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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 298. Köln, 15. Mai 1849.

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103 Soest, 11. Mai.

So eben hat das seit Mittwoch Abend zum Einkleiden hier versammelte Soester Bataillon des 16. Landwehr-Regiments, durch deputirte Unteroffiziere, unter welchen uns der Sohn des Appellhof-Präsidenten Lent zu Hamm bekannt ist, dem Bataillons-Kommando die Erklärung abgegeben:

"das Bataillon erkenne die Reichsverfassung als Grundgesetz an, und stelle sich, behufs ihrer Ausführung zur Verfügung der Nationalversammlung zu Frankfurt; es werde daher auf Verfügung des Ministeriums Brandenburg-Manteuffel und überhaupt nicht anders marschiren, als wenn ihm der äußere, Deutschland bedrohende Feind gezeigt werde."

Da dem Bataillon bisher keine Gewehre anvertraut waren, so forderte es dieselben gestern und erhielt sie nach einigem Parlamentiren auf der Stelle.

Die schwarzweißen Kokarden sind, bis Preußen die Reichsverfassung anerkannt hat, abgelegt. Uebrigens sind wir hier auf Alles gefaßt. Heute holen sich die Landwehrmänner auch die ihnen anfänglich verweigerte Munition.

Im benachbarten Arnsberger Walde haben sich tüchtige Guerillakorps, zum Succurs der Iserlohner, welche die gegen sie marschirenden Soldaten vorläufig zurückgewiesen haben, organisirt; sie fangen Militärtransporte auf, beunruhigen einzelne Abtheilungen des Iserlohner Cernirungskorps und hätten gestern beinahe den General Niesewandt gefangen genommen.

Brausend zieht so eben ein großer Haufe Landwehrmänner unter meinem Fenster vorüber und singt das Heckerlied. Sie wollen dem bedrohten Iserlohn zu Hülfe eilen.

X Berlin, 11. Mai.

Trotz der vielen und theueren Versicherungen des ehrenwerthen Reichsministeriums, keiner der 29 anerkennenden Fürsten werde sein Wort zurücknehmen, findet demungeachtet hier in Berlin ein Kongreß von Bevollmächtigten deutscher Regierungen statt. Es sind in demselben natürlich vor allen Dingen Preußen, Baiern, Sachsen und Hannover, aber merkwürdigerweise auch Würtemberg. Braunschweig, Mecklenburg vertreten. Man hat eine engere Kommission erwählt und arbeitet rüstig an der bald zu octroyirenden Verfassung für ganz Deutschland, in der man auch ein "vernunftgemäßes" Wahlgesetz anzubringen hofft. Braunschweig ist durch den bekannten Dr. Liebe, Hannover durch Wangenheim vertreten. In Würtemberg und Braunschweig nun haben Regierung und Kammern die Reichsverfassung anzuerkennen und durchzuführen beschlossen. König und Herzog spielen also hinter dem Rücken ihrer leichtdüpirten Minister ein sehr betrügliches Spiel.

Die gestern octroyirte Belagerungs-Konstitution hat denn doch endlich einige Erbitterung erregt. An allen öffentlichen Orten wurde sie vorgelesen, und Herr Simons hätte sich über die eigenthümlichen Kommentare und Nutzanwendungen freuen können. Ueberall sah man bald ein, daß es auf den Rhein und die renitente Landwehr vorzüglich gemünzt ist. Es ist möglich, daß die Stimmung hier, wie im ganzen Lande gerade durch dieses Gesetz eine sehr einmüthige wird. Bisher hatte noch ein großer Theil der Demokratie geglaubt, es könne ein erfolgreiches Ziel noch durch eine friedliche Agitation erreicht werden. Diesem Legalisiren des Mordes gegenüber muß sich diese Partei den Entschiedeneren anschließen, welche allein im Schwerte Heil sehen.

Das erste Bataillon des 24. Regiments ist heute Vormittag aus Stettin hier angekommen und ging um 1 1/2 Uhr Mittags mit der Eisenbahn nach Westphalen. Das zweite Bataillon soll sofort nachfolgen.

Während die demokratischen Versammlungen verboten, die freilich jetzt sehr unnöthigen oppositionellen Wahlbewegungen verhindert werden, fährt die konservative Partei rüstig fort, alle Mittel zu gebrauchen um Seelen für sich zu gewinnen. Sie wird natürlich durch das Ministerium trefflich unterstützt. Ihre Vereine sind ungehindert, für die Aussendung ihrer Plakate und Traktätlein etc. erhalten sie Portofreiheit etc. Dagegen ist erst gestern Abend eine demokratische Bezirksversammlung gestört worden, welche alle 14 Tage im Odeum zusammenkam, wo von Dilettanten gesungen, deklamirt, gespielt und von Anderen, wie den Professoren Michelet und Jacoby, Vorträge gehalten wurden. Die Polizei trat den Ankommenden entgegen und erklärte ihnen, musiciren könnten sie soviel sie wollten, aber Reden dürften nicht gehalten werden.

Am nächsten Sonntag wird im Oderbruch, bei Arnsdorf, vom frühern Abgeordneten Görtz-Wrisberg aus Frankfurt a. O. eine große Volksversammlung gehalten werden, zu der 82 Gemeinden theils hinziehen, theils Deputirte schicken werden. Jung und vielleicht auch Waldeck wollen dort sprechen.

An die Nationalversammlung nach Frankfurt sind jetzt schon vier Bände mit anerkennenden Adressen von hier geschickt worden, trotzdem daß die Polizei sich außerordentlich bemühete, ihrer habhaft zu werden.

Unsere Regierung ist noch sehr unruhig und besorgt über den endlichen Ausgang der sächsischen Angelegenheiten, obwohl sie nach dem Fall des tapfern Dresden sogleich Muth bekam, und uns mit dem liebenswürdigen Martialgesetz beschenkte. Die provisorische Regierung von Sachsen, in einem leicht zu vertheidigenden Gebirge, Tausende von kräftigen Leuten zum stärksten Widerstande bewaffnet und gerüstet, ganz Sachsen in Aufstand, Böhmen ebenfalls unruhig, das sind gerade keine sehr angenehmen Momente. Köstlich ist die Wuth der Regierung und der reaktionären Blätter, daß die provisorische Regierung entkommen ist, und man wird nicht müde, diese mit den gemeinsten Schmähungen zu überhäufen. Am größten ist darin natürlich wieder das liebenswürdige Kleeblatt Hansemann-Weill-Bardeleben.

Vor einigen Tagen hat der Prinz von Preußen seinen liebenswürdigen ältesten Sprößling als Rekruten bei der Garde eingeführt und dabei eine empörend absolutistische Rede gehalten. Königl. Hoheit lieben es sehr auf die fatale geheime Mission zurückzukommen, um die vielen Beweise von Treue erwähnen zu können, welche Höchstdieselben damals erhalten haben. Warum erzählt der edle Prinz denn nicht die interessanten Details dieser Mission? Es kommen dabei allerlei Geschichten von Abrasiren des Schnurrbarts, von Verkleidung als Postillon etc. vor.

Wir geben eine neue Geschichte aus der ehrenwerthen v. d. Heidt'schen Familie, da es interessant ist zu sehen, wie sich die Elberfelder Mucker für solche kleine, sehr unchristliche Schmuggeleien gar leicht Absolution ertheilen. Frau v. d. Heidt schmuggelte vor einigen Jahren Spitzen über die preußische Gränze, indem sie dieselben so geschickt in ihre Kleider eingenähet hatte, daß es schien, sie sei in denjenigen interessanten Umständen, welche die Engländer jährlich das Vergnügen haben, bei ihrer Königin zu bewundern. Die Schmuggelei ging glücklich und unbemerkt von Statten. Leider war aber Frau v. d. Heidt unvorsichtig genug, sich dieser Heldenthat in der Diligence gegen einen jungen, ihr unbekannten Reisegefährten zu rühmen, denn o Schrecken, dieser junge Mann war ein Douanier, der sie aufforderte, auf der nächsten Station auszusteigen, wo sie auf dem Steueramte die Spitzen auszuliefern hatte, und der arme v. d. Heidt mußte wieder sehr, sehr viel Strafe bezahlen.

61 Breslau, 11. Mai.

Heute sind wieder 4000 Russen über Kosel nach Oestreich geschleppt worden. Es waren vier Züge; sie bestanden aus Infanterie, Artillerie und Kavallerie. Die sämmtlichen Kerntruppen sahen ungeheuer zerlumpt und abgemergelt aus (siehe unter "Ratibor"). Die Zufuhren der russischen Mordmaschinen sollen 14 Tage dauern. Der Wiener Zug ist deshalb ausgeblieben und wird, damit wenig und späte Nachrichten ins Ausland kommen, jetzt wohl mehre Male ausbleiben. Die Inquisition gegen ankommende Fremde ist auf den hiesigen Bahnhöfen ganz russisch-impertinent und preußisch-brutal. Die Lieutenants spielen dabei seller die Polizeibüttel.

X Ratibor, 11. März

Nicht umsonst wurde der lange beschlossene Durchlaß russischer Truppen durch preußisches Gebiet in der letzten Zeit auf's Angelegentlichste widerrufen. Breslau mußte zuerst in Belagerungszustand versetzt werden, ehe der Unterknäs von Potsdam es wagen mochte, den Knutenbegnadeten die Gränzen zu öffnen. Breslau ist nun in Belagerungszustand in Folge eines mit sehr großer Geschicklichkeit hervorgerufenen Kampfes, und kaum hat dort die Entwaffnung begonnen, so sind die Russen auch schon auf der Oberschlesischen- und Wilhelmsbahn nach Oestreich befördert. Gestern, von 6 Uhr Nachmittags ab, langten auf 4 Extrazügen, zu denen alle schlesischen Eisenbahnen ihr Wagenkontingent hatten stellen müssen, 1500 "Söhne" des Czaren Nikolai, Infanterie, Schützen und (1 Batterie) Artillerie, verwildertes, verlaufenes, bestialisches Gesindel, als Vortrab der ir diesen Tagen über Mislowitz, Gleiwitz, Cosel, Ratibor und Oderberg bis zur Höhe von 15,000 Mann fortzusetzenden Truppensendungen, bei uns an und begaben sich nach kurzem Aufenthalt auf der Eisenbahn nach Oderberg resp. Oestreich weiter, "um, wie sie selber sagen, dem zukünftigen Schwiegersohne ihres lieben Kaisers in dem Kampfe gegen die Ungarn beizustehen und sich seiner gnädigen Aufforderung gemäß wacker zu schlagen." Der rothe Grimm bemächtigte sich der Anwesenden, als ihnen der Truppendurchlaß über die Standrechtsabsichten ihres "konstitutionellen Königs" die Augen öffnete. Auf jedem Gesicht las man die Wuth über einen König, der heute die Russen nach Oestreich befördert, um sie morgen, wenn er sie braucht, im eigenen Lande aufräumen zu lassen. Alle Bahnhöfe, welche die Russen passirten, und eine Strecke an den Eisenbahnschienen entlang, waren mit preußischen Soldaten angefüllt, die das sogenannte Observationskorps massenweise in Oberschlesien zusammengetrieben hat. Die adligen Krippenreiter, der krückenreitende Landrath und die noblen Bourgeois konnten ihre Freude über die Annäherung der ersehnten "Befreier" nicht verbergen; ja sie gaben sie absichtlich zu erkennen, um die Massen auf's Aeußerste zu reizen. Die "deutschen Demokraten" wurden laut für "feige Bestien" erklärt, aller Hohn über sie gehäuft, und den angekommenen Russen wurde mit wollüstiger Niedertracht Schnaps, Wein u. s. w. verabreicht. Man scandalirte, man wollte den Perron räumen lassen, hetzte die Soldaten und Gensd'armen auf, die Masse zurückzudrängen, man wollte auch hier den Belagerungszustand herbeiführen, aber das Volk erkannte das und verhielt sich danach. Wir sind durch die Tausende von Soldaten geknebelt, die das Observationskorps um uns aufgestellt hat, unsere Hoffnung setzen wir auf die Magyaren und die Rheinprovinz.

