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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 261. Köln, 1. April 1849. Zweite Ausgabe.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 261. Köln, Sonntag, den 1. April. 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. - Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.

Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.

Nur frankirte Briefe werden angenommen.

Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.

Zweite Ausgabe.

Deutschland.
* Köln, 1. April.

Nach den letzten Berichten, die aus Italien eintreffen, ist die Niederlage der Piemontesen bei Novara keineswegs so entscheidend, wie die nach Paris gesandte telegraphische Depesche berichtet hatte.

Die Piemontesen sind geschlagen, sie sind von Turin abgeschnitten und ins Gebirge geworfen worden. Das ist Alles.

Wäre Piemont eine Republik, wäre die Turiner Regierung revolutionär und hätte sie den Muth zu revolutionären Mitteln zu greifen - es wäre Nichts verloren. Aber die italienische Unabhängigkeit geht verloren - nicht an der Unbesiegbarkeit der östreichischen Waffen, sondern an der Feigheit des piemontesischen Königthums.

Wodurch haben die Oestreicher gesiegt? Dadurch, daß in der iemontesischen Armee, durch den Verrath Romarino's zwei Divipsionen von den übrigen drei getrennt, und diese drei isolirte durch die östreichische Ueberzahl geschlagen wurden. Diese drei Divisionen sind jetzt an den Fuß der Walliser Alpen zurückgedrängt.

Es war von vornherein ein enormer Fehler, daß die Piemontesen den Oestreichern bloß eine regelmäßige Armee entgegen setzen, daß sie mit ihnen einen gewöhnlichen, bürgerlichen, honetten Krieg führen wollten. Ein Volk, das sich seine Unabhängigkeit erobern will, darf sich nicht auf die gewöhnlichen Kriegsmittel beschränken. Aufstand in Masse, Revolutionskrieg, Guerillas überall, das ist das einzige Mittel, wodurch ein kleines Volk mit einem großen fertig werden, wodurch eine minder starke Armee in den Stand gesetzt werden kann, der stärkeren und besser organisirten zu widerstehen.

Die Spanier haben es 1807-12 bewiesen, die Ungarn beweisen es noch jetzt.

Chrzanowski war bei Novara geschlagen und von Turin abgeschnitten; Radetzki stand 9 Meilen von Turin. In einer Monarchie, wie Piemont, selbst in einer konstitutionellen, war damit der Feldzug entschieden; man kam um Frieden bei Radetzki ein. Aber in einer Republik war damit gar nichts entschieden. Hätte nicht die unvermeidliche Feigheit der Monarchieen, die nie den Muth hat, zu den äußersten revolutionären Mitteln zu greifen, hätte nicht diese Feigheit davon zurückgehalten, die Niederlage Chrzanowski's hätte ein Glück für Italien werden können.

Wäre Piemont eine Republik, die keine Rücksicht auf monarchische Traditionen zu nehmen hätte, so stand ihm ein Weg offen, den Feldzug ganz anders zu beendigen.

Chrzanowski war nach Biella und Borgo Manero zurückgetrieben. Dort, wo die Schweizeralpen jeden weitern Rückzug, wo die zwei oder drei engen Flußthäler jede Zerstreuung der Armee so gut wie unmöglich machen, dort war es leicht, die Armee zu konzentriren und durch einen kühnen Marsch Radetzki's Sieg fruchtlos zu machen.

Wenn die Chefs der piemontesischen Armee revolutionären Muth besaßen, wenn sie wußten, daß in Turin eine revolutionäre, aufs Aeußerste gefaßte Regierung saß, so war ihre Handlungsweise sehr einfach.

Am Lago Maggiore standen nach der Schlacht von Novara 30-40,000 Mann piemontesischer Truppen. Dies Corps, in zwei Tagen konzentrirt, konnte sich in die Lombardei werfen, in der nicht 12,000 Mann Oestreicher stehn; es konnte Mailand, Brescia, Cremona besetzen, den allgemeinen Aufstand organisiren, die einzelnen aus dem Venetianischen heranrückenden östreichischen Corps einzeiln schlagen und damit Radetzky's ganze Operationsbasis in die Luft sprengen.

Radetzki, statt auf Turin zu marschiren, hätte sofort umdrehen und in die Lombardei zurückkehren müssen, verfolgt von dem Massenaufgebot der Piemontesen, das natürlich die lombardische Insurrektion unterstützen mußte.

Dieser wirkliche Nationalkrieg, ein Krieg, wie ihn die Lombarden im März 1848 führten und womit sie Radetzki hinter den Oglio und Mincio jagten, dieser Krieg hätte ganz Italien in den Kampf gejagt und den Römern und Toskanern ganz andere Energie eingeflös't.

Während Radetzki noch zwischen Po und Tessin stand und sich besann, ob er vorwärts oder rückwärts gehen solle, konnten die Piemontesen und Lombarden bis vor Venedig marschiren, Venedig entsetzen, La Marmora und römische Truppen an sich ziehen, den östreichischen Feldmarschall durch zahllose Guerrillasschwärme beunruhigen und schwächen, seine Truppen zersplittern und ihn endlich schlagen. Die Lombardei wartete nur des Einmarsches der Piemontesen; sie erhob sich schon, ohne ihn abzuwarten. Nur die östreichischen Citadellen hielten die lombardischen Städte im Zaum. Zehntausend Mann Piemontesen waren schon in der Lombardei; wären noch 20-30,000 hineinmarschirt, so war Radetzki's Rückzug unmöglich.

Aber der Aufstand in Masse, die allgemeine Insurrektion des Volkes, das sind Mittel, vor deren Anwendung das Königthum zurückschreckt. Das sind Mittel, die nur die Republik anwendet - 1793 liefert den Beweis dafür. Das sind Mittel, deren Ausführung den revolutionären Terrorismus voraussetzt, und wo ist ein Monarch gewesen, der sich dazu entschließen konnte?

Was die Italiener also ruinirt hat, das ist nicht die Niederlage von Novara und Vigevano, das ist die Feigheit und Mäßigung, in die die Monarchie sie hineinzwängt. Die verlorne Schlacht von Novara brachte blos einen strategischen Nachtheil: sie waren von Turin abgeschnitten, während den Oesterreichern der Weg dahin offen stand. Dieser Nachtheil war gänzlich bedeutungslos, wenn der verlornen Schlacht der wirkliche Revolutionskrieg auf dem Fuße folgte, wenn der Rest der italienischen Armee sich sogleich zum Kern der nationalen Massenerhebung erklärte, wenn der honette strategische Armeekrieg in einen Volkskrieg umgewandelt wurde, wie die Franzosen ihn 1793 führten.

Aber freilich! Revolutionskrieg, Massenerhebung und Terrorismus - dazu wird die Monarchie sich nie verstehen. Eher schließt sie Frieden mit ihrem bittersten, ebenbürtigen Feind, ehe sie sich mit dem Volk verbündet.

Karl Albert mag Verräther sein oder nicht - die Krone Karl Albert's, die Monarchie allein hätte hingereicht, Italien zu ruiniren.

Aber Karl Albert ist Verräther. Durch alle französischen Blätter geht die Nachricht von dem großen europäischen Contrerevolutions-Komplott zwischen sämmtlichen Großmächten, von dem Feldzugsplan der Contrerevolution zur schließlichen Unterdrückung aller europäischen Völker. Rußland und England, Preußen und Oesterreich, Frankreich und Sardinien haben diese neue heilige Allianz unterzeichnet.

Karl Albert hatte den Befehl, mit Oestreich Krieg anzufangen, sich schlagen zu lassen und dadurch den Oestreichern Gelegenheit zu geben, in Piemont, in Florenz, in Rom die "Ruhe" wieder herzustellen, und überall standrechtliche Konstitutionen octroyiren zu lassen. Dafür bekam Karl Albert Parma und Piacenza, die Russen pacificirten Ungarn; Frankreich sollte Kaiserreich werden und damit war die Ruhe Europa's hergestellt. Das ist nach französischen Blättern, der große Plan der Contrerevolution; und dieser Plan erklärt Romarino's Verrath und erklärt die Niederlage der Italiener.

Die Monarchie aber hat durch den Sieg Radetzki's einen neuen Stoß erhalten. Die Schlacht bei Novara und die darauf folgende Lähmung der Piemontesen beweist, daß ein Volk in den äußersten Fällen, wo es seiner ganzen Kraftanstrengung bedarf, um sich zu retten, durch Nichts mehr gehemmt wird, als durch die Monarchie. Wenn Italien nicht an der Monarchie zu Grunde gehen soll, so muß vor Allem die Monarchie in Italien zu Grunde gehen.

* Köln, 1. April.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
* Berlin, 30.März.

Von den rheinischen Abgeordneten de Syo, Moedersheim, v. Berg, Blömer, Pelzer (Heinsberg), Schornbaum etc. ist folgender Antrag eingereicht:

"Die hohe Kammer möge nachstehendem Gesetzvorschlage ihre Genehmigung ertheilen.

Erster und einziger Artikel.

Die Untersuchung gegen diejenigen Personen, welche sich an dem vom 15. bis 18. April v. J. in Aachen stattgehabten Tumulte betheiligt haben, und dieserhalb vor den Assisenhof resp. vor das Zuchtpolizeigericht verwiesen worden sind, wird hiermit niedergeschlagen."

Aus den Motiven entnehmen wir, daß die Beschuldigten sich bereits seit 11 Monaten in Haft befinden, sie waren nur die Verführten, da die geheimen Leiter nicht ausfindig gemacht worden sind, und haben demnach für ihr Vergehen durch die Vorhaft schwer genug gebüßt.

Der Staatsanwalt Sethe hatte unterm 24. Februar d. J. die Einleitung einer Untersuchung wider den Assessor Jung wegen Beleidigung des Magistrats von Berlin beantragt. Da Jung inzwischen zum Abgeordneten erwählt ist, so hat der Staatsanwalt die Genehmigung der zweiten Kammer zur Eröffnung der Untersuchung erbeten. Mit 8 gegen 7 Stimmen hat die Petitionskommission beschlossen, der Kammer anheimzugeben:

"Die von dem Staatsanwalt Sethe erbetene Genehmigung zur Einleitung einer Untersuchung wider den Abg. Jung wegen Beleidigung des Magistrats zu Berlin nicht zu ertheilen."

