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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 264. Köln, 5. April 1849. Beilage.

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Beilage zu Nr. 264 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Donnerstag, 5. April 1849.
[Französische Republik]

[Fortsetzung] ... Mit welcher Verachtung hat man in dem ganzen Verlauf dieser Debatten, gleich einer müßigen und unnützen Förmlichkeit, die mündlichen Depositionen mit Füßen getreten, - als ob nicht gerade die mündlichen Depositionen die einzigen, gesetzlich erkannten Beweismittel wären!

Mit welcher Wichtigkeit, mit welcher Vorliebe hat man dagegen die vorher arrangirten und redigirten Aktenhefte verlesen, wieder verlesen und auf das Liebreichste commentirt, diese zweideutigen und werthlosen Dokumente, welche selbst nach dem Code vor der öffentlichen Erklärung verschwinden sollen wie Gespenster vor der Sonne!

Indeß, man sieht die Debatten nur zu oft von dieser krankhaften Sucht beherrscht, die Zeugnisse der öffentlichen Verhandlung mit der geheimen Prozedur in eine absolute Uebereinstimmung zu bringen, das heißt, die Wahrheit auf das Procustes-Bett zu spannen. Hier aber ist man noch weiter gegangen; wenn ein Zeuge erscheint, dessen Aussage dem Anklagesystem widerspricht, so verwirft man ihn und scheint ihm zuzurufen: "Hütet euch! nicht das freie, am hellen Tageslicht und unter dem Schutz des Landes gegebene Zeugniß, sondern das heimlich dem Richter in's Ohr geflüsterte und willkührlich umschriebene Geständniß ist es, dem man Glauben schenkt; es ist die angstvolle Beichte aus der Tiefe des Kerkers, die zwischen Riegeln und Gensd'armen erpreßt wurde."

In dieser Art hat man den Entlastungszeugen Ley behandelt, als er erklärte, im Gefängniß aus moralischem Gewissenszwang falsche Aussagen gegen die Angeklagten gemacht zu haben. Aber die Zeugen protestiren: Ich habe dies nicht gesagt! ruft der Artillerist Saint-Aubin. Ich habe das nicht sagen können, denn es ist gelogen; ich habe Blanqui nicht am Hotel de Ville gesehen, erklärt Hr. Schlesinger. Man hat meine Aussage verdreht, protestiren die Bürger Landolphe, Lebreton, Demontry. Retraktionen, Dementis, Proteste, alles wird als nicht geschehen betrachtet. Man kennt auf diesem Wege keine Schranken mehr. Ein Zeuge wird aufgerufen, kehrt seine Aussage gegen die Anklage und sein Zeugniß wird unterdrückt. Aber die Sache ist noch nicht vollständig. Es gibt einen Angeklagten hier, Flotte, der nach dem öffentlichen Ministerium selbst, nur auf den Verdacht, mein Freund zu sein, verhaftet und angeklagt ist; der Prozeß ist an ihm vorübergegangen, fast ohne seinen Namen zu nennen, und sein Platz wäre nach Allem eher auf der Zuschauertribüne, als hier auf unseren Bänken.

(Schluß d. Sitzung folgt.)

Italien.

* Immer klarer stellt sich der infame Verrath heraus, der Radetzki von jeder Bewegung, jedem Plan der Piemontesen in Kenntniß setzte, während er zugleich die piemontesische Armee desorganisirte, lähmte, mit falschen Nachrichten betäubte. Der National vergleicht mit Recht die Lage Piemont's mit der Frankreich's nach dem Unglück von Waterloo, und die Turiner Bourgeois und Adligen mit den Pariser Verräthern von 1815. Es bestand ein vollständiger contrerevolutionärer Cordon von Turin bis zur Armee; das Hauptquartier wimmelte von Verräthern; eine vollständige Konspiration umgab den Herzog von Savoyen. Der französische Gesandte in Turin wird offen angeklagt, sich zum Vermittler und Centralorgan dieser contrerevolutionären Verschwörung hergegeben zu haben; die Besuche die er empfängt, sind ganz der Art, dies Gerücht zu bestätigen.

Dieser französische Gesandte ist Niemand anders als der Guizotin Herr Bois-le-Comte, bekannt durch seinen Verrath im Sonderbundskriege und durch seine Konspiration mit Siegwart Meyer und dem östreichischen Gesandten zur Wiederherstellung der Jesuiten und der Oligarchie des Patriciats in der ganzen Schweiz.

Wie er damals schon die Korrespondenz der Freiburger Sonderbündler mit den Luzernern besorgte und dem Luzerner Kriegsrathe die sämmtlichen Operationspläne in die Hände spielte, so hat er es jetzt in Turin abermals gemacht. Die Schlachten von Mortara und Novara sind nicht zwischen Tessin und Sefia, sie sind im französischen Gesandtschaftshotel zu Turin gewonnen worden, das Geheimniß der radetzki'schen Kühnheit, "geschickten Combination" und "großartigen Tapferkeit" liegt einzig und allein in dem Namen Bois--le-Comte.

Acht Regimenter der Piemontesischen Armee weigerten sich zu schlagen, weil man ihnen beigebracht hatte, in Turin sei die Republik proklamirt und Brofferio zum Diktator ernannt worden.

Wie 1814 und 1815 die französische Bourgeoisie den Kosaken und Engländern, so jauchzt auch in Novara u.s.w. der "bessere Theil der Einwohnerschaft" den Oestreichern entgegen. Diese östreichischen Sympathieen der Bourgeoisie beweisen einen bedeutenden Fortschritt in der italienischen Entwicklung. Sie beweisen, daß die frühere Nationalitätsschwärmerei aller Klassen aufgehört hat, daß die Bewegungen des Herbstes und Winters den Klassengegensatz zu Tage gefördert, das Proletariat und die Bauern in offne Opposition gegen die Bourgeoisie gehetzt, und die politische Existenz der Bourgeoisie so gefährdet haben, daß sie gezwungen war, sich mit dem auswärtigen Feind zu verbünden.

Der italienische Unabhängigkeitskampf ist nun auch in Piemont, wie schon früher in Rom und Florenz, eben so gut ein Kampf zugleich gegen die italienische Bourgeoisie geworden, wie in Deutschland der Einheitskampf. In Frankreich, Deutschland, Ungarn, Italien nach einander ist die Bourgeoisie zur Verrätherin an der Revolution geworden. Wie in Italien die Oestreicher, würde sie sich auch in Preußen und selbst in Frankreich keinen Augenblick geniren, die Russen ins Land zu rufen, um die Ruhe um jeden Preis herzustellen. Hat sie es in Ungarn und Siebenbürgen doch bereits gethan.

Die piemontesische Armee rechnete auf das Uebergehen der magyarischen Regimenter. Sie hatte alle Ursache dazu. Aber hinter jeder Schwadron Magyaren stand ein kroatisches Bataillon mit gefälltem Bajonett und gespanntem Hahn - so schreibt Herr Boldenyi, Redakteur der pariser Monatsschrift la Hongrie an die "Reforme". Es ist bekannt, daß dies k. k. Manöver auch in Ungarn gegen die in Wien zwangsweise assentirten und in die erste Linie gegen die Magyaren aufgestellten Studenten und Arbeiter angewandt wurde.

Der König Viktor Emanuel hat die Deputation der Kammer mit leeren Phrasen abgespeis't; die Ehre des Landes liege ihm am Herzen; er werde in die Fußtapfen seines Vaters treten u.s.w.

Inzwischen hat er zwei Brigaden nach Turin kommen lassen, um die Auflösung der Kammern nöthigenfalls mit Gewalt zu unterstützen. Das Ministerium, deswegen am 28. in der Kammer interpellirt, erklärte dies für eine rein militärische Disposition, die nur den Oberbefehlshaber angehe, der darin freie Hand haben müsse.

Im Uebrigen wurde wieder ebenso heftig in der Kammer gesprochen, wie den Tag vorher. Die Minister hielten sehr zurück. Demungeachtet wurde beschlossen, am 29. Morgens geheime Sitzung zu halten und die Aufklärung der Minister über die Lage der Armee und die Ressourcen des Landes zu vernehmen.

In Chambery (Savoyen) fanden einige Bewegungen statt. Die französische Fahne wurde aufgepflanzt. Eine Menge Nationalgarden wollten an die Pässe des Bernhard und des Mont-Cenis eilen um eine etwaige östreichische Invasion abzuhalten. Die Behörden vereitelten jedoch die Sache, aus Furcht vor dem Losbruch einer Bewegung für den Anschluß an Frankreich.

Radetzki soll bereits einen Theil seiner Truppen gegen Toskana und die Romagna, und einen andern gegen die insurgirten lombardischen Gebirgsdistrikte dirigirt haben.

* Neapel, 24. März.

Nach Gaeta sind von hier für 60,000 Mann Lebensmittel abgegangen. Sie sind für die Armee bestimmt, die in die römische Republik einfallen soll.

Die Gesandten Frankreichs und Englands haben sich nach Palermo begeben um einen letzten (fruchtlosen) Versuch zur Vermeidung des Krieges zu machen.

Der Pariser National vom 2. April enthält einen merkwürdigen Brief aus Palermo vom 21. März, in dem es heißt: "Während Sie dieses lesen, fließt das sizilische Blut von Neuem für die Freiheit."

Ungarn.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Ostindien.
* London, 2. April.

" Sieg über die Sikhs!" "Ruhmvolle Nachrichten aus dem Pendschab." "Niederlage der Schir-Sing'schen Armee! ": so lauten heute die Ueberschriften der hiesigen Journale am Kopf ihrer neuesten ostindischen Nachrichten.

Die "Bombay Times" vom 4. März berichtet in einem Extra-Blatt Folgendes über den Sieg der Engländer:

Gestern langte ein Kourier aus dem Lager des Generalgouverneurs mit der höchst erfreulichen Kunde hier an, daß am 21sten Februar die von Schir-Singh befehligte Armee der Sikhs in ihrer Position bei Gudscherat von den Engländern angegriffen und in die Flucht geschlagen worden. Der Feind soll sich in der größten Unordnung zurückgezogen und einen großen Theil seiner Artillerie verloren haben. Sein ganzes Lager ist in unsern Händen. Die Londoner "Times" spricht sich in einem Leitartikel über diese neueste ostindische Post folgendermaßen aus:

"Eine zweite Schlacht - wie wir hoffen, die letzte der "großen Schlachten" - hat im Pendschab stattgefunden. Fast 6 Wochen waren seit dem unheilvollen Treffen am 13. Januar verflossen, als am 21. Februar Lord Gough abermals den Schir-Singh in einer neuen Stellung bei Gudscherat angriff. Der britische Anführer war durch das höchst gelegene Eintreffen des Multan'schen Corps unter General Whish, und der Bombay-Kolonne unter Brigadier Dundas verstärkt worden. Andrerseits hatten auch die Sikhs durch Schutter-Singh, den Vater ihres Anführers, frischen Zuzug erhalten. (Die Armee der Sikhs wird auf 30,000 Mann, die der Engländer auf 18,000 Mann mit 70-80 Kanonen geschätzt.) Das Ergebniß des Treffens war ein entscheidender Sieg auf Seite der Briten. Die Linie der Sikhs wurde auf allen Punkten durchbrochen. Als der nach Bombay gesandte Kourier den Kriegsschauplatz verließ, waren die Engländer mit energischer Verfolgung des fliehenden Feindes beschäftigt. Die Schlacht war hitzig und entscheidend. Die gesammte Munition, das Lager und der größte Theil der Kanonen der Sikhs blieben in den Händen der Sieger.

Nach der unheilvollen Schlacht von Chillianwallah hatte die Sikh-Armee ein verschanztes Lager bei Ruffuhl, blos einige (englische) Meilen vom Schlachtfelde entfernt, bezogen. Lord Gough, endlich durch Erfahrung klüger geworden, oder wahrscheinlicher durch die bestimmtesten Befehle angewiesen, folgte dem Beispiele des Feindes und verschanzte sich unweit des Schir-Singh'schen Lagers, und wartete ruhig die unter Whish und Dundas heranziehenden Verstärkungen ab.

Das britische Lager war reichlich verproviantirt. Aus Lahore und dem dazwischen gelegenen Lande kamen ihm mehr als hinreichende Zufuhren, während die Sikhs an Lebensmitteln und Fonrage Mangel litten. Schir-Singh's Lage wurde kritisch. Seine Hoffnung auf Sukkurs von Affganistan oder Kaschmir her wurde mit jedem Tage schwächer. So faßte er den kühnen Entschluß, nach Lahore zu rücken, so lange die Flußübergänge noch passirbar oder wenigstens von einer für den Widerstand unzulänglichen Truppenzahl besetzt wären. Wir können dem Sikh-Häuptlinge das Lob nicht versagen, daß er seinen Plan durch eine Reihe geschickter und wohlberechneter Manöver auszuführen bemüht war. Daß es ihm nicht glückte, scheint allein der wunderbaren Schnelligkeit zu verdanken, mit der General Whish auf dem Schauplatz erschien.

Lord Gough's Verhalten seit dem 13. Febr. zeichnete sich durch nichts weniger als eine besondere Geschicklichkeit aus. Gelang es doch den Sikhs, ihre Position zu verlassen, ohne daß Lord Gough von der Richtung, in welcher sie operirten, das Geringste wußte. In der von den Sikhs besetzten mit dem Dschebun-Flusse parallel laufenden Hügelreihe befindet sich etwa 6 Meilen nördlich von Chilianwallah ein Paß. Durch ihn führt die Straße von Ramnugger über den Dschebun, nach der Stadt gleichen Namens am rechten Ufer des Flusses. Außerdem ist bei Wusierabad eine Furt durch den Tschenab-Fluß und hier durch geht die große Straße nach Lahore. Mit andern Worten: Die Hauptstraße von Lahore nach der Stadt Dschebun am rechten Ufer des gleichnamigen Flusses geht über die beiden Flüsse Tschenab und Dschebun bei den eben bezeichneten Furten. Aus den neuesten Mittheilungen ergibt sich nun, daß die Sikhs am 11. Februar ihr Lager bei Ruffuhl abbrachen und sich nach der Dschebun-Furt hin in Bewegung setzten.

Im britischen Lager glaubte man allgemein, sie hätten den Fluß überschritten und sich nach Attock zurückgezogen. Fast drei Tage später, den 14. Februar, erfuhr man, daß sie statt dessen gegen den Tschenab vordrangen und die Stadt Gudscherat besetzt hatten. Dies bewies ihre Absicht, durch die Tschenab-Furt gegen Lahore zu marschiren. Glücklicherweise langte General Whish, der eine hinreichende Truppenzahl zur Vertheidigung des Flußüberganges detaschiren konnte, zu rechter Zeit an. Dadurch wurden die Sikhs in die Ebene zwischen den beiden Flüssen Tschenab und Dschebun zurückgenöthigt, wo sie nach einigen vorgängigen Manövern und Scharmützeln am 21. Februar vollständig geschlagen wurden. Es ist wahrhaft erstaunlich, daß eine so große Truppenmacht, wie die unter Schir Singh, 3-4 Tage lang im Rücken des englischen Lagers das Land plündernd und verwüstend durchziehen konnte, ohne daß der englische Befehlshaber das Mindeste davon erfuhr.

Der Times-Artikel schließt mit folgenden Worten:

Die Armee hat, wie wir fest glauben, durch diese Eine Kriegsthat Ruhe und Ordnung im Pendschab hergestellt. Wir hoffen jetzt, daß die britischen Behörden, durch theure Erfahrungen gewitzigt, in diesem Gebiet diesmal die Sachen so ordnen werden, daß der Kriegszustand und das muthwillige Dahinopfern von Menschenleben - eine Folge halber Maßregeln, als wir die Bedingungen nach unserm Belieben vorschreiben konnten - für immer ein Ende erreichen.

Im Namen Dhulip-Singh's, des jungen Maharadscha von Proklamation an alle Personen erlassen, die sich bei der Sikhs-Armee beLahore, hat der englische Resident, Sir Henry Lawrence, eine finden und anderweitig in Rebellion sind." Es wird darin Allen, welche die Waffen niederlegen, volle Amnestie zugesichert und ihnen garantirt, daß sie wegen der Vergangenheit vollständig unbelästigt bleiben werden und ruhig in ihre Heimath zurückkehren dürfen.

Neueste Nachrichten.
* Turin, 29. März.

In der heutigen Kammersitzung beschwor Viktor Emanuel die Verfassung und die Versammlung leistete ihm den Eid der Treue. Pinelli zeigte sodann der Kammer an, daß sie bis auf weiteres vertagt sei.

In Genua und Chambery herrscht große Aufregung; letztere Stadt ist gleichsam in Belagerungszustand. Am 25. März wurde der toskanische Verfassungsrath eröffnet.

Redakteur en chef: Karl Marx.
Frucht- und Fourage-Preise vom 16. bis 31. Febr. [irrelevantes Material]
Meteorologische Beobachtungen. [irrelevantes Material]
Beilage zu Nr. 264 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Donnerstag, 5. April 1849.
[Französische Republik]

[Fortsetzung] … Mit welcher Verachtung hat man in dem ganzen Verlauf dieser Debatten, gleich einer müßigen und unnützen Förmlichkeit, die mündlichen Depositionen mit Füßen getreten, ‒ als ob nicht gerade die mündlichen Depositionen die einzigen, gesetzlich erkannten Beweismittel wären!

Mit welcher Wichtigkeit, mit welcher Vorliebe hat man dagegen die vorher arrangirten und redigirten Aktenhefte verlesen, wieder verlesen und auf das Liebreichste commentirt, diese zweideutigen und werthlosen Dokumente, welche selbst nach dem Code vor der öffentlichen Erklärung verschwinden sollen wie Gespenster vor der Sonne!

Indeß, man sieht die Debatten nur zu oft von dieser krankhaften Sucht beherrscht, die Zeugnisse der öffentlichen Verhandlung mit der geheimen Prozedur in eine absolute Uebereinstimmung zu bringen, das heißt, die Wahrheit auf das Procustes-Bett zu spannen. Hier aber ist man noch weiter gegangen; wenn ein Zeuge erscheint, dessen Aussage dem Anklagesystem widerspricht, so verwirft man ihn und scheint ihm zuzurufen: „Hütet euch! nicht das freie, am hellen Tageslicht und unter dem Schutz des Landes gegebene Zeugniß, sondern das heimlich dem Richter in's Ohr geflüsterte und willkührlich umschriebene Geständniß ist es, dem man Glauben schenkt; es ist die angstvolle Beichte aus der Tiefe des Kerkers, die zwischen Riegeln und Gensd'armen erpreßt wurde.“

In dieser Art hat man den Entlastungszeugen Ley behandelt, als er erklärte, im Gefängniß aus moralischem Gewissenszwang falsche Aussagen gegen die Angeklagten gemacht zu haben. Aber die Zeugen protestiren: Ich habe dies nicht gesagt! ruft der Artillerist Saint-Aubin. Ich habe das nicht sagen können, denn es ist gelogen; ich habe Blanqui nicht am Hotel de Ville gesehen, erklärt Hr. Schlesinger. Man hat meine Aussage verdreht, protestiren die Bürger Landolphe, Lebreton, Demontry. Retraktionen, Dementis, Proteste, alles wird als nicht geschehen betrachtet. Man kennt auf diesem Wege keine Schranken mehr. Ein Zeuge wird aufgerufen, kehrt seine Aussage gegen die Anklage und sein Zeugniß wird unterdrückt. Aber die Sache ist noch nicht vollständig. Es gibt einen Angeklagten hier, Flotte, der nach dem öffentlichen Ministerium selbst, nur auf den Verdacht, mein Freund zu sein, verhaftet und angeklagt ist; der Prozeß ist an ihm vorübergegangen, fast ohne seinen Namen zu nennen, und sein Platz wäre nach Allem eher auf der Zuschauertribüne, als hier auf unseren Bänken.

(Schluß d. Sitzung folgt.)

Italien.

* Immer klarer stellt sich der infame Verrath heraus, der Radetzki von jeder Bewegung, jedem Plan der Piemontesen in Kenntniß setzte, während er zugleich die piemontesische Armee desorganisirte, lähmte, mit falschen Nachrichten betäubte. Der National vergleicht mit Recht die Lage Piemont's mit der Frankreich's nach dem Unglück von Waterloo, und die Turiner Bourgeois und Adligen mit den Pariser Verräthern von 1815. Es bestand ein vollständiger contrerevolutionärer Cordon von Turin bis zur Armee; das Hauptquartier wimmelte von Verräthern; eine vollständige Konspiration umgab den Herzog von Savoyen. Der französische Gesandte in Turin wird offen angeklagt, sich zum Vermittler und Centralorgan dieser contrerevolutionären Verschwörung hergegeben zu haben; die Besuche die er empfängt, sind ganz der Art, dies Gerücht zu bestätigen.

Dieser französische Gesandte ist Niemand anders als der Guizotin Herr Bois-le-Comte, bekannt durch seinen Verrath im Sonderbundskriege und durch seine Konspiration mit Siegwart Meyer und dem östreichischen Gesandten zur Wiederherstellung der Jesuiten und der Oligarchie des Patriciats in der ganzen Schweiz.

Wie er damals schon die Korrespondenz der Freiburger Sonderbündler mit den Luzernern besorgte und dem Luzerner Kriegsrathe die sämmtlichen Operationspläne in die Hände spielte, so hat er es jetzt in Turin abermals gemacht. Die Schlachten von Mortara und Novara sind nicht zwischen Tessin und Sefia, sie sind im französischen Gesandtschaftshotel zu Turin gewonnen worden, das Geheimniß der radetzki'schen Kühnheit, „geschickten Combination“ und „großartigen Tapferkeit“ liegt einzig und allein in dem Namen Bois--le-Comte.

Acht Regimenter der Piemontesischen Armee weigerten sich zu schlagen, weil man ihnen beigebracht hatte, in Turin sei die Republik proklamirt und Brofferio zum Diktator ernannt worden.

Wie 1814 und 1815 die französische Bourgeoisie den Kosaken und Engländern, so jauchzt auch in Novara u.s.w. der „bessere Theil der Einwohnerschaft“ den Oestreichern entgegen. Diese östreichischen Sympathieen der Bourgeoisie beweisen einen bedeutenden Fortschritt in der italienischen Entwicklung. Sie beweisen, daß die frühere Nationalitätsschwärmerei aller Klassen aufgehört hat, daß die Bewegungen des Herbstes und Winters den Klassengegensatz zu Tage gefördert, das Proletariat und die Bauern in offne Opposition gegen die Bourgeoisie gehetzt, und die politische Existenz der Bourgeoisie so gefährdet haben, daß sie gezwungen war, sich mit dem auswärtigen Feind zu verbünden.

Der italienische Unabhängigkeitskampf ist nun auch in Piemont, wie schon früher in Rom und Florenz, eben so gut ein Kampf zugleich gegen die italienische Bourgeoisie geworden, wie in Deutschland der Einheitskampf. In Frankreich, Deutschland, Ungarn, Italien nach einander ist die Bourgeoisie zur Verrätherin an der Revolution geworden. Wie in Italien die Oestreicher, würde sie sich auch in Preußen und selbst in Frankreich keinen Augenblick geniren, die Russen ins Land zu rufen, um die Ruhe um jeden Preis herzustellen. Hat sie es in Ungarn und Siebenbürgen doch bereits gethan.

Die piemontesische Armee rechnete auf das Uebergehen der magyarischen Regimenter. Sie hatte alle Ursache dazu. Aber hinter jeder Schwadron Magyaren stand ein kroatisches Bataillon mit gefälltem Bajonett und gespanntem Hahn ‒ so schreibt Herr Boldenyi, Redakteur der pariser Monatsschrift la Hongrie an die „Reforme“. Es ist bekannt, daß dies k. k. Manöver auch in Ungarn gegen die in Wien zwangsweise assentirten und in die erste Linie gegen die Magyaren aufgestellten Studenten und Arbeiter angewandt wurde.

Der König Viktor Emanuel hat die Deputation der Kammer mit leeren Phrasen abgespeis't; die Ehre des Landes liege ihm am Herzen; er werde in die Fußtapfen seines Vaters treten u.s.w.

Inzwischen hat er zwei Brigaden nach Turin kommen lassen, um die Auflösung der Kammern nöthigenfalls mit Gewalt zu unterstützen. Das Ministerium, deswegen am 28. in der Kammer interpellirt, erklärte dies für eine rein militärische Disposition, die nur den Oberbefehlshaber angehe, der darin freie Hand haben müsse.

Im Uebrigen wurde wieder ebenso heftig in der Kammer gesprochen, wie den Tag vorher. Die Minister hielten sehr zurück. Demungeachtet wurde beschlossen, am 29. Morgens geheime Sitzung zu halten und die Aufklärung der Minister über die Lage der Armee und die Ressourcen des Landes zu vernehmen.

In Chambéry (Savoyen) fanden einige Bewegungen statt. Die französische Fahne wurde aufgepflanzt. Eine Menge Nationalgarden wollten an die Pässe des Bernhard und des Mont-Cénis eilen um eine etwaige östreichische Invasion abzuhalten. Die Behörden vereitelten jedoch die Sache, aus Furcht vor dem Losbruch einer Bewegung für den Anschluß an Frankreich.

Radetzki soll bereits einen Theil seiner Truppen gegen Toskana und die Romagna, und einen andern gegen die insurgirten lombardischen Gebirgsdistrikte dirigirt haben.

* Neapel, 24. März.

Nach Gaëta sind von hier für 60,000 Mann Lebensmittel abgegangen. Sie sind für die Armee bestimmt, die in die römische Republik einfallen soll.

Die Gesandten Frankreichs und Englands haben sich nach Palermo begeben um einen letzten (fruchtlosen) Versuch zur Vermeidung des Krieges zu machen.

Der Pariser National vom 2. April enthält einen merkwürdigen Brief aus Palermo vom 21. März, in dem es heißt: „Während Sie dieses lesen, fließt das sizilische Blut von Neuem für die Freiheit.“

Ungarn.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Ostindien.
* London, 2. April.

Sieg über die Sikhs!“ «Ruhmvolle Nachrichten aus dem Pendschab.“ „Niederlage der Schir-Sing'schen Armee! “: so lauten heute die Ueberschriften der hiesigen Journale am Kopf ihrer neuesten ostindischen Nachrichten.

Die „Bombay Times“ vom 4. März berichtet in einem Extra-Blatt Folgendes über den Sieg der Engländer:

Gestern langte ein Kourier aus dem Lager des Generalgouverneurs mit der höchst erfreulichen Kunde hier an, daß am 21sten Februar die von Schir-Singh befehligte Armee der Sikhs in ihrer Position bei Gudscherat von den Engländern angegriffen und in die Flucht geschlagen worden. Der Feind soll sich in der größten Unordnung zurückgezogen und einen großen Theil seiner Artillerie verloren haben. Sein ganzes Lager ist in unsern Händen. Die Londoner „Times“ spricht sich in einem Leitartikel über diese neueste ostindische Post folgendermaßen aus:

„Eine zweite Schlacht ‒ wie wir hoffen, die letzte der „großen Schlachten“ ‒ hat im Pendschab stattgefunden. Fast 6 Wochen waren seit dem unheilvollen Treffen am 13. Januar verflossen, als am 21. Februar Lord Gough abermals den Schir-Singh in einer neuen Stellung bei Gudscherat angriff. Der britische Anführer war durch das höchst gelegene Eintreffen des Multan'schen Corps unter General Whish, und der Bombay-Kolonne unter Brigadier Dundas verstärkt worden. Andrerseits hatten auch die Sikhs durch Schutter-Singh, den Vater ihres Anführers, frischen Zuzug erhalten. (Die Armee der Sikhs wird auf 30,000 Mann, die der Engländer auf 18,000 Mann mit 70-80 Kanonen geschätzt.) Das Ergebniß des Treffens war ein entscheidender Sieg auf Seite der Briten. Die Linie der Sikhs wurde auf allen Punkten durchbrochen. Als der nach Bombay gesandte Kourier den Kriegsschauplatz verließ, waren die Engländer mit energischer Verfolgung des fliehenden Feindes beschäftigt. Die Schlacht war hitzig und entscheidend. Die gesammte Munition, das Lager und der größte Theil der Kanonen der Sikhs blieben in den Händen der Sieger.

Nach der unheilvollen Schlacht von Chillianwallah hatte die Sikh-Armee ein verschanztes Lager bei Ruffuhl, blos einige (englische) Meilen vom Schlachtfelde entfernt, bezogen. Lord Gough, endlich durch Erfahrung klüger geworden, oder wahrscheinlicher durch die bestimmtesten Befehle angewiesen, folgte dem Beispiele des Feindes und verschanzte sich unweit des Schir-Singh'schen Lagers, und wartete ruhig die unter Whish und Dundas heranziehenden Verstärkungen ab.

Das britische Lager war reichlich verproviantirt. Aus Lahore und dem dazwischen gelegenen Lande kamen ihm mehr als hinreichende Zufuhren, während die Sikhs an Lebensmitteln und Fonrage Mangel litten. Schir-Singh's Lage wurde kritisch. Seine Hoffnung auf Sukkurs von Affganistan oder Kaschmir her wurde mit jedem Tage schwächer. So faßte er den kühnen Entschluß, nach Lahore zu rücken, so lange die Flußübergänge noch passirbar oder wenigstens von einer für den Widerstand unzulänglichen Truppenzahl besetzt wären. Wir können dem Sikh-Häuptlinge das Lob nicht versagen, daß er seinen Plan durch eine Reihe geschickter und wohlberechneter Manöver auszuführen bemüht war. Daß es ihm nicht glückte, scheint allein der wunderbaren Schnelligkeit zu verdanken, mit der General Whish auf dem Schauplatz erschien.

Lord Gough's Verhalten seit dem 13. Febr. zeichnete sich durch nichts weniger als eine besondere Geschicklichkeit aus. Gelang es doch den Sikhs, ihre Position zu verlassen, ohne daß Lord Gough von der Richtung, in welcher sie operirten, das Geringste wußte. In der von den Sikhs besetzten mit dem Dschebun-Flusse parallel laufenden Hügelreihe befindet sich etwa 6 Meilen nördlich von Chilianwallah ein Paß. Durch ihn führt die Straße von Ramnugger über den Dschebun, nach der Stadt gleichen Namens am rechten Ufer des Flusses. Außerdem ist bei Wusierabad eine Furt durch den Tschenab-Fluß und hier durch geht die große Straße nach Lahore. Mit andern Worten: Die Hauptstraße von Lahore nach der Stadt Dschebun am rechten Ufer des gleichnamigen Flusses geht über die beiden Flüsse Tschenab und Dschebun bei den eben bezeichneten Furten. Aus den neuesten Mittheilungen ergibt sich nun, daß die Sikhs am 11. Februar ihr Lager bei Ruffuhl abbrachen und sich nach der Dschebun-Furt hin in Bewegung setzten.

Im britischen Lager glaubte man allgemein, sie hätten den Fluß überschritten und sich nach Attock zurückgezogen. Fast drei Tage später, den 14. Februar, erfuhr man, daß sie statt dessen gegen den Tschenab vordrangen und die Stadt Gudscherat besetzt hatten. Dies bewies ihre Absicht, durch die Tschenab-Furt gegen Lahore zu marschiren. Glücklicherweise langte General Whish, der eine hinreichende Truppenzahl zur Vertheidigung des Flußüberganges detaschiren konnte, zu rechter Zeit an. Dadurch wurden die Sikhs in die Ebene zwischen den beiden Flüssen Tschenab und Dschebun zurückgenöthigt, wo sie nach einigen vorgängigen Manövern und Scharmützeln am 21. Februar vollständig geschlagen wurden. Es ist wahrhaft erstaunlich, daß eine so große Truppenmacht, wie die unter Schir Singh, 3-4 Tage lang im Rücken des englischen Lagers das Land plündernd und verwüstend durchziehen konnte, ohne daß der englische Befehlshaber das Mindeste davon erfuhr.

Der Times-Artikel schließt mit folgenden Worten:

Die Armee hat, wie wir fest glauben, durch diese Eine Kriegsthat Ruhe und Ordnung im Pendschab hergestellt. Wir hoffen jetzt, daß die britischen Behörden, durch theure Erfahrungen gewitzigt, in diesem Gebiet diesmal die Sachen so ordnen werden, daß der Kriegszustand und das muthwillige Dahinopfern von Menschenleben ‒ eine Folge halber Maßregeln, als wir die Bedingungen nach unserm Belieben vorschreiben konnten ‒ für immer ein Ende erreichen.

Im Namen Dhulip-Singh's, des jungen Maharadscha von Proklamation an alle Personen erlassen, die sich bei der Sikhs-Armee beLahore, hat der englische Resident, Sir Henry Lawrence, eine finden und anderweitig in Rebellion sind.“ Es wird darin Allen, welche die Waffen niederlegen, volle Amnestie zugesichert und ihnen garantirt, daß sie wegen der Vergangenheit vollständig unbelästigt bleiben werden und ruhig in ihre Heimath zurückkehren dürfen.

Neueste Nachrichten.
* Turin, 29. März.

In der heutigen Kammersitzung beschwor Viktor Emanuel die Verfassung und die Versammlung leistete ihm den Eid der Treue. Pinelli zeigte sodann der Kammer an, daß sie bis auf weiteres vertagt sei.

In Genua und Chambery herrscht große Aufregung; letztere Stadt ist gleichsam in Belagerungszustand. Am 25. März wurde der toskanische Verfassungsrath eröffnet.

Redakteur en chef: Karl Marx.
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          <p>Mit welcher Wichtigkeit, mit welcher Vorliebe hat man dagegen die vorher arrangirten und redigirten Aktenhefte verlesen, wieder verlesen und auf das Liebreichste commentirt, diese zweideutigen und werthlosen Dokumente, welche selbst nach dem Code vor der öffentlichen Erklärung verschwinden sollen wie Gespenster vor der Sonne!</p>
          <p>Indeß, man sieht die Debatten nur zu oft von dieser krankhaften Sucht beherrscht, die Zeugnisse der öffentlichen Verhandlung mit der geheimen Prozedur in eine absolute Uebereinstimmung zu bringen, das heißt, die Wahrheit auf das Procustes-Bett zu spannen. Hier aber ist man noch weiter gegangen; wenn ein Zeuge erscheint, dessen Aussage dem Anklagesystem widerspricht, so verwirft man ihn und scheint ihm zuzurufen: &#x201E;Hütet euch! nicht das freie, am hellen Tageslicht und unter dem Schutz des Landes gegebene Zeugniß, sondern das heimlich dem Richter in's Ohr geflüsterte und willkührlich umschriebene Geständniß ist es, dem man Glauben schenkt; es ist die angstvolle Beichte aus der Tiefe des Kerkers, die zwischen Riegeln und Gensd'armen erpreßt wurde.&#x201C;</p>
          <p>In dieser Art hat man den Entlastungszeugen Ley behandelt, als er erklärte, im Gefängniß aus moralischem Gewissenszwang falsche Aussagen gegen die Angeklagten gemacht zu haben. Aber die Zeugen protestiren: Ich habe dies nicht gesagt! ruft der Artillerist Saint-Aubin. Ich habe das nicht sagen können, denn es ist gelogen; ich habe Blanqui nicht am Hotel de Ville gesehen, erklärt Hr. Schlesinger. Man hat meine Aussage verdreht, protestiren die Bürger Landolphe, Lebreton, Demontry. Retraktionen, Dementis, Proteste, alles wird als nicht geschehen betrachtet. Man kennt auf diesem Wege keine Schranken mehr. Ein Zeuge wird aufgerufen, kehrt seine Aussage gegen die Anklage und sein Zeugniß wird unterdrückt. Aber die Sache ist noch nicht vollständig. Es gibt einen Angeklagten hier, Flotte, der nach dem öffentlichen Ministerium selbst, nur auf den Verdacht, mein Freund zu sein, verhaftet und angeklagt ist; der Prozeß ist an ihm vorübergegangen, fast ohne seinen Namen zu nennen, und sein Platz wäre nach Allem eher auf der Zuschauertribüne, als hier auf unseren Bänken.</p>
          <p>(Schluß d. Sitzung folgt.)</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Italien.</head>
        <div xml:id="ar264b_002" type="jArticle">
          <p><bibl><author>*</author></bibl> Immer klarer stellt sich der infame Verrath heraus, der Radetzki von jeder Bewegung, jedem Plan der Piemontesen in Kenntniß setzte, während er zugleich die piemontesische Armee desorganisirte, lähmte, mit falschen Nachrichten betäubte. Der National vergleicht mit Recht die Lage Piemont's mit der Frankreich's nach dem Unglück von Waterloo, und die Turiner Bourgeois und Adligen mit den Pariser Verräthern von 1815. Es bestand ein vollständiger contrerevolutionärer Cordon von Turin bis zur Armee; das Hauptquartier wimmelte von Verräthern; eine vollständige Konspiration umgab den Herzog von Savoyen. <hi rendition="#g">Der französische Gesandte in Turin wird offen angeklagt, sich zum Vermittler und Centralorgan dieser contrerevolutionären Verschwörung hergegeben zu haben;</hi> die Besuche die er empfängt, sind ganz der Art, dies Gerücht zu bestätigen.</p>
          <p>Dieser französische Gesandte ist Niemand anders als der <hi rendition="#g">Guizotin Herr Bois-le-Comte,</hi> bekannt durch seinen Verrath im Sonderbundskriege und durch seine Konspiration mit Siegwart Meyer und dem östreichischen Gesandten zur Wiederherstellung der Jesuiten und der Oligarchie des Patriciats in der ganzen Schweiz.</p>
          <p>Wie er damals schon die Korrespondenz der Freiburger Sonderbündler mit den Luzernern besorgte und dem Luzerner Kriegsrathe die sämmtlichen Operationspläne in die Hände spielte, so hat er es jetzt in Turin abermals gemacht. Die Schlachten von Mortara und Novara sind nicht zwischen Tessin und Sefia, sie sind im französischen Gesandtschaftshotel zu Turin gewonnen worden, das Geheimniß der radetzki'schen Kühnheit, &#x201E;geschickten Combination&#x201C; und &#x201E;großartigen Tapferkeit&#x201C; liegt einzig und allein in dem Namen <hi rendition="#g">Bois--le-Comte.</hi> </p>
          <p>Acht Regimenter der Piemontesischen Armee weigerten sich zu schlagen, weil man ihnen beigebracht hatte, in Turin sei die Republik proklamirt und Brofferio zum Diktator ernannt worden.</p>
          <p>Wie 1814 und 1815 die französische Bourgeoisie den Kosaken und Engländern, so jauchzt auch in Novara u.s.w. der &#x201E;bessere Theil der Einwohnerschaft&#x201C; den Oestreichern entgegen. Diese östreichischen Sympathieen der Bourgeoisie beweisen einen bedeutenden Fortschritt in der italienischen Entwicklung. Sie beweisen, daß die frühere Nationalitätsschwärmerei <hi rendition="#g">aller</hi> Klassen aufgehört hat, daß die Bewegungen des Herbstes und Winters den Klassengegensatz zu Tage gefördert, das Proletariat und die Bauern in offne Opposition gegen die Bourgeoisie gehetzt, und die politische Existenz der Bourgeoisie so gefährdet haben, daß sie gezwungen war, sich mit dem auswärtigen Feind zu verbünden.</p>
          <p>Der italienische Unabhängigkeitskampf ist nun auch in Piemont, wie schon früher in Rom und Florenz, eben so gut ein Kampf zugleich gegen die italienische Bourgeoisie geworden, wie in Deutschland der Einheitskampf. In Frankreich, Deutschland, Ungarn, Italien nach einander ist die Bourgeoisie zur Verrätherin an der Revolution geworden. Wie in Italien die Oestreicher, würde sie sich auch in Preußen und selbst in Frankreich keinen Augenblick geniren, die Russen ins Land zu rufen, um die Ruhe um jeden Preis herzustellen. Hat sie es in Ungarn und Siebenbürgen doch bereits gethan.</p>
          <p>Die piemontesische Armee rechnete auf das Uebergehen der magyarischen Regimenter. Sie hatte alle Ursache dazu. Aber hinter jeder Schwadron Magyaren stand ein kroatisches Bataillon mit gefälltem Bajonett und gespanntem Hahn &#x2012; so schreibt Herr Boldenyi, Redakteur der pariser Monatsschrift la Hongrie an die &#x201E;Reforme&#x201C;. Es ist bekannt, daß dies k. k. Manöver auch in Ungarn gegen die in Wien zwangsweise assentirten und in die erste Linie gegen die Magyaren aufgestellten Studenten und Arbeiter angewandt wurde.</p>
          <p>Der König Viktor Emanuel hat die Deputation der Kammer mit leeren Phrasen abgespeis't; die Ehre des Landes liege ihm am Herzen; er werde in die Fußtapfen seines Vaters treten u.s.w.</p>
          <p>Inzwischen hat er <hi rendition="#g">zwei Brigaden</hi> nach Turin kommen lassen, um die Auflösung der Kammern nöthigenfalls mit Gewalt zu unterstützen. Das Ministerium, deswegen am 28. in der Kammer interpellirt, erklärte dies für eine rein militärische Disposition, die nur den Oberbefehlshaber angehe, der darin freie Hand haben müsse.</p>
          <p>Im Uebrigen wurde wieder ebenso heftig in der Kammer gesprochen, wie den Tag vorher. Die Minister hielten sehr zurück. Demungeachtet wurde beschlossen, am 29. Morgens geheime Sitzung zu halten und die Aufklärung der Minister über die Lage der Armee und die Ressourcen des Landes zu vernehmen.</p>
          <p>In Chambéry (Savoyen) fanden einige Bewegungen statt. Die französische Fahne wurde aufgepflanzt. Eine Menge Nationalgarden wollten an die Pässe des Bernhard und des Mont-Cénis eilen um eine etwaige östreichische Invasion abzuhalten. Die Behörden vereitelten jedoch die Sache, aus Furcht vor dem Losbruch einer Bewegung für den Anschluß an Frankreich.</p>
          <p>Radetzki soll bereits einen Theil seiner Truppen gegen Toskana und die Romagna, und einen andern gegen die insurgirten lombardischen Gebirgsdistrikte dirigirt haben.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar264b_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Neapel, 24. März.</head>
          <p>Nach Gaëta sind von hier für 60,000 Mann Lebensmittel abgegangen. Sie sind für die Armee bestimmt, die in die römische Republik einfallen soll.</p>
          <p>Die Gesandten Frankreichs und Englands haben sich nach Palermo begeben um einen letzten (fruchtlosen) Versuch zur Vermeidung des Krieges zu machen.</p>
          <p>Der Pariser National vom 2. April enthält einen merkwürdigen Brief aus Palermo vom 21. März, in dem es heißt: &#x201E;Während Sie dieses lesen, fließt das sizilische Blut von Neuem für die Freiheit.&#x201C;</p>
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        <head>Ungarn.</head>
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          <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Die Südslawen und die österreichische Monarchie, vorgesehen für: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi>, I/9.         </bibl>                </note>
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        <head>Ostindien.</head>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> London, 2. April.</head>
          <p>&#x201E; <hi rendition="#g">Sieg über die Sikhs!&#x201C; «Ruhmvolle Nachrichten aus dem Pendschab.&#x201C; &#x201E;Niederlage der Schir-Sing'schen Armee!</hi> &#x201C;: so lauten heute die Ueberschriften der hiesigen Journale am Kopf ihrer neuesten ostindischen Nachrichten.</p>
          <p>Die &#x201E;Bombay Times&#x201C; vom 4. März berichtet in einem Extra-Blatt Folgendes über den Sieg der Engländer:</p>
          <p>Gestern langte ein Kourier aus dem Lager des Generalgouverneurs mit der höchst erfreulichen Kunde hier an, daß am 21sten Februar die von Schir-Singh befehligte Armee der Sikhs in ihrer Position bei Gudscherat von den Engländern angegriffen und in die Flucht geschlagen worden. Der Feind soll sich in der größten Unordnung zurückgezogen und einen großen Theil seiner Artillerie verloren haben. Sein ganzes Lager ist in unsern Händen. Die Londoner &#x201E;Times&#x201C; spricht sich in einem Leitartikel über diese neueste ostindische Post folgendermaßen aus:</p>
          <p>&#x201E;Eine zweite Schlacht &#x2012; wie wir hoffen, die letzte der &#x201E;großen Schlachten&#x201C; &#x2012; hat im Pendschab stattgefunden. Fast 6 Wochen waren seit dem unheilvollen Treffen am 13. Januar verflossen, als am 21. Februar Lord Gough abermals den Schir-Singh in einer neuen Stellung bei Gudscherat angriff. Der britische Anführer war durch das höchst gelegene Eintreffen des Multan'schen Corps unter General Whish, und der Bombay-Kolonne unter Brigadier Dundas verstärkt worden. Andrerseits hatten auch die Sikhs durch Schutter-Singh, den Vater ihres Anführers, frischen Zuzug erhalten. (Die Armee der Sikhs wird auf 30,000 Mann, die der Engländer auf 18,000 Mann mit 70-80 Kanonen geschätzt.) Das Ergebniß des Treffens war ein entscheidender Sieg auf Seite der Briten. Die Linie der Sikhs wurde auf allen Punkten durchbrochen. Als der nach Bombay gesandte Kourier den Kriegsschauplatz verließ, waren die Engländer mit energischer Verfolgung des fliehenden Feindes beschäftigt. Die Schlacht war hitzig und entscheidend. Die gesammte Munition, das Lager und der größte Theil der Kanonen der Sikhs blieben in den Händen der Sieger.</p>
          <p>Nach der unheilvollen Schlacht von Chillianwallah hatte die Sikh-Armee ein verschanztes Lager bei Ruffuhl, blos einige (englische) Meilen vom Schlachtfelde entfernt, bezogen. Lord Gough, endlich durch Erfahrung klüger geworden, oder wahrscheinlicher durch die bestimmtesten Befehle angewiesen, folgte dem Beispiele des Feindes und verschanzte sich unweit des Schir-Singh'schen Lagers, und wartete ruhig die unter Whish und Dundas heranziehenden Verstärkungen ab.</p>
          <p>Das britische Lager war reichlich verproviantirt. Aus Lahore und dem dazwischen gelegenen Lande kamen ihm mehr als hinreichende Zufuhren, während die Sikhs an Lebensmitteln und Fonrage Mangel litten. Schir-Singh's Lage wurde kritisch. Seine Hoffnung auf Sukkurs von Affganistan oder Kaschmir her wurde mit jedem Tage schwächer. So faßte er den kühnen Entschluß, nach <hi rendition="#g">Lahore</hi> zu rücken, so lange die Flußübergänge noch passirbar oder wenigstens von einer für den Widerstand unzulänglichen Truppenzahl besetzt wären. Wir können dem Sikh-Häuptlinge das Lob nicht versagen, daß er seinen Plan durch eine Reihe geschickter und wohlberechneter Manöver auszuführen bemüht war. Daß es ihm nicht glückte, scheint allein der wunderbaren Schnelligkeit zu verdanken, mit der General Whish auf dem Schauplatz erschien.</p>
          <p>Lord Gough's Verhalten seit dem 13. Febr. zeichnete sich durch nichts weniger als eine besondere Geschicklichkeit aus. Gelang es doch den Sikhs, ihre Position zu verlassen, ohne daß Lord Gough von der Richtung, in welcher sie operirten, das Geringste wußte. In der von den Sikhs besetzten mit dem Dschebun-Flusse parallel laufenden Hügelreihe befindet sich etwa 6 Meilen nördlich von Chilianwallah ein Paß. Durch ihn führt die Straße von Ramnugger über den Dschebun, nach der Stadt gleichen Namens am rechten Ufer des Flusses. Außerdem ist bei Wusierabad eine Furt durch den Tschenab-Fluß und hier durch geht die große Straße nach Lahore. Mit andern Worten: Die Hauptstraße von Lahore nach der Stadt Dschebun am rechten Ufer des gleichnamigen Flusses geht über die beiden Flüsse Tschenab und Dschebun bei den eben bezeichneten Furten. Aus den neuesten Mittheilungen ergibt sich nun, daß die Sikhs am 11. Februar ihr Lager bei Ruffuhl abbrachen und sich nach der Dschebun-Furt hin in Bewegung setzten.</p>
          <p>Im britischen Lager glaubte man allgemein, sie hätten den Fluß überschritten und sich nach Attock zurückgezogen. Fast drei Tage später, den 14. Februar, erfuhr man, daß sie statt dessen gegen den Tschenab vordrangen und die Stadt Gudscherat besetzt hatten. Dies bewies ihre Absicht, durch die Tschenab-Furt gegen Lahore zu marschiren. Glücklicherweise langte General Whish, der eine hinreichende Truppenzahl zur Vertheidigung des Flußüberganges detaschiren konnte, zu rechter Zeit an. Dadurch wurden die Sikhs in die Ebene zwischen den beiden Flüssen Tschenab und Dschebun zurückgenöthigt, wo sie nach einigen vorgängigen Manövern und Scharmützeln am 21. Februar vollständig geschlagen wurden. Es ist wahrhaft erstaunlich, daß eine so große Truppenmacht, wie die unter Schir Singh, 3-4 Tage lang im Rücken des englischen Lagers das Land plündernd und verwüstend durchziehen konnte, ohne daß der englische Befehlshaber das Mindeste davon erfuhr.</p>
          <p>Der Times-Artikel schließt mit folgenden Worten:</p>
          <p>Die Armee hat, wie wir fest glauben, durch diese Eine Kriegsthat Ruhe und Ordnung im Pendschab hergestellt. Wir hoffen jetzt, daß die britischen Behörden, durch theure Erfahrungen gewitzigt, in diesem Gebiet diesmal die Sachen so ordnen werden, daß der Kriegszustand und das muthwillige Dahinopfern von Menschenleben &#x2012; eine Folge halber Maßregeln, als wir die Bedingungen nach unserm Belieben vorschreiben konnten &#x2012; für immer ein Ende erreichen.</p>
          <p>Im Namen Dhulip-Singh's, des jungen Maharadscha von Proklamation an alle Personen erlassen, die sich bei der Sikhs-Armee beLahore, hat der englische Resident, Sir Henry Lawrence, eine finden und anderweitig in Rebellion sind.&#x201C; Es wird darin Allen, welche die Waffen niederlegen, volle Amnestie zugesichert und ihnen garantirt, daß sie wegen der Vergangenheit vollständig unbelästigt bleiben werden und ruhig in ihre Heimath zurückkehren dürfen.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Neueste Nachrichten.</head>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Turin, 29. März.</head>
          <p>In der heutigen Kammersitzung beschwor Viktor Emanuel die Verfassung und die Versammlung leistete ihm den Eid der Treue. <hi rendition="#g">Pinelli zeigte sodann der Kammer an, daß sie bis auf weiteres vertagt sei.</hi> </p>
          <p>In Genua und Chambery herrscht große Aufregung; letztere Stadt ist gleichsam in Belagerungszustand. Am 25. März wurde der toskanische Verfassungsrath eröffnet.</p>
        </div>
      </div>
      <div>
        <bibl>Redakteur en chef: <editor>Karl Marx.</editor>             </bibl>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Frucht- und Fourage-Preise vom 16. bis 31. Febr.</head>
        <gap reason="insignificant"/>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Meteorologische Beobachtungen.</head>
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</TEI>
[1489/0001] Beilage zu Nr. 264 der Neuen Rheinischen Zeitung. Organ der Demokratie. Donnerstag, 5. April 1849. [Französische Republik] [Fortsetzung] … Mit welcher Verachtung hat man in dem ganzen Verlauf dieser Debatten, gleich einer müßigen und unnützen Förmlichkeit, die mündlichen Depositionen mit Füßen getreten, ‒ als ob nicht gerade die mündlichen Depositionen die einzigen, gesetzlich erkannten Beweismittel wären! Mit welcher Wichtigkeit, mit welcher Vorliebe hat man dagegen die vorher arrangirten und redigirten Aktenhefte verlesen, wieder verlesen und auf das Liebreichste commentirt, diese zweideutigen und werthlosen Dokumente, welche selbst nach dem Code vor der öffentlichen Erklärung verschwinden sollen wie Gespenster vor der Sonne! Indeß, man sieht die Debatten nur zu oft von dieser krankhaften Sucht beherrscht, die Zeugnisse der öffentlichen Verhandlung mit der geheimen Prozedur in eine absolute Uebereinstimmung zu bringen, das heißt, die Wahrheit auf das Procustes-Bett zu spannen. Hier aber ist man noch weiter gegangen; wenn ein Zeuge erscheint, dessen Aussage dem Anklagesystem widerspricht, so verwirft man ihn und scheint ihm zuzurufen: „Hütet euch! nicht das freie, am hellen Tageslicht und unter dem Schutz des Landes gegebene Zeugniß, sondern das heimlich dem Richter in's Ohr geflüsterte und willkührlich umschriebene Geständniß ist es, dem man Glauben schenkt; es ist die angstvolle Beichte aus der Tiefe des Kerkers, die zwischen Riegeln und Gensd'armen erpreßt wurde.“ In dieser Art hat man den Entlastungszeugen Ley behandelt, als er erklärte, im Gefängniß aus moralischem Gewissenszwang falsche Aussagen gegen die Angeklagten gemacht zu haben. Aber die Zeugen protestiren: Ich habe dies nicht gesagt! ruft der Artillerist Saint-Aubin. Ich habe das nicht sagen können, denn es ist gelogen; ich habe Blanqui nicht am Hotel de Ville gesehen, erklärt Hr. Schlesinger. Man hat meine Aussage verdreht, protestiren die Bürger Landolphe, Lebreton, Demontry. Retraktionen, Dementis, Proteste, alles wird als nicht geschehen betrachtet. Man kennt auf diesem Wege keine Schranken mehr. Ein Zeuge wird aufgerufen, kehrt seine Aussage gegen die Anklage und sein Zeugniß wird unterdrückt. Aber die Sache ist noch nicht vollständig. Es gibt einen Angeklagten hier, Flotte, der nach dem öffentlichen Ministerium selbst, nur auf den Verdacht, mein Freund zu sein, verhaftet und angeklagt ist; der Prozeß ist an ihm vorübergegangen, fast ohne seinen Namen zu nennen, und sein Platz wäre nach Allem eher auf der Zuschauertribüne, als hier auf unseren Bänken. (Schluß d. Sitzung folgt.) Italien. * Immer klarer stellt sich der infame Verrath heraus, der Radetzki von jeder Bewegung, jedem Plan der Piemontesen in Kenntniß setzte, während er zugleich die piemontesische Armee desorganisirte, lähmte, mit falschen Nachrichten betäubte. Der National vergleicht mit Recht die Lage Piemont's mit der Frankreich's nach dem Unglück von Waterloo, und die Turiner Bourgeois und Adligen mit den Pariser Verräthern von 1815. Es bestand ein vollständiger contrerevolutionärer Cordon von Turin bis zur Armee; das Hauptquartier wimmelte von Verräthern; eine vollständige Konspiration umgab den Herzog von Savoyen. Der französische Gesandte in Turin wird offen angeklagt, sich zum Vermittler und Centralorgan dieser contrerevolutionären Verschwörung hergegeben zu haben; die Besuche die er empfängt, sind ganz der Art, dies Gerücht zu bestätigen. Dieser französische Gesandte ist Niemand anders als der Guizotin Herr Bois-le-Comte, bekannt durch seinen Verrath im Sonderbundskriege und durch seine Konspiration mit Siegwart Meyer und dem östreichischen Gesandten zur Wiederherstellung der Jesuiten und der Oligarchie des Patriciats in der ganzen Schweiz. Wie er damals schon die Korrespondenz der Freiburger Sonderbündler mit den Luzernern besorgte und dem Luzerner Kriegsrathe die sämmtlichen Operationspläne in die Hände spielte, so hat er es jetzt in Turin abermals gemacht. Die Schlachten von Mortara und Novara sind nicht zwischen Tessin und Sefia, sie sind im französischen Gesandtschaftshotel zu Turin gewonnen worden, das Geheimniß der radetzki'schen Kühnheit, „geschickten Combination“ und „großartigen Tapferkeit“ liegt einzig und allein in dem Namen Bois--le-Comte. Acht Regimenter der Piemontesischen Armee weigerten sich zu schlagen, weil man ihnen beigebracht hatte, in Turin sei die Republik proklamirt und Brofferio zum Diktator ernannt worden. Wie 1814 und 1815 die französische Bourgeoisie den Kosaken und Engländern, so jauchzt auch in Novara u.s.w. der „bessere Theil der Einwohnerschaft“ den Oestreichern entgegen. Diese östreichischen Sympathieen der Bourgeoisie beweisen einen bedeutenden Fortschritt in der italienischen Entwicklung. Sie beweisen, daß die frühere Nationalitätsschwärmerei aller Klassen aufgehört hat, daß die Bewegungen des Herbstes und Winters den Klassengegensatz zu Tage gefördert, das Proletariat und die Bauern in offne Opposition gegen die Bourgeoisie gehetzt, und die politische Existenz der Bourgeoisie so gefährdet haben, daß sie gezwungen war, sich mit dem auswärtigen Feind zu verbünden. Der italienische Unabhängigkeitskampf ist nun auch in Piemont, wie schon früher in Rom und Florenz, eben so gut ein Kampf zugleich gegen die italienische Bourgeoisie geworden, wie in Deutschland der Einheitskampf. In Frankreich, Deutschland, Ungarn, Italien nach einander ist die Bourgeoisie zur Verrätherin an der Revolution geworden. Wie in Italien die Oestreicher, würde sie sich auch in Preußen und selbst in Frankreich keinen Augenblick geniren, die Russen ins Land zu rufen, um die Ruhe um jeden Preis herzustellen. Hat sie es in Ungarn und Siebenbürgen doch bereits gethan. Die piemontesische Armee rechnete auf das Uebergehen der magyarischen Regimenter. Sie hatte alle Ursache dazu. Aber hinter jeder Schwadron Magyaren stand ein kroatisches Bataillon mit gefälltem Bajonett und gespanntem Hahn ‒ so schreibt Herr Boldenyi, Redakteur der pariser Monatsschrift la Hongrie an die „Reforme“. Es ist bekannt, daß dies k. k. Manöver auch in Ungarn gegen die in Wien zwangsweise assentirten und in die erste Linie gegen die Magyaren aufgestellten Studenten und Arbeiter angewandt wurde. Der König Viktor Emanuel hat die Deputation der Kammer mit leeren Phrasen abgespeis't; die Ehre des Landes liege ihm am Herzen; er werde in die Fußtapfen seines Vaters treten u.s.w. Inzwischen hat er zwei Brigaden nach Turin kommen lassen, um die Auflösung der Kammern nöthigenfalls mit Gewalt zu unterstützen. Das Ministerium, deswegen am 28. in der Kammer interpellirt, erklärte dies für eine rein militärische Disposition, die nur den Oberbefehlshaber angehe, der darin freie Hand haben müsse. Im Uebrigen wurde wieder ebenso heftig in der Kammer gesprochen, wie den Tag vorher. Die Minister hielten sehr zurück. Demungeachtet wurde beschlossen, am 29. Morgens geheime Sitzung zu halten und die Aufklärung der Minister über die Lage der Armee und die Ressourcen des Landes zu vernehmen. In Chambéry (Savoyen) fanden einige Bewegungen statt. Die französische Fahne wurde aufgepflanzt. Eine Menge Nationalgarden wollten an die Pässe des Bernhard und des Mont-Cénis eilen um eine etwaige östreichische Invasion abzuhalten. Die Behörden vereitelten jedoch die Sache, aus Furcht vor dem Losbruch einer Bewegung für den Anschluß an Frankreich. Radetzki soll bereits einen Theil seiner Truppen gegen Toskana und die Romagna, und einen andern gegen die insurgirten lombardischen Gebirgsdistrikte dirigirt haben. * Neapel, 24. März. Nach Gaëta sind von hier für 60,000 Mann Lebensmittel abgegangen. Sie sind für die Armee bestimmt, die in die römische Republik einfallen soll. Die Gesandten Frankreichs und Englands haben sich nach Palermo begeben um einen letzten (fruchtlosen) Versuch zur Vermeidung des Krieges zu machen. Der Pariser National vom 2. April enthält einen merkwürdigen Brief aus Palermo vom 21. März, in dem es heißt: „Während Sie dieses lesen, fließt das sizilische Blut von Neuem für die Freiheit.“ Ungarn. _ Ostindien. * London, 2. April. „ Sieg über die Sikhs!“ «Ruhmvolle Nachrichten aus dem Pendschab.“ „Niederlage der Schir-Sing'schen Armee! “: so lauten heute die Ueberschriften der hiesigen Journale am Kopf ihrer neuesten ostindischen Nachrichten. Die „Bombay Times“ vom 4. März berichtet in einem Extra-Blatt Folgendes über den Sieg der Engländer: Gestern langte ein Kourier aus dem Lager des Generalgouverneurs mit der höchst erfreulichen Kunde hier an, daß am 21sten Februar die von Schir-Singh befehligte Armee der Sikhs in ihrer Position bei Gudscherat von den Engländern angegriffen und in die Flucht geschlagen worden. Der Feind soll sich in der größten Unordnung zurückgezogen und einen großen Theil seiner Artillerie verloren haben. Sein ganzes Lager ist in unsern Händen. Die Londoner „Times“ spricht sich in einem Leitartikel über diese neueste ostindische Post folgendermaßen aus: „Eine zweite Schlacht ‒ wie wir hoffen, die letzte der „großen Schlachten“ ‒ hat im Pendschab stattgefunden. Fast 6 Wochen waren seit dem unheilvollen Treffen am 13. Januar verflossen, als am 21. Februar Lord Gough abermals den Schir-Singh in einer neuen Stellung bei Gudscherat angriff. Der britische Anführer war durch das höchst gelegene Eintreffen des Multan'schen Corps unter General Whish, und der Bombay-Kolonne unter Brigadier Dundas verstärkt worden. Andrerseits hatten auch die Sikhs durch Schutter-Singh, den Vater ihres Anführers, frischen Zuzug erhalten. (Die Armee der Sikhs wird auf 30,000 Mann, die der Engländer auf 18,000 Mann mit 70-80 Kanonen geschätzt.) Das Ergebniß des Treffens war ein entscheidender Sieg auf Seite der Briten. Die Linie der Sikhs wurde auf allen Punkten durchbrochen. Als der nach Bombay gesandte Kourier den Kriegsschauplatz verließ, waren die Engländer mit energischer Verfolgung des fliehenden Feindes beschäftigt. Die Schlacht war hitzig und entscheidend. Die gesammte Munition, das Lager und der größte Theil der Kanonen der Sikhs blieben in den Händen der Sieger. Nach der unheilvollen Schlacht von Chillianwallah hatte die Sikh-Armee ein verschanztes Lager bei Ruffuhl, blos einige (englische) Meilen vom Schlachtfelde entfernt, bezogen. Lord Gough, endlich durch Erfahrung klüger geworden, oder wahrscheinlicher durch die bestimmtesten Befehle angewiesen, folgte dem Beispiele des Feindes und verschanzte sich unweit des Schir-Singh'schen Lagers, und wartete ruhig die unter Whish und Dundas heranziehenden Verstärkungen ab. Das britische Lager war reichlich verproviantirt. Aus Lahore und dem dazwischen gelegenen Lande kamen ihm mehr als hinreichende Zufuhren, während die Sikhs an Lebensmitteln und Fonrage Mangel litten. Schir-Singh's Lage wurde kritisch. Seine Hoffnung auf Sukkurs von Affganistan oder Kaschmir her wurde mit jedem Tage schwächer. So faßte er den kühnen Entschluß, nach Lahore zu rücken, so lange die Flußübergänge noch passirbar oder wenigstens von einer für den Widerstand unzulänglichen Truppenzahl besetzt wären. Wir können dem Sikh-Häuptlinge das Lob nicht versagen, daß er seinen Plan durch eine Reihe geschickter und wohlberechneter Manöver auszuführen bemüht war. Daß es ihm nicht glückte, scheint allein der wunderbaren Schnelligkeit zu verdanken, mit der General Whish auf dem Schauplatz erschien. Lord Gough's Verhalten seit dem 13. Febr. zeichnete sich durch nichts weniger als eine besondere Geschicklichkeit aus. Gelang es doch den Sikhs, ihre Position zu verlassen, ohne daß Lord Gough von der Richtung, in welcher sie operirten, das Geringste wußte. In der von den Sikhs besetzten mit dem Dschebun-Flusse parallel laufenden Hügelreihe befindet sich etwa 6 Meilen nördlich von Chilianwallah ein Paß. Durch ihn führt die Straße von Ramnugger über den Dschebun, nach der Stadt gleichen Namens am rechten Ufer des Flusses. Außerdem ist bei Wusierabad eine Furt durch den Tschenab-Fluß und hier durch geht die große Straße nach Lahore. Mit andern Worten: Die Hauptstraße von Lahore nach der Stadt Dschebun am rechten Ufer des gleichnamigen Flusses geht über die beiden Flüsse Tschenab und Dschebun bei den eben bezeichneten Furten. Aus den neuesten Mittheilungen ergibt sich nun, daß die Sikhs am 11. Februar ihr Lager bei Ruffuhl abbrachen und sich nach der Dschebun-Furt hin in Bewegung setzten. Im britischen Lager glaubte man allgemein, sie hätten den Fluß überschritten und sich nach Attock zurückgezogen. Fast drei Tage später, den 14. Februar, erfuhr man, daß sie statt dessen gegen den Tschenab vordrangen und die Stadt Gudscherat besetzt hatten. Dies bewies ihre Absicht, durch die Tschenab-Furt gegen Lahore zu marschiren. Glücklicherweise langte General Whish, der eine hinreichende Truppenzahl zur Vertheidigung des Flußüberganges detaschiren konnte, zu rechter Zeit an. Dadurch wurden die Sikhs in die Ebene zwischen den beiden Flüssen Tschenab und Dschebun zurückgenöthigt, wo sie nach einigen vorgängigen Manövern und Scharmützeln am 21. Februar vollständig geschlagen wurden. Es ist wahrhaft erstaunlich, daß eine so große Truppenmacht, wie die unter Schir Singh, 3-4 Tage lang im Rücken des englischen Lagers das Land plündernd und verwüstend durchziehen konnte, ohne daß der englische Befehlshaber das Mindeste davon erfuhr. Der Times-Artikel schließt mit folgenden Worten: Die Armee hat, wie wir fest glauben, durch diese Eine Kriegsthat Ruhe und Ordnung im Pendschab hergestellt. Wir hoffen jetzt, daß die britischen Behörden, durch theure Erfahrungen gewitzigt, in diesem Gebiet diesmal die Sachen so ordnen werden, daß der Kriegszustand und das muthwillige Dahinopfern von Menschenleben ‒ eine Folge halber Maßregeln, als wir die Bedingungen nach unserm Belieben vorschreiben konnten ‒ für immer ein Ende erreichen. Im Namen Dhulip-Singh's, des jungen Maharadscha von Proklamation an alle Personen erlassen, die sich bei der Sikhs-Armee beLahore, hat der englische Resident, Sir Henry Lawrence, eine finden und anderweitig in Rebellion sind.“ Es wird darin Allen, welche die Waffen niederlegen, volle Amnestie zugesichert und ihnen garantirt, daß sie wegen der Vergangenheit vollständig unbelästigt bleiben werden und ruhig in ihre Heimath zurückkehren dürfen. Neueste Nachrichten. * Turin, 29. März. In der heutigen Kammersitzung beschwor Viktor Emanuel die Verfassung und die Versammlung leistete ihm den Eid der Treue. Pinelli zeigte sodann der Kammer an, daß sie bis auf weiteres vertagt sei. In Genua und Chambery herrscht große Aufregung; letztere Stadt ist gleichsam in Belagerungszustand. Am 25. März wurde der toskanische Verfassungsrath eröffnet. Redakteur en chef: Karl Marx. Frucht- und Fourage-Preise vom 16. bis 31. Febr. _ Meteorologische Beobachtungen. _

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 264. Köln, 5. April 1849. Beilage, S. 1489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz264b_1849/1>, abgerufen am 21.11.2024.