N. S. Bei den russischen Truppen, die gestern mit dem 4ten Zuge um 9 Uhr Abends hier anlangten, soll Paskiewitsch sich befinden.

10 Uhr Nachmittags (vom Bahnhofe). Das Ausfallssignal ist so eben gegeben worden; der östreichische Zug ist mithin irgendwo aufgehalten worden, entweder durch die Russentransporte oder -- durch die Magyaren.

Prag, 10. Mai, Morgens 10 1/2 Uhr.

So eben wird der Belagerungszustand für Prag und Umgegend proklamirt!! Schon seit vorgestern durchkreuzten die unheimlichsten Gerüchte die Stadt; man sprach von der Anwesenheit polnischer und ungarischer Emissäre; deutscher Landsturm sollte im Verein mit den Führern der czechischen Partei nach Prag ziehen, und wie die Gerüchte noch immer lauten mögen. Heute früh wurden die Spaziergänger durch die allerseits getroffenen militärischen Maßregeln überrascht. Auf den Hauptplätzen der Kleinseite stehen Kanonen aufgefahren; die Basteien sind abgesperrt; Bahnhof und viele Plätze militärisch besetzt, die Thorbesatzungen verstärkt; das Wissehrader Thor sogar verbarrikadirt. Während man noch über die möglichen Gründe dieser außerordentlichen Maßregeln in Zweifel ist, erscheint an den Straßenecken ein Plakat, gezeichnet vom Kommandirenden: Khevenhüller. Aufrufe aus dem aufrührerischen Nachbarlande, heißt es darin, seien verbreitet worden; eine verbrecherische Fraktion wolle Revolution machen, darum werde Prag und 15 Ortschaften in Belagerungszustand erklärt. Die Nationalgarde bleibt fortbestehen, aus strategischen Rücksichten jedoch wird die Garde und Bürgerwehr der Kleinseite entwaffnet; die Kanonen aber überall der Garde abgenommen. Die Presse ist suspendirt, ohne Bewilligung der Militärbehörde darf nichts gedruckt werden, die politischen Behörden haben nur unter Aufsicht der Militärbehörde weiter zu fungiren. Die Stimmung ist sehr überrascht, jedoch nicht bedeutend aufgeregt. (12 Uhr Mittags.) Die Mitglieder der Slowanska Lipa: Sladkowski, (bereits früher aus den Junitagen bekannt), Gantsch, Rott sind verhaftet worden. (12 1/2 Uhr.) Eine telegraphische Depesche verkündet, daß der Wiener Bahnzug und Post nicht eintreffen werden. Die Ursache ist unbekannt.

(D. A. Z.)
Prag, 9. Mai.

Aus Ungarn fehlen uns Nachrichten von Belang. Es kamen uns wohl Preßburger Briefe zu, jedoch enthalten dieselben durchaus nichts Neues und Interessantes. Ueberhaupt scheint Ungarn für uns immer mehr eine terra incognita werden zu wollen, indem die Berichte von da immer spärlicher und seltener einlaufen, und das eigentliche Herz des Landes, die Hauptstadt, für uns ganz abgesperrt erscheint.

(C. Bl. a. B.)
Darmstadt, 11. Mai.

Vier Compagnien Infanterie und eine kleine Abtheilung Reiterei ging heute früh nach Heppenheim ab, wie man hört, theils zum Schutze der Eisenbahn, theils wegen Steuerverweigerung in einem benachbarten Dorfe des Odenwaldes, vielleicht auch, wie Manche behaupten, zum Schutze der Gewehrsammlung eines aus jener Gegend abziehenden Forstbeamten.

Dresden, 11. Mai.

Diesen Morgen fand eine Dislocirung der in der Neustadt gefangen gehaltenen Personen statt. Gegen 60 derselben wurden aus den Militärgefängnissen hierselbst nach der Altstadt abgeführt, dagegen unter Andern der im neustädter Rathhaus in Gewahrsam gehaltene Bürgermeister Tzschucke aus Meißen und der hiesige Advocat Krause in die Strafkaserne gebracht. Der heute früh hier gefänglich eingebrachte Justizamtmann Heubner aus Freiberg ist in die Gefängnisse der Cavaleriekaserne abgeliefert worden; hier nämlich scheinen die am schwersten Gravirten gefangen gehalten zu werden. In der Gemäldegalerie sind ungefähr 80 Gemälde beschädigt worden. Unter dem Rathhause fand das Militär einen Pulvervorrath von einigen und dreißig Centnern. Den ganzen Vormittag fanden Truppenbewegungen statt, und unter Andern zog auch das rothe Husarenregiment hier durch und über Tharand nach Freiberg. Ein Bataillon des 24. Landwehrregiments ist heute Nachmittag auf der Eisenbahn über Leipzig nach Halle abgegangen. Neustadt und Antonstadt waren in der anbefohlenen Entwaffnung. Bis jetzt sind nach und nach 12,000 Preußen in Dresden mit der Eisenbahn eingetroffen.

Leipzig, 11. Mai.

Heute Mittag soll zwei Stunden von hier, und, wie es heißt, bei Liebertwolkwitz zwischen von hier ausgerücktem Militär und einem Trupp, wahrscheinlich von Dresden flüchtiger Freischärler ein Zusammentreffen stattgefunden haben, wobei das Militär gegen 20 Gefangene machte.

(D. A. Z.)
* Leipzig, 12. Mai.

In der Leipziger Zeitung werden der Rechtscandidat Leo v. Zychlinski von Dresden und der Advokat und Gerichtsdirektor Hermann Marschall v. Biberstein ebendaher, Ersterer wegen staatsgefährlicher Handlungen, Letzterer wegen Theilnahme am Aufruhr und der Verleitung der Truppen zu verbrecherischen Handlungen, steckbrieflich verfolgt.

Die aus Dresden nach Freiberg abgezogenen Kämpfer haben sich in Freiburg nur kurze Zeit aufgehalten und haben sich nach Chemnitz begeben.

Braunschweig, 11. Mai.

Große Unruhe erregt hier die Nachricht, die Preußische Regierung habe die Ansicht ausgesprochen, daß sie aus der in Braunschweig und Hannover herrschenden Aufregung die Veranlassung hernehmen müsse, ihre durch diese Länder führende Etappenstraße zu sichern. Diese diplomatische Ausdrucksweise wird hier in allen Kreisen nichts anders gedeutet, als daß sie ein Euphemismus sei und nichts Anderes sagen wolle, als eine Besetzung des Herzogthums durch preußische Truppen und eine Einmischung in die Angelegenheiten Hannovers. Daß dergleichen aber nicht geeignet ist, die, nach den Vorgängen in Dresden, herrschenden Besorgnisse zu zerstreuen, ist wohl erklärlich.

(M. Z.)
* Frankfurt, 12. Mai.

Aus Heidelberg erfahren wir, daß gestern ein Theil des dasigen Arbeiter- wie des Turner-Vereins bewaffnet nach Speyer abmarschirt ist. In Aschaffenburg hat das Militär am 8. d. arge Exzesse begangen. Das Volk ist darüber in ungemeiner Aufregung.

Frankfurt, 12. Mai.

Einem Mannheimer Briefe vom gestrigen Datum an ein Mitglied der Reichsversammlung entlehnen wir folgende zuverlässige Mittheilungen: "Bei uns in Mannheim ist es ruhig, aber in der baierischen Pfalz sieht es kriegerisch aus und die Bewegung scheint die ganze Bevölkerung bis ins tiefste ergriffen zu haben. Heute Morgen haben das ganze sechste baierische Regiment und einige Kompagnieen des neunten erklärt, daß sie, so lange das Volk auf der Reichsverfassung besteht, nicht nur nicht gegen dasselbe kämpfen, sondern mit ihm treu gegen jeden Angriff auf die Verfassung stehen und fallen wollen. Sie haben ihre Offiziere, welche sich nicht für die Verfassung erklärten, eingesperrt und ihnen bemerkt, sie würden andere Offiziere wählen, wenn sie ihnen nicht beitreten sollten."

(D. Z.)
Frankfurt, 12. Mai.

218. Sitzung der National-Versammlung.

Eröffnung der Sitzung um 9 1/2 Uhr.

In Folge einer aus Nürnberg eingegangenen Adresse wird folgender von Reden gestellte Antrag:

"In Erwägung der Nothwendigkeit, die Bewegung in den gesetzlichen Schranken zu halten, wolle die National-Versammlung beschließen, unter sofortiger Mittheilung dieses Beschlusses, das Reichsministerium aufzufordern, Reichscommissäre nach Franken zu senden und dieselben im Sinne des Beschlusses vom 10. d. M. zu instruiren,"

für dringlich erkannt und ohne Berathung angenommen.

Die Beschlüsse der rheinischen Gemeindevertreter sind eingegangen und werden verlesen.

Es treten wieder 17 (reactionäre) Mitglieder aus.

Es folgt die Präsidentenwahl. Reh wird mit 165 von 313 Stimmen Präsident.

Weiter steht auf der Tagesordnung Abstimmung über die Anträge des Kaiser-Ausschusses Sie werden zurückgezogen und der Ausschuß schließt sich den von Backhaus und Genossen ausgegangenen Anträgen an, die also lauten:

Die National-Versammlung beschließt:

1) die gesammte bewaffnete Macht Deutschlands einschließlich der Landwehr und der Bürgerwehr ist zur Aufrechthaltung der endgültig beschlossenen Verfassung feierlich zu verpflichten;
2) die provisorische Centralgewalt wird aufgefordert, das demgemäß Erforderliche unverzüglich zu veranlassen, so weit in den einzelnen Staaten nicht sofort aus eigener Bewegung danach vorgeschritten wird.

