworden, als die vom Ministerium angeordnete mildere Bestrafung der Diebe. (Heiterkeit.) Wir leben seit Ertheilung der Verf. unter einem Säbelregiment. Die Grundrechte des Volkes sind aufgehoben. … Ich habe weder Vertrauen noch Furcht. Mißtrauen zunächst dem Ministerium gegenüber. Das was sie dem Lande an Freiheit gegeben haben, ist nicht ihr Werk, es ist vielleicht gegen ihren Willen geschehen. Sehen wir die vielen Tausend politische Untersuchungen, die man im ganzen Lande anhängig gemacht, sie übersteigen die Demagogenriechereien unter dem Ministerium Camptz. … Im Schlußsatz der Rede hesßt es: „Die Handlungen der Minister sind als glänzende Laster anzusehen.“ Der Ministerpräsident verlangt vom Präsidenten Grabow, daß er das Staatsministerium vor Beleidigungen zu schützen habe und verlangt, daß der letzte Redner zur Ordnung gerufen werde. — Diese Worte rufen einen allgemeinen Sturm hervor. Der unpartheiische Präsident folgt jedoch dem Befehle des Ministerpräsidenten und ruft den Abg. Kirchmann zur Ordnung. Das erregt die größte Erbitterung auf der Linken, man ruft: Redefreiheit! Redefreiheit darf nicht geschmälert werden! Unter allgemeiner Aufregung erhält zur Geschäftsordnung das Wort: D'Ester (gegen den Minister gewendet sehr gereizt): Es steht dem Herrn Ministerpräsidenten, da er nicht Mitglied dieser Kammer ist, keinesfalls zu, in Angelegenheiten der Geschäftsordnung das Wort zu ergreifen. Das Ministerium kann nicht verlangen, daß ein Abgeordneter zur Ordnung gerufen werde. Den Herrn Präsidenten Grabow muß ich jedoch darauf aufmerksam machen, daß er mir gestern das Wort verweigerte, als ich von dem Abgeordneten Vincke persönlich beleidigt worden war. … Vincke will seine gestrige Rede, den Abgeordneten D'Ester betreffend, rechtfertigen und wiederholt seine gestrigen Worte, die aber von D'Ester wieder berichtigt werden müssen, da sie Vincke unrichtig wiedergab. Eine Menge Redner sprechen einer nach dem Andern zur Geschäftsordnung über diese Angelegenheit. Parrisius schließt seine Worte: die Minister sind da, daß wir sie angreifen. (Allgemeine Heiterkeit.) Minister v. d. Heydt: Wenn die Angriffe auf das Ministerium in männlicher Weise ergehen, werden wir die Antwort nicht schuldig bleiben, auf Injurien bleibt uns nur ein Ordnungsruf. Auch der Abgeordnete v. Bismark muß sein Wort zur Geschäftsordnung geben und nennt die Worte Kirchmanns „Grobheiten“. — Dafür wird er, auf das Verlangen der Linken, zur Ordnung gerufen. — Nach einigen anderen faktischen Berichtigungen berichtigt Jakobi: Der Abg. Kirchmann ist ohne Ursache zur Ordnung gerufen worden. Seine Worte: „die Handlungen der Minister sind als glänzende Laster anzusehen“, das ist keine Beleidigung, das ist ein Urtheil ‥‥ Minister v. d. Heidt: Das Ministerium kann den Abgeordneten das Recht nicht zugestehen ein Urtheil über das Ministerium auszusprechen. Links: Bravo! Bravo! Allgemeine Heiterkeit.) Sie haben das Recht eine Anklage gegen das Ministerium zu erheben, aber nicht das Urtheil auszusprechen (!!!!) Endlich beruhigt sich die Kammer und die Adreßdebatte wird fortgesetzt. Mehrere Redner sprechen für und gegen den Entwurf. Wir geben einige Auszüge davon. Unruh kann in der Wahl zu den Kammern keine unbedingte Annahme der Verf. erkennen. Das Gesetz vom 6. April ist der Rechtsboden auf dem wir stehen. Durch die Verf. kann das Gesetz vom 6. April nicht aufgehoben werden. Das Volk will sich das Gesetz erhalten und nicht durch die Anerkennung der Verf. nehmen lassen. Fragen Sie Ihre Wähler, die werden ebenso antworten. … Die Angriffe gegen die aufgelöste Nat.-Vers. sucht der Redner mit Glück zu widerlegen. Dem Vorwurf der Uneinigkeit, den man der Nat.-Vers. macht, stellt der Redner grade die große Majorität entgegen, mit der alle Beschlüsse in der letzten Zeit ihrer Wirksamkeit gefaßt wurden. Er erinnert an die große Einigkeit, die am 2. November herrscht, wo selbst ein Mitglied dieses Ministeriums an den Beschlüssen seine Zustimmung gab und sogar Mitglied der bekannten Deputation war.… Justizminister Rintelen: Es ist wahr, daß er an dem Beschlusse am 2. November Theil genommen. Seine ganze Partei hatte beschlossen dem Antrage entgegenzutreten; da aber vorauszusehen, daß sie nicht die Majorität erhalten würden, betheiligten sie sich an dem Beschlusse, um ihm seine Härte zu nehmen. Nachher gestaltete sich die Lage so, daß seine Liebe zum Vaterlande ihm gebot ins Ministerium einzutreten. Auerswald gibt zu, daß die Verfassung erst durch die Anerkennung des Volkes rechtsgültig geworden sei. Griesheim sieht sich veranlaßt, eine faktische Berichtigung über seine durch öffentliche Blätter verbreitete Aeußerung in der Abtheilung zu geben. Der Vorsitzende der Abtheilung (Philipps) habe dort erzählt, daß man schon im Juli v. J. den Gedanken an eine Oktroyirung der Verfassung gehabt habe. Er erzählt den bekannten Vorfall und schließt, daß er gesagt: Man habe schon damals die Leichen riechen können. Dieser Zwischenfall gibt wieder Veranlassung zu vielen faktischen Bemerkungen, welche kein Ende erreichen. Die Rechte beantragt den Schluß der Debatte, doch die Linke und das neugebildete rechte Centrum ist dagegen. — Auf eine Aeußerung des Abg. Schneider (Schönebeck), das Ministerium habe das Vertrauen des Landes nicht, macht Graf Ziethen die faktische Berichtigung, daß er als Abg. einer großen Stadt, von seinen Wählern behaupten könne, daß das Ministerium dies Vertrauen wohl besitze. Er will sich noch in weitere Redensarten ergehen, wird aber von der Tribune heruntergetrommelt. Endlich wird der Schluß der Debatte angenommen und Vinke, als Referent der Adreßkommission, sucht nochmal in einer langen Rede alle Einwendungen der Linken gegen seinen Entwurf und gegen die Rechtsgültigkeit der Verfassung zu widerlegen. Endlich kommt man zur Abstimmung über § §. 1 und 2 der Adresse. Zuerst wird über den D'Ester'schen Entwurf abgestimmt, welcher nach namentlicher Abstimmung mit 256 gegen 62 St. verworfen wird. — (Die äußerste Linke besteht demnach aus 62 Mitgliedern. Die Linke, Rodbertus, Berg, Kirchmann, Philipps stimmten gegen diesen Entwurf.) Auch das Rodbertus'sche Amendement §. 1 wird verworfen. Ueber §. 