Der Abg. Kinkel hat folgenden von 32 Abgeordneten unterstützten dringenden Antrag eingereicht: die Kammer wolle beschließen

"die beiden Strafprozesse, in welchen der Abg. Kinkel in zweiter Instanz auf den 18. April d. J. vor das Landgericht zu Köln geladen ist, vorläufig zu sistiren und die Einforderung der Akten zu verlangen."

Wir geben folgende Berichtigung zu den gestern von uns mitgetheilten Wahlen zu der Fachkommission. Hr. Moedersheim gehört der Oppositionsparthei, Hr. Vater dagegen der Rechten an. Die fünfte Abtheilung hat die Abgeordneten Stein und Schaffraneck für das Unterrichtswesen, Borchard und Dahne für Gemeinde-Angelegenheiten gewählt

Der Abgeordnete Elsner ist zum Referenten des Central-Ausschusses für die Angelegenheiten der Spinner und Weber erwählt worden.

Bekanntlich wurde bei der Nationalversammlung Elsner's Vorschlag auf Sistirung der bäuerlichen Abgaben als kommunistisch mit Unwillen zurückgewiesen. Von allen Seiten nun, besonders aber aus Schlesien, treffen jetzt Petitionen ein, welche dasselbe, oder wie man es dort nennt, einen Generalindult verlangen. Die kleinen Grundbesitzer nämlich sind in der entsetzlichsten Verlegenheit, da sie mit Hypothekenkündigungen, auf welche sie nicht gerechnet hatten, von allen Seiten geängstigt werden, während sie ihren Verpflichtungen getreu nachkommen sollen. Es sind deshalb besonders in Schlesien die Subhastationen an der Tagesordnung, und trotz der gebändigten Anarchie, trotz des wiederhergestellten Vertrauens, wächst das Elend in dieser Perle der preußischen Krone auf eine unheimliche Weise. Der köstliche Regulirungsvorschlag des Ministeriums vom Dezember hat den außerordentlichen Erfolg gehabt, daß sich gerade zwei Besitzer für die Ablösung nach solchen Normen gemeldet haben. Auch ein Beitrag zur Geschichte der legislatorischen Wirksamkeit unseres Ministeriums.

Die Abgeordneten Moritz und Consorten werden ein Grundsteuergesetz einbringen, welches sich auf das Hansemann'sche mit Vergleichung der Arbeiten des Centralausschusses der Nationalversammlung stützt.

Das Kriminalgericht hat sich in seinem heutigen Urtheil gegen die Oktober-Angeklagten ein unvergängliches Denkmal seiner Unpartheilichkeit gesetzt. Wir haben den Ruhm der preußischen Richter stets für unbegründet, ihre politische Selbstständigkeit für einen Mythus erklärt, das Benehmen des liberalen Herrn Harassowitz und seiner Kollegen liefert einen neuen Beweis für unsere Behauptung.

Als Staatsanwalt fungirte Herr Brohm, ein Jurist, den wir nur als den unerbittlichsten Verfolger aller demokratischen Neigungen kennen, Herr Brohm, das personifizirte altpreußische Kriminalrecht, die festeste Stütze des konstitutionellen Königthums. Aber der Glanz dieses verhaßten Anklägers erbleichte. Saul-Brohm schlug Tausend, aber David-Harrassowitz zehn Tausend, oder mit andern Worten, der Staatsanwalt trug auf 6-18 Monate an, der Gerichtshof erkannte bis auf zehn Jahre.

So erhält Dalenburg 6 Monate, weil er der Bürgerwehr den H...... gezeigt hat. Der 15jährige Kraemer 3 Jahre Gefängniß, weil er mit einem Steine einen Schutzmann geworfen haben soll. Kirschbaum, 10 Jahre, weil er ein Gewehr auf die Schutzmänner abgeschossen hat, von dem nicht zu erweisen war, ob es geladen oder nicht. Hinze, 4 Jahre, weil er mit einem Stock über die Jannowitz-Brücke ging. Der bekannte Linden-Müller, 2 Jahre, weil er, wie man hier sagt, abgewiegelt, d. h. zur Ruhe ermahnt hat. Die Arbeiter Prenzel und Schulze, jeder zu sechs Jahren, Dietrich I. u. II. je zu vier Jahren, Doerk zu dreijähriger Einstellung in eine Strafsektion. Die Vertheidiger Stein und Stieber hatten die Bürgerwehr mit Recht eine bewaffnete Horde genannt. Es sollen diese muthigen Kämpfer sehr erbittert gegen die beiden Vertheidiger sein.

Der König empfing heute die Deputation der zweiten Kammer, welche ihm die Adresse überbrachte, mit großer Freundlichkeit. Zur großen Freude des Gottbegnadeten bestand die Deputation fast nur aus konservativen Mitgliedern und er konnte sich deshalb, ohne große Ueberwindung, ziemlich freundlich mit ihnen unterhalten. Nur bei dem Pastor Schellenberg, der so kräftig für die Amnestie gesprochen hatte, brach der verhaltene Groll hervor. "Erinnern Sie sich doch," geruhete er ihm zu sagen, "an den alten Spruch: Gebet dem Kaiser was des Kaisers ist und Gott was Gottes ist!" Schellenberg schwieg. "Und Sie antworten nicht?" - Zu dem Abgeordneten Gruwe aus Münster sagte er: "Münster ist mir ein sehr schmerzlicher Ort!" - Die ganze Komödie war übrigens schnell genug beendet!

Die Commission für Sistirung der Justiz-Organisation hat folgende motivirte Tagesordnung angenommen:

"In Erwägung, daß jede Rechtsunsicherheit zu vermeiden, in Erwägung ferner, daß der Kammer auch bei vorläufiger Annahme die verfassungsmäßigen Rechte zur Prüfung der Vorlagen nicht verkürzt werden, geht die Kammer zur Tagesordnung über."

Die Commission ist also serviler wie die erste Kammer.

Von dem Abg. Elsner und andern Mitgliedern der Linken ist folgender Gesetzvorschlag über die Regulirung der mit Mühlengrundstücken verbundenen Abgaben und Leistungen eingereicht. Die Hauptgrundsätze dieses Gesetzes sind folgende:

1) Findet hinsichtlich der Beschaffenheit der Abgaben oder Leistungen ein Zweifel statt, so hat nicht der Verpflichtete sondern der Berechtigte den Nachweis zu führen, daß dieselben ganz oder theilweise Grundabgaben sind. - 2) So weit nachgewiesen wird, daß die Abgabe für den Betrieb des Gewerbes entrichtet wurde, fällt dieselbe fort. Wird dagegen der Nachweis für ihre Eigenschaft als Grundabgabe geführt, so bleibt die Abgabe als abzulösende Grundrente bestehen. - 3) Die Entscheidung aus frühern Prozessen und Rezessen schließt nicht aus, daß auf Grund dieses Gesetzes nicht noch einmal eine Regulirung unternommen werde. - 4) Die Auseinandersetzung erfolgt durch eine Commission von 5 Mitgliedern, zu welchen der Berechtigte und der Verpflichtete je 2 Mitglieder wählen; diese ergänzen sich durch Hinzuziehung eines Fünften; ohne die Gegenwart dieses kann die Commission keine Entscheidung treffen. Der Regierungs-Commissar hat die Leitung der Geschäfte, jedoch keine entscheidende Stimme. Die Entscheidung hat die Wirkung eines rechtskräftigen Erkenntnisses.

Sitzung der ersten Kammer.

Die Herren haben sich heute eine halbe Stunde mit Annahme einer neuen Geschäftsordnung, der die bisherige zu Grunde liegt und einigen Amendements nebst bekannten Redensarten amüsirt.

Die Sitzung wurde schon um 11 1/2 Uhr geschlossen.

* Das neueste Sonntagsblättchen der "Neuen Preußischen Zeit." gibt ihren Lesern über die in der Berliner Kammer während der Adreß-Debatte vorgekommene Amnestiefrage folgende Herzensergießung zum Besten:

"Ich weiß nicht, Landsleute, ob ihr zufrieden seid mit den Herren Volksvertretern in den Berliner Kammern; aber es sollte mir leid thun, wenn ihr's wäret, denn als brave Preußen und getreue Unterthanen des Königs dürft ihr nicht zufrieden sein mit dem, was die Abgeordneten machen. Denkt euch mal, da haben sie sich wieder an den König gewendet und haben ihn gebeten, eine Amnestie für politische Verbrechen zu geben. Wißt ihr, was das ist, so 'ne Amnestei? Ich wills euch sagen. Wenn der König in seiner großen Güte und Liebe so 'ne Amnestie gibt, dann kommen alle die Schurken und Buben frei, die im vorigen Jahr Rebellion gepredigt und gemacht haben; dann können die Gerichte die gottlosen Steuerverweigerer nicht beim Kopf nehmen; dann öffnen sich die Gefängnisse, und all das Gesindel, das im ganzen vorigen Jahr das Land beunruhigte, all das wird losgelassen, straflos, und kann sein altes Gewerbe wieder

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 261. Köln, Sonntag, den 1. April. 1849.

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Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.

Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.

Nur frankirte Briefe werden angenommen.

Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.

Zweite Ausgabe.

Deutschland.
* Köln, 1. April.

Nach den letzten Berichten, die aus Italien eintreffen, ist die Niederlage der Piemontesen bei Novara keineswegs so entscheidend, wie die nach Paris gesandte telegraphische Depesche berichtet hatte.

Die Piemontesen sind geschlagen, sie sind von Turin abgeschnitten und ins Gebirge geworfen worden. Das ist Alles.

Wäre Piemont eine Republik, wäre die Turiner Regierung revolutionär und hätte sie den Muth zu revolutionären Mitteln zu greifen ‒ es wäre Nichts verloren. Aber die italienische Unabhängigkeit geht verloren ‒ nicht an der Unbesiegbarkeit der östreichischen Waffen, sondern an der Feigheit des piemontesischen Königthums.

Wodurch haben die Oestreicher gesiegt? Dadurch, daß in der iemontesischen Armee, durch den Verrath Romarino's zwei Divipsionen von den übrigen drei getrennt, und diese drei isolirte durch die östreichische Ueberzahl geschlagen wurden. Diese drei Divisionen sind jetzt an den Fuß der Walliser Alpen zurückgedrängt.

Es war von vornherein ein enormer Fehler, daß die Piemontesen den Oestreichern bloß eine regelmäßige Armee entgegen setzen, daß sie mit ihnen einen gewöhnlichen, bürgerlichen, honetten Krieg führen wollten. Ein Volk, das sich seine Unabhängigkeit erobern will, darf sich nicht auf die gewöhnlichen Kriegsmittel beschränken. Aufstand in Masse, Revolutionskrieg, Guerillas überall, das ist das einzige Mittel, wodurch ein kleines Volk mit einem großen fertig werden, wodurch eine minder starke Armee in den Stand gesetzt werden kann, der stärkeren und besser organisirten zu widerstehen.

Die Spanier haben es 1807-12 bewiesen, die Ungarn beweisen es noch jetzt.

Chrzanowski war bei Novara geschlagen und von Turin abgeschnitten; Radetzki stand 9 Meilen von Turin. In einer Monarchie, wie Piemont, selbst in einer konstitutionellen, war damit der Feldzug entschieden; man kam um Frieden bei Radetzki ein. Aber in einer Republik war damit gar nichts entschieden. Hätte nicht die unvermeidliche Feigheit der Monarchieen, die nie den Muth hat, zu den äußersten revolutionären Mitteln zu greifen, hätte nicht diese Feigheit davon zurückgehalten, die Niederlage Chrzanowski's hätte ein Glück für Italien werden können.

Wäre Piemont eine Republik, die keine Rücksicht auf monarchische Traditionen zu nehmen hätte, so stand ihm ein Weg offen, den Feldzug ganz anders zu beendigen.

Chrzanowski war nach Biella und Borgo Manero zurückgetrieben. Dort, wo die Schweizeralpen jeden weitern Rückzug, wo die zwei oder drei engen Flußthäler jede Zerstreuung der Armee so gut wie unmöglich machen, dort war es leicht, die Armee zu konzentriren und durch einen kühnen Marsch Radetzki's Sieg fruchtlos zu machen.

Wenn die Chefs der piemontesischen Armee revolutionären Muth besaßen, wenn sie wußten, daß in Turin eine revolutionäre, aufs Aeußerste gefaßte Regierung saß, so war ihre Handlungsweise sehr einfach.

Am Lago Maggiore standen nach der Schlacht von Novara 30-40,000 Mann piemontesischer Truppen. Dies Corps, in zwei Tagen konzentrirt, konnte sich in die Lombardei werfen, in der nicht 12,000 Mann Oestreicher stehn; es konnte Mailand, Brescia, Cremona besetzen, den allgemeinen Aufstand organisiren, die einzelnen aus dem Venetianischen heranrückenden östreichischen Corps einzeiln schlagen und damit Radetzky's ganze Operationsbasis in die Luft sprengen.

Radetzki, statt auf Turin zu marschiren, hätte sofort umdrehen und in die Lombardei zurückkehren müssen, verfolgt von dem Massenaufgebot der Piemontesen, das natürlich die lombardische Insurrektion unterstützen mußte.

Dieser wirkliche Nationalkrieg, ein Krieg, wie ihn die Lombarden im März 1848 führten und womit sie Radetzki hinter den Oglio und Mincio jagten, dieser Krieg hätte ganz Italien in den Kampf gejagt und den Römern und Toskanern ganz andere Energie eingeflös't.

Während Radetzki noch zwischen Po und Tessin stand und sich besann, ob er vorwärts oder rückwärts gehen solle, konnten die Piemontesen und Lombarden bis vor Venedig marschiren, Venedig entsetzen, La Marmora und römische Truppen an sich ziehen, den östreichischen Feldmarschall durch zahllose Guerrillasschwärme beunruhigen und schwächen, seine Truppen zersplittern und ihn endlich schlagen. Die Lombardei wartete nur des Einmarsches der Piemontesen; sie erhob sich schon, ohne ihn abzuwarten. Nur die östreichischen Citadellen hielten die lombardischen Städte im Zaum. Zehntausend Mann Piemontesen waren schon in der Lombardei; wären noch 20-30,000 hineinmarschirt, so war Radetzki's Rückzug unmöglich.

Aber der Aufstand in Masse, die allgemeine Insurrektion des Volkes, das sind Mittel, vor deren Anwendung das Königthum zurückschreckt. Das sind Mittel, die nur die Republik anwendet ‒ 1793 liefert den Beweis dafür. Das sind Mittel, deren Ausführung den revolutionären Terrorismus voraussetzt, und wo ist ein Monarch gewesen, der sich dazu entschließen konnte?

Was die Italiener also ruinirt hat, das ist nicht die Niederlage von Novara und Vigevano, das ist die Feigheit und Mäßigung, in die die Monarchie sie hineinzwängt. Die verlorne Schlacht von Novara brachte blos einen strategischen Nachtheil: sie waren von Turin abgeschnitten, während den Oesterreichern der Weg dahin offen stand. Dieser Nachtheil war gänzlich bedeutungslos, wenn der verlornen Schlacht der wirkliche Revolutionskrieg auf dem Fuße folgte, wenn der Rest der italienischen Armee sich sogleich zum Kern der nationalen Massenerhebung erklärte, wenn der honette strategische Armeekrieg in einen Volkskrieg umgewandelt wurde, wie die Franzosen ihn 1793 führten.

Aber freilich! Revolutionskrieg, Massenerhebung und Terrorismus ‒ dazu wird die Monarchie sich nie verstehen. Eher schließt sie Frieden mit ihrem bittersten, ebenbürtigen Feind, ehe sie sich mit dem Volk verbündet.

Karl Albert mag Verräther sein oder nicht ‒ die Krone Karl Albert's, die Monarchie allein hätte hingereicht, Italien zu ruiniren.

Aber Karl Albert ist Verräther. Durch alle französischen Blätter geht die Nachricht von dem großen europäischen Contrerevolutions-Komplott zwischen sämmtlichen Großmächten, von dem Feldzugsplan der Contrerevolution zur schließlichen Unterdrückung aller europäischen Völker. Rußland und England, Preußen und Oesterreich, Frankreich und Sardinien haben diese neue heilige Allianz unterzeichnet.

Karl Albert hatte den Befehl, mit Oestreich Krieg anzufangen, sich schlagen zu lassen und dadurch den Oestreichern Gelegenheit zu geben, in Piemont, in Florenz, in Rom die „Ruhe“ wieder herzustellen, und überall standrechtliche Konstitutionen octroyiren zu lassen. Dafür bekam Karl Albert Parma und Piacenza, die Russen pacificirten Ungarn; Frankreich sollte Kaiserreich werden und damit war die Ruhe Europa's hergestellt. Das ist nach französischen Blättern, der große Plan der Contrerevolution; und dieser Plan erklärt Romarino's Verrath und erklärt die Niederlage der Italiener.

Die Monarchie aber hat durch den Sieg Radetzki's einen neuen Stoß erhalten. Die Schlacht bei Novara und die darauf folgende Lähmung der Piemontesen beweist, daß ein Volk in den äußersten Fällen, wo es seiner ganzen Kraftanstrengung bedarf, um sich zu retten, durch Nichts mehr gehemmt wird, als durch die Monarchie. Wenn Italien nicht an der Monarchie zu Grunde gehen soll, so muß vor Allem die Monarchie in Italien zu Grunde gehen.

* Köln, 1. April.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
* Berlin, 30.März.

Von den rheinischen Abgeordneten de Syo, Moedersheim, v. Berg, Blömer, Pelzer (Heinsberg), Schornbaum etc. ist folgender Antrag eingereicht:

„Die hohe Kammer möge nachstehendem Gesetzvorschlage ihre Genehmigung ertheilen.

Erster und einziger Artikel.

Die Untersuchung gegen diejenigen Personen, welche sich an dem vom 15. bis 18. April v. J. in Aachen stattgehabten Tumulte betheiligt haben, und dieserhalb vor den Assisenhof resp. vor das Zuchtpolizeigericht verwiesen worden sind, wird hiermit niedergeschlagen.“

Aus den Motiven entnehmen wir, daß die Beschuldigten sich bereits seit 11 Monaten in Haft befinden, sie waren nur die Verführten, da die geheimen Leiter nicht ausfindig gemacht worden sind, und haben demnach für ihr Vergehen durch die Vorhaft schwer genug gebüßt.

Der Staatsanwalt Sethe hatte unterm 24. Februar d. J. die Einleitung einer Untersuchung wider den Assessor Jung wegen Beleidigung des Magistrats von Berlin beantragt. Da Jung inzwischen zum Abgeordneten erwählt ist, so hat der Staatsanwalt die Genehmigung der zweiten Kammer zur Eröffnung der Untersuchung erbeten. Mit 8 gegen 7 Stimmen hat die Petitionskommission beschlossen, der Kammer anheimzugeben:

„Die von dem Staatsanwalt Sethe erbetene Genehmigung zur Einleitung einer Untersuchung wider den Abg. Jung wegen Beleidigung des Magistrats zu Berlin nicht zu ertheilen.“

Der Abg. Kinkel hat folgenden von 32 Abgeordneten unterstützten dringenden Antrag eingereicht: die Kammer wolle beschließen

„die beiden Strafprozesse, in welchen der Abg. Kinkel in zweiter Instanz auf den 18. April d. J. vor das Landgericht zu Köln geladen ist, vorläufig zu sistiren und die Einforderung der Akten zu verlangen.“

Wir geben folgende Berichtigung zu den gestern von uns mitgetheilten Wahlen zu der Fachkommission. Hr. Moedersheim gehört der Oppositionsparthei, Hr. Vater dagegen der Rechten an. Die fünfte Abtheilung hat die Abgeordneten Stein und Schaffraneck für das Unterrichtswesen, Borchard und Dahne für Gemeinde-Angelegenheiten gewählt

Der Abgeordnete Elsner ist zum Referenten des Central-Ausschusses für die Angelegenheiten der Spinner und Weber erwählt worden.

Bekanntlich wurde bei der Nationalversammlung Elsner's Vorschlag auf Sistirung der bäuerlichen Abgaben als kommunistisch mit Unwillen zurückgewiesen. Von allen Seiten nun, besonders aber aus Schlesien, treffen jetzt Petitionen ein, welche dasselbe, oder wie man es dort nennt, einen Generalindult verlangen. Die kleinen Grundbesitzer nämlich sind in der entsetzlichsten Verlegenheit, da sie mit Hypothekenkündigungen, auf welche sie nicht gerechnet hatten, von allen Seiten geängstigt werden, während sie ihren Verpflichtungen getreu nachkommen sollen. Es sind deshalb besonders in Schlesien die Subhastationen an der Tagesordnung, und trotz der gebändigten Anarchie, trotz des wiederhergestellten Vertrauens, wächst das Elend in dieser Perle der preußischen Krone auf eine unheimliche Weise. Der köstliche Regulirungsvorschlag des Ministeriums vom Dezember hat den außerordentlichen Erfolg gehabt, daß sich gerade zwei Besitzer für die Ablösung nach solchen Normen gemeldet haben. Auch ein Beitrag zur Geschichte der legislatorischen Wirksamkeit unseres Ministeriums.

Die Abgeordneten Moritz und Consorten werden ein Grundsteuergesetz einbringen, welches sich auf das Hansemann'sche mit Vergleichung der Arbeiten des Centralausschusses der Nationalversammlung stützt.

Das Kriminalgericht hat sich in seinem heutigen Urtheil gegen die Oktober-Angeklagten ein unvergängliches Denkmal seiner Unpartheilichkeit gesetzt. Wir haben den Ruhm der preußischen Richter stets für unbegründet, ihre politische Selbstständigkeit für einen Mythus erklärt, das Benehmen des liberalen Herrn Harassowitz und seiner Kollegen liefert einen neuen Beweis für unsere Behauptung.

Als Staatsanwalt fungirte Herr Brohm, ein Jurist, den wir nur als den unerbittlichsten Verfolger aller demokratischen Neigungen kennen, Herr Brohm, das personifizirte altpreußische Kriminalrecht, die festeste Stütze des konstitutionellen Königthums. Aber der Glanz dieses verhaßten Anklägers erbleichte. Saul-Brohm schlug Tausend, aber David-Harrassowitz zehn Tausend, oder mit andern Worten, der Staatsanwalt trug auf 6-18 Monate an, der Gerichtshof erkannte bis auf zehn Jahre.

So erhält Dalenburg 6 Monate, weil er der Bürgerwehr den H…… gezeigt hat. Der 15jährige Kraemer 3 Jahre Gefängniß, weil er mit einem Steine einen Schutzmann geworfen haben soll. Kirschbaum, 10 Jahre, weil er ein Gewehr auf die Schutzmänner abgeschossen hat, von dem nicht zu erweisen war, ob es geladen oder nicht. Hinze, 4 Jahre, weil er mit einem Stock über die Jannowitz-Brücke ging. Der bekannte Linden-Müller, 2 Jahre, weil er, wie man hier sagt, abgewiegelt, d. h. zur Ruhe ermahnt hat. Die Arbeiter Prenzel und Schulze, jeder zu sechs Jahren, Dietrich I. u. II. je zu vier Jahren, Doerk zu dreijähriger Einstellung in eine Strafsektion. Die Vertheidiger Stein und Stieber hatten die Bürgerwehr mit Recht eine bewaffnete Horde genannt. Es sollen diese muthigen Kämpfer sehr erbittert gegen die beiden Vertheidiger sein.

Der König empfing heute die Deputation der zweiten Kammer, welche ihm die Adresse überbrachte, mit großer Freundlichkeit. Zur großen Freude des Gottbegnadeten bestand die Deputation fast nur aus konservativen Mitgliedern und er konnte sich deshalb, ohne große Ueberwindung, ziemlich freundlich mit ihnen unterhalten. Nur bei dem Pastor Schellenberg, der so kräftig für die Amnestie gesprochen hatte, brach der verhaltene Groll hervor. „Erinnern Sie sich doch,“ geruhete er ihm zu sagen, „an den alten Spruch: Gebet dem Kaiser was des Kaisers ist und Gott was Gottes ist!“ Schellenberg schwieg. „Und Sie antworten nicht?“ ‒ Zu dem Abgeordneten Gruwe aus Münster sagte er: „Münster ist mir ein sehr schmerzlicher Ort!“ ‒ Die ganze Komödie war übrigens schnell genug beendet!

Die Commission für Sistirung der Justiz-Organisation hat folgende motivirte Tagesordnung angenommen:

„In Erwägung, daß jede Rechtsunsicherheit zu vermeiden, in Erwägung ferner, daß der Kammer auch bei vorläufiger Annahme die verfassungsmäßigen Rechte zur Prüfung der Vorlagen nicht verkürzt werden, geht die Kammer zur Tagesordnung über.“

Die Commission ist also serviler wie die erste Kammer.

Von dem Abg. Elsner und andern Mitgliedern der Linken ist folgender Gesetzvorschlag über die Regulirung der mit Mühlengrundstücken verbundenen Abgaben und Leistungen eingereicht. Die Hauptgrundsätze dieses Gesetzes sind folgende:

1) Findet hinsichtlich der Beschaffenheit der Abgaben oder Leistungen ein Zweifel statt, so hat nicht der Verpflichtete sondern der Berechtigte den Nachweis zu führen, daß dieselben ganz oder theilweise Grundabgaben sind. ‒ 2) So weit nachgewiesen wird, daß die Abgabe für den Betrieb des Gewerbes entrichtet wurde, fällt dieselbe fort. Wird dagegen der Nachweis für ihre Eigenschaft als Grundabgabe geführt, so bleibt die Abgabe als abzulösende Grundrente bestehen. ‒ 3) Die Entscheidung aus frühern Prozessen und Rezessen schließt nicht aus, daß auf Grund dieses Gesetzes nicht noch einmal eine Regulirung unternommen werde. ‒ 4) Die Auseinandersetzung erfolgt durch eine Commission von 5 Mitgliedern, zu welchen der Berechtigte und der Verpflichtete je 2 Mitglieder wählen; diese ergänzen sich durch Hinzuziehung eines Fünften; ohne die Gegenwart dieses kann die Commission keine Entscheidung treffen. Der Regierungs-Commissar hat die Leitung der Geschäfte, jedoch keine entscheidende Stimme. Die Entscheidung hat die Wirkung eines rechtskräftigen Erkenntnisses.

Sitzung der ersten Kammer.

Die Herren haben sich heute eine halbe Stunde mit Annahme einer neuen Geschäftsordnung, der die bisherige zu Grunde liegt und einigen Amendements nebst bekannten Redensarten amüsirt.

Die Sitzung wurde schon um 11 1/2 Uhr geschlossen.

* Das neueste Sonntagsblättchen der „Neuen Preußischen Zeit.“ gibt ihren Lesern über die in der Berliner Kammer während der Adreß-Debatte vorgekommene Amnestiefrage folgende Herzensergießung zum Besten:

„Ich weiß nicht, Landsleute, ob ihr zufrieden seid mit den Herren Volksvertretern in den Berliner Kammern; aber es sollte mir leid thun, wenn ihr's wäret, denn als brave Preußen und getreue Unterthanen des Königs dürft ihr nicht zufrieden sein mit dem, was die Abgeordneten machen. Denkt euch mal, da haben sie sich wieder an den König gewendet und haben ihn gebeten, eine Amnestie für politische Verbrechen zu geben. Wißt ihr, was das ist, so 'ne Amnestei? Ich wills euch sagen. Wenn der König in seiner großen Güte und Liebe so 'ne Amnestie gibt, dann kommen alle die Schurken und Buben frei, die im vorigen Jahr Rebellion gepredigt und gemacht haben; dann können die Gerichte die gottlosen Steuerverweigerer nicht beim Kopf nehmen; dann öffnen sich die Gefängnisse, und all das Gesindel, das im ganzen vorigen Jahr das Land beunruhigte, all das wird losgelassen, straflos, und kann sein altes Gewerbe wieder

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        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>No 261. Köln, Sonntag, den 1. April. 1849.</docDate>
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        <p>Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. &#x2012; Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.</p>
        <p>Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.</p>
        <p>Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.</p>
        <p>Nur frankirte Briefe werden angenommen.</p>
        <p>Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.</p>
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        <p> <hi rendition="#b">Zweite Ausgabe.</hi> </p>
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        <head>Deutschland.</head>
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          <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Die Niederlage der Piemontesen, vorgesehen für: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi>, I/9.     </bibl>                </note>
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 1. April.</head>
          <p>Nach den letzten Berichten, die aus Italien eintreffen, ist die Niederlage der Piemontesen bei Novara keineswegs so entscheidend, wie die nach Paris gesandte telegraphische Depesche berichtet hatte.</p>
          <p>Die Piemontesen sind geschlagen, sie sind von Turin abgeschnitten und ins Gebirge geworfen worden. Das ist Alles.</p>
          <p>Wäre Piemont eine Republik, wäre die Turiner Regierung revolutionär und hätte sie den Muth zu revolutionären Mitteln zu greifen &#x2012; es wäre Nichts verloren. Aber die italienische Unabhängigkeit geht verloren &#x2012; nicht an der Unbesiegbarkeit der östreichischen Waffen, sondern an der Feigheit des piemontesischen Königthums.</p>
          <p>Wodurch haben die Oestreicher gesiegt? Dadurch, daß in der iemontesischen Armee, durch den Verrath Romarino's zwei Divipsionen von den übrigen drei getrennt, und diese drei isolirte durch die östreichische Ueberzahl geschlagen wurden. Diese drei Divisionen sind jetzt an den Fuß der Walliser Alpen zurückgedrängt.</p>
          <p>Es war von vornherein ein enormer Fehler, daß die Piemontesen den Oestreichern bloß eine regelmäßige Armee entgegen setzen, daß sie mit ihnen einen gewöhnlichen, bürgerlichen, honetten Krieg führen wollten. Ein Volk, das sich seine Unabhängigkeit erobern will, darf sich nicht auf die <hi rendition="#g">gewöhnlichen</hi> Kriegsmittel beschränken. Aufstand in Masse, Revolutionskrieg, Guerillas überall, das ist das einzige Mittel, wodurch ein kleines Volk mit einem großen fertig werden, wodurch eine minder starke Armee in den Stand gesetzt werden kann, der stärkeren und besser organisirten zu widerstehen.</p>
          <p>Die Spanier haben es 1807-12 bewiesen, die Ungarn beweisen es noch jetzt.</p>
          <p>Chrzanowski war bei Novara geschlagen und von Turin abgeschnitten; Radetzki stand 9 Meilen von Turin. In einer <hi rendition="#g">Monarchie,</hi> wie Piemont, selbst in einer konstitutionellen, war damit der Feldzug entschieden; man kam um Frieden bei Radetzki ein. Aber in einer Republik war damit <hi rendition="#g">gar nichts entschieden.</hi> Hätte nicht die unvermeidliche Feigheit der Monarchieen, die nie den Muth hat, zu den äußersten revolutionären Mitteln zu greifen, hätte nicht diese Feigheit davon zurückgehalten, die Niederlage Chrzanowski's hätte ein Glück für Italien werden können.</p>
          <p>Wäre Piemont eine Republik, die keine Rücksicht auf monarchische Traditionen zu nehmen hätte, so stand ihm ein Weg offen, den Feldzug ganz anders zu beendigen.</p>
          <p>Chrzanowski war nach Biella und Borgo Manero zurückgetrieben. Dort, wo die Schweizeralpen jeden weitern Rückzug, wo die zwei oder drei engen Flußthäler jede Zerstreuung der Armee so gut wie unmöglich machen, dort war es leicht, die Armee zu konzentriren und durch einen kühnen Marsch Radetzki's Sieg fruchtlos zu machen.</p>
          <p>Wenn die Chefs der piemontesischen Armee revolutionären Muth besaßen, wenn sie wußten, daß in Turin eine revolutionäre, aufs Aeußerste gefaßte Regierung saß, so war ihre Handlungsweise sehr einfach.</p>
          <p>Am Lago Maggiore standen nach der Schlacht von Novara 30-40,000 Mann piemontesischer Truppen. Dies Corps, in zwei Tagen konzentrirt, konnte sich in die Lombardei werfen, in der nicht 12,000 Mann Oestreicher stehn; es konnte Mailand, Brescia, Cremona besetzen, den allgemeinen Aufstand organisiren, die einzelnen aus dem Venetianischen heranrückenden östreichischen Corps einzeiln schlagen und damit Radetzky's ganze Operationsbasis in die Luft sprengen.</p>
          <p>Radetzki, statt auf Turin zu marschiren, hätte sofort umdrehen und in die Lombardei zurückkehren müssen, verfolgt von dem Massenaufgebot der Piemontesen, das natürlich die lombardische Insurrektion unterstützen mußte.</p>
          <p>Dieser <hi rendition="#g">wirkliche</hi> Nationalkrieg, ein Krieg, wie ihn die Lombarden im März 1848 führten und womit sie Radetzki hinter den Oglio und Mincio jagten, dieser Krieg hätte ganz Italien in den Kampf gejagt und den Römern und Toskanern ganz andere Energie eingeflös't.</p>
          <p>Während Radetzki noch zwischen Po und Tessin stand und sich besann, ob er vorwärts oder rückwärts gehen solle, konnten die Piemontesen und Lombarden bis vor Venedig marschiren, Venedig entsetzen, La Marmora und römische Truppen an sich ziehen, den östreichischen Feldmarschall durch zahllose Guerrillasschwärme beunruhigen und schwächen, seine Truppen zersplittern und ihn endlich schlagen. Die Lombardei wartete nur des Einmarsches der Piemontesen; sie erhob sich schon, ohne ihn abzuwarten. Nur die östreichischen Citadellen hielten die lombardischen Städte im Zaum. Zehntausend Mann Piemontesen waren schon in der Lombardei; wären noch 20-30,000 hineinmarschirt, so war Radetzki's Rückzug unmöglich.</p>
          <p>Aber der Aufstand in Masse, die allgemeine Insurrektion des Volkes, das sind Mittel, vor deren Anwendung das Königthum zurückschreckt. Das sind Mittel, die nur die Republik anwendet &#x2012; 1793 liefert den Beweis dafür. Das sind Mittel, deren Ausführung den <hi rendition="#g">revolutionären Terrorismus</hi> voraussetzt, und wo ist ein Monarch gewesen, der sich dazu entschließen konnte?</p>
          <p>Was die Italiener also ruinirt hat, das ist nicht die Niederlage von Novara und Vigevano, das ist die Feigheit und Mäßigung, in die die Monarchie sie hineinzwängt. Die verlorne Schlacht von Novara brachte blos einen <hi rendition="#g">strategischen</hi> Nachtheil: sie waren von Turin abgeschnitten, während den Oesterreichern der Weg dahin offen stand. Dieser Nachtheil war gänzlich bedeutungslos, wenn der verlornen Schlacht der <hi rendition="#g">wirkliche Revolutionskrieg</hi> auf dem Fuße folgte, wenn der Rest der italienischen Armee sich sogleich zum Kern der nationalen Massenerhebung erklärte, wenn der honette strategische <hi rendition="#g">Armeekrieg</hi> in einen <hi rendition="#g">Volkskrieg</hi> umgewandelt wurde, wie die Franzosen ihn 1793 führten.</p>
          <p>Aber freilich! Revolutionskrieg, Massenerhebung und Terrorismus &#x2012; dazu wird die Monarchie sich nie verstehen. Eher schließt sie Frieden mit ihrem bittersten, ebenbürtigen Feind, ehe sie sich mit dem Volk verbündet.</p>
          <p>Karl Albert mag Verräther sein oder nicht &#x2012; die <hi rendition="#g">Krone</hi> Karl Albert's, die <hi rendition="#g">Monarchie</hi> allein hätte hingereicht, Italien zu ruiniren.</p>
          <p>Aber Karl Albert ist Verräther. Durch alle französischen Blätter geht die Nachricht von dem großen europäischen Contrerevolutions-Komplott zwischen sämmtlichen Großmächten, von dem Feldzugsplan der Contrerevolution zur schließlichen Unterdrückung aller europäischen Völker. Rußland und England, Preußen und Oesterreich, Frankreich und Sardinien haben diese neue heilige Allianz unterzeichnet.</p>
          <p>Karl Albert hatte den Befehl, mit Oestreich Krieg anzufangen, sich schlagen zu lassen und dadurch den Oestreichern Gelegenheit zu geben, in Piemont, in Florenz, in Rom die &#x201E;Ruhe&#x201C; wieder herzustellen, und überall standrechtliche Konstitutionen octroyiren zu lassen. Dafür bekam Karl Albert Parma und Piacenza, die Russen pacificirten Ungarn; Frankreich sollte Kaiserreich werden und damit war die Ruhe Europa's hergestellt. Das ist nach französischen Blättern, der große Plan der Contrerevolution; und dieser Plan erklärt Romarino's Verrath und erklärt die Niederlage der Italiener.</p>
          <p>Die Monarchie aber hat durch den Sieg Radetzki's einen neuen Stoß erhalten. Die Schlacht bei Novara und die darauf folgende Lähmung der Piemontesen beweist, daß ein Volk in den äußersten Fällen, wo es seiner ganzen Kraftanstrengung bedarf, um sich zu retten, durch Nichts mehr gehemmt wird, als durch die Monarchie. Wenn Italien nicht an der Monarchie zu Grunde gehen soll, so muß vor Allem die Monarchie in Italien zu Grunde gehen.</p>
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          <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Die Niederlage der Piemontesen, vorgesehen für: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi>, I/9.         </bibl>                </note>
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 1. April.</head>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 30.März.</head>
          <p>Von den rheinischen Abgeordneten de Syo, Moedersheim, v. Berg, Blömer, Pelzer (Heinsberg), Schornbaum etc. ist folgender Antrag eingereicht:</p>
          <p>&#x201E;Die hohe Kammer möge nachstehendem Gesetzvorschlage ihre Genehmigung ertheilen.</p>
          <p>Erster und einziger Artikel.</p>
          <p>Die Untersuchung gegen diejenigen Personen, welche sich an dem vom 15. bis 18. April v. J. in Aachen stattgehabten Tumulte betheiligt haben, und dieserhalb vor den Assisenhof resp. vor das Zuchtpolizeigericht verwiesen worden sind, wird hiermit niedergeschlagen.&#x201C;</p>
          <p>Aus den Motiven entnehmen wir, daß die Beschuldigten sich bereits seit 11 Monaten in Haft befinden, sie waren nur die Verführten, da die geheimen Leiter nicht ausfindig gemacht worden sind, und haben demnach für ihr Vergehen durch die Vorhaft schwer genug gebüßt.</p>
          <p>Der Staatsanwalt Sethe hatte unterm 24. Februar d. J. die Einleitung einer Untersuchung wider den Assessor Jung wegen Beleidigung des Magistrats von Berlin beantragt. Da Jung inzwischen zum Abgeordneten erwählt ist, so hat der Staatsanwalt die Genehmigung der zweiten Kammer zur Eröffnung der Untersuchung erbeten. Mit 8 gegen 7 Stimmen hat die Petitionskommission beschlossen, der Kammer anheimzugeben:</p>
          <p>&#x201E;Die von dem Staatsanwalt Sethe erbetene Genehmigung zur Einleitung einer Untersuchung wider den Abg. Jung wegen Beleidigung des Magistrats zu Berlin <hi rendition="#g">nicht</hi> zu ertheilen.&#x201C;</p>
          <p>Der Abg. Kinkel hat folgenden von 32 Abgeordneten unterstützten dringenden Antrag eingereicht: die Kammer wolle beschließen</p>
          <p>&#x201E;die beiden Strafprozesse, in welchen der Abg. Kinkel in zweiter Instanz auf den 18. April d. J. vor das Landgericht zu Köln geladen ist, vorläufig zu sistiren und die Einforderung der Akten zu verlangen.&#x201C;</p>
          <p>Wir geben folgende Berichtigung zu den gestern von uns mitgetheilten Wahlen zu der Fachkommission. Hr. Moedersheim gehört der Oppositionsparthei, Hr. Vater dagegen der Rechten an. Die fünfte Abtheilung hat die Abgeordneten Stein und Schaffraneck für das Unterrichtswesen, Borchard und Dahne für Gemeinde-Angelegenheiten gewählt</p>
          <p>Der Abgeordnete <hi rendition="#g">Elsner</hi> ist zum Referenten des Central-Ausschusses für die Angelegenheiten der Spinner und Weber erwählt worden.</p>
          <p>Bekanntlich wurde bei der Nationalversammlung Elsner's Vorschlag auf Sistirung der bäuerlichen Abgaben als kommunistisch mit Unwillen zurückgewiesen. Von allen Seiten nun, besonders aber aus Schlesien, treffen jetzt Petitionen ein, welche dasselbe, oder wie man es dort nennt, einen Generalindult verlangen. Die kleinen Grundbesitzer nämlich sind in der entsetzlichsten Verlegenheit, da sie mit Hypothekenkündigungen, auf welche sie nicht gerechnet hatten, von allen Seiten geängstigt werden, während sie ihren Verpflichtungen getreu nachkommen sollen. Es sind deshalb besonders in Schlesien die Subhastationen an der Tagesordnung, und trotz der gebändigten Anarchie, trotz des wiederhergestellten Vertrauens, wächst das Elend in dieser Perle der preußischen Krone auf eine unheimliche Weise. Der köstliche Regulirungsvorschlag des Ministeriums vom Dezember hat den außerordentlichen Erfolg gehabt, daß sich gerade zwei Besitzer für die Ablösung nach solchen Normen gemeldet haben. Auch ein Beitrag zur Geschichte der legislatorischen Wirksamkeit unseres Ministeriums.</p>
          <p>Die Abgeordneten Moritz und Consorten werden ein Grundsteuergesetz einbringen, welches sich auf das Hansemann'sche mit Vergleichung der Arbeiten des Centralausschusses der Nationalversammlung stützt.</p>
          <p>Das Kriminalgericht hat sich in seinem heutigen Urtheil gegen die Oktober-Angeklagten ein unvergängliches Denkmal seiner Unpartheilichkeit gesetzt. Wir haben den Ruhm der preußischen Richter stets für unbegründet, ihre politische Selbstständigkeit für einen Mythus erklärt, das Benehmen des liberalen Herrn Harassowitz und seiner Kollegen liefert einen neuen Beweis für unsere Behauptung.</p>
          <p>Als Staatsanwalt fungirte Herr Brohm, ein Jurist, den wir nur als den unerbittlichsten Verfolger aller demokratischen Neigungen kennen, Herr Brohm, das personifizirte altpreußische Kriminalrecht, die festeste Stütze des konstitutionellen Königthums. Aber der Glanz dieses verhaßten Anklägers erbleichte. Saul-Brohm schlug Tausend, aber David-Harrassowitz zehn Tausend, oder mit andern Worten, der Staatsanwalt trug auf 6-18 Monate an, der Gerichtshof erkannte bis auf zehn Jahre.</p>
          <p>So erhält Dalenburg 6 Monate, weil er der Bürgerwehr den H&#x2026;&#x2026; gezeigt hat. Der 15jährige Kraemer 3 Jahre Gefängniß, weil er mit einem Steine einen Schutzmann geworfen haben soll. Kirschbaum, 10 Jahre, weil er ein Gewehr auf die Schutzmänner abgeschossen hat, von dem nicht zu erweisen war, ob es geladen oder nicht. Hinze, 4 Jahre, weil er mit einem Stock über die Jannowitz-Brücke ging. Der bekannte Linden-Müller, 2 Jahre, weil er, wie man hier sagt, abgewiegelt, d. h. zur Ruhe ermahnt hat. Die Arbeiter Prenzel und Schulze, jeder zu sechs Jahren, Dietrich I. u. II. je zu vier Jahren, Doerk zu dreijähriger Einstellung in eine Strafsektion. Die Vertheidiger <hi rendition="#g">Stein</hi> und <hi rendition="#g">Stieber</hi> hatten die Bürgerwehr mit Recht eine bewaffnete Horde genannt. Es sollen diese muthigen Kämpfer sehr erbittert gegen die beiden Vertheidiger sein.</p>
          <p>Der König empfing heute die Deputation der zweiten Kammer, welche ihm die Adresse überbrachte, mit großer Freundlichkeit. Zur großen Freude des Gottbegnadeten bestand die Deputation fast nur aus konservativen Mitgliedern und er konnte sich deshalb, ohne große Ueberwindung, ziemlich freundlich mit ihnen unterhalten. Nur bei dem Pastor Schellenberg, der so kräftig für die Amnestie gesprochen hatte, brach der verhaltene Groll hervor. &#x201E;Erinnern Sie sich doch,&#x201C; geruhete er ihm zu sagen, &#x201E;an den alten Spruch: Gebet dem Kaiser was des Kaisers ist und Gott was Gottes ist!&#x201C; Schellenberg schwieg. &#x201E;Und Sie antworten nicht?&#x201C; &#x2012; Zu dem Abgeordneten Gruwe aus Münster sagte er: &#x201E;Münster ist mir ein sehr schmerzlicher Ort!&#x201C; &#x2012; Die ganze Komödie war übrigens schnell genug beendet!</p>
          <p>Die Commission für Sistirung der Justiz-Organisation hat folgende motivirte Tagesordnung angenommen:</p>
          <p>&#x201E;In Erwägung, daß jede Rechtsunsicherheit zu vermeiden, in Erwägung ferner, daß der Kammer auch bei vorläufiger Annahme die verfassungsmäßigen Rechte zur Prüfung der Vorlagen nicht verkürzt werden, geht die Kammer zur Tagesordnung über.&#x201C;</p>
          <p>Die Commission ist also serviler wie die erste Kammer.</p>
          <p>Von dem Abg. <hi rendition="#g">Elsner</hi> und andern Mitgliedern der Linken ist folgender Gesetzvorschlag über die Regulirung der mit Mühlengrundstücken verbundenen Abgaben und Leistungen eingereicht. Die Hauptgrundsätze dieses Gesetzes sind folgende:</p>
          <p>1) Findet hinsichtlich der Beschaffenheit der Abgaben oder Leistungen ein Zweifel statt, so hat nicht der Verpflichtete sondern der Berechtigte den Nachweis zu führen, daß dieselben ganz oder theilweise Grundabgaben sind. &#x2012; 2) So weit nachgewiesen wird, daß die Abgabe für den Betrieb des Gewerbes entrichtet wurde, fällt dieselbe fort. Wird dagegen der Nachweis für ihre Eigenschaft als Grundabgabe geführt, so bleibt die Abgabe als abzulösende Grundrente bestehen. &#x2012; 3) Die Entscheidung aus frühern Prozessen und Rezessen schließt nicht aus, daß auf Grund dieses Gesetzes nicht noch einmal eine Regulirung unternommen werde. &#x2012; 4) Die Auseinandersetzung erfolgt durch eine Commission von 5 Mitgliedern, zu welchen der Berechtigte und der Verpflichtete je 2 Mitglieder wählen; diese ergänzen sich durch Hinzuziehung eines Fünften; ohne die Gegenwart dieses kann die Commission keine Entscheidung treffen. Der Regierungs-Commissar hat die Leitung der Geschäfte, jedoch keine entscheidende Stimme. Die Entscheidung hat die Wirkung eines rechtskräftigen Erkenntnisses.</p>
          <p> <hi rendition="#b">Sitzung der ersten Kammer.</hi> </p>
          <p>Die Herren haben sich heute eine halbe Stunde mit Annahme einer neuen Geschäftsordnung, der die bisherige zu Grunde liegt und einigen Amendements nebst bekannten Redensarten amüsirt.</p>
          <p>Die Sitzung wurde schon um 11 1/2 Uhr geschlossen.</p>
          <p><bibl><author>*</author></bibl> Das neueste Sonntagsblättchen der &#x201E;Neuen Preußischen Zeit.&#x201C; gibt ihren Lesern über die in der Berliner Kammer während der Adreß-Debatte vorgekommene Amnestiefrage folgende Herzensergießung zum Besten:</p>
          <p>&#x201E;Ich weiß nicht, Landsleute, ob ihr zufrieden seid mit den Herren Volksvertretern in den Berliner Kammern; aber es sollte mir leid thun, wenn ihr's wäret, denn als brave Preußen und getreue Unterthanen des Königs dürft ihr nicht zufrieden sein mit dem, was die Abgeordneten machen. Denkt euch mal, da haben sie sich wieder an den König gewendet und haben ihn gebeten, eine Amnestie für politische Verbrechen zu geben. Wißt ihr, was das ist, so 'ne Amnestei? Ich wills euch sagen. Wenn der König in seiner großen Güte und Liebe so 'ne Amnestie gibt, dann kommen alle die Schurken und Buben frei, die im vorigen Jahr Rebellion gepredigt und gemacht haben; dann können die Gerichte die gottlosen Steuerverweigerer nicht beim Kopf nehmen; dann öffnen sich die Gefängnisse, und all das Gesindel, das im ganzen vorigen Jahr das Land beunruhigte, all das wird losgelassen, straflos, und kann sein altes Gewerbe wieder
</p>
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[1471/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 261. Köln, Sonntag, den 1. April. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. Nur frankirte Briefe werden angenommen. Expedition Unter Hutmacher Nro. 17. Zweite Ausgabe. Deutschland. * Köln, 1. April. Nach den letzten Berichten, die aus Italien eintreffen, ist die Niederlage der Piemontesen bei Novara keineswegs so entscheidend, wie die nach Paris gesandte telegraphische Depesche berichtet hatte. Die Piemontesen sind geschlagen, sie sind von Turin abgeschnitten und ins Gebirge geworfen worden. Das ist Alles. Wäre Piemont eine Republik, wäre die Turiner Regierung revolutionär und hätte sie den Muth zu revolutionären Mitteln zu greifen ‒ es wäre Nichts verloren. Aber die italienische Unabhängigkeit geht verloren ‒ nicht an der Unbesiegbarkeit der östreichischen Waffen, sondern an der Feigheit des piemontesischen Königthums. Wodurch haben die Oestreicher gesiegt? Dadurch, daß in der iemontesischen Armee, durch den Verrath Romarino's zwei Divipsionen von den übrigen drei getrennt, und diese drei isolirte durch die östreichische Ueberzahl geschlagen wurden. Diese drei Divisionen sind jetzt an den Fuß der Walliser Alpen zurückgedrängt. Es war von vornherein ein enormer Fehler, daß die Piemontesen den Oestreichern bloß eine regelmäßige Armee entgegen setzen, daß sie mit ihnen einen gewöhnlichen, bürgerlichen, honetten Krieg führen wollten. Ein Volk, das sich seine Unabhängigkeit erobern will, darf sich nicht auf die gewöhnlichen Kriegsmittel beschränken. Aufstand in Masse, Revolutionskrieg, Guerillas überall, das ist das einzige Mittel, wodurch ein kleines Volk mit einem großen fertig werden, wodurch eine minder starke Armee in den Stand gesetzt werden kann, der stärkeren und besser organisirten zu widerstehen. Die Spanier haben es 1807-12 bewiesen, die Ungarn beweisen es noch jetzt. Chrzanowski war bei Novara geschlagen und von Turin abgeschnitten; Radetzki stand 9 Meilen von Turin. In einer Monarchie, wie Piemont, selbst in einer konstitutionellen, war damit der Feldzug entschieden; man kam um Frieden bei Radetzki ein. Aber in einer Republik war damit gar nichts entschieden. Hätte nicht die unvermeidliche Feigheit der Monarchieen, die nie den Muth hat, zu den äußersten revolutionären Mitteln zu greifen, hätte nicht diese Feigheit davon zurückgehalten, die Niederlage Chrzanowski's hätte ein Glück für Italien werden können. Wäre Piemont eine Republik, die keine Rücksicht auf monarchische Traditionen zu nehmen hätte, so stand ihm ein Weg offen, den Feldzug ganz anders zu beendigen. Chrzanowski war nach Biella und Borgo Manero zurückgetrieben. Dort, wo die Schweizeralpen jeden weitern Rückzug, wo die zwei oder drei engen Flußthäler jede Zerstreuung der Armee so gut wie unmöglich machen, dort war es leicht, die Armee zu konzentriren und durch einen kühnen Marsch Radetzki's Sieg fruchtlos zu machen. Wenn die Chefs der piemontesischen Armee revolutionären Muth besaßen, wenn sie wußten, daß in Turin eine revolutionäre, aufs Aeußerste gefaßte Regierung saß, so war ihre Handlungsweise sehr einfach. Am Lago Maggiore standen nach der Schlacht von Novara 30-40,000 Mann piemontesischer Truppen. Dies Corps, in zwei Tagen konzentrirt, konnte sich in die Lombardei werfen, in der nicht 12,000 Mann Oestreicher stehn; es konnte Mailand, Brescia, Cremona besetzen, den allgemeinen Aufstand organisiren, die einzelnen aus dem Venetianischen heranrückenden östreichischen Corps einzeiln schlagen und damit Radetzky's ganze Operationsbasis in die Luft sprengen. Radetzki, statt auf Turin zu marschiren, hätte sofort umdrehen und in die Lombardei zurückkehren müssen, verfolgt von dem Massenaufgebot der Piemontesen, das natürlich die lombardische Insurrektion unterstützen mußte. Dieser wirkliche Nationalkrieg, ein Krieg, wie ihn die Lombarden im März 1848 führten und womit sie Radetzki hinter den Oglio und Mincio jagten, dieser Krieg hätte ganz Italien in den Kampf gejagt und den Römern und Toskanern ganz andere Energie eingeflös't. Während Radetzki noch zwischen Po und Tessin stand und sich besann, ob er vorwärts oder rückwärts gehen solle, konnten die Piemontesen und Lombarden bis vor Venedig marschiren, Venedig entsetzen, La Marmora und römische Truppen an sich ziehen, den östreichischen Feldmarschall durch zahllose Guerrillasschwärme beunruhigen und schwächen, seine Truppen zersplittern und ihn endlich schlagen. Die Lombardei wartete nur des Einmarsches der Piemontesen; sie erhob sich schon, ohne ihn abzuwarten. Nur die östreichischen Citadellen hielten die lombardischen Städte im Zaum. Zehntausend Mann Piemontesen waren schon in der Lombardei; wären noch 20-30,000 hineinmarschirt, so war Radetzki's Rückzug unmöglich. Aber der Aufstand in Masse, die allgemeine Insurrektion des Volkes, das sind Mittel, vor deren Anwendung das Königthum zurückschreckt. Das sind Mittel, die nur die Republik anwendet ‒ 1793 liefert den Beweis dafür. Das sind Mittel, deren Ausführung den revolutionären Terrorismus voraussetzt, und wo ist ein Monarch gewesen, der sich dazu entschließen konnte? Was die Italiener also ruinirt hat, das ist nicht die Niederlage von Novara und Vigevano, das ist die Feigheit und Mäßigung, in die die Monarchie sie hineinzwängt. Die verlorne Schlacht von Novara brachte blos einen strategischen Nachtheil: sie waren von Turin abgeschnitten, während den Oesterreichern der Weg dahin offen stand. Dieser Nachtheil war gänzlich bedeutungslos, wenn der verlornen Schlacht der wirkliche Revolutionskrieg auf dem Fuße folgte, wenn der Rest der italienischen Armee sich sogleich zum Kern der nationalen Massenerhebung erklärte, wenn der honette strategische Armeekrieg in einen Volkskrieg umgewandelt wurde, wie die Franzosen ihn 1793 führten. Aber freilich! Revolutionskrieg, Massenerhebung und Terrorismus ‒ dazu wird die Monarchie sich nie verstehen. Eher schließt sie Frieden mit ihrem bittersten, ebenbürtigen Feind, ehe sie sich mit dem Volk verbündet. Karl Albert mag Verräther sein oder nicht ‒ die Krone Karl Albert's, die Monarchie allein hätte hingereicht, Italien zu ruiniren. Aber Karl Albert ist Verräther. Durch alle französischen Blätter geht die Nachricht von dem großen europäischen Contrerevolutions-Komplott zwischen sämmtlichen Großmächten, von dem Feldzugsplan der Contrerevolution zur schließlichen Unterdrückung aller europäischen Völker. Rußland und England, Preußen und Oesterreich, Frankreich und Sardinien haben diese neue heilige Allianz unterzeichnet. Karl Albert hatte den Befehl, mit Oestreich Krieg anzufangen, sich schlagen zu lassen und dadurch den Oestreichern Gelegenheit zu geben, in Piemont, in Florenz, in Rom die „Ruhe“ wieder herzustellen, und überall standrechtliche Konstitutionen octroyiren zu lassen. Dafür bekam Karl Albert Parma und Piacenza, die Russen pacificirten Ungarn; Frankreich sollte Kaiserreich werden und damit war die Ruhe Europa's hergestellt. Das ist nach französischen Blättern, der große Plan der Contrerevolution; und dieser Plan erklärt Romarino's Verrath und erklärt die Niederlage der Italiener. Die Monarchie aber hat durch den Sieg Radetzki's einen neuen Stoß erhalten. Die Schlacht bei Novara und die darauf folgende Lähmung der Piemontesen beweist, daß ein Volk in den äußersten Fällen, wo es seiner ganzen Kraftanstrengung bedarf, um sich zu retten, durch Nichts mehr gehemmt wird, als durch die Monarchie. Wenn Italien nicht an der Monarchie zu Grunde gehen soll, so muß vor Allem die Monarchie in Italien zu Grunde gehen. * Köln, 1. April. _ * Berlin, 30.März. Von den rheinischen Abgeordneten de Syo, Moedersheim, v. Berg, Blömer, Pelzer (Heinsberg), Schornbaum etc. ist folgender Antrag eingereicht: „Die hohe Kammer möge nachstehendem Gesetzvorschlage ihre Genehmigung ertheilen. Erster und einziger Artikel. Die Untersuchung gegen diejenigen Personen, welche sich an dem vom 15. bis 18. April v. J. in Aachen stattgehabten Tumulte betheiligt haben, und dieserhalb vor den Assisenhof resp. vor das Zuchtpolizeigericht verwiesen worden sind, wird hiermit niedergeschlagen.“ Aus den Motiven entnehmen wir, daß die Beschuldigten sich bereits seit 11 Monaten in Haft befinden, sie waren nur die Verführten, da die geheimen Leiter nicht ausfindig gemacht worden sind, und haben demnach für ihr Vergehen durch die Vorhaft schwer genug gebüßt. Der Staatsanwalt Sethe hatte unterm 24. Februar d. J. die Einleitung einer Untersuchung wider den Assessor Jung wegen Beleidigung des Magistrats von Berlin beantragt. Da Jung inzwischen zum Abgeordneten erwählt ist, so hat der Staatsanwalt die Genehmigung der zweiten Kammer zur Eröffnung der Untersuchung erbeten. Mit 8 gegen 7 Stimmen hat die Petitionskommission beschlossen, der Kammer anheimzugeben: „Die von dem Staatsanwalt Sethe erbetene Genehmigung zur Einleitung einer Untersuchung wider den Abg. Jung wegen Beleidigung des Magistrats zu Berlin nicht zu ertheilen.“ Der Abg. Kinkel hat folgenden von 32 Abgeordneten unterstützten dringenden Antrag eingereicht: die Kammer wolle beschließen „die beiden Strafprozesse, in welchen der Abg. Kinkel in zweiter Instanz auf den 18. April d. J. vor das Landgericht zu Köln geladen ist, vorläufig zu sistiren und die Einforderung der Akten zu verlangen.“ Wir geben folgende Berichtigung zu den gestern von uns mitgetheilten Wahlen zu der Fachkommission. Hr. Moedersheim gehört der Oppositionsparthei, Hr. Vater dagegen der Rechten an. Die fünfte Abtheilung hat die Abgeordneten Stein und Schaffraneck für das Unterrichtswesen, Borchard und Dahne für Gemeinde-Angelegenheiten gewählt Der Abgeordnete Elsner ist zum Referenten des Central-Ausschusses für die Angelegenheiten der Spinner und Weber erwählt worden. Bekanntlich wurde bei der Nationalversammlung Elsner's Vorschlag auf Sistirung der bäuerlichen Abgaben als kommunistisch mit Unwillen zurückgewiesen. Von allen Seiten nun, besonders aber aus Schlesien, treffen jetzt Petitionen ein, welche dasselbe, oder wie man es dort nennt, einen Generalindult verlangen. Die kleinen Grundbesitzer nämlich sind in der entsetzlichsten Verlegenheit, da sie mit Hypothekenkündigungen, auf welche sie nicht gerechnet hatten, von allen Seiten geängstigt werden, während sie ihren Verpflichtungen getreu nachkommen sollen. Es sind deshalb besonders in Schlesien die Subhastationen an der Tagesordnung, und trotz der gebändigten Anarchie, trotz des wiederhergestellten Vertrauens, wächst das Elend in dieser Perle der preußischen Krone auf eine unheimliche Weise. Der köstliche Regulirungsvorschlag des Ministeriums vom Dezember hat den außerordentlichen Erfolg gehabt, daß sich gerade zwei Besitzer für die Ablösung nach solchen Normen gemeldet haben. Auch ein Beitrag zur Geschichte der legislatorischen Wirksamkeit unseres Ministeriums. Die Abgeordneten Moritz und Consorten werden ein Grundsteuergesetz einbringen, welches sich auf das Hansemann'sche mit Vergleichung der Arbeiten des Centralausschusses der Nationalversammlung stützt. Das Kriminalgericht hat sich in seinem heutigen Urtheil gegen die Oktober-Angeklagten ein unvergängliches Denkmal seiner Unpartheilichkeit gesetzt. Wir haben den Ruhm der preußischen Richter stets für unbegründet, ihre politische Selbstständigkeit für einen Mythus erklärt, das Benehmen des liberalen Herrn Harassowitz und seiner Kollegen liefert einen neuen Beweis für unsere Behauptung. Als Staatsanwalt fungirte Herr Brohm, ein Jurist, den wir nur als den unerbittlichsten Verfolger aller demokratischen Neigungen kennen, Herr Brohm, das personifizirte altpreußische Kriminalrecht, die festeste Stütze des konstitutionellen Königthums. Aber der Glanz dieses verhaßten Anklägers erbleichte. Saul-Brohm schlug Tausend, aber David-Harrassowitz zehn Tausend, oder mit andern Worten, der Staatsanwalt trug auf 6-18 Monate an, der Gerichtshof erkannte bis auf zehn Jahre. So erhält Dalenburg 6 Monate, weil er der Bürgerwehr den H…… gezeigt hat. Der 15jährige Kraemer 3 Jahre Gefängniß, weil er mit einem Steine einen Schutzmann geworfen haben soll. Kirschbaum, 10 Jahre, weil er ein Gewehr auf die Schutzmänner abgeschossen hat, von dem nicht zu erweisen war, ob es geladen oder nicht. Hinze, 4 Jahre, weil er mit einem Stock über die Jannowitz-Brücke ging. Der bekannte Linden-Müller, 2 Jahre, weil er, wie man hier sagt, abgewiegelt, d. h. zur Ruhe ermahnt hat. Die Arbeiter Prenzel und Schulze, jeder zu sechs Jahren, Dietrich I. u. II. je zu vier Jahren, Doerk zu dreijähriger Einstellung in eine Strafsektion. Die Vertheidiger Stein und Stieber hatten die Bürgerwehr mit Recht eine bewaffnete Horde genannt. Es sollen diese muthigen Kämpfer sehr erbittert gegen die beiden Vertheidiger sein. Der König empfing heute die Deputation der zweiten Kammer, welche ihm die Adresse überbrachte, mit großer Freundlichkeit. Zur großen Freude des Gottbegnadeten bestand die Deputation fast nur aus konservativen Mitgliedern und er konnte sich deshalb, ohne große Ueberwindung, ziemlich freundlich mit ihnen unterhalten. Nur bei dem Pastor Schellenberg, der so kräftig für die Amnestie gesprochen hatte, brach der verhaltene Groll hervor. „Erinnern Sie sich doch,“ geruhete er ihm zu sagen, „an den alten Spruch: Gebet dem Kaiser was des Kaisers ist und Gott was Gottes ist!“ Schellenberg schwieg. „Und Sie antworten nicht?“ ‒ Zu dem Abgeordneten Gruwe aus Münster sagte er: „Münster ist mir ein sehr schmerzlicher Ort!“ ‒ Die ganze Komödie war übrigens schnell genug beendet! Die Commission für Sistirung der Justiz-Organisation hat folgende motivirte Tagesordnung angenommen: „In Erwägung, daß jede Rechtsunsicherheit zu vermeiden, in Erwägung ferner, daß der Kammer auch bei vorläufiger Annahme die verfassungsmäßigen Rechte zur Prüfung der Vorlagen nicht verkürzt werden, geht die Kammer zur Tagesordnung über.“ Die Commission ist also serviler wie die erste Kammer. Von dem Abg. Elsner und andern Mitgliedern der Linken ist folgender Gesetzvorschlag über die Regulirung der mit Mühlengrundstücken verbundenen Abgaben und Leistungen eingereicht. Die Hauptgrundsätze dieses Gesetzes sind folgende: 1) Findet hinsichtlich der Beschaffenheit der Abgaben oder Leistungen ein Zweifel statt, so hat nicht der Verpflichtete sondern der Berechtigte den Nachweis zu führen, daß dieselben ganz oder theilweise Grundabgaben sind. ‒ 2) So weit nachgewiesen wird, daß die Abgabe für den Betrieb des Gewerbes entrichtet wurde, fällt dieselbe fort. Wird dagegen der Nachweis für ihre Eigenschaft als Grundabgabe geführt, so bleibt die Abgabe als abzulösende Grundrente bestehen. ‒ 3) Die Entscheidung aus frühern Prozessen und Rezessen schließt nicht aus, daß auf Grund dieses Gesetzes nicht noch einmal eine Regulirung unternommen werde. ‒ 4) Die Auseinandersetzung erfolgt durch eine Commission von 5 Mitgliedern, zu welchen der Berechtigte und der Verpflichtete je 2 Mitglieder wählen; diese ergänzen sich durch Hinzuziehung eines Fünften; ohne die Gegenwart dieses kann die Commission keine Entscheidung treffen. Der Regierungs-Commissar hat die Leitung der Geschäfte, jedoch keine entscheidende Stimme. Die Entscheidung hat die Wirkung eines rechtskräftigen Erkenntnisses. Sitzung der ersten Kammer. Die Herren haben sich heute eine halbe Stunde mit Annahme einer neuen Geschäftsordnung, der die bisherige zu Grunde liegt und einigen Amendements nebst bekannten Redensarten amüsirt. Die Sitzung wurde schon um 11 1/2 Uhr geschlossen. * Das neueste Sonntagsblättchen der „Neuen Preußischen Zeit.“ gibt ihren Lesern über die in der Berliner Kammer während der Adreß-Debatte vorgekommene Amnestiefrage folgende Herzensergießung zum Besten: „Ich weiß nicht, Landsleute, ob ihr zufrieden seid mit den Herren Volksvertretern in den Berliner Kammern; aber es sollte mir leid thun, wenn ihr's wäret, denn als brave Preußen und getreue Unterthanen des Königs dürft ihr nicht zufrieden sein mit dem, was die Abgeordneten machen. Denkt euch mal, da haben sie sich wieder an den König gewendet und haben ihn gebeten, eine Amnestie für politische Verbrechen zu geben. Wißt ihr, was das ist, so 'ne Amnestei? Ich wills euch sagen. Wenn der König in seiner großen Güte und Liebe so 'ne Amnestie gibt, dann kommen alle die Schurken und Buben frei, die im vorigen Jahr Rebellion gepredigt und gemacht haben; dann können die Gerichte die gottlosen Steuerverweigerer nicht beim Kopf nehmen; dann öffnen sich die Gefängnisse, und all das Gesindel, das im ganzen vorigen Jahr das Land beunruhigte, all das wird losgelassen, straflos, und kann sein altes Gewerbe wieder

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Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 261. Köln, 1. April 1849. Zweite Ausgabe, S. 1471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz261ii_1849/1>, abgerufen am 29.03.2024.