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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 297. Köln, 13. Mai 1849. Zweite Ausgabe.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 297. Köln, Sonntag, den 13. Mai. 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. -- Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. -- Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. -- Nur frankirte Briefe werden angenommen. -- Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.

Zweite Ausgabe.

Deutschland.
068 Köln, 13. Mai.

Wir machen unsere Leser auf die letzten Nummern der "Kölnischen Zeitung" aufmerksam, namentlich auf das Blatt von heute, Sonntag, 13. Mai.

Wohl noch nie ging die "ordinärste Natürlichkeit" mit der erkauften Gemeinheit so sehr Hand in Hand, als in den letzten Leitartikeln und Korrespondenzen unserer trefflichen Zeitgenossin.

Noch vor wenigen Tagen sahen wir den Eigenthümer der "Kölnischen Zeitung" Herrn Joseph DuMont, auf dem Kongreß der rheinischen Gemeinderäthe, sich für die gefaßten Beschlüsse rasch erheben. Heute sehen wir denselben Menschen, durch seinen Knecht Brüggemann, in jeder Zeile die brutalste Freude über die verunglückten Emeuten aussprechen, welche eben jene Beschlüsse der rheinischen Gemeinderäthe im Gefolge hatten.

Aber dafür ist die Kölnische Zeitung denn auch so glücklich, den rheinischen Städten, zugleich mit dem Belagerungszustand, als einzige Zeitung octroyirt zu werden.

Wahrlich diesen Städten octroyirt man zu gleicher Zeit Blut und -- Schmutz!

12 Düsseldorf, 11. Mai.

Um allen elenden Entstellungen Dumont'scher Zeitungsschmuhl's und pommer'scher Polizeispione zu begegnen, gebe ich Ihnen nachträglich eine zusammenhängende Darstellung der vorgestrigen Vorfälle. Die Einberufung der Landwehr durch das Potsdamer Unterknäsen-Ministerium steigerte die ohnehin vorherrschende Erbitterung gegen das wohlbekannte lügnerische Haus der Hohenzollern. Die Einberufenen fragten sich: gegen wen will man uns gebrauchen? Gegen das Volk, oder im Dienste unseres russischen Caren gegen die Ungarn! Die Elberfelder Landwehr erklärte geradezu, sie würde nicht Folge leisten; diesem Beispiele folgte die hiesige Landwehr wie das ganze bergische und das jülich'sche Land beinahe einstimmig. Elberfeld, als der Hauptpunkt des eigentlichen bergischen Landes, versammelte alle Einberufenen, und man beschloß, auch der Gewalt nicht zu weichen. Eine Abtheilung Militär, ein Bataillon des 16. Rgts., wurde hierauf dorthin beordert; die Truppen wurden in die Stadt bis zur katholischen Kirche gelassen, doch bald verbreitete sich in Düsseldorf das Gerücht, das Militär hätte die Stadt wieder verlassen müssen, das ganze Wupperthal und Bergische habe sich bewaffnet, organisire sich, und hätte einen Sicherheitsausschuß ernannt, der möglicherweise die erste provisorische Regierung der neu zu bildenden rheinischen Republik werden würde.

Diese Nachrichten brachten hier in Düsseldorf, wie leicht vorauszusehen, eine fieberhafte Bewegung hervor. Schon waren am Abend und die Nacht vorher eine Menge eingeforderter Landwehrleute, welche hier eine öffentliche Versammlung gehalten, nach Elberfeld zu ihren Kameraden gereist. Nun zirkulirte am Abende des 9. plötzlich das Gerücht, Elberfeld wünsche von Düsseldorf Unterstützung, wenigstens soweit, daß die Militärkräfte, welche etwa noch kommen könnten, am Rheine zurückgehalten würden. Die Stadt gerieth in Bewegung, einige Gamius benutzten die Gelegenheit, am Rathhaus nach eben geschlossener Gemeinderaths-Sitzung die Fenster einzuwerfen, worauf der Polizeiinspektor Faldern sofort Militär requirirte und den Markt absperren ließ. Beim Anblicke dieser Gewaltmaßregeln begann das Volk mit Blitzesschnelle an allen Punkten der Stadt Barrikaden zu errichten; die ganze innere Stadt war in der kürzesten Zeit damit beschäftigt, ohne daß an eine planmäßige Vertheidigung von Seiten der unvorbereiteten waffenlosen Bürgerschaft zu denken war. Die Volksmenge aber wuchs mit jedem Moment und bei der Erregung vor den eingesehenen Anstalten wurde ein Konflikt unvermeidlich.

Gegen halb 10 Uhr wurde die erste Salve auf das Volk am "Hundrücken" gegeben, und nun begann auch die Gegenwehr sich durch Feuer geltend zu machen. Außer der Masse schreiender und unbewaffneter Bürger war die Zahl der wirklich am Kampf theilnehmenden Arbeiter über alle Maßen gering. Die Letzteren aber vertheidigten sich, je mehr sie sich vereinzelt sahen, mit desto größerer Wuth und Entschlossenheit.

Gegen 11 Uhr donnerten die Kanonen zum erstenmale, und von jetzt ab hielt das Gewehrfeuer bis gegen Morgens an, um welche Zeit abermals die Kanonen ihr Feuer begannen. Die ganze Nacht über wurde ununterbrochen Sturm geläutet, Zuzüge erschienen von draußen, und nahmen an dem Kampfe Theil.

Gegen 6 Uhr Morgens (am 10.) bemächtigte sich das Militär der ersten ganz vertheidigungslosen Barrikade in der Natingerstraße und nun begann ein infames hinterlistiges Morden von Seiten des Militärs, wie es selbst die Kroaten in Wien nicht getrieben haben. Die mehrsten Opfer der Bürger fielen erst nach Aufhören des Kampfes! Auf Alles wurde geschossen, was sich am Fenster oder auf der Straße zeigte; so fiel ein 66jähriger Mann, weil er seine Fensterladen aufmachen wollte. Heute Mittag um 12 Uhr noch wurde in der Allee ein Arbeiter, der ruhig von der Arbeit nach Hause zum Essen gehen wollte, hinterrücks niedergeschossen. Als gestern Morgen ein Dienstmädchen über den Rathhausplatz ging, legte ein Unteroffizier dieser Räuberbande ganz kaltblütig sein Gewehr auf eine Karre, zielte 2 Minuten und schoß mit echt preußischer Feigheit das wehrlose Mädchen zusammen. Die Kroaten sind Stümper gegen das "herrliche Kriegsheer" des im März so feigen, hinter russischen Bajonetten so "starken" Potsdamer Unterknäs!

Bis jetzt rechnet man gegen 16 todte Bürger, von denen nur 4 oder 5 in offenem Kampfe gefallen sind, die andern alle von den Hohenzollern'schen Mordhunden gemeuchelt! Der Verlust des Militärs ist trotzdem bedeutend größer; erst diese Nacht fuhr man zwei Karren Leichen aus dem Residenzgebäude. Es sind außer dem Adjutanten des Generals sicher 50 Soldaten geblieben; doch gibt man sich die größte Mühe, den Verlust zu verheimlichen; man gibt nur Verwundete an, obgleich wir Augenzeugen sprachen, welche die Todten gezählt. Daß uns das Standrecht proklamirt, die Zeitungen verboten etc. kann Sie unter dem, nach dem Einmarsch der Russen plötzlich wieder erstarkten feigen Hohenzollern nicht wundern.

Für den Augenblick ist dumpfe Ruhe, man hofft auf Elberfeld. Letzteres soll vortrefflich verbarrikadirt und durch Zuzug bereits zur Bildung einer förmlichen Armee, die außerhalb operiren kann, erstarkt sein. Das ganze Bergische Land ist in offenem Aufstand und ein spanischer Guerillakrieg durch die Oertlichkeit hier mehr als anderswo zu hoffen. Die Fahrten der Eisenbahn sind ununterbrochen, die Stationen jedoch überall von den Insurgenten bewacht.

N. S. Welche Erbitterung hier gegen die Hohenzollern'sche Henkerwirthschaft herrscht, mögen Sie aus folgendem entnehmen. Ein neunjähriger Knabe, über die verübten Bestialitäten empört, hatte sich geschworen, den ersten Soldaten, der ihm auf der Straße begegne, niederzuschießen. Mit einer Pistole versehen ging er aus seinem elterlichen Haus, als eben ein Picket Uhlanen durch die Straße ritt; das Kind tritt dicht an die Pferde, schießt in der That einen Soldaten vom Pferde, und stürzt auch gleich darauf von Schüssen und Lanzenstichen durchbohrt zur Erde!

Düsseldorf, 11. Mai.

Der hiesige Gemeinderath, der sich in Permanenz erklärt hat, hat heute auf das Entschiedenste gegen die Anordnungen der Militärbehörde, die Verhängung des Belagerungszustandes überhaupt sowie namentlich gegen die Maßregel, daß die Düsseldorfer Zeitung und einige andere Blätter in hiesiger Gemeinde nicht ausgegeben werden sollen, und auch gegen die Publikation des Standrechts als durchaus ungesetzlich, protestirt. Es wurde dabei beschlossen, daß der vorstehende Beschluß sowohl dem Regierungspräsidium als dem Divisions-Kommando zugestellt und öffentlich bekannt gemacht werden solle.

(D. Z.)
15 Elberfeld, 12. Mai.

Wenig Neues ist von hieraus zu berichten. Nur so viel kann ich Ihnen mittheilen, daß an unsern Barrikaden eifrig gearbeitet worden ist, und daß man die ganze Stadt in Brand schießen muß, ehe sich die Einwohner ergeben. Einige bald beseitigte Ruhestörungen abgerechnet, leben wir hier im tiefsten bewaffneten Frieden, der schon anfing, langweilig zu werden, als heute von Solingen eine Kompagnie junger Mädchen eintraf, die mit Messern und Pistolen ausgerüstet, sich in die Reihen der Barrikadenkämpfer enroliren ließen.

Der Entschluß der Bevölkerung bleibt derselbe. Man wird dem allenfalls herrannahenden Militär die Stirn bieten, und man verläßt sich darauf, daß die übrigen Städte der Rheinprovinz dies energische Auftreten der Bevölkerung des Wupperthales zu würdigen wissen werden.

Paderborn, 9. Mai.

Die Einkleidung hat begonnen. Heute sind vorerst die Landwehrmänner aus Paderborn und der nächsten Umgegend einberufen. Diese traten heute Nachmittag zusammen, um den Theil ihrer Kleidungsstücke, der nicht schon am Morgen ertheilt, in Empfang zu nehmen. Die Erbitterung, die sich schon am Morgen in vielfacher Weise, jedoch mehr in Privatgesprächen und Lebehochs auf die Demokratie, kundgegeben, kam am Nachmittage zum Ausbruch. Ein Landwehrmann erging sich in lauten und ziemlich derben Ausdrücken über die Ungesetzlichkeit der Einberufung der Landwehr, -- über die vielen Ungerechtigkeiten, die außerdem vorgekommen, -- daß man grundlose Reklamationen berücksichtiget, begründete dagegen unberücksichtigt gelassen habe. Er ließ sich dabei, nachdem er sich einmal in die Hitze geredet und bei den Umstehenden lauten Beifall geerndtet hatte, einige unhöfliche Erwiderungen gegen einen der Offiziere, der ihn zur Ruhe ermahnen wollte, zu Schulden kommen. Da trat der Major auf ihn zu, fuhr ihn hart an und gab -- als er auf die Aufforderung, still zu schweigen, sich nicht gleich zur Ruhe bringen ließ, -- den Befehl zu seiner Arretirung. Das rief einen tobenden Ausbruch des Unwillens hervor. Sämmtliche Landwehrmänner verließen ihre Reihen, drängten sich um den Major und: "Kein Arrest! Keinen Landwehrmann arretirt!" erscholl drohend aus Aller Munde. Der Major nahm mit sauersüßem Lächeln den Befehl zur Abführung zurück. Wahrlich, er mochte sich glücklich preisen, daß er es gethan hat; denn er konnte bei den drohenden Mienen und Stellungen der Leute das Schlimmste erwarten. Die Disciplin war vernichtet. Ein anderer Landwehrmann trat vor und sprach mit erhobener Stimme: Warum sind wir einberufen, Herr Major, Krieg haben wir nicht. Die Uebung ist uns geschenkt. Sollen wir vielleicht auf unsere Väter und Brüder schießen? oder gegen das Volk? Hierzu werden wir uns nicht gebrauchen lassen."

Ein freudiger Jubel begleitete die Rede; der Herr Landwehrmajor wußte nichts Anderes zu erwiedern, als:

er wisse selbst noch nicht, wozu die Landwehr verwendet werden solle -- die Herrn Redner schienen ihm sehr kluge Leute zu sein, die aber wahrscheinlich ihre Weisheit anderswoher, als aus ihrem eigenen Kopfe geholt, was seiner Zeit schon an's Tageslicht kommen werde.

Erneuter höhnischer Jubel folgte diesen Worten.

Heute Abend fraternisirte die Landwehr mit dem Volke. So viel ist sicher, daß sich die Landwehr nicht zu volksfeindlichen Zwecken mißbrauchen läßt. Hierfür sprechen die fortwährenden Lebehochs auf die Demokratie, auf Kossuth und die Ungarn, -- Es heißt, dieselbe würde die Stadt unter keiner Bedingung verlassen.

(Westph. Z.)
120 Berlin, 11. Mai.

Jeden Morgen ist Versammlung auf dem Schlosse beim General Wrangel. Zu den dort ausgegebenen Tagesbefehlen des "Oberbefehlshabers der Marken" gehören auch die Aufträge an höhere Stabsoffiziere, einzelne Stadt-Reviere in Civilkleidern! zu beobachten. Jeder Oberst erhält an jedem Tag ein Stadtrevier zugetheilt und nach dem erstatteten Bericht werden am andern Morgen die Tagesbefehle ausgegeben. -- Diese Herren kriechen nun in schlechten Röcken, die Mütze in die Augen gedrückt, einen Knüppel in der Hand, überall umher, oder gehen verwogen über die Straßen; so daß man sie, wenn man sie nicht kennte, für baronisirende Rehberger halten müßte. Wenn Sie, Hr. Wrangel, sich jedoch wundern sollten, woher wir wissen, was beim Appell Ihres Stabes vorgeht, so dienen Ihnenzur Nachricht, daß wir noch ganz andere Dinge zur geeigneten Zeit erzählen werden.

Das königliche Palais unter den Linden, das von Wrangel'schen Ordonanzen und anderen Truppen bewohnt ist -- (und, beiläufig bemerkt, auch als Wrangel'scher Pferdestall dient, leider aber nur 1 oder 2 dieser edlen Thiere zu beherbergen hat, da der Herr General die übrigen vor einiger Zeit verkaufen mußte) -- gränzt mit seinem Hofe an die Gebäude der Niederlag- und Rosenstraße, welche zwar hochemporragende Giebel, aber keine Fenster nach dem Hofe des königl. Palais haben. In einem dieser Giebel wurden nun vor einigen Tagen von den Bewohnern Schießlöcher durchgebrochen, dem Militär aber verrathen, da Nachts um 11 Uhr durch unvorsichtige Arbeit ein Stein herab auf den Hof des Palais fiel und großes Geräusch machte. Wrangel hat dies Loch vermittelst eines hohen Gerüstes wieder zumauern lassen.

X Königsberg, 8. Mai.

Nach unserm letzten Bericht sollte man den Hochverräther Friedrich Grünhagen schon im Kerker glauben, unbegreiflicher Weise aber haben die Gerichte seinen derben Protest ruhig hingenommen und im krassen Widerspruche mit den standrechtlichen Gesinnungen unserer Büreaukratie, seine Person trotz der angedrohten Abführung durch Gensd'armen, unangetastet gelassen. Jetzt soll sogar seine Sache von der königl. preußischen Vehme an die Geschworenen abgegeben sein, und der Inkulpat wird nächstens vor den Assisen in Bartenstein Gelegenheit haben, die Revolution hoch leben zu lassen. Gleichzeitig klärt sich die räthselhafte Nachgiebigkeit der unter dem Schutz der Bajonette sonst so muthigen Gerichte auf. Aus drei verschiedenen Dörfern des Friedländer Kreises kamen Anfragen über Grünhagen's augenblickliches Schicksal, mit der Zusicherung, daß für den Fall einer persönlichen Verfolgung, ihm ein Ehrenbesuch von diversen Tausend Landleuten zugedacht wäre. Diese Demonstration hätte Folgen haben können, man unterließ also deren Ursache -- die gewaltsame Festnehmung. Der passive Widerstand ermuthigt den Feind, der aktive macht zittern!

61 Breslau, 10. Mai.

Als die preußischen Lieutenants gewahrten, daß der Straßenkampf kein allgemeiner würde, weil es dazu an allen Vorbereitungen von Seite der Demokratie gebrach, da erhielten im schnarrenden Ton der Uckermark die Patrouillen den Befehl: "Schießt in jedes Fenster, worin ihr Licht seht! -- Ich selbst habe gehört, wie dieser Befehl an der Schweidnitzer Brücke von einem durch seine Soldaten gut gedeckten Lieutenant gegeben wurde. In Folge dessen wurden gerade in den Straßen worin weder eine Barrikade gebaut, noch ein Schuß gefallen war die meisten Menschen in ihren Stuben erschossen. Preußische Kapitän's, selbst ganz außerhalb der Stadt, spielten dort aus Zerstreuung die Wegelagerer. Ich könnte Ihnen Namen solcher nennen, die zu Pferde sitzend anständige Männer, welche in der Dunkelheit vorüberkamen mit gezogenem Degen anfielen, mißhandeln ließen. Alles ohne weitere Veranlassung. In der Nacht des 8. sind einigen Lieutenants ihre Blitzarbeiter, alias Helme, verloren gegangen. Drum finden sich im heutigen Stadtanzeiger lohnende Versprechungen für die Wiederbringer dieser gottbegnadeten Kostbarkeiten. Die Herrn Lieutenants stecken sich jetzt vielfach in das Kostüm der Kanaille, wenn sie ausgehen wollen.

Die hier eingetroffene Landwehr muß antipreußische Gelüste hegen, denn ich sehe sehr oft, daß welche schon darum von Patrouillen auf der Straße arretirt werden, weil sie mit Bürgerkanaille sprechen.

Der Belagerungszustand hat der Schles. Zeitung ungeheuer unter die Arme gegriffen. Man sollte glauben, sie werde von lauter preuß. Lieutenants redigirt, so spricht sie heute! Wenn jemals ein günstiger Moment für die Wahlen gekommen ist, so kam er für uns in den neuesten blutigen Erfahrungen."

Eben höre ich mit Bestimmtheit, daß heute gegen 3000 Russen mit der Eisenbahn von Krakau über Kosel nach Oestreich geschafft worden sind und in den nächsten Tagen ihnen weitere Transporte folgen. Hiermit, mit der Vernichtung Dresdens und mit der jammervollen Expedition der Franzosen in Italien hat die europäische Ehrlosigkeit nun doch gewiß den Kulminationspunkt erreicht.

232 Liegnitz, 9. Mai.

Hier finden starke Truppenbewegungen nach Sachsen hin statt. Meines Dafürhaltens dürften binnen Kurzem Revolutionen unter dem Militär selbst ausbrechen. Die Offiziere zeigten sich in letzter Zeit sehr üppig und dies weckte rachesinnenden Haß: Auch scheint es, als ob das Militär zu begreifen anfängt, um was es geht. Beim Abgange eines der Frühzüge, den der General von Stößer verabschiedete, fing ein Offizier scheidend an: "Es lebe der König!" Die Mannschaften aber riefen: "Es lebe Liegnitz" und "es lebe Sachsen!" Hinterher sangen sie Volkslieder.

Bei uns schießt die Regierung einen Bock nach dem andern. Die alten Räthe wissen sich nicht zu benehmen. In Sarchwitz hat sich die Landwehr gegen die Offiziere beim Abmarsch nach Liegnitz aufgelehnt. Man sagt, die Offiziere hätten sich im trunkenen Zustande auf dem Sammelplatze bewegt und die Leute schikaniren wollen. Leider wurden fünf Landwehrmänner sofort nach

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 297. Köln, Sonntag, den 13. Mai. 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. — Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. — Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. — Nur frankirte Briefe werden angenommen. — Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.

Zweite Ausgabe.

Deutschland.
068 Köln, 13. Mai.

Wir machen unsere Leser auf die letzten Nummern der „Kölnischen Zeitung“ aufmerksam, namentlich auf das Blatt von heute, Sonntag, 13. Mai.

Wohl noch nie ging die „ordinärste Natürlichkeit“ mit der erkauften Gemeinheit so sehr Hand in Hand, als in den letzten Leitartikeln und Korrespondenzen unserer trefflichen Zeitgenossin.

Noch vor wenigen Tagen sahen wir den Eigenthümer der „Kölnischen Zeitung“ Herrn Joseph DuMont, auf dem Kongreß der rheinischen Gemeinderäthe, sich für die gefaßten Beschlüsse rasch erheben. Heute sehen wir denselben Menschen, durch seinen Knecht Brüggemann, in jeder Zeile die brutalste Freude über die verunglückten Emeuten aussprechen, welche eben jene Beschlüsse der rheinischen Gemeinderäthe im Gefolge hatten.

Aber dafür ist die Kölnische Zeitung denn auch so glücklich, den rheinischen Städten, zugleich mit dem Belagerungszustand, als einzige Zeitung octroyirt zu werden.

Wahrlich diesen Städten octroyirt man zu gleicher Zeit Blut und — Schmutz!

12 Düsseldorf, 11. Mai.

Um allen elenden Entstellungen Dumont'scher Zeitungsschmuhl's und pommer'scher Polizeispione zu begegnen, gebe ich Ihnen nachträglich eine zusammenhängende Darstellung der vorgestrigen Vorfälle. Die Einberufung der Landwehr durch das Potsdamer Unterknäsen-Ministerium steigerte die ohnehin vorherrschende Erbitterung gegen das wohlbekannte lügnerische Haus der Hohenzollern. Die Einberufenen fragten sich: gegen wen will man uns gebrauchen? Gegen das Volk, oder im Dienste unseres russischen Caren gegen die Ungarn! Die Elberfelder Landwehr erklärte geradezu, sie würde nicht Folge leisten; diesem Beispiele folgte die hiesige Landwehr wie das ganze bergische und das jülich'sche Land beinahe einstimmig. Elberfeld, als der Hauptpunkt des eigentlichen bergischen Landes, versammelte alle Einberufenen, und man beschloß, auch der Gewalt nicht zu weichen. Eine Abtheilung Militär, ein Bataillon des 16. Rgts., wurde hierauf dorthin beordert; die Truppen wurden in die Stadt bis zur katholischen Kirche gelassen, doch bald verbreitete sich in Düsseldorf das Gerücht, das Militär hätte die Stadt wieder verlassen müssen, das ganze Wupperthal und Bergische habe sich bewaffnet, organisire sich, und hätte einen Sicherheitsausschuß ernannt, der möglicherweise die erste provisorische Regierung der neu zu bildenden rheinischen Republik werden würde.

Diese Nachrichten brachten hier in Düsseldorf, wie leicht vorauszusehen, eine fieberhafte Bewegung hervor. Schon waren am Abend und die Nacht vorher eine Menge eingeforderter Landwehrleute, welche hier eine öffentliche Versammlung gehalten, nach Elberfeld zu ihren Kameraden gereist. Nun zirkulirte am Abende des 9. plötzlich das Gerücht, Elberfeld wünsche von Düsseldorf Unterstützung, wenigstens soweit, daß die Militärkräfte, welche etwa noch kommen könnten, am Rheine zurückgehalten würden. Die Stadt gerieth in Bewegung, einige Gamius benutzten die Gelegenheit, am Rathhaus nach eben geschlossener Gemeinderaths-Sitzung die Fenster einzuwerfen, worauf der Polizeiinspektor Faldern sofort Militär requirirte und den Markt absperren ließ. Beim Anblicke dieser Gewaltmaßregeln begann das Volk mit Blitzesschnelle an allen Punkten der Stadt Barrikaden zu errichten; die ganze innere Stadt war in der kürzesten Zeit damit beschäftigt, ohne daß an eine planmäßige Vertheidigung von Seiten der unvorbereiteten waffenlosen Bürgerschaft zu denken war. Die Volksmenge aber wuchs mit jedem Moment und bei der Erregung vor den eingesehenen Anstalten wurde ein Konflikt unvermeidlich.

Gegen halb 10 Uhr wurde die erste Salve auf das Volk am „Hundrücken“ gegeben, und nun begann auch die Gegenwehr sich durch Feuer geltend zu machen. Außer der Masse schreiender und unbewaffneter Bürger war die Zahl der wirklich am Kampf theilnehmenden Arbeiter über alle Maßen gering. Die Letzteren aber vertheidigten sich, je mehr sie sich vereinzelt sahen, mit desto größerer Wuth und Entschlossenheit.

Gegen 11 Uhr donnerten die Kanonen zum erstenmale, und von jetzt ab hielt das Gewehrfeuer bis gegen Morgens an, um welche Zeit abermals die Kanonen ihr Feuer begannen. Die ganze Nacht über wurde ununterbrochen Sturm geläutet, Zuzüge erschienen von draußen, und nahmen an dem Kampfe Theil.

Gegen 6 Uhr Morgens (am 10.) bemächtigte sich das Militär der ersten ganz vertheidigungslosen Barrikade in der Natingerstraße und nun begann ein infames hinterlistiges Morden von Seiten des Militärs, wie es selbst die Kroaten in Wien nicht getrieben haben. Die mehrsten Opfer der Bürger fielen erst nach Aufhören des Kampfes! Auf Alles wurde geschossen, was sich am Fenster oder auf der Straße zeigte; so fiel ein 66jähriger Mann, weil er seine Fensterladen aufmachen wollte. Heute Mittag um 12 Uhr noch wurde in der Allee ein Arbeiter, der ruhig von der Arbeit nach Hause zum Essen gehen wollte, hinterrücks niedergeschossen. Als gestern Morgen ein Dienstmädchen über den Rathhausplatz ging, legte ein Unteroffizier dieser Räuberbande ganz kaltblütig sein Gewehr auf eine Karre, zielte 2 Minuten und schoß mit echt preußischer Feigheit das wehrlose Mädchen zusammen. Die Kroaten sind Stümper gegen das „herrliche Kriegsheer“ des im März so feigen, hinter russischen Bajonetten so „starken“ Potsdamer Unterknäs!

Bis jetzt rechnet man gegen 16 todte Bürger, von denen nur 4 oder 5 in offenem Kampfe gefallen sind, die andern alle von den Hohenzollern'schen Mordhunden gemeuchelt! Der Verlust des Militärs ist trotzdem bedeutend größer; erst diese Nacht fuhr man zwei Karren Leichen aus dem Residenzgebäude. Es sind außer dem Adjutanten des Generals sicher 50 Soldaten geblieben; doch gibt man sich die größte Mühe, den Verlust zu verheimlichen; man gibt nur Verwundete an, obgleich wir Augenzeugen sprachen, welche die Todten gezählt. Daß uns das Standrecht proklamirt, die Zeitungen verboten etc. kann Sie unter dem, nach dem Einmarsch der Russen plötzlich wieder erstarkten feigen Hohenzollern nicht wundern.

Für den Augenblick ist dumpfe Ruhe, man hofft auf Elberfeld. Letzteres soll vortrefflich verbarrikadirt und durch Zuzug bereits zur Bildung einer förmlichen Armee, die außerhalb operiren kann, erstarkt sein. Das ganze Bergische Land ist in offenem Aufstand und ein spanischer Guerillakrieg durch die Oertlichkeit hier mehr als anderswo zu hoffen. Die Fahrten der Eisenbahn sind ununterbrochen, die Stationen jedoch überall von den Insurgenten bewacht.

N. S. Welche Erbitterung hier gegen die Hohenzollern'sche Henkerwirthschaft herrscht, mögen Sie aus folgendem entnehmen. Ein neunjähriger Knabe, über die verübten Bestialitäten empört, hatte sich geschworen, den ersten Soldaten, der ihm auf der Straße begegne, niederzuschießen. Mit einer Pistole versehen ging er aus seinem elterlichen Haus, als eben ein Picket Uhlanen durch die Straße ritt; das Kind tritt dicht an die Pferde, schießt in der That einen Soldaten vom Pferde, und stürzt auch gleich darauf von Schüssen und Lanzenstichen durchbohrt zur Erde!

Düsseldorf, 11. Mai.

Der hiesige Gemeinderath, der sich in Permanenz erklärt hat, hat heute auf das Entschiedenste gegen die Anordnungen der Militärbehörde, die Verhängung des Belagerungszustandes überhaupt sowie namentlich gegen die Maßregel, daß die Düsseldorfer Zeitung und einige andere Blätter in hiesiger Gemeinde nicht ausgegeben werden sollen, und auch gegen die Publikation des Standrechts als durchaus ungesetzlich, protestirt. Es wurde dabei beschlossen, daß der vorstehende Beschluß sowohl dem Regierungspräsidium als dem Divisions-Kommando zugestellt und öffentlich bekannt gemacht werden solle.

(D. Z.)
15 Elberfeld, 12. Mai.

Wenig Neues ist von hieraus zu berichten. Nur so viel kann ich Ihnen mittheilen, daß an unsern Barrikaden eifrig gearbeitet worden ist, und daß man die ganze Stadt in Brand schießen muß, ehe sich die Einwohner ergeben. Einige bald beseitigte Ruhestörungen abgerechnet, leben wir hier im tiefsten bewaffneten Frieden, der schon anfing, langweilig zu werden, als heute von Solingen eine Kompagnie junger Mädchen eintraf, die mit Messern und Pistolen ausgerüstet, sich in die Reihen der Barrikadenkämpfer enroliren ließen.

Der Entschluß der Bevölkerung bleibt derselbe. Man wird dem allenfalls herrannahenden Militär die Stirn bieten, und man verläßt sich darauf, daß die übrigen Städte der Rheinprovinz dies energische Auftreten der Bevölkerung des Wupperthales zu würdigen wissen werden.

Paderborn, 9. Mai.

Die Einkleidung hat begonnen. Heute sind vorerst die Landwehrmänner aus Paderborn und der nächsten Umgegend einberufen. Diese traten heute Nachmittag zusammen, um den Theil ihrer Kleidungsstücke, der nicht schon am Morgen ertheilt, in Empfang zu nehmen. Die Erbitterung, die sich schon am Morgen in vielfacher Weise, jedoch mehr in Privatgesprächen und Lebehochs auf die Demokratie, kundgegeben, kam am Nachmittage zum Ausbruch. Ein Landwehrmann erging sich in lauten und ziemlich derben Ausdrücken über die Ungesetzlichkeit der Einberufung der Landwehr, — über die vielen Ungerechtigkeiten, die außerdem vorgekommen, — daß man grundlose Reklamationen berücksichtiget, begründete dagegen unberücksichtigt gelassen habe. Er ließ sich dabei, nachdem er sich einmal in die Hitze geredet und bei den Umstehenden lauten Beifall geerndtet hatte, einige unhöfliche Erwiderungen gegen einen der Offiziere, der ihn zur Ruhe ermahnen wollte, zu Schulden kommen. Da trat der Major auf ihn zu, fuhr ihn hart an und gab — als er auf die Aufforderung, still zu schweigen, sich nicht gleich zur Ruhe bringen ließ, — den Befehl zu seiner Arretirung. Das rief einen tobenden Ausbruch des Unwillens hervor. Sämmtliche Landwehrmänner verließen ihre Reihen, drängten sich um den Major und: „Kein Arrest! Keinen Landwehrmann arretirt!“ erscholl drohend aus Aller Munde. Der Major nahm mit sauersüßem Lächeln den Befehl zur Abführung zurück. Wahrlich, er mochte sich glücklich preisen, daß er es gethan hat; denn er konnte bei den drohenden Mienen und Stellungen der Leute das Schlimmste erwarten. Die Disciplin war vernichtet. Ein anderer Landwehrmann trat vor und sprach mit erhobener Stimme: Warum sind wir einberufen, Herr Major, Krieg haben wir nicht. Die Uebung ist uns geschenkt. Sollen wir vielleicht auf unsere Väter und Brüder schießen? oder gegen das Volk? Hierzu werden wir uns nicht gebrauchen lassen.“

Ein freudiger Jubel begleitete die Rede; der Herr Landwehrmajor wußte nichts Anderes zu erwiedern, als:

er wisse selbst noch nicht, wozu die Landwehr verwendet werden solle — die Herrn Redner schienen ihm sehr kluge Leute zu sein, die aber wahrscheinlich ihre Weisheit anderswoher, als aus ihrem eigenen Kopfe geholt, was seiner Zeit schon an's Tageslicht kommen werde.

Erneuter höhnischer Jubel folgte diesen Worten.

Heute Abend fraternisirte die Landwehr mit dem Volke. So viel ist sicher, daß sich die Landwehr nicht zu volksfeindlichen Zwecken mißbrauchen läßt. Hierfür sprechen die fortwährenden Lebehochs auf die Demokratie, auf Kossuth und die Ungarn, — Es heißt, dieselbe würde die Stadt unter keiner Bedingung verlassen.

(Westph. Z.)
120 Berlin, 11. Mai.

Jeden Morgen ist Versammlung auf dem Schlosse beim General Wrangel. Zu den dort ausgegebenen Tagesbefehlen des „Oberbefehlshabers der Marken“ gehören auch die Aufträge an höhere Stabsoffiziere, einzelne Stadt-Reviere in Civilkleidern! zu beobachten. Jeder Oberst erhält an jedem Tag ein Stadtrevier zugetheilt und nach dem erstatteten Bericht werden am andern Morgen die Tagesbefehle ausgegeben. — Diese Herren kriechen nun in schlechten Röcken, die Mütze in die Augen gedrückt, einen Knüppel in der Hand, überall umher, oder gehen verwogen über die Straßen; so daß man sie, wenn man sie nicht kennte, für baronisirende Rehberger halten müßte. Wenn Sie, Hr. Wrangel, sich jedoch wundern sollten, woher wir wissen, was beim Appell Ihres Stabes vorgeht, so dienen Ihnenzur Nachricht, daß wir noch ganz andere Dinge zur geeigneten Zeit erzählen werden.

Das königliche Palais unter den Linden, das von Wrangel'schen Ordonanzen und anderen Truppen bewohnt ist — (und, beiläufig bemerkt, auch als Wrangel'scher Pferdestall dient, leider aber nur 1 oder 2 dieser edlen Thiere zu beherbergen hat, da der Herr General die übrigen vor einiger Zeit verkaufen mußte) — gränzt mit seinem Hofe an die Gebäude der Niederlag- und Rosenstraße, welche zwar hochemporragende Giebel, aber keine Fenster nach dem Hofe des königl. Palais haben. In einem dieser Giebel wurden nun vor einigen Tagen von den Bewohnern Schießlöcher durchgebrochen, dem Militär aber verrathen, da Nachts um 11 Uhr durch unvorsichtige Arbeit ein Stein herab auf den Hof des Palais fiel und großes Geräusch machte. Wrangel hat dies Loch vermittelst eines hohen Gerüstes wieder zumauern lassen.

X Königsberg, 8. Mai.

Nach unserm letzten Bericht sollte man den Hochverräther Friedrich Grünhagen schon im Kerker glauben, unbegreiflicher Weise aber haben die Gerichte seinen derben Protest ruhig hingenommen und im krassen Widerspruche mit den standrechtlichen Gesinnungen unserer Büreaukratie, seine Person trotz der angedrohten Abführung durch Gensd'armen, unangetastet gelassen. Jetzt soll sogar seine Sache von der königl. preußischen Vehme an die Geschworenen abgegeben sein, und der Inkulpat wird nächstens vor den Assisen in Bartenstein Gelegenheit haben, die Revolution hoch leben zu lassen. Gleichzeitig klärt sich die räthselhafte Nachgiebigkeit der unter dem Schutz der Bajonette sonst so muthigen Gerichte auf. Aus drei verschiedenen Dörfern des Friedländer Kreises kamen Anfragen über Grünhagen's augenblickliches Schicksal, mit der Zusicherung, daß für den Fall einer persönlichen Verfolgung, ihm ein Ehrenbesuch von diversen Tausend Landleuten zugedacht wäre. Diese Demonstration hätte Folgen haben können, man unterließ also deren Ursache — die gewaltsame Festnehmung. Der passive Widerstand ermuthigt den Feind, der aktive macht zittern!

61 Breslau, 10. Mai.

Als die preußischen Lieutenants gewahrten, daß der Straßenkampf kein allgemeiner würde, weil es dazu an allen Vorbereitungen von Seite der Demokratie gebrach, da erhielten im schnarrenden Ton der Uckermark die Patrouillen den Befehl: „Schießt in jedes Fenster, worin ihr Licht seht! — Ich selbst habe gehört, wie dieser Befehl an der Schweidnitzer Brücke von einem durch seine Soldaten gut gedeckten Lieutenant gegeben wurde. In Folge dessen wurden gerade in den Straßen worin weder eine Barrikade gebaut, noch ein Schuß gefallen war die meisten Menschen in ihren Stuben erschossen. Preußische Kapitän's, selbst ganz außerhalb der Stadt, spielten dort aus Zerstreuung die Wegelagerer. Ich könnte Ihnen Namen solcher nennen, die zu Pferde sitzend anständige Männer, welche in der Dunkelheit vorüberkamen mit gezogenem Degen anfielen, mißhandeln ließen. Alles ohne weitere Veranlassung. In der Nacht des 8. sind einigen Lieutenants ihre Blitzarbeiter, alias Helme, verloren gegangen. Drum finden sich im heutigen Stadtanzeiger lohnende Versprechungen für die Wiederbringer dieser gottbegnadeten Kostbarkeiten. Die Herrn Lieutenants stecken sich jetzt vielfach in das Kostüm der Kanaille, wenn sie ausgehen wollen.

Die hier eingetroffene Landwehr muß antipreußische Gelüste hegen, denn ich sehe sehr oft, daß welche schon darum von Patrouillen auf der Straße arretirt werden, weil sie mit Bürgerkanaille sprechen.

Der Belagerungszustand hat der Schles. Zeitung ungeheuer unter die Arme gegriffen. Man sollte glauben, sie werde von lauter preuß. Lieutenants redigirt, so spricht sie heute! Wenn jemals ein günstiger Moment für die Wahlen gekommen ist, so kam er für uns in den neuesten blutigen Erfahrungen.“

Eben höre ich mit Bestimmtheit, daß heute gegen 3000 Russen mit der Eisenbahn von Krakau über Kosel nach Oestreich geschafft worden sind und in den nächsten Tagen ihnen weitere Transporte folgen. Hiermit, mit der Vernichtung Dresdens und mit der jammervollen Expedition der Franzosen in Italien hat die europäische Ehrlosigkeit nun doch gewiß den Kulminationspunkt erreicht.

232 Liegnitz, 9. Mai.

Hier finden starke Truppenbewegungen nach Sachsen hin statt. Meines Dafürhaltens dürften binnen Kurzem Revolutionen unter dem Militär selbst ausbrechen. Die Offiziere zeigten sich in letzter Zeit sehr üppig und dies weckte rachesinnenden Haß: Auch scheint es, als ob das Militär zu begreifen anfängt, um was es geht. Beim Abgange eines der Frühzüge, den der General von Stößer verabschiedete, fing ein Offizier scheidend an: „Es lebe der König!“ Die Mannschaften aber riefen: „Es lebe Liegnitz“ und „es lebe Sachsen!“ Hinterher sangen sie Volkslieder.

Bei uns schießt die Regierung einen Bock nach dem andern. Die alten Räthe wissen sich nicht zu benehmen. In Sarchwitz hat sich die Landwehr gegen die Offiziere beim Abmarsch nach Liegnitz aufgelehnt. Man sagt, die Offiziere hätten sich im trunkenen Zustande auf dem Sammelplatze bewegt und die Leute schikaniren wollen. Leider wurden fünf Landwehrmänner sofort nach

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        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>No 297. Köln, Sonntag, den 13. Mai. 1849.</docDate>
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        <p>Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. &#x2014; Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.</p>
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        <p>Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. &#x2014; Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. &#x2014; Nur frankirte Briefe werden angenommen. &#x2014; Expedition in Aachen bei <hi rendition="#g">Ernst ter Meer</hi>; in Düsseldorf bei F. W. <hi rendition="#g">Schmitz,</hi> Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.</p>
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        <p>Zweite Ausgabe.</p>
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        <head>Deutschland.</head>
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          <head><bibl><author>068</author></bibl> Köln, 13. Mai.</head>
          <p>Wir machen unsere Leser auf die letzten Nummern der &#x201E;<hi rendition="#g">Kölnischen Zeitung</hi>&#x201C; aufmerksam, namentlich auf das Blatt von heute, Sonntag, 13. Mai.</p>
          <p>Wohl noch nie ging die &#x201E;<hi rendition="#g">ordinärste Natürlichkeit</hi>&#x201C; mit der <hi rendition="#g">erkauften Gemeinheit</hi> so sehr Hand in Hand, als in den letzten Leitartikeln und Korrespondenzen unserer trefflichen Zeitgenossin.</p>
          <p>Noch vor wenigen Tagen sahen wir den <hi rendition="#g">Eigenthümer der &#x201E;Kölnischen Zeitung&#x201C; Herrn Joseph DuMont,</hi> auf dem Kongreß der rheinischen Gemeinderäthe, sich für die gefaßten Beschlüsse rasch erheben. Heute sehen wir denselben Menschen, durch seinen Knecht Brüggemann, in jeder Zeile die brutalste Freude über die verunglückten Emeuten aussprechen, welche eben jene Beschlüsse der rheinischen Gemeinderäthe im Gefolge hatten.</p>
          <p>Aber dafür ist die <hi rendition="#g">Kölnische Zeitung</hi> denn auch so glücklich, den rheinischen Städten, zugleich mit dem Belagerungszustand, als einzige Zeitung <hi rendition="#g">octroyirt</hi> zu werden.</p>
          <p>Wahrlich diesen Städten octroyirt man zu gleicher Zeit <hi rendition="#g">Blut und &#x2014; <hi rendition="#b">Schmutz!</hi> </hi> </p>
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        <div xml:id="ar297-2_002" type="jArticle">
          <head><bibl><author>12</author></bibl> Düsseldorf, 11. Mai.</head>
          <p>Um allen elenden Entstellungen Dumont'scher Zeitungsschmuhl's und pommer'scher Polizeispione zu begegnen, gebe ich Ihnen nachträglich eine zusammenhängende Darstellung der vorgestrigen Vorfälle. Die Einberufung der Landwehr durch das Potsdamer Unterknäsen-Ministerium steigerte die ohnehin vorherrschende Erbitterung gegen das wohlbekannte lügnerische Haus der Hohenzollern. Die Einberufenen fragten sich: gegen wen will man uns gebrauchen? Gegen das Volk, oder im Dienste unseres russischen Caren gegen die Ungarn! Die Elberfelder Landwehr erklärte geradezu, sie würde nicht Folge leisten; diesem Beispiele folgte die hiesige Landwehr wie das ganze bergische und das jülich'sche Land beinahe einstimmig. Elberfeld, als der Hauptpunkt des eigentlichen bergischen Landes, versammelte alle Einberufenen, und man beschloß, auch der Gewalt nicht zu weichen. Eine Abtheilung Militär, ein Bataillon des 16. Rgts., wurde hierauf dorthin beordert; die Truppen wurden in die Stadt bis zur katholischen Kirche gelassen, doch bald verbreitete sich in Düsseldorf das Gerücht, das Militär hätte die Stadt wieder verlassen müssen, das ganze Wupperthal und Bergische habe sich bewaffnet, organisire sich, und hätte einen Sicherheitsausschuß ernannt, der möglicherweise die erste provisorische Regierung der neu zu bildenden rheinischen Republik werden würde.</p>
          <p>Diese Nachrichten brachten hier in Düsseldorf, wie leicht vorauszusehen, eine fieberhafte Bewegung hervor. Schon waren am Abend und die Nacht vorher eine Menge eingeforderter Landwehrleute, welche hier eine öffentliche Versammlung gehalten, nach Elberfeld zu ihren Kameraden gereist. Nun zirkulirte am Abende des 9. plötzlich das Gerücht, Elberfeld wünsche von Düsseldorf Unterstützung, wenigstens soweit, daß die Militärkräfte, welche etwa noch kommen könnten, am Rheine zurückgehalten würden. Die Stadt gerieth in Bewegung, einige Gamius benutzten die Gelegenheit, am Rathhaus nach eben geschlossener Gemeinderaths-Sitzung die Fenster einzuwerfen, worauf der Polizeiinspektor Faldern sofort Militär requirirte und den Markt absperren ließ. Beim Anblicke dieser Gewaltmaßregeln begann das Volk mit Blitzesschnelle an allen Punkten der Stadt Barrikaden zu errichten; die ganze innere Stadt war in der kürzesten Zeit damit beschäftigt, ohne daß an eine planmäßige Vertheidigung von Seiten der unvorbereiteten waffenlosen Bürgerschaft zu denken war. Die Volksmenge aber wuchs mit jedem Moment und bei der Erregung vor den eingesehenen Anstalten wurde ein Konflikt unvermeidlich.</p>
          <p>Gegen halb 10 Uhr wurde die erste Salve auf das Volk am &#x201E;Hundrücken&#x201C; gegeben, und nun begann auch die Gegenwehr sich durch Feuer geltend zu machen. Außer der Masse schreiender und unbewaffneter Bürger war die Zahl der wirklich am Kampf theilnehmenden Arbeiter über alle Maßen gering. Die Letzteren aber vertheidigten sich, je mehr sie sich vereinzelt sahen, mit desto größerer Wuth und Entschlossenheit.</p>
          <p>Gegen 11 Uhr donnerten die Kanonen zum erstenmale, und von jetzt ab hielt das Gewehrfeuer bis gegen Morgens an, um welche Zeit abermals die Kanonen ihr Feuer begannen. Die ganze Nacht über wurde ununterbrochen Sturm geläutet, Zuzüge erschienen von draußen, und nahmen an dem Kampfe Theil.</p>
          <p>Gegen 6 Uhr Morgens (am 10.) bemächtigte sich das Militär der ersten ganz vertheidigungslosen Barrikade in der Natingerstraße und nun begann ein infames hinterlistiges Morden von Seiten des Militärs, wie es selbst die Kroaten in Wien nicht getrieben haben. Die mehrsten Opfer der Bürger fielen erst <hi rendition="#g">nach Aufhören des Kampfes!</hi> Auf Alles wurde geschossen, was sich am Fenster oder auf der Straße zeigte; so fiel ein 66jähriger Mann, weil er seine Fensterladen aufmachen wollte. Heute Mittag um 12 Uhr noch wurde <hi rendition="#g">in der Allee</hi> ein Arbeiter, der ruhig von der Arbeit nach Hause zum Essen gehen wollte, hinterrücks niedergeschossen. Als gestern Morgen ein Dienstmädchen über den Rathhausplatz ging, legte ein Unteroffizier dieser Räuberbande ganz kaltblütig sein Gewehr auf eine Karre, zielte 2 Minuten und schoß mit echt preußischer Feigheit das wehrlose Mädchen zusammen. Die Kroaten sind Stümper gegen das &#x201E;herrliche Kriegsheer&#x201C; des im März so feigen, hinter russischen Bajonetten so &#x201E;starken&#x201C; Potsdamer Unterknäs!</p>
          <p>Bis jetzt rechnet man gegen 16 todte Bürger, von denen nur 4 oder 5 in offenem Kampfe gefallen sind, die andern alle von den Hohenzollern'schen Mordhunden gemeuchelt! Der Verlust des Militärs ist trotzdem bedeutend größer; erst diese Nacht fuhr man zwei Karren Leichen aus dem Residenzgebäude. Es sind außer dem Adjutanten des Generals sicher 50 Soldaten geblieben; doch gibt man sich die größte Mühe, den Verlust zu verheimlichen; man gibt nur Verwundete an, obgleich wir Augenzeugen sprachen, welche die Todten gezählt. Daß uns das Standrecht proklamirt, die Zeitungen verboten etc. kann Sie unter dem, nach dem Einmarsch der Russen plötzlich wieder erstarkten feigen Hohenzollern nicht wundern.</p>
          <p>Für den Augenblick ist dumpfe Ruhe, man hofft auf Elberfeld. Letzteres soll vortrefflich verbarrikadirt und durch Zuzug bereits zur Bildung einer förmlichen Armee, die außerhalb operiren kann, erstarkt sein. <hi rendition="#g">Das ganze Bergische Land ist in offenem Aufstand und ein spanischer Guerillakrieg durch die Oertlichkeit hier mehr als anderswo zu hoffen</hi>. Die Fahrten der Eisenbahn sind ununterbrochen, die Stationen jedoch überall von den Insurgenten bewacht.</p>
          <p>N. S. Welche Erbitterung hier gegen die Hohenzollern'sche Henkerwirthschaft herrscht, mögen Sie aus folgendem entnehmen. Ein neunjähriger Knabe, über die verübten Bestialitäten empört, hatte sich geschworen, den ersten Soldaten, der ihm auf der Straße begegne, niederzuschießen. Mit einer Pistole versehen ging er aus seinem elterlichen Haus, als eben ein Picket Uhlanen durch die Straße ritt; das Kind tritt dicht an die Pferde, schießt in der That einen Soldaten vom Pferde, und stürzt auch gleich darauf von Schüssen und Lanzenstichen durchbohrt zur Erde!</p>
        </div>
        <div xml:id="ar297-2_003" type="jArticle">
          <head>Düsseldorf, 11. Mai.</head>
          <p>Der hiesige Gemeinderath, der sich in Permanenz erklärt hat, hat heute auf das Entschiedenste gegen die Anordnungen der Militärbehörde, die Verhängung des Belagerungszustandes überhaupt sowie namentlich gegen die Maßregel, daß die Düsseldorfer Zeitung und einige andere Blätter in hiesiger Gemeinde nicht ausgegeben werden sollen, und auch gegen die Publikation des Standrechts als durchaus ungesetzlich, protestirt. Es wurde dabei beschlossen, daß der vorstehende Beschluß sowohl dem Regierungspräsidium als dem Divisions-Kommando zugestellt und öffentlich bekannt gemacht werden solle.</p>
          <bibl>(D. Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar297-2_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>15</author></bibl> Elberfeld, 12. Mai.</head>
          <p>Wenig Neues ist von hieraus zu berichten. Nur so viel kann ich Ihnen mittheilen, daß an unsern Barrikaden eifrig gearbeitet worden ist, und daß man die ganze Stadt in Brand schießen muß, ehe sich die Einwohner ergeben. Einige bald beseitigte Ruhestörungen abgerechnet, leben wir hier im tiefsten bewaffneten Frieden, der schon anfing, langweilig zu werden, als heute von Solingen eine Kompagnie junger Mädchen eintraf, die mit Messern und Pistolen ausgerüstet, sich in die Reihen der Barrikadenkämpfer enroliren ließen.</p>
          <p>Der Entschluß der Bevölkerung bleibt derselbe. Man wird dem allenfalls herrannahenden Militär die Stirn bieten, und man verläßt sich darauf, daß die übrigen Städte der Rheinprovinz dies energische Auftreten der Bevölkerung des Wupperthales zu würdigen wissen werden.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar297-2_005" type="jArticle">
          <head>Paderborn, 9. Mai.</head>
          <p>Die Einkleidung hat begonnen. Heute sind vorerst die Landwehrmänner aus Paderborn und der nächsten Umgegend einberufen. Diese traten heute Nachmittag zusammen, um den Theil ihrer Kleidungsstücke, der nicht schon am Morgen ertheilt, in Empfang zu nehmen. Die Erbitterung, die sich schon am Morgen in vielfacher Weise, jedoch mehr in Privatgesprächen und Lebehochs auf die Demokratie, kundgegeben, kam am Nachmittage zum Ausbruch. Ein Landwehrmann erging sich in lauten und ziemlich derben Ausdrücken über die Ungesetzlichkeit der Einberufung der Landwehr, &#x2014; über die vielen Ungerechtigkeiten, die außerdem vorgekommen, &#x2014; daß man grundlose Reklamationen berücksichtiget, begründete dagegen unberücksichtigt gelassen habe. Er ließ sich dabei, nachdem er sich einmal in die Hitze geredet und bei den Umstehenden lauten Beifall geerndtet hatte, einige unhöfliche Erwiderungen gegen einen der Offiziere, der ihn zur Ruhe ermahnen wollte, zu Schulden kommen. Da trat der Major auf ihn zu, fuhr ihn hart an und gab &#x2014; als er auf die Aufforderung, still zu schweigen, sich nicht gleich zur Ruhe bringen ließ, &#x2014; den Befehl zu seiner Arretirung. Das rief einen tobenden Ausbruch des Unwillens hervor. Sämmtliche Landwehrmänner verließen ihre Reihen, drängten sich um den Major und: &#x201E;Kein Arrest! Keinen Landwehrmann arretirt!&#x201C; erscholl drohend aus Aller Munde. Der Major nahm mit sauersüßem Lächeln den Befehl zur Abführung zurück. Wahrlich, er mochte sich glücklich preisen, daß er es gethan hat; denn er konnte bei den drohenden Mienen und Stellungen der Leute das Schlimmste erwarten. Die Disciplin war vernichtet. Ein anderer Landwehrmann trat vor und sprach mit erhobener Stimme: Warum sind wir einberufen, Herr Major, Krieg haben wir nicht. Die Uebung ist uns geschenkt. Sollen wir vielleicht auf unsere Väter und Brüder schießen? oder gegen das Volk? Hierzu werden wir uns nicht gebrauchen lassen.&#x201C;</p>
          <p>Ein freudiger Jubel begleitete die Rede; der Herr Landwehrmajor wußte nichts Anderes zu erwiedern, als:</p>
          <p rendition="#et">er wisse selbst noch nicht, wozu die Landwehr verwendet werden solle &#x2014; die Herrn Redner schienen ihm sehr kluge Leute zu sein, die aber wahrscheinlich ihre Weisheit anderswoher, als aus ihrem eigenen Kopfe geholt, was seiner Zeit schon an's Tageslicht kommen werde.</p>
          <p>Erneuter höhnischer Jubel folgte diesen Worten.</p>
          <p>Heute Abend fraternisirte die Landwehr mit dem Volke. So viel ist sicher, daß sich die Landwehr nicht zu volksfeindlichen Zwecken mißbrauchen läßt. Hierfür sprechen die fortwährenden Lebehochs auf die Demokratie, auf Kossuth und die Ungarn, &#x2014; Es heißt, dieselbe würde die Stadt unter keiner Bedingung verlassen.</p>
          <bibl>(Westph. Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar297-2_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>120</author></bibl> Berlin, 11. Mai.</head>
          <p>Jeden Morgen ist Versammlung auf dem Schlosse beim General <hi rendition="#g">Wrangel</hi>. Zu den dort ausgegebenen Tagesbefehlen des &#x201E;Oberbefehlshabers der Marken&#x201C; gehören auch die Aufträge an höhere Stabsoffiziere, einzelne Stadt-Reviere in <hi rendition="#g">Civilkleidern</hi>! zu beobachten. Jeder <hi rendition="#g">Oberst</hi> erhält an jedem Tag ein Stadtrevier zugetheilt und nach dem erstatteten Bericht werden am andern Morgen die Tagesbefehle ausgegeben. &#x2014; Diese Herren kriechen nun in schlechten Röcken, die Mütze in die Augen gedrückt, einen Knüppel in der Hand, überall umher, oder gehen verwogen über die Straßen; so daß man sie, wenn man sie nicht kennte, für baronisirende Rehberger halten müßte. Wenn Sie, Hr. Wrangel, sich jedoch wundern sollten, woher wir wissen, was beim Appell Ihres Stabes vorgeht, so dienen Ihnenzur Nachricht, daß wir noch ganz andere Dinge zur geeigneten Zeit erzählen werden.</p>
          <p>Das königliche Palais unter den Linden, das von Wrangel'schen Ordonanzen und anderen Truppen bewohnt ist &#x2014; (und, beiläufig bemerkt, auch als Wrangel'scher Pferdestall dient, leider aber nur 1 oder 2 dieser edlen Thiere zu beherbergen hat, da der Herr General die übrigen vor einiger Zeit verkaufen mußte) &#x2014; gränzt mit seinem Hofe an die Gebäude der Niederlag- und Rosenstraße, welche zwar hochemporragende Giebel, aber keine Fenster nach dem Hofe des königl. Palais haben. In einem dieser Giebel wurden nun vor einigen Tagen von den Bewohnern <hi rendition="#g">Schießlöcher</hi> durchgebrochen, dem Militär aber verrathen, da Nachts um 11 Uhr durch unvorsichtige Arbeit ein Stein herab auf den Hof des Palais fiel und großes Geräusch machte. <hi rendition="#g">Wrangel</hi> hat dies Loch vermittelst eines hohen Gerüstes wieder zumauern lassen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar297-2_007" type="jArticle">
          <head><bibl><author>X</author></bibl> Königsberg, 8. Mai.</head>
          <p>Nach unserm letzten Bericht sollte man den Hochverräther Friedrich Grünhagen schon im Kerker glauben, unbegreiflicher Weise aber haben die Gerichte seinen derben Protest ruhig hingenommen und im krassen Widerspruche mit den standrechtlichen Gesinnungen unserer Büreaukratie, seine Person trotz der angedrohten Abführung durch Gensd'armen, unangetastet gelassen. Jetzt soll sogar seine Sache von der königl. preußischen Vehme an die Geschworenen abgegeben sein, und der Inkulpat wird nächstens vor den Assisen in Bartenstein Gelegenheit haben, die Revolution hoch leben zu lassen. Gleichzeitig klärt sich die räthselhafte Nachgiebigkeit der unter dem Schutz der Bajonette sonst so muthigen Gerichte auf. Aus drei verschiedenen Dörfern des Friedländer Kreises kamen Anfragen über Grünhagen's augenblickliches Schicksal, mit der Zusicherung, daß für den Fall einer persönlichen Verfolgung, ihm ein Ehrenbesuch von diversen Tausend Landleuten zugedacht wäre. Diese Demonstration hätte Folgen haben können, man unterließ also deren Ursache &#x2014; die gewaltsame Festnehmung. Der passive Widerstand ermuthigt den Feind, der aktive macht zittern!</p>
        </div>
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          <head><bibl><author>61</author></bibl> Breslau, 10. Mai.</head>
          <p>Als die preußischen Lieutenants gewahrten, daß der Straßenkampf kein allgemeiner würde, weil es dazu an allen Vorbereitungen von Seite der Demokratie gebrach, da erhielten im schnarrenden Ton der Uckermark die Patrouillen den Befehl: &#x201E;Schießt in jedes Fenster, worin ihr Licht seht! &#x2014; Ich selbst habe gehört, wie dieser Befehl an der Schweidnitzer Brücke von einem durch seine Soldaten gut gedeckten Lieutenant gegeben wurde. In Folge dessen wurden gerade in den Straßen worin weder eine Barrikade gebaut, noch ein Schuß gefallen war die meisten Menschen in ihren Stuben erschossen. Preußische Kapitän's, selbst ganz außerhalb der Stadt, spielten dort aus Zerstreuung die Wegelagerer. Ich könnte Ihnen Namen solcher nennen, die zu Pferde sitzend anständige Männer, welche in der Dunkelheit vorüberkamen mit gezogenem Degen anfielen, mißhandeln ließen. Alles ohne weitere Veranlassung. In der Nacht des 8. sind einigen Lieutenants ihre Blitzarbeiter, alias Helme, verloren gegangen. Drum finden sich im heutigen Stadtanzeiger lohnende Versprechungen für die Wiederbringer dieser gottbegnadeten Kostbarkeiten. Die Herrn Lieutenants stecken sich jetzt vielfach in das Kostüm der Kanaille, wenn sie ausgehen wollen.</p>
          <p>Die hier eingetroffene Landwehr muß antipreußische Gelüste hegen, denn ich sehe sehr oft, daß welche schon darum von Patrouillen auf der Straße arretirt werden, weil sie mit Bürgerkanaille sprechen.</p>
          <p>Der Belagerungszustand hat der Schles. Zeitung ungeheuer unter die Arme gegriffen. Man sollte glauben, sie werde von lauter preuß. Lieutenants redigirt, so spricht sie heute! Wenn jemals ein günstiger Moment für die Wahlen gekommen ist, so kam er für uns in den neuesten blutigen Erfahrungen.&#x201C;</p>
          <p>Eben höre ich mit Bestimmtheit, daß heute gegen 3000 Russen mit der Eisenbahn von Krakau über Kosel nach Oestreich geschafft worden sind und in den nächsten Tagen ihnen weitere Transporte folgen. Hiermit, mit der Vernichtung Dresdens und mit der jammervollen Expedition der Franzosen in Italien hat die europäische Ehrlosigkeit nun doch gewiß den Kulminationspunkt erreicht.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar297-2_009" type="jArticle">
          <head><bibl><author>232</author></bibl> Liegnitz, 9. Mai.</head>
          <p>Hier finden starke Truppenbewegungen nach Sachsen hin statt. Meines Dafürhaltens dürften binnen Kurzem Revolutionen unter dem Militär selbst ausbrechen. Die Offiziere zeigten sich in letzter Zeit sehr üppig und dies weckte rachesinnenden Haß: Auch scheint es, als ob das Militär zu begreifen anfängt, um was es geht. Beim Abgange eines der Frühzüge, den der General von Stößer verabschiedete, fing ein Offizier scheidend an: &#x201E;Es lebe der König!&#x201C; Die Mannschaften aber riefen: &#x201E;Es lebe Liegnitz&#x201C; und &#x201E;es lebe Sachsen!&#x201C; Hinterher sangen sie Volkslieder.</p>
          <p>Bei uns schießt die Regierung einen Bock nach dem andern. Die alten Räthe wissen sich nicht zu benehmen. In Sarchwitz hat sich die Landwehr gegen die Offiziere beim Abmarsch nach Liegnitz aufgelehnt. Man sagt, die Offiziere hätten sich im trunkenen Zustande auf dem Sammelplatze bewegt und die Leute schikaniren wollen. Leider wurden fünf Landwehrmänner sofort nach
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[1691/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 297. Köln, Sonntag, den 13. Mai. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. — Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. — Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. — Nur frankirte Briefe werden angenommen. — Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17. Zweite Ausgabe. Deutschland. 068 Köln, 13. Mai. Wir machen unsere Leser auf die letzten Nummern der „Kölnischen Zeitung“ aufmerksam, namentlich auf das Blatt von heute, Sonntag, 13. Mai. Wohl noch nie ging die „ordinärste Natürlichkeit“ mit der erkauften Gemeinheit so sehr Hand in Hand, als in den letzten Leitartikeln und Korrespondenzen unserer trefflichen Zeitgenossin. Noch vor wenigen Tagen sahen wir den Eigenthümer der „Kölnischen Zeitung“ Herrn Joseph DuMont, auf dem Kongreß der rheinischen Gemeinderäthe, sich für die gefaßten Beschlüsse rasch erheben. Heute sehen wir denselben Menschen, durch seinen Knecht Brüggemann, in jeder Zeile die brutalste Freude über die verunglückten Emeuten aussprechen, welche eben jene Beschlüsse der rheinischen Gemeinderäthe im Gefolge hatten. Aber dafür ist die Kölnische Zeitung denn auch so glücklich, den rheinischen Städten, zugleich mit dem Belagerungszustand, als einzige Zeitung octroyirt zu werden. Wahrlich diesen Städten octroyirt man zu gleicher Zeit Blut und — Schmutz! 12 Düsseldorf, 11. Mai. Um allen elenden Entstellungen Dumont'scher Zeitungsschmuhl's und pommer'scher Polizeispione zu begegnen, gebe ich Ihnen nachträglich eine zusammenhängende Darstellung der vorgestrigen Vorfälle. Die Einberufung der Landwehr durch das Potsdamer Unterknäsen-Ministerium steigerte die ohnehin vorherrschende Erbitterung gegen das wohlbekannte lügnerische Haus der Hohenzollern. Die Einberufenen fragten sich: gegen wen will man uns gebrauchen? Gegen das Volk, oder im Dienste unseres russischen Caren gegen die Ungarn! Die Elberfelder Landwehr erklärte geradezu, sie würde nicht Folge leisten; diesem Beispiele folgte die hiesige Landwehr wie das ganze bergische und das jülich'sche Land beinahe einstimmig. Elberfeld, als der Hauptpunkt des eigentlichen bergischen Landes, versammelte alle Einberufenen, und man beschloß, auch der Gewalt nicht zu weichen. Eine Abtheilung Militär, ein Bataillon des 16. Rgts., wurde hierauf dorthin beordert; die Truppen wurden in die Stadt bis zur katholischen Kirche gelassen, doch bald verbreitete sich in Düsseldorf das Gerücht, das Militär hätte die Stadt wieder verlassen müssen, das ganze Wupperthal und Bergische habe sich bewaffnet, organisire sich, und hätte einen Sicherheitsausschuß ernannt, der möglicherweise die erste provisorische Regierung der neu zu bildenden rheinischen Republik werden würde. Diese Nachrichten brachten hier in Düsseldorf, wie leicht vorauszusehen, eine fieberhafte Bewegung hervor. Schon waren am Abend und die Nacht vorher eine Menge eingeforderter Landwehrleute, welche hier eine öffentliche Versammlung gehalten, nach Elberfeld zu ihren Kameraden gereist. Nun zirkulirte am Abende des 9. plötzlich das Gerücht, Elberfeld wünsche von Düsseldorf Unterstützung, wenigstens soweit, daß die Militärkräfte, welche etwa noch kommen könnten, am Rheine zurückgehalten würden. Die Stadt gerieth in Bewegung, einige Gamius benutzten die Gelegenheit, am Rathhaus nach eben geschlossener Gemeinderaths-Sitzung die Fenster einzuwerfen, worauf der Polizeiinspektor Faldern sofort Militär requirirte und den Markt absperren ließ. Beim Anblicke dieser Gewaltmaßregeln begann das Volk mit Blitzesschnelle an allen Punkten der Stadt Barrikaden zu errichten; die ganze innere Stadt war in der kürzesten Zeit damit beschäftigt, ohne daß an eine planmäßige Vertheidigung von Seiten der unvorbereiteten waffenlosen Bürgerschaft zu denken war. Die Volksmenge aber wuchs mit jedem Moment und bei der Erregung vor den eingesehenen Anstalten wurde ein Konflikt unvermeidlich. Gegen halb 10 Uhr wurde die erste Salve auf das Volk am „Hundrücken“ gegeben, und nun begann auch die Gegenwehr sich durch Feuer geltend zu machen. Außer der Masse schreiender und unbewaffneter Bürger war die Zahl der wirklich am Kampf theilnehmenden Arbeiter über alle Maßen gering. Die Letzteren aber vertheidigten sich, je mehr sie sich vereinzelt sahen, mit desto größerer Wuth und Entschlossenheit. Gegen 11 Uhr donnerten die Kanonen zum erstenmale, und von jetzt ab hielt das Gewehrfeuer bis gegen Morgens an, um welche Zeit abermals die Kanonen ihr Feuer begannen. Die ganze Nacht über wurde ununterbrochen Sturm geläutet, Zuzüge erschienen von draußen, und nahmen an dem Kampfe Theil. Gegen 6 Uhr Morgens (am 10.) bemächtigte sich das Militär der ersten ganz vertheidigungslosen Barrikade in der Natingerstraße und nun begann ein infames hinterlistiges Morden von Seiten des Militärs, wie es selbst die Kroaten in Wien nicht getrieben haben. Die mehrsten Opfer der Bürger fielen erst nach Aufhören des Kampfes! Auf Alles wurde geschossen, was sich am Fenster oder auf der Straße zeigte; so fiel ein 66jähriger Mann, weil er seine Fensterladen aufmachen wollte. Heute Mittag um 12 Uhr noch wurde in der Allee ein Arbeiter, der ruhig von der Arbeit nach Hause zum Essen gehen wollte, hinterrücks niedergeschossen. Als gestern Morgen ein Dienstmädchen über den Rathhausplatz ging, legte ein Unteroffizier dieser Räuberbande ganz kaltblütig sein Gewehr auf eine Karre, zielte 2 Minuten und schoß mit echt preußischer Feigheit das wehrlose Mädchen zusammen. Die Kroaten sind Stümper gegen das „herrliche Kriegsheer“ des im März so feigen, hinter russischen Bajonetten so „starken“ Potsdamer Unterknäs! Bis jetzt rechnet man gegen 16 todte Bürger, von denen nur 4 oder 5 in offenem Kampfe gefallen sind, die andern alle von den Hohenzollern'schen Mordhunden gemeuchelt! Der Verlust des Militärs ist trotzdem bedeutend größer; erst diese Nacht fuhr man zwei Karren Leichen aus dem Residenzgebäude. Es sind außer dem Adjutanten des Generals sicher 50 Soldaten geblieben; doch gibt man sich die größte Mühe, den Verlust zu verheimlichen; man gibt nur Verwundete an, obgleich wir Augenzeugen sprachen, welche die Todten gezählt. Daß uns das Standrecht proklamirt, die Zeitungen verboten etc. kann Sie unter dem, nach dem Einmarsch der Russen plötzlich wieder erstarkten feigen Hohenzollern nicht wundern. Für den Augenblick ist dumpfe Ruhe, man hofft auf Elberfeld. Letzteres soll vortrefflich verbarrikadirt und durch Zuzug bereits zur Bildung einer förmlichen Armee, die außerhalb operiren kann, erstarkt sein. Das ganze Bergische Land ist in offenem Aufstand und ein spanischer Guerillakrieg durch die Oertlichkeit hier mehr als anderswo zu hoffen. Die Fahrten der Eisenbahn sind ununterbrochen, die Stationen jedoch überall von den Insurgenten bewacht. N. S. Welche Erbitterung hier gegen die Hohenzollern'sche Henkerwirthschaft herrscht, mögen Sie aus folgendem entnehmen. Ein neunjähriger Knabe, über die verübten Bestialitäten empört, hatte sich geschworen, den ersten Soldaten, der ihm auf der Straße begegne, niederzuschießen. Mit einer Pistole versehen ging er aus seinem elterlichen Haus, als eben ein Picket Uhlanen durch die Straße ritt; das Kind tritt dicht an die Pferde, schießt in der That einen Soldaten vom Pferde, und stürzt auch gleich darauf von Schüssen und Lanzenstichen durchbohrt zur Erde! Düsseldorf, 11. Mai. Der hiesige Gemeinderath, der sich in Permanenz erklärt hat, hat heute auf das Entschiedenste gegen die Anordnungen der Militärbehörde, die Verhängung des Belagerungszustandes überhaupt sowie namentlich gegen die Maßregel, daß die Düsseldorfer Zeitung und einige andere Blätter in hiesiger Gemeinde nicht ausgegeben werden sollen, und auch gegen die Publikation des Standrechts als durchaus ungesetzlich, protestirt. Es wurde dabei beschlossen, daß der vorstehende Beschluß sowohl dem Regierungspräsidium als dem Divisions-Kommando zugestellt und öffentlich bekannt gemacht werden solle. (D. Z.) 15 Elberfeld, 12. Mai. Wenig Neues ist von hieraus zu berichten. Nur so viel kann ich Ihnen mittheilen, daß an unsern Barrikaden eifrig gearbeitet worden ist, und daß man die ganze Stadt in Brand schießen muß, ehe sich die Einwohner ergeben. Einige bald beseitigte Ruhestörungen abgerechnet, leben wir hier im tiefsten bewaffneten Frieden, der schon anfing, langweilig zu werden, als heute von Solingen eine Kompagnie junger Mädchen eintraf, die mit Messern und Pistolen ausgerüstet, sich in die Reihen der Barrikadenkämpfer enroliren ließen. Der Entschluß der Bevölkerung bleibt derselbe. Man wird dem allenfalls herrannahenden Militär die Stirn bieten, und man verläßt sich darauf, daß die übrigen Städte der Rheinprovinz dies energische Auftreten der Bevölkerung des Wupperthales zu würdigen wissen werden. Paderborn, 9. Mai. Die Einkleidung hat begonnen. Heute sind vorerst die Landwehrmänner aus Paderborn und der nächsten Umgegend einberufen. Diese traten heute Nachmittag zusammen, um den Theil ihrer Kleidungsstücke, der nicht schon am Morgen ertheilt, in Empfang zu nehmen. Die Erbitterung, die sich schon am Morgen in vielfacher Weise, jedoch mehr in Privatgesprächen und Lebehochs auf die Demokratie, kundgegeben, kam am Nachmittage zum Ausbruch. Ein Landwehrmann erging sich in lauten und ziemlich derben Ausdrücken über die Ungesetzlichkeit der Einberufung der Landwehr, — über die vielen Ungerechtigkeiten, die außerdem vorgekommen, — daß man grundlose Reklamationen berücksichtiget, begründete dagegen unberücksichtigt gelassen habe. Er ließ sich dabei, nachdem er sich einmal in die Hitze geredet und bei den Umstehenden lauten Beifall geerndtet hatte, einige unhöfliche Erwiderungen gegen einen der Offiziere, der ihn zur Ruhe ermahnen wollte, zu Schulden kommen. Da trat der Major auf ihn zu, fuhr ihn hart an und gab — als er auf die Aufforderung, still zu schweigen, sich nicht gleich zur Ruhe bringen ließ, — den Befehl zu seiner Arretirung. Das rief einen tobenden Ausbruch des Unwillens hervor. Sämmtliche Landwehrmänner verließen ihre Reihen, drängten sich um den Major und: „Kein Arrest! Keinen Landwehrmann arretirt!“ erscholl drohend aus Aller Munde. Der Major nahm mit sauersüßem Lächeln den Befehl zur Abführung zurück. Wahrlich, er mochte sich glücklich preisen, daß er es gethan hat; denn er konnte bei den drohenden Mienen und Stellungen der Leute das Schlimmste erwarten. Die Disciplin war vernichtet. Ein anderer Landwehrmann trat vor und sprach mit erhobener Stimme: Warum sind wir einberufen, Herr Major, Krieg haben wir nicht. Die Uebung ist uns geschenkt. Sollen wir vielleicht auf unsere Väter und Brüder schießen? oder gegen das Volk? Hierzu werden wir uns nicht gebrauchen lassen.“ Ein freudiger Jubel begleitete die Rede; der Herr Landwehrmajor wußte nichts Anderes zu erwiedern, als: er wisse selbst noch nicht, wozu die Landwehr verwendet werden solle — die Herrn Redner schienen ihm sehr kluge Leute zu sein, die aber wahrscheinlich ihre Weisheit anderswoher, als aus ihrem eigenen Kopfe geholt, was seiner Zeit schon an's Tageslicht kommen werde. Erneuter höhnischer Jubel folgte diesen Worten. Heute Abend fraternisirte die Landwehr mit dem Volke. So viel ist sicher, daß sich die Landwehr nicht zu volksfeindlichen Zwecken mißbrauchen läßt. Hierfür sprechen die fortwährenden Lebehochs auf die Demokratie, auf Kossuth und die Ungarn, — Es heißt, dieselbe würde die Stadt unter keiner Bedingung verlassen. (Westph. Z.) 120 Berlin, 11. Mai. Jeden Morgen ist Versammlung auf dem Schlosse beim General Wrangel. Zu den dort ausgegebenen Tagesbefehlen des „Oberbefehlshabers der Marken“ gehören auch die Aufträge an höhere Stabsoffiziere, einzelne Stadt-Reviere in Civilkleidern! zu beobachten. Jeder Oberst erhält an jedem Tag ein Stadtrevier zugetheilt und nach dem erstatteten Bericht werden am andern Morgen die Tagesbefehle ausgegeben. — Diese Herren kriechen nun in schlechten Röcken, die Mütze in die Augen gedrückt, einen Knüppel in der Hand, überall umher, oder gehen verwogen über die Straßen; so daß man sie, wenn man sie nicht kennte, für baronisirende Rehberger halten müßte. Wenn Sie, Hr. Wrangel, sich jedoch wundern sollten, woher wir wissen, was beim Appell Ihres Stabes vorgeht, so dienen Ihnenzur Nachricht, daß wir noch ganz andere Dinge zur geeigneten Zeit erzählen werden. Das königliche Palais unter den Linden, das von Wrangel'schen Ordonanzen und anderen Truppen bewohnt ist — (und, beiläufig bemerkt, auch als Wrangel'scher Pferdestall dient, leider aber nur 1 oder 2 dieser edlen Thiere zu beherbergen hat, da der Herr General die übrigen vor einiger Zeit verkaufen mußte) — gränzt mit seinem Hofe an die Gebäude der Niederlag- und Rosenstraße, welche zwar hochemporragende Giebel, aber keine Fenster nach dem Hofe des königl. Palais haben. In einem dieser Giebel wurden nun vor einigen Tagen von den Bewohnern Schießlöcher durchgebrochen, dem Militär aber verrathen, da Nachts um 11 Uhr durch unvorsichtige Arbeit ein Stein herab auf den Hof des Palais fiel und großes Geräusch machte. Wrangel hat dies Loch vermittelst eines hohen Gerüstes wieder zumauern lassen. X Königsberg, 8. Mai. Nach unserm letzten Bericht sollte man den Hochverräther Friedrich Grünhagen schon im Kerker glauben, unbegreiflicher Weise aber haben die Gerichte seinen derben Protest ruhig hingenommen und im krassen Widerspruche mit den standrechtlichen Gesinnungen unserer Büreaukratie, seine Person trotz der angedrohten Abführung durch Gensd'armen, unangetastet gelassen. Jetzt soll sogar seine Sache von der königl. preußischen Vehme an die Geschworenen abgegeben sein, und der Inkulpat wird nächstens vor den Assisen in Bartenstein Gelegenheit haben, die Revolution hoch leben zu lassen. Gleichzeitig klärt sich die räthselhafte Nachgiebigkeit der unter dem Schutz der Bajonette sonst so muthigen Gerichte auf. Aus drei verschiedenen Dörfern des Friedländer Kreises kamen Anfragen über Grünhagen's augenblickliches Schicksal, mit der Zusicherung, daß für den Fall einer persönlichen Verfolgung, ihm ein Ehrenbesuch von diversen Tausend Landleuten zugedacht wäre. Diese Demonstration hätte Folgen haben können, man unterließ also deren Ursache — die gewaltsame Festnehmung. Der passive Widerstand ermuthigt den Feind, der aktive macht zittern! 61 Breslau, 10. Mai. Als die preußischen Lieutenants gewahrten, daß der Straßenkampf kein allgemeiner würde, weil es dazu an allen Vorbereitungen von Seite der Demokratie gebrach, da erhielten im schnarrenden Ton der Uckermark die Patrouillen den Befehl: „Schießt in jedes Fenster, worin ihr Licht seht! — Ich selbst habe gehört, wie dieser Befehl an der Schweidnitzer Brücke von einem durch seine Soldaten gut gedeckten Lieutenant gegeben wurde. In Folge dessen wurden gerade in den Straßen worin weder eine Barrikade gebaut, noch ein Schuß gefallen war die meisten Menschen in ihren Stuben erschossen. Preußische Kapitän's, selbst ganz außerhalb der Stadt, spielten dort aus Zerstreuung die Wegelagerer. Ich könnte Ihnen Namen solcher nennen, die zu Pferde sitzend anständige Männer, welche in der Dunkelheit vorüberkamen mit gezogenem Degen anfielen, mißhandeln ließen. Alles ohne weitere Veranlassung. In der Nacht des 8. sind einigen Lieutenants ihre Blitzarbeiter, alias Helme, verloren gegangen. Drum finden sich im heutigen Stadtanzeiger lohnende Versprechungen für die Wiederbringer dieser gottbegnadeten Kostbarkeiten. Die Herrn Lieutenants stecken sich jetzt vielfach in das Kostüm der Kanaille, wenn sie ausgehen wollen. Die hier eingetroffene Landwehr muß antipreußische Gelüste hegen, denn ich sehe sehr oft, daß welche schon darum von Patrouillen auf der Straße arretirt werden, weil sie mit Bürgerkanaille sprechen. Der Belagerungszustand hat der Schles. Zeitung ungeheuer unter die Arme gegriffen. Man sollte glauben, sie werde von lauter preuß. Lieutenants redigirt, so spricht sie heute! Wenn jemals ein günstiger Moment für die Wahlen gekommen ist, so kam er für uns in den neuesten blutigen Erfahrungen.“ Eben höre ich mit Bestimmtheit, daß heute gegen 3000 Russen mit der Eisenbahn von Krakau über Kosel nach Oestreich geschafft worden sind und in den nächsten Tagen ihnen weitere Transporte folgen. Hiermit, mit der Vernichtung Dresdens und mit der jammervollen Expedition der Franzosen in Italien hat die europäische Ehrlosigkeit nun doch gewiß den Kulminationspunkt erreicht. 232 Liegnitz, 9. Mai. Hier finden starke Truppenbewegungen nach Sachsen hin statt. Meines Dafürhaltens dürften binnen Kurzem Revolutionen unter dem Militär selbst ausbrechen. Die Offiziere zeigten sich in letzter Zeit sehr üppig und dies weckte rachesinnenden Haß: Auch scheint es, als ob das Militär zu begreifen anfängt, um was es geht. Beim Abgange eines der Frühzüge, den der General von Stößer verabschiedete, fing ein Offizier scheidend an: „Es lebe der König!“ Die Mannschaften aber riefen: „Es lebe Liegnitz“ und „es lebe Sachsen!“ Hinterher sangen sie Volkslieder. Bei uns schießt die Regierung einen Bock nach dem andern. Die alten Räthe wissen sich nicht zu benehmen. In Sarchwitz hat sich die Landwehr gegen die Offiziere beim Abmarsch nach Liegnitz aufgelehnt. Man sagt, die Offiziere hätten sich im trunkenen Zustande auf dem Sammelplatze bewegt und die Leute schikaniren wollen. Leider wurden fünf Landwehrmänner sofort nach

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 297. Köln, 13. Mai 1849. Zweite Ausgabe, S. 1691. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz297ii_1849/1>, abgerufen am 21.11.2024.