2 dieses Amendements wird namentlich abgestimmt und dasselbe mit 212 gegen 120 St. verworfen. (Die äußerste Linke und die ganze Rechte stimmt dagegen). — Ebenso wurden die Amendements von Thiel, von Kosch und Genossen und von Pape und Genossen nach und nach verworfen. Jetzt kam man zu dem Commissions-Entwurf. Nach namentlicher Abstimmung wird Königsberg, 17. März. Die Genehmigung zu dem von den Gewerken, der Bürgerwehr, den Arbeitervereinen etc. zum 18. März beabsichtigten Festzuge durch die Stadt ist vom interimistischen Polizeipräsidenten, Regierungsrath Peters, versagt worden. Als die bei Letzterm erschienene, vom Festcomite abgesendete Deputation, der auch die HH. Walesrode und Stud. Meihe ange- <TEI> <text> <body> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ar253_002" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="1418"/> Vers 5: Umstürzen und niederreißen, das ist die Baukunst des jetzigen Geschlechts; theils mit Bewußtsein, theils in dunkelem Gefühl, sucht man den Eckstein, V. 6: um ihn zu zertrümmern; denn ihm allein, nicht dem Gebäude, ist der Untergang geschworen. V. 7: Sie wollen wiederbauen auf einem andern Grunde, die armen Thoren, und wissen nicht, daß nur der Eckstein bleibt und alles Andere schwindet. V. 8: Was man bisher gebaut, ist Menschenwerk; den Eckstein aber, den hat Gott gelegt, und nicht die fata morgana der Radikalen, Vers 9: nein, das Gebäude, was schon Moses schaute, wird aus den Trümmern aufgerichtet werden.“</p> <p>Man bewundere den Zusammenhang und die kühne Gedankenfolge dieser „neuen preußischen“ Weissagungen auf das feudale christlich-germanische Himmelreich, das für diese braven Prediger wieder nahe herbei gekommen ist. Die Inspiration von oben, die göttliche Trunkenheit der Prophetin blitzt aus jedem Wort, namentlich aber aus jedem Uebergang hervor. Selbst der Prophet Ezechiel verstand es nicht so gut,Subjekt und Prädikat malerisch durcheinander zu werfen, wie diese neuesten Männer Gottes.</p> <p>Diese strengen Kirchenväter übrigens, die der irdischen Majestät den Beruf geben, vermittelst „Meines herrlichen Kriegsheeres“ die wühlerische Sünde in jeder Gestalt mit Stumpf und Stiel auszurotten, haben zuweilen selbst Momente der Barmherzigkeit und des wehmüthigen Mitgefühls für die armen verlornen Kinder der Finsterniß, die Demokraten. In Nr. 62 entdeckt ein würdiger Demokraten. In Nr. 62 entdeckt ein würdiger Seelsorger, daß die Halle'sche demokratische Zeitung der Contrerevolution allen dauernden Erfolg abspricht, weil die Grundlage aller reaktionären Macht, der religiöse Glaube, seine Wurzeln im Volk verloren habe. Hocherfreut nimmt er sogleich zu Protokoll, daß der „Glaube“, selbst nach Aussage der Demokraten, die Wurzel aller guten preußischen Gesinnung, alles Gehorsams gegen die Obrigkeit ist, und schließt aus diesem ehrlichen Eingeständniß der Halle'schen demokratischen Zeitung, daß sie es wenigstens ehrlich meint, und daher wohl noch zur Buße zu bringen sei.</p> <p>Ob der Herr Pastor mit seiner Hoffnung auf Bekehrung der Halle'schen demokratischen Zeitung Aussicht auf Erfolg hat, können wir nicht wissen, da wir das Blättchen nicht kennen.</p> <p>Bewundern aber müssen wir die Naivetät des wohlehrwürdigen Herrn, der die Aeußerung irgend eines demokratischen Lokalblatts als das Programm der demokratischen Partei sofort aufgreift und mit beiden Händen festhält. Wir für unser Theil versichern wenigstens dem Herrn Pastor daß es uns höchst gleichgültig ist, ob das Volk „den Glauben“ hat und was für einen „Glauben“ es hat. Man muß wirklich Gottes Wort vom Lande oder sonst ein Stück Theoloe sein, um sich nach den letzten Erfahrungen noch einzubilden, daß Volk, die revolutionären Proletarier und Bauern würden ihre irdische Existenz ihrer himmlischen Hoffnungen opfern, und ihren hungrigen Magen mit Brodkarten abspeisen die erst in irgend einer andern Welt zahlbar sind. Unsere Proletarier und Bauern verlangen handgreiflichere, materiellere Kost als Bibelsprüche und preußische Litaneien, um somehr als sie sehen, daß die Herren Konsistorialräthe sich für ihre Bemühungen recht artig zahlen lassen und bis zum vierzigsten Jahre regelmäßig ein ganz hübsches Bäuchlein anlegen.</p> <p>Genug. Der Herr Pastor glaubt nun einmal, die Hallische demokratische Zeitung, die bereits den Glauben an den Glauben hat, sei noch zu bekehren. Einem so wohlmeinenden Blatt gegenüber wäre tertullianische Strenge höchst unchristlich. Wo das Herz noch nicht ganz verhärtet ist, muß man mit eindringlicher, liebevoller Ermahnung anpochen. Und so geschieht's:</p> <p>„Bei Lesung des ganzen Artikels hat uns, warum sollten wir es nicht gestehen? ein schmerzliches Gefühl des Mitleids gegen die bis zum Wahnsinn bethörten und verzauberten Menschen ergriffen, nicht als fürchteten wir, daß dadurch viele verführt werden könnten, wiewohl ein Tropfen zum andern kommt, und schon die allmählige Gewöhnung an solche Stimmen der freien Presse sittlich schadet, — sondern daß die Rädelsführer doch gewiß selbst so verführt sind, das thut schmerzlich weh. Aber wir gehen jetzt an diese Gefühle vorüber, weil es sich nicht unterdrücken läßt, wir halten uns an die Demonstration selbst.“</p> <p>Welche Milde und Sanftmuth; welche apostolische Wärme in diesen tiefgefühlten Worten! Gewiß, die Hallesche demokr. Ztg. wird dieser Vermahnung nicht widerstehen, sie wird ablassen von den Pfaden des Teufels, auf die sie sich verirrte, sie wird zu Bruder Leo und Gerlach in die Betstunde gehen!</p> <p>Ob übrigens das Volk „den Glauben“ habe, schließt unser Pastor, sei ziemlich gleichgültig. Seine letzte Hoffnung sei vielmehr der Glaube selbst, der Glaube allein, welcher Alles vermag, und wo er abhanden gekommen ist, auch wiederkommen kann, welcher auch die Rädelsführer selbst ereilen, auch den Verfasser jenes Artikels (in der Hall. dem. Ztg.) überwinden kann. Und welcher Christ wollte seinen Feinden nicht diese Wohlthat für Zeit und Ewigkeit wünschen…“Möchte sich doch auch an den Demokraten oder an ihrer Einem die selige Macht dieses allerheiligsten Glaubens bald bewähren!“</p> <p>Edelmüthigster aller Landprediger ! Wir sind weit entfernt, Ihre wohlwollenden und menschenfreundlichen Absichten zu verkennen. Wir wissen im Gegentheil sehr gut, daß es in der sogenannten demokratischen Partei Leute genug gibt, die selbst nicht weiter sind als in ihrer Carriere gestörte Landprediger. Solche Leute sitzen sogar in der Berliner Kammer bis auf die äußerste Linke. Sie würden nicht nur sich ein großes Verdienst erwerben, sondern auch <hi rendition="#g">uns</hi> einen nicht zu ermessenden Gefallen thun, wenn Sie diese armen Verirrten,<lb/><hi rendition="#et">…des Völkerfrühlings<lb/> Kolossale Maienkäfer,<lb/> Von Berserkerwuth ergriffen</hi><lb/> auf den rechten Glaubensweg zurückführen wollten. Wir sind</p> </div> </div> <div n="1"> <head>[Deutschland]</head> <div xml:id="ar253_003_c" type="jArticle"> <note type="editorial">Edition: <bibl>Karl Marx: Der Hohenzollersche Preßgesetzentwurf, vorgesehen für: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi>, I/9. </bibl> </note> <gap reason="copyright"/> </div> <div xml:id="ar253_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 22. März.</head> <p>Wollt Ihr wissen, wozu Ihr sogenannte Volksvertreter nach Berlin gesandt habt? Les't die gestrige Sitzung der zweiten Kammer.</p> <p>Der Abgeordnete <hi rendition="#g">Kirchmann</hi> greift bei der Adreßdebatte das Ministerium an und schließt mit der Phrase: „Die Tugenden der Minister sind nichts als glänzende Laster“.</p> <p>Sofort erhebt sich Se. Excellenz der Herr Generallieutenant und Ministerpräsident Exgraf v. <hi rendition="#g">Brandenburg</hi> Hochgeboren. Dies possierliche Männchen, das gar nicht einmal Mitglied der Kammer ist, mischt sich in die innern Angelegenheiten der Kammer und verlangt, daß der Abgeordnete <hi rendition="#g">Kirchmann zur Ordnung gerufen werde!</hi> </p> <p>Der Bürgermeister <hi rendition="#g">Grabow</hi> Hochwohlgeboren, Präsident der Kammer beeilt sich dem Kommando des Hrn. Generallieutenants submissest Folge zu leisten und <hi rendition="#g">ruft Hrn. Kirchmann zur Ordnung</hi>.</p> <p>Daß die Linke nach dieser impertinenten und vom Präsidenten ohne Weiteres sanktionirten Einmischung eines Ministers, der gar nicht einmal Abgeordneter ist, in die innern Angelegenheiten der Kammer, nicht sofort aufstand und den Saal verließ, begreife wer da kann!</p> <p>Genug, sie blieb. <hi rendition="#g">D'Ester</hi> erhob sich und protestirte gegen die Impertinenz des ungewählten Ministers. Eine Debatte entspinnt sich. <hi rendition="#g">Jacobi</hi> nimmt das Wort: die Phrase des Abgeordneten Kirchmann schließt keine <hi rendition="#g">Beleidigung</hi> des Ministeriums in sich, sondern bloß ein <hi rendition="#g">Urtheil</hi>.</p> <p>Das ist aber eben der Punkt. Se. Excellenz der Hr. Banquier, Seidenhändler, Pietist, Parvenu und Handelsminister <hi rendition="#g">August von der Heydt,</hi> eine Figur, die nächstens in unserm Feuilleton erscheinen wird, erklärt mit dürren Worten Folgendes:</p> <p> <hi rendition="#b">„Das Ministerium kann den Abgeordneten das Recht nicht zugestehen, ein Urtheil über das Ministerium zu fällen!“</hi> </p> <p>Pends-toi, jeune Saedt, tu n'aurais pas inventé cela!</p> <p>Und das „<hi rendition="#g">Urtheil</hi>“, das Hr. August von der Heydt im vorigen März zu Elberfeld in einer öffentlichen Versammlung über Se. Majestät, seinen jetzigen gottbegnadeten König „<hi rendition="#g">zu fällen das Recht sich zugestand</hi>“, und das wir neulich mittheilten:</p> <p> <hi rendition="#b">„Dieser Mensch hat uns so oft belogen, daß wir ihm nicht mehr trauen können; wir müssen Garantien gegen ihn haben!“</hi> </p> <p>Die Linke schrie ein ironisches Bravo und lachte zu der Aeußerung des Herrn Seidenhändlers von der Heydt. Sie verlangte nicht einmal, daß der Parvenu-Minister zur Ordnung gerufen wurde.</p> <p>Hätte die Linke die Majorität, so hätte sie das Recht zu solchen ministeriellen Gaucherieen zu lachen. Dann aber würden die Herren Minister sich auch vor solchen Gaucherieen hüten.</p> <p>Die Linke ist aber in der Minorität, und da muß sie alle diese arroganten Bemerkungen hinnehmen. Der Hr. Minister von der Heydt hat es gesagt, ohne zur Ordnung gerufen zu werden: <hi rendition="#g">sie hat kein Urtheil über das Ministerium!</hi> </p> <p>Allen französischen Kammern der schlimmsten Restaurationszeit von 1815 — 1830 ist nicht so viel Insolenz geboten worden als der preußischen s. g. zweiten Kammer vom 26. Februar bis zum 21. März. Die preußische Kammer hat das Alles ruhig hingenommen.</p> <p>Meine Herren „Volksvertreter“! Auseinandergejagt werden Sie doch. Es giebt nur Ein Mittel dem zu entgehn: <hi rendition="#g">Gehen Sie bei der nächsten sporenklirrenden Sottise, die Ihnen das Ministerium in die Zähne wirft, von selbst nach Hause!</hi> </p> </div> <div xml:id="ar253_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>078</author></bibl> Crefeld, 20. März.</head> <p>Hier sind wir außer einem konstitutionell-demokratischen Milch- und Wasserverein auch mit einem ächten „Preußenverein“ beglückt, in welchem alle reationäre Geldsäcke, Büreaukraten, Pfaffen etc. ihr tolles Wesen treiben. — Will Jemand diesen Verein besuchen, so wird schon an der Thüre des Vereinslokals eine genaue Untersuchung mit ihm angestellt. Er wird unerbittlich zurückgewiesen, wenn man eine entfernte Anlage zu einer demokratischen Idee bei ihm wahrnimmt. — Hat ein Fremder endlich die von Cerberussen bewachte Thür passirt, so wird er im Lokal selbst nochmals einer genauen Beobachtung unterworfen, und wehe dem armen Schlucker, wenn ein „juter Breuße“ die Entdeckung an ihm macht, daß er nicht durch und durch „schwarz-weiß“ ist. Er wird ohne Weiteres zur Thür hinaus spedirt.</p> <p>Unter den Eulen mit Gott für König und Junkerschaft macht sich vor Allen der hiesige katholische Pfarrdechaut, Komitemitglied des gottbegnadeten Vereins, bemerklich. Sonntag vor acht Tagen suchte er seinen Zuhörern in einer langen Predigt zu beweisen, daß es keine Regierung in Europa gebe, die so weise und gerecht handle, der das Wohl der „Unterthanen“ so sehr am Herzen liege als gerade die des Potsdamer Königs. — Schade um die Mühe des Biedermannes. Die Mehrzahl der hiesigen Einwohner ist sozial-demokratisch gesinnt, und wenn sie auch jetzt noch schweigen müssen, da ihre Existenz von den reaktionären Geldsäcken abhängt, so werden sie doch bei der nächsten Gelegenheit mit diesen Nachteulen eine Abrechnung halten, daß ihnen die Augen übergehen sollen.</p> <p>Ein hiesiger protestantischer Lehrer, der fünf Kinder verführt hatte, erhielt von den Heulern 300 Thaler, um damit nach Amerika zu entfliehen. — Der schwarz-weiße Lämmelbruder hatte Verbindungen mit vornehmen Familien, und so wurde es ihm möglich, der Justiz zu entschlüpfen. — Die Frommen ärgern sich gewaltig, daß er so dumm war, sich erwischen zu lassen.</p> </div> <div xml:id="ar253_006" type="jArticle"> <head><bibl><author>126</author></bibl> Eschweiler, 20. März.</head> <p>Wer hätte denken sollen, daß mit dem Einrücken des Militärs über unser so friedliches Städtchen auch der Belagerungszustand verhängt werden würde! Lachen Sie nicht, denn es ist dem wirklich so. Obgleich derselbe nicht geradezu ausgesprochen worden, so zeigen doch die Verfügungen unseres so gesetzkundigen (?) Bürgermeisters, Quadflieg heißt der Mann, daß Ausnahmezustände eingetreten sind. Unter Strafandrohungen von 1-5 Thlr. wurde Schießen in einer Entfernung von 500 Schritt von Gebäuden, Wegen und öffentlichen Plätzen verboten, (?) mußten die Wirthshäuser um 10 Uhr geschlossen sein und dergl. mehr. Zugleich wurde in der würdigen Person des Dr. L. der hiesigen längst eingeschlafenen Bürgerwehr ein Major oktroyirt, dessen Tagesbefehl Sie aus dem beiliegenden hiesigen Blatte, worin er auch die berliner März-Revolution eine „großartige Schlägerei“ nennt, entnehmen können. Neben einer 50 Mann starken Wache wurde noch eine Compagnie aus Jülich requirirt, welche in der Nacht vom 18. auf den 19. in unserer Nähe zwischen Dürwiß und Fröhnhofen bivouakirte. Damit nun aber auch diese Maßregeln einen Anschein der Nothwendigkeit haben sollten, sah man am 19. im Hause des Dr. L. vier zerbrochene Fensterscheiben, welche er, wie hier allgemein behauptet wird, selbst zerbrochen hat, um so andere verdächtigen zu können. Gegen ein derartiges Treiben haben sich denn endlich die hiesigen Bürger erhoben und noch heute geht eine mit über 700 Unterschriften versehene Petition an die Regierung ab, uns den Bürgermeister vom Halse zu schaffen. (Dann wird der Bürgermeister erst recht bleiben!)</p> </div> <div xml:id="ar253_007" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 20. März.</head> <p>Zur Feier des 18. März hielt der Abg. Minsberg in Bunzlau eine große Volksversammlung ab. Wahrscheinlich zum eigenen Schutz derselben hatte das Militär ein Carré um sie geschlossen. Man schützte sie sogar durch geladene Kanonen, die merkwürdiger Weise gegen sie gerichtet waren.</p> <p>Heute Nachmittag um 5 Uhr ist Ministerialrath in Betreff der Gronewegschen Angelegenheit.</p> <p>Gestern Abend war in der Landsberger Straße noch ein von der Obrigkeit provocirter Krawall. Das Volk begnügte sich wieder die Konstabler durchzukeulen und damit endete Alles.</p> <p> <hi rendition="#b">Sitzung der zweiten Kammer.</hi> </p> <p>Nach Eröffnung der Sitzung verlangt der Finanzminister das Wort. Er überreicht den Staatshaushalt für das Jahr 1849 um denselben von der hohen Kammer feststellen und prüfen zu lassen, und trägt darauf an ihn einer besondern Commission zu überweisen. Zugleich benutzt er die Gelegenheit um zu erklärrn, daß das durch viele Zeitungen verbreitete Gerücht von einer beabsichtigten Anleihe von 70 Millionen Thaler völlig unbegründet sei. Auch sind keineswegs Unterhandlungen mit auswärtigen Bankierhäusern angeknüpft worden. Aus den noch vorzulegenden Nachweisungen über die Staatsrechnungen vom Jahr 1848 wird die Kammer ersehen, daß die Staatskassen im Stande waren alle Ausgaben zu bestreiten. Der Finanzminister versichert, daß die laufenden Einnahmen zur Zeit hinreichen, alle Ausgaben zu decken. —</p> <p>Der Präsident <hi rendition="#g">Grabow</hi> befragt die Kammer, ob sie die Ueberweisung der Finanzvorlagen einer Commission genehmige, welches fast einstimmig bejahet wird. —</p> <p>Hierauf geht man in der Adreß-Debatte weiter.</p> <p><hi rendition="#g">Kirchmann</hi> greift das Ministerium, die Octroyirung der Verfassung, die rechte Seite des Hauses mit ihrer Anerkennung und Gültigkeitserklärung der Verfassung in einer längern ironisch gehaltenen Rede an. Er sagte u. A.: Will man aber durchaus sich auf den Rechtsboden stellen, so muß man doch zugeben, daß die Ertheilung der Verfassung am 5. Decbr. ein Staatsstreich war. Man muß erstaunen über die revolutionären Gründe, die zur Unterstützung dieser Maßregel vorgebracht sind. Man spricht von deren Nothwendigkeit, vom Volkswillen, der die Octroyirung verlangte u. s. w. Wer kann da die Revolution leugnen? … Man entschuldigt die Octroyirung der Verfassung mit der Unfähigkeit der Nat. Vers. Es ist aber jetzt ein öffentliches Geheimniß geworden, — daß umgekehrt die sich immer mehr und mehr vergrößernde Fähigkeit (?) der Nat. Vers. daran Schuld war und die Auflösung der N. V. herbeiführte … die Verfassung wird ja aber selbst von unserer Regierung als rechtbestehend noch nicht angesehen. Will eine Gemeinde in Folge der Verf.-Bestimmungen ihre kirchlichen Angelegenheiten selbst ordnen, da sagt das Ministerium „nein“, das sind bis jetzt nur erst „Versprechungen“, dazu habt ihr erst später ein Recht. Wird ein Geistlicher vom Consistorium seiner Stelle entsetzt und er beruft sich auf die Verfassung, so heißt es wieder, das sind nur erst „Versprechungen“. Der Bauer beruft sich auf die, in der Verf. ausgesprochene Aufhebung aller Privilegien, das sind noch „Versprechungen“. Nichts ist uns durch die Verf. geworden, als die vom Ministerium angeordnete mildere Bestrafung der Diebe. (Heiterkeit.) Wir leben seit Ertheilung der Verf. unter einem Säbelregiment. Die Grundrechte des Volkes sind aufgehoben. … Ich habe weder Vertrauen noch Furcht. Mißtrauen zunächst dem Ministerium gegenüber. Das was sie dem Lande an Freiheit gegeben haben, ist nicht ihr Werk, es ist vielleicht gegen ihren Willen geschehen. Sehen wir die vielen Tausend politische Untersuchungen, die man im ganzen Lande anhängig gemacht, sie übersteigen die Demagogenriechereien unter dem Ministerium Camptz. … Im Schlußsatz der Rede hesßt es: „Die Handlungen der Minister sind als glänzende Laster anzusehen.“</p> <p>Der <hi rendition="#g">Ministerpräsident</hi> verlangt vom Präsidenten Grabow, daß er das Staatsministerium vor Beleidigungen zu schützen habe und verlangt, daß der letzte Redner zur Ordnung gerufen werde. —</p> <p>Diese Worte rufen einen allgemeinen Sturm hervor. Der unpartheiische Präsident folgt jedoch dem Befehle des Ministerpräsidenten und ruft den Abg. Kirchmann zur Ordnung.</p> <p>Das erregt die größte Erbitterung auf der Linken, man ruft: Redefreiheit! Redefreiheit darf nicht geschmälert werden!</p> <p>Unter allgemeiner Aufregung erhält zur Geschäftsordnung das Wort:</p> <p>D'Ester (gegen den Minister gewendet sehr gereizt): Es steht dem Herrn Ministerpräsidenten, da er nicht Mitglied dieser Kammer ist, keinesfalls zu, in Angelegenheiten der Geschäftsordnung das Wort zu ergreifen. Das Ministerium kann nicht verlangen, daß ein Abgeordneter zur Ordnung gerufen werde. Den Herrn Präsidenten Grabow muß ich jedoch darauf aufmerksam machen, daß er mir gestern das Wort verweigerte, als ich von dem Abgeordneten Vincke persönlich beleidigt worden war. …</p> <p>Vincke will seine gestrige Rede, den Abgeordneten D'Ester betreffend, rechtfertigen und wiederholt seine gestrigen Worte, die aber von D'Ester wieder berichtigt werden müssen, da sie Vincke unrichtig wiedergab.</p> <p>Eine Menge Redner sprechen einer nach dem Andern zur Geschäftsordnung über diese Angelegenheit. Parrisius schließt seine Worte: die Minister sind da, daß wir sie angreifen. (Allgemeine Heiterkeit.)</p> <p>Minister v. d. Heydt: Wenn die Angriffe auf das Ministerium in männlicher Weise ergehen, werden wir die Antwort nicht schuldig bleiben, auf Injurien bleibt uns nur ein Ordnungsruf.</p> <p>Auch der Abgeordnete v. Bismark muß sein Wort zur Geschäftsordnung geben und nennt die Worte Kirchmanns „Grobheiten“. — Dafür wird er, auf das Verlangen der Linken, zur Ordnung gerufen. — Nach einigen anderen faktischen Berichtigungen berichtigt</p> <p><hi rendition="#g">Jakobi</hi>: Der Abg. Kirchmann ist ohne Ursache zur Ordnung gerufen worden. Seine Worte: „die Handlungen der Minister sind als glänzende Laster anzusehen“, das ist keine Beleidigung, das ist ein Urtheil ‥‥</p> <p>Minister v. d. <hi rendition="#g">Heidt:</hi> <hi rendition="#b">Das Ministerium kann den Abgeordneten das Recht nicht zugestehen ein Urtheil über das Ministerium auszusprechen.</hi> Links: Bravo! Bravo! Allgemeine Heiterkeit.) Sie haben das Recht eine Anklage gegen das Ministerium zu erheben, aber nicht das Urtheil auszusprechen (!!!!)</p> <p>Endlich beruhigt sich die Kammer und die Adreßdebatte wird fortgesetzt. Mehrere Redner sprechen für und gegen den Entwurf. Wir geben einige Auszüge davon.</p> <p><hi rendition="#g">Unruh</hi> kann in der Wahl zu den Kammern keine unbedingte Annahme der Verf. erkennen. Das Gesetz vom 6. April ist der Rechtsboden auf dem wir stehen. Durch die Verf. kann das Gesetz vom 6. April nicht aufgehoben werden. Das Volk will sich das Gesetz erhalten und nicht durch die Anerkennung der Verf. nehmen lassen. Fragen Sie Ihre Wähler, die werden ebenso antworten. … Die Angriffe gegen die aufgelöste Nat.-Vers. sucht der Redner mit Glück zu widerlegen. Dem Vorwurf der Uneinigkeit, den man der Nat.-Vers. macht, stellt der Redner grade die große Majorität entgegen, mit der alle Beschlüsse in der letzten Zeit ihrer Wirksamkeit gefaßt wurden. Er erinnert an die große Einigkeit, die am 2. November herrscht, wo selbst ein Mitglied dieses Ministeriums an den Beschlüssen seine Zustimmung gab und sogar Mitglied der bekannten Deputation war.…</p> <p>Justizminister <hi rendition="#g">Rintelen:</hi> Es ist wahr, daß er an dem Beschlusse am 2. November Theil genommen. Seine ganze Partei hatte beschlossen dem Antrage entgegenzutreten; da aber vorauszusehen, daß sie nicht die Majorität erhalten würden, betheiligten sie sich an dem Beschlusse, um ihm seine Härte zu nehmen. Nachher gestaltete sich die Lage so, daß seine Liebe zum Vaterlande ihm gebot ins Ministerium einzutreten.</p> <p><hi rendition="#g">Auerswald</hi> gibt zu, daß die Verfassung erst durch die Anerkennung des Volkes rechtsgültig geworden sei.</p> <p><hi rendition="#g">Griesheim</hi> sieht sich veranlaßt, eine faktische Berichtigung über seine durch öffentliche Blätter verbreitete Aeußerung in der Abtheilung zu geben. Der Vorsitzende der Abtheilung (Philipps) habe dort erzählt, daß man schon im Juli v. J. den Gedanken an eine Oktroyirung der Verfassung gehabt habe. Er erzählt den bekannten Vorfall und schließt, daß er gesagt: Man habe schon damals die Leichen riechen können.</p> <p>Dieser Zwischenfall gibt wieder Veranlassung zu vielen faktischen Bemerkungen, welche kein Ende erreichen. Die Rechte beantragt den Schluß der Debatte, doch die Linke und das neugebildete rechte Centrum ist dagegen. —</p> <p>Auf eine Aeußerung des Abg. <hi rendition="#g">Schneider</hi> (Schönebeck), das Ministerium habe das Vertrauen des Landes nicht, macht Graf <hi rendition="#g">Ziethen</hi> die faktische Berichtigung, daß er als Abg. einer großen Stadt, von seinen Wählern behaupten könne, daß das Ministerium dies Vertrauen wohl besitze. Er will sich noch in weitere Redensarten ergehen, wird aber von der Tribune heruntergetrommelt.</p> <p>Endlich wird der Schluß der Debatte angenommen und <hi rendition="#g">Vinke,</hi> als Referent der Adreßkommission, sucht nochmal in einer langen Rede alle Einwendungen der Linken gegen seinen Entwurf und gegen die Rechtsgültigkeit der Verfassung zu widerlegen.</p> <p>Endlich kommt man zur Abstimmung über § §. 1 und 2 der Adresse. Zuerst wird über den D'Ester'schen Entwurf abgestimmt, welcher nach namentlicher Abstimmung mit 256 gegen 62 St. <hi rendition="#g">verworfen</hi> wird. — (Die äußerste Linke besteht demnach aus 62 Mitgliedern. Die Linke, Rodbertus, Berg, Kirchmann, Philipps stimmten gegen diesen Entwurf.) Auch das Rodbertus'sche Amendement §. 1 wird <hi rendition="#g">verworfen</hi>. Ueber §. 2 dieses Amendements wird namentlich abgestimmt und dasselbe mit 212 gegen 120 St. <hi rendition="#g">verworfen</hi>. (Die äußerste Linke und die ganze Rechte stimmt dagegen). — Ebenso wurden die Amendements von <hi rendition="#g">Thiel</hi>, von <hi rendition="#g">Kosch</hi> und Genossen und von <hi rendition="#g">Pape</hi> und Genossen nach und nach <hi rendition="#g">verworfen</hi>.</p> <p>Jetzt kam man zu dem Commissions-Entwurf. Nach namentlicher Abstimmung wird<lb/><hi rendition="#et">§. 1 des Entwurfs mit 172 gegen 161, und<lb/> §. 2 desselben mit 175 gegen 158 Stimmen <hi rendition="#g">angenommen</hi>.</hi> (Schluß der Sitzung.)</p> </div> <div xml:id="ar253_008" type="jArticle"> <head>Königsberg, 17. März.</head> <p>Die Genehmigung zu dem von den Gewerken, der Bürgerwehr, den Arbeitervereinen etc. zum 18. März beabsichtigten Festzuge durch die Stadt ist vom interimistischen Polizeipräsidenten, Regierungsrath Peters, versagt worden. Als die bei Letzterm erschienene, vom Festcomite abgesendete Deputation, der auch die HH. Walesrode und Stud. Meihe ange- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1418/0002]
Vers 5: Umstürzen und niederreißen, das ist die Baukunst des jetzigen Geschlechts; theils mit Bewußtsein, theils in dunkelem Gefühl, sucht man den Eckstein, V. 6: um ihn zu zertrümmern; denn ihm allein, nicht dem Gebäude, ist der Untergang geschworen. V. 7: Sie wollen wiederbauen auf einem andern Grunde, die armen Thoren, und wissen nicht, daß nur der Eckstein bleibt und alles Andere schwindet. V. 8: Was man bisher gebaut, ist Menschenwerk; den Eckstein aber, den hat Gott gelegt, und nicht die fata morgana der Radikalen, Vers 9: nein, das Gebäude, was schon Moses schaute, wird aus den Trümmern aufgerichtet werden.“
Man bewundere den Zusammenhang und die kühne Gedankenfolge dieser „neuen preußischen“ Weissagungen auf das feudale christlich-germanische Himmelreich, das für diese braven Prediger wieder nahe herbei gekommen ist. Die Inspiration von oben, die göttliche Trunkenheit der Prophetin blitzt aus jedem Wort, namentlich aber aus jedem Uebergang hervor. Selbst der Prophet Ezechiel verstand es nicht so gut,Subjekt und Prädikat malerisch durcheinander zu werfen, wie diese neuesten Männer Gottes.
Diese strengen Kirchenväter übrigens, die der irdischen Majestät den Beruf geben, vermittelst „Meines herrlichen Kriegsheeres“ die wühlerische Sünde in jeder Gestalt mit Stumpf und Stiel auszurotten, haben zuweilen selbst Momente der Barmherzigkeit und des wehmüthigen Mitgefühls für die armen verlornen Kinder der Finsterniß, die Demokraten. In Nr. 62 entdeckt ein würdiger Demokraten. In Nr. 62 entdeckt ein würdiger Seelsorger, daß die Halle'sche demokratische Zeitung der Contrerevolution allen dauernden Erfolg abspricht, weil die Grundlage aller reaktionären Macht, der religiöse Glaube, seine Wurzeln im Volk verloren habe. Hocherfreut nimmt er sogleich zu Protokoll, daß der „Glaube“, selbst nach Aussage der Demokraten, die Wurzel aller guten preußischen Gesinnung, alles Gehorsams gegen die Obrigkeit ist, und schließt aus diesem ehrlichen Eingeständniß der Halle'schen demokratischen Zeitung, daß sie es wenigstens ehrlich meint, und daher wohl noch zur Buße zu bringen sei.
Ob der Herr Pastor mit seiner Hoffnung auf Bekehrung der Halle'schen demokratischen Zeitung Aussicht auf Erfolg hat, können wir nicht wissen, da wir das Blättchen nicht kennen.
Bewundern aber müssen wir die Naivetät des wohlehrwürdigen Herrn, der die Aeußerung irgend eines demokratischen Lokalblatts als das Programm der demokratischen Partei sofort aufgreift und mit beiden Händen festhält. Wir für unser Theil versichern wenigstens dem Herrn Pastor daß es uns höchst gleichgültig ist, ob das Volk „den Glauben“ hat und was für einen „Glauben“ es hat. Man muß wirklich Gottes Wort vom Lande oder sonst ein Stück Theoloe sein, um sich nach den letzten Erfahrungen noch einzubilden, daß Volk, die revolutionären Proletarier und Bauern würden ihre irdische Existenz ihrer himmlischen Hoffnungen opfern, und ihren hungrigen Magen mit Brodkarten abspeisen die erst in irgend einer andern Welt zahlbar sind. Unsere Proletarier und Bauern verlangen handgreiflichere, materiellere Kost als Bibelsprüche und preußische Litaneien, um somehr als sie sehen, daß die Herren Konsistorialräthe sich für ihre Bemühungen recht artig zahlen lassen und bis zum vierzigsten Jahre regelmäßig ein ganz hübsches Bäuchlein anlegen.
Genug. Der Herr Pastor glaubt nun einmal, die Hallische demokratische Zeitung, die bereits den Glauben an den Glauben hat, sei noch zu bekehren. Einem so wohlmeinenden Blatt gegenüber wäre tertullianische Strenge höchst unchristlich. Wo das Herz noch nicht ganz verhärtet ist, muß man mit eindringlicher, liebevoller Ermahnung anpochen. Und so geschieht's:
„Bei Lesung des ganzen Artikels hat uns, warum sollten wir es nicht gestehen? ein schmerzliches Gefühl des Mitleids gegen die bis zum Wahnsinn bethörten und verzauberten Menschen ergriffen, nicht als fürchteten wir, daß dadurch viele verführt werden könnten, wiewohl ein Tropfen zum andern kommt, und schon die allmählige Gewöhnung an solche Stimmen der freien Presse sittlich schadet, — sondern daß die Rädelsführer doch gewiß selbst so verführt sind, das thut schmerzlich weh. Aber wir gehen jetzt an diese Gefühle vorüber, weil es sich nicht unterdrücken läßt, wir halten uns an die Demonstration selbst.“
Welche Milde und Sanftmuth; welche apostolische Wärme in diesen tiefgefühlten Worten! Gewiß, die Hallesche demokr. Ztg. wird dieser Vermahnung nicht widerstehen, sie wird ablassen von den Pfaden des Teufels, auf die sie sich verirrte, sie wird zu Bruder Leo und Gerlach in die Betstunde gehen!
Ob übrigens das Volk „den Glauben“ habe, schließt unser Pastor, sei ziemlich gleichgültig. Seine letzte Hoffnung sei vielmehr der Glaube selbst, der Glaube allein, welcher Alles vermag, und wo er abhanden gekommen ist, auch wiederkommen kann, welcher auch die Rädelsführer selbst ereilen, auch den Verfasser jenes Artikels (in der Hall. dem. Ztg.) überwinden kann. Und welcher Christ wollte seinen Feinden nicht diese Wohlthat für Zeit und Ewigkeit wünschen…“Möchte sich doch auch an den Demokraten oder an ihrer Einem die selige Macht dieses allerheiligsten Glaubens bald bewähren!“
Edelmüthigster aller Landprediger ! Wir sind weit entfernt, Ihre wohlwollenden und menschenfreundlichen Absichten zu verkennen. Wir wissen im Gegentheil sehr gut, daß es in der sogenannten demokratischen Partei Leute genug gibt, die selbst nicht weiter sind als in ihrer Carriere gestörte Landprediger. Solche Leute sitzen sogar in der Berliner Kammer bis auf die äußerste Linke. Sie würden nicht nur sich ein großes Verdienst erwerben, sondern auch uns einen nicht zu ermessenden Gefallen thun, wenn Sie diese armen Verirrten,
…des Völkerfrühlings
Kolossale Maienkäfer,
Von Berserkerwuth ergriffen
auf den rechten Glaubensweg zurückführen wollten. Wir sind
[Deutschland] _ * Köln, 22. März. Wollt Ihr wissen, wozu Ihr sogenannte Volksvertreter nach Berlin gesandt habt? Les't die gestrige Sitzung der zweiten Kammer.
Der Abgeordnete Kirchmann greift bei der Adreßdebatte das Ministerium an und schließt mit der Phrase: „Die Tugenden der Minister sind nichts als glänzende Laster“.
Sofort erhebt sich Se. Excellenz der Herr Generallieutenant und Ministerpräsident Exgraf v. Brandenburg Hochgeboren. Dies possierliche Männchen, das gar nicht einmal Mitglied der Kammer ist, mischt sich in die innern Angelegenheiten der Kammer und verlangt, daß der Abgeordnete Kirchmann zur Ordnung gerufen werde!
Der Bürgermeister Grabow Hochwohlgeboren, Präsident der Kammer beeilt sich dem Kommando des Hrn. Generallieutenants submissest Folge zu leisten und ruft Hrn. Kirchmann zur Ordnung.
Daß die Linke nach dieser impertinenten und vom Präsidenten ohne Weiteres sanktionirten Einmischung eines Ministers, der gar nicht einmal Abgeordneter ist, in die innern Angelegenheiten der Kammer, nicht sofort aufstand und den Saal verließ, begreife wer da kann!
Genug, sie blieb. D'Ester erhob sich und protestirte gegen die Impertinenz des ungewählten Ministers. Eine Debatte entspinnt sich. Jacobi nimmt das Wort: die Phrase des Abgeordneten Kirchmann schließt keine Beleidigung des Ministeriums in sich, sondern bloß ein Urtheil.
Das ist aber eben der Punkt. Se. Excellenz der Hr. Banquier, Seidenhändler, Pietist, Parvenu und Handelsminister August von der Heydt, eine Figur, die nächstens in unserm Feuilleton erscheinen wird, erklärt mit dürren Worten Folgendes:
„Das Ministerium kann den Abgeordneten das Recht nicht zugestehen, ein Urtheil über das Ministerium zu fällen!“
Pends-toi, jeune Saedt, tu n'aurais pas inventé cela!
Und das „Urtheil“, das Hr. August von der Heydt im vorigen März zu Elberfeld in einer öffentlichen Versammlung über Se. Majestät, seinen jetzigen gottbegnadeten König „zu fällen das Recht sich zugestand“, und das wir neulich mittheilten:
„Dieser Mensch hat uns so oft belogen, daß wir ihm nicht mehr trauen können; wir müssen Garantien gegen ihn haben!“
Die Linke schrie ein ironisches Bravo und lachte zu der Aeußerung des Herrn Seidenhändlers von der Heydt. Sie verlangte nicht einmal, daß der Parvenu-Minister zur Ordnung gerufen wurde.
Hätte die Linke die Majorität, so hätte sie das Recht zu solchen ministeriellen Gaucherieen zu lachen. Dann aber würden die Herren Minister sich auch vor solchen Gaucherieen hüten.
Die Linke ist aber in der Minorität, und da muß sie alle diese arroganten Bemerkungen hinnehmen. Der Hr. Minister von der Heydt hat es gesagt, ohne zur Ordnung gerufen zu werden: sie hat kein Urtheil über das Ministerium!
Allen französischen Kammern der schlimmsten Restaurationszeit von 1815 — 1830 ist nicht so viel Insolenz geboten worden als der preußischen s. g. zweiten Kammer vom 26. Februar bis zum 21. März. Die preußische Kammer hat das Alles ruhig hingenommen.
Meine Herren „Volksvertreter“! Auseinandergejagt werden Sie doch. Es giebt nur Ein Mittel dem zu entgehn: Gehen Sie bei der nächsten sporenklirrenden Sottise, die Ihnen das Ministerium in die Zähne wirft, von selbst nach Hause!
078 Crefeld, 20. März. Hier sind wir außer einem konstitutionell-demokratischen Milch- und Wasserverein auch mit einem ächten „Preußenverein“ beglückt, in welchem alle reationäre Geldsäcke, Büreaukraten, Pfaffen etc. ihr tolles Wesen treiben. — Will Jemand diesen Verein besuchen, so wird schon an der Thüre des Vereinslokals eine genaue Untersuchung mit ihm angestellt. Er wird unerbittlich zurückgewiesen, wenn man eine entfernte Anlage zu einer demokratischen Idee bei ihm wahrnimmt. — Hat ein Fremder endlich die von Cerberussen bewachte Thür passirt, so wird er im Lokal selbst nochmals einer genauen Beobachtung unterworfen, und wehe dem armen Schlucker, wenn ein „juter Breuße“ die Entdeckung an ihm macht, daß er nicht durch und durch „schwarz-weiß“ ist. Er wird ohne Weiteres zur Thür hinaus spedirt.
Unter den Eulen mit Gott für König und Junkerschaft macht sich vor Allen der hiesige katholische Pfarrdechaut, Komitemitglied des gottbegnadeten Vereins, bemerklich. Sonntag vor acht Tagen suchte er seinen Zuhörern in einer langen Predigt zu beweisen, daß es keine Regierung in Europa gebe, die so weise und gerecht handle, der das Wohl der „Unterthanen“ so sehr am Herzen liege als gerade die des Potsdamer Königs. — Schade um die Mühe des Biedermannes. Die Mehrzahl der hiesigen Einwohner ist sozial-demokratisch gesinnt, und wenn sie auch jetzt noch schweigen müssen, da ihre Existenz von den reaktionären Geldsäcken abhängt, so werden sie doch bei der nächsten Gelegenheit mit diesen Nachteulen eine Abrechnung halten, daß ihnen die Augen übergehen sollen.
Ein hiesiger protestantischer Lehrer, der fünf Kinder verführt hatte, erhielt von den Heulern 300 Thaler, um damit nach Amerika zu entfliehen. — Der schwarz-weiße Lämmelbruder hatte Verbindungen mit vornehmen Familien, und so wurde es ihm möglich, der Justiz zu entschlüpfen. — Die Frommen ärgern sich gewaltig, daß er so dumm war, sich erwischen zu lassen.
126 Eschweiler, 20. März. Wer hätte denken sollen, daß mit dem Einrücken des Militärs über unser so friedliches Städtchen auch der Belagerungszustand verhängt werden würde! Lachen Sie nicht, denn es ist dem wirklich so. Obgleich derselbe nicht geradezu ausgesprochen worden, so zeigen doch die Verfügungen unseres so gesetzkundigen (?) Bürgermeisters, Quadflieg heißt der Mann, daß Ausnahmezustände eingetreten sind. Unter Strafandrohungen von 1-5 Thlr. wurde Schießen in einer Entfernung von 500 Schritt von Gebäuden, Wegen und öffentlichen Plätzen verboten, (?) mußten die Wirthshäuser um 10 Uhr geschlossen sein und dergl. mehr. Zugleich wurde in der würdigen Person des Dr. L. der hiesigen längst eingeschlafenen Bürgerwehr ein Major oktroyirt, dessen Tagesbefehl Sie aus dem beiliegenden hiesigen Blatte, worin er auch die berliner März-Revolution eine „großartige Schlägerei“ nennt, entnehmen können. Neben einer 50 Mann starken Wache wurde noch eine Compagnie aus Jülich requirirt, welche in der Nacht vom 18. auf den 19. in unserer Nähe zwischen Dürwiß und Fröhnhofen bivouakirte. Damit nun aber auch diese Maßregeln einen Anschein der Nothwendigkeit haben sollten, sah man am 19. im Hause des Dr. L. vier zerbrochene Fensterscheiben, welche er, wie hier allgemein behauptet wird, selbst zerbrochen hat, um so andere verdächtigen zu können. Gegen ein derartiges Treiben haben sich denn endlich die hiesigen Bürger erhoben und noch heute geht eine mit über 700 Unterschriften versehene Petition an die Regierung ab, uns den Bürgermeister vom Halse zu schaffen. (Dann wird der Bürgermeister erst recht bleiben!)
* Berlin, 20. März. Zur Feier des 18. März hielt der Abg. Minsberg in Bunzlau eine große Volksversammlung ab. Wahrscheinlich zum eigenen Schutz derselben hatte das Militär ein Carré um sie geschlossen. Man schützte sie sogar durch geladene Kanonen, die merkwürdiger Weise gegen sie gerichtet waren.
Heute Nachmittag um 5 Uhr ist Ministerialrath in Betreff der Gronewegschen Angelegenheit.
Gestern Abend war in der Landsberger Straße noch ein von der Obrigkeit provocirter Krawall. Das Volk begnügte sich wieder die Konstabler durchzukeulen und damit endete Alles.
Sitzung der zweiten Kammer.
Nach Eröffnung der Sitzung verlangt der Finanzminister das Wort. Er überreicht den Staatshaushalt für das Jahr 1849 um denselben von der hohen Kammer feststellen und prüfen zu lassen, und trägt darauf an ihn einer besondern Commission zu überweisen. Zugleich benutzt er die Gelegenheit um zu erklärrn, daß das durch viele Zeitungen verbreitete Gerücht von einer beabsichtigten Anleihe von 70 Millionen Thaler völlig unbegründet sei. Auch sind keineswegs Unterhandlungen mit auswärtigen Bankierhäusern angeknüpft worden. Aus den noch vorzulegenden Nachweisungen über die Staatsrechnungen vom Jahr 1848 wird die Kammer ersehen, daß die Staatskassen im Stande waren alle Ausgaben zu bestreiten. Der Finanzminister versichert, daß die laufenden Einnahmen zur Zeit hinreichen, alle Ausgaben zu decken. —
Der Präsident Grabow befragt die Kammer, ob sie die Ueberweisung der Finanzvorlagen einer Commission genehmige, welches fast einstimmig bejahet wird. —
Hierauf geht man in der Adreß-Debatte weiter.
Kirchmann greift das Ministerium, die Octroyirung der Verfassung, die rechte Seite des Hauses mit ihrer Anerkennung und Gültigkeitserklärung der Verfassung in einer längern ironisch gehaltenen Rede an. Er sagte u. A.: Will man aber durchaus sich auf den Rechtsboden stellen, so muß man doch zugeben, daß die Ertheilung der Verfassung am 5. Decbr. ein Staatsstreich war. Man muß erstaunen über die revolutionären Gründe, die zur Unterstützung dieser Maßregel vorgebracht sind. Man spricht von deren Nothwendigkeit, vom Volkswillen, der die Octroyirung verlangte u. s. w. Wer kann da die Revolution leugnen? … Man entschuldigt die Octroyirung der Verfassung mit der Unfähigkeit der Nat. Vers. Es ist aber jetzt ein öffentliches Geheimniß geworden, — daß umgekehrt die sich immer mehr und mehr vergrößernde Fähigkeit (?) der Nat. Vers. daran Schuld war und die Auflösung der N. V. herbeiführte … die Verfassung wird ja aber selbst von unserer Regierung als rechtbestehend noch nicht angesehen. Will eine Gemeinde in Folge der Verf.-Bestimmungen ihre kirchlichen Angelegenheiten selbst ordnen, da sagt das Ministerium „nein“, das sind bis jetzt nur erst „Versprechungen“, dazu habt ihr erst später ein Recht. Wird ein Geistlicher vom Consistorium seiner Stelle entsetzt und er beruft sich auf die Verfassung, so heißt es wieder, das sind nur erst „Versprechungen“. Der Bauer beruft sich auf die, in der Verf. ausgesprochene Aufhebung aller Privilegien, das sind noch „Versprechungen“. Nichts ist uns durch die Verf. geworden, als die vom Ministerium angeordnete mildere Bestrafung der Diebe. (Heiterkeit.) Wir leben seit Ertheilung der Verf. unter einem Säbelregiment. Die Grundrechte des Volkes sind aufgehoben. … Ich habe weder Vertrauen noch Furcht. Mißtrauen zunächst dem Ministerium gegenüber. Das was sie dem Lande an Freiheit gegeben haben, ist nicht ihr Werk, es ist vielleicht gegen ihren Willen geschehen. Sehen wir die vielen Tausend politische Untersuchungen, die man im ganzen Lande anhängig gemacht, sie übersteigen die Demagogenriechereien unter dem Ministerium Camptz. … Im Schlußsatz der Rede hesßt es: „Die Handlungen der Minister sind als glänzende Laster anzusehen.“
Der Ministerpräsident verlangt vom Präsidenten Grabow, daß er das Staatsministerium vor Beleidigungen zu schützen habe und verlangt, daß der letzte Redner zur Ordnung gerufen werde. —
Diese Worte rufen einen allgemeinen Sturm hervor. Der unpartheiische Präsident folgt jedoch dem Befehle des Ministerpräsidenten und ruft den Abg. Kirchmann zur Ordnung.
Das erregt die größte Erbitterung auf der Linken, man ruft: Redefreiheit! Redefreiheit darf nicht geschmälert werden!
Unter allgemeiner Aufregung erhält zur Geschäftsordnung das Wort:
D'Ester (gegen den Minister gewendet sehr gereizt): Es steht dem Herrn Ministerpräsidenten, da er nicht Mitglied dieser Kammer ist, keinesfalls zu, in Angelegenheiten der Geschäftsordnung das Wort zu ergreifen. Das Ministerium kann nicht verlangen, daß ein Abgeordneter zur Ordnung gerufen werde. Den Herrn Präsidenten Grabow muß ich jedoch darauf aufmerksam machen, daß er mir gestern das Wort verweigerte, als ich von dem Abgeordneten Vincke persönlich beleidigt worden war. …
Vincke will seine gestrige Rede, den Abgeordneten D'Ester betreffend, rechtfertigen und wiederholt seine gestrigen Worte, die aber von D'Ester wieder berichtigt werden müssen, da sie Vincke unrichtig wiedergab.
Eine Menge Redner sprechen einer nach dem Andern zur Geschäftsordnung über diese Angelegenheit. Parrisius schließt seine Worte: die Minister sind da, daß wir sie angreifen. (Allgemeine Heiterkeit.)
Minister v. d. Heydt: Wenn die Angriffe auf das Ministerium in männlicher Weise ergehen, werden wir die Antwort nicht schuldig bleiben, auf Injurien bleibt uns nur ein Ordnungsruf.
Auch der Abgeordnete v. Bismark muß sein Wort zur Geschäftsordnung geben und nennt die Worte Kirchmanns „Grobheiten“. — Dafür wird er, auf das Verlangen der Linken, zur Ordnung gerufen. — Nach einigen anderen faktischen Berichtigungen berichtigt
Jakobi: Der Abg. Kirchmann ist ohne Ursache zur Ordnung gerufen worden. Seine Worte: „die Handlungen der Minister sind als glänzende Laster anzusehen“, das ist keine Beleidigung, das ist ein Urtheil ‥‥
Minister v. d. Heidt: Das Ministerium kann den Abgeordneten das Recht nicht zugestehen ein Urtheil über das Ministerium auszusprechen. Links: Bravo! Bravo! Allgemeine Heiterkeit.) Sie haben das Recht eine Anklage gegen das Ministerium zu erheben, aber nicht das Urtheil auszusprechen (!!!!)
Endlich beruhigt sich die Kammer und die Adreßdebatte wird fortgesetzt. Mehrere Redner sprechen für und gegen den Entwurf. Wir geben einige Auszüge davon.
Unruh kann in der Wahl zu den Kammern keine unbedingte Annahme der Verf. erkennen. Das Gesetz vom 6. April ist der Rechtsboden auf dem wir stehen. Durch die Verf. kann das Gesetz vom 6. April nicht aufgehoben werden. Das Volk will sich das Gesetz erhalten und nicht durch die Anerkennung der Verf. nehmen lassen. Fragen Sie Ihre Wähler, die werden ebenso antworten. … Die Angriffe gegen die aufgelöste Nat.-Vers. sucht der Redner mit Glück zu widerlegen. Dem Vorwurf der Uneinigkeit, den man der Nat.-Vers. macht, stellt der Redner grade die große Majorität entgegen, mit der alle Beschlüsse in der letzten Zeit ihrer Wirksamkeit gefaßt wurden. Er erinnert an die große Einigkeit, die am 2. November herrscht, wo selbst ein Mitglied dieses Ministeriums an den Beschlüssen seine Zustimmung gab und sogar Mitglied der bekannten Deputation war.…
Justizminister Rintelen: Es ist wahr, daß er an dem Beschlusse am 2. November Theil genommen. Seine ganze Partei hatte beschlossen dem Antrage entgegenzutreten; da aber vorauszusehen, daß sie nicht die Majorität erhalten würden, betheiligten sie sich an dem Beschlusse, um ihm seine Härte zu nehmen. Nachher gestaltete sich die Lage so, daß seine Liebe zum Vaterlande ihm gebot ins Ministerium einzutreten.
Auerswald gibt zu, daß die Verfassung erst durch die Anerkennung des Volkes rechtsgültig geworden sei.
Griesheim sieht sich veranlaßt, eine faktische Berichtigung über seine durch öffentliche Blätter verbreitete Aeußerung in der Abtheilung zu geben. Der Vorsitzende der Abtheilung (Philipps) habe dort erzählt, daß man schon im Juli v. J. den Gedanken an eine Oktroyirung der Verfassung gehabt habe. Er erzählt den bekannten Vorfall und schließt, daß er gesagt: Man habe schon damals die Leichen riechen können.
Dieser Zwischenfall gibt wieder Veranlassung zu vielen faktischen Bemerkungen, welche kein Ende erreichen. Die Rechte beantragt den Schluß der Debatte, doch die Linke und das neugebildete rechte Centrum ist dagegen. —
Auf eine Aeußerung des Abg. Schneider (Schönebeck), das Ministerium habe das Vertrauen des Landes nicht, macht Graf Ziethen die faktische Berichtigung, daß er als Abg. einer großen Stadt, von seinen Wählern behaupten könne, daß das Ministerium dies Vertrauen wohl besitze. Er will sich noch in weitere Redensarten ergehen, wird aber von der Tribune heruntergetrommelt.
Endlich wird der Schluß der Debatte angenommen und Vinke, als Referent der Adreßkommission, sucht nochmal in einer langen Rede alle Einwendungen der Linken gegen seinen Entwurf und gegen die Rechtsgültigkeit der Verfassung zu widerlegen.
Endlich kommt man zur Abstimmung über § §. 1 und 2 der Adresse. Zuerst wird über den D'Ester'schen Entwurf abgestimmt, welcher nach namentlicher Abstimmung mit 256 gegen 62 St. verworfen wird. — (Die äußerste Linke besteht demnach aus 62 Mitgliedern. Die Linke, Rodbertus, Berg, Kirchmann, Philipps stimmten gegen diesen Entwurf.) Auch das Rodbertus'sche Amendement §. 1 wird verworfen. Ueber §. 2 dieses Amendements wird namentlich abgestimmt und dasselbe mit 212 gegen 120 St. verworfen. (Die äußerste Linke und die ganze Rechte stimmt dagegen). — Ebenso wurden die Amendements von Thiel, von Kosch und Genossen und von Pape und Genossen nach und nach verworfen.
Jetzt kam man zu dem Commissions-Entwurf. Nach namentlicher Abstimmung wird
§. 1 des Entwurfs mit 172 gegen 161, und
§. 2 desselben mit 175 gegen 158 Stimmen angenommen. (Schluß der Sitzung.)
Königsberg, 17. März. Die Genehmigung zu dem von den Gewerken, der Bürgerwehr, den Arbeitervereinen etc. zum 18. März beabsichtigten Festzuge durch die Stadt ist vom interimistischen Polizeipräsidenten, Regierungsrath Peters, versagt worden. Als die bei Letzterm erschienene, vom Festcomite abgesendete Deputation, der auch die HH. Walesrode und Stud. Meihe ange-
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(2017-03-20T13:08:10Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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(2017-03-20T13:08:10Z)
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(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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