Diese Anträge werden mit 163 gegen 142 Stimmen angenommen, nachdem der Antrag der Minorität auf "Tagesordnung" mit 172 gegen 143 Stimmen abgelehnt worden.

v. Gagern: Es ist heute von der hohen Versammlung der Antrag des Hrn. v. Reden zum Beschluß erhoben worden, das Ministerium zur ungesäumten Absendung von Reichskommissarien nach Franken aufzufordern. Meine Herren, ich gebe es Ihrer Ueberlegung anheim, ob Sie künftig solche in die Exekutive eingreifende Anträge für dringlich erachten und sofort zum Beschlusse erheben wollen. Besonders in gegenwärtiger Krisis des Ministeriums. Allein blicken wir auf § 54 der deutschen Reichsverfassung selbst, auf die dort gegebenen Vorschriften, so hat eine Störung des Friedens in Franken noch nicht stattgefunden und ebenso ist keine Anrufung von Seiten der baierischen Regierung erfolgt. Mithin sind die Bedingungen zur Absendung eines Reichscommissars nach Franken nicht vorhanden. Ich vertraue der gesunden Vernunft des deutschen Volks, daß es die ausgedehnten ihm verliehenen Freiheiten in den gehörigen gesetzlichen Schranken zu gebrauchen und Zusammenstöße, wie die in Franken befürchteten, zu vermeiden wissen werde. Nimmermehr hat aber die Mehrheit bei Fassung ihrer Beschlüsse vom 28. April und vom 4. Mai irgend welche gewaltsame Mittel zur Durchführung der Verfassung im Auge gehabt. Sie aber verlangen in dem betreffenden Beschlusse von dem abgetretenen Ministerium einen Schritt, der selbst über die Beschlüsse vom 10. Mai hinaus gehen würde. Wir sind nicht im Stande, ihn auszuführen. Ich bitte deshalb die Sache noch einmal in Erwägung zu ziehen und sogleich, denn die fränkischen Abgeordneten, die sich hier befinden, haben erklärt, daß der Reichskommissar morgen um 2 Uhr in Nürnberg eingetroffen sein müsse, wenn seine Sendung irgend von Wirksamkeit sein solle. Noch auf einen Punkt muß ich Sie aufmerksam machen. Das sind die drei Personen, welche von Nürnberg aus im Voraus für dies Reichskommissariat bezeichnet werden. Ich achte die Lauterkeit der Bestrebungen dieser Herren. Aber ich kann, und auch nach der Erfahrung an Hrn. Eisenstuck in der Pfalz, nicht annehmen, daß sich ihre Handlungsweise ganz und überall im Sinne des Ministeriums bewegen werde.

Da auf diese Erklärung des Hrn. v. Gagern kein Antrag gestellt wird, so bleibt die Sache auf sich beruhen.

Wigard stellt folgenden dringlichen Antrag:

Die National-Versammlung möge beschließen, daß die sächsischen Minister als verantwortlich für das in Dresden vergossene Blut zu erklären seien, daß das preußische Militär Sachsen sofort zu verlassen habe. Daß, so lange die sächsische Regierung die Reichsverfassung nicht anerkannt habe, die ganzen sächsischen Truppen den Befehlen des Reichskommissärs unterzuordnen seien.

Die Dringlichkeit wird nicht anerkannt und der Antrag dem Dreißiger-Ausschuß überwiesen.

v. Gagern beantwortet für den abwesenden Kriegsminister v. Peucker die gestrige Interpellation Simons aus Trier: daß von den aus Homburg zurückkehrenden Exekutionstruppen allerdings eine halbe Schwadron östreichischer Dragoner in Frankfurt zurückbehalten worden sei, um der durch die Züge nach Schleswig-Holstein geschwächten Garnison den Dienst zu erleichtern. Die Wachen seien ferner angewiesen, bewaffnet auftretenden Nichtmilitärs die Waffen abzunehmen. Auch ist das Tragen rother Abzeichen verboten.

In Folge dieser Antwort stellt L. Simon (Trier) zwei Dringlichkeits-Anträge:

1. daß das Ministerium aufgefordert werde, keine Truppen von Staaten hierher zu ziehen, die der Reichsversammlung den Krieg erklärt haben;
2. die National-Versammlung möge erklären, daß das gegen die Bürger einseitig erlassene Verbot von Tragen von Waffen und Abzeichen für nicht gesetzlich, nicht begründet und nur geeignet um Konflikte herbeizuführen.

Beide Anträge werden für nicht dringlich erklärt.

Schluß der heutigen Sitzung bald nach 12 Uhr; die nächste: Montag, 13. Mai

Mannheim, 10. Mai.

Auf den 12. d. ist ein allgemeiner Landeskongreß der Abgeordneten der Volksvereine in Offenburg und eben daselbst für den 13. d. eine Landes-Volksversammlung ausgeschrieben.

233 Ludwigshafen, 11. Mai.

In Eile theile ich Ihnen mit, daß 80 Rekruten sammt der Eskorte-Mannschaft zu uns (den Pfälzern) übergegangen. Von allen Seiten eilen sowohl Soldaten wie andere Mannschaften herbei. Wir haben nicht Raum genug, sie hier unterzubringen und senden sie deshalb nach einem

103 Soest, 11. Mai.

So eben hat das seit Mittwoch Abend zum Einkleiden hier versammelte Soester Bataillon des 16. Landwehr-Regiments, durch deputirte Unteroffiziere, unter welchen uns der Sohn des Appellhof-Präsidenten Lent zu Hamm bekannt ist, dem Bataillons-Kommando die Erklärung abgegeben:

„das Bataillon erkenne die Reichsverfassung als Grundgesetz an, und stelle sich, behufs ihrer Ausführung zur Verfügung der Nationalversammlung zu Frankfurt; es werde daher auf Verfügung des Ministeriums Brandenburg-Manteuffel und überhaupt nicht anders marschiren, als wenn ihm der äußere, Deutschland bedrohende Feind gezeigt werde.“

Da dem Bataillon bisher keine Gewehre anvertraut waren, so forderte es dieselben gestern und erhielt sie nach einigem Parlamentiren auf der Stelle.

Die schwarzweißen Kokarden sind, bis Preußen die Reichsverfassung anerkannt hat, abgelegt. Uebrigens sind wir hier auf Alles gefaßt. Heute holen sich die Landwehrmänner auch die ihnen anfänglich verweigerte Munition.

Im benachbarten Arnsberger Walde haben sich tüchtige Guerillakorps, zum Succurs der Iserlohner, welche die gegen sie marschirenden Soldaten vorläufig zurückgewiesen haben, organisirt; sie fangen Militärtransporte auf, beunruhigen einzelne Abtheilungen des Iserlohner Cernirungskorps und hätten gestern beinahe den General Niesewandt gefangen genommen.

Brausend zieht so eben ein großer Haufe Landwehrmänner unter meinem Fenster vorüber und singt das Heckerlied. Sie wollen dem bedrohten Iserlohn zu Hülfe eilen.

X Berlin, 11. Mai.

Trotz der vielen und theueren Versicherungen des ehrenwerthen Reichsministeriums, keiner der 29 anerkennenden Fürsten werde sein Wort zurücknehmen, findet demungeachtet hier in Berlin ein Kongreß von Bevollmächtigten deutscher Regierungen statt. Es sind in demselben natürlich vor allen Dingen Preußen, Baiern, Sachsen und Hannover, aber merkwürdigerweise auch Würtemberg. Braunschweig, Mecklenburg vertreten. Man hat eine engere Kommission erwählt und arbeitet rüstig an der bald zu octroyirenden Verfassung für ganz Deutschland, in der man auch ein „vernunftgemäßes“ Wahlgesetz anzubringen hofft. Braunschweig ist durch den bekannten Dr. Liebe, Hannover durch Wangenheim vertreten. In Würtemberg und Braunschweig nun haben Regierung und Kammern die Reichsverfassung anzuerkennen und durchzuführen beschlossen. König und Herzog spielen also hinter dem Rücken ihrer leichtdüpirten Minister ein sehr betrügliches Spiel.

Die gestern octroyirte Belagerungs-Konstitution hat denn doch endlich einige Erbitterung erregt. An allen öffentlichen Orten wurde sie vorgelesen, und Herr Simons hätte sich über die eigenthümlichen Kommentare und Nutzanwendungen freuen können. Ueberall sah man bald ein, daß es auf den Rhein und die renitente Landwehr vorzüglich gemünzt ist. Es ist möglich, daß die Stimmung hier, wie im ganzen Lande gerade durch dieses Gesetz eine sehr einmüthige wird. Bisher hatte noch ein großer Theil der Demokratie geglaubt, es könne ein erfolgreiches Ziel noch durch eine friedliche Agitation erreicht werden. Diesem Legalisiren des Mordes gegenüber muß sich diese Partei den Entschiedeneren anschließen, welche allein im Schwerte Heil sehen.

Das erste Bataillon des 24. Regiments ist heute Vormittag aus Stettin hier angekommen und ging um 1 1/2 Uhr Mittags mit der Eisenbahn nach Westphalen. Das zweite Bataillon soll sofort nachfolgen.

Während die demokratischen Versammlungen verboten, die freilich jetzt sehr unnöthigen oppositionellen Wahlbewegungen verhindert werden, fährt die konservative Partei rüstig fort, alle Mittel zu gebrauchen um Seelen für sich zu gewinnen. Sie wird natürlich durch das Ministerium trefflich unterstützt. Ihre Vereine sind ungehindert, für die Aussendung ihrer Plakate und Traktätlein etc. erhalten sie Portofreiheit etc. Dagegen ist erst gestern Abend eine demokratische Bezirksversammlung gestört worden, welche alle 14 Tage im Odeum zusammenkam, wo von Dilettanten gesungen, deklamirt, gespielt und von Anderen, wie den Professoren Michelet und Jacoby, Vorträge gehalten wurden. Die Polizei trat den Ankommenden entgegen und erklärte ihnen, musiciren könnten sie soviel sie wollten, aber Reden dürften nicht gehalten werden.

Am nächsten Sonntag wird im Oderbruch, bei Arnsdorf, vom frühern Abgeordneten Görtz-Wrisberg aus Frankfurt a. O. eine große Volksversammlung gehalten werden, zu der 82 Gemeinden theils hinziehen, theils Deputirte schicken werden. Jung und vielleicht auch Waldeck wollen dort sprechen.

An die Nationalversammlung nach Frankfurt sind jetzt schon vier Bände mit anerkennenden Adressen von hier geschickt worden, trotzdem daß die Polizei sich außerordentlich bemühete, ihrer habhaft zu werden.

Unsere Regierung ist noch sehr unruhig und besorgt über den endlichen Ausgang der sächsischen Angelegenheiten, obwohl sie nach dem Fall des tapfern Dresden sogleich Muth bekam, und uns mit dem liebenswürdigen Martialgesetz beschenkte. Die provisorische Regierung von Sachsen, in einem leicht zu vertheidigenden Gebirge, Tausende von kräftigen Leuten zum stärksten Widerstande bewaffnet und gerüstet, ganz Sachsen in Aufstand, Böhmen ebenfalls unruhig, das sind gerade keine sehr angenehmen Momente. Köstlich ist die Wuth der Regierung und der reaktionären Blätter, daß die provisorische Regierung entkommen ist, und man wird nicht müde, diese mit den gemeinsten Schmähungen zu überhäufen. Am größten ist darin natürlich wieder das liebenswürdige Kleeblatt Hansemann-Weill-Bardeleben.

Vor einigen Tagen hat der Prinz von Preußen seinen liebenswürdigen ältesten Sprößling als Rekruten bei der Garde eingeführt und dabei eine empörend absolutistische Rede gehalten. Königl. Hoheit lieben es sehr auf die fatale geheime Mission zurückzukommen, um die vielen Beweise von Treue erwähnen zu können, welche Höchstdieselben damals erhalten haben. Warum erzählt der edle Prinz denn nicht die interessanten Details dieser Mission? Es kommen dabei allerlei Geschichten von Abrasiren des Schnurrbarts, von Verkleidung als Postillon etc. vor.

Wir geben eine neue Geschichte aus der ehrenwerthen v. d. Heidt'schen Familie, da es interessant ist zu sehen, wie sich die Elberfelder Mucker für solche kleine, sehr unchristliche Schmuggeleien gar leicht Absolution ertheilen. Frau v. d. Heidt schmuggelte vor einigen Jahren Spitzen über die preußische Gränze, indem sie dieselben so geschickt in ihre Kleider eingenähet hatte, daß es schien, sie sei in denjenigen interessanten Umständen, welche die Engländer jährlich das Vergnügen haben, bei ihrer Königin zu bewundern. Die Schmuggelei ging glücklich und unbemerkt von Statten. Leider war aber Frau v. d. Heidt unvorsichtig genug, sich dieser Heldenthat in der Diligence gegen einen jungen, ihr unbekannten Reisegefährten zu rühmen, denn o Schrecken, dieser junge Mann war ein Douanier, der sie aufforderte, auf der nächsten Station auszusteigen, wo sie auf dem Steueramte die Spitzen auszuliefern hatte, und der arme v. d. Heidt mußte wieder sehr, sehr viel Strafe bezahlen.

61 Breslau, 11. Mai.

Heute sind wieder 4000 Russen über Kosel nach Oestreich geschleppt worden. Es waren vier Züge; sie bestanden aus Infanterie, Artillerie und Kavallerie. Die sämmtlichen Kerntruppen sahen ungeheuer zerlumpt und abgemergelt aus (siehe unter „Ratibor“). Die Zufuhren der russischen Mordmaschinen sollen 14 Tage dauern. Der Wiener Zug ist deshalb ausgeblieben und wird, damit wenig und späte Nachrichten ins Ausland kommen, jetzt wohl mehre Male ausbleiben. Die Inquisition gegen ankommende Fremde ist auf den hiesigen Bahnhöfen ganz russisch-impertinent und preußisch-brutal. Die Lieutenants spielen dabei seller die Polizeibüttel.

X Ratibor, 11. März

Nicht umsonst wurde der lange beschlossene Durchlaß russischer Truppen durch preußisches Gebiet in der letzten Zeit auf's Angelegentlichste widerrufen. Breslau mußte zuerst in Belagerungszustand versetzt werden, ehe der Unterknäs von Potsdam es wagen mochte, den Knutenbegnadeten die Gränzen zu öffnen. Breslau ist nun in Belagerungszustand in Folge eines mit sehr großer Geschicklichkeit hervorgerufenen Kampfes, und kaum hat dort die Entwaffnung begonnen, so sind die Russen auch schon auf der Oberschlesischen- und Wilhelmsbahn nach Oestreich befördert. Gestern, von 6 Uhr Nachmittags ab, langten auf 4 Extrazügen, zu denen alle schlesischen Eisenbahnen ihr Wagenkontingent hatten stellen müssen, 1500 „Söhne“ des Czaren Nikolai, Infanterie, Schützen und (1 Batterie) Artillerie, verwildertes, verlaufenes, bestialisches Gesindel, als Vortrab der ir diesen Tagen über Mislowitz, Gleiwitz, Cosel, Ratibor und Oderberg bis zur Höhe von 15,000 Mann fortzusetzenden Truppensendungen, bei uns an und begaben sich nach kurzem Aufenthalt auf der Eisenbahn nach Oderberg resp. Oestreich weiter, „um, wie sie selber sagen, dem zukünftigen Schwiegersohne ihres lieben Kaisers in dem Kampfe gegen die Ungarn beizustehen und sich seiner gnädigen Aufforderung gemäß wacker zu schlagen.“ Der rothe Grimm bemächtigte sich der Anwesenden, als ihnen der Truppendurchlaß über die Standrechtsabsichten ihres „konstitutionellen Königs“ die Augen öffnete. Auf jedem Gesicht las man die Wuth über einen König, der heute die Russen nach Oestreich befördert, um sie morgen, wenn er sie braucht, im eigenen Lande aufräumen zu lassen. Alle Bahnhöfe, welche die Russen passirten, und eine Strecke an den Eisenbahnschienen entlang, waren mit preußischen Soldaten angefüllt, die das sogenannte Observationskorps massenweise in Oberschlesien zusammengetrieben hat. Die adligen Krippenreiter, der krückenreitende Landrath und die noblen Bourgeois konnten ihre Freude über die Annäherung der ersehnten „Befreier“ nicht verbergen; ja sie gaben sie absichtlich zu erkennen, um die Massen auf's Aeußerste zu reizen. Die „deutschen Demokraten“ wurden laut für „feige Bestien“ erklärt, aller Hohn über sie gehäuft, und den angekommenen Russen wurde mit wollüstiger Niedertracht Schnaps, Wein u. s. w. verabreicht. Man scandalirte, man wollte den Perron räumen lassen, hetzte die Soldaten und Gensd'armen auf, die Masse zurückzudrängen, man wollte auch hier den Belagerungszustand herbeiführen, aber das Volk erkannte das und verhielt sich danach. Wir sind durch die Tausende von Soldaten geknebelt, die das Observationskorps um uns aufgestellt hat, unsere Hoffnung setzen wir auf die Magyaren und die Rheinprovinz.

N. S. Bei den russischen Truppen, die gestern mit dem 4ten Zuge um 9 Uhr Abends hier anlangten, soll Paskiewitsch sich befinden.

10 Uhr Nachmittags (vom Bahnhofe). Das Ausfallssignal ist so eben gegeben worden; der östreichische Zug ist mithin irgendwo aufgehalten worden, entweder durch die Russentransporte oder — durch die Magyaren.

Prag, 10. Mai, Morgens 10 1/2 Uhr.

So eben wird der Belagerungszustand für Prag und Umgegend proklamirt!! Schon seit vorgestern durchkreuzten die unheimlichsten Gerüchte die Stadt; man sprach von der Anwesenheit polnischer und ungarischer Emissäre; deutscher Landsturm sollte im Verein mit den Führern der czechischen Partei nach Prag ziehen, und wie die Gerüchte noch immer lauten mögen. Heute früh wurden die Spaziergänger durch die allerseits getroffenen militärischen Maßregeln überrascht. Auf den Hauptplätzen der Kleinseite stehen Kanonen aufgefahren; die Basteien sind abgesperrt; Bahnhof und viele Plätze militärisch besetzt, die Thorbesatzungen verstärkt; das Wissehrader Thor sogar verbarrikadirt. Während man noch über die möglichen Gründe dieser außerordentlichen Maßregeln in Zweifel ist, erscheint an den Straßenecken ein Plakat, gezeichnet vom Kommandirenden: Khevenhüller. Aufrufe aus dem aufrührerischen Nachbarlande, heißt es darin, seien verbreitet worden; eine verbrecherische Fraktion wolle Revolution machen, darum werde Prag und 15 Ortschaften in Belagerungszustand erklärt. Die Nationalgarde bleibt fortbestehen, aus strategischen Rücksichten jedoch wird die Garde und Bürgerwehr der Kleinseite entwaffnet; die Kanonen aber überall der Garde abgenommen. Die Presse ist suspendirt, ohne Bewilligung der Militärbehörde darf nichts gedruckt werden, die politischen Behörden haben nur unter Aufsicht der Militärbehörde weiter zu fungiren. Die Stimmung ist sehr überrascht, jedoch nicht bedeutend aufgeregt. (12 Uhr Mittags.) Die Mitglieder der Slowanska Lipa: Sladkowski, (bereits früher aus den Junitagen bekannt), Gantsch, Rott sind verhaftet worden. (12 1/2 Uhr.) Eine telegraphische Depesche verkündet, daß der Wiener Bahnzug und Post nicht eintreffen werden. Die Ursache ist unbekannt.

(D. A. Z.)
Prag, 9. Mai.

Aus Ungarn fehlen uns Nachrichten von Belang. Es kamen uns wohl Preßburger Briefe zu, jedoch enthalten dieselben durchaus nichts Neues und Interessantes. Ueberhaupt scheint Ungarn für uns immer mehr eine terra incognita werden zu wollen, indem die Berichte von da immer spärlicher und seltener einlaufen, und das eigentliche Herz des Landes, die Hauptstadt, für uns ganz abgesperrt erscheint.

(C. Bl. a. B.)
Darmstadt, 11. Mai.

Vier Compagnien Infanterie und eine kleine Abtheilung Reiterei ging heute früh nach Heppenheim ab, wie man hört, theils zum Schutze der Eisenbahn, theils wegen Steuerverweigerung in einem benachbarten Dorfe des Odenwaldes, vielleicht auch, wie Manche behaupten, zum Schutze der Gewehrsammlung eines aus jener Gegend abziehenden Forstbeamten.

Dresden, 11. Mai.

Diesen Morgen fand eine Dislocirung der in der Neustadt gefangen gehaltenen Personen statt. Gegen 60 derselben wurden aus den Militärgefängnissen hierselbst nach der Altstadt abgeführt, dagegen unter Andern der im neustädter Rathhaus in Gewahrsam gehaltene Bürgermeister Tzschucke aus Meißen und der hiesige Advocat Krause in die Strafkaserne gebracht. Der heute früh hier gefänglich eingebrachte Justizamtmann Heubner aus Freiberg ist in die Gefängnisse der Cavaleriekaserne abgeliefert worden; hier nämlich scheinen die am schwersten Gravirten gefangen gehalten zu werden. In der Gemäldegalerie sind ungefähr 80 Gemälde beschädigt worden. Unter dem Rathhause fand das Militär einen Pulvervorrath von einigen und dreißig Centnern. Den ganzen Vormittag fanden Truppenbewegungen statt, und unter Andern zog auch das rothe Husarenregiment hier durch und über Tharand nach Freiberg. Ein Bataillon des 24. Landwehrregiments ist heute Nachmittag auf der Eisenbahn über Leipzig nach Halle abgegangen. Neustadt und Antonstadt waren in der anbefohlenen Entwaffnung. Bis jetzt sind nach und nach 12,000 Preußen in Dresden mit der Eisenbahn eingetroffen.

Leipzig, 11. Mai.

Heute Mittag soll zwei Stunden von hier, und, wie es heißt, bei Liebertwolkwitz zwischen von hier ausgerücktem Militär und einem Trupp, wahrscheinlich von Dresden flüchtiger Freischärler ein Zusammentreffen stattgefunden haben, wobei das Militär gegen 20 Gefangene machte.

(D. A. Z.)
* Leipzig, 12. Mai.

In der Leipziger Zeitung werden der Rechtscandidat Leo v. Zychlinski von Dresden und der Advokat und Gerichtsdirektor Hermann Marschall v. Biberstein ebendaher, Ersterer wegen staatsgefährlicher Handlungen, Letzterer wegen Theilnahme am Aufruhr und der Verleitung der Truppen zu verbrecherischen Handlungen, steckbrieflich verfolgt.

Die aus Dresden nach Freiberg abgezogenen Kämpfer haben sich in Freiburg nur kurze Zeit aufgehalten und haben sich nach Chemnitz begeben.

Braunschweig, 11. Mai.

Große Unruhe erregt hier die Nachricht, die Preußische Regierung habe die Ansicht ausgesprochen, daß sie aus der in Braunschweig und Hannover herrschenden Aufregung die Veranlassung hernehmen müsse, ihre durch diese Länder führende Etappenstraße zu sichern. Diese diplomatische Ausdrucksweise wird hier in allen Kreisen nichts anders gedeutet, als daß sie ein Euphemismus sei und nichts Anderes sagen wolle, als eine Besetzung des Herzogthums durch preußische Truppen und eine Einmischung in die Angelegenheiten Hannovers. Daß dergleichen aber nicht geeignet ist, die, nach den Vorgängen in Dresden, herrschenden Besorgnisse zu zerstreuen, ist wohl erklärlich.

(M. Z.)
* Frankfurt, 12. Mai.

Aus Heidelberg erfahren wir, daß gestern ein Theil des dasigen Arbeiter- wie des Turner-Vereins bewaffnet nach Speyer abmarschirt ist. In Aschaffenburg hat das Militär am 8. d. arge Exzesse begangen. Das Volk ist darüber in ungemeiner Aufregung.

Frankfurt, 12. Mai.

Einem Mannheimer Briefe vom gestrigen Datum an ein Mitglied der Reichsversammlung entlehnen wir folgende zuverlässige Mittheilungen: „Bei uns in Mannheim ist es ruhig, aber in der baierischen Pfalz sieht es kriegerisch aus und die Bewegung scheint die ganze Bevölkerung bis ins tiefste ergriffen zu haben. Heute Morgen haben das ganze sechste baierische Regiment und einige Kompagnieen des neunten erklärt, daß sie, so lange das Volk auf der Reichsverfassung besteht, nicht nur nicht gegen dasselbe kämpfen, sondern mit ihm treu gegen jeden Angriff auf die Verfassung stehen und fallen wollen. Sie haben ihre Offiziere, welche sich nicht für die Verfassung erklärten, eingesperrt und ihnen bemerkt, sie würden andere Offiziere wählen, wenn sie ihnen nicht beitreten sollten.“

(D. Z.)
Frankfurt, 12. Mai.

218. Sitzung der National-Versammlung.

Eröffnung der Sitzung um 9 1/2 Uhr.

In Folge einer aus Nürnberg eingegangenen Adresse wird folgender von Reden gestellte Antrag:

„In Erwägung der Nothwendigkeit, die Bewegung in den gesetzlichen Schranken zu halten, wolle die National-Versammlung beschließen, unter sofortiger Mittheilung dieses Beschlusses, das Reichsministerium aufzufordern, Reichscommissäre nach Franken zu senden und dieselben im Sinne des Beschlusses vom 10. d. M. zu instruiren,“

für dringlich erkannt und ohne Berathung angenommen.

Die Beschlüsse der rheinischen Gemeindevertreter sind eingegangen und werden verlesen.

Es treten wieder 17 (reactionäre) Mitglieder aus.

Es folgt die Präsidentenwahl. Reh wird mit 165 von 313 Stimmen Präsident.

Weiter steht auf der Tagesordnung Abstimmung über die Anträge des Kaiser-Ausschusses Sie werden zurückgezogen und der Ausschuß schließt sich den von Backhaus und Genossen ausgegangenen Anträgen an, die also lauten:

Die National-Versammlung beschließt:

1) die gesammte bewaffnete Macht Deutschlands einschließlich der Landwehr und der Bürgerwehr ist zur Aufrechthaltung der endgültig beschlossenen Verfassung feierlich zu verpflichten;
2) die provisorische Centralgewalt wird aufgefordert, das demgemäß Erforderliche unverzüglich zu veranlassen, so weit in den einzelnen Staaten nicht sofort aus eigener Bewegung danach vorgeschritten wird.

Diese Anträge werden mit 163 gegen 142 Stimmen angenommen, nachdem der Antrag der Minorität auf „Tagesordnung“ mit 172 gegen 143 Stimmen abgelehnt worden.

v. Gagern: Es ist heute von der hohen Versammlung der Antrag des Hrn. v. Reden zum Beschluß erhoben worden, das Ministerium zur ungesäumten Absendung von Reichskommissarien nach Franken aufzufordern. Meine Herren, ich gebe es Ihrer Ueberlegung anheim, ob Sie künftig solche in die Exekutive eingreifende Anträge für dringlich erachten und sofort zum Beschlusse erheben wollen. Besonders in gegenwärtiger Krisis des Ministeriums. Allein blicken wir auf § 54 der deutschen Reichsverfassung selbst, auf die dort gegebenen Vorschriften, so hat eine Störung des Friedens in Franken noch nicht stattgefunden und ebenso ist keine Anrufung von Seiten der baierischen Regierung erfolgt. Mithin sind die Bedingungen zur Absendung eines Reichscommissars nach Franken nicht vorhanden. Ich vertraue der gesunden Vernunft des deutschen Volks, daß es die ausgedehnten ihm verliehenen Freiheiten in den gehörigen gesetzlichen Schranken zu gebrauchen und Zusammenstöße, wie die in Franken befürchteten, zu vermeiden wissen werde. Nimmermehr hat aber die Mehrheit bei Fassung ihrer Beschlüsse vom 28. April und vom 4. Mai irgend welche gewaltsame Mittel zur Durchführung der Verfassung im Auge gehabt. Sie aber verlangen in dem betreffenden Beschlusse von dem abgetretenen Ministerium einen Schritt, der selbst über die Beschlüsse vom 10. Mai hinaus gehen würde. Wir sind nicht im Stande, ihn auszuführen. Ich bitte deshalb die Sache noch einmal in Erwägung zu ziehen und sogleich, denn die fränkischen Abgeordneten, die sich hier befinden, haben erklärt, daß der Reichskommissar morgen um 2 Uhr in Nürnberg eingetroffen sein müsse, wenn seine Sendung irgend von Wirksamkeit sein solle. Noch auf einen Punkt muß ich Sie aufmerksam machen. Das sind die drei Personen, welche von Nürnberg aus im Voraus für dies Reichskommissariat bezeichnet werden. Ich achte die Lauterkeit der Bestrebungen dieser Herren. Aber ich kann, und auch nach der Erfahrung an Hrn. Eisenstuck in der Pfalz, nicht annehmen, daß sich ihre Handlungsweise ganz und überall im Sinne des Ministeriums bewegen werde.

Da auf diese Erklärung des Hrn. v. Gagern kein Antrag gestellt wird, so bleibt die Sache auf sich beruhen.

Wigard stellt folgenden dringlichen Antrag:

Die National-Versammlung möge beschließen, daß die sächsischen Minister als verantwortlich für das in Dresden vergossene Blut zu erklären seien, daß das preußische Militär Sachsen sofort zu verlassen habe. Daß, so lange die sächsische Regierung die Reichsverfassung nicht anerkannt habe, die ganzen sächsischen Truppen den Befehlen des Reichskommissärs unterzuordnen seien.

Die Dringlichkeit wird nicht anerkannt und der Antrag dem Dreißiger-Ausschuß überwiesen.

v. Gagern beantwortet für den abwesenden Kriegsminister v. Peucker die gestrige Interpellation Simons aus Trier: daß von den aus Homburg zurückkehrenden Exekutionstruppen allerdings eine halbe Schwadron östreichischer Dragoner in Frankfurt zurückbehalten worden sei, um der durch die Züge nach Schleswig-Holstein geschwächten Garnison den Dienst zu erleichtern. Die Wachen seien ferner angewiesen, bewaffnet auftretenden Nichtmilitärs die Waffen abzunehmen. Auch ist das Tragen rother Abzeichen verboten.

In Folge dieser Antwort stellt L. Simon (Trier) zwei Dringlichkeits-Anträge:

1. daß das Ministerium aufgefordert werde, keine Truppen von Staaten hierher zu ziehen, die der Reichsversammlung den Krieg erklärt haben;
2. die National-Versammlung möge erklären, daß das gegen die Bürger einseitig erlassene Verbot von Tragen von Waffen und Abzeichen für nicht gesetzlich, nicht begründet und nur geeignet um Konflikte herbeizuführen.

Beide Anträge werden für nicht dringlich erklärt.

Schluß der heutigen Sitzung bald nach 12 Uhr; die nächste: Montag, 13. Mai

Mannheim, 10. Mai.

Auf den 12. d. ist ein allgemeiner Landeskongreß der Abgeordneten der Volksvereine in Offenburg und eben daselbst für den 13. d. eine Landes-Volksversammlung ausgeschrieben.

