Neue Rheinische Zeitung. Nr. 270. Köln, 12. April 1849.Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 270. Köln, Donnerstag, den 12. April 1849 Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. - Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Hovas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. - Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. - Nur frankirte Briefe werden angenommen. - Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Zur schlesischen Milliarde. [Das Schutzgeld]). Winterscheid. (Auch ein Beispiel von Raubritterei). Trarbach. (Die Grundsteuer). Cleve. (Der v. Lützow). Berlin. (Klatsch). Königsberg. (Der Preußenverein). Falkenburg. (Eine Petition des Arbeitervereins). Aus dem Sachsenlande. (Die Kammern. - Die Wiener Flüchtlinge). Kassel. (Verurtheilung eines Soldaten). Aus Franken. (Das Reichsheer). Mannheim. (Prozeß Bornstädt und Fickler). Ungarn. (Vom Kriegsschauplatz). Italien. Turin. (Trübe Nachrichten aus Genua). Genua. (Details). Französische Republik. Paris. (Prozeß Menard. - Soldatenklub. - Verhaftungen in der Armee. - Die beiden Wahlparteien. - Italien und die Orangen. - Vermischtes. - National-Versammlung). Spanien. Madrid. (Karl Albert nach Portugal). Belgien. Brüssel. (Aus dem Musterstaat). Großbritannien. London. (Statistisches). Westindien. (Negeraufstand in St. Lucia.) Deutschland. * Köln, 11. April. Seit einiger Zeit haben wir uns mit den gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnissen der preußischen Ostprovinzen, insbesondere Schlesiens, beschäftigt. Es ist auseinandergesetzt worden, welche enorme Summen die schlesische Raubritterschaft durch direkte und indirekte Prellerei aus ihren Dorf-"Unterthanen" herausgepreßt hat und daß, wenn von "Entschädigung" die Rede sein soll, nur das Landvolk das Recht hat, sie zu beanspruchen. Wir zeigten, daß die Herren Ritter wohlgethan hätten, das Wort "Entschädigung" nach dem März 1848 in tiefster Brust zu versenken, um nicht einen nerven-erschütternden Gegenruf des "kleinen Mannes" heraufzubeschwören. Aus einer noch brüderlichen Rechnung ergab sich, daß allein das schlesische Landvolk und lediglich für die letzten 30 Jahre c. 280 Millionen Thaler -eine französische Milliarde - und einige raubritterliche Allotria noch hinzugenommen, ungefähr 300 Millionen preußische Thaler von den wieder so entschädigungslüstern gewordenen Feudalherren zurückzufordern hat. Was von den raubritterlichen Zuständen Schlesiens gesagt worden, gilt theils in gleichem, theils in etwas geringerem Maße von ganz Deutschland, mit Ausnahme der Rheinlande, in denen die erste französische Revolution den ganzen Feudal-Mist gründlich hinwegfegte, mit Ausnahme eines Theils des rechten Rheinufers, namentlich der Gerichtsbezirke von Ehrenbreitstein und die Gegend nördlich von der Ruhr. Indem wir also von Schlesien sprachen und von den glänzenden Geschäften der dortigen Ritterschaft unter der Firma und dem Schutze "von Gottes Gnaden" auf Kosten des Landmannes: so spiegelt sich darin getreu jeder andere Theil Deutschlands, in welchem das Volk unter dem Alp des Mittelalters, der Zehnten, Frohnden, gutsherrlichen Zinsen etc. bisher geseufzt hat oder noch seufzt. Handelt es sich dagegen um das durch die moderne Industrie erzeugte Proletariat und dessen irische Lage, um die Aussaugung des Volks durch das bürgerliche Kapital, durch christliche und jüdische Fabrikherren und Finanzbarone: so bietet Schlesien wiederum mehr als hinreichendes Material. Auf dem platten Lande schleppt der mittelalterliche und moderne Raubritter, der Feudalherr mit 16 Ahnen, wie der Bourgeois mit seinem Kapital, zu gleicher Zeit so viel fette Beute hinweg, als den Herren nur möglich ist, und bis wohin diese Möglichkeit geht oder vielmehr bisher gegangen ist: haben wir nach der einen Seite hin in den früheren Artikeln dargethan. Feudalherr und Finanzbaron wachsen und gedeihen nicht bloß separat nebeneinander im Blut und Schweiß des Volkes: sondern Feudalherr und Finanzbaron bilden sehr oft, wie das ebenfalls schon erwähnt worden, eine und dieselbe Person. Obgleich nun fast überall nebeneinander geübt, ist doch in dem einen Orte oder Distrikte mehr die feudale, in einem andern die moderne, die Bourgeois-Raubritterei, vorherrschend. Später werden wir die Segnungen der Letzteren beleuchten. Heute wollen wir noch einige Annehmlichkeiten der Dominalvergnügten, Proben von "wohlerworbenen Rechten", spezieller in's Auge fassen. Zu jenen Annehmlichkeiten gehörte das Schutzgeld. Zum Verständniß dieser prachtvollen christlich-germanischen Abgabe einige Worte: Wie der "gnädige" Gutsherr den poffessionirten Landmann, vom Bauer mit zwei und mehr Hufen bis zum Freigärtner, Frei- und Auenhäusler mittelst Grundzins, Wächtergeld, Spinngeld, Eiergeld, Besengeld, Hühnerzins, Garnzins, Wachszins, Bienenzins, Haferzins, Robotdienste, Laudemien, Marktgroschen u. s. w., u. s. w., u. s. w. auszuquetschen wußte: das haben wir bei der Berechnung der schlesischen Milliarde gesehen. Nun gab und gibt es aber eine zahlreiche Klasse, die weder bei den "gnädigen" Herren als Knechte, Mägde etc. in Dienst steht, noch ein Haus, auch nicht einmal ein Häuschen, die auch keinen Acker, selbst nicht einen Quadratfuß Landes, besitzt. Es ist dies die Klasse der Inlieger, der Zuhausinnewohner, der Inwohner kurzweg, Leute, die bei Bauern, Gärtnern, Häuslern eine Stube, meist ein Hundeloch, für 4-6-8 Thaler jährlich, gemiethet haben. Entweder sind's Auszügler, d. h. Personen, welche die Wirthschaft ihren Kindern übergeben oder an Fremde verkauft und sich in das zum Hause gehörige oder gar darin befindliche Stübchen mit oder ohne Ausgedinge zur Ruhe gesetzt haben, oder - und diese bilden die Mehrzahl - es sind arme Tagelöhner, Dorfhandwerker, Weber, Grubenarbeiter etc. Sie Alle haben kein Haus und keinen Acker und keinen Kaufbrief, in den doch die "gnädigen" Herren im vorigen wie in diesem Jahrhundert unter Beihülfe freundlicher Institiarien oder Patrimonialrichter gutsherrliche Abgaben einzuschmuggeln wußten, für die sie nicht einmal ein sogenanntes raubritterliches Recht aufzuweisen vermochten. Da wurde Laudemienzwang hineingebracht, wo sonst keiner bestanden, da wußte die gottbegnadete Raubgier Frohnden und Silberzinsen zu erhöhen oder neue zu schaffen, daß es eine Luft war, die so vermehrte Dominialvergnügtheit mit anzuschauen. Durch solche Zuchthausmanöver kamen dann nach einigen Jahren ganz niedliche "wohlerworbene (!!) Rechte" zu Stande. Aber wie den "Inliegern" ankommen? Sollte dieser zahlreiche Theil der ländlichen Bevölkerung von den seinen Händen schlesischer Land-Piraten ganz unberupft bleiben? Nimmermehr! Man würde jene gottbegnadete Sippschaft äußerst mißkennen, wollte man voraussetzen, sie habe kein Mittel gefunden, um auch den Inliegern so viel Wolle abzuscheeren, als nur immer thunlich. Was sie ersann und ausführte, das geschah im Interesse und unter Gutheißung des Königs, der Prinzen, der Minister etc. die Alle selbst Rittergutsbesitzer, von jeder Schinderei, die gegen den oder jenen Theil des Landvolks ausgeübt wurde, ebenfalls ihren Antheil zogen und ihren Geldbeutel damit füllten. Möge das Landvolk, wenn es sich über seine bisherigen Leiden Rechenschaft geben will, nie vergessen, daß zu seinem Nachtheil Alles, vom König bis zum untersten Patrimonialvergnügten hinab, durch ein und dasselbe Interesse zu einem Knäuel verschlungen war und noch ist, der noch fester zusammenhält, als jene Knäuel von Schlangen oder Ottern, die sich im Frühling zur Zeit der Begattung in einander schlingen und unter dem Namen "Schlangenkönige" beim Volke bekannt sind. Der raubritterliche "Schlangenkönig" ringte sich um die Inlieger und forderte drohend Schutzgeld oder, wie die vornehmere Benennung lautet - Jurisdiktionsgeld. Die Patrimonialgerichtsbarkeit mußte hier den Vorwand zum Raube an den Aermsten unter den Armen dienen. Jene Gerichtsbarkeit bringt es mit sich, daß der gnädige Gutsherr die Kosten tragen muß, wenn einer seiner Dorf-"Unterthanen" wegen eines Vergehens oder Verbrechens zur Untersuchung und weiterhin ins Correktions- oder Zuchthaus kommt. Dafür fallen auch alle Sport in der Patrimonialgerichtsbarkeit in die Kasse des Gnädigen, wobei wir von den Silberzinsen, den Robotdiensten und Naturallieferungen der poffessionirten Wirthe wie von der ungeheuern Bevorzugung der Herren bei Zahlung der Grund- und Klassensteuer, der Kreis- und Gemeindebeiträge etc. ganz absehen. Wer ein Haus allein oder mit Acker besitzt und wegen eines Vergehens oder Verbrechens in Untersuchung und zur Verurtheilung kommt, der zahlt die Kosten selbst; sein Eigenthum wird nöthigenfalls subhaftirt. Beim Inlieger soll im Fall der Zahlungsunfähigkeit der Gutsherr für die Kriminalkosten aufkommen. Um sich angeblich nach dieser Seite hin sicher zu stellen, wurde eben das Schutzgeld erfunden und von den Inliegern erhoben. Einige der gnädigen Herrn begnügten sich mit Einem Thaler jährlich; Andere erhoben 1 1/2 Thlr. und noch Andere treiben die Unverschämtheit so weit, 2 Thlr. jährlich diesem Theil des ländlichen Proletariats abzuverlangen. Mit diesem Blutgelde spielte und hurte es sich dann desto besser in der Hauptstadt und in den Bädern. Wo durchaus kein baares Geld herauszupressen war, da verwandelte der gnädige Herr oder sein Amtmann das Schutzgeld in 6, 10 bis 12 unentgeltliche Hofetage. Baar Geld lacht! Wenn daher der Inlieger nicht zahlen konnte, so wurde ihm gewöhnlich der Exekutor auf den Hals geschickt, der ihm die letzten Lumpen, das letzte Stück Bett, Tisch und Stuhl wegnehmen mußte. Einige Wenige unter den gnädigen Herrn enthielten sich der Barbarei und forderten kein Schutzgeld, aber nicht, weil es ein angemaaßtes Recht war, sondern weil sie in patriarchalischer Milde keinen Gebrauch von diesem angeblichen Recht machen wollten. So ist denn, bis auf wenige Ausnahmen, der Inlieger zu Gunsten des gutsherrlichen Beutels jahraus jahrein schändlich geplündert worden. Der arme Weber, z. B. den der Fabrikant auf der einen Seite aussaugte, mußte auf der andern bei einem Verdienst von 3-4 Sgr. täglich bei 1/2 Thaler Klassensteuer an den Staat, bei Abgaben an Schule, Kirche und Gemeinde auch noch dem gnädigen Herrn 1 bis 2 Thlr. jährlich Schutzgeld, das recht eigentlich Blutgeld zu nennen ist, entrichten. So der Bergmann, so mit einem Wort alle übrigen Inlieger. Welchen Vortheil hat er, der Inlieger, davon? Daß, wenn er durch Noth, Elend und Rohheit zum Stehlen oder andern Verbrechen getrieben und zur Strafe gezogen wird, er mit dem frohen Bewußtsein im Zucht- oder Correktionshause sitzen kann, daß er und die Klasse der Inlieger, der er angehört, die Gefängnißkosten dem gutsherrlichen Beutel schon hundertfach vorausbezahlt hat. Der Gutsherr hat daher ein direktes Interesse nicht etwa: Verbrechen zu verhindern, sondern nicht zur Untersuchung gelangen zu lassen. Die gutsherrliche Polizei-Praxis in Schlesien weiß davon zu erzählen. Der Inlieger, der das Schutzgeld - nehmen wir's durchschnittlich zu 1 1/3 Thlr. jährlich, 30 Jahre lang gezahlt und nicht ins Zuchthaus kommt, hat dem gutsherrlichen Beutel, von Zins und Zinseszinsen abgesehen, 40 Thlr. baar hinwerfen müssen. Dafür verzinst der Herr ein bei der Landschaft aufgenommenes Kapital von mehr als 1000 Thlr. Welch' ergiebige Quelle die Herren Raubritter im Schutzgelde fanden, ergiebt sich aus der Thatsache, daß in den meisten Dörfern eben so viel, oft noch mehr Inlieger als Wirthe sind. Wir erinnern uns eines der kleinsten Raubritter, der drei Dominien besaß, und von den in seinen drei Dörfern befindlichen Inliegern jährlich 240 Thlr. Schutzgeld erpreßte, womit er ein landschaftliches Kapital von circa 6000 Thlrn. verzinste. Bedarf es noch weiteren Zeugnisses für die christlich-germanischen Segnungen? Kann die gottbegnadete Frechheit weiter getrieben werden, als wenn der arme Taglöhner mit 60 bis 80 Thlrn. jährlichen Verdienstes für seine meist zahlreiche Familie den Raubritter noch jährlich mit 1 bis 2 Thlr. Schutzgeld weiter mästen zu helfen gezwungen wird? Nicht zu vergessen. Die das Schutzgeld zahlen, müssen, obgleich armselige Teufel, ihre Kinder auf eigene Kosten erziehen, für eigenes Geld in die Schule schicken etc. Jene Herren aber, die das Schutzgeld erpressen und empfangen und die außerdem jährlich Tausende einnehmen: erhalten zum Theil noch vom preußischen Könige aus den Steuern des niedergedrückten, zertretenen Volkes "Erziehungsgelder". Wer das noch nicht wissen sollte, der lese das nach, was die betreffende Kommission der im vorigen Jahr auseinander gejagten Vereinbarer aus den Staatsrechnungen darüber ans Tageslicht gezogen hat. Nicht umsonst sind die Herren Raubritter für die Staatsstreiche im November und Dezember vorigen Jahres, für die octroyirte Verfassung, für zwei Kammern, von denen die erste ihnen stets gesichert ist, und für das Königthum "von Gottes Gnaden" mit allen wohlbekannten Anhängseln so sehr begeistert. Sie wissen sehr gut, weshalb sie's sind. In ihrem beutegierigen Geldsack sprudelt recht eigentlich die Quelle ihres Enthusiasmus. Ist nicht z. B. der Präsident des jetzigen Belagerungsministeriums, Hr. Brandenburg, auch Einer von denen, welche direkt bei der Erhaltung des christlich-germanischen Raubsystems betheiligt sind? Dieser Mann, der jährlich 30-40,000 Thlr. Einkünfte hatte, dem in Breslau auf Kosten des steuerzahlenden Volkes ein Pallast erbaut und da hinein blos aus Berlin für 40,000 Thlr. Möbeln, dito auf Kosten des Volks, beschafft wurden: dieser selbe Mann hatte noch lange nicht genug. Als "gnädiger" Herr der Herrschaft Domanze unweit des Zobtenberges hat er keinen Augenblick angestanden, die Inlieger in seinen Dörfern ebenfalls zur Zahlung des Schutzgeldes zu zwingen. Von ausgehungerten armen Taglöhnern, die für ihre Kinder nicht genügend Kartoffeln, geschweige denn Brod, erschwingen konnten: bezog dieser Mann "Schutzgeld", während er für die Erziehung seiner Kinder, wie wir das in Betreff früherer Jahre bestimmt wissen, jährlich noch 800 Thlr. sogenannte "Erziehungsgelder" bekam und wir schließen für heute mit der Frage, ob der octroyirte Ministerpräsident in Berlin, bei seinem nicht unbedeutenden Privatvermögen und seinem enormen Gehalt, auch jetzt noch jenes jährliche Almosen von 800 Thlr., wovon 10 seiner ihm Schutzgeld zahlenden Inlieger mit Weib und Kind auskommen könnten, fortbezieht oder nicht? (Fortsetzung folgt.) 17 Cleve, 7. April. Es ist doch ein wahrhaft beneidenswerthes Loos, als Wehrmann einem Bataillon anzugehören, dessen Kommandeur resp. Major ein so exquisiter Offizier ist, ein Offizier nach dem Herzen des Königs der Könige. Abgesehen davon, dast Familienväter in den Krieg ziehen müssen, während die größte Masse des Linienmilitärs in den Garnisonen bleibt; abgesehen davon, daß bei der Mobilisirung der hiesigen Landwehr hauptsächlich die demokratisch gesinnten Wehrmänner brrücksichtigt worden (lag doch am Sammelplatz Wesel der Protest vor, den die Wehrmänner Cleve's im November 1848 dem Ministerium eingeschickt hatten); abgesehen davon, daß Se. Gnaden v. Haeften einigen Landwehrleuten ein wahrer Vater gewesen, ist doch Gnadens eigener Bedienter ein los und lediger Mann nicht einberufen, während an die 30 Familienväter von hier zur Land wehr abgehen mußten; abgesehen von alle dem ist folgender Fall aus des Zopfthums neuester Phase zu merkwürdig, als daß er der Oeffentlichkeit vorenthalten bleiben sollte. Unteroffizier Foerg von hier wird eines Fußübels wegen (übereinanderliegende Zehen) vom Bataillonsarzt Pankritzius, für nicht tauglich zu forcirten Märschen erklärt und die Uebertretung in das 2. Aufgebot verfügt. Hierüber kommt der ehrenwerthe v. Lützow, Major des Bataillons, und stellte dem untauglich Erklärten die Frage: Wie heißen Sie? Foerg aus Cleve. Ha so! O das hat nichts zu sagen, machen Sie nur ruhig mit, Sie haben ja damit auch bei der Linie gedient. Darauf der Wehrmann Foerg: Wenn er damals freiwillig mehr gethan, als wozu er verpflichtet gewesen, so könne dies nur anerkannt werden, keineswegs dürfe hieraus gefolgert werden, daß er jetzt "mitzumachen" verpflichtet sei; außerdem habe sich sein Uebel jetzt noch verschlimmert. Der Arzt bemerkte noch, es sei gegen die gesetzlichen Bestimmungen, wenn pp. Foerg marschiren müßte und ersuchte seinen Ausspruch zu achten. Der Major, kurz angebunden, erwiderte hierauf: nur mitgemacht! Später versuchte Foerg noch einmal, den harten gesetzwidrigen Sinn des Herrn Majors durch Vorstellungen zu ändern. Vergebene Mühe! mit Einem "ach was dummes Zeug!" wurden alle Gründe des Foerg niedergedonnert. Jetzt bat Foerg um Erlaubniß zur Betretung des bei Beschwerden über Vorgesetzte vorgeschriebenen Instanzenwegs mit dem Bemerken, "er sei für jetzt dem Hrn. v. Lützow gegenüber ein willenloses Geschöpf, aber kein Mensch könne ihm verbieten in dieser ihn so nahe betreffenden Angelegenheit an die öffentliche Meinung zu appelliren." Ich werde schon Alles verantworten, sagte der etc. Lützow. Der Bataillonsarzt ebenso human, als der Major inhuman, drang mit Entschiedenheit auf Erfüllung der gesetzlichen Bestimmungen, und was war das Ende vom Liede? Der Major erklärte: nun, wenn er nicht marschiren kann, dann soll er Trainsoldat werden. Mit Entrüstung wies Foerg dieses zurück, denn man hätte, würde Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 270. Köln, Donnerstag, den 12. April 1849 Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Hovas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. ‒ Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. ‒ Nur frankirte Briefe werden angenommen. ‒ Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Zur schlesischen Milliarde. [Das Schutzgeld]). Winterscheid. (Auch ein Beispiel von Raubritterei). Trarbach. (Die Grundsteuer). Cleve. (Der v. Lützow). Berlin. (Klatsch). Königsberg. (Der Preußenverein). Falkenburg. (Eine Petition des Arbeitervereins). Aus dem Sachsenlande. (Die Kammern. ‒ Die Wiener Flüchtlinge). Kassel. (Verurtheilung eines Soldaten). Aus Franken. (Das Reichsheer). Mannheim. (Prozeß Bornstädt und Fickler). Ungarn. (Vom Kriegsschauplatz). Italien. Turin. (Trübe Nachrichten aus Genua). Genua. (Details). Französische Republik. Paris. (Prozeß Menard. ‒ Soldatenklub. ‒ Verhaftungen in der Armee. ‒ Die beiden Wahlparteien. ‒ Italien und die Orangen. ‒ Vermischtes. ‒ National-Versammlung). Spanien. Madrid. (Karl Albert nach Portugal). Belgien. Brüssel. (Aus dem Musterstaat). Großbritannien. London. (Statistisches). Westindien. (Negeraufstand in St. Lucia.) Deutschland. * Köln, 11. April. Seit einiger Zeit haben wir uns mit den gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnissen der preußischen Ostprovinzen, insbesondere Schlesiens, beschäftigt. Es ist auseinandergesetzt worden, welche enorme Summen die schlesische Raubritterschaft durch direkte und indirekte Prellerei aus ihren Dorf-„Unterthanen“ herausgepreßt hat und daß, wenn von „Entschädigung“ die Rede sein soll, nur das Landvolk das Recht hat, sie zu beanspruchen. Wir zeigten, daß die Herren Ritter wohlgethan hätten, das Wort „Entschädigung“ nach dem März 1848 in tiefster Brust zu versenken, um nicht einen nerven-erschütternden Gegenruf des „kleinen Mannes“ heraufzubeschwören. Aus einer noch brüderlichen Rechnung ergab sich, daß allein das schlesische Landvolk und lediglich für die letzten 30 Jahre c. 280 Millionen Thaler ‒eine französische Milliarde ‒ und einige raubritterliche Allotria noch hinzugenommen, ungefähr 300 Millionen preußische Thaler von den wieder so entschädigungslüstern gewordenen Feudalherren zurückzufordern hat. Was von den raubritterlichen Zuständen Schlesiens gesagt worden, gilt theils in gleichem, theils in etwas geringerem Maße von ganz Deutschland, mit Ausnahme der Rheinlande, in denen die erste französische Revolution den ganzen Feudal-Mist gründlich hinwegfegte, mit Ausnahme eines Theils des rechten Rheinufers, namentlich der Gerichtsbezirke von Ehrenbreitstein und die Gegend nördlich von der Ruhr. Indem wir also von Schlesien sprachen und von den glänzenden Geschäften der dortigen Ritterschaft unter der Firma und dem Schutze „von Gottes Gnaden“ auf Kosten des Landmannes: so spiegelt sich darin getreu jeder andere Theil Deutschlands, in welchem das Volk unter dem Alp des Mittelalters, der Zehnten, Frohnden, gutsherrlichen Zinsen etc. bisher geseufzt hat oder noch seufzt. Handelt es sich dagegen um das durch die moderne Industrie erzeugte Proletariat und dessen irische Lage, um die Aussaugung des Volks durch das bürgerliche Kapital, durch christliche und jüdische Fabrikherren und Finanzbarone: so bietet Schlesien wiederum mehr als hinreichendes Material. Auf dem platten Lande schleppt der mittelalterliche und moderne Raubritter, der Feudalherr mit 16 Ahnen, wie der Bourgeois mit seinem Kapital, zu gleicher Zeit so viel fette Beute hinweg, als den Herren nur möglich ist, und bis wohin diese Möglichkeit geht oder vielmehr bisher gegangen ist: haben wir nach der einen Seite hin in den früheren Artikeln dargethan. Feudalherr und Finanzbaron wachsen und gedeihen nicht bloß separat nebeneinander im Blut und Schweiß des Volkes: sondern Feudalherr und Finanzbaron bilden sehr oft, wie das ebenfalls schon erwähnt worden, eine und dieselbe Person. Obgleich nun fast überall nebeneinander geübt, ist doch in dem einen Orte oder Distrikte mehr die feudale, in einem andern die moderne, die Bourgeois-Raubritterei, vorherrschend. Später werden wir die Segnungen der Letzteren beleuchten. Heute wollen wir noch einige Annehmlichkeiten der Dominalvergnügten, Proben von „wohlerworbenen Rechten“, spezieller in's Auge fassen. Zu jenen Annehmlichkeiten gehörte das Schutzgeld. Zum Verständniß dieser prachtvollen christlich-germanischen Abgabe einige Worte: Wie der „gnädige“ Gutsherr den poffessionirten Landmann, vom Bauer mit zwei und mehr Hufen bis zum Freigärtner, Frei- und Auenhäusler mittelst Grundzins, Wächtergeld, Spinngeld, Eiergeld, Besengeld, Hühnerzins, Garnzins, Wachszins, Bienenzins, Haferzins, Robotdienste, Laudemien, Marktgroschen u. s. w., u. s. w., u. s. w. auszuquetschen wußte: das haben wir bei der Berechnung der schlesischen Milliarde gesehen. Nun gab und gibt es aber eine zahlreiche Klasse, die weder bei den „gnädigen“ Herren als Knechte, Mägde etc. in Dienst steht, noch ein Haus, auch nicht einmal ein Häuschen, die auch keinen Acker, selbst nicht einen Quadratfuß Landes, besitzt. Es ist dies die Klasse der Inlieger, der Zuhausinnewohner, der Inwohner kurzweg, Leute, die bei Bauern, Gärtnern, Häuslern eine Stube, meist ein Hundeloch, für 4-6-8 Thaler jährlich, gemiethet haben. Entweder sind's Auszügler, d. h. Personen, welche die Wirthschaft ihren Kindern übergeben oder an Fremde verkauft und sich in das zum Hause gehörige oder gar darin befindliche Stübchen mit oder ohne Ausgedinge zur Ruhe gesetzt haben, oder ‒ und diese bilden die Mehrzahl ‒ es sind arme Tagelöhner, Dorfhandwerker, Weber, Grubenarbeiter etc. Sie Alle haben kein Haus und keinen Acker und keinen Kaufbrief, in den doch die „gnädigen“ Herren im vorigen wie in diesem Jahrhundert unter Beihülfe freundlicher Institiarien oder Patrimonialrichter gutsherrliche Abgaben einzuschmuggeln wußten, für die sie nicht einmal ein sogenanntes raubritterliches Recht aufzuweisen vermochten. Da wurde Laudemienzwang hineingebracht, wo sonst keiner bestanden, da wußte die gottbegnadete Raubgier Frohnden und Silberzinsen zu erhöhen oder neue zu schaffen, daß es eine Luft war, die so vermehrte Dominialvergnügtheit mit anzuschauen. Durch solche Zuchthausmanöver kamen dann nach einigen Jahren ganz niedliche „wohlerworbene (!!) Rechte“ zu Stande. Aber wie den „Inliegern“ ankommen? Sollte dieser zahlreiche Theil der ländlichen Bevölkerung von den seinen Händen schlesischer Land-Piraten ganz unberupft bleiben? Nimmermehr! Man würde jene gottbegnadete Sippschaft äußerst mißkennen, wollte man voraussetzen, sie habe kein Mittel gefunden, um auch den Inliegern so viel Wolle abzuscheeren, als nur immer thunlich. Was sie ersann und ausführte, das geschah im Interesse und unter Gutheißung des Königs, der Prinzen, der Minister etc. die Alle selbst Rittergutsbesitzer, von jeder Schinderei, die gegen den oder jenen Theil des Landvolks ausgeübt wurde, ebenfalls ihren Antheil zogen und ihren Geldbeutel damit füllten. Möge das Landvolk, wenn es sich über seine bisherigen Leiden Rechenschaft geben will, nie vergessen, daß zu seinem Nachtheil Alles, vom König bis zum untersten Patrimonialvergnügten hinab, durch ein und dasselbe Interesse zu einem Knäuel verschlungen war und noch ist, der noch fester zusammenhält, als jene Knäuel von Schlangen oder Ottern, die sich im Frühling zur Zeit der Begattung in einander schlingen und unter dem Namen „Schlangenkönige“ beim Volke bekannt sind. Der raubritterliche „Schlangenkönig“ ringte sich um die Inlieger und forderte drohend Schutzgeld oder, wie die vornehmere Benennung lautet ‒ Jurisdiktionsgeld. Die Patrimonialgerichtsbarkeit mußte hier den Vorwand zum Raube an den Aermsten unter den Armen dienen. Jene Gerichtsbarkeit bringt es mit sich, daß der gnädige Gutsherr die Kosten tragen muß, wenn einer seiner Dorf-„Unterthanen“ wegen eines Vergehens oder Verbrechens zur Untersuchung und weiterhin ins Correktions- oder Zuchthaus kommt. Dafür fallen auch alle Sport in der Patrimonialgerichtsbarkeit in die Kasse des Gnädigen, wobei wir von den Silberzinsen, den Robotdiensten und Naturallieferungen der poffessionirten Wirthe wie von der ungeheuern Bevorzugung der Herren bei Zahlung der Grund- und Klassensteuer, der Kreis- und Gemeindebeiträge etc. ganz absehen. Wer ein Haus allein oder mit Acker besitzt und wegen eines Vergehens oder Verbrechens in Untersuchung und zur Verurtheilung kommt, der zahlt die Kosten selbst; sein Eigenthum wird nöthigenfalls subhaftirt. Beim Inlieger soll im Fall der Zahlungsunfähigkeit der Gutsherr für die Kriminalkosten aufkommen. Um sich angeblich nach dieser Seite hin sicher zu stellen, wurde eben das Schutzgeld erfunden und von den Inliegern erhoben. Einige der gnädigen Herrn begnügten sich mit Einem Thaler jährlich; Andere erhoben 1 1/2 Thlr. und noch Andere treiben die Unverschämtheit so weit, 2 Thlr. jährlich diesem Theil des ländlichen Proletariats abzuverlangen. Mit diesem Blutgelde spielte und hurte es sich dann desto besser in der Hauptstadt und in den Bädern. Wo durchaus kein baares Geld herauszupressen war, da verwandelte der gnädige Herr oder sein Amtmann das Schutzgeld in 6, 10 bis 12 unentgeltliche Hofetage. Baar Geld lacht! Wenn daher der Inlieger nicht zahlen konnte, so wurde ihm gewöhnlich der Exekutor auf den Hals geschickt, der ihm die letzten Lumpen, das letzte Stück Bett, Tisch und Stuhl wegnehmen mußte. Einige Wenige unter den gnädigen Herrn enthielten sich der Barbarei und forderten kein Schutzgeld, aber nicht, weil es ein angemaaßtes Recht war, sondern weil sie in patriarchalischer Milde keinen Gebrauch von diesem angeblichen Recht machen wollten. So ist denn, bis auf wenige Ausnahmen, der Inlieger zu Gunsten des gutsherrlichen Beutels jahraus jahrein schändlich geplündert worden. Der arme Weber, z. B. den der Fabrikant auf der einen Seite aussaugte, mußte auf der andern bei einem Verdienst von 3-4 Sgr. täglich bei 1/2 Thaler Klassensteuer an den Staat, bei Abgaben an Schule, Kirche und Gemeinde auch noch dem gnädigen Herrn 1 bis 2 Thlr. jährlich Schutzgeld, das recht eigentlich Blutgeld zu nennen ist, entrichten. So der Bergmann, so mit einem Wort alle übrigen Inlieger. Welchen Vortheil hat er, der Inlieger, davon? Daß, wenn er durch Noth, Elend und Rohheit zum Stehlen oder andern Verbrechen getrieben und zur Strafe gezogen wird, er mit dem frohen Bewußtsein im Zucht- oder Correktionshause sitzen kann, daß er und die Klasse der Inlieger, der er angehört, die Gefängnißkosten dem gutsherrlichen Beutel schon hundertfach vorausbezahlt hat. Der Gutsherr hat daher ein direktes Interesse nicht etwa: Verbrechen zu verhindern, sondern nicht zur Untersuchung gelangen zu lassen. Die gutsherrliche Polizei-Praxis in Schlesien weiß davon zu erzählen. Der Inlieger, der das Schutzgeld ‒ nehmen wir's durchschnittlich zu 1 1/3 Thlr. jährlich, 30 Jahre lang gezahlt und nicht ins Zuchthaus kommt, hat dem gutsherrlichen Beutel, von Zins und Zinseszinsen abgesehen, 40 Thlr. baar hinwerfen müssen. Dafür verzinst der Herr ein bei der Landschaft aufgenommenes Kapital von mehr als 1000 Thlr. Welch' ergiebige Quelle die Herren Raubritter im Schutzgelde fanden, ergiebt sich aus der Thatsache, daß in den meisten Dörfern eben so viel, oft noch mehr Inlieger als Wirthe sind. Wir erinnern uns eines der kleinsten Raubritter, der drei Dominien besaß, und von den in seinen drei Dörfern befindlichen Inliegern jährlich 240 Thlr. Schutzgeld erpreßte, womit er ein landschaftliches Kapital von circa 6000 Thlrn. verzinste. Bedarf es noch weiteren Zeugnisses für die christlich-germanischen Segnungen? Kann die gottbegnadete Frechheit weiter getrieben werden, als wenn der arme Taglöhner mit 60 bis 80 Thlrn. jährlichen Verdienstes für seine meist zahlreiche Familie den Raubritter noch jährlich mit 1 bis 2 Thlr. Schutzgeld weiter mästen zu helfen gezwungen wird? Nicht zu vergessen. Die das Schutzgeld zahlen, müssen, obgleich armselige Teufel, ihre Kinder auf eigene Kosten erziehen, für eigenes Geld in die Schule schicken etc. Jene Herren aber, die das Schutzgeld erpressen und empfangen und die außerdem jährlich Tausende einnehmen: erhalten zum Theil noch vom preußischen Könige aus den Steuern des niedergedrückten, zertretenen Volkes „Erziehungsgelder“. Wer das noch nicht wissen sollte, der lese das nach, was die betreffende Kommission der im vorigen Jahr auseinander gejagten Vereinbarer aus den Staatsrechnungen darüber ans Tageslicht gezogen hat. Nicht umsonst sind die Herren Raubritter für die Staatsstreiche im November und Dezember vorigen Jahres, für die octroyirte Verfassung, für zwei Kammern, von denen die erste ihnen stets gesichert ist, und für das Königthum „von Gottes Gnaden“ mit allen wohlbekannten Anhängseln so sehr begeistert. Sie wissen sehr gut, weshalb sie's sind. In ihrem beutegierigen Geldsack sprudelt recht eigentlich die Quelle ihres Enthusiasmus. Ist nicht z. B. der Präsident des jetzigen Belagerungsministeriums, Hr. Brandenburg, auch Einer von denen, welche direkt bei der Erhaltung des christlich-germanischen Raubsystems betheiligt sind? Dieser Mann, der jährlich 30-40,000 Thlr. Einkünfte hatte, dem in Breslau auf Kosten des steuerzahlenden Volkes ein Pallast erbaut und da hinein blos aus Berlin für 40,000 Thlr. Möbeln, dito auf Kosten des Volks, beschafft wurden: dieser selbe Mann hatte noch lange nicht genug. Als „gnädiger“ Herr der Herrschaft Domanze unweit des Zobtenberges hat er keinen Augenblick angestanden, die Inlieger in seinen Dörfern ebenfalls zur Zahlung des Schutzgeldes zu zwingen. Von ausgehungerten armen Taglöhnern, die für ihre Kinder nicht genügend Kartoffeln, geschweige denn Brod, erschwingen konnten: bezog dieser Mann „Schutzgeld“, während er für die Erziehung seiner Kinder, wie wir das in Betreff früherer Jahre bestimmt wissen, jährlich noch 800 Thlr. sogenannte „Erziehungsgelder“ bekam und wir schließen für heute mit der Frage, ob der octroyirte Ministerpräsident in Berlin, bei seinem nicht unbedeutenden Privatvermögen und seinem enormen Gehalt, auch jetzt noch jenes jährliche Almosen von 800 Thlr., wovon 10 seiner ihm Schutzgeld zahlenden Inlieger mit Weib und Kind auskommen könnten, fortbezieht oder nicht? (Fortsetzung folgt.) 17 Cleve, 7. April. Es ist doch ein wahrhaft beneidenswerthes Loos, als Wehrmann einem Bataillon anzugehören, dessen Kommandeur resp. Major ein so exquisiter Offizier ist, ein Offizier nach dem Herzen des Königs der Könige. Abgesehen davon, dast Familienväter in den Krieg ziehen müssen, während die größte Masse des Linienmilitärs in den Garnisonen bleibt; abgesehen davon, daß bei der Mobilisirung der hiesigen Landwehr hauptsächlich die demokratisch gesinnten Wehrmänner brrücksichtigt worden (lag doch am Sammelplatz Wesel der Protest vor, den die Wehrmänner Cleve's im November 1848 dem Ministerium eingeschickt hatten); abgesehen davon, daß Se. Gnaden v. Haeften einigen Landwehrleuten ein wahrer Vater gewesen, ist doch Gnadens eigener Bedienter ein los und lediger Mann nicht einberufen, während an die 30 Familienväter von hier zur Land wehr abgehen mußten; abgesehen von alle dem ist folgender Fall aus des Zopfthums neuester Phase zu merkwürdig, als daß er der Oeffentlichkeit vorenthalten bleiben sollte. Unteroffizier Foerg von hier wird eines Fußübels wegen (übereinanderliegende Zehen) vom Bataillonsarzt Pankritzius, für nicht tauglich zu forcirten Märschen erklärt und die Uebertretung in das 2. Aufgebot verfügt. Hierüber kommt der ehrenwerthe v. Lützow, Major des Bataillons, und stellte dem untauglich Erklärten die Frage: Wie heißen Sie? Foerg aus Cleve. Ha so! O das hat nichts zu sagen, machen Sie nur ruhig mit, Sie haben ja damit auch bei der Linie gedient. Darauf der Wehrmann Foerg: Wenn er damals freiwillig mehr gethan, als wozu er verpflichtet gewesen, so könne dies nur anerkannt werden, keineswegs dürfe hieraus gefolgert werden, daß er jetzt „mitzumachen“ verpflichtet sei; außerdem habe sich sein Uebel jetzt noch verschlimmert. Der Arzt bemerkte noch, es sei gegen die gesetzlichen Bestimmungen, wenn pp. Foerg marschiren müßte und ersuchte seinen Ausspruch zu achten. Der Major, kurz angebunden, erwiderte hierauf: nur mitgemacht! Später versuchte Foerg noch einmal, den harten gesetzwidrigen Sinn des Herrn Majors durch Vorstellungen zu ändern. Vergebene Mühe! mit Einem „ach was dummes Zeug!“ wurden alle Gründe des Foerg niedergedonnert. Jetzt bat Foerg um Erlaubniß zur Betretung des bei Beschwerden über Vorgesetzte vorgeschriebenen Instanzenwegs mit dem Bemerken, „er sei für jetzt dem Hrn. v. Lützow gegenüber ein willenloses Geschöpf, aber kein Mensch könne ihm verbieten in dieser ihn so nahe betreffenden Angelegenheit an die öffentliche Meinung zu appelliren.“ Ich werde schon Alles verantworten, sagte der etc. Lützow. Der Bataillonsarzt ebenso human, als der Major inhuman, drang mit Entschiedenheit auf Erfüllung der gesetzlichen Bestimmungen, und was war das Ende vom Liede? Der Major erklärte: nun, wenn er nicht marschiren kann, dann soll er Trainsoldat werden. Mit Entrüstung wies Foerg dieses zurück, denn man hätte, würde <TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="1521"/> <front> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart> <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart> <docImprint> <docDate>No 270. Köln, Donnerstag, den 12. April 1849</docDate> </docImprint> </titlePage> </front> <body> <div type="jExpedition"> <p>Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Hovas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.</p> <p>Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. ‒ Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. ‒ Nur frankirte Briefe werden angenommen. ‒ Expedition in Aachen bei <hi rendition="#g">Ernst ter Meer;</hi> in Düsseldorf bei F. W. <hi rendition="#g">Schmitz,</hi> Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.</p> </div> <div type="contents" n="1"> <head>Uebersicht.</head> <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Köln. (Zur schlesischen Milliarde. [Das Schutzgeld]). Winterscheid. (Auch ein Beispiel von Raubritterei). Trarbach. (Die Grundsteuer). Cleve. (Der v. Lützow). Berlin. (Klatsch). Königsberg. (Der Preußenverein). Falkenburg. (Eine Petition des Arbeitervereins). Aus dem Sachsenlande. (Die Kammern. ‒ Die Wiener Flüchtlinge). Kassel. (Verurtheilung eines Soldaten). Aus Franken. (Das Reichsheer). Mannheim. (Prozeß Bornstädt und Fickler).</p> <p><hi rendition="#g">Ungarn.</hi> (Vom Kriegsschauplatz).</p> <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> Turin. (Trübe Nachrichten aus Genua). Genua. (Details).</p> <p><hi rendition="#g">Französische Republik.</hi> Paris. (Prozeß Menard. ‒ Soldatenklub. ‒ Verhaftungen in der Armee. ‒ Die beiden Wahlparteien. ‒ Italien und die Orangen. ‒ Vermischtes. ‒ National-Versammlung).</p> <p><hi rendition="#g">Spanien.</hi> Madrid. (Karl Albert nach Portugal).</p> <p><hi rendition="#g">Belgien.</hi> Brüssel. (Aus dem Musterstaat).</p> <p><hi rendition="#g">Großbritannien.</hi> London. (Statistisches).</p> <p><hi rendition="#g">Westindien.</hi> (Negeraufstand in St. Lucia.)</p> </div> <div n="1"> <head>Deutschland.</head> <div xml:id="ar270_001" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 11. April.</head> <p>Seit einiger Zeit haben wir uns mit den gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnissen der preußischen Ostprovinzen, insbesondere <hi rendition="#g">Schlesiens,</hi> beschäftigt.</p> <p>Es ist auseinandergesetzt worden, welche enorme Summen die schlesische Raubritterschaft durch direkte und indirekte Prellerei aus ihren Dorf-„Unterthanen“ herausgepreßt hat und daß, wenn von „Entschädigung“ die Rede sein soll, nur das Landvolk das Recht hat, sie zu beanspruchen. Wir zeigten, daß die Herren Ritter wohlgethan hätten, das Wort „Entschädigung“ nach dem März 1848 in tiefster Brust zu versenken, um nicht einen nerven-erschütternden Gegenruf des „kleinen Mannes“ heraufzubeschwören. Aus einer noch brüderlichen Rechnung ergab sich, daß allein das schlesische Landvolk und lediglich für die letzten 30 Jahre c. 280 Millionen Thaler ‒eine französische Milliarde ‒ und einige raubritterliche Allotria noch hinzugenommen, ungefähr 300 Millionen preußische Thaler von den wieder so entschädigungslüstern gewordenen Feudalherren zurückzufordern hat.</p> <p>Was von den raubritterlichen Zuständen Schlesiens gesagt worden, gilt theils in gleichem, theils in etwas geringerem Maße von ganz Deutschland, mit Ausnahme der Rheinlande, in denen die erste französische Revolution den ganzen Feudal-Mist gründlich hinwegfegte, mit Ausnahme eines Theils des rechten Rheinufers, namentlich der Gerichtsbezirke von Ehrenbreitstein und die Gegend nördlich von der Ruhr.</p> <p>Indem wir also von Schlesien sprachen und von den glänzenden Geschäften der dortigen Ritterschaft unter der Firma und dem Schutze „von Gottes Gnaden“ auf Kosten des Landmannes: so spiegelt sich darin getreu jeder andere Theil Deutschlands, in welchem das Volk unter dem Alp des Mittelalters, der Zehnten, Frohnden, gutsherrlichen Zinsen etc. bisher geseufzt hat oder noch seufzt. Handelt es sich dagegen um das durch die moderne Industrie erzeugte Proletariat und dessen irische Lage, um die Aussaugung des Volks durch das bürgerliche Kapital, durch christliche und jüdische Fabrikherren und Finanzbarone: so bietet Schlesien wiederum mehr als hinreichendes Material.</p> <p>Auf dem platten Lande schleppt der mittelalterliche und moderne Raubritter, der Feudalherr mit 16 Ahnen, wie der Bourgeois mit seinem Kapital, zu gleicher Zeit so viel fette Beute hinweg, als den Herren nur möglich ist, und bis wohin <hi rendition="#g">diese</hi> Möglichkeit geht oder vielmehr bisher gegangen ist: haben wir nach der einen Seite hin in den früheren Artikeln dargethan. Feudalherr und Finanzbaron wachsen und gedeihen nicht bloß separat nebeneinander im Blut und Schweiß des Volkes: sondern Feudalherr und Finanzbaron bilden sehr oft, wie das ebenfalls schon erwähnt worden, eine und dieselbe Person. Obgleich nun fast überall nebeneinander geübt, ist doch in dem einen Orte oder Distrikte mehr die feudale, in einem andern die moderne, die Bourgeois-Raubritterei, vorherrschend.</p> <p>Später werden wir die Segnungen der Letzteren beleuchten. Heute wollen wir noch einige Annehmlichkeiten der Dominalvergnügten, Proben von „wohlerworbenen Rechten“, spezieller in's Auge fassen.</p> <p>Zu jenen Annehmlichkeiten gehörte das <hi rendition="#b">Schutzgeld.</hi> </p> <p>Zum Verständniß dieser prachtvollen christlich-germanischen Abgabe einige Worte:</p> <p>Wie der „gnädige“ Gutsherr den poffessionirten Landmann, vom Bauer mit zwei und mehr Hufen bis zum Freigärtner, Frei- und Auenhäusler mittelst Grundzins, Wächtergeld, Spinngeld, Eiergeld, Besengeld, Hühnerzins, Garnzins, Wachszins, Bienenzins, Haferzins, Robotdienste, Laudemien, Marktgroschen u. s. w., u. s. w., u. s. w. auszuquetschen wußte: das haben wir bei der Berechnung der schlesischen Milliarde gesehen.</p> <p>Nun gab und gibt es aber eine zahlreiche Klasse, die weder bei den „gnädigen“ Herren als Knechte, Mägde etc. in Dienst steht, noch ein Haus, auch nicht einmal ein Häuschen, die auch keinen Acker, selbst nicht einen Quadratfuß Landes, besitzt. Es ist dies die Klasse der <hi rendition="#g">Inlieger,</hi> der <hi rendition="#g">Zuhausinnewohner,</hi> der <hi rendition="#g">Inwohner</hi> kurzweg, Leute, die bei Bauern, Gärtnern, Häuslern eine Stube, meist ein Hundeloch, für 4-6-8 Thaler jährlich, gemiethet haben. Entweder sind's <hi rendition="#g">Auszügler,</hi> d. h. Personen, welche die Wirthschaft ihren Kindern übergeben oder an Fremde verkauft und sich in das zum Hause gehörige oder gar darin befindliche Stübchen mit oder ohne <hi rendition="#g">Ausgedinge</hi> zur Ruhe gesetzt haben, oder ‒ und diese bilden die Mehrzahl ‒ es sind arme Tagelöhner, Dorfhandwerker, Weber, Grubenarbeiter etc.</p> <p>Sie Alle haben kein Haus und keinen Acker und keinen Kaufbrief, in den doch die „gnädigen“ Herren im vorigen wie in diesem Jahrhundert unter Beihülfe freundlicher Institiarien oder Patrimonialrichter gutsherrliche Abgaben einzuschmuggeln wußten, für die sie nicht einmal ein sogenanntes raubritterliches Recht aufzuweisen vermochten. Da wurde Laudemienzwang hineingebracht, wo sonst keiner bestanden, da wußte die gottbegnadete Raubgier Frohnden und Silberzinsen zu erhöhen oder neue zu schaffen, daß es eine Luft war, die so vermehrte Dominialvergnügtheit mit anzuschauen. Durch solche Zuchthausmanöver kamen dann nach einigen Jahren ganz niedliche „<hi rendition="#g">wohlerworbene (!!)</hi> Rechte“ zu Stande.</p> <p>Aber wie den „<hi rendition="#g">Inliegern</hi>“ ankommen? Sollte dieser zahlreiche Theil der ländlichen Bevölkerung von den seinen Händen schlesischer Land-Piraten ganz unberupft bleiben? Nimmermehr! Man würde jene gottbegnadete Sippschaft äußerst mißkennen, wollte man voraussetzen, sie habe kein Mittel gefunden, um auch den Inliegern so viel Wolle abzuscheeren, als nur immer thunlich. Was sie ersann und ausführte, das geschah im Interesse und unter Gutheißung des Königs, der Prinzen, der Minister etc. die Alle selbst Rittergutsbesitzer, von jeder Schinderei, die gegen den oder jenen Theil des Landvolks ausgeübt wurde, ebenfalls ihren Antheil zogen und ihren Geldbeutel damit füllten.</p> <p>Möge das Landvolk, wenn es sich über seine bisherigen Leiden Rechenschaft geben will, nie vergessen, daß zu seinem Nachtheil Alles, vom König bis zum untersten Patrimonialvergnügten hinab, durch ein und dasselbe Interesse zu einem Knäuel verschlungen war und noch ist, der noch fester zusammenhält, als jene Knäuel von Schlangen oder Ottern, die sich im Frühling zur Zeit der Begattung in einander schlingen und unter dem Namen „Schlangenkönige“ beim Volke bekannt sind.</p> <p>Der raubritterliche „Schlangenkönig“ ringte sich um die <hi rendition="#g">Inlieger</hi> und forderte drohend <hi rendition="#g">Schutzgeld</hi> oder, wie die vornehmere Benennung lautet ‒ Jurisdiktionsgeld.</p> <p>Die Patrimonialgerichtsbarkeit mußte hier den Vorwand zum Raube an den Aermsten unter den Armen dienen. Jene Gerichtsbarkeit bringt es mit sich, daß der gnädige Gutsherr die Kosten tragen muß, wenn einer seiner Dorf-„Unterthanen“ wegen eines Vergehens oder Verbrechens zur Untersuchung und weiterhin ins Correktions- oder Zuchthaus kommt. Dafür fallen auch alle Sport in der Patrimonialgerichtsbarkeit in die Kasse des Gnädigen, wobei wir von den Silberzinsen, den Robotdiensten und Naturallieferungen der poffessionirten Wirthe wie von der ungeheuern Bevorzugung der Herren bei Zahlung der Grund- und Klassensteuer, der Kreis- und Gemeindebeiträge etc. ganz absehen.</p> <p>Wer ein Haus allein oder mit Acker besitzt und wegen eines Vergehens oder Verbrechens in Untersuchung und zur Verurtheilung kommt, der zahlt die Kosten selbst; sein Eigenthum wird nöthigenfalls subhaftirt.</p> <p>Beim Inlieger soll im Fall der Zahlungsunfähigkeit der Gutsherr für die Kriminalkosten aufkommen.</p> <p>Um sich angeblich nach dieser Seite hin sicher zu stellen, wurde eben das <hi rendition="#g">Schutzgeld</hi> erfunden und von den Inliegern erhoben. Einige der gnädigen Herrn begnügten sich mit <hi rendition="#g">Einem Thaler</hi> jährlich; Andere erhoben 1 1/2 Thlr. und noch Andere treiben die Unverschämtheit so weit, 2 Thlr. jährlich diesem Theil des ländlichen Proletariats abzuverlangen. Mit diesem Blutgelde spielte und hurte es sich dann desto besser in der Hauptstadt und in den Bädern.</p> <p>Wo durchaus kein baares Geld herauszupressen war, da verwandelte der gnädige Herr oder sein Amtmann das Schutzgeld in 6, 10 bis 12 unentgeltliche Hofetage. Baar Geld lacht! Wenn daher der Inlieger nicht zahlen konnte, so wurde ihm gewöhnlich der Exekutor auf den Hals geschickt, der ihm die letzten Lumpen, das letzte Stück Bett, Tisch und Stuhl wegnehmen mußte. Einige Wenige unter den gnädigen Herrn enthielten sich der Barbarei und forderten kein Schutzgeld, aber nicht, weil es ein angemaaßtes Recht war, sondern weil sie in patriarchalischer Milde keinen Gebrauch von diesem angeblichen Recht machen wollten.</p> <p>So ist denn, bis auf wenige Ausnahmen, der Inlieger zu Gunsten des gutsherrlichen Beutels jahraus jahrein schändlich geplündert worden. Der arme Weber, z. B. den der Fabrikant auf der einen Seite aussaugte, mußte auf der andern bei einem Verdienst von 3-4 Sgr. täglich bei 1/2 Thaler Klassensteuer an den Staat, bei Abgaben an Schule, Kirche und Gemeinde auch noch dem gnädigen Herrn 1 bis 2 Thlr. jährlich <hi rendition="#g">Schutzgeld</hi>, das recht eigentlich <hi rendition="#g">Blutgeld</hi> zu nennen ist, entrichten. So der Bergmann, so mit einem Wort alle übrigen Inlieger.</p> <p>Welchen Vortheil hat er, der Inlieger, davon?</p> <p>Daß, wenn er durch Noth, Elend und Rohheit zum Stehlen oder andern Verbrechen getrieben und zur Strafe gezogen wird, er mit dem frohen Bewußtsein im Zucht- oder Correktionshause sitzen kann, daß er und die Klasse der Inlieger, der er angehört, die Gefängnißkosten dem gutsherrlichen Beutel schon hundertfach vorausbezahlt hat. Der Gutsherr hat daher ein direktes Interesse nicht etwa: Verbrechen zu verhindern, sondern nicht zur Untersuchung gelangen zu lassen. Die gutsherrliche Polizei-Praxis in Schlesien weiß davon zu erzählen.</p> <p>Der Inlieger, der das <hi rendition="#g">Schutzgeld</hi> ‒ nehmen wir's durchschnittlich zu 1 1/3 Thlr. jährlich, 30 Jahre lang gezahlt und nicht ins Zuchthaus kommt, hat dem gutsherrlichen Beutel, von Zins und Zinseszinsen abgesehen, 40 Thlr. baar hinwerfen müssen. Dafür verzinst der Herr ein bei der Landschaft aufgenommenes Kapital von mehr als 1000 Thlr.</p> <p>Welch' ergiebige Quelle die Herren Raubritter im Schutzgelde fanden, ergiebt sich aus der Thatsache, daß in den meisten Dörfern eben so viel, oft noch mehr <hi rendition="#g">Inlieger</hi> als Wirthe sind.</p> <p>Wir erinnern uns eines der kleinsten Raubritter, der drei Dominien besaß, und von den in seinen drei Dörfern befindlichen Inliegern jährlich 240 Thlr. Schutzgeld erpreßte, womit er ein landschaftliches Kapital von circa 6000 Thlrn. verzinste.</p> <p>Bedarf es noch weiteren Zeugnisses für die christlich-germanischen Segnungen? Kann die gottbegnadete Frechheit weiter getrieben werden, als wenn der arme Taglöhner mit 60 bis 80 Thlrn. jährlichen Verdienstes für seine meist zahlreiche Familie den Raubritter noch jährlich mit 1 bis 2 Thlr. Schutzgeld weiter mästen zu helfen gezwungen wird?</p> <p>Nicht zu vergessen. Die das Schutzgeld <hi rendition="#g">zahlen,</hi> müssen, obgleich armselige Teufel, ihre Kinder auf eigene Kosten erziehen, für eigenes Geld in die Schule schicken etc. Jene Herren aber, die das Schutzgeld <hi rendition="#g">erpressen</hi> und <hi rendition="#g">empfangen</hi> und die außerdem jährlich Tausende einnehmen: erhalten zum Theil noch vom preußischen Könige aus den Steuern des niedergedrückten, zertretenen Volkes „Erziehungsgelder“. Wer das noch nicht wissen sollte, der lese das nach, was die betreffende Kommission der im vorigen Jahr auseinander gejagten Vereinbarer aus den Staatsrechnungen darüber ans Tageslicht gezogen hat.</p> <p>Nicht umsonst sind die Herren Raubritter für die Staatsstreiche im November und Dezember vorigen Jahres, für die octroyirte Verfassung, für zwei Kammern, von denen die erste ihnen stets gesichert ist, und für das Königthum „von Gottes Gnaden“ mit allen wohlbekannten Anhängseln so sehr begeistert. Sie wissen sehr gut, weshalb sie's sind. In ihrem beutegierigen Geldsack sprudelt recht eigentlich die Quelle ihres Enthusiasmus.</p> <p>Ist nicht <hi rendition="#g">z. B. der Präsident des jetzigen Belagerungsministeriums, Hr. Brandenburg,</hi> auch Einer von denen, welche direkt bei der Erhaltung des christlich-germanischen Raubsystems betheiligt sind? Dieser Mann, der jährlich 30-40,000 Thlr. Einkünfte hatte, dem in Breslau auf Kosten des steuerzahlenden Volkes ein Pallast erbaut und da hinein blos aus Berlin für 40,000 Thlr. Möbeln, dito auf Kosten des Volks, beschafft wurden: dieser selbe Mann hatte noch lange nicht genug. Als „gnädiger“ Herr der Herrschaft <hi rendition="#g">Domanze</hi> unweit des Zobtenberges hat er keinen Augenblick angestanden, die Inlieger in seinen Dörfern ebenfalls zur Zahlung des Schutzgeldes zu zwingen. Von ausgehungerten armen Taglöhnern, die für ihre Kinder nicht genügend Kartoffeln, geschweige denn Brod, erschwingen konnten: bezog dieser Mann „Schutzgeld“, während <hi rendition="#g">er für die Erziehung <hi rendition="#b">seiner</hi> Kinder,</hi> wie wir das in Betreff früherer Jahre bestimmt wissen, jährlich noch 800 Thlr. sogenannte „Erziehungsgelder“ bekam und wir schließen für heute mit der Frage, ob der octroyirte Ministerpräsident in Berlin, bei seinem nicht unbedeutenden Privatvermögen und seinem enormen Gehalt, auch jetzt noch jenes jährliche Almosen von 800 Thlr., wovon 10 seiner ihm Schutzgeld zahlenden Inlieger mit Weib und Kind auskommen könnten, fortbezieht oder nicht?</p> <p> <ref type="link">(Fortsetzung folgt.)</ref> </p> </div> <div xml:id="ar270_002" type="jArticle"> <head><bibl><author>17</author></bibl> Cleve, 7. April.</head> <p>Es ist doch ein wahrhaft beneidenswerthes Loos, als Wehrmann einem Bataillon anzugehören, dessen Kommandeur resp. Major ein so exquisiter Offizier ist, ein Offizier nach dem Herzen des Königs der Könige.</p> <p>Abgesehen davon, dast Familienväter in den Krieg ziehen müssen, während die größte Masse des Linienmilitärs in den Garnisonen bleibt; abgesehen davon, daß bei der Mobilisirung der hiesigen Landwehr hauptsächlich die demokratisch gesinnten Wehrmänner brrücksichtigt worden (lag doch am Sammelplatz Wesel der Protest vor, den die Wehrmänner Cleve's im November 1848 dem Ministerium eingeschickt hatten); abgesehen davon, daß Se. Gnaden v. Haeften einigen Landwehrleuten ein wahrer Vater gewesen, ist doch Gnadens eigener Bedienter ein los und lediger Mann nicht einberufen, während an die 30 Familienväter von hier zur Land wehr abgehen mußten; abgesehen von alle dem ist folgender Fall aus des Zopfthums neuester Phase zu merkwürdig, als daß er der Oeffentlichkeit vorenthalten bleiben sollte. Unteroffizier Foerg von hier wird eines Fußübels wegen (übereinanderliegende Zehen) vom Bataillonsarzt Pankritzius, für nicht tauglich zu forcirten Märschen erklärt und die Uebertretung in das 2. Aufgebot verfügt. Hierüber kommt der ehrenwerthe v. Lützow, Major des Bataillons, und stellte dem untauglich Erklärten die Frage: Wie heißen Sie? Foerg aus Cleve. Ha so! O das hat nichts zu sagen, machen Sie nur ruhig mit, Sie haben ja damit auch bei der Linie gedient. Darauf der Wehrmann Foerg: Wenn er damals freiwillig mehr gethan, als wozu er verpflichtet gewesen, so könne dies nur anerkannt werden, keineswegs dürfe hieraus gefolgert werden, daß er jetzt „mitzumachen“ verpflichtet sei; außerdem habe sich sein Uebel jetzt noch verschlimmert. Der Arzt bemerkte noch, es sei gegen die gesetzlichen Bestimmungen, wenn pp. Foerg marschiren müßte und ersuchte seinen Ausspruch zu achten. Der Major, kurz angebunden, erwiderte hierauf: nur mitgemacht! Später versuchte Foerg noch einmal, den harten gesetzwidrigen Sinn des Herrn Majors durch Vorstellungen zu ändern. Vergebene Mühe! mit Einem „ach was dummes Zeug!“ wurden alle Gründe des Foerg niedergedonnert. Jetzt bat Foerg um Erlaubniß zur Betretung des bei Beschwerden über Vorgesetzte vorgeschriebenen Instanzenwegs mit dem Bemerken, „er sei für jetzt dem Hrn. v. Lützow gegenüber ein willenloses Geschöpf, aber kein Mensch könne ihm verbieten in dieser ihn so nahe betreffenden Angelegenheit an die öffentliche Meinung zu appelliren.“ Ich werde schon Alles verantworten, sagte der etc. Lützow. Der Bataillonsarzt ebenso human, als der Major inhuman, drang mit Entschiedenheit auf Erfüllung der gesetzlichen Bestimmungen, und was war das Ende vom Liede? Der Major erklärte: nun, wenn er nicht marschiren kann, dann soll er Trainsoldat werden. Mit Entrüstung wies Foerg dieses zurück, denn man hätte, würde </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1521/0001]
Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 270. Köln, Donnerstag, den 12. April 1849 Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Hovas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.
Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. ‒ Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. ‒ Nur frankirte Briefe werden angenommen. ‒ Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.
Uebersicht. Deutschland. Köln. (Zur schlesischen Milliarde. [Das Schutzgeld]). Winterscheid. (Auch ein Beispiel von Raubritterei). Trarbach. (Die Grundsteuer). Cleve. (Der v. Lützow). Berlin. (Klatsch). Königsberg. (Der Preußenverein). Falkenburg. (Eine Petition des Arbeitervereins). Aus dem Sachsenlande. (Die Kammern. ‒ Die Wiener Flüchtlinge). Kassel. (Verurtheilung eines Soldaten). Aus Franken. (Das Reichsheer). Mannheim. (Prozeß Bornstädt und Fickler).
Ungarn. (Vom Kriegsschauplatz).
Italien. Turin. (Trübe Nachrichten aus Genua). Genua. (Details).
Französische Republik. Paris. (Prozeß Menard. ‒ Soldatenklub. ‒ Verhaftungen in der Armee. ‒ Die beiden Wahlparteien. ‒ Italien und die Orangen. ‒ Vermischtes. ‒ National-Versammlung).
Spanien. Madrid. (Karl Albert nach Portugal).
Belgien. Brüssel. (Aus dem Musterstaat).
Großbritannien. London. (Statistisches).
Westindien. (Negeraufstand in St. Lucia.)
Deutschland. * Köln, 11. April. Seit einiger Zeit haben wir uns mit den gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnissen der preußischen Ostprovinzen, insbesondere Schlesiens, beschäftigt.
Es ist auseinandergesetzt worden, welche enorme Summen die schlesische Raubritterschaft durch direkte und indirekte Prellerei aus ihren Dorf-„Unterthanen“ herausgepreßt hat und daß, wenn von „Entschädigung“ die Rede sein soll, nur das Landvolk das Recht hat, sie zu beanspruchen. Wir zeigten, daß die Herren Ritter wohlgethan hätten, das Wort „Entschädigung“ nach dem März 1848 in tiefster Brust zu versenken, um nicht einen nerven-erschütternden Gegenruf des „kleinen Mannes“ heraufzubeschwören. Aus einer noch brüderlichen Rechnung ergab sich, daß allein das schlesische Landvolk und lediglich für die letzten 30 Jahre c. 280 Millionen Thaler ‒eine französische Milliarde ‒ und einige raubritterliche Allotria noch hinzugenommen, ungefähr 300 Millionen preußische Thaler von den wieder so entschädigungslüstern gewordenen Feudalherren zurückzufordern hat.
Was von den raubritterlichen Zuständen Schlesiens gesagt worden, gilt theils in gleichem, theils in etwas geringerem Maße von ganz Deutschland, mit Ausnahme der Rheinlande, in denen die erste französische Revolution den ganzen Feudal-Mist gründlich hinwegfegte, mit Ausnahme eines Theils des rechten Rheinufers, namentlich der Gerichtsbezirke von Ehrenbreitstein und die Gegend nördlich von der Ruhr.
Indem wir also von Schlesien sprachen und von den glänzenden Geschäften der dortigen Ritterschaft unter der Firma und dem Schutze „von Gottes Gnaden“ auf Kosten des Landmannes: so spiegelt sich darin getreu jeder andere Theil Deutschlands, in welchem das Volk unter dem Alp des Mittelalters, der Zehnten, Frohnden, gutsherrlichen Zinsen etc. bisher geseufzt hat oder noch seufzt. Handelt es sich dagegen um das durch die moderne Industrie erzeugte Proletariat und dessen irische Lage, um die Aussaugung des Volks durch das bürgerliche Kapital, durch christliche und jüdische Fabrikherren und Finanzbarone: so bietet Schlesien wiederum mehr als hinreichendes Material.
Auf dem platten Lande schleppt der mittelalterliche und moderne Raubritter, der Feudalherr mit 16 Ahnen, wie der Bourgeois mit seinem Kapital, zu gleicher Zeit so viel fette Beute hinweg, als den Herren nur möglich ist, und bis wohin diese Möglichkeit geht oder vielmehr bisher gegangen ist: haben wir nach der einen Seite hin in den früheren Artikeln dargethan. Feudalherr und Finanzbaron wachsen und gedeihen nicht bloß separat nebeneinander im Blut und Schweiß des Volkes: sondern Feudalherr und Finanzbaron bilden sehr oft, wie das ebenfalls schon erwähnt worden, eine und dieselbe Person. Obgleich nun fast überall nebeneinander geübt, ist doch in dem einen Orte oder Distrikte mehr die feudale, in einem andern die moderne, die Bourgeois-Raubritterei, vorherrschend.
Später werden wir die Segnungen der Letzteren beleuchten. Heute wollen wir noch einige Annehmlichkeiten der Dominalvergnügten, Proben von „wohlerworbenen Rechten“, spezieller in's Auge fassen.
Zu jenen Annehmlichkeiten gehörte das Schutzgeld.
Zum Verständniß dieser prachtvollen christlich-germanischen Abgabe einige Worte:
Wie der „gnädige“ Gutsherr den poffessionirten Landmann, vom Bauer mit zwei und mehr Hufen bis zum Freigärtner, Frei- und Auenhäusler mittelst Grundzins, Wächtergeld, Spinngeld, Eiergeld, Besengeld, Hühnerzins, Garnzins, Wachszins, Bienenzins, Haferzins, Robotdienste, Laudemien, Marktgroschen u. s. w., u. s. w., u. s. w. auszuquetschen wußte: das haben wir bei der Berechnung der schlesischen Milliarde gesehen.
Nun gab und gibt es aber eine zahlreiche Klasse, die weder bei den „gnädigen“ Herren als Knechte, Mägde etc. in Dienst steht, noch ein Haus, auch nicht einmal ein Häuschen, die auch keinen Acker, selbst nicht einen Quadratfuß Landes, besitzt. Es ist dies die Klasse der Inlieger, der Zuhausinnewohner, der Inwohner kurzweg, Leute, die bei Bauern, Gärtnern, Häuslern eine Stube, meist ein Hundeloch, für 4-6-8 Thaler jährlich, gemiethet haben. Entweder sind's Auszügler, d. h. Personen, welche die Wirthschaft ihren Kindern übergeben oder an Fremde verkauft und sich in das zum Hause gehörige oder gar darin befindliche Stübchen mit oder ohne Ausgedinge zur Ruhe gesetzt haben, oder ‒ und diese bilden die Mehrzahl ‒ es sind arme Tagelöhner, Dorfhandwerker, Weber, Grubenarbeiter etc.
Sie Alle haben kein Haus und keinen Acker und keinen Kaufbrief, in den doch die „gnädigen“ Herren im vorigen wie in diesem Jahrhundert unter Beihülfe freundlicher Institiarien oder Patrimonialrichter gutsherrliche Abgaben einzuschmuggeln wußten, für die sie nicht einmal ein sogenanntes raubritterliches Recht aufzuweisen vermochten. Da wurde Laudemienzwang hineingebracht, wo sonst keiner bestanden, da wußte die gottbegnadete Raubgier Frohnden und Silberzinsen zu erhöhen oder neue zu schaffen, daß es eine Luft war, die so vermehrte Dominialvergnügtheit mit anzuschauen. Durch solche Zuchthausmanöver kamen dann nach einigen Jahren ganz niedliche „wohlerworbene (!!) Rechte“ zu Stande.
Aber wie den „Inliegern“ ankommen? Sollte dieser zahlreiche Theil der ländlichen Bevölkerung von den seinen Händen schlesischer Land-Piraten ganz unberupft bleiben? Nimmermehr! Man würde jene gottbegnadete Sippschaft äußerst mißkennen, wollte man voraussetzen, sie habe kein Mittel gefunden, um auch den Inliegern so viel Wolle abzuscheeren, als nur immer thunlich. Was sie ersann und ausführte, das geschah im Interesse und unter Gutheißung des Königs, der Prinzen, der Minister etc. die Alle selbst Rittergutsbesitzer, von jeder Schinderei, die gegen den oder jenen Theil des Landvolks ausgeübt wurde, ebenfalls ihren Antheil zogen und ihren Geldbeutel damit füllten.
Möge das Landvolk, wenn es sich über seine bisherigen Leiden Rechenschaft geben will, nie vergessen, daß zu seinem Nachtheil Alles, vom König bis zum untersten Patrimonialvergnügten hinab, durch ein und dasselbe Interesse zu einem Knäuel verschlungen war und noch ist, der noch fester zusammenhält, als jene Knäuel von Schlangen oder Ottern, die sich im Frühling zur Zeit der Begattung in einander schlingen und unter dem Namen „Schlangenkönige“ beim Volke bekannt sind.
Der raubritterliche „Schlangenkönig“ ringte sich um die Inlieger und forderte drohend Schutzgeld oder, wie die vornehmere Benennung lautet ‒ Jurisdiktionsgeld.
Die Patrimonialgerichtsbarkeit mußte hier den Vorwand zum Raube an den Aermsten unter den Armen dienen. Jene Gerichtsbarkeit bringt es mit sich, daß der gnädige Gutsherr die Kosten tragen muß, wenn einer seiner Dorf-„Unterthanen“ wegen eines Vergehens oder Verbrechens zur Untersuchung und weiterhin ins Correktions- oder Zuchthaus kommt. Dafür fallen auch alle Sport in der Patrimonialgerichtsbarkeit in die Kasse des Gnädigen, wobei wir von den Silberzinsen, den Robotdiensten und Naturallieferungen der poffessionirten Wirthe wie von der ungeheuern Bevorzugung der Herren bei Zahlung der Grund- und Klassensteuer, der Kreis- und Gemeindebeiträge etc. ganz absehen.
Wer ein Haus allein oder mit Acker besitzt und wegen eines Vergehens oder Verbrechens in Untersuchung und zur Verurtheilung kommt, der zahlt die Kosten selbst; sein Eigenthum wird nöthigenfalls subhaftirt.
Beim Inlieger soll im Fall der Zahlungsunfähigkeit der Gutsherr für die Kriminalkosten aufkommen.
Um sich angeblich nach dieser Seite hin sicher zu stellen, wurde eben das Schutzgeld erfunden und von den Inliegern erhoben. Einige der gnädigen Herrn begnügten sich mit Einem Thaler jährlich; Andere erhoben 1 1/2 Thlr. und noch Andere treiben die Unverschämtheit so weit, 2 Thlr. jährlich diesem Theil des ländlichen Proletariats abzuverlangen. Mit diesem Blutgelde spielte und hurte es sich dann desto besser in der Hauptstadt und in den Bädern.
Wo durchaus kein baares Geld herauszupressen war, da verwandelte der gnädige Herr oder sein Amtmann das Schutzgeld in 6, 10 bis 12 unentgeltliche Hofetage. Baar Geld lacht! Wenn daher der Inlieger nicht zahlen konnte, so wurde ihm gewöhnlich der Exekutor auf den Hals geschickt, der ihm die letzten Lumpen, das letzte Stück Bett, Tisch und Stuhl wegnehmen mußte. Einige Wenige unter den gnädigen Herrn enthielten sich der Barbarei und forderten kein Schutzgeld, aber nicht, weil es ein angemaaßtes Recht war, sondern weil sie in patriarchalischer Milde keinen Gebrauch von diesem angeblichen Recht machen wollten.
So ist denn, bis auf wenige Ausnahmen, der Inlieger zu Gunsten des gutsherrlichen Beutels jahraus jahrein schändlich geplündert worden. Der arme Weber, z. B. den der Fabrikant auf der einen Seite aussaugte, mußte auf der andern bei einem Verdienst von 3-4 Sgr. täglich bei 1/2 Thaler Klassensteuer an den Staat, bei Abgaben an Schule, Kirche und Gemeinde auch noch dem gnädigen Herrn 1 bis 2 Thlr. jährlich Schutzgeld, das recht eigentlich Blutgeld zu nennen ist, entrichten. So der Bergmann, so mit einem Wort alle übrigen Inlieger.
Welchen Vortheil hat er, der Inlieger, davon?
Daß, wenn er durch Noth, Elend und Rohheit zum Stehlen oder andern Verbrechen getrieben und zur Strafe gezogen wird, er mit dem frohen Bewußtsein im Zucht- oder Correktionshause sitzen kann, daß er und die Klasse der Inlieger, der er angehört, die Gefängnißkosten dem gutsherrlichen Beutel schon hundertfach vorausbezahlt hat. Der Gutsherr hat daher ein direktes Interesse nicht etwa: Verbrechen zu verhindern, sondern nicht zur Untersuchung gelangen zu lassen. Die gutsherrliche Polizei-Praxis in Schlesien weiß davon zu erzählen.
Der Inlieger, der das Schutzgeld ‒ nehmen wir's durchschnittlich zu 1 1/3 Thlr. jährlich, 30 Jahre lang gezahlt und nicht ins Zuchthaus kommt, hat dem gutsherrlichen Beutel, von Zins und Zinseszinsen abgesehen, 40 Thlr. baar hinwerfen müssen. Dafür verzinst der Herr ein bei der Landschaft aufgenommenes Kapital von mehr als 1000 Thlr.
Welch' ergiebige Quelle die Herren Raubritter im Schutzgelde fanden, ergiebt sich aus der Thatsache, daß in den meisten Dörfern eben so viel, oft noch mehr Inlieger als Wirthe sind.
Wir erinnern uns eines der kleinsten Raubritter, der drei Dominien besaß, und von den in seinen drei Dörfern befindlichen Inliegern jährlich 240 Thlr. Schutzgeld erpreßte, womit er ein landschaftliches Kapital von circa 6000 Thlrn. verzinste.
Bedarf es noch weiteren Zeugnisses für die christlich-germanischen Segnungen? Kann die gottbegnadete Frechheit weiter getrieben werden, als wenn der arme Taglöhner mit 60 bis 80 Thlrn. jährlichen Verdienstes für seine meist zahlreiche Familie den Raubritter noch jährlich mit 1 bis 2 Thlr. Schutzgeld weiter mästen zu helfen gezwungen wird?
Nicht zu vergessen. Die das Schutzgeld zahlen, müssen, obgleich armselige Teufel, ihre Kinder auf eigene Kosten erziehen, für eigenes Geld in die Schule schicken etc. Jene Herren aber, die das Schutzgeld erpressen und empfangen und die außerdem jährlich Tausende einnehmen: erhalten zum Theil noch vom preußischen Könige aus den Steuern des niedergedrückten, zertretenen Volkes „Erziehungsgelder“. Wer das noch nicht wissen sollte, der lese das nach, was die betreffende Kommission der im vorigen Jahr auseinander gejagten Vereinbarer aus den Staatsrechnungen darüber ans Tageslicht gezogen hat.
Nicht umsonst sind die Herren Raubritter für die Staatsstreiche im November und Dezember vorigen Jahres, für die octroyirte Verfassung, für zwei Kammern, von denen die erste ihnen stets gesichert ist, und für das Königthum „von Gottes Gnaden“ mit allen wohlbekannten Anhängseln so sehr begeistert. Sie wissen sehr gut, weshalb sie's sind. In ihrem beutegierigen Geldsack sprudelt recht eigentlich die Quelle ihres Enthusiasmus.
Ist nicht z. B. der Präsident des jetzigen Belagerungsministeriums, Hr. Brandenburg, auch Einer von denen, welche direkt bei der Erhaltung des christlich-germanischen Raubsystems betheiligt sind? Dieser Mann, der jährlich 30-40,000 Thlr. Einkünfte hatte, dem in Breslau auf Kosten des steuerzahlenden Volkes ein Pallast erbaut und da hinein blos aus Berlin für 40,000 Thlr. Möbeln, dito auf Kosten des Volks, beschafft wurden: dieser selbe Mann hatte noch lange nicht genug. Als „gnädiger“ Herr der Herrschaft Domanze unweit des Zobtenberges hat er keinen Augenblick angestanden, die Inlieger in seinen Dörfern ebenfalls zur Zahlung des Schutzgeldes zu zwingen. Von ausgehungerten armen Taglöhnern, die für ihre Kinder nicht genügend Kartoffeln, geschweige denn Brod, erschwingen konnten: bezog dieser Mann „Schutzgeld“, während er für die Erziehung seiner Kinder, wie wir das in Betreff früherer Jahre bestimmt wissen, jährlich noch 800 Thlr. sogenannte „Erziehungsgelder“ bekam und wir schließen für heute mit der Frage, ob der octroyirte Ministerpräsident in Berlin, bei seinem nicht unbedeutenden Privatvermögen und seinem enormen Gehalt, auch jetzt noch jenes jährliche Almosen von 800 Thlr., wovon 10 seiner ihm Schutzgeld zahlenden Inlieger mit Weib und Kind auskommen könnten, fortbezieht oder nicht?
(Fortsetzung folgt.)
17 Cleve, 7. April. Es ist doch ein wahrhaft beneidenswerthes Loos, als Wehrmann einem Bataillon anzugehören, dessen Kommandeur resp. Major ein so exquisiter Offizier ist, ein Offizier nach dem Herzen des Königs der Könige.
Abgesehen davon, dast Familienväter in den Krieg ziehen müssen, während die größte Masse des Linienmilitärs in den Garnisonen bleibt; abgesehen davon, daß bei der Mobilisirung der hiesigen Landwehr hauptsächlich die demokratisch gesinnten Wehrmänner brrücksichtigt worden (lag doch am Sammelplatz Wesel der Protest vor, den die Wehrmänner Cleve's im November 1848 dem Ministerium eingeschickt hatten); abgesehen davon, daß Se. Gnaden v. Haeften einigen Landwehrleuten ein wahrer Vater gewesen, ist doch Gnadens eigener Bedienter ein los und lediger Mann nicht einberufen, während an die 30 Familienväter von hier zur Land wehr abgehen mußten; abgesehen von alle dem ist folgender Fall aus des Zopfthums neuester Phase zu merkwürdig, als daß er der Oeffentlichkeit vorenthalten bleiben sollte. Unteroffizier Foerg von hier wird eines Fußübels wegen (übereinanderliegende Zehen) vom Bataillonsarzt Pankritzius, für nicht tauglich zu forcirten Märschen erklärt und die Uebertretung in das 2. Aufgebot verfügt. Hierüber kommt der ehrenwerthe v. Lützow, Major des Bataillons, und stellte dem untauglich Erklärten die Frage: Wie heißen Sie? Foerg aus Cleve. Ha so! O das hat nichts zu sagen, machen Sie nur ruhig mit, Sie haben ja damit auch bei der Linie gedient. Darauf der Wehrmann Foerg: Wenn er damals freiwillig mehr gethan, als wozu er verpflichtet gewesen, so könne dies nur anerkannt werden, keineswegs dürfe hieraus gefolgert werden, daß er jetzt „mitzumachen“ verpflichtet sei; außerdem habe sich sein Uebel jetzt noch verschlimmert. Der Arzt bemerkte noch, es sei gegen die gesetzlichen Bestimmungen, wenn pp. Foerg marschiren müßte und ersuchte seinen Ausspruch zu achten. Der Major, kurz angebunden, erwiderte hierauf: nur mitgemacht! Später versuchte Foerg noch einmal, den harten gesetzwidrigen Sinn des Herrn Majors durch Vorstellungen zu ändern. Vergebene Mühe! mit Einem „ach was dummes Zeug!“ wurden alle Gründe des Foerg niedergedonnert. Jetzt bat Foerg um Erlaubniß zur Betretung des bei Beschwerden über Vorgesetzte vorgeschriebenen Instanzenwegs mit dem Bemerken, „er sei für jetzt dem Hrn. v. Lützow gegenüber ein willenloses Geschöpf, aber kein Mensch könne ihm verbieten in dieser ihn so nahe betreffenden Angelegenheit an die öffentliche Meinung zu appelliren.“ Ich werde schon Alles verantworten, sagte der etc. Lützow. Der Bataillonsarzt ebenso human, als der Major inhuman, drang mit Entschiedenheit auf Erfüllung der gesetzlichen Bestimmungen, und was war das Ende vom Liede? Der Major erklärte: nun, wenn er nicht marschiren kann, dann soll er Trainsoldat werden. Mit Entrüstung wies Foerg dieses zurück, denn man hätte, würde
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-20T13:08:10Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |