Neue Rheinische Zeitung. Nr. 258. Köln, 29. März 1849.Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 258. Köln, Donnerstag, den 29. März 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. - Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. Nur frankirte Briefe werden angenommen Expedition Unter Hutmacher Nro. 17. Bestellungen auf die Neue Rheinische Zeitung für das II. Quartal (April-Juni) bitten wir möglichst frühzeitig zu machen. Unsere auswärtigen geehrten Abonnenten machen wir darauf aufmerksam, daß die Abonnements jedesmal am Schlusse des Quartals bei den Postämtern erneuert werden müssen. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Zur schlesischen Milliarde.) Unna. (Krawall.) Berlin. (Klatsch. - Kammern. - Preßgesetz. - Auslegung. - Ministerial-Soireen-Einladungskarten-Revolution.) Erfurt. (Belagerungszuständliches.) Wien. (Vermischtes.) Prag. (Aufruf der Slowanska-Lipa.) Altona. (Revolutionsfeier.) Frankfurt. (National-Versammlung.) Freiburg. (Prozeß gegen Struve und Blind.) Franz. Republik. Paris. (Vermischtes. - National-Versammlung.) Bourges. (Prozeß der Maigefangenen.) Polen. Lemberg. (Kommandirte Illumination. - Zwei servile Adressen.) Ungarn. (Kriegsschauplatz) Preßburg. (Verurtheilungen.) Italien. (Vom Kriegsschauplatze.) Rom. (Die Constituante.) Neapel. (Zustände in den Provinzen.) Turin. (Die Ergänzungswahlen.) Venedig. (Manin's erstes diktatoriales Dekret.) Spanien. Madrid. (Unzufriedenheit der Karlisten mit Montemolin) Deutschland. * Köln, 27. März. Unter dem Titel "Regulirung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse" wußte sich die preußische Ritterschaft nicht lange nach den sogenannten "Freiheitskriegen" ein Gesetz zurecht zu machen, das alle ihre Herzenswünsche befriedigte, und in der praktischen Ausführung noch übertraf. Die Gesetzesmacher, den König, die Prinzen, die Minister und den ganzen Staatsrath einbegriffen, waren als Besitzer einer größern oder kleinern Zahl Rittergüter ganz direkt bei jener Regulirung interessirt, waren Partei gegen die Bauern. Von blödsinnigen oder bezahlten Publizisten des In- und Auslandes als unendlich freisinnig gepriesen, war jenes Gesetz über Ablösung der Feudallasten eine unversiegliche Quelle namenlosen Elends und unverschämtester Plünderei für das Landvolk, eine unerschöpfliche Goldgrube für die schwelgende Ritterschaft und denjenigen Theil der preußischen Büreaukratie, der mit Ausführung dieser schlau ersonnenen Ablösung beauftragt war. Hätten Tausende von Räuberbanden das Land durchzogen und in allnächtlichen Einbrüchen Hab' und Gut des Landvolks hinweggeschleppt: des Unglücks hätte man sich getrösten, den Schaden verschmerzen und ersetzen können, während vor dieser ägyptischen Landplage der "Ablösung" und ihren Folgen keine Rettung, kein Verschmerzen und Getrösten übrig blieb. Mit unsichtbarer Dinte hatte die gesetzgebende Kaste die Dante'sche Inschrift über dem Höllenthor an den Eingang jener "Ablösungs"-Ordnung hingestellt. Erst in der Praxis wurde sie den Bauern leserlich, sie buchstabirten und lasen, daß ihnen die Augen vor stechendem Schmerz, den Rittern dagegen vor tiefinnerlichster Wonne übergingen, und wenn jetzt der Bauer abermals von "Ablösung," von "Entschädigung" der hohen Herren etc. reden hört, so rieselt ihm die Bedeutung der Inschrift: "Lasciate ogni speranza voi che untrate" (Eintretend hier laßt jede Hoffnung fahren!) kalt über den Rücken. Wie viel allein die schlesische Ritterschaft mittelst jenes königl. preuß. Ablösungsgesetzes in circa 30 Jahren aus dem nun "abgelösten" Theil der ländlichen Bevölkerung herausgelöst hat: ist in einer frühern Nummer d. Bl. berechnet worden. Erinnern wir uns daran, daß durch jenes Gesetz wegen "Regulirung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse," den Gutsherrn eine enorme Entschädigung für Feudallasten zugewandt wurde, die schon längst unentgeldlich hätten abgeschafft sein müssen. Den Raubrittern wurde der 20- bis 25fache Betrag für die bisherigen Leistungen der Bauern zugesprochen, und baar oder in Renten oder Aeckern entrichtet. Statt daß die Bauern für den Raub, den die Ritterschaft so lange an ihnen begangen, entschädigt worden wären, verlangte und erhielt durch jenes Gesetz die noble Ritterschaft noch eine Entschädigung, die den feudalen Raub unter einer bürgerlichen legalen Form verewigte. Aber die Scheußlichkeit des Gesetzes wurde durch die Art seiner Ausführung noch erhöht. Werfen wir jetzt einen Rückblick auf das dabei beobachtete Verfahren, auf die praktische Anwendung des Gesetzes. Diese war in unterster Instanz den k. Oekonomie-Kommissarien und ihren Gehülfen, den k. Vermessungs-Kondukteurs und Aktuarien übertragen. Ueber ihnen schalteten und walteten gleich Pascha's die berüchtigten General-Kommissionen. War der Ablösungsantrag gestellt worden, so erschien der Herr Oekonomie-Kommissarius und Komp. im Dorfe, um die erste Verhandlung aufzunehmen. Die Herren Ritter, die sich stets auf gute Geschäftchen verstanden, luden diese jetzt über Alles wichtigen Beamten zu sich auf's Schloß, wo man sie auf's Trefflichste bewirthete und bearbeitete. Oft hatte die Bearbeitung schon früher stattgefunden, und da die Herren Ritter den Champagner nicht sparen, wenn etwas dadurch erreicht werden kann, so waren die patrimonialvergnüglichen Bemühungen meist erfolgreich. Sicher gab's unter der fraglichen Klasse von königl. Beamten auch solche, die sich den klingenden und schäumenden Beweisgründen für die "wohlerworbenen Rechte" und Ansprüchen der Ritter unzugänglich zeigten: aber eben so sicher bildeten gerade diese bei Weitem nicht die Mehrzahl. In Fällen, wo der Oekonomie-Kommissarius seinerseits sich genau an's Gesetz hielt, nutzte es den Bauern wenig, sobald z. B. der Kondukteur vom Dominialherrn oder dessen Rentmeister, Oberamtmann, Wirthschaftsinspektor etc. gewonnen war. Fälle dieser Art kamen in großer Zahl vor. Noch schlimmer für die Bauern, wenn, wie in der Regel geschah, zwischen Oekonomie-Kommissarius, Kondukteur und Patrimonialherrn das herzlichste Einverständniß herrschte. Dann war das ritterliche Herz fröhlich und guter Dinge. In seiner ganzen Machtfülle, womit namentlich das altpreußische Beamtenthum seine Angehörigen zu umkleiden wußte, trat jetzt der k. Kommissarius unter die im Gerichtskretscham (Schenke, worin alle öffentlichen Verhandlungen geführt werden) versammelten Bauern. Er verfehlte nicht, die Bauern zu erinnern, daß er "im Namen des Königs" hier sei und mit ihnen verhandle. "Im Namen des Königs!" Bei dieser Phrase traten dem Bauer alle düstern Gestalten, wie Gensdarmen, Exekutoren, Patrimonialrichter, Landräthe etc. gleichzeitig vor Augen. War er doch von ihnen Allen stets in jenem Namen bedrückt oder ausgesaugt worden. "Im Namen des Königs": das klang ihm gleich "Stock" oder Zuchthaus; es klang wie Steuern, Zehnten, Frohnden und Sportelgelder. Das Alles mußte er ja auch "im Namen des Königs" zahlen. Schlug diese kommissarische Einleitung nicht vollständig an, zeigte sich die Gemeinde oder einzelne Wirthe in ihr bei diesem oder jenem Punkte gegen die dominialkommissarischen Pläne widerspenstig: so verwandelte sich der Kommissarius in den olympischen Donner, der ein "heiliges tausend Sakerment" nach dem andern in die verduzte Bauernschaar hineinschleuderte und dann sanfter hinzusetzte: "Macht Ihr noch ferner solche unnütze und dumme Weitläufigkeiten, so sage ich Euch, daß Ihr noch ganz gehörig dafür "blechen" sollt." Dieses symbolische Anfassen des bäuerlichen Geldbeutels gab dann meist den Ausschlag. Die Leistungen und Gegenleistungen und die Entschädigungsberechnungen konnten jetzt den gutsherrlichen Wünschen bequem angepaßt werden. Der Kondukteur seinerseits vermaß die vorhandenen Rustikaläcker. War er vom Ritter gewonnen, so maß er den Bauern weniger Acker heraus, als sie besaßen. Zur Abschätzung von Nutznießungen, Bodenbeschaffenheit etc. wurden Kreisschulzen als Sachverständige zugezogen. Diese, in der Mitte zwischen der großen Masse der Bauern und den Herren Rittern, aber gewöhnlich auf Seite der letzteren, leisteten den Dominialherren noch weitere Dienste, indem sie die Aecker der Bauern nicht selten in eine niedrigere Klasse einreihten. Bei der endlichen Rückvermessung sah sich der Bauer abermals verkürzt, indem er weniger Acker erhielt, als im Rezeß stand. Dazu kamen noch Uebervortheilungen bei Ausgleichung der einen Bodenklasse mit der andern. Zuweilen ereignete es sich, daß der Bauer das Sprüchwort: "Wer gut schmiert, der fährt auch gut" sich ebenfalls zu Gemüth führte. Dann mußte abermals irgend ein anderer Bauer im Dorfe für das "Schmieren" herhalten. So übersandte ein Schmied, der bei seiner Stelle circa 15 Morgen Acker hatte, dem Vermessungskondukteur 30 Quart Honig. Das trug ihm schließlich 1/2 Morgen Zuwachs ein. Den Hauptschnitt machten natürlich die Herren Ritter. Einestheils bestimmten sie den Oekonomie-Kommissarius, den Acker der kleinen Leute, wenn's irgend ging, auf die schlechteste Seite hin zu verlegen. Der gute Boden wurde zum herrschaftlichen geschlagen, und dafür den Rustikalen (Bauern) herrschaftlicher Acker zugemessen, der in nassen Jahren regelmäßig ersäuft. Anderntheils wurde den Bauern ein Theil ihres Ackers durch die Vermessung direkt eskamotirt. Unter den Tausenden von Fällen erinnern wir blos an einen, wo der übervortheilte Rustikalbesitzer sich die an ihm begangene Spitzbüberei so zu Herzen nahm, daß er wahnsinnig wurde, ins Irrenhaus kam und darin starb. Seine Frau grämte sich über das Schicksal ihres Mannes zu Tode und die zahlreichen Kinder gingen theils im Elend unter, theils wurden sie bei fremden Leuten untergebracht. In einem andern Dorfe gaunerte ein ganz für die Raubritterschaft gewonnener Kondukteur einem Müller durch falsche Vermessung 3/4 Morgen ab. Der Müller, ein ganz gescheuter Mann, der sich selber auf's Feldmessen verstand und auch zur Führung eines Prozesses die nöthigen Mittel besaß, schrieb dem Kondukteur: wenn er nicht binnen drei Tagen die Spitzbüberei wieder gut mache, so werde die Sache weiter verfolgt werden. Da freilich eilte der Kon- [Fortsetzung] Die Langeweile, der Spleen und die Seekrankheit. (Fortsetzung von Nro. 238, 241, 243, 250, 251 und 255.) Langsam und feierlich erhebt der "Sprecher" seine Hand und zu vornehmem Gruße neigt er kaum bemerkbar sein Haupt. "Mr. Feargus O'Connor!" ruft er dann im tiefsten Tone, indem er hinüberblickt nach der ersten Oppositionsbank, und sofort erhebt sich der Chef der Chartisten, merkwürdigerweise gerade zwischen Sir Robert Peel und Sir James Graham. O'Connor ist ein stattlicher Mann. Auf wohlgebildeten und gewandten Schenkeln und Lenden erhebt sich ein breitschultriger, brustgewölbter Oberkörper, der einen mehr interessanten als schönen Kopf mit breiter, nach vorn stehender Stirn trägt. O'Connor's Haare sind röthlich, seine Augen liegen tief, seine Nase ist etwas aufgestülpt. In O'Connor's Auftreten liegt Würde und Festigkeit; seine Gestikulation ist lebendig, der Ton seiner Stimme kräftig, metallen. Zu der Zeit, als Daniel O'Connell seine Advokatur an den Nagel hing, um sich ausschließlich mit der irischen Repeal-Agitation zu befaßen, da glaubte er in seinem Landsmanne Feargus O'Connor ein treffliches Werkzeug für seine Pläne gefunden zu haben, Freund Dan protegirte daher den jungen Feargus in auffallender Weise. Eine Zeit lang harmonirten die Beiden auf's Beste mit einander, als der schlaue Daniel aber sah, daß der junge Feargus viel zu wild und zu entschieden auftrat, um die Agitation in einer der O'Connell'schen Rente vortheilhaften Weise zu befördern, da schob er ihn leise bei Seite und sandte ihn hinüber nach England, wo nach Henry Hunts Tode ein tüchtiger Agitator unter den Arbeitern immer nöthiger geworden war. O'Connor begriff den Zusammenhang seiner Sendung erst später, und hat sein Beiseiteschieben dem alten Dan nie vergessen können. Einmal in England angekommen, warf sich der "wilde Feargus" mit aller Energie in die Bewegung der arbeitenden Klasse, und imponirte sofort, durch seine große Kourage, durch seine namenlose Thätigkeit, vor allen Dingen aber durch seine vollkommene Rechtlichkeit, die freilich vielfach angefochten ist, von der aber das gänzliche Verschulden der O'Connor'schen Besitzungen in Irland den besten Beweis liefert. Ihn unterstützte bei seiner Agitation der eigenthümliche Reiz, der über dem Namen der O'Connor's liegt. Denn seinen Stammbaum leitet O'Connor zurück bis zu den fernsten, halbverschollenen Königen des grünen Erin. Verwachsen ist der Name seines Hauses mit allen blutigen Ereignissen jener unglücklichen Insel; durch das Tosen einer jeden Revolte klingt der Ruf eines O'Connor's. Vergangenheit und Gegenwart berühren sich in diesem Manne. Er erschien wie ein vom Thron gestürzter König, der als kecker Proletarier wieder auferstand, ohne Leid um das Geschehene, mit allen Fasern seines Lebens wurzelnd in der Gegenwart und mit der Riesenfaust donnernd vor die Pforte der Zukunft, daß sie weit dem Volke sich erschließe und nur dem Volke! War es ein Wunder, daß er bald als Chef der englischen Chartisten da stand? Ja, das Volk liebte O'Connor. In seinem O'Connor sah das Volk sich selbst. Abwechselnd himmlisch weise und niederträchtig dumm; tragisch ernst und bis zum Entzücken ergötzlich - naiv und sentimental in einem Athem; manchmal fein und gewandt wie ein Franzose und plötzlich wieder grob und plump, gleich einem Shakspeare'schen Stallknecht; zutraulich schmeichelnd wie ein kleines Mädchen und wieder stolz und despotisch wie ein römischer Imperator; von Liebe lispelnd wie Hasis und in barbarischen Derbheiten sich ergehend trotz Meister Franz Rabelais; großmüthig wie ein Leu, aber auch grausam wie ein Tieger; eben so enthusiastisch für das einmal Begriffene, als widerspenstig gegen das Unverstandene; launig-poetisch und leichtsinnig in der Liebe und dem Wein, wie der ächte Irländer; plötzlich wieder ökonomisch und wirthschaftlich besorgt gleich dem filzigsten Schotten und endlich: stolz, energisch und kühn wie der Sohn Alt-Englands - Alles das war dieser O'Connor! Ein tolles Gemisch aller Volksleidenschaften, ausgeschmückt mit allen Tugenden und mit allen Lastern des Volkes; mit einem Charakter, in dem sich die Grundzüge des Volkes der Rose, der Distel und des Klee's in einer Weise wiederspiegelten, wie sie noch in keinem kritischen oder irischen Agitator, weder in Cartwrigh,t noch in Cobbet, noch in Hunt, noch in O'Connell zum Vorschein kamen. O, nie werde ich den Augenblick vergessen, wo ich den Irländer zum ersten Male reden hörte. Er war damals in der Epoche seines höchsten Glanzes. Die Versammlung hatte lange auf ihn gewartet, der Saal war gedrängt voll. Viele der Anwesenden hatten sich schon in die Fensternischen geflüchtet, um nicht erdrückt zu werden. Frauen und Mädchen wurden auf die Stufen der Tribüne gebracht. Ueber dem Ganzen lag eine schwere, dumpfige Atmosphäre und die Lichter der Ampeln warfen einen trüben Schein auf die Gesichter von etwa fünftausend Arbeitern. Rings herrschte eine unheimliche Stille. Wie einem Gewitter sah man dem Erscheinen O'Connors ernst und lang entgegen. Da entstand plötzlich vor der Thür ein wilder Spektakel; im Vordergrunde des Saales wogte es toll durcheinander; die Leute drehten sich rechts und links, man bekam Rippenstöße in Menge, und unwillkürlich wurde man nach der Richtung fortgezogen, von der der Lärm ausging. O'Connor hatte die Schwelle des Saales betreten. Von mehreren Freunden begleitet, brach er sich Bahn durch die Menge; Vielen die Hände schüttelnd, Manche bei Namen rufend, Alle herzlich grüßend, wie ein heimkehrender Vater seine Kinder bewillkommt und lachend und scherzend immer vorwärts dringend bis zum Fuß der Tribüne. "There he is! there he is!" klang es von allen Lippen und wie im Triumphe hoben ihn die Arme seiner Getreuen auf die Höhe der Plattform. Mit [Fortsetzung] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 258. Köln, Donnerstag, den 29. März 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. Nur frankirte Briefe werden angenommen Expedition Unter Hutmacher Nro. 17. Bestellungen auf die Neue Rheinische Zeitung für das II. Quartal (April-Juni) bitten wir möglichst frühzeitig zu machen. Unsere auswärtigen geehrten Abonnenten machen wir darauf aufmerksam, daß die Abonnements jedesmal am Schlusse des Quartals bei den Postämtern erneuert werden müssen. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Zur schlesischen Milliarde.) Unna. (Krawall.) Berlin. (Klatsch. ‒ Kammern. ‒ Preßgesetz. ‒ Auslegung. ‒ Ministerial-Soiréen-Einladungskarten-Revolution.) Erfurt. (Belagerungszuständliches.) Wien. (Vermischtes.) Prag. (Aufruf der Slowanska-Lipa.) Altona. (Revolutionsfeier.) Frankfurt. (National-Versammlung.) Freiburg. (Prozeß gegen Struve und Blind.) Franz. Republik. Paris. (Vermischtes. ‒ National-Versammlung.) Bourges. (Prozeß der Maigefangenen.) Polen. Lemberg. (Kommandirte Illumination. ‒ Zwei servile Adressen.) Ungarn. (Kriegsschauplatz) Preßburg. (Verurtheilungen.) Italien. (Vom Kriegsschauplatze.) Rom. (Die Constituante.) Neapel. (Zustände in den Provinzen.) Turin. (Die Ergänzungswahlen.) Venedig. (Manin's erstes diktatoriales Dekret.) Spanien. Madrid. (Unzufriedenheit der Karlisten mit Montemolin) Deutschland. * Köln, 27. März. Unter dem Titel „Regulirung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse“ wußte sich die preußische Ritterschaft nicht lange nach den sogenannten „Freiheitskriegen“ ein Gesetz zurecht zu machen, das alle ihre Herzenswünsche befriedigte, und in der praktischen Ausführung noch übertraf. Die Gesetzesmacher, den König, die Prinzen, die Minister und den ganzen Staatsrath einbegriffen, waren als Besitzer einer größern oder kleinern Zahl Rittergüter ganz direkt bei jener Regulirung interessirt, waren Partei gegen die Bauern. Von blödsinnigen oder bezahlten Publizisten des In- und Auslandes als unendlich freisinnig gepriesen, war jenes Gesetz über Ablösung der Feudallasten eine unversiegliche Quelle namenlosen Elends und unverschämtester Plünderei für das Landvolk, eine unerschöpfliche Goldgrube für die schwelgende Ritterschaft und denjenigen Theil der preußischen Büreaukratie, der mit Ausführung dieser schlau ersonnenen Ablösung beauftragt war. Hätten Tausende von Räuberbanden das Land durchzogen und in allnächtlichen Einbrüchen Hab' und Gut des Landvolks hinweggeschleppt: des Unglücks hätte man sich getrösten, den Schaden verschmerzen und ersetzen können, während vor dieser ägyptischen Landplage der „Ablösung“ und ihren Folgen keine Rettung, kein Verschmerzen und Getrösten übrig blieb. Mit unsichtbarer Dinte hatte die gesetzgebende Kaste die Dante'sche Inschrift über dem Höllenthor an den Eingang jener „Ablösungs“-Ordnung hingestellt. Erst in der Praxis wurde sie den Bauern leserlich, sie buchstabirten und lasen, daß ihnen die Augen vor stechendem Schmerz, den Rittern dagegen vor tiefinnerlichster Wonne übergingen, und wenn jetzt der Bauer abermals von „Ablösung,“ von „Entschädigung“ der hohen Herren etc. reden hört, so rieselt ihm die Bedeutung der Inschrift: „Lasciate ogni speranza voi che untrate“ (Eintretend hier laßt jede Hoffnung fahren!) kalt über den Rücken. Wie viel allein die schlesische Ritterschaft mittelst jenes königl. preuß. Ablösungsgesetzes in circa 30 Jahren aus dem nun „abgelösten“ Theil der ländlichen Bevölkerung herausgelöst hat: ist in einer frühern Nummer d. Bl. berechnet worden. Erinnern wir uns daran, daß durch jenes Gesetz wegen „Regulirung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse,“ den Gutsherrn eine enorme Entschädigung für Feudallasten zugewandt wurde, die schon längst unentgeldlich hätten abgeschafft sein müssen. Den Raubrittern wurde der 20- bis 25fache Betrag für die bisherigen Leistungen der Bauern zugesprochen, und baar oder in Renten oder Aeckern entrichtet. Statt daß die Bauern für den Raub, den die Ritterschaft so lange an ihnen begangen, entschädigt worden wären, verlangte und erhielt durch jenes Gesetz die noble Ritterschaft noch eine Entschädigung, die den feudalen Raub unter einer bürgerlichen legalen Form verewigte. Aber die Scheußlichkeit des Gesetzes wurde durch die Art seiner Ausführung noch erhöht. Werfen wir jetzt einen Rückblick auf das dabei beobachtete Verfahren, auf die praktische Anwendung des Gesetzes. Diese war in unterster Instanz den k. Oekonomie-Kommissarien und ihren Gehülfen, den k. Vermessungs-Kondukteurs und Aktuarien übertragen. Ueber ihnen schalteten und walteten gleich Pascha's die berüchtigten General-Kommissionen. War der Ablösungsantrag gestellt worden, so erschien der Herr Oekonomie-Kommissarius und Komp. im Dorfe, um die erste Verhandlung aufzunehmen. Die Herren Ritter, die sich stets auf gute Geschäftchen verstanden, luden diese jetzt über Alles wichtigen Beamten zu sich auf's Schloß, wo man sie auf's Trefflichste bewirthete und bearbeitete. Oft hatte die Bearbeitung schon früher stattgefunden, und da die Herren Ritter den Champagner nicht sparen, wenn etwas dadurch erreicht werden kann, so waren die patrimonialvergnüglichen Bemühungen meist erfolgreich. Sicher gab's unter der fraglichen Klasse von königl. Beamten auch solche, die sich den klingenden und schäumenden Beweisgründen für die „wohlerworbenen Rechte“ und Ansprüchen der Ritter unzugänglich zeigten: aber eben so sicher bildeten gerade diese bei Weitem nicht die Mehrzahl. In Fällen, wo der Oekonomie-Kommissarius seinerseits sich genau an's Gesetz hielt, nutzte es den Bauern wenig, sobald z. B. der Kondukteur vom Dominialherrn oder dessen Rentmeister, Oberamtmann, Wirthschaftsinspektor etc. gewonnen war. Fälle dieser Art kamen in großer Zahl vor. Noch schlimmer für die Bauern, wenn, wie in der Regel geschah, zwischen Oekonomie-Kommissarius, Kondukteur und Patrimonialherrn das herzlichste Einverständniß herrschte. Dann war das ritterliche Herz fröhlich und guter Dinge. In seiner ganzen Machtfülle, womit namentlich das altpreußische Beamtenthum seine Angehörigen zu umkleiden wußte, trat jetzt der k. Kommissarius unter die im Gerichtskretscham (Schenke, worin alle öffentlichen Verhandlungen geführt werden) versammelten Bauern. Er verfehlte nicht, die Bauern zu erinnern, daß er „im Namen des Königs“ hier sei und mit ihnen verhandle. „Im Namen des Königs!“ Bei dieser Phrase traten dem Bauer alle düstern Gestalten, wie Gensdarmen, Exekutoren, Patrimonialrichter, Landräthe etc. gleichzeitig vor Augen. War er doch von ihnen Allen stets in jenem Namen bedrückt oder ausgesaugt worden. „Im Namen des Königs“: das klang ihm gleich „Stock“ oder Zuchthaus; es klang wie Steuern, Zehnten, Frohnden und Sportelgelder. Das Alles mußte er ja auch „im Namen des Königs“ zahlen. Schlug diese kommissarische Einleitung nicht vollständig an, zeigte sich die Gemeinde oder einzelne Wirthe in ihr bei diesem oder jenem Punkte gegen die dominialkommissarischen Pläne widerspenstig: so verwandelte sich der Kommissarius in den olympischen Donner, der ein „heiliges tausend Sakerment“ nach dem andern in die verduzte Bauernschaar hineinschleuderte und dann sanfter hinzusetzte: „Macht Ihr noch ferner solche unnütze und dumme Weitläufigkeiten, so sage ich Euch, daß Ihr noch ganz gehörig dafür „blechen“ sollt.“ Dieses symbolische Anfassen des bäuerlichen Geldbeutels gab dann meist den Ausschlag. Die Leistungen und Gegenleistungen und die Entschädigungsberechnungen konnten jetzt den gutsherrlichen Wünschen bequem angepaßt werden. Der Kondukteur seinerseits vermaß die vorhandenen Rustikaläcker. War er vom Ritter gewonnen, so maß er den Bauern weniger Acker heraus, als sie besaßen. Zur Abschätzung von Nutznießungen, Bodenbeschaffenheit etc. wurden Kreisschulzen als Sachverständige zugezogen. Diese, in der Mitte zwischen der großen Masse der Bauern und den Herren Rittern, aber gewöhnlich auf Seite der letzteren, leisteten den Dominialherren noch weitere Dienste, indem sie die Aecker der Bauern nicht selten in eine niedrigere Klasse einreihten. Bei der endlichen Rückvermessung sah sich der Bauer abermals verkürzt, indem er weniger Acker erhielt, als im Rezeß stand. Dazu kamen noch Uebervortheilungen bei Ausgleichung der einen Bodenklasse mit der andern. Zuweilen ereignete es sich, daß der Bauer das Sprüchwort: „Wer gut schmiert, der fährt auch gut“ sich ebenfalls zu Gemüth führte. Dann mußte abermals irgend ein anderer Bauer im Dorfe für das „Schmieren“ herhalten. So übersandte ein Schmied, der bei seiner Stelle circa 15 Morgen Acker hatte, dem Vermessungskondukteur 30 Quart Honig. Das trug ihm schließlich 1/2 Morgen Zuwachs ein. Den Hauptschnitt machten natürlich die Herren Ritter. Einestheils bestimmten sie den Oekonomie-Kommissarius, den Acker der kleinen Leute, wenn's irgend ging, auf die schlechteste Seite hin zu verlegen. Der gute Boden wurde zum herrschaftlichen geschlagen, und dafür den Rustikalen (Bauern) herrschaftlicher Acker zugemessen, der in nassen Jahren regelmäßig ersäuft. Anderntheils wurde den Bauern ein Theil ihres Ackers durch die Vermessung direkt eskamotirt. Unter den Tausenden von Fällen erinnern wir blos an einen, wo der übervortheilte Rustikalbesitzer sich die an ihm begangene Spitzbüberei so zu Herzen nahm, daß er wahnsinnig wurde, ins Irrenhaus kam und darin starb. Seine Frau grämte sich über das Schicksal ihres Mannes zu Tode und die zahlreichen Kinder gingen theils im Elend unter, theils wurden sie bei fremden Leuten untergebracht. In einem andern Dorfe gaunerte ein ganz für die Raubritterschaft gewonnener Kondukteur einem Müller durch falsche Vermessung 3/4 Morgen ab. Der Müller, ein ganz gescheuter Mann, der sich selber auf's Feldmessen verstand und auch zur Führung eines Prozesses die nöthigen Mittel besaß, schrieb dem Kondukteur: wenn er nicht binnen drei Tagen die Spitzbüberei wieder gut mache, so werde die Sache weiter verfolgt werden. Da freilich eilte der Kon- [Fortsetzung] Die Langeweile, der Spleen und die Seekrankheit. (Fortsetzung von Nro. 238, 241, 243, 250, 251 und 255.) Langsam und feierlich erhebt der „Sprecher“ seine Hand und zu vornehmem Gruße neigt er kaum bemerkbar sein Haupt. „Mr. Feargus O'Connor!“ ruft er dann im tiefsten Tone, indem er hinüberblickt nach der ersten Oppositionsbank, und sofort erhebt sich der Chef der Chartisten, merkwürdigerweise gerade zwischen Sir Robert Peel und Sir James Graham. O'Connor ist ein stattlicher Mann. Auf wohlgebildeten und gewandten Schenkeln und Lenden erhebt sich ein breitschultriger, brustgewölbter Oberkörper, der einen mehr interessanten als schönen Kopf mit breiter, nach vorn stehender Stirn trägt. O'Connor's Haare sind röthlich, seine Augen liegen tief, seine Nase ist etwas aufgestülpt. In O'Connor's Auftreten liegt Würde und Festigkeit; seine Gestikulation ist lebendig, der Ton seiner Stimme kräftig, metallen. Zu der Zeit, als Daniel O'Connell seine Advokatur an den Nagel hing, um sich ausschließlich mit der irischen Repeal-Agitation zu befaßen, da glaubte er in seinem Landsmanne Feargus O'Connor ein treffliches Werkzeug für seine Pläne gefunden zu haben, Freund Dan protegirte daher den jungen Feargus in auffallender Weise. Eine Zeit lang harmonirten die Beiden auf's Beste mit einander, als der schlaue Daniel aber sah, daß der junge Feargus viel zu wild und zu entschieden auftrat, um die Agitation in einer der O'Connell'schen Rente vortheilhaften Weise zu befördern, da schob er ihn leise bei Seite und sandte ihn hinüber nach England, wo nach Henry Hunts Tode ein tüchtiger Agitator unter den Arbeitern immer nöthiger geworden war. O'Connor begriff den Zusammenhang seiner Sendung erst später, und hat sein Beiseiteschieben dem alten Dan nie vergessen können. Einmal in England angekommen, warf sich der „wilde Feargus“ mit aller Energie in die Bewegung der arbeitenden Klasse, und imponirte sofort, durch seine große Kourage, durch seine namenlose Thätigkeit, vor allen Dingen aber durch seine vollkommene Rechtlichkeit, die freilich vielfach angefochten ist, von der aber das gänzliche Verschulden der O'Connor'schen Besitzungen in Irland den besten Beweis liefert. Ihn unterstützte bei seiner Agitation der eigenthümliche Reiz, der über dem Namen der O'Connor's liegt. Denn seinen Stammbaum leitet O'Connor zurück bis zu den fernsten, halbverschollenen Königen des grünen Erin. Verwachsen ist der Name seines Hauses mit allen blutigen Ereignissen jener unglücklichen Insel; durch das Tosen einer jeden Revolte klingt der Ruf eines O'Connor's. Vergangenheit und Gegenwart berühren sich in diesem Manne. Er erschien wie ein vom Thron gestürzter König, der als kecker Proletarier wieder auferstand, ohne Leid um das Geschehene, mit allen Fasern seines Lebens wurzelnd in der Gegenwart und mit der Riesenfaust donnernd vor die Pforte der Zukunft, daß sie weit dem Volke sich erschließe und nur dem Volke! War es ein Wunder, daß er bald als Chef der englischen Chartisten da stand? Ja, das Volk liebte O'Connor. In seinem O'Connor sah das Volk sich selbst. Abwechselnd himmlisch weise und niederträchtig dumm; tragisch ernst und bis zum Entzücken ergötzlich ‒ naiv und sentimental in einem Athem; manchmal fein und gewandt wie ein Franzose und plötzlich wieder grob und plump, gleich einem Shakspeare'schen Stallknecht; zutraulich schmeichelnd wie ein kleines Mädchen und wieder stolz und despotisch wie ein römischer Imperator; von Liebe lispelnd wie Hasis und in barbarischen Derbheiten sich ergehend trotz Meister Franz Rabelais; großmüthig wie ein Leu, aber auch grausam wie ein Tieger; eben so enthusiastisch für das einmal Begriffene, als widerspenstig gegen das Unverstandene; launig-poetisch und leichtsinnig in der Liebe und dem Wein, wie der ächte Irländer; plötzlich wieder ökonomisch und wirthschaftlich besorgt gleich dem filzigsten Schotten und endlich: stolz, energisch und kühn wie der Sohn Alt-Englands ‒ Alles das war dieser O'Connor! Ein tolles Gemisch aller Volksleidenschaften, ausgeschmückt mit allen Tugenden und mit allen Lastern des Volkes; mit einem Charakter, in dem sich die Grundzüge des Volkes der Rose, der Distel und des Klee's in einer Weise wiederspiegelten, wie sie noch in keinem kritischen oder irischen Agitator, weder in Cartwrigh,t noch in Cobbet, noch in Hunt, noch in O'Connell zum Vorschein kamen. O, nie werde ich den Augenblick vergessen, wo ich den Irländer zum ersten Male reden hörte. Er war damals in der Epoche seines höchsten Glanzes. Die Versammlung hatte lange auf ihn gewartet, der Saal war gedrängt voll. Viele der Anwesenden hatten sich schon in die Fensternischen geflüchtet, um nicht erdrückt zu werden. Frauen und Mädchen wurden auf die Stufen der Tribüne gebracht. Ueber dem Ganzen lag eine schwere, dumpfige Atmosphäre und die Lichter der Ampeln warfen einen trüben Schein auf die Gesichter von etwa fünftausend Arbeitern. Rings herrschte eine unheimliche Stille. Wie einem Gewitter sah man dem Erscheinen O'Connors ernst und lang entgegen. Da entstand plötzlich vor der Thür ein wilder Spektakel; im Vordergrunde des Saales wogte es toll durcheinander; die Leute drehten sich rechts und links, man bekam Rippenstöße in Menge, und unwillkürlich wurde man nach der Richtung fortgezogen, von der der Lärm ausging. O'Connor hatte die Schwelle des Saales betreten. Von mehreren Freunden begleitet, brach er sich Bahn durch die Menge; Vielen die Hände schüttelnd, Manche bei Namen rufend, Alle herzlich grüßend, wie ein heimkehrender Vater seine Kinder bewillkommt und lachend und scherzend immer vorwärts dringend bis zum Fuß der Tribüne. «There he is! there he is!» klang es von allen Lippen und wie im Triumphe hoben ihn die Arme seiner Getreuen auf die Höhe der Plattform. Mit [Fortsetzung] <TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="1449"/> <front> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart> <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart> <docImprint> <docDate>No 258. Köln, Donnerstag, den 29. März 1849.</docDate> </docImprint> </titlePage> </front> <body> <div type="jExpedition"> <p>Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.</p> <p>Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.</p> <p>Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.</p> <p>Nur frankirte Briefe werden angenommen</p> <p>Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.</p> </div> <div type="jExpedition"> <p>Bestellungen auf die Neue Rheinische Zeitung für das II. Quartal (April-Juni) bitten wir möglichst frühzeitig zu machen.</p> <p>Unsere auswärtigen geehrten Abonnenten machen wir darauf aufmerksam, daß die Abonnements jedesmal am Schlusse des Quartals bei den Postämtern erneuert werden müssen.</p> </div> <div type="contents" n="1"> <head>Uebersicht.</head> <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Köln. (Zur schlesischen Milliarde.) Unna. (Krawall.) Berlin. (Klatsch. ‒ Kammern. ‒ Preßgesetz. ‒ Auslegung. ‒ Ministerial-Soiréen-Einladungskarten-Revolution.) Erfurt. (Belagerungszuständliches.) Wien. (Vermischtes.) Prag. (Aufruf der Slowanska-Lipa.) Altona. (Revolutionsfeier.) Frankfurt. (National-Versammlung.) Freiburg. (Prozeß gegen Struve und Blind.)</p> <p><hi rendition="#g">Franz. Republik.</hi> Paris. (Vermischtes. ‒ National-Versammlung.) Bourges. (Prozeß der Maigefangenen.)</p> <p><hi rendition="#g">Polen.</hi> Lemberg. (Kommandirte Illumination. ‒ Zwei servile Adressen.)</p> <p><hi rendition="#g">Ungarn.</hi> (Kriegsschauplatz) Preßburg. (Verurtheilungen.)</p> <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> (Vom Kriegsschauplatze.) Rom. (Die Constituante.) Neapel. (Zustände in den Provinzen.) Turin. (Die Ergänzungswahlen.) Venedig. (Manin's erstes diktatoriales Dekret.)</p> <p><hi rendition="#g">Spanien.</hi> Madrid. (Unzufriedenheit der Karlisten mit Montemolin)</p> </div> <div n="1"> <head>Deutschland.</head> <div xml:id="ar258_001" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 27. März.</head> <p>Unter dem Titel „Regulirung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse“ wußte sich die preußische Ritterschaft nicht lange nach den sogenannten „Freiheitskriegen“ ein Gesetz zurecht zu machen, das alle ihre Herzenswünsche befriedigte, und in der praktischen Ausführung noch übertraf. Die Gesetzesmacher, den König, die Prinzen, die Minister und den ganzen Staatsrath einbegriffen, waren als Besitzer einer größern oder kleinern Zahl Rittergüter ganz direkt bei jener Regulirung interessirt, waren <hi rendition="#g">Partei</hi> gegen die Bauern. Von blödsinnigen oder bezahlten Publizisten des In- und Auslandes als unendlich freisinnig gepriesen, war jenes Gesetz über Ablösung der Feudallasten eine unversiegliche Quelle namenlosen Elends und unverschämtester Plünderei für das Landvolk, eine unerschöpfliche Goldgrube für die schwelgende Ritterschaft und denjenigen Theil der preußischen Büreaukratie, der mit Ausführung dieser schlau ersonnenen Ablösung beauftragt war.</p> <p>Hätten Tausende von Räuberbanden das Land durchzogen und in allnächtlichen Einbrüchen Hab' und Gut des Landvolks hinweggeschleppt: des Unglücks hätte man sich getrösten, den Schaden verschmerzen und ersetzen können, während vor dieser ägyptischen Landplage der „Ablösung“ und ihren Folgen keine Rettung, kein Verschmerzen und Getrösten übrig blieb. Mit unsichtbarer Dinte hatte die gesetzgebende Kaste die Dante'sche Inschrift über dem Höllenthor an den Eingang jener „Ablösungs“-Ordnung hingestellt. Erst in der Praxis wurde sie den Bauern leserlich, sie buchstabirten und lasen, daß ihnen die Augen vor stechendem Schmerz, den Rittern dagegen vor tiefinnerlichster Wonne übergingen, und wenn jetzt der Bauer abermals von „Ablösung,“ von „Entschädigung“ der hohen Herren etc. reden hört, so rieselt ihm die Bedeutung der Inschrift: „Lasciate ogni speranza voi che untrate“ (Eintretend hier laßt jede Hoffnung fahren!) kalt über den Rücken.</p> <p>Wie viel allein die schlesische Ritterschaft mittelst jenes königl. preuß. Ablösungsgesetzes in circa 30 Jahren aus dem nun „abgelösten“ Theil der ländlichen Bevölkerung herausgelöst hat: ist in einer frühern Nummer d. Bl. berechnet worden. Erinnern wir uns daran, daß durch jenes Gesetz wegen „Regulirung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse,“ den Gutsherrn eine enorme Entschädigung für Feudallasten zugewandt wurde, die schon längst <hi rendition="#g">unentgeldlich</hi> hätten abgeschafft sein müssen. Den Raubrittern wurde der 20- bis 25fache Betrag für die bisherigen Leistungen der Bauern zugesprochen, und baar oder in Renten oder Aeckern entrichtet. Statt daß die Bauern für den Raub, den die Ritterschaft so lange an ihnen begangen, entschädigt worden wären, verlangte und erhielt durch jenes Gesetz die noble Ritterschaft noch eine Entschädigung, die den feudalen Raub unter einer bürgerlichen legalen Form verewigte.</p> <p>Aber die Scheußlichkeit des Gesetzes wurde durch die Art seiner Ausführung noch erhöht.</p> <p>Werfen wir jetzt einen Rückblick auf das dabei beobachtete Verfahren, auf die praktische Anwendung des Gesetzes.</p> <p>Diese war in unterster Instanz den k. Oekonomie-Kommissarien und ihren Gehülfen, den k. Vermessungs-Kondukteurs und Aktuarien übertragen. Ueber ihnen schalteten und walteten gleich Pascha's die berüchtigten General-Kommissionen. War der Ablösungsantrag gestellt worden, so erschien der Herr Oekonomie-Kommissarius und Komp. im Dorfe, um die erste Verhandlung aufzunehmen. Die Herren Ritter, die sich stets auf gute Geschäftchen verstanden, luden diese jetzt über Alles wichtigen Beamten zu sich auf's Schloß, wo man sie auf's Trefflichste bewirthete und bearbeitete. Oft hatte die Bearbeitung schon früher stattgefunden, und da die Herren Ritter den Champagner nicht sparen, wenn etwas dadurch erreicht werden kann, so waren die patrimonialvergnüglichen Bemühungen meist erfolgreich. Sicher gab's unter der fraglichen Klasse von königl. Beamten auch solche, die sich den klingenden und schäumenden Beweisgründen für die „wohlerworbenen Rechte“ und Ansprüchen der Ritter unzugänglich zeigten: aber eben so sicher bildeten gerade diese bei Weitem <hi rendition="#g">nicht</hi> die Mehrzahl. In Fällen, wo der Oekonomie-Kommissarius seinerseits sich genau an's Gesetz hielt, nutzte es den Bauern wenig, sobald z. B. der Kondukteur vom Dominialherrn oder dessen Rentmeister, Oberamtmann, Wirthschaftsinspektor etc. gewonnen war. Fälle dieser Art kamen in großer Zahl vor. Noch schlimmer für die Bauern, wenn, wie in der Regel geschah, zwischen Oekonomie-Kommissarius, Kondukteur und Patrimonialherrn das herzlichste Einverständniß herrschte. Dann war das ritterliche Herz fröhlich und guter Dinge.</p> <p>In seiner ganzen Machtfülle, womit namentlich das altpreußische Beamtenthum seine Angehörigen zu umkleiden wußte, trat jetzt der k. Kommissarius unter die im Gerichtskretscham (Schenke, worin alle öffentlichen Verhandlungen geführt werden) versammelten Bauern. Er verfehlte nicht, die Bauern zu erinnern, daß er „im Namen des Königs“ hier sei und mit ihnen verhandle.</p> <p>„Im Namen des Königs!“ Bei dieser Phrase traten dem Bauer alle düstern Gestalten, wie Gensdarmen, Exekutoren, Patrimonialrichter, Landräthe etc. gleichzeitig vor Augen. War er doch von ihnen Allen stets in jenem Namen bedrückt oder ausgesaugt worden. „Im Namen des Königs“: das klang ihm gleich „Stock“ oder Zuchthaus; es klang wie Steuern, Zehnten, Frohnden und Sportelgelder. Das Alles mußte er ja auch „im Namen des Königs“ zahlen. Schlug diese kommissarische Einleitung nicht vollständig an, zeigte sich die Gemeinde oder einzelne Wirthe in ihr bei diesem oder jenem Punkte gegen die dominialkommissarischen Pläne widerspenstig: so verwandelte sich der Kommissarius in den olympischen Donner, der ein „heiliges tausend Sakerment“ nach dem andern in die verduzte Bauernschaar hineinschleuderte und dann sanfter hinzusetzte: „Macht Ihr noch ferner solche unnütze und dumme Weitläufigkeiten, so sage ich Euch, daß Ihr noch ganz gehörig dafür „<hi rendition="#g">blechen</hi>“ sollt.“</p> <p>Dieses symbolische Anfassen des bäuerlichen Geldbeutels gab dann meist den Ausschlag. Die Leistungen und Gegenleistungen und die Entschädigungsberechnungen konnten jetzt den gutsherrlichen Wünschen bequem angepaßt werden. Der Kondukteur seinerseits vermaß die vorhandenen Rustikaläcker. War er vom Ritter gewonnen, so maß er den Bauern weniger Acker heraus, als sie besaßen. Zur Abschätzung von Nutznießungen, Bodenbeschaffenheit etc. wurden Kreisschulzen als Sachverständige zugezogen. Diese, in der Mitte zwischen der großen Masse der Bauern und den Herren Rittern, aber gewöhnlich auf Seite der letzteren, leisteten den Dominialherren noch weitere Dienste, indem sie die Aecker der Bauern nicht selten in eine niedrigere Klasse einreihten. Bei der endlichen Rückvermessung sah sich der Bauer abermals verkürzt, indem er weniger Acker erhielt, als im Rezeß stand. Dazu kamen noch Uebervortheilungen bei Ausgleichung der einen Bodenklasse mit der andern. Zuweilen ereignete es sich, daß der Bauer das Sprüchwort: „Wer gut schmiert, der fährt auch gut“ sich ebenfalls zu Gemüth führte. Dann mußte abermals irgend ein anderer Bauer im Dorfe für das „Schmieren“ herhalten. So übersandte ein Schmied, der bei seiner Stelle circa 15 Morgen Acker hatte, dem Vermessungskondukteur 30 Quart Honig. Das trug ihm schließlich 1/2 Morgen Zuwachs ein.</p> <p>Den Hauptschnitt machten natürlich die Herren Ritter. Einestheils bestimmten sie den Oekonomie-Kommissarius, den Acker der kleinen Leute, wenn's irgend ging, auf die schlechteste Seite hin zu verlegen. Der gute Boden wurde zum herrschaftlichen geschlagen, und dafür den Rustikalen (Bauern) herrschaftlicher Acker zugemessen, der in nassen Jahren regelmäßig ersäuft. Anderntheils wurde den Bauern ein Theil ihres Ackers durch die Vermessung direkt eskamotirt. Unter den Tausenden von Fällen erinnern wir blos an einen, wo der übervortheilte Rustikalbesitzer sich die an ihm begangene Spitzbüberei so zu Herzen nahm, daß er wahnsinnig wurde, ins Irrenhaus kam und darin starb. Seine Frau grämte sich über das Schicksal ihres Mannes zu Tode und die zahlreichen Kinder gingen theils im Elend unter, theils wurden sie bei fremden Leuten untergebracht. In einem andern Dorfe gaunerte ein ganz für die Raubritterschaft gewonnener Kondukteur einem Müller durch falsche Vermessung 3/4 Morgen ab. Der Müller, ein ganz gescheuter Mann, der sich selber auf's Feldmessen verstand und auch zur Führung eines Prozesses die nöthigen Mittel besaß, schrieb dem Kondukteur: wenn er nicht binnen drei Tagen die Spitzbüberei wieder gut mache, so werde die Sache weiter verfolgt werden. Da freilich eilte der Kon- <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> </p> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ar258_002" type="jArticle"> <head>Die Langeweile, der Spleen und die Seekrankheit.</head> <p>(Fortsetzung von Nro. 238, 241, 243, 250, 251 und 255.)</p> <p>Langsam und feierlich erhebt der „Sprecher“ seine Hand und zu vornehmem Gruße neigt er kaum bemerkbar sein Haupt.</p> <p>„Mr. Feargus O'Connor!“ ruft er dann im tiefsten Tone, indem er hinüberblickt nach der ersten Oppositionsbank, und sofort erhebt sich der Chef der Chartisten, merkwürdigerweise gerade zwischen Sir Robert Peel und Sir James Graham.</p> <p>O'Connor ist ein stattlicher Mann. Auf wohlgebildeten und gewandten Schenkeln und Lenden erhebt sich ein breitschultriger, brustgewölbter Oberkörper, der einen mehr interessanten als schönen Kopf mit breiter, nach vorn stehender Stirn trägt. O'Connor's Haare sind röthlich, seine Augen liegen tief, seine Nase ist etwas aufgestülpt. In O'Connor's Auftreten liegt Würde und Festigkeit; seine Gestikulation ist lebendig, der Ton seiner Stimme kräftig, metallen.</p> <p>Zu der Zeit, als Daniel O'Connell seine Advokatur an den Nagel hing, um sich ausschließlich mit der irischen Repeal-Agitation zu befaßen, da glaubte er in seinem Landsmanne Feargus O'Connor ein treffliches Werkzeug für seine Pläne gefunden zu haben, Freund Dan protegirte daher den jungen Feargus in auffallender Weise. Eine Zeit lang harmonirten die Beiden auf's Beste mit einander, als der schlaue Daniel aber sah, daß der junge Feargus viel zu wild und zu entschieden auftrat, um die Agitation in einer der O'Connell'schen Rente vortheilhaften Weise zu befördern, da schob er ihn leise bei Seite und sandte ihn hinüber nach England, wo nach Henry Hunts Tode ein tüchtiger Agitator unter den Arbeitern immer nöthiger geworden war. O'Connor begriff den Zusammenhang seiner Sendung erst später, und hat sein Beiseiteschieben dem alten Dan nie vergessen können.</p> <p>Einmal in England angekommen, warf sich der „wilde Feargus“ mit aller Energie in die Bewegung der arbeitenden Klasse, und imponirte sofort, durch seine große Kourage, durch seine namenlose Thätigkeit, vor allen Dingen aber durch seine vollkommene Rechtlichkeit, die freilich vielfach angefochten ist, von der aber das gänzliche Verschulden der O'Connor'schen Besitzungen in Irland den besten Beweis liefert. Ihn unterstützte bei seiner Agitation der eigenthümliche Reiz, der über dem Namen der O'Connor's liegt. Denn seinen Stammbaum leitet O'Connor zurück bis zu den fernsten, halbverschollenen Königen des grünen Erin. Verwachsen ist der Name seines Hauses mit allen blutigen Ereignissen jener unglücklichen Insel; durch das Tosen einer jeden Revolte klingt der Ruf eines O'Connor's. Vergangenheit und Gegenwart berühren sich in diesem Manne. Er erschien wie ein vom Thron gestürzter König, der als kecker Proletarier wieder auferstand, ohne Leid um das Geschehene, mit allen Fasern seines Lebens wurzelnd in der Gegenwart und mit der Riesenfaust donnernd vor die Pforte der Zukunft, daß sie weit dem Volke sich erschließe und nur dem Volke! War es ein Wunder, daß er bald als Chef der englischen Chartisten da stand?</p> <p>Ja, das Volk liebte O'Connor. In seinem O'Connor sah das Volk sich selbst.</p> <p>Abwechselnd himmlisch weise und niederträchtig dumm; tragisch ernst und bis zum Entzücken ergötzlich ‒ naiv und sentimental in <hi rendition="#g">einem</hi> Athem; manchmal fein und gewandt wie ein Franzose und plötzlich wieder grob und plump, gleich einem Shakspeare'schen Stallknecht; zutraulich schmeichelnd wie ein kleines Mädchen und wieder stolz und despotisch wie ein römischer Imperator; von Liebe lispelnd wie Hasis und in barbarischen Derbheiten sich ergehend trotz Meister Franz Rabelais; großmüthig wie ein Leu, aber auch grausam wie ein Tieger; eben so enthusiastisch für das einmal Begriffene, als widerspenstig gegen das Unverstandene; launig-poetisch und leichtsinnig in der Liebe und dem Wein, wie der ächte Irländer; plötzlich wieder ökonomisch und wirthschaftlich besorgt gleich dem filzigsten Schotten und endlich: stolz, energisch und kühn wie der Sohn Alt-Englands ‒ Alles das war dieser O'Connor! Ein tolles Gemisch aller Volksleidenschaften, ausgeschmückt mit allen Tugenden und mit allen Lastern des Volkes; mit einem Charakter, in dem sich die Grundzüge des Volkes der Rose, der Distel und des Klee's in einer Weise wiederspiegelten, wie sie noch in keinem kritischen oder irischen Agitator, weder in Cartwrigh,t noch in Cobbet, noch in Hunt, noch in O'Connell zum Vorschein kamen.</p> <p>O, nie werde ich den Augenblick vergessen, wo ich den Irländer zum ersten Male reden hörte. Er war damals in der Epoche seines höchsten Glanzes. Die Versammlung hatte lange auf ihn gewartet, der Saal war gedrängt voll. Viele der Anwesenden hatten sich schon in die Fensternischen geflüchtet, um nicht erdrückt zu werden. Frauen und Mädchen wurden auf die Stufen der Tribüne gebracht. Ueber dem Ganzen lag eine schwere, dumpfige Atmosphäre und die Lichter der Ampeln warfen einen trüben Schein auf die Gesichter von etwa fünftausend Arbeitern. Rings herrschte eine unheimliche Stille. Wie einem Gewitter sah man dem Erscheinen O'Connors ernst und lang entgegen.</p> <p>Da entstand plötzlich vor der Thür ein wilder Spektakel; im Vordergrunde des Saales wogte es toll durcheinander; die Leute drehten sich rechts und links, man bekam Rippenstöße in Menge, und unwillkürlich wurde man nach der Richtung fortgezogen, von der der Lärm ausging. O'Connor hatte die Schwelle des Saales betreten. Von mehreren Freunden begleitet, brach er sich Bahn durch die Menge; Vielen die Hände schüttelnd, Manche bei Namen rufend, Alle herzlich grüßend, wie ein heimkehrender Vater seine Kinder bewillkommt und lachend und scherzend immer vorwärts dringend bis zum Fuß der Tribüne. «There he is! there he is!» klang es von allen Lippen und wie im Triumphe hoben ihn die Arme seiner Getreuen auf die Höhe der Plattform. Mit <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1449/0001]
Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 258. Köln, Donnerstag, den 29. März 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.
Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.
Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.
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Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.
Bestellungen auf die Neue Rheinische Zeitung für das II. Quartal (April-Juni) bitten wir möglichst frühzeitig zu machen.
Unsere auswärtigen geehrten Abonnenten machen wir darauf aufmerksam, daß die Abonnements jedesmal am Schlusse des Quartals bei den Postämtern erneuert werden müssen.
Uebersicht. Deutschland. Köln. (Zur schlesischen Milliarde.) Unna. (Krawall.) Berlin. (Klatsch. ‒ Kammern. ‒ Preßgesetz. ‒ Auslegung. ‒ Ministerial-Soiréen-Einladungskarten-Revolution.) Erfurt. (Belagerungszuständliches.) Wien. (Vermischtes.) Prag. (Aufruf der Slowanska-Lipa.) Altona. (Revolutionsfeier.) Frankfurt. (National-Versammlung.) Freiburg. (Prozeß gegen Struve und Blind.)
Franz. Republik. Paris. (Vermischtes. ‒ National-Versammlung.) Bourges. (Prozeß der Maigefangenen.)
Polen. Lemberg. (Kommandirte Illumination. ‒ Zwei servile Adressen.)
Ungarn. (Kriegsschauplatz) Preßburg. (Verurtheilungen.)
Italien. (Vom Kriegsschauplatze.) Rom. (Die Constituante.) Neapel. (Zustände in den Provinzen.) Turin. (Die Ergänzungswahlen.) Venedig. (Manin's erstes diktatoriales Dekret.)
Spanien. Madrid. (Unzufriedenheit der Karlisten mit Montemolin)
Deutschland. * Köln, 27. März. Unter dem Titel „Regulirung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse“ wußte sich die preußische Ritterschaft nicht lange nach den sogenannten „Freiheitskriegen“ ein Gesetz zurecht zu machen, das alle ihre Herzenswünsche befriedigte, und in der praktischen Ausführung noch übertraf. Die Gesetzesmacher, den König, die Prinzen, die Minister und den ganzen Staatsrath einbegriffen, waren als Besitzer einer größern oder kleinern Zahl Rittergüter ganz direkt bei jener Regulirung interessirt, waren Partei gegen die Bauern. Von blödsinnigen oder bezahlten Publizisten des In- und Auslandes als unendlich freisinnig gepriesen, war jenes Gesetz über Ablösung der Feudallasten eine unversiegliche Quelle namenlosen Elends und unverschämtester Plünderei für das Landvolk, eine unerschöpfliche Goldgrube für die schwelgende Ritterschaft und denjenigen Theil der preußischen Büreaukratie, der mit Ausführung dieser schlau ersonnenen Ablösung beauftragt war.
Hätten Tausende von Räuberbanden das Land durchzogen und in allnächtlichen Einbrüchen Hab' und Gut des Landvolks hinweggeschleppt: des Unglücks hätte man sich getrösten, den Schaden verschmerzen und ersetzen können, während vor dieser ägyptischen Landplage der „Ablösung“ und ihren Folgen keine Rettung, kein Verschmerzen und Getrösten übrig blieb. Mit unsichtbarer Dinte hatte die gesetzgebende Kaste die Dante'sche Inschrift über dem Höllenthor an den Eingang jener „Ablösungs“-Ordnung hingestellt. Erst in der Praxis wurde sie den Bauern leserlich, sie buchstabirten und lasen, daß ihnen die Augen vor stechendem Schmerz, den Rittern dagegen vor tiefinnerlichster Wonne übergingen, und wenn jetzt der Bauer abermals von „Ablösung,“ von „Entschädigung“ der hohen Herren etc. reden hört, so rieselt ihm die Bedeutung der Inschrift: „Lasciate ogni speranza voi che untrate“ (Eintretend hier laßt jede Hoffnung fahren!) kalt über den Rücken.
Wie viel allein die schlesische Ritterschaft mittelst jenes königl. preuß. Ablösungsgesetzes in circa 30 Jahren aus dem nun „abgelösten“ Theil der ländlichen Bevölkerung herausgelöst hat: ist in einer frühern Nummer d. Bl. berechnet worden. Erinnern wir uns daran, daß durch jenes Gesetz wegen „Regulirung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse,“ den Gutsherrn eine enorme Entschädigung für Feudallasten zugewandt wurde, die schon längst unentgeldlich hätten abgeschafft sein müssen. Den Raubrittern wurde der 20- bis 25fache Betrag für die bisherigen Leistungen der Bauern zugesprochen, und baar oder in Renten oder Aeckern entrichtet. Statt daß die Bauern für den Raub, den die Ritterschaft so lange an ihnen begangen, entschädigt worden wären, verlangte und erhielt durch jenes Gesetz die noble Ritterschaft noch eine Entschädigung, die den feudalen Raub unter einer bürgerlichen legalen Form verewigte.
Aber die Scheußlichkeit des Gesetzes wurde durch die Art seiner Ausführung noch erhöht.
Werfen wir jetzt einen Rückblick auf das dabei beobachtete Verfahren, auf die praktische Anwendung des Gesetzes.
Diese war in unterster Instanz den k. Oekonomie-Kommissarien und ihren Gehülfen, den k. Vermessungs-Kondukteurs und Aktuarien übertragen. Ueber ihnen schalteten und walteten gleich Pascha's die berüchtigten General-Kommissionen. War der Ablösungsantrag gestellt worden, so erschien der Herr Oekonomie-Kommissarius und Komp. im Dorfe, um die erste Verhandlung aufzunehmen. Die Herren Ritter, die sich stets auf gute Geschäftchen verstanden, luden diese jetzt über Alles wichtigen Beamten zu sich auf's Schloß, wo man sie auf's Trefflichste bewirthete und bearbeitete. Oft hatte die Bearbeitung schon früher stattgefunden, und da die Herren Ritter den Champagner nicht sparen, wenn etwas dadurch erreicht werden kann, so waren die patrimonialvergnüglichen Bemühungen meist erfolgreich. Sicher gab's unter der fraglichen Klasse von königl. Beamten auch solche, die sich den klingenden und schäumenden Beweisgründen für die „wohlerworbenen Rechte“ und Ansprüchen der Ritter unzugänglich zeigten: aber eben so sicher bildeten gerade diese bei Weitem nicht die Mehrzahl. In Fällen, wo der Oekonomie-Kommissarius seinerseits sich genau an's Gesetz hielt, nutzte es den Bauern wenig, sobald z. B. der Kondukteur vom Dominialherrn oder dessen Rentmeister, Oberamtmann, Wirthschaftsinspektor etc. gewonnen war. Fälle dieser Art kamen in großer Zahl vor. Noch schlimmer für die Bauern, wenn, wie in der Regel geschah, zwischen Oekonomie-Kommissarius, Kondukteur und Patrimonialherrn das herzlichste Einverständniß herrschte. Dann war das ritterliche Herz fröhlich und guter Dinge.
In seiner ganzen Machtfülle, womit namentlich das altpreußische Beamtenthum seine Angehörigen zu umkleiden wußte, trat jetzt der k. Kommissarius unter die im Gerichtskretscham (Schenke, worin alle öffentlichen Verhandlungen geführt werden) versammelten Bauern. Er verfehlte nicht, die Bauern zu erinnern, daß er „im Namen des Königs“ hier sei und mit ihnen verhandle.
„Im Namen des Königs!“ Bei dieser Phrase traten dem Bauer alle düstern Gestalten, wie Gensdarmen, Exekutoren, Patrimonialrichter, Landräthe etc. gleichzeitig vor Augen. War er doch von ihnen Allen stets in jenem Namen bedrückt oder ausgesaugt worden. „Im Namen des Königs“: das klang ihm gleich „Stock“ oder Zuchthaus; es klang wie Steuern, Zehnten, Frohnden und Sportelgelder. Das Alles mußte er ja auch „im Namen des Königs“ zahlen. Schlug diese kommissarische Einleitung nicht vollständig an, zeigte sich die Gemeinde oder einzelne Wirthe in ihr bei diesem oder jenem Punkte gegen die dominialkommissarischen Pläne widerspenstig: so verwandelte sich der Kommissarius in den olympischen Donner, der ein „heiliges tausend Sakerment“ nach dem andern in die verduzte Bauernschaar hineinschleuderte und dann sanfter hinzusetzte: „Macht Ihr noch ferner solche unnütze und dumme Weitläufigkeiten, so sage ich Euch, daß Ihr noch ganz gehörig dafür „blechen“ sollt.“
Dieses symbolische Anfassen des bäuerlichen Geldbeutels gab dann meist den Ausschlag. Die Leistungen und Gegenleistungen und die Entschädigungsberechnungen konnten jetzt den gutsherrlichen Wünschen bequem angepaßt werden. Der Kondukteur seinerseits vermaß die vorhandenen Rustikaläcker. War er vom Ritter gewonnen, so maß er den Bauern weniger Acker heraus, als sie besaßen. Zur Abschätzung von Nutznießungen, Bodenbeschaffenheit etc. wurden Kreisschulzen als Sachverständige zugezogen. Diese, in der Mitte zwischen der großen Masse der Bauern und den Herren Rittern, aber gewöhnlich auf Seite der letzteren, leisteten den Dominialherren noch weitere Dienste, indem sie die Aecker der Bauern nicht selten in eine niedrigere Klasse einreihten. Bei der endlichen Rückvermessung sah sich der Bauer abermals verkürzt, indem er weniger Acker erhielt, als im Rezeß stand. Dazu kamen noch Uebervortheilungen bei Ausgleichung der einen Bodenklasse mit der andern. Zuweilen ereignete es sich, daß der Bauer das Sprüchwort: „Wer gut schmiert, der fährt auch gut“ sich ebenfalls zu Gemüth führte. Dann mußte abermals irgend ein anderer Bauer im Dorfe für das „Schmieren“ herhalten. So übersandte ein Schmied, der bei seiner Stelle circa 15 Morgen Acker hatte, dem Vermessungskondukteur 30 Quart Honig. Das trug ihm schließlich 1/2 Morgen Zuwachs ein.
Den Hauptschnitt machten natürlich die Herren Ritter. Einestheils bestimmten sie den Oekonomie-Kommissarius, den Acker der kleinen Leute, wenn's irgend ging, auf die schlechteste Seite hin zu verlegen. Der gute Boden wurde zum herrschaftlichen geschlagen, und dafür den Rustikalen (Bauern) herrschaftlicher Acker zugemessen, der in nassen Jahren regelmäßig ersäuft. Anderntheils wurde den Bauern ein Theil ihres Ackers durch die Vermessung direkt eskamotirt. Unter den Tausenden von Fällen erinnern wir blos an einen, wo der übervortheilte Rustikalbesitzer sich die an ihm begangene Spitzbüberei so zu Herzen nahm, daß er wahnsinnig wurde, ins Irrenhaus kam und darin starb. Seine Frau grämte sich über das Schicksal ihres Mannes zu Tode und die zahlreichen Kinder gingen theils im Elend unter, theils wurden sie bei fremden Leuten untergebracht. In einem andern Dorfe gaunerte ein ganz für die Raubritterschaft gewonnener Kondukteur einem Müller durch falsche Vermessung 3/4 Morgen ab. Der Müller, ein ganz gescheuter Mann, der sich selber auf's Feldmessen verstand und auch zur Führung eines Prozesses die nöthigen Mittel besaß, schrieb dem Kondukteur: wenn er nicht binnen drei Tagen die Spitzbüberei wieder gut mache, so werde die Sache weiter verfolgt werden. Da freilich eilte der Kon- [Fortsetzung]
Die Langeweile, der Spleen und die Seekrankheit. (Fortsetzung von Nro. 238, 241, 243, 250, 251 und 255.)
Langsam und feierlich erhebt der „Sprecher“ seine Hand und zu vornehmem Gruße neigt er kaum bemerkbar sein Haupt.
„Mr. Feargus O'Connor!“ ruft er dann im tiefsten Tone, indem er hinüberblickt nach der ersten Oppositionsbank, und sofort erhebt sich der Chef der Chartisten, merkwürdigerweise gerade zwischen Sir Robert Peel und Sir James Graham.
O'Connor ist ein stattlicher Mann. Auf wohlgebildeten und gewandten Schenkeln und Lenden erhebt sich ein breitschultriger, brustgewölbter Oberkörper, der einen mehr interessanten als schönen Kopf mit breiter, nach vorn stehender Stirn trägt. O'Connor's Haare sind röthlich, seine Augen liegen tief, seine Nase ist etwas aufgestülpt. In O'Connor's Auftreten liegt Würde und Festigkeit; seine Gestikulation ist lebendig, der Ton seiner Stimme kräftig, metallen.
Zu der Zeit, als Daniel O'Connell seine Advokatur an den Nagel hing, um sich ausschließlich mit der irischen Repeal-Agitation zu befaßen, da glaubte er in seinem Landsmanne Feargus O'Connor ein treffliches Werkzeug für seine Pläne gefunden zu haben, Freund Dan protegirte daher den jungen Feargus in auffallender Weise. Eine Zeit lang harmonirten die Beiden auf's Beste mit einander, als der schlaue Daniel aber sah, daß der junge Feargus viel zu wild und zu entschieden auftrat, um die Agitation in einer der O'Connell'schen Rente vortheilhaften Weise zu befördern, da schob er ihn leise bei Seite und sandte ihn hinüber nach England, wo nach Henry Hunts Tode ein tüchtiger Agitator unter den Arbeitern immer nöthiger geworden war. O'Connor begriff den Zusammenhang seiner Sendung erst später, und hat sein Beiseiteschieben dem alten Dan nie vergessen können.
Einmal in England angekommen, warf sich der „wilde Feargus“ mit aller Energie in die Bewegung der arbeitenden Klasse, und imponirte sofort, durch seine große Kourage, durch seine namenlose Thätigkeit, vor allen Dingen aber durch seine vollkommene Rechtlichkeit, die freilich vielfach angefochten ist, von der aber das gänzliche Verschulden der O'Connor'schen Besitzungen in Irland den besten Beweis liefert. Ihn unterstützte bei seiner Agitation der eigenthümliche Reiz, der über dem Namen der O'Connor's liegt. Denn seinen Stammbaum leitet O'Connor zurück bis zu den fernsten, halbverschollenen Königen des grünen Erin. Verwachsen ist der Name seines Hauses mit allen blutigen Ereignissen jener unglücklichen Insel; durch das Tosen einer jeden Revolte klingt der Ruf eines O'Connor's. Vergangenheit und Gegenwart berühren sich in diesem Manne. Er erschien wie ein vom Thron gestürzter König, der als kecker Proletarier wieder auferstand, ohne Leid um das Geschehene, mit allen Fasern seines Lebens wurzelnd in der Gegenwart und mit der Riesenfaust donnernd vor die Pforte der Zukunft, daß sie weit dem Volke sich erschließe und nur dem Volke! War es ein Wunder, daß er bald als Chef der englischen Chartisten da stand?
Ja, das Volk liebte O'Connor. In seinem O'Connor sah das Volk sich selbst.
Abwechselnd himmlisch weise und niederträchtig dumm; tragisch ernst und bis zum Entzücken ergötzlich ‒ naiv und sentimental in einem Athem; manchmal fein und gewandt wie ein Franzose und plötzlich wieder grob und plump, gleich einem Shakspeare'schen Stallknecht; zutraulich schmeichelnd wie ein kleines Mädchen und wieder stolz und despotisch wie ein römischer Imperator; von Liebe lispelnd wie Hasis und in barbarischen Derbheiten sich ergehend trotz Meister Franz Rabelais; großmüthig wie ein Leu, aber auch grausam wie ein Tieger; eben so enthusiastisch für das einmal Begriffene, als widerspenstig gegen das Unverstandene; launig-poetisch und leichtsinnig in der Liebe und dem Wein, wie der ächte Irländer; plötzlich wieder ökonomisch und wirthschaftlich besorgt gleich dem filzigsten Schotten und endlich: stolz, energisch und kühn wie der Sohn Alt-Englands ‒ Alles das war dieser O'Connor! Ein tolles Gemisch aller Volksleidenschaften, ausgeschmückt mit allen Tugenden und mit allen Lastern des Volkes; mit einem Charakter, in dem sich die Grundzüge des Volkes der Rose, der Distel und des Klee's in einer Weise wiederspiegelten, wie sie noch in keinem kritischen oder irischen Agitator, weder in Cartwrigh,t noch in Cobbet, noch in Hunt, noch in O'Connell zum Vorschein kamen.
O, nie werde ich den Augenblick vergessen, wo ich den Irländer zum ersten Male reden hörte. Er war damals in der Epoche seines höchsten Glanzes. Die Versammlung hatte lange auf ihn gewartet, der Saal war gedrängt voll. Viele der Anwesenden hatten sich schon in die Fensternischen geflüchtet, um nicht erdrückt zu werden. Frauen und Mädchen wurden auf die Stufen der Tribüne gebracht. Ueber dem Ganzen lag eine schwere, dumpfige Atmosphäre und die Lichter der Ampeln warfen einen trüben Schein auf die Gesichter von etwa fünftausend Arbeitern. Rings herrschte eine unheimliche Stille. Wie einem Gewitter sah man dem Erscheinen O'Connors ernst und lang entgegen.
Da entstand plötzlich vor der Thür ein wilder Spektakel; im Vordergrunde des Saales wogte es toll durcheinander; die Leute drehten sich rechts und links, man bekam Rippenstöße in Menge, und unwillkürlich wurde man nach der Richtung fortgezogen, von der der Lärm ausging. O'Connor hatte die Schwelle des Saales betreten. Von mehreren Freunden begleitet, brach er sich Bahn durch die Menge; Vielen die Hände schüttelnd, Manche bei Namen rufend, Alle herzlich grüßend, wie ein heimkehrender Vater seine Kinder bewillkommt und lachend und scherzend immer vorwärts dringend bis zum Fuß der Tribüne. «There he is! there he is!» klang es von allen Lippen und wie im Triumphe hoben ihn die Arme seiner Getreuen auf die Höhe der Plattform. Mit [Fortsetzung]
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Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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