233 Ludwigshafen, 11. Mai.

In Eile theile ich Ihnen mit, daß 80 Rekruten sammt der Eskorte-Mannschaft zu uns (den Pfälzern) übergegangen. Von allen Seiten eilen sowohl Soldaten wie andere Mannschaften herbei. Wir haben nicht Raum genug, sie hier unterzubringen und senden sie deshalb nach einem

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          <head><bibl><author>103</author></bibl> Soest, 11. Mai.</head>
          <p>So eben hat das seit Mittwoch Abend zum Einkleiden hier versammelte Soester Bataillon des 16. Landwehr-Regiments, durch deputirte Unteroffiziere, unter welchen uns der Sohn des Appellhof-Präsidenten Lent zu Hamm bekannt ist, dem Bataillons-Kommando die Erklärung abgegeben:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;das Bataillon erkenne die Reichsverfassung als Grundgesetz an, und stelle sich, behufs ihrer Ausführung zur Verfügung der Nationalversammlung zu Frankfurt; es werde daher auf Verfügung des Ministeriums Brandenburg-Manteuffel und überhaupt nicht anders marschiren, als wenn ihm der äußere, Deutschland bedrohende Feind gezeigt werde.&#x201C;</p>
          <p>Da dem Bataillon bisher keine Gewehre anvertraut waren, so <hi rendition="#g">forderte</hi> es dieselben gestern und erhielt sie nach einigem Parlamentiren auf der Stelle.</p>
          <p>Die schwarzweißen Kokarden sind, bis Preußen die Reichsverfassung anerkannt hat, abgelegt. Uebrigens sind wir hier auf Alles gefaßt. Heute holen sich die Landwehrmänner auch die ihnen anfänglich verweigerte Munition.</p>
          <p>Im benachbarten Arnsberger Walde haben sich tüchtige Guerillakorps, zum Succurs der Iserlohner, welche die gegen sie marschirenden Soldaten vorläufig zurückgewiesen haben, organisirt; sie fangen Militärtransporte auf, beunruhigen einzelne Abtheilungen des Iserlohner Cernirungskorps und hätten gestern beinahe den General Niesewandt gefangen genommen.</p>
          <p>Brausend zieht so eben ein großer Haufe Landwehrmänner unter meinem Fenster vorüber und singt das <hi rendition="#g">Heckerlied</hi>. Sie wollen dem bedrohten Iserlohn zu Hülfe eilen.</p>
        </div>
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          <head><bibl><author>X</author></bibl> Berlin, 11. Mai.</head>
          <p>Trotz der vielen und theueren Versicherungen des ehrenwerthen Reichsministeriums, keiner der 29 anerkennenden Fürsten werde sein Wort zurücknehmen, findet demungeachtet hier in Berlin ein Kongreß von Bevollmächtigten deutscher Regierungen statt. Es sind in demselben natürlich vor allen Dingen Preußen, Baiern, Sachsen und Hannover, aber merkwürdigerweise auch Würtemberg. Braunschweig, Mecklenburg vertreten. Man hat eine engere Kommission erwählt und arbeitet rüstig an der bald zu octroyirenden Verfassung für ganz Deutschland, in der man auch ein &#x201E;vernunftgemäßes&#x201C; Wahlgesetz anzubringen hofft. Braunschweig ist durch den bekannten Dr. Liebe, Hannover durch Wangenheim vertreten. In Würtemberg und Braunschweig nun haben Regierung und Kammern die Reichsverfassung anzuerkennen und durchzuführen beschlossen. König und Herzog spielen also hinter dem Rücken ihrer leichtdüpirten Minister ein sehr betrügliches Spiel.</p>
          <p>Die gestern octroyirte Belagerungs-Konstitution hat denn doch endlich einige Erbitterung erregt. An allen öffentlichen Orten wurde sie vorgelesen, und Herr Simons hätte sich über die eigenthümlichen Kommentare und Nutzanwendungen freuen können. Ueberall sah man bald ein, daß es auf den Rhein und die renitente Landwehr vorzüglich gemünzt ist. Es ist möglich, daß die Stimmung hier, wie im ganzen Lande gerade durch dieses Gesetz eine sehr einmüthige wird. Bisher hatte noch ein großer Theil der Demokratie geglaubt, es könne ein erfolgreiches Ziel noch durch eine friedliche Agitation erreicht werden. Diesem Legalisiren des Mordes gegenüber muß sich diese Partei den Entschiedeneren anschließen, welche allein im Schwerte Heil sehen.</p>
          <p>Das erste Bataillon des 24. Regiments ist heute Vormittag aus Stettin hier angekommen und ging um 1 1/2 Uhr Mittags mit der Eisenbahn nach Westphalen. Das zweite Bataillon soll sofort nachfolgen.</p>
          <p>Während die demokratischen Versammlungen verboten, die freilich jetzt sehr unnöthigen oppositionellen Wahlbewegungen verhindert werden, fährt die konservative Partei rüstig fort, alle Mittel zu gebrauchen um Seelen für sich zu gewinnen. Sie wird natürlich durch das Ministerium trefflich unterstützt. Ihre Vereine sind ungehindert, für die Aussendung ihrer Plakate und Traktätlein etc. erhalten sie Portofreiheit etc. Dagegen ist erst gestern Abend eine demokratische Bezirksversammlung gestört worden, welche alle 14 Tage im Odeum zusammenkam, wo von Dilettanten gesungen, deklamirt, gespielt und von Anderen, wie den Professoren Michelet und Jacoby, Vorträge gehalten wurden. Die Polizei trat den Ankommenden entgegen und erklärte ihnen, musiciren könnten sie soviel sie wollten, aber Reden dürften nicht gehalten werden.</p>
          <p>Am nächsten Sonntag wird im Oderbruch, bei Arnsdorf, vom frühern Abgeordneten Görtz-Wrisberg aus Frankfurt a. O. eine große Volksversammlung gehalten werden, zu der 82 Gemeinden theils hinziehen, theils Deputirte schicken werden. Jung und vielleicht auch Waldeck wollen dort sprechen.</p>
          <p>An die Nationalversammlung nach Frankfurt sind jetzt schon vier Bände mit anerkennenden Adressen von hier geschickt worden, trotzdem daß die Polizei sich außerordentlich bemühete, ihrer habhaft zu werden.</p>
          <p>Unsere Regierung ist noch sehr unruhig und besorgt über den endlichen Ausgang der sächsischen Angelegenheiten, obwohl sie nach dem Fall des tapfern Dresden sogleich Muth bekam, und uns mit dem liebenswürdigen Martialgesetz beschenkte. Die provisorische Regierung von Sachsen, in einem leicht zu vertheidigenden Gebirge, Tausende von kräftigen Leuten zum stärksten Widerstande bewaffnet und gerüstet, ganz Sachsen in Aufstand, Böhmen ebenfalls unruhig, das sind gerade keine sehr angenehmen Momente. Köstlich ist die Wuth der Regierung und der reaktionären Blätter, daß die provisorische Regierung entkommen ist, und man wird nicht müde, diese mit den gemeinsten Schmähungen zu überhäufen. Am größten ist darin natürlich wieder das liebenswürdige Kleeblatt Hansemann-Weill-Bardeleben.</p>
          <p>Vor einigen Tagen hat der Prinz von Preußen seinen liebenswürdigen ältesten Sprößling als Rekruten bei der Garde eingeführt und dabei eine empörend absolutistische Rede gehalten. Königl. Hoheit lieben es sehr auf die fatale geheime Mission zurückzukommen, um die vielen Beweise von Treue erwähnen zu können, welche Höchstdieselben damals erhalten haben. Warum erzählt der edle Prinz denn nicht die interessanten Details dieser Mission? Es kommen dabei allerlei Geschichten von Abrasiren des Schnurrbarts, von Verkleidung als Postillon etc. vor.</p>
          <p>Wir geben eine neue Geschichte aus der ehrenwerthen v. d. Heidt'schen Familie, da es interessant ist zu sehen, wie sich die Elberfelder Mucker für solche kleine, sehr unchristliche Schmuggeleien gar leicht Absolution ertheilen. Frau v. d. Heidt schmuggelte vor einigen Jahren Spitzen über die preußische Gränze, indem sie dieselben so geschickt in ihre Kleider eingenähet hatte, daß es schien, sie sei in denjenigen interessanten Umständen, welche die Engländer jährlich das Vergnügen haben, bei ihrer Königin zu bewundern. Die Schmuggelei ging glücklich und unbemerkt von Statten. Leider war aber Frau v. d. Heidt unvorsichtig genug, sich dieser Heldenthat in der Diligence gegen einen jungen, ihr unbekannten Reisegefährten zu rühmen, denn o Schrecken, dieser junge Mann war ein Douanier, der sie aufforderte, auf der nächsten Station auszusteigen, wo sie auf dem Steueramte die Spitzen auszuliefern hatte, und der arme v. d. Heidt mußte wieder sehr, sehr viel Strafe bezahlen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar298_009" type="jArticle">
          <head><bibl><author>61</author></bibl> Breslau, 11. Mai.</head>
          <p>Heute sind wieder 4000 Russen über Kosel nach Oestreich geschleppt worden. Es waren vier Züge; sie bestanden aus Infanterie, Artillerie und Kavallerie. Die sämmtlichen Kerntruppen sahen ungeheuer zerlumpt und abgemergelt aus (siehe unter &#x201E;Ratibor&#x201C;). Die Zufuhren der russischen Mordmaschinen sollen 14 Tage dauern. Der Wiener Zug ist deshalb ausgeblieben und wird, damit wenig und späte Nachrichten ins Ausland kommen, jetzt wohl mehre Male ausbleiben. Die Inquisition gegen ankommende Fremde ist auf den hiesigen Bahnhöfen ganz russisch-impertinent und preußisch-brutal. Die Lieutenants spielen dabei seller die Polizeibüttel.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar298_010" type="jArticle">
          <head><bibl><author>X</author></bibl> Ratibor, 11. März</head>
          <p>Nicht umsonst wurde der lange beschlossene Durchlaß russischer Truppen durch preußisches Gebiet in der letzten Zeit auf's Angelegentlichste widerrufen. Breslau mußte zuerst in Belagerungszustand versetzt werden, ehe der Unterknäs von Potsdam es wagen mochte, den Knutenbegnadeten die Gränzen zu öffnen. Breslau ist nun in Belagerungszustand in Folge eines mit sehr großer Geschicklichkeit hervorgerufenen Kampfes, und kaum hat dort die Entwaffnung begonnen, so sind die Russen auch schon auf der Oberschlesischen- und Wilhelmsbahn nach Oestreich befördert. Gestern, von 6 Uhr Nachmittags ab, langten auf 4 Extrazügen, zu denen alle schlesischen Eisenbahnen ihr Wagenkontingent hatten stellen müssen, 1500 &#x201E;Söhne&#x201C; des Czaren Nikolai, Infanterie, Schützen und (1 Batterie) Artillerie, verwildertes, verlaufenes, bestialisches Gesindel, als Vortrab der ir diesen Tagen über Mislowitz, Gleiwitz, Cosel, Ratibor und Oderberg bis zur Höhe von 15,000 Mann fortzusetzenden Truppensendungen, bei uns an und begaben sich nach kurzem Aufenthalt auf der Eisenbahn nach Oderberg resp. Oestreich weiter, &#x201E;um, wie sie selber sagen, dem zukünftigen Schwiegersohne ihres lieben Kaisers in dem Kampfe gegen die Ungarn beizustehen und sich seiner gnädigen Aufforderung gemäß wacker zu schlagen.&#x201C; Der rothe Grimm bemächtigte sich der Anwesenden, als ihnen der Truppendurchlaß über die Standrechtsabsichten ihres &#x201E;konstitutionellen Königs&#x201C; die Augen öffnete. Auf jedem Gesicht las man die Wuth über einen König, der heute die Russen nach Oestreich befördert, um sie morgen, wenn er sie braucht, im eigenen Lande aufräumen zu lassen. Alle Bahnhöfe, welche die Russen passirten, und eine Strecke an den Eisenbahnschienen entlang, waren mit preußischen Soldaten angefüllt, die das sogenannte Observationskorps massenweise in Oberschlesien zusammengetrieben hat. Die adligen Krippenreiter, der krückenreitende Landrath und die noblen Bourgeois konnten ihre Freude über die Annäherung der ersehnten &#x201E;Befreier&#x201C; nicht verbergen; ja sie gaben sie absichtlich zu erkennen, um die Massen auf's Aeußerste zu reizen. Die &#x201E;deutschen Demokraten&#x201C; wurden laut für &#x201E;feige Bestien&#x201C; erklärt, aller Hohn über sie gehäuft, und den angekommenen Russen wurde mit wollüstiger Niedertracht Schnaps, Wein u. s. w. verabreicht. Man scandalirte, man wollte den Perron räumen lassen, hetzte die Soldaten und Gensd'armen auf, die Masse zurückzudrängen, man wollte auch hier den Belagerungszustand herbeiführen, aber das Volk erkannte das und verhielt sich danach. Wir sind durch die Tausende von Soldaten geknebelt, die das Observationskorps um uns aufgestellt hat, unsere Hoffnung setzen wir auf die Magyaren und die Rheinprovinz.</p>
          <p>N. S. Bei den russischen Truppen, die gestern mit dem 4ten Zuge um 9 Uhr Abends hier anlangten, soll <hi rendition="#g">Paskiewitsch</hi> sich befinden.</p>
          <p><hi rendition="#g">10 Uhr Nachmittags</hi> (vom Bahnhofe). Das Ausfallssignal ist so eben gegeben worden; der östreichische Zug ist mithin irgendwo aufgehalten worden, entweder durch die Russentransporte oder &#x2014; durch die Magyaren.</p>
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          <head>Prag, 10. Mai, Morgens 10 1/2 Uhr.</head>
          <p><hi rendition="#g">So eben wird der Belagerungszustand für Prag und Umgegend proklamirt</hi>!! Schon seit vorgestern durchkreuzten die unheimlichsten Gerüchte die Stadt; man sprach von der Anwesenheit polnischer und ungarischer Emissäre; deutscher Landsturm sollte im Verein mit den Führern der czechischen Partei nach Prag ziehen, und wie die Gerüchte noch immer lauten mögen. Heute früh wurden die Spaziergänger durch die allerseits getroffenen militärischen Maßregeln überrascht. Auf den Hauptplätzen der Kleinseite stehen Kanonen aufgefahren; die Basteien sind abgesperrt; Bahnhof und viele Plätze militärisch besetzt, die Thorbesatzungen verstärkt; das Wissehrader Thor sogar verbarrikadirt. Während man noch über die möglichen Gründe dieser außerordentlichen Maßregeln in Zweifel ist, erscheint an den Straßenecken ein Plakat, gezeichnet vom Kommandirenden: Khevenhüller. Aufrufe aus dem aufrührerischen Nachbarlande, heißt es darin, seien verbreitet worden; eine verbrecherische Fraktion wolle Revolution machen, darum werde Prag und 15 Ortschaften in Belagerungszustand erklärt. Die Nationalgarde bleibt fortbestehen, aus strategischen Rücksichten jedoch wird die Garde und Bürgerwehr der Kleinseite entwaffnet; die Kanonen aber überall der Garde abgenommen. Die Presse ist suspendirt, ohne Bewilligung der Militärbehörde darf nichts gedruckt werden, die politischen Behörden haben nur unter Aufsicht der Militärbehörde weiter zu fungiren. Die Stimmung ist sehr überrascht, jedoch nicht bedeutend aufgeregt. (12 Uhr Mittags.) Die Mitglieder der Slowanska Lipa: Sladkowski, (bereits früher aus den Junitagen bekannt), Gantsch, Rott sind verhaftet worden. (12 1/2 Uhr.) Eine telegraphische Depesche verkündet, daß der Wiener Bahnzug und Post nicht eintreffen werden. Die Ursache ist unbekannt.</p>
          <bibl>(D. A. Z.)</bibl>
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          <bibl>(C. Bl. a. B.)</bibl>
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          <p>Vier Compagnien Infanterie und eine kleine Abtheilung Reiterei ging heute früh nach Heppenheim ab, wie man hört, theils zum Schutze der Eisenbahn, theils wegen Steuerverweigerung in einem benachbarten Dorfe des Odenwaldes, vielleicht auch, wie Manche behaupten, zum Schutze der Gewehrsammlung eines aus jener Gegend abziehenden Forstbeamten.</p>
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          <head>Dresden, 11. Mai.</head>
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          <head>Leipzig, 11. Mai.</head>
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          <p>Die aus Dresden nach Freiberg abgezogenen Kämpfer haben sich in Freiburg nur kurze Zeit aufgehalten und haben sich nach Chemnitz begeben.</p>
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          <head>Braunschweig, 11. Mai.</head>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Frankfurt, 12. Mai.</head>
          <p>Aus Heidelberg erfahren wir, daß gestern ein Theil des dasigen Arbeiter- wie des Turner-Vereins bewaffnet nach Speyer abmarschirt ist. In <hi rendition="#g">Aschaffenburg</hi> hat das Militär am 8. d. arge Exzesse begangen. Das Volk ist darüber in ungemeiner Aufregung.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar298_019" type="jArticle">
          <head>Frankfurt, 12. Mai.</head>
          <p>Einem Mannheimer Briefe vom gestrigen Datum an ein Mitglied der Reichsversammlung entlehnen wir folgende zuverlässige Mittheilungen: &#x201E;Bei uns in Mannheim ist es ruhig, aber in der baierischen Pfalz sieht es kriegerisch aus und die Bewegung scheint die ganze Bevölkerung bis ins tiefste ergriffen zu haben. Heute Morgen haben das ganze sechste baierische Regiment und einige Kompagnieen des neunten erklärt, daß sie, so lange das Volk auf der Reichsverfassung besteht, nicht nur nicht gegen dasselbe kämpfen, sondern mit ihm treu gegen jeden Angriff auf die Verfassung stehen und fallen wollen. Sie haben ihre Offiziere, welche sich nicht für die Verfassung erklärten, eingesperrt und ihnen bemerkt, sie würden andere Offiziere wählen, wenn sie ihnen nicht beitreten sollten.&#x201C;</p>
          <bibl>(D. Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar298_020" type="jArticle">
          <head>Frankfurt, 12. Mai.</head>
          <p>218. Sitzung der National-Versammlung.</p>
          <p>Eröffnung der Sitzung um 9 1/2 Uhr.</p>
          <p>In Folge einer aus <hi rendition="#g">Nürnberg</hi> eingegangenen Adresse wird folgender von <hi rendition="#g">Reden</hi> gestellte Antrag:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;In Erwägung der Nothwendigkeit, die Bewegung in den gesetzlichen Schranken zu halten, wolle die National-Versammlung beschließen, unter sofortiger Mittheilung dieses Beschlusses, das Reichsministerium aufzufordern, Reichscommissäre nach Franken zu senden und dieselben im Sinne des Beschlusses vom 10. d. M. zu instruiren,&#x201C;</p>
          <p>für dringlich erkannt und ohne Berathung angenommen.</p>
          <p>Die Beschlüsse der rheinischen Gemeindevertreter sind eingegangen und werden verlesen.</p>
          <p>Es treten wieder 17 (reactionäre) Mitglieder aus.</p>
          <p>Es folgt die Präsidentenwahl. <hi rendition="#g">Reh</hi> wird mit 165 von 313 Stimmen Präsident.</p>
          <p>Weiter steht auf der Tagesordnung Abstimmung über die Anträge des Kaiser-Ausschusses Sie werden zurückgezogen und der Ausschuß schließt sich den von <hi rendition="#g">Backhaus</hi> und Genossen ausgegangenen Anträgen an, die also lauten:</p>
          <p>Die National-Versammlung beschließt:</p>
          <p rendition="#et">1) die gesammte bewaffnete Macht Deutschlands einschließlich der Landwehr und der Bürgerwehr ist zur Aufrechthaltung der endgültig beschlossenen Verfassung feierlich zu verpflichten;<lb/>
2) die provisorische Centralgewalt wird aufgefordert, das demgemäß Erforderliche unverzüglich zu veranlassen, so weit in den einzelnen Staaten nicht sofort aus eigener Bewegung danach vorgeschritten wird.</p>
          <p>Diese Anträge werden mit 163 gegen 142 Stimmen angenommen, nachdem der Antrag der Minorität auf &#x201E;Tagesordnung&#x201C; mit 172 gegen 143 Stimmen abgelehnt worden.</p>
          <p>v. <hi rendition="#g">Gagern</hi>: Es ist heute von der hohen Versammlung der Antrag des Hrn. v. Reden zum Beschluß erhoben worden, das Ministerium zur ungesäumten Absendung von Reichskommissarien nach Franken aufzufordern. Meine Herren, ich gebe es Ihrer Ueberlegung anheim, ob Sie künftig solche in die Exekutive eingreifende Anträge für dringlich erachten und sofort zum Beschlusse erheben wollen. Besonders in gegenwärtiger Krisis des Ministeriums. Allein blicken wir auf § 54 der deutschen Reichsverfassung selbst, auf die dort gegebenen Vorschriften, so hat eine Störung des Friedens in Franken noch nicht stattgefunden und ebenso ist keine Anrufung von Seiten der baierischen Regierung erfolgt. Mithin sind die Bedingungen zur Absendung eines Reichscommissars nach Franken nicht vorhanden. Ich vertraue der gesunden Vernunft des deutschen Volks, daß es die ausgedehnten ihm verliehenen Freiheiten in den gehörigen gesetzlichen Schranken zu gebrauchen und Zusammenstöße, wie die in Franken befürchteten, zu vermeiden wissen werde. Nimmermehr hat aber die Mehrheit bei Fassung ihrer Beschlüsse vom 28. April und vom 4. Mai irgend welche gewaltsame Mittel zur Durchführung der Verfassung im Auge gehabt. Sie aber verlangen in dem betreffenden Beschlusse von dem abgetretenen Ministerium einen Schritt, der selbst über die Beschlüsse vom 10. Mai hinaus gehen würde. Wir sind nicht im Stande, ihn auszuführen. Ich bitte deshalb die Sache noch einmal in Erwägung zu ziehen und sogleich, denn die fränkischen Abgeordneten, die sich hier befinden, haben erklärt, daß der Reichskommissar morgen um 2 Uhr in Nürnberg eingetroffen sein müsse, wenn seine Sendung irgend von Wirksamkeit sein solle. Noch auf einen Punkt muß ich Sie aufmerksam machen. Das sind die drei Personen, welche von Nürnberg aus im Voraus für dies Reichskommissariat bezeichnet werden. Ich achte die Lauterkeit der Bestrebungen dieser Herren. Aber ich kann, und auch nach der Erfahrung an Hrn. Eisenstuck in der Pfalz, nicht annehmen, daß sich ihre Handlungsweise ganz und überall im Sinne des Ministeriums bewegen werde.</p>
          <p>Da auf diese Erklärung des Hrn. v. Gagern kein Antrag gestellt wird, so bleibt die Sache auf sich beruhen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Wigard</hi> stellt folgenden dringlichen Antrag:</p>
          <p rendition="#et">Die National-Versammlung möge beschließen, daß die sächsischen Minister als verantwortlich für das in Dresden vergossene Blut zu erklären seien, daß das preußische Militär Sachsen sofort zu verlassen habe. Daß, so lange die sächsische Regierung die Reichsverfassung nicht anerkannt habe, die ganzen sächsischen Truppen den Befehlen des Reichskommissärs unterzuordnen seien.</p>
          <p>Die Dringlichkeit wird <hi rendition="#g">nicht</hi> anerkannt und der Antrag dem Dreißiger-Ausschuß überwiesen.</p>
          <p>v. <hi rendition="#g">Gagern</hi> beantwortet für den abwesenden Kriegsminister v. Peucker die gestrige Interpellation Simons aus Trier: daß von den aus Homburg zurückkehrenden Exekutionstruppen allerdings eine halbe Schwadron östreichischer Dragoner in Frankfurt zurückbehalten worden sei, um der durch die Züge nach Schleswig-Holstein geschwächten Garnison den Dienst zu erleichtern. Die Wachen seien ferner angewiesen, bewaffnet auftretenden Nichtmilitärs die Waffen abzunehmen. Auch ist das Tragen rother Abzeichen verboten.</p>
          <p>In Folge dieser Antwort stellt L. Simon (Trier) zwei Dringlichkeits-Anträge:</p>
          <p rendition="#et">1. daß das Ministerium aufgefordert werde, keine Truppen von Staaten hierher zu ziehen, die der Reichsversammlung den Krieg erklärt haben;<lb/>
2. die National-Versammlung möge erklären, daß das gegen die Bürger einseitig erlassene Verbot von Tragen von Waffen und Abzeichen für nicht gesetzlich, nicht begründet und nur geeignet um Konflikte herbeizuführen.</p>
          <p>Beide Anträge werden für <hi rendition="#g">nicht</hi> dringlich erklärt.</p>
          <p>Schluß der heutigen Sitzung bald nach 12 Uhr; die nächste: Montag, 13. Mai</p>
        </div>
        <div xml:id="ar298_021" type="jArticle">
          <head>Mannheim, 10. Mai.</head>
          <p>Auf den 12. d. ist ein allgemeiner Landeskongreß der Abgeordneten der Volksvereine in <hi rendition="#g">Offenburg</hi> und eben daselbst für den 13. d. eine Landes-Volksversammlung ausgeschrieben.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar298_022" type="jArticle">
          <head><bibl><author>233</author></bibl> Ludwigshafen, 11. Mai.</head>
          <p>In Eile theile ich Ihnen mit, daß 80 Rekruten sammt der Eskorte-Mannschaft zu uns (den Pfälzern) übergegangen. Von allen Seiten eilen sowohl Soldaten wie andere Mannschaften herbei. Wir haben nicht Raum genug, sie hier unterzubringen und senden sie deshalb nach einem
</p>
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</TEI>
[1696/0002] 103 Soest, 11. Mai. So eben hat das seit Mittwoch Abend zum Einkleiden hier versammelte Soester Bataillon des 16. Landwehr-Regiments, durch deputirte Unteroffiziere, unter welchen uns der Sohn des Appellhof-Präsidenten Lent zu Hamm bekannt ist, dem Bataillons-Kommando die Erklärung abgegeben: „das Bataillon erkenne die Reichsverfassung als Grundgesetz an, und stelle sich, behufs ihrer Ausführung zur Verfügung der Nationalversammlung zu Frankfurt; es werde daher auf Verfügung des Ministeriums Brandenburg-Manteuffel und überhaupt nicht anders marschiren, als wenn ihm der äußere, Deutschland bedrohende Feind gezeigt werde.“ Da dem Bataillon bisher keine Gewehre anvertraut waren, so forderte es dieselben gestern und erhielt sie nach einigem Parlamentiren auf der Stelle. Die schwarzweißen Kokarden sind, bis Preußen die Reichsverfassung anerkannt hat, abgelegt. Uebrigens sind wir hier auf Alles gefaßt. Heute holen sich die Landwehrmänner auch die ihnen anfänglich verweigerte Munition. Im benachbarten Arnsberger Walde haben sich tüchtige Guerillakorps, zum Succurs der Iserlohner, welche die gegen sie marschirenden Soldaten vorläufig zurückgewiesen haben, organisirt; sie fangen Militärtransporte auf, beunruhigen einzelne Abtheilungen des Iserlohner Cernirungskorps und hätten gestern beinahe den General Niesewandt gefangen genommen. Brausend zieht so eben ein großer Haufe Landwehrmänner unter meinem Fenster vorüber und singt das Heckerlied. Sie wollen dem bedrohten Iserlohn zu Hülfe eilen. X Berlin, 11. Mai. Trotz der vielen und theueren Versicherungen des ehrenwerthen Reichsministeriums, keiner der 29 anerkennenden Fürsten werde sein Wort zurücknehmen, findet demungeachtet hier in Berlin ein Kongreß von Bevollmächtigten deutscher Regierungen statt. Es sind in demselben natürlich vor allen Dingen Preußen, Baiern, Sachsen und Hannover, aber merkwürdigerweise auch Würtemberg. Braunschweig, Mecklenburg vertreten. Man hat eine engere Kommission erwählt und arbeitet rüstig an der bald zu octroyirenden Verfassung für ganz Deutschland, in der man auch ein „vernunftgemäßes“ Wahlgesetz anzubringen hofft. Braunschweig ist durch den bekannten Dr. Liebe, Hannover durch Wangenheim vertreten. In Würtemberg und Braunschweig nun haben Regierung und Kammern die Reichsverfassung anzuerkennen und durchzuführen beschlossen. König und Herzog spielen also hinter dem Rücken ihrer leichtdüpirten Minister ein sehr betrügliches Spiel. Die gestern octroyirte Belagerungs-Konstitution hat denn doch endlich einige Erbitterung erregt. An allen öffentlichen Orten wurde sie vorgelesen, und Herr Simons hätte sich über die eigenthümlichen Kommentare und Nutzanwendungen freuen können. Ueberall sah man bald ein, daß es auf den Rhein und die renitente Landwehr vorzüglich gemünzt ist. Es ist möglich, daß die Stimmung hier, wie im ganzen Lande gerade durch dieses Gesetz eine sehr einmüthige wird. Bisher hatte noch ein großer Theil der Demokratie geglaubt, es könne ein erfolgreiches Ziel noch durch eine friedliche Agitation erreicht werden. Diesem Legalisiren des Mordes gegenüber muß sich diese Partei den Entschiedeneren anschließen, welche allein im Schwerte Heil sehen. Das erste Bataillon des 24. Regiments ist heute Vormittag aus Stettin hier angekommen und ging um 1 1/2 Uhr Mittags mit der Eisenbahn nach Westphalen. Das zweite Bataillon soll sofort nachfolgen. Während die demokratischen Versammlungen verboten, die freilich jetzt sehr unnöthigen oppositionellen Wahlbewegungen verhindert werden, fährt die konservative Partei rüstig fort, alle Mittel zu gebrauchen um Seelen für sich zu gewinnen. Sie wird natürlich durch das Ministerium trefflich unterstützt. Ihre Vereine sind ungehindert, für die Aussendung ihrer Plakate und Traktätlein etc. erhalten sie Portofreiheit etc. Dagegen ist erst gestern Abend eine demokratische Bezirksversammlung gestört worden, welche alle 14 Tage im Odeum zusammenkam, wo von Dilettanten gesungen, deklamirt, gespielt und von Anderen, wie den Professoren Michelet und Jacoby, Vorträge gehalten wurden. Die Polizei trat den Ankommenden entgegen und erklärte ihnen, musiciren könnten sie soviel sie wollten, aber Reden dürften nicht gehalten werden. Am nächsten Sonntag wird im Oderbruch, bei Arnsdorf, vom frühern Abgeordneten Görtz-Wrisberg aus Frankfurt a. O. eine große Volksversammlung gehalten werden, zu der 82 Gemeinden theils hinziehen, theils Deputirte schicken werden. Jung und vielleicht auch Waldeck wollen dort sprechen. An die Nationalversammlung nach Frankfurt sind jetzt schon vier Bände mit anerkennenden Adressen von hier geschickt worden, trotzdem daß die Polizei sich außerordentlich bemühete, ihrer habhaft zu werden. Unsere Regierung ist noch sehr unruhig und besorgt über den endlichen Ausgang der sächsischen Angelegenheiten, obwohl sie nach dem Fall des tapfern Dresden sogleich Muth bekam, und uns mit dem liebenswürdigen Martialgesetz beschenkte. Die provisorische Regierung von Sachsen, in einem leicht zu vertheidigenden Gebirge, Tausende von kräftigen Leuten zum stärksten Widerstande bewaffnet und gerüstet, ganz Sachsen in Aufstand, Böhmen ebenfalls unruhig, das sind gerade keine sehr angenehmen Momente. Köstlich ist die Wuth der Regierung und der reaktionären Blätter, daß die provisorische Regierung entkommen ist, und man wird nicht müde, diese mit den gemeinsten Schmähungen zu überhäufen. Am größten ist darin natürlich wieder das liebenswürdige Kleeblatt Hansemann-Weill-Bardeleben. Vor einigen Tagen hat der Prinz von Preußen seinen liebenswürdigen ältesten Sprößling als Rekruten bei der Garde eingeführt und dabei eine empörend absolutistische Rede gehalten. Königl. Hoheit lieben es sehr auf die fatale geheime Mission zurückzukommen, um die vielen Beweise von Treue erwähnen zu können, welche Höchstdieselben damals erhalten haben. Warum erzählt der edle Prinz denn nicