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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 264. Köln, 5. April 1849.

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ben des "echt patriotisch gesinnten" Landrathes Eduard v. Alvensleben auf Redekin, Kammerherrn und Ritters etc.

Eigenhändiges Antwortschreiben des Landraths von Alvensleben in Redekin bei Genthin auf die Anfrage des Untersuchungskommissarius Sombart über die Glaubwürdigkeit der in dieser Sache vernommenen Zeugen:

"Ew. Hochwohlgeboren beehre ich mich in ganz ergebenster Antwort auf die geehrte Zuschrift, Genthin d. 25. dieses Monats, in Betreff der Vernehmungen in der Untersuchungssache gegen den Land- und Stadtgerichts-Assessor Lindenberg, Folgendes ganz ergebenst zu erwidern: Die in Dero verehrten Schreiben von 1-7 genannten Schulzen und Schöppen verdienen schon als Ortsvorsteher vollkommnen Glauben, sie haben ihren Diensteid geleistet und sind sämmtlich unbescholtene, in guten Rufe stehende Leute. Der ad 3 aufgeführte Amtmann Zobel, hat nur einmal wegen Schulden Gefängnißstrafe erlitten, welches, da er sonst achtbar ist, seiner Glaubhaftigkeit keine Eintracht thun kann. Auf die Aussage der Gastwirth Dietrischen Eheleute, dürfte nicht viel Gewicht in der vorliegenden Sache zu legen sein. Ihr Haus ist der Sitz des demokratischen Treibens und sie sind von der öffentlichen Meinung als nicht patriotisch gesinnt bezeichnet. Und sowohl der gen. Lindenberg als der Mewes sollen dort ihre Umtriebe hauptsächlich treiben. Ebenso haben wahrscheinlich die ad 10 - 12 genannten Schauspieler, die mir übrigens unbekannt sind, in das Horn ihres Wirthes geblasen, dem sie verschuldet sein dürften. Der ad 13 bezeichnete Commissarius Luther besitzt, so viel ich über ihn vernommen, nur einen zweifelhaften Ruf. --

Gestatten mir nun Ew. Hochwohlgeboren geneigst noch zu bemerken, daß es doch zweckdienlich sein dürfte die einmal angefangene Untersuchung weiter fortzusetzen. Zwar kann ich es nicht beweisen, bin es aber moralisch überzeugt, daß der p. Lindenberg und Mewes weitverzweigte, republikanische Verbindungen haben. Mewes ist, wie allgemein behauptet wird, zu dem demokratischen Kongreß nach Berlin gewesen. Lindenberg ist der Schwager des berüchtigten Bisky, und seine öftern Reisen nach Berlin dürften nicht ohne politische Zwecke gewesen sein, er hält Volksversammlungen, und wenn der Kaufmann Uhtemann in Sandau vernommen wird, so dürfte sich herausstellen, daß Lindenberg ihm geschrieben, die jetzigen Zustände seien der Uebergang zur Republik. Der jetzige Zustand des Landes macht es durchaus nöthig, daß man dem ungesetzlichen Treiben auf alle mögliche Weise Einhalt thut, des Beispiels halber endlich Jemand bestraft wird, und hauptsächlich ist es gewiß nöthig, dahin zu trachten, daß kein Richter sich in das anarchische Treiben mischt, weil sonst das ganze Volk systematisch demoralisirt wird."

Genthin, d. 28. November 1848.

Der Landrath E. von Alvensleben.

Zweites Denunciationsschreiben des Herrn Landraths v. Alvensleben.

Ew. Hochwohlgeboren

beehre ich mich in Verfolg meines ergebensten Schreibens vom 2. dieses Monats für den Fall, daß das Königliche Oberlandesgericht den Umtrieben noch weiter nachforschen will, was allerdings wünschenswerth wäre, ebenmäßig Folgendes zu berichten. Eingezogener Erkundigungen gemäß hat der Silberarbeiter Bisky in Berlin, Schwager des berüchtigten Lindenberg auf den Bahnhof bei Genthin verbrecherische Reden geführt von Prinzenkarbonade und Königsragout oder dem Aehnlichen in Beisein mehrerer Menschen gesprochen, so daß der Königliche Wegebaumeister Detto in Genthin es nicht länger anhören konnte und das Zimmer verließ, unter Anderen soll auch der Lokomotivenführer Basse zu Genthin gegenwärtig gewesen sein. Indem ich die Vernehmungen ganz ergebenst anheimstelle, bemerke, daß Zeitungsnachrichten gemäß der Bisky neulich in Berlin gefänglich eingezogen gewesen, aber wahrscheinlich aus Mangel an Beweisen seiner Strafbarkeit bald freigegeben worden. Es dürfte ein Grund mehr sein, um möglichst Entdeckungen zu versuchen.

Auch ist es schon von den segensreichsten Folgen, wenn die Wühler sehen, daß sie nicht mehr mit der unglaublichen Frechheit, womit sie die Schwachen eingeschüchtert, ihr Wesen treiben dürfen.

Genthin, den 6. Dezember 1848.

Der Landrath, E. v. Alvensleben.

An den königl. Ober-Landesgerichtsrath

Sombart in Magdeburg.

302 Erfurt, 30, März.

Heute ist der Dr. Stockmann, welcher schon seit Monaten in den Kasematten der Festung Petersberg wegen politischer Vergehen in schreckbar strenger Haft gehalten wurde, nach der Festung Magdeburg transportirt. Eine solche Versetzung halten die hiesigen Gefangenen für ein Glück. Das Oberlandesgericht zu Naumburg unter von Schlickmann, bekanntlich nächst Münster gegen politische Verirrungen das allerstrengste, soll furchtbare Urtheile gesprochen haben gegen die Excedenten vom 24. November. -- Man sagt, daß nunmehr doch endlich Seitens der Ministerien gegen die hiesige Militär-Censur eingeschritten und die Aufhebung dieser Censur zu erwarten sei. Der Belagerungszustand in der ruhigsten Stadt der Welt, wird noch mit unglaublicher Strenge gehandhabt. Die Residenz des deutschen Erbkaisers kommt nach Erfurt. Diese Erwartung hat wenigstens gestern der Deputirte aus Frankfurt, Graf Keller, hier ausgesprochen. In Frankfurt hat man nichts von ihm gehört, außer, daß er einmal in Baden als Reichspolizei-Commissar verwendet wurde. Wichtig aber ist, was wir gestern von ihm gehört. Er hat vor einer aus den "gut gesinnten" Stadtverordneten gewählten Deputation und dem "ganz gut gesinnten" Magistrat erklärt: daß, wenn Seine Majestät der König von Preußen allergnädigst geruhe, die deutsche Kaiserkrone huldreichst anzunehmen (und wenn Herr von Manteuffel unsern Belagerungszustand aufhebe,) die Residenz des deutschen Kaisers unzweifelhaft nach Erfurt komme. In Folge dieser Eröffnung sind die Brunnenkresse und Thüringenschen Eisenbahn-Actien, (welche letztere unter der Direktion des Grafen Keller auf 19 1/2 gekommen) bereits um 1/2 pro Cent in die Höhe gegangen. Unsere vom Magistrat unter stillschweigender Sanction der Regierung seit November aufgelößte mißliebige Stadtverordneten-Versammlung tagt nunmehr wieder in Folge der Wohlgewogenheit der vormundschaftlichen Behörden, nachdem dieselbe durch Neuwahlen in etwa purificirt worden.

Grottau, (an der sächsischen Gränze) 29. März.

Am 25. wurden 34 russisch-polnische Emigranten von Josephstadt hieher escortirt und in einem Tanzsaale untergebracht. Es sind meist junge Leute, die seit 4 Monaten alle Freuden der Festungshaft genossen haben. Ueber den Ort ihrer Bestimmung gibt es mehre Varianten. Viele und darunter die armen Polen selbst, meinen, das liebe Rußland sei ihr Ziel; andere sagen, sie bekämen französische Pässe, und wieder andere, die die Bestunterrichteten sein wollen, behaupten, die Reise gehe über Magdeburg nach Hamburg und von da direkt nach Amerika Ein gleiches soll mit anderen 59 Emigranten, die von Theresienstadt über Peterswalde nach Hamburg geschafft werden, geschehen. Es war bestimmt gewesen, daß die Emigranten hier in Grottau nur übernachten und gleich Tags darauf weiter geführt werden sollten, doch eine ministerielle Note, die unterdessen, mit einem Veto unseres Gesandten in Dresden, ankam, hat die Abreise verschoben. Zu diesem traurigen Zwitterzustand, der die armen Leute in völliger Ungewißheit hier schweben läßt, kömmt nun auch noch die Verfügung, daß sie seit vorgestern mit Niemandem Fremdem mehr conversiren dürfen. Der sie begleitende Polizeikommissär hatte nämlich das Schreckensgerücht vernommen, die Zittauer wollten über die Grenze kommen und die Polen befreien. Richtig kamen auch vorgestern Abends -- fünf Burschen en costume, (Einer hatte sogar eine rothe Kappe auf) hereingezogen, stellten sich vor dem Lokale auf, wo die Polen in Verwahrung gehalten wurden und sangen ihnen ein Ständchen. Einer dieser fürchterlichen Fünf wurde vom Polizeikommissär erwischt und gestand, ein Schuhmacher und 18 Jahre alt zu sein.

(C. Bl. a. B.)
Schmaleningken, 23. März.

Man spricht hier davon, daß bei Tauroggen die russische Garde in beträchtlicher Anzahl herangerückt sein soll. Unmittelbar an der Grenze ist jedoch keine Truppenbewegung und auch sonst nichts Bemerkenswerthes wahrgenommen.

(E. a. Memel).

Polen.
Von der russischen Grenze.

Ein russischer General erhielt vor wenigen Tagen den Befehl, unsere Grenze genau zu inspiciren, und mehrere höhere Offiziere äußerten gegen mich, daß sie die Ordre erwarteten, über die Grenze zu marschiren. Außer den großen Truppenanhaufungen neben der Grenze wird ein Armeecorps direkt von Moskau hierher detachirt, und ist dieses Armeecorps nur noch circa 30 Meilen von seinem Bestimmungsorte entfernt. In Rossein, acht Meilen von der Grenze, befindet sich der Generalstab. Der russische General hat außerdem den Auftrag, das Terrain diesseits der russischen Grenzen genau in Kenntniß zu nehmen, und namentlich erkundigte er sich nach den Wohnsitzen der preußischen Edelleute. Es stehen längs der Grenze gegenwärtig 150,000 Mann, und die Ingenieure haben Ordre erhalten, Lager abzustecken.

(Tils. Echo.)

Von der galizisch-schlesischen Grenze. 28. März.

Heute ist ein Honved-Transport aus ungefähr zweihundert Mann bestehend, unter einer Eskorte von 80 Mann des Regiments Nugent aus Kenty in Biala eingetroffen. Einen zweiten gleich starken Transport erwarten wir in den nächsten fünf Tagen. -- Bis Tarnow hatten diese Gefangenen, die mitunter auch von dem Treffen bei Tihutza herrühren, nebst der Infanterie-Bedeckung auch noch eine Eskadron Chevauxlegers und eine halbe Batterie bei sich, um gegen jede Verlockung zur Desertation geschützt zu sein.

Französische Republik.
12 Paris, 1. April.

So weit ist es bereits wieder in Frankreich gekommen, daß Thiers mit "seiner klaren Darstellungsweise" nothwendig geworden, um die komplizirten Verhältnisse klar-bürgerlich auseinanderzusetzen. Und das hat er dann auch gethan. Der bürgerlich-klare Thiers mußte dem bürgerlich-verworrenen Barrot zu Hülfe kommen, um alle bürgerlich-schwankende Männer zu Boden zu schlagen. Der bürgerlich-poetische Lamartine -- der bürgerlich-kriegerisch-schurkige Cavaignac -- der bürgerlich-unglückliche Bastide, mit einem Worte das bürgerlich-unglückliche Bewußtsein, wie es seit der Präsidentschaft Napoleons in den Leuten des Nationals seinen Ausdruck erhält, hat sich heute klar abspiegeln können in dem bürgerlich klaren Bewußtsein des Hrn. Thiers. Alle diese Leute, die aus einer Proletarier-Revolution hervorgegangen, sich bürgerlich festsetzen wollten, ohne einen andern bürgerlichen Fonds, ein andres bürgerliches Einlege-Kapital zu besitzen, als ihr Republikanerthum, alle diese Leute, die sich zu Thiers nach erst bürgerlich heraufarbeiten wollten, ohne mit Thiers von 1830 an die bürgerliche Entwicklung durchgemacht zu haben, mußten natürlich wieder durch Thiers aus dem Felde geschlagen werden. Ihr Leute des Nationals ihr wart damals nur verkappte Barrots, und der ehemals verkappte Barrot ist beinahe ein Thiers geworden, das ist der Sinn der Rede, welche Thiers zur Vertheidigung der Politik Barrot's hielt.

Thiers ist der Ausdruck der klein-bürgerlich-französischen Nationalität, wie sie sich in jedem Kleinkrämer kundthut, dessen Kram sich langsam fortgebildet hat. Der bürgerliche Frieden vor allen Dingen -- weil er als Franzose und geborner Kleinbürger in dem bürgerlichen Frieden das einzige Mittel zum Gedeihen der sogenannten bürgerlichen Wohlfahrt sieht. Erleidet die national-bürgerliche Ehre einen Stoß, erlaubt sich England, wie damals in Syrien, Angriffe "auf den französischen Einfluß," dann regt sich das klein-bürgerliche Ehrgefühl und bekommt kriegerische Anfälle; dies klein-bürgerliche Ehrgefühl ist aber weiter nichts, wie ein Ueberbleibsel der nationalen Ehre aus der früheren Republik und der Kaiserzeit und diese Nationalehre selbst läuft am Ende auf den Schutz der verkannten Industrie und des nationalen Handels hinaus. In jetziger Zeit aber hat sich mit der bürgerlichen Produktionsweise auch das bürgerliche National-Ehrgefühl anders gestaltet, und jedesmal, wenn es darauf ankömmt, dieses verletzte Ehrgefühl, diese kriegerischen Anfälle in Ausübung zu setzen, dann hält auf einmal Thiers inne; die kriegerischen Rüstungen waren reine Demonstration, und Thiers findet sich in der Ausführung seiner Projekte plötzlich gelähmt. Er hat der Bourgeoisie einen ungeheuren Geldaufwand unnützer Weise verursacht und muß seinen Platz einem Guizot räumen; also jedesmal, wenn die klein-bürgerliche Nationalität sich äußerlich bethätigen soll, dann geschieht es blos auf Kosten der hohen Bourgeoisie, die aber sogleich diesem kriegerischen Muthe Einhalt zu thun weiß. So hat sie dem Herrn Thiers auch erlaubt, Paris mit ungeheuren Festungswerken zu umgeben, dem Anscheine nach gegen den äußern Feind gerichtet, während in Wahrheit die Bourgeoisie sie zur Beschützung gegen die innern Feinde gebrauchen zu können glaubte.

Die große Bourgeoisie erkennt dieses klein-bürgerliche Ehrgefühl nicht mehr an, und der wahre Ausdruck dieser Bourgeoisie ist Guizot; die große Bourgeosie hat verschwisterte Interessen in allen andern Ländern, und die mindeste Störung der Ruhe und Ordnung in diesen Ländern, das mindeste Weichen der Metalliques übt sogleich in Frankreich eine Gegenwirkung auf die französischen Course aus. Guizot war der Fall des Herrn Thiers, und gerade an diesem Falle hört die bürgerliche Klarheit des Herrn Thiers auf. Als Minister bricht er sich an der hohen Bourgeoisie, an der Macht des großen Kapitals, das ihm, wie der kleinen Bourgeoisie, seine Gesetze diktirt, und weiß keinen andern Grund dafür zu finden, als die Undankbarkeit; so klagte er damals Guizot und Louis Philipp an. Einmal aus dem Ministerium herausgeworfen, weiß er keinen andern zur Beschönigung des verletzten französischen National-Ehrgefühls zu finden, als die Nothwendigkeit, welche vor allen Dingen gebietet, die innere Sicherheit, das heißt das National-Wohlergehen der großen Bourgeois im Auge zu halten. Diese Unklarheit, dieser Widerspruch leuchtet am Besten aus der Art und Weise hervor, wie Thiers heute die Traktate von 1815 vertheidigt: "Man muß diese Traktate beobachten, aber verabscheuen!" Also die Beobachtung der Traktate sind eine Nothwendigkeit geworden, gegen die ich innerlich ankämpfen muß. Wer legt dem nationalen Frankreich diese Nothwendigkeit auf? Doch nichts anders als die große Bourgeoisie, in deren Interesse diese Traktate allein aufrecht gehalten werden. Also diese Bourgeoisie ist's, die dem Herrn Thiers diese Nothwendigkeit auferlegt; und da die kleine Bourgeoisie für ihn nicht haltbar, nicht denkbar ist ohne die große Bourgeoisie, so erscheint ihm die letztere als die ewige Nothwendigkeit, gerade wie dem Herrn Guizot die Arbeit als der nothwendige Zaum für die Arbeiter erschien. Innerlich kämpft Thiers gegen diese Nothwendigkeit, gegen diese hohe Bourgeoisie an, er unterstützt sie aber nur in sofern, als sie ihren Ausdruck in England und in Allem, was nicht französisch ist, findet. Die hohe französische Bourgeoisie, die er nicht angreift, wie er überhaupt den ganzen Klassenkampf nicht begreifen kann, da er aus dem Studium der kleinbürgerlichen National-Ideologie des vorigen Jahrhunderts hervorgegangen -- die hohe Bourgeoisie sage ich, haßt er nur in sofern, als sie ihren Ausdruck in seinem Concurrenten Guizot u. s. w. findet. Guizot, als eigentlicher Ideolog der hohen Bourgeoisie, der für jede besondere Corruption eine moralische Maxime, und jede moralische Maxime wieder an ein besonderes unmoralisches Staatsverhältniß aufzuknüpfen wußte, Guizot konnte diesen National-Haß nicht kennen -- er hatte eben die entente cordiale, das herzliche Einverständniß für alle unherzlichen Fußtritte aufgefunden, welche die kleine französische Bourgeoisie von der großen Weltbourgeoisie erlitt, die, befreit von allen nationalen Vorurtheilen, im Judenthume sowohl den englischen wie den französischen National-Charakter abgestreift hatte.

Als nach der großen Februar-Revolution die Proletarier aller Länder aufgestanden, um gegen die vereinte Bourgeoisie anzukämpfen, da waren natürlich alle Blicke nach Frankreich hin gerichtet. Die französische Bourgeoisie war am Meisten Preis gegeben. Die Leute des Nationals und namentlich Lamartine kamen aber damals erst auf dem Standpunkt an, von dem Thiers längst gestürzt worden. Thiers letzte kriegerische Zuckungen waren von der Bourgeois-Nothwendigkeit überwunden worden. Die Leute des Nationals wollten sich gerade den Bourgeois nothwendig machen, indem sie den allgemeinen Drang der Proletarier nach Krieg den Bourgeois-Interessen aufopferten. Die Klarheit des Herrn Thiers besteht in der Auffassung der Bourgeois-Interessen, in sofern die richtige Verwaltung derselben Einem zum Ministerium verhelfen oder aus dem Ministerium stürzen. Und Thiers ist, wie gesagt, um so klarer darüber, als er aufgehört, Minister zu sein. Mit dieser Klarheit schlägt er Cavaignac darnieder, der jetzt, wo er nicht mehr Minister-Präsident ist, mit den 500,000 Mann, die er gegen die "innern Feinde" aufgetrieben hatte, den äußern Feind, "Oestreich und Rußland", bekämpfen will, blos um Barrot zu Boden zu schlagen.

Der Mann, der durch Thiers Rede den größten Stoß erhält, das ist gerade der, den er vertheidigen will -- Barrot. Um Guizot und Mole zu verdrängen, nachdem sie von ihnen verdrängt worden, halten Barrot und Thiers nothwendig, das kleine nationale Ehrgefühl, den Kampf mit dem Auslande anzufackeln. Um Barrot zu verdrängen, tritt Thiers für Barrot auf; er schließt sich seiner Politik an, der Politik des Friedens; und indem er sich dieser Barrot'schen Politik anschließt, macht er die Bourgeois klar über diese Politik, über diesen innern Frieden, über diesen Kampf der vor allen Dingen gegen den innern Feind geführt werden müsse.

Aber dieser innere Feind ist in der Person des Herrn Ledru-Rollin auf eine Weise zu Tage getreten, welche die bürgerliche Klarheit auf ihren wahren Ausdruck, die klare Schuftigkeit zurückgeführt hat. Die bürgerliche Klarheit, die alle die bürgerlichen Confusions-Männer geschlagen, ist selbst von der revolutionären Klarheit geschlagen worden. Ledru-Rollin hat sich losgerissen von der Vergangenheit, von der provisorischen Regierung, von dem Manifeste Lamartines.

Von dem Augenblicke, wo ein Thiers es wagen konnte, mit seiner bürgerlichen Weisheit aufzutreten, hat Ledru-Rollin es gewagt, mit seiner revolutionären Energie aufzutreten, und hat offen bekannt, daß der Fehler der provisorischen Regierung eben darin bestand, daß sie nicht auf der Stelle die französischen Regimenter an die Gränzen habe marschiren lassen, -- es stände wahrhaftig anders in Deutschland, Oestreich und Italien! "Die Despoten wären gestürzt", und der kleine Thiers, der sich auf einmal wieder an Barrot heraufrichtet, hätte seinen großen klaren Kopf" auf immer verloren.

X Paris, 2. April.

Wie mächtig die demokratische Propaganda für die nächste legislative Kammer bereits geworden, das zeigen am deutlichsten die Gegenanstrengungen des Wahl-Comites der Rue de Poitiers. Die Milliarde und Italien -- das werden bekanntlich die Hauptpunkte des demokratischen Manifestes bilden. Und was haben die Männer der Rue de Poitiers diesem Manifeste entgegenzusetzen? Was haben sie den Wahlmännern zu bieten? Moralische Abhandlungen von Thiers oder Cousin redigirt die tagtäglich als Gegengift gegen die soziale "Verlockungen" in Form von Bülletin's erscheinen sollen. Wie wenig aber durch diese Bülletin die Bauern und Arbeiter sich bewegen lassen, von ihrer Anforderung abzustehn, geht schon daraus hervor, daß die Petitionen tagtäglich auf eine für die Bourgeoisie wahrhaft furchterregende Weise zunehmen. Trotz der Rückforderung dieser Milliarde ist das Volk großmüthig: es leitet in diesem Augenblicke eine Subscription zu Gunsten Napoleon's ein, um die von ihm geschlossene Schuld von 1 1/2 Millionen abzutragen. Jeder Franzose soll 25 Centimes beitragen, und ein Schlossergeselle Boulenvier, von dem die Idee ausging, hat bereits dem Journal "le Peuple" seinen Beitrag eingesandt, das Volk nimmt die Sache ernsthaft, und da die Schuld Napoleon's nicht in Abrede gestellt worden, so scheint ihm der Weg der Subscription als der einfachste, um das mit Hypothek belegte Ministerium zu beseitigen. Ihrerseits hat die Rue Poitiers zur Verfolgung der Wahlagitation ebenfalls eine Subscription eröffnet und dieselbe hat in 3 Tagen nicht weniger als eine Million zusammengebracht: die Angst unter den Bourgeois muß sehr groß sein, um zu solchen Opfern sich so schnell zu verständigen.

090 Paris, 2. April.

Die Reaktion wüthet und schäumt; so keilförmig wie diesmal ist sie noch nie geschlagen worden. Wenn Thiers und Guizot sich in den Haaren lagen, war es immer noch eine elegante, gefährlich aussehende, ungefährliche Klopffechterei. Aber wie ganz anders Ledru-Rollin! Sonst hieß es "Monsieur" hin, "Monsieur" her; Thiers und Guizot fühlten sich unter dieser Form immer noch auf festem Boden. Heute aber weiß der kleine Mann nicht mehr, was er antworten soll: Die Apostrophe Ledru-Rollins an den "Citoyen Thiers" klingt ihm fortwährend in den Ohren. Die reaktionären Journale der Provinz lassen sich von Paris schreiben: Ledru-Rollin hat von der Höhe der Barrikaden herabgesprochen. Die Barrikade aber ist der höchste Ausdruck der bürgerlichen Entrüstung, und selbst das Journal des Debats, welches sich besonders auf das parlamentarische Wiedersehen seines alten Freundes Thiers gefreut, ist nicht wenig verblüfft, den "Retter des Königthums vom 24. Februar" abermals von solchen Barrikadenbildern erdrückt zu sehn. Das arme Journal des Debats, welches die süßen Worte des Hrn. Thiers über die Traktate von 1815 so gern als ein Labsal für geängstigte Bourgeois-Gemüther preis't! Die "Reforme" hat sehr recht, wenn sie jetzt an die glorreiche Epoche des Odysseus Thiers erinnert, wo er eine Million für Auslieferung der Herzogin von Berry bot und glücklich war, sich zu diesem Zweck mit dem erlauchten Juden Deutz verbinden zu können; damals war Thiers so fein, so listig, daß er selbst den Juden Deutz noch um eine Million betrog, denn als die Herzogin von Berry eingefangen war, hatte Hr. Thiers auch zugleich das Kind gefangen, welches die Herzogin verborgen trug, und wofür dem Juden eine neue Million gebührt hätte. "Diesmal aber", sagt die Reforme, "hat der Mäcenas aller diebischen Deutze seine verdiente Züchtigung erhalten, und weil er doch ein Mann ist,

ben des „echt patriotisch gesinnten“ Landrathes Eduard v. Alvensleben auf Redekin, Kammerherrn und Ritters etc.

Eigenhändiges Antwortschreiben des Landraths von Alvensleben in Redekin bei Genthin auf die Anfrage des Untersuchungskommissarius Sombart über die Glaubwürdigkeit der in dieser Sache vernommenen Zeugen:

„Ew. Hochwohlgeboren beehre ich mich in ganz ergebenster Antwort auf die geehrte Zuschrift, Genthin d. 25. dieses Monats, in Betreff der Vernehmungen in der Untersuchungssache gegen den Land- und Stadtgerichts-Assessor Lindenberg, Folgendes ganz ergebenst zu erwidern: Die in Dero verehrten Schreiben von 1-7 genannten Schulzen und Schöppen verdienen schon als Ortsvorsteher vollkommnen Glauben, sie haben ihren Diensteid geleistet und sind sämmtlich unbescholtene, in guten Rufe stehende Leute. Der ad 3 aufgeführte Amtmann Zobel, hat nur einmal wegen Schulden Gefängnißstrafe erlitten, welches, da er sonst achtbar ist, seiner Glaubhaftigkeit keine Eintracht thun kann. Auf die Aussage der Gastwirth Dietrischen Eheleute, dürfte nicht viel Gewicht in der vorliegenden Sache zu legen sein. Ihr Haus ist der Sitz des demokratischen Treibens und sie sind von der öffentlichen Meinung als nicht patriotisch gesinnt bezeichnet. Und sowohl der gen. Lindenberg als der Mewes sollen dort ihre Umtriebe hauptsächlich treiben. Ebenso haben wahrscheinlich die ad 10 - 12 genannten Schauspieler, die mir übrigens unbekannt sind, in das Horn ihres Wirthes geblasen, dem sie verschuldet sein dürften. Der ad 13 bezeichnete Commissarius Luther besitzt, so viel ich über ihn vernommen, nur einen zweifelhaften Ruf. —

Gestatten mir nun Ew. Hochwohlgeboren geneigst noch zu bemerken, daß es doch zweckdienlich sein dürfte die einmal angefangene Untersuchung weiter fortzusetzen. Zwar kann ich es nicht beweisen, bin es aber moralisch überzeugt, daß der p. Lindenberg und Mewes weitverzweigte, republikanische Verbindungen haben. Mewes ist, wie allgemein behauptet wird, zu dem demokratischen Kongreß nach Berlin gewesen. Lindenberg ist der Schwager des berüchtigten Bisky, und seine öftern Reisen nach Berlin dürften nicht ohne politische Zwecke gewesen sein, er hält Volksversammlungen, und wenn der Kaufmann Uhtemann in Sandau vernommen wird, so dürfte sich herausstellen, daß Lindenberg ihm geschrieben, die jetzigen Zustände seien der Uebergang zur Republik. Der jetzige Zustand des Landes macht es durchaus nöthig, daß man dem ungesetzlichen Treiben auf alle mögliche Weise Einhalt thut, des Beispiels halber endlich Jemand bestraft wird, und hauptsächlich ist es gewiß nöthig, dahin zu trachten, daß kein Richter sich in das anarchische Treiben mischt, weil sonst das ganze Volk systematisch demoralisirt wird.“

Genthin, d. 28. November 1848.

Der Landrath E. von Alvensleben.

Zweites Denunciationsschreiben des Herrn Landraths v. Alvensleben.

Ew. Hochwohlgeboren

beehre ich mich in Verfolg meines ergebensten Schreibens vom 2. dieses Monats für den Fall, daß das Königliche Oberlandesgericht den Umtrieben noch weiter nachforschen will, was allerdings wünschenswerth wäre, ebenmäßig Folgendes zu berichten. Eingezogener Erkundigungen gemäß hat der Silberarbeiter Bisky in Berlin, Schwager des berüchtigten Lindenberg auf den Bahnhof bei Genthin verbrecherische Reden geführt von Prinzenkarbonade und Königsragout oder dem Aehnlichen in Beisein mehrerer Menschen gesprochen, so daß der Königliche Wegebaumeister Detto in Genthin es nicht länger anhören konnte und das Zimmer verließ, unter Anderen soll auch der Lokomotivenführer Basse zu Genthin gegenwärtig gewesen sein. Indem ich die Vernehmungen ganz ergebenst anheimstelle, bemerke, daß Zeitungsnachrichten gemäß der Bisky neulich in Berlin gefänglich eingezogen gewesen, aber wahrscheinlich aus Mangel an Beweisen seiner Strafbarkeit bald freigegeben worden. Es dürfte ein Grund mehr sein, um möglichst Entdeckungen zu versuchen.

Auch ist es schon von den segensreichsten Folgen, wenn die Wühler sehen, daß sie nicht mehr mit der unglaublichen Frechheit, womit sie die Schwachen eingeschüchtert, ihr Wesen treiben dürfen.

Genthin, den 6. Dezember 1848.

Der Landrath, E. v. Alvensleben.

An den königl. Ober-Landesgerichtsrath

Sombart in Magdeburg.

302 Erfurt, 30, März.

Heute ist der Dr. Stockmann, welcher schon seit Monaten in den Kasematten der Festung Petersberg wegen politischer Vergehen in schreckbar strenger Haft gehalten wurde, nach der Festung Magdeburg transportirt. Eine solche Versetzung halten die hiesigen Gefangenen für ein Glück. Das Oberlandesgericht zu Naumburg unter von Schlickmann, bekanntlich nächst Münster gegen politische Verirrungen das allerstrengste, soll furchtbare Urtheile gesprochen haben gegen die Excedenten vom 24. November. — Man sagt, daß nunmehr doch endlich Seitens der Ministerien gegen die hiesige Militär-Censur eingeschritten und die Aufhebung dieser Censur zu erwarten sei. Der Belagerungszustand in der ruhigsten Stadt der Welt, wird noch mit unglaublicher Strenge gehandhabt. Die Residenz des deutschen Erbkaisers kommt nach Erfurt. Diese Erwartung hat wenigstens gestern der Deputirte aus Frankfurt, Graf Keller, hier ausgesprochen. In Frankfurt hat man nichts von ihm gehört, außer, daß er einmal in Baden als Reichspolizei-Commissar verwendet wurde. Wichtig aber ist, was wir gestern von ihm gehört. Er hat vor einer aus den „gut gesinnten“ Stadtverordneten gewählten Deputation und dem „ganz gut gesinnten“ Magistrat erklärt: daß, wenn Seine Majestät der König von Preußen allergnädigst geruhe, die deutsche Kaiserkrone huldreichst anzunehmen (und wenn Herr von Manteuffel unsern Belagerungszustand aufhebe,) die Residenz des deutschen Kaisers unzweifelhaft nach Erfurt komme. In Folge dieser Eröffnung sind die Brunnenkresse und Thüringenschen Eisenbahn-Actien, (welche letztere unter der Direktion des Grafen Keller auf 19 1/2 gekommen) bereits um 1/2 pro Cent in die Höhe gegangen. Unsere vom Magistrat unter stillschweigender Sanction der Regierung seit November aufgelößte mißliebige Stadtverordneten-Versammlung tagt nunmehr wieder in Folge der Wohlgewogenheit der vormundschaftlichen Behörden, nachdem dieselbe durch Neuwahlen in etwa purificirt worden.

Grottau, (an der sächsischen Gränze) 29. März.

Am 25. wurden 34 russisch-polnische Emigranten von Josephstadt hieher escortirt und in einem Tanzsaale untergebracht. Es sind meist junge Leute, die seit 4 Monaten alle Freuden der Festungshaft genossen haben. Ueber den Ort ihrer Bestimmung gibt es mehre Varianten. Viele und darunter die armen Polen selbst, meinen, das liebe Rußland sei ihr Ziel; andere sagen, sie bekämen französische Pässe, und wieder andere, die die Bestunterrichteten sein wollen, behaupten, die Reise gehe über Magdeburg nach Hamburg und von da direkt nach Amerika Ein gleiches soll mit anderen 59 Emigranten, die von Theresienstadt über Peterswalde nach Hamburg geschafft werden, geschehen. Es war bestimmt gewesen, daß die Emigranten hier in Grottau nur übernachten und gleich Tags darauf weiter geführt werden sollten, doch eine ministerielle Note, die unterdessen, mit einem Veto unseres Gesandten in Dresden, ankam, hat die Abreise verschoben. Zu diesem traurigen Zwitterzustand, der die armen Leute in völliger Ungewißheit hier schweben läßt, kömmt nun auch noch die Verfügung, daß sie seit vorgestern mit Niemandem Fremdem mehr conversiren dürfen. Der sie begleitende Polizeikommissär hatte nämlich das Schreckensgerücht vernommen, die Zittauer wollten über die Grenze kommen und die Polen befreien. Richtig kamen auch vorgestern Abends — fünf Burschen en costume, (Einer hatte sogar eine rothe Kappe auf) hereingezogen, stellten sich vor dem Lokale auf, wo die Polen in Verwahrung gehalten wurden und sangen ihnen ein Ständchen. Einer dieser fürchterlichen Fünf wurde vom Polizeikommissär erwischt und gestand, ein Schuhmacher und 18 Jahre alt zu sein.

(C. Bl. a. B.)
Schmaleningken, 23. März.

Man spricht hier davon, daß bei Tauroggen die russische Garde in beträchtlicher Anzahl herangerückt sein soll. Unmittelbar an der Grenze ist jedoch keine Truppenbewegung und auch sonst nichts Bemerkenswerthes wahrgenommen.

(E. a. Memel).

Polen.
Von der russischen Grenze.

Ein russischer General erhielt vor wenigen Tagen den Befehl, unsere Grenze genau zu inspiciren, und mehrere höhere Offiziere äußerten gegen mich, daß sie die Ordre erwarteten, über die Grenze zu marschiren. Außer den großen Truppenanhaufungen neben der Grenze wird ein Armeecorps direkt von Moskau hierher detachirt, und ist dieses Armeecorps nur noch circa 30 Meilen von seinem Bestimmungsorte entfernt. In Rossein, acht Meilen von der Grenze, befindet sich der Generalstab. Der russische General hat außerdem den Auftrag, das Terrain diesseits der russischen Grenzen genau in Kenntniß zu nehmen, und namentlich erkundigte er sich nach den Wohnsitzen der preußischen Edelleute. Es stehen längs der Grenze gegenwärtig 150,000 Mann, und die Ingenieure haben Ordre erhalten, Lager abzustecken.

(Tils. Echo.)

Von der galizisch-schlesischen Grenze. 28. März.

Heute ist ein Honvéd-Transport aus ungefähr zweihundert Mann bestehend, unter einer Eskorte von 80 Mann des Regiments Nugent aus Kenty in Biala eingetroffen. Einen zweiten gleich starken Transport erwarten wir in den nächsten fünf Tagen. — Bis Tarnow hatten diese Gefangenen, die mitunter auch von dem Treffen bei Tihutza herrühren, nebst der Infanterie-Bedeckung auch noch eine Eskadron Chevauxlegers und eine halbe Batterie bei sich, um gegen jede Verlockung zur Desertation geschützt zu sein.

Französische Republik.
12 Paris, 1. April.

So weit ist es bereits wieder in Frankreich gekommen, daß Thiers mit „seiner klaren Darstellungsweise“ nothwendig geworden, um die komplizirten Verhältnisse klar-bürgerlich auseinanderzusetzen. Und das hat er dann auch gethan. Der bürgerlich-klare Thiers mußte dem bürgerlich-verworrenen Barrot zu Hülfe kommen, um alle bürgerlich-schwankende Männer zu Boden zu schlagen. Der bürgerlich-poetische Lamartine — der bürgerlich-kriegerisch-schurkige Cavaignac — der bürgerlich-unglückliche Bastide, mit einem Worte das bürgerlich-unglückliche Bewußtsein, wie es seit der Präsidentschaft Napoleons in den Leuten des Nationals seinen Ausdruck erhält, hat sich heute klar abspiegeln können in dem bürgerlich klaren Bewußtsein des Hrn. Thiers. Alle diese Leute, die aus einer Proletarier-Revolution hervorgegangen, sich bürgerlich festsetzen wollten, ohne einen andern bürgerlichen Fonds, ein andres bürgerliches Einlege-Kapital zu besitzen, als ihr Republikanerthum, alle diese Leute, die sich zu Thiers nach erst bürgerlich heraufarbeiten wollten, ohne mit Thiers von 1830 an die bürgerliche Entwicklung durchgemacht zu haben, mußten natürlich wieder durch Thiers aus dem Felde geschlagen werden. Ihr Leute des Nationals ihr wart damals nur verkappte Barrots, und der ehemals verkappte Barrot ist beinahe ein Thiers geworden, das ist der Sinn der Rede, welche Thiers zur Vertheidigung der Politik Barrot's hielt.

Thiers ist der Ausdruck der klein-bürgerlich-französischen Nationalität, wie sie sich in jedem Kleinkrämer kundthut, dessen Kram sich langsam fortgebildet hat. Der bürgerliche Frieden vor allen Dingen — weil er als Franzose und geborner Kleinbürger in dem bürgerlichen Frieden das einzige Mittel zum Gedeihen der sogenannten bürgerlichen Wohlfahrt sieht. Erleidet die national-bürgerliche Ehre einen Stoß, erlaubt sich England, wie damals in Syrien, Angriffe „auf den französischen Einfluß,“ dann regt sich das klein-bürgerliche Ehrgefühl und bekommt kriegerische Anfälle; dies klein-bürgerliche Ehrgefühl ist aber weiter nichts, wie ein Ueberbleibsel der nationalen Ehre aus der früheren Republik und der Kaiserzeit und diese Nationalehre selbst läuft am Ende auf den Schutz der verkannten Industrie und des nationalen Handels hinaus. In jetziger Zeit aber hat sich mit der bürgerlichen Produktionsweise auch das bürgerliche National-Ehrgefühl anders gestaltet, und jedesmal, wenn es darauf ankömmt, dieses verletzte Ehrgefühl, diese kriegerischen Anfälle in Ausübung zu setzen, dann hält auf einmal Thiers inne; die kriegerischen Rüstungen waren reine Demonstration, und Thiers findet sich in der Ausführung seiner Projekte plötzlich gelähmt. Er hat der Bourgeoisie einen ungeheuren Geldaufwand unnützer Weise verursacht und muß seinen Platz einem Guizot räumen; also jedesmal, wenn die klein-bürgerliche Nationalität sich äußerlich bethätigen soll, dann geschieht es blos auf Kosten der hohen Bourgeoisie, die aber sogleich diesem kriegerischen Muthe Einhalt zu thun weiß. So hat sie dem Herrn Thiers auch erlaubt, Paris mit ungeheuren Festungswerken zu umgeben, dem Anscheine nach gegen den äußern Feind gerichtet, während in Wahrheit die Bourgeoisie sie zur Beschützung gegen die innern Feinde gebrauchen zu können glaubte.

Die große Bourgeoisie erkennt dieses klein-bürgerliche Ehrgefühl nicht mehr an, und der wahre Ausdruck dieser Bourgeoisie ist Guizot; die große Bourgeosie hat verschwisterte Interessen in allen andern Ländern, und die mindeste Störung der Ruhe und Ordnung in diesen Ländern, das mindeste Weichen der Metalliques übt sogleich in Frankreich eine Gegenwirkung auf die französischen Course aus. Guizot war der Fall des Herrn Thiers, und gerade an diesem Falle hört die bürgerliche Klarheit des Herrn Thiers auf. Als Minister bricht er sich an der hohen Bourgeoisie, an der Macht des großen Kapitals, das ihm, wie der kleinen Bourgeoisie, seine Gesetze diktirt, und weiß keinen andern Grund dafür zu finden, als die Undankbarkeit; so klagte er damals Guizot und Louis Philipp an. Einmal aus dem Ministerium herausgeworfen, weiß er keinen andern zur Beschönigung des verletzten französischen National-Ehrgefühls zu finden, als die Nothwendigkeit, welche vor allen Dingen gebietet, die innere Sicherheit, das heißt das National-Wohlergehen der großen Bourgeois im Auge zu halten. Diese Unklarheit, dieser Widerspruch leuchtet am Besten aus der Art und Weise hervor, wie Thiers heute die Traktate von 1815 vertheidigt: „Man muß diese Traktate beobachten, aber verabscheuen!“ Also die Beobachtung der Traktate sind eine Nothwendigkeit geworden, gegen die ich innerlich ankämpfen muß. Wer legt dem nationalen Frankreich diese Nothwendigkeit auf? Doch nichts anders als die große Bourgeoisie, in deren Interesse diese Traktate allein aufrecht gehalten werden. Also diese Bourgeoisie ist's, die dem Herrn Thiers diese Nothwendigkeit auferlegt; und da die kleine Bourgeoisie für ihn nicht haltbar, nicht denkbar ist ohne die große Bourgeoisie, so erscheint ihm die letztere als die ewige Nothwendigkeit, gerade wie dem Herrn Guizot die Arbeit als der nothwendige Zaum für die Arbeiter erschien. Innerlich kämpft Thiers gegen diese Nothwendigkeit, gegen diese hohe Bourgeoisie an, er unterstützt sie aber nur in sofern, als sie ihren Ausdruck in England und in Allem, was nicht französisch ist, findet. Die hohe französische Bourgeoisie, die er nicht angreift, wie er überhaupt den ganzen Klassenkampf nicht begreifen kann, da er aus dem Studium der kleinbürgerlichen National-Ideologie des vorigen Jahrhunderts hervorgegangen — die hohe Bourgeoisie sage ich, haßt er nur in sofern, als sie ihren Ausdruck in seinem Concurrenten Guizot u. s. w. findet. Guizot, als eigentlicher Ideolog der hohen Bourgeoisie, der für jede besondere Corruption eine moralische Maxime, und jede moralische Maxime wieder an ein besonderes unmoralisches Staatsverhältniß aufzuknüpfen wußte, Guizot konnte diesen National-Haß nicht kennen — er hatte eben die entente cordiale, das herzliche Einverständniß für alle unherzlichen Fußtritte aufgefunden, welche die kleine französische Bourgeoisie von der großen Weltbourgeoisie erlitt, die, befreit von allen nationalen Vorurtheilen, im Judenthume sowohl den englischen wie den französischen National-Charakter abgestreift hatte.

Als nach der großen Februar-Revolution die Proletarier aller Länder aufgestanden, um gegen die vereinte Bourgeoisie anzukämpfen, da waren natürlich alle Blicke nach Frankreich hin gerichtet. Die französische Bourgeoisie war am Meisten Preis gegeben. Die Leute des Nationals und namentlich Lamartine kamen aber damals erst auf dem Standpunkt an, von dem Thiers längst gestürzt worden. Thiers letzte kriegerische Zuckungen waren von der Bourgeois-Nothwendigkeit überwunden worden. Die Leute des Nationals wollten sich gerade den Bourgeois nothwendig machen, indem sie den allgemeinen Drang der Proletarier nach Krieg den Bourgeois-Interessen aufopferten. Die Klarheit des Herrn Thiers besteht in der Auffassung der Bourgeois-Interessen, in sofern die richtige Verwaltung derselben Einem zum Ministerium verhelfen oder aus dem Ministerium stürzen. Und Thiers ist, wie gesagt, um so klarer darüber, als er aufgehört, Minister zu sein. Mit dieser Klarheit schlägt er Cavaignac darnieder, der jetzt, wo er nicht mehr Minister-Präsident ist, mit den 500,000 Mann, die er gegen die „innern Feinde“ aufgetrieben hatte, den äußern Feind, „Oestreich und Rußland“, bekämpfen will, blos um Barrot zu Boden zu schlagen.

Der Mann, der durch Thiers Rede den größten Stoß erhält, das ist gerade der, den er vertheidigen will — Barrot. Um Guizot und Molé zu verdrängen, nachdem sie von ihnen verdrängt worden, halten Barrot und Thiers nothwendig, das kleine nationale Ehrgefühl, den Kampf mit dem Auslande anzufackeln. Um Barrot zu verdrängen, tritt Thiers für Barrot auf; er schließt sich seiner Politik an, der Politik des Friedens; und indem er sich dieser Barrot'schen Politik anschließt, macht er die Bourgeois klar über diese Politik, über diesen innern Frieden, über diesen Kampf der vor allen Dingen gegen den innern Feind geführt werden müsse.

Aber dieser innere Feind ist in der Person des Herrn Ledru-Rollin auf eine Weise zu Tage getreten, welche die bürgerliche Klarheit auf ihren wahren Ausdruck, die klare Schuftigkeit zurückgeführt hat. Die bürgerliche Klarheit, die alle die bürgerlichen Confusions-Männer geschlagen, ist selbst von der revolutionären Klarheit geschlagen worden. Ledru-Rollin hat sich losgerissen von der Vergangenheit, von der provisorischen Regierung, von dem Manifeste Lamartines.

Von dem Augenblicke, wo ein Thiers es wagen konnte, mit seiner bürgerlichen Weisheit aufzutreten, hat Ledru-Rollin es gewagt, mit seiner revolutionären Energie aufzutreten, und hat offen bekannt, daß der Fehler der provisorischen Regierung eben darin bestand, daß sie nicht auf der Stelle die französischen Regimenter an die Gränzen habe marschiren lassen, — es stände wahrhaftig anders in Deutschland, Oestreich und Italien! „Die Despoten wären gestürzt“, und der kleine Thiers, der sich auf einmal wieder an Barrot heraufrichtet, hätte seinen großen klaren Kopf“ auf immer verloren.

X Paris, 2. April.

Wie mächtig die demokratische Propaganda für die nächste legislative Kammer bereits geworden, das zeigen am deutlichsten die Gegenanstrengungen des Wahl-Comités der Rue de Poitiers. Die Milliarde und Italien — das werden bekanntlich die Hauptpunkte des demokratischen Manifestes bilden. Und was haben die Männer der Rue de Poitiers diesem Manifeste entgegenzusetzen? Was haben sie den Wahlmännern zu bieten? Moralische Abhandlungen von Thiers oder Cousin redigirt die tagtäglich als Gegengift gegen die soziale „Verlockungen“ in Form von Bülletin's erscheinen sollen. Wie wenig aber durch diese Bülletin die Bauern und Arbeiter sich bewegen lassen, von ihrer Anforderung abzustehn, geht schon daraus hervor, daß die Petitionen tagtäglich auf eine für die Bourgeoisie wahrhaft furchterregende Weise zunehmen. Trotz der Rückforderung dieser Milliarde ist das Volk großmüthig: es leitet in diesem Augenblicke eine Subscription zu Gunsten Napoleon's ein, um die von ihm geschlossene Schuld von 1 1/2 Millionen abzutragen. Jeder Franzose soll 25 Centimes beitragen, und ein Schlossergeselle Boulenvier, von dem die Idee ausging, hat bereits dem Journal „le Peuple“ seinen Beitrag eingesandt, das Volk nimmt die Sache ernsthaft, und da die Schuld Napoleon's nicht in Abrede gestellt worden, so scheint ihm der Weg der Subscription als der einfachste, um das mit Hypothek belegte Ministerium zu beseitigen. Ihrerseits hat die Rue Poitiers zur Verfolgung der Wahlagitation ebenfalls eine Subscription eröffnet und dieselbe hat in 3 Tagen nicht weniger als eine Million zusammengebracht: die Angst unter den Bourgeois muß sehr groß sein, um zu solchen Opfern sich so schnell zu verständigen.

090 Paris, 2. April.

Die Reaktion wüthet und schäumt; so keilförmig wie diesmal ist sie noch nie geschlagen worden. Wenn Thiers und Guizot sich in den Haaren lagen, war es immer noch eine elegante, gefährlich aussehende, ungefährliche Klopffechterei. Aber wie ganz anders Ledru-Rollin! Sonst hieß es „Monsieur“ hin, „Monsieur“ her; Thiers und Guizot fühlten sich unter dieser Form immer noch auf festem Boden. Heute aber weiß der kleine Mann nicht mehr, was er antworten soll: Die Apostrophe Ledru-Rollins an den „Citoyen Thiers“ klingt ihm fortwährend in den Ohren. Die reaktionären Journale der Provinz lassen sich von Paris schreiben: Ledru-Rollin hat von der Höhe der Barrikaden herabgesprochen. Die Barrikade aber ist der höchste Ausdruck der bürgerlichen Entrüstung, und selbst das Journal des Debats, welches sich besonders auf das parlamentarische Wiedersehen seines alten Freundes Thiers gefreut, ist nicht wenig verblüfft, den „Retter des Königthums vom 24. Februar“ abermals von solchen Barrikadenbildern erdrückt zu sehn. Das arme Journal des Debats, welches die süßen Worte des Hrn. Thiers über die Traktate von 1815 so gern als ein Labsal für geängstigte Bourgeois-Gemüther preis't! Die „Reforme“ hat sehr recht, wenn sie jetzt an die glorreiche Epoche des Odysseus Thiers erinnert, wo er eine Million für Auslieferung der Herzogin von Berry bot und glücklich war, sich zu diesem Zweck mit dem erlauchten Juden Deutz verbinden zu können; damals war Thiers so fein, so listig, daß er selbst den Juden Deutz noch um eine Million betrog, denn als die Herzogin von Berry eingefangen war, hatte Hr. Thiers auch zugleich das Kind gefangen, welches die Herzogin verborgen trug, und wofür dem Juden eine neue Million gebührt hätte. „Diesmal aber“, sagt die Reforme, „hat der Mäcenas aller diebischen Deutze seine verdiente Züchtigung erhalten, und weil er doch ein Mann ist,

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          <p><pb facs="#f0003" n="1487"/>
ben des &#x201E;echt patriotisch gesinnten&#x201C; Landrathes Eduard v. Alvensleben auf Redekin, Kammerherrn und Ritters etc.</p>
          <p>Eigenhändiges Antwortschreiben des Landraths von Alvensleben in Redekin bei Genthin auf die Anfrage des Untersuchungskommissarius Sombart über die Glaubwürdigkeit der in dieser Sache vernommenen Zeugen:</p>
          <p>&#x201E;Ew. Hochwohlgeboren beehre ich mich in ganz ergebenster Antwort auf die geehrte Zuschrift, Genthin d. 25. dieses Monats, in Betreff der Vernehmungen in der Untersuchungssache gegen den Land- und Stadtgerichts-Assessor Lindenberg, Folgendes ganz ergebenst zu erwidern: Die in Dero verehrten Schreiben von 1-7 genannten Schulzen und Schöppen verdienen schon als Ortsvorsteher vollkommnen Glauben, sie haben ihren Diensteid geleistet und sind sämmtlich unbescholtene, in guten Rufe stehende Leute. Der ad 3 aufgeführte Amtmann Zobel, hat nur einmal wegen Schulden Gefängnißstrafe erlitten, welches, da er sonst achtbar ist, seiner Glaubhaftigkeit keine Eintracht thun kann. Auf die Aussage der Gastwirth Dietrischen Eheleute, dürfte nicht viel Gewicht in der vorliegenden Sache zu legen sein. Ihr Haus ist der Sitz des demokratischen Treibens und sie sind von der öffentlichen Meinung als nicht patriotisch gesinnt bezeichnet. Und sowohl der gen. Lindenberg als der Mewes sollen dort ihre Umtriebe hauptsächlich treiben. Ebenso haben wahrscheinlich die ad 10 - 12 genannten Schauspieler, die mir übrigens unbekannt sind, in das Horn ihres Wirthes geblasen, dem sie verschuldet sein dürften. Der ad 13 bezeichnete Commissarius Luther besitzt, so viel ich über ihn vernommen, nur einen zweifelhaften Ruf. &#x2014;</p>
          <p>Gestatten mir nun Ew. Hochwohlgeboren <hi rendition="#g">geneigst</hi> noch zu bemerken, daß es doch zweckdienlich sein dürfte die einmal angefangene Untersuchung weiter fortzusetzen. Zwar kann ich es nicht beweisen, bin es aber moralisch überzeugt, daß der p. Lindenberg und Mewes weitverzweigte, republikanische Verbindungen haben. Mewes ist, wie allgemein behauptet wird, zu dem demokratischen Kongreß nach Berlin gewesen. Lindenberg ist der Schwager des berüchtigten Bisky, und seine öftern Reisen nach Berlin dürften nicht ohne politische Zwecke gewesen sein, er hält Volksversammlungen, und wenn der Kaufmann Uhtemann in Sandau vernommen wird, so dürfte sich herausstellen, daß Lindenberg ihm geschrieben, die jetzigen Zustände seien der Uebergang zur Republik. Der jetzige Zustand des Landes macht es durchaus nöthig, daß man dem ungesetzlichen Treiben auf alle mögliche Weise Einhalt thut, des Beispiels halber endlich Jemand bestraft wird, und hauptsächlich ist es gewiß nöthig, dahin zu trachten, daß kein Richter sich in das anarchische Treiben mischt, weil sonst das ganze Volk systematisch demoralisirt wird.&#x201C;</p>
          <p>Genthin, d. 28. November 1848.</p>
          <p>Der Landrath E. von Alvensleben.</p>
          <p>Zweites Denunciationsschreiben des Herrn Landraths v. Alvensleben.</p>
          <p>Ew. Hochwohlgeboren</p>
          <p>beehre ich mich in Verfolg meines ergebensten Schreibens vom 2. dieses Monats für den Fall, daß das Königliche Oberlandesgericht den Umtrieben noch weiter nachforschen will, was allerdings wünschenswerth wäre, ebenmäßig Folgendes zu berichten. Eingezogener Erkundigungen gemäß hat der Silberarbeiter Bisky in Berlin, Schwager des berüchtigten Lindenberg auf den Bahnhof bei Genthin verbrecherische Reden geführt von Prinzenkarbonade und Königsragout oder dem Aehnlichen in Beisein mehrerer Menschen gesprochen, so daß der Königliche Wegebaumeister Detto in Genthin es nicht länger anhören konnte und das Zimmer verließ, unter Anderen soll auch der Lokomotivenführer Basse zu Genthin gegenwärtig gewesen sein. Indem ich die Vernehmungen ganz ergebenst anheimstelle, bemerke, daß Zeitungsnachrichten gemäß der Bisky neulich in Berlin gefänglich eingezogen gewesen, aber wahrscheinlich aus Mangel an Beweisen seiner Strafbarkeit bald freigegeben worden. Es dürfte ein Grund mehr sein, um möglichst Entdeckungen zu versuchen.</p>
          <p>Auch ist es schon von den segensreichsten Folgen, wenn die Wühler sehen, daß sie nicht mehr mit der unglaublichen Frechheit, womit sie die Schwachen eingeschüchtert, ihr Wesen treiben dürfen.</p>
          <p>Genthin, den 6. Dezember 1848.</p>
          <p>Der Landrath, E. v. <hi rendition="#g">Alvensleben.</hi> </p>
          <p>An den königl. Ober-Landesgerichtsrath</p>
          <p>Sombart in Magdeburg.</p>
        </div>
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          <head><bibl><author>302</author></bibl> Erfurt, 30, März.</head>
          <p>Heute ist der Dr. Stockmann, welcher schon seit Monaten in den Kasematten der Festung Petersberg wegen politischer Vergehen in schreckbar strenger Haft gehalten wurde, nach der Festung Magdeburg transportirt. Eine solche Versetzung halten die hiesigen Gefangenen für ein Glück. Das Oberlandesgericht zu Naumburg unter von Schlickmann, bekanntlich nächst Münster gegen politische Verirrungen das allerstrengste, soll furchtbare Urtheile gesprochen haben gegen die Excedenten vom 24. November. &#x2014; Man sagt, daß nunmehr doch endlich Seitens der Ministerien gegen die hiesige Militär-Censur eingeschritten und die Aufhebung dieser Censur zu erwarten sei. Der Belagerungszustand in der ruhigsten Stadt der Welt, wird noch mit unglaublicher Strenge gehandhabt. Die Residenz des deutschen Erbkaisers kommt nach Erfurt. Diese Erwartung hat wenigstens gestern der Deputirte aus Frankfurt, Graf Keller, hier ausgesprochen. In Frankfurt hat man nichts von ihm gehört, außer, daß er einmal in Baden als Reichspolizei-Commissar verwendet wurde. Wichtig aber ist, was wir gestern von ihm gehört. Er hat vor einer aus den &#x201E;gut gesinnten&#x201C; Stadtverordneten gewählten Deputation und dem &#x201E;ganz gut gesinnten&#x201C; Magistrat erklärt: daß, wenn Seine Majestät der König von Preußen allergnädigst geruhe, die deutsche Kaiserkrone huldreichst anzunehmen (und wenn Herr von Manteuffel unsern Belagerungszustand aufhebe,) die Residenz des deutschen Kaisers unzweifelhaft nach Erfurt komme. In Folge dieser Eröffnung sind die Brunnenkresse und Thüringenschen Eisenbahn-Actien, (welche letztere unter der Direktion des Grafen Keller auf 19 1/2 gekommen) bereits um 1/2 pro Cent in die Höhe gegangen. Unsere vom Magistrat unter stillschweigender Sanction der Regierung seit November aufgelößte mißliebige Stadtverordneten-Versammlung tagt nunmehr wieder in Folge der Wohlgewogenheit der vormundschaftlichen Behörden, nachdem dieselbe durch Neuwahlen in etwa purificirt worden.</p>
        </div>
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          <head>Grottau, (an der sächsischen Gränze) 29. März.</head>
          <p>Am 25. wurden 34 russisch-polnische Emigranten von Josephstadt hieher escortirt und in einem Tanzsaale untergebracht. Es sind meist junge Leute, die seit 4 Monaten alle Freuden der Festungshaft genossen haben. Ueber den Ort ihrer Bestimmung gibt es mehre Varianten. Viele und darunter die armen Polen selbst, meinen, das liebe Rußland sei ihr Ziel; andere sagen, sie bekämen französische Pässe, und wieder andere, die die Bestunterrichteten sein wollen, behaupten, die Reise gehe über Magdeburg nach Hamburg und von da direkt nach Amerika Ein gleiches soll mit anderen 59 Emigranten, die von Theresienstadt über Peterswalde nach Hamburg geschafft werden, geschehen. Es war bestimmt gewesen, daß die Emigranten hier in Grottau nur übernachten und gleich Tags darauf weiter geführt werden sollten, doch eine ministerielle Note, die unterdessen, mit einem Veto unseres Gesandten in Dresden, ankam, hat die Abreise verschoben. Zu diesem traurigen Zwitterzustand, der die armen Leute in völliger Ungewißheit hier schweben läßt, kömmt nun auch noch die Verfügung, daß sie seit vorgestern mit Niemandem Fremdem mehr conversiren dürfen. Der sie begleitende Polizeikommissär hatte nämlich das Schreckensgerücht vernommen, die Zittauer wollten über die Grenze kommen und die Polen befreien. Richtig kamen auch vorgestern Abends &#x2014; <hi rendition="#g">fünf</hi> Burschen en costume, (Einer hatte sogar eine rothe Kappe auf) hereingezogen, stellten sich vor dem Lokale auf, wo die Polen in Verwahrung gehalten wurden und sangen ihnen ein Ständchen. Einer dieser fürchterlichen Fünf wurde vom Polizeikommissär erwischt und gestand, ein Schuhmacher und 18 Jahre alt zu sein.</p>
          <bibl>(C. Bl. a. B.)</bibl>
        </div>
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          <head>Schmaleningken, 23. März.</head>
          <p>Man spricht hier davon, daß bei Tauroggen die russische Garde in beträchtlicher Anzahl herangerückt sein soll. Unmittelbar an der Grenze ist jedoch keine Truppenbewegung und auch sonst nichts Bemerkenswerthes wahrgenommen.</p>
          <p>(E. a. Memel).</p>
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      </div>
      <div n="1">
        <head>Polen.</head>
        <div xml:id="ar264_011" type="jArticle">
          <head>Von der russischen Grenze.</head>
          <p>Ein russischer General erhielt vor wenigen Tagen den Befehl, unsere Grenze genau zu inspiciren, und mehrere höhere Offiziere äußerten gegen mich, daß sie die Ordre erwarteten, über die Grenze zu marschiren. Außer den großen Truppenanhaufungen neben der Grenze wird ein Armeecorps direkt von Moskau hierher detachirt, und ist dieses Armeecorps nur noch circa 30 Meilen von seinem Bestimmungsorte entfernt. In Rossein, acht Meilen von der Grenze, befindet sich der Generalstab. Der russische General hat außerdem den Auftrag, das Terrain diesseits der russischen Grenzen genau in Kenntniß zu nehmen, und namentlich erkundigte er sich nach den Wohnsitzen der preußischen Edelleute. Es stehen längs der Grenze gegenwärtig 150,000 Mann, und die Ingenieure haben Ordre erhalten, Lager abzustecken.</p>
          <p>(Tils. Echo.)</p>
        </div>
        <div xml:id="ar264_012" type="jArticle">
          <head>Von der galizisch-schlesischen Grenze. 28. März.</head>
          <p>Heute ist ein Honvéd-Transport aus ungefähr zweihundert Mann bestehend, unter einer Eskorte von 80 Mann des Regiments Nugent aus Kenty in Biala eingetroffen. Einen zweiten gleich starken Transport erwarten wir in den nächsten fünf Tagen. &#x2014; Bis Tarnow hatten diese Gefangenen, die mitunter auch von dem Treffen bei Tihutza herrühren, nebst der Infanterie-Bedeckung auch noch eine Eskadron Chevauxlegers und eine halbe Batterie bei sich, um gegen jede Verlockung zur Desertation geschützt zu sein.</p>
        </div>
      </div>
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        <head>Französische Republik.</head>
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          <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 1. April.</head>
          <p>So weit ist es bereits wieder in Frankreich gekommen, daß Thiers mit &#x201E;seiner klaren Darstellungsweise&#x201C; nothwendig geworden, um die komplizirten Verhältnisse klar-bürgerlich auseinanderzusetzen. Und das hat er dann auch gethan. Der bürgerlich-klare Thiers mußte dem bürgerlich-verworrenen Barrot zu Hülfe kommen, um alle bürgerlich-schwankende Männer zu Boden zu schlagen. Der bürgerlich-poetische Lamartine &#x2014; der bürgerlich-kriegerisch-schurkige Cavaignac &#x2014; der bürgerlich-unglückliche Bastide, mit einem Worte das bürgerlich-unglückliche Bewußtsein, wie es seit der Präsidentschaft Napoleons in den Leuten des Nationals seinen Ausdruck erhält, hat sich heute klar abspiegeln können in dem bürgerlich klaren Bewußtsein des Hrn. Thiers. Alle diese Leute, die aus einer Proletarier-Revolution hervorgegangen, sich bürgerlich festsetzen wollten, ohne einen andern bürgerlichen Fonds, ein andres bürgerliches Einlege-Kapital zu besitzen, als ihr Republikanerthum, alle diese Leute, die sich zu Thiers nach erst bürgerlich heraufarbeiten wollten, ohne mit Thiers von 1830 an die bürgerliche Entwicklung durchgemacht zu haben, mußten natürlich wieder durch Thiers aus dem Felde geschlagen werden. Ihr Leute des Nationals ihr wart damals nur verkappte Barrots, und der ehemals verkappte Barrot ist beinahe ein Thiers geworden, das ist der Sinn der Rede, welche Thiers zur Vertheidigung der Politik Barrot's hielt.</p>
          <p>Thiers ist der Ausdruck der klein-bürgerlich-französischen Nationalität, wie sie sich in jedem Kleinkrämer kundthut, dessen Kram sich langsam fortgebildet hat. Der bürgerliche Frieden vor allen Dingen &#x2014; weil er als Franzose und geborner Kleinbürger in dem bürgerlichen Frieden das einzige Mittel zum Gedeihen der sogenannten bürgerlichen Wohlfahrt sieht. Erleidet die national-bürgerliche Ehre einen Stoß, erlaubt sich England, wie damals in Syrien, Angriffe &#x201E;auf den französischen Einfluß,&#x201C; dann regt sich das klein-bürgerliche Ehrgefühl und bekommt kriegerische Anfälle; dies klein-bürgerliche Ehrgefühl ist aber weiter nichts, wie ein Ueberbleibsel der nationalen Ehre aus der früheren Republik und der Kaiserzeit und diese Nationalehre selbst läuft am Ende auf den Schutz der verkannten Industrie und des nationalen Handels hinaus. In jetziger Zeit aber hat sich mit der bürgerlichen Produktionsweise auch das bürgerliche National-Ehrgefühl anders gestaltet, und jedesmal, wenn es darauf ankömmt, dieses verletzte Ehrgefühl, diese kriegerischen Anfälle in Ausübung zu setzen, dann hält auf einmal Thiers inne; die kriegerischen Rüstungen waren reine Demonstration, und Thiers findet sich in der Ausführung seiner Projekte plötzlich gelähmt. Er hat der Bourgeoisie einen ungeheuren Geldaufwand unnützer Weise verursacht und muß seinen Platz einem Guizot räumen; also jedesmal, wenn die klein-bürgerliche Nationalität sich äußerlich bethätigen soll, dann geschieht es blos auf Kosten der hohen Bourgeoisie, die aber sogleich diesem kriegerischen Muthe Einhalt zu thun weiß. So hat sie dem Herrn Thiers auch erlaubt, Paris mit ungeheuren Festungswerken zu umgeben, dem Anscheine nach gegen den äußern Feind gerichtet, während in Wahrheit die Bourgeoisie sie zur Beschützung gegen die innern Feinde gebrauchen zu können glaubte.</p>
          <p>Die große Bourgeoisie erkennt dieses klein-bürgerliche Ehrgefühl nicht mehr an, und der wahre Ausdruck dieser Bourgeoisie ist Guizot; die große Bourgeosie hat verschwisterte Interessen in allen andern Ländern, und die mindeste Störung der Ruhe und Ordnung in diesen Ländern, das mindeste Weichen der Metalliques übt sogleich in Frankreich eine Gegenwirkung auf die französischen Course aus. Guizot war der Fall des Herrn Thiers, und gerade an diesem Falle hört die bürgerliche Klarheit des Herrn Thiers auf. Als Minister bricht er sich an der hohen Bourgeoisie, an der Macht des großen Kapitals, das ihm, wie der kleinen Bourgeoisie, seine Gesetze diktirt, und weiß keinen andern Grund dafür zu finden, als die Undankbarkeit; so klagte er damals Guizot und Louis Philipp an. Einmal aus dem Ministerium herausgeworfen, weiß er keinen andern zur Beschönigung des verletzten französischen National-Ehrgefühls zu finden, als die Nothwendigkeit, welche vor allen Dingen gebietet, die innere Sicherheit, das heißt das National-Wohlergehen der großen Bourgeois im Auge zu halten. Diese Unklarheit, dieser Widerspruch leuchtet am Besten aus der Art und Weise hervor, wie Thiers heute die Traktate von 1815 vertheidigt: &#x201E;Man muß diese Traktate beobachten, aber verabscheuen!&#x201C; Also die Beobachtung der Traktate sind eine Nothwendigkeit geworden, gegen die ich innerlich ankämpfen muß. Wer legt dem nationalen Frankreich diese Nothwendigkeit auf? Doch nichts anders als die große Bourgeoisie, in deren Interesse diese Traktate allein aufrecht gehalten werden. Also diese Bourgeoisie ist's, die dem Herrn Thiers diese Nothwendigkeit auferlegt; und da die kleine Bourgeoisie für ihn nicht haltbar, nicht denkbar ist ohne die große Bourgeoisie, so erscheint ihm die letztere als die ewige Nothwendigkeit, gerade wie dem Herrn Guizot die Arbeit als der nothwendige Zaum für die Arbeiter erschien. Innerlich kämpft Thiers gegen diese Nothwendigkeit, gegen diese hohe Bourgeoisie an, er unterstützt sie aber nur in sofern, als sie ihren Ausdruck in England und in Allem, was nicht französisch ist, findet. Die hohe französische Bourgeoisie, die er nicht angreift, wie er überhaupt den ganzen Klassenkampf nicht begreifen kann, da er aus dem Studium der kleinbürgerlichen National-Ideologie des vorigen Jahrhunderts hervorgegangen &#x2014; die hohe Bourgeoisie sage ich, haßt er nur in sofern, als sie ihren Ausdruck in seinem Concurrenten Guizot u. s. w. findet. Guizot, als eigentlicher Ideolog der hohen Bourgeoisie, der für jede besondere Corruption eine moralische Maxime, und jede moralische Maxime wieder an ein besonderes unmoralisches Staatsverhältniß aufzuknüpfen wußte, Guizot konnte diesen National-Haß nicht kennen &#x2014; er hatte eben die entente cordiale, das herzliche Einverständniß für alle unherzlichen Fußtritte aufgefunden, welche die kleine französische Bourgeoisie von der großen Weltbourgeoisie erlitt, die, befreit von allen nationalen Vorurtheilen, im Judenthume sowohl den englischen wie den französischen National-Charakter abgestreift hatte.</p>
          <p>Als nach der großen Februar-Revolution die Proletarier aller Länder aufgestanden, um gegen die vereinte Bourgeoisie anzukämpfen, da waren natürlich alle Blicke nach Frankreich hin gerichtet. Die französische Bourgeoisie war am Meisten Preis gegeben. Die Leute des Nationals und namentlich Lamartine kamen aber damals erst auf dem Standpunkt an, von dem Thiers längst gestürzt worden. Thiers letzte kriegerische Zuckungen waren von der Bourgeois-Nothwendigkeit überwunden worden. Die Leute des Nationals wollten sich gerade den Bourgeois nothwendig machen, indem sie den allgemeinen Drang der Proletarier nach Krieg den Bourgeois-Interessen aufopferten. Die Klarheit des Herrn Thiers besteht in der Auffassung der Bourgeois-Interessen, in sofern die richtige Verwaltung derselben Einem zum Ministerium verhelfen oder aus dem Ministerium stürzen. Und Thiers ist, wie gesagt, um so klarer darüber, als er aufgehört, Minister zu sein. Mit dieser Klarheit schlägt er Cavaignac darnieder, der jetzt, wo er nicht mehr Minister-Präsident ist, mit den 500,000 Mann, die er gegen die &#x201E;innern Feinde&#x201C; aufgetrieben hatte, den äußern Feind, &#x201E;Oestreich und Rußland&#x201C;, bekämpfen will, blos um Barrot zu Boden zu schlagen.</p>
          <p>Der Mann, der durch Thiers Rede den größten Stoß erhält, das ist gerade der, den er vertheidigen will &#x2014; Barrot. Um Guizot und Molé zu verdrängen, nachdem sie von ihnen verdrängt worden, halten Barrot und Thiers nothwendig, das kleine nationale Ehrgefühl, den Kampf mit dem Auslande anzufackeln. Um Barrot zu verdrängen, tritt Thiers für Barrot auf; er schließt sich seiner Politik an, der Politik des Friedens; und indem er sich dieser Barrot'schen Politik anschließt, macht er die Bourgeois klar über diese Politik, über diesen innern Frieden, über diesen Kampf der vor allen Dingen gegen den innern Feind geführt werden müsse.</p>
          <p>Aber dieser innere Feind ist in der Person des Herrn Ledru-Rollin auf eine Weise zu Tage getreten, welche die bürgerliche Klarheit auf ihren wahren Ausdruck, die klare Schuftigkeit zurückgeführt hat. Die bürgerliche Klarheit, die alle die bürgerlichen Confusions-Männer geschlagen, ist selbst von der revolutionären Klarheit geschlagen worden. Ledru-Rollin hat sich losgerissen von der Vergangenheit, von der provisorischen Regierung, von dem Manifeste Lamartines.</p>
          <p>Von dem Augenblicke, wo ein Thiers es wagen konnte, mit seiner bürgerlichen Weisheit aufzutreten, hat Ledru-Rollin es gewagt, mit seiner revolutionären Energie aufzutreten, und hat offen bekannt, daß der Fehler der provisorischen Regierung eben darin bestand, daß sie nicht auf der Stelle die französischen Regimenter an die Gränzen habe marschiren lassen, &#x2014; es stände wahrhaftig anders in Deutschland, Oestreich und Italien! &#x201E;Die Despoten wären gestürzt&#x201C;, und der kleine Thiers, der sich auf einmal wieder an Barrot heraufrichtet, hätte seinen großen klaren Kopf&#x201C; auf immer verloren.</p>
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        <div xml:id="ar264_014" type="jArticle">
          <head><bibl><author>X</author></bibl> Paris, 2. April.</head>
          <p>Wie mächtig die demokratische Propaganda für die nächste legislative Kammer bereits geworden, das zeigen am deutlichsten die Gegenanstrengungen des Wahl-Comités der Rue de Poitiers. Die Milliarde und Italien &#x2014; das werden bekanntlich die Hauptpunkte des demokratischen Manifestes bilden. Und was haben die Männer der Rue de Poitiers diesem Manifeste entgegenzusetzen? Was haben <hi rendition="#g">sie</hi> den Wahlmännern zu bieten? Moralische Abhandlungen von Thiers oder Cousin redigirt die tagtäglich als Gegengift gegen die soziale &#x201E;Verlockungen&#x201C; in Form von Bülletin's erscheinen sollen. Wie wenig aber durch diese Bülletin die Bauern und Arbeiter sich bewegen lassen, von ihrer Anforderung abzustehn, geht schon daraus hervor, daß die Petitionen tagtäglich auf eine für die Bourgeoisie wahrhaft furchterregende Weise zunehmen. Trotz der Rückforderung dieser Milliarde ist das Volk großmüthig: es leitet in diesem Augenblicke eine Subscription zu Gunsten Napoleon's ein, um die von ihm geschlossene Schuld von 1 1/2 Millionen abzutragen. Jeder Franzose soll 25 Centimes beitragen, und ein Schlossergeselle Boulenvier, von dem die Idee ausging, hat bereits dem Journal &#x201E;le Peuple&#x201C; seinen Beitrag eingesandt, das Volk nimmt die Sache ernsthaft, und da die Schuld Napoleon's nicht in Abrede gestellt worden, so scheint ihm der Weg der Subscription als der einfachste, um das mit Hypothek belegte Ministerium zu beseitigen. Ihrerseits hat die Rue Poitiers zur Verfolgung der Wahlagitation ebenfalls eine Subscription eröffnet und dieselbe hat in 3 Tagen nicht weniger als eine Million zusammengebracht: die Angst unter den Bourgeois muß sehr groß sein, um zu solchen Opfern sich so schnell zu verständigen.</p>
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        <div xml:id="ar264_015" type="jArticle">
          <head><bibl><author>090</author></bibl> Paris, 2. April.</head>
          <p>Die Reaktion wüthet und schäumt; so keilförmig wie diesmal ist sie noch nie geschlagen worden. Wenn Thiers und Guizot sich in den Haaren lagen, war es immer noch eine elegante, gefährlich aussehende, ungefährliche Klopffechterei. Aber wie ganz anders Ledru-Rollin! Sonst hieß es &#x201E;Monsieur&#x201C; hin, &#x201E;Monsieur&#x201C; her; Thiers und Guizot fühlten sich unter dieser Form immer noch auf festem Boden. Heute aber weiß der kleine Mann nicht mehr, was er antworten soll: Die Apostrophe Ledru-Rollins an den &#x201E;Citoyen Thiers&#x201C; klingt ihm fortwährend in den Ohren. Die reaktionären Journale der Provinz lassen sich von Paris schreiben: Ledru-Rollin hat von der Höhe der Barrikaden herabgesprochen. Die Barrikade aber ist der höchste Ausdruck der bürgerlichen Entrüstung, und selbst das Journal des Debats, welches sich besonders auf das parlamentarische Wiedersehen seines alten Freundes Thiers gefreut, ist nicht wenig verblüfft, den &#x201E;Retter des Königthums vom 24. Februar&#x201C; abermals von solchen Barrikadenbildern erdrückt zu sehn. Das arme Journal des Debats, welches die süßen Worte des Hrn. Thiers über die Traktate von 1815 so gern als ein Labsal für geängstigte Bourgeois-Gemüther preis't! Die &#x201E;Reforme&#x201C; hat sehr recht, wenn sie jetzt an die glorreiche Epoche des Odysseus Thiers erinnert, wo er eine Million für Auslieferung der Herzogin von Berry bot und glücklich war, sich zu diesem Zweck mit dem erlauchten Juden Deutz verbinden zu können; damals war Thiers so fein, so listig, daß er selbst den Juden Deutz noch um eine Million betrog, denn als die Herzogin von Berry eingefangen war, hatte Hr. Thiers auch zugleich das Kind gefangen, welches die Herzogin verborgen trug, und wofür dem Juden eine neue Million gebührt hätte. &#x201E;Diesmal aber&#x201C;, sagt die Reforme, &#x201E;hat der Mäcenas aller diebischen Deutze seine verdiente Züchtigung erhalten, und weil er doch ein Mann ist,
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[1487/0003] ben des „echt patriotisch gesinnten“ Landrathes Eduard v. Alvensleben auf Redekin, Kammerherrn und Ritters etc. Eigenhändiges Antwortschreiben des Landraths von Alvensleben in Redekin bei Genthin auf die Anfrage des Untersuchungskommissarius Sombart über die Glaubwürdigkeit der in dieser Sache vernommenen Zeugen: „Ew. Hochwohlgeboren beehre ich mich in ganz ergebenster Antwort auf die geehrte Zuschrift, Genthin d. 25. dieses Monats, in Betreff der Vernehmungen in der Untersuchungssache gegen den Land- und Stadtgerichts-Assessor Lindenberg, Folgendes ganz ergebenst zu erwidern: Die in Dero verehrten Schreiben von 1-7 genannten Schulzen und Schöppen verdienen schon als Ortsvorsteher vollkommnen Glauben, sie haben ihren Diensteid geleistet und sind sämmtlich unbescholtene, in guten Rufe stehende Leute. Der ad 3 aufgeführte Amtmann Zobel, hat nur einmal wegen Schulden Gefängnißstrafe erlitten, welches, da er sonst achtbar ist, seiner Glaubhaftigkeit keine Eintracht thun kann. Auf die Aussage der Gastwirth Dietrischen Eheleute, dürfte nicht viel Gewicht in der vorliegenden Sache zu legen sein. Ihr Haus ist der Sitz des demokratischen Treibens und sie sind von der öffentlichen Meinung als nicht patriotisch gesinnt bezeichnet. Und sowohl der gen. Lindenberg als der Mewes sollen dort ihre Umtriebe hauptsächlich treiben. Ebenso haben wahrscheinlich die ad 10 - 12 genannten Schauspieler, die mir übrigens unbekannt sind, in das Horn ihres Wirthes geblasen, dem sie verschuldet sein dürften. Der ad 13 bezeichnete Commissarius Luther besitzt, so viel ich über ihn vernommen, nur einen zweifelhaften Ruf. — Gestatten mir nun Ew. Hochwohlgeboren geneigst noch zu bemerken, daß es doch zweckdienlich sein dürfte die einmal angefangene Untersuchung weiter fortzusetzen. Zwar kann ich es nicht beweisen, bin es aber moralisch überzeugt, daß der p. Lindenberg und Mewes weitverzweigte, republikanische Verbindungen haben. Mewes ist, wie allgemein behauptet wird, zu dem demokratischen Kongreß nach Berlin gewesen. Lindenberg ist der Schwager des berüchtigten Bisky, und seine öftern Reisen nach Berlin dürften nicht ohne politische Zwecke gewesen sein, er hält Volksversammlungen, und wenn der Kaufmann Uhtemann in Sandau vernommen wird, so dürfte sich herausstellen, daß Lindenberg ihm geschrieben, die jetzigen Zustände seien der Uebergang zur Republik. Der jetzige Zustand des Landes macht es durchaus nöthig, daß man dem ungesetzlichen Treiben auf alle mögliche Weise Einhalt thut, des Beispiels halber endlich Jemand bestraft wird, und hauptsächlich ist es gewiß nöthig, dahin zu trachten, daß kein Richter sich in das anarchische Treiben mischt, weil sonst das ganze Volk systematisch demoralisirt wird.“ Genthin, d. 28. November 1848. Der Landrath E. von Alvensleben. Zweites Denunciationsschreiben des Herrn Landraths v. Alvensleben. Ew. Hochwohlgeboren beehre ich mich in Verfolg meines ergebensten Schreibens vom 2. dieses Monats für den Fall, daß das Königliche Oberlandesgericht den Umtrieben noch weiter nachforschen will, was allerdings wünschenswerth wäre, ebenmäßig Folgendes zu berichten. Eingezogener Erkundigungen gemäß hat der Silberarbeiter Bisky in Berlin, Schwager des berüchtigten Lindenberg auf den Bahnhof bei Genthin verbrecherische Reden geführt von Prinzenkarbonade und Königsragout oder dem Aehnlichen in Beisein mehrerer Menschen gesprochen, so daß der Königliche Wegebaumeister Detto in Genthin es nicht länger anhören konnte und das Zimmer verließ, unter Anderen soll auch der Lokomotivenführer Basse zu Genthin gegenwärtig gewesen sein. Indem ich die Vernehmungen ganz ergebenst anheimstelle, bemerke, daß Zeitungsnachrichten gemäß der Bisky neulich in Berlin gefänglich eingezogen gewesen, aber wahrscheinlich aus Mangel an Beweisen seiner Strafbarkeit bald freigegeben worden. Es dürfte ein Grund mehr sein, um möglichst Entdeckungen zu versuchen. Auch ist es schon von den segensreichsten Folgen, wenn die Wühler sehen, daß sie nicht mehr mit der unglaublichen Frechheit, womit sie die Schwachen eingeschüchtert, ihr Wesen treiben dürfen. Genthin, den 6. Dezember 1848. Der Landrath, E. v. Alvensleben. An den königl. Ober-Landesgerichtsrath Sombart in Magdeburg. 302 Erfurt, 30, März. Heute ist der Dr. Stockmann, welcher schon seit Monaten in den Kasematten der Festung Petersberg wegen politischer Vergehen in schreckbar strenger Haft gehalten wurde, nach der Festung Magdeburg transportirt. Eine solche Versetzung halten die hiesigen Gefangenen für ein Glück. Das Oberlandesgericht zu Naumburg unter von Schlickmann, bekanntlich nächst Münster gegen politische Verirrungen das allerstrengste, soll furchtbare Urtheile gesprochen haben gegen die Excedenten vom 24. November. — Man sagt, daß nunmehr doch endlich Seitens der Ministerien gegen die hiesige Militär-Censur eingeschritten und die Aufhebung dieser Censur zu erwarten sei. Der Belagerungszustand in der ruhigsten Stadt der Welt, wird noch mit unglaublicher Strenge gehandhabt. Die Residenz des deutschen Erbkaisers kommt nach Erfurt. Diese Erwartung hat wenigstens gestern der Deputirte aus Frankfurt, Graf Keller, hier ausgesprochen. In Frankfurt hat man nichts von ihm gehört, außer, daß er einmal in Baden als Reichspolizei-Commissar verwendet wurde. Wichtig aber ist, was wir gestern von ihm gehört. Er hat vor einer aus den „gut gesinnten“ Stadtverordneten gewählten Deputation und dem „ganz gut gesinnten“ Magistrat erklärt: daß, wenn Seine Majestät der König von Preußen allergnädigst geruhe, die deutsche Kaiserkrone huldreichst anzunehmen (und wenn Herr von Manteuffel unsern Belagerungszustand aufhebe,) die Residenz des deutschen Kaisers unzweifelhaft nach Erfurt komme. In Folge dieser Eröffnung sind die Brunnenkresse und Thüringenschen Eisenbahn-Actien, (welche letztere unter der Direktion des Grafen Keller auf 19 1/2 gekommen) bereits um 1/2 pro Cent in die Höhe gegangen. Unsere vom Magistrat unter stillschweigender Sanction der Regierung seit November aufgelößte mißliebige Stadtverordneten-Versammlung tagt nunmehr wieder in Folge der Wohlgewogenheit der vormundschaftlichen Behörden, nachdem dieselbe durch Neuwahlen in etwa purificirt worden. Grottau, (an der sächsischen Gränze) 29. März. Am 25. wurden 34 russisch-polnische Emigranten von Josephstadt hieher escortirt und in einem Tanzsaale untergebracht. Es sind meist junge Leute, die seit 4 Monaten alle Freuden der Festungshaft genossen haben. Ueber den Ort ihrer Bestimmung gibt es mehre Varianten. Viele und darunter die armen Polen selbst, meinen, das liebe Rußland sei ihr Ziel; andere sagen, sie bekämen französische Pässe, und wieder andere, die die Bestunterrichteten sein wollen, behaupten, die Reise gehe über Magdeburg nach Hamburg und von da direkt nach Amerika Ein gleiches soll mit anderen 59 Emigranten, die von Theresienstadt über Peterswalde nach Hamburg geschafft werden, geschehen. Es war bestimmt gewesen, daß die Emigranten hier in Grottau nur übernachten und gleich Tags darauf weiter geführt werden sollten, doch eine ministerielle Note, die unterdessen, mit einem Veto unseres Gesandten in Dresden, ankam, hat die Abreise verschoben. Zu diesem traurigen Zwitterzustand, der die armen Leute in völliger Ungewißheit hier schweben läßt, kömmt nun auch noch die Verfügung, daß sie seit vorgestern mit Niemandem Fremdem mehr conversiren dürfen. Der sie begleitende Polizeikommissär hatte nämlich das Schreckensgerücht vernommen, die Zittauer wollten über die Grenze kommen und die Polen befreien. Richtig kamen auch vorgestern Abends — fünf Burschen en costume, (Einer hatte sogar eine rothe Kappe auf) hereingezogen, stellten sich vor dem Lokale auf, wo die Polen in Verwahrung gehalten wurden und sangen ihnen ein Ständchen. Einer dieser fürchterlichen Fünf wurde vom Polizeikommissär erwischt und gestand, ein Schuhmacher und 18 Jahre alt zu sein. (C. Bl. a. B.) Schmaleningken, 23. März. Man spricht hier davon, daß bei Tauroggen die russische Garde in beträchtlicher Anzahl herangerückt sein soll. Unmittelbar an der Grenze ist jedoch keine Truppenbewegung und auch sonst nichts Bemerkenswerthes wahrgenommen. (E. a. Memel). Polen. Von der russischen Grenze. Ein russischer General erhielt vor wenigen Tagen den Befehl, unsere Grenze genau zu inspiciren, und mehrere höhere Offiziere äußerten gegen mich, daß sie die Ordre erwarteten, über die Grenze zu marschiren. Außer den großen Truppenanhaufungen neben der Grenze wird ein Armeecorps direkt von Moskau hierher detachirt, und ist dieses Armeecorps nur noch circa 30 Meilen von seinem Bestimmungsorte entfernt. In Rossein, acht Meilen von der Grenze, befindet sich der Generalstab. Der russische General hat außerdem den Auftrag, das Terrain diesseits der russischen Grenzen genau in Kenntniß zu nehmen, und namentlich erkundigte er sich nach den Wohnsitzen der preußischen Edelleute. Es stehen längs der Grenze gegenwärtig 150,000 Mann, und die Ingenieure haben Ordre erhalten, Lager abzustecken. (Tils. Echo.) Von der galizisch-schlesischen Grenze. 28. März. Heute ist ein Honvéd-Transport aus ungefähr zweihundert Mann bestehend, unter einer Eskorte von 80 Mann des Regiments Nugent aus Kenty in Biala eingetroffen. Einen zweiten gleich starken Transport erwarten wir in den nächsten fünf Tagen. — Bis Tarnow hatten diese Gefangenen, die mitunter auch von dem Treffen bei Tihutza herrühren, nebst der Infanterie-Bedeckung auch noch eine Eskadron Chevauxlegers und eine halbe Batterie bei sich, um gegen jede Verlockung zur Desertation geschützt zu sein. Französische Republik. 12 Paris, 1. April. So weit ist es bereits wieder in Frankreich gekommen, daß Thiers mit „seiner klaren Darstellungsweise“ nothwendig geworden, um die komplizirten Verhältnisse klar-bürgerlich auseinanderzusetzen. Und das hat er dann auch gethan. Der bürgerlich-klare Thiers mußte dem bürgerlich-verworrenen Barrot zu Hülfe kommen, um alle bürgerlich-schwankende Männer zu Boden zu schlagen. Der bürgerlich-poetische Lamartine — der bürgerlich-kriegerisch-schurkige Cavaignac — der bürgerlich-unglückliche Bastide, mit einem Worte das bürgerlich-unglückliche Bewußtsein, wie es seit der Präsidentschaft Napoleons in den Leuten des Nationals seinen Ausdruck erhält, hat sich heute klar abspiegeln können in dem bürgerlich klaren Bewußtsein des Hrn. Thiers. Alle diese Leute, die aus einer Proletarier-Revolution hervorgegangen, sich bürgerlich festsetzen wollten, ohne einen andern bürgerlichen Fonds, ein andres bürgerliches Einlege-Kapital zu besitzen, als ihr Republikanerthum, alle diese Leute, die sich zu Thiers nach erst bürgerlich heraufarbeiten wollten, ohne mit Thiers von 1830 an die bürgerliche Entwicklung durchgemacht zu haben, mußten natürlich wieder durch Thiers aus dem Felde geschlagen werden. Ihr Leute des Nationals ihr wart damals nur verkappte Barrots, und der ehemals verkappte Barrot ist beinahe ein Thiers geworden, das ist der Sinn der Rede, welche Thiers zur Vertheidigung der Politik Barrot's hielt. Thiers ist der Ausdruck der klein-bürgerlich-französischen Nationalität, wie sie sich in jedem Kleinkrämer kundthut, dessen Kram sich langsam fortgebildet hat. Der bürgerliche Frieden vor allen Dingen — weil er als Franzose und geborner Kleinbürger in dem bürgerlichen Frieden das einzige Mittel zum Gedeihen der sogenannten bürgerlichen Wohlfahrt sieht. Erleidet die national-bürgerliche Ehre einen Stoß, erlaubt sich England, wie damals in Syrien, Angriffe „auf den französischen Einfluß,“ dann regt sich das klein-bürgerliche Ehrgefühl und bekommt kriegerische Anfälle; dies klein-bürgerliche Ehrgefühl ist aber weiter nichts, wie ein Ueberbleibsel der nationalen Ehre aus der früheren Republik und der Kaiserzeit und diese Nationalehre selbst läuft am Ende auf den Schutz der verkannten Industrie und des nationalen Handels hinaus. In jetziger Zeit aber hat sich mit der bürgerlichen Produktionsweise auch das bürgerliche National-Ehrgefühl anders gestaltet, und jedesmal, wenn es darauf ankömmt, dieses verletzte Ehrgefühl, diese kriegerischen Anfälle in Ausübung zu setzen, dann hält auf einmal Thiers inne; die kriegerischen Rüstungen waren reine Demonstration, und Thiers findet sich in der Ausführung seiner Projekte plötzlich gelähmt. Er hat der Bourgeoisie einen ungeheuren Geldaufwand unnützer Weise verursacht und muß seinen Platz einem Guizot räumen; also jedesmal, wenn die klein-bürgerliche Nationalität sich äußerlich bethätigen soll, dann geschieht es blos auf Kosten der hohen Bourgeoisie, die aber sogleich diesem kriegerischen Muthe Einhalt zu thun weiß. So hat sie dem Herrn Thiers auch erlaubt, Paris mit ungeheuren Festungswerken zu umgeben, dem Anscheine nach gegen den äußern Feind gerichtet, während in Wahrheit die Bourgeoisie sie zur Beschützung gegen die innern Feinde gebrauchen zu können glaubte. Die große Bourgeoisie erkennt dieses klein-bürgerliche Ehrgefühl nicht mehr an, und der wahre Ausdruck dieser Bourgeoisie ist Guizot; die große Bourgeosie hat verschwisterte Interessen in allen andern Ländern, und die mindeste Störung der Ruhe und Ordnung in diesen Ländern, das mindeste Weichen der Metalliques übt sogleich in Frankreich eine Gegenwirkung auf die französischen Course aus. Guizot war der Fall des Herrn Thiers, und gerade an diesem Falle hört die bürgerliche Klarheit des Herrn Thiers auf. Als Minister bricht er sich an der hohen Bourgeoisie, an der Macht des großen Kapitals, das ihm, wie der kleinen Bourgeoisie, seine Gesetze diktirt, und weiß keinen andern Grund dafür zu finden, als die Undankbarkeit; so klagte er damals Guizot und Louis Philipp an. Einmal aus dem Ministerium herausgeworfen, weiß er keinen andern zur Beschönigung des verletzten französischen National-Ehrgefühls zu finden, als die Nothwendigkeit, welche vor allen Dingen gebietet, die innere Sicherheit, das heißt das National-Wohlergehen der großen Bourgeois im Auge zu halten. Diese Unklarheit, dieser Widerspruch leuchtet am Besten aus der Art und Weise hervor, wie Thiers heute die Traktate von 1815 vertheidigt: „Man muß diese Traktate beobachten, aber verabscheuen!“ Also die Beobachtung der Traktate sind eine Nothwendigkeit geworden, gegen die ich innerlich ankämpfen muß. Wer legt dem nationalen Frankreich diese Nothwendigkeit auf? Doch nichts anders als die große Bourgeoisie, in deren Interesse diese Traktate allein aufrecht gehalten werden. Also diese Bourgeoisie ist's, die dem Herrn Thiers diese Nothwendigkeit auferlegt; und da die kleine Bourgeoisie für ihn nicht haltbar, nicht denkbar ist ohne die große Bourgeoisie, so erscheint ihm die letztere als die ewige Nothwendigkeit, gerade wie dem Herrn Guizot die Arbeit als der nothwendige Zaum für die Arbeiter erschien. Innerlich kämpft Thiers gegen diese Nothwendigkeit, gegen diese hohe Bourgeoisie an, er unterstützt sie aber nur in sofern, als sie ihren Ausdruck in England und in Allem, was nicht französisch ist, findet. Die hohe französische Bourgeoisie, die er nicht angreift, wie er überhaupt den ganzen Klassenkampf nicht begreifen kann, da er aus dem Studium der kleinbürgerlichen National-Ideologie des vorigen Jahrhunderts hervorgegangen — die hohe Bourgeoisie sage ich, haßt er nur in sofern, als sie ihren Ausdruck in seinem Concurrenten Guizot u. s. w. findet. Guizot, als eigentlicher Ideolog der hohen Bourgeoisie, der für jede besondere Corruption eine moralische Maxime, und jede moralische Maxime wieder an ein besonderes unmoralisches Staatsverhältniß aufzuknüpfen wußte, Guizot konnte diesen National-Haß nicht kennen — er hatte eben die entente cordiale, das herzliche Einverständniß für alle unherzlichen Fußtritte aufgefunden, welche die kleine französische Bourgeoisie von der großen Weltbourgeoisie erlitt, die, befreit von allen nationalen Vorurtheilen, im Judenthume sowohl den englischen wie den französischen National-Charakter abgestreift hatte. Als nach der großen Februar-Revolution die Proletarier aller Länder aufgestanden, um gegen die vereinte Bourgeoisie anzukämpfen, da waren natürlich alle Blicke nach Frankreich hin gerichtet. Die französische Bourgeoisie war am Meisten Preis gegeben. Die Leute des Nationals und namentlich Lamartine kamen aber damals erst auf dem Standpunkt an, von dem Thiers längst gestürzt worden. Thiers letzte kriegerische Zuckungen waren von der Bourgeois-Nothwendigkeit überwunden worden. Die Leute des Nationals wollten sich gerade den Bourgeois nothwendig machen, indem sie den allgemeinen Drang der Proletarier nach Krieg den Bourgeois-Interessen aufopferten. Die Klarheit des Herrn Thiers besteht in der Auffassung der Bourgeois-Interessen, in sofern die richtige Verwaltung derselben Einem zum Ministerium verhelfen oder aus dem Ministerium stürzen. Und Thiers ist, wie gesagt, um so klarer darüber, als er aufgehört, Minister zu sein. Mit dieser Klarheit schlägt er Cavaignac darnieder, der jetzt, wo er nicht mehr Minister-Präsident ist, mit den 500,000 Mann, die er gegen die „innern Feinde“ aufgetrieben hatte, den äußern Feind, „Oestreich und Rußland“, bekämpfen will, blos um Barrot zu Boden zu schlagen. Der Mann, der durch Thiers Rede den größten Stoß erhält, das ist gerade der, den er vertheidigen will — Barrot. Um Guizot und Molé zu verdrängen, nachdem sie von ihnen verdrängt worden, halten Barrot und Thiers nothwendig, das kleine nationale Ehrgefühl, den Kampf mit dem Auslande anzufackeln. Um Barrot zu verdrängen, tritt Thiers für Barrot auf; er schließt sich seiner Politik an, der Politik des Friedens; und indem er sich dieser Barrot'schen Politik anschließt, macht er die Bourgeois klar über diese Politik, über diesen innern Frieden, über diesen Kampf der vor allen Dingen gegen den innern Feind geführt werden müsse. Aber dieser innere Feind ist in der Person des Herrn Ledru-Rollin auf eine Weise zu Tage getreten, welche die bürgerliche Klarheit auf ihren wahren Ausdruck, die klare Schuftigkeit zurückgeführt hat. Die bürgerliche Klarheit, die alle die bürgerlichen Confusions-Männer geschlagen, ist selbst von der revolutionären Klarheit geschlagen worden. Ledru-Rollin hat sich losgerissen von der Vergangenheit, von der provisorischen Regierung, von dem Manifeste Lamartines. Von dem Augenblicke, wo ein Thiers es wagen konnte, mit seiner bürgerlichen Weisheit aufzutreten, hat Ledru-Rollin es gewagt, mit seiner revolutionären Energie aufzutreten, und hat offen bekannt, daß der Fehler der provisorischen Regierung eben darin bestand, daß sie nicht auf der Stelle die französischen Regimenter an die Gränzen habe marschiren lassen, — es stände wahrhaftig anders in Deutschland, Oestreich und Italien! „Die Despoten wären gestürzt“, und der kleine Thiers, der sich auf einmal wieder an Barrot heraufrichtet, hätte seinen großen klaren Kopf“ auf immer verloren. X Paris, 2. April. Wie mächtig die demokratische Propaganda für die nächste legislative Kammer bereits geworden, das zeigen am deutlichsten die Gegenanstrengungen des Wahl-Comités der Rue de Poitiers. Die Milliarde und Italien — das werden bekanntlich die Hauptpunkte des demokratischen Manifestes bilden. Und was haben die Männer der Rue de Poitiers diesem Manifeste entgegenzusetzen? Was haben sie den Wahlmännern zu bieten? Moralische Abhandlungen von Thiers oder Cousin redigirt die tagtäglich als Gegengift gegen die soziale „Verlockungen“ in Form von Bülletin's erscheinen sollen. Wie wenig aber durch diese Bülletin die Bauern und Arbeiter sich bewegen lassen, von ihrer Anforderung abzustehn, geht schon daraus hervor, daß die Petitionen tagtäglich auf eine für die Bourgeoisie wahrhaft furchterregende Weise zunehmen. Trotz der Rückforderung dieser Milliarde ist das Volk großmüthig: es leitet in diesem Augenblicke eine Subscription zu Gunsten Napoleon's ein, um die von ihm geschlossene Schuld von 1 1/2 Millionen abzutragen. Jeder Franzose soll 25 Centimes beitragen, und ein Schlossergeselle Boulenvier, von dem die Idee ausging, hat bereits dem Journal „le Peuple“ seinen Beitrag eingesandt, das Volk nimmt die Sache ernsthaft, und da die Schuld Napoleon's nicht in Abrede gestellt worden, so scheint ihm der Weg der Subscription als der einfachste, um das mit Hypothek belegte Ministerium zu beseitigen. Ihrerseits hat die Rue Poitiers zur Verfolgung der Wahlagitation ebenfalls eine Subscription eröffnet und dieselbe hat in 3 Tagen nicht weniger als eine Million zusammengebracht: die Angst unter den Bourgeois muß sehr groß sein, um zu solchen Opfern sich so schnell zu verständigen. 090 Paris, 2. April. Die Reaktion wüthet und schäumt; so keilförmig wie diesmal ist sie noch nie geschlagen worden. Wenn Thiers und Guizot sich in den Haaren lagen, war es immer noch eine elegante, gefährlich aussehende, ungefährliche Klopffechterei. Aber wie ganz anders Ledru-Rollin! Sonst hieß es „Monsieur“ hin, „Monsieur“ her; Thiers und Guizot fühlten sich unter dieser Form immer noch auf festem Boden. Heute aber weiß der kleine Mann nicht mehr, was er antworten soll: Die Apostrophe Ledru-Rollins an den „Citoyen Thiers“ klingt ihm fortwährend in den Ohren. Die reaktionären Journale der Provinz lassen sich von Paris schreiben: Ledru-Rollin hat von der Höhe der Barrikaden herabgesprochen. Die Barrikade aber ist der höchste Ausdruck der bürgerlichen Entrüstung, und selbst das Journal des Debats, welches sich besonders auf das parlamentarische Wiedersehen seines alten Freundes Thiers gefreut, ist nicht wenig verblüfft, den „Retter des Königthums vom 24. Februar“ abermals von solchen Barrikadenbildern erdrückt zu sehn. Das arme Journal des Debats, welches die süßen Worte des Hrn. Thiers über die Traktate von 1815 so gern als ein Labsal für geängstigte Bourgeois-Gemüther preis't! Die „Reforme“ hat sehr recht, wenn sie jetzt an die glorreiche Epoche des Odysseus Thiers erinnert, wo er eine Million für Auslieferung der Herzogin von Berry bot und glücklich war, sich zu diesem Zweck mit dem erlauchten Juden Deutz verbinden zu können; damals war Thiers so fein, so listig, daß er selbst den Juden Deutz noch um eine Million betrog, denn als die Herzogin von Berry eingefangen war, hatte Hr. Thiers auch zugleich das Kind gefangen, welches die Herzogin verborgen trug, und wofür dem Juden eine neue Million gebührt hätte. „Diesmal aber“, sagt die Reforme, „hat der Mäcenas aller diebischen Deutze seine verdiente Züchtigung erhalten, und weil er doch ein Mann ist,

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 264. Köln, 5. April 1849, S. 1487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz264_1849/3>, abgerufen am 28.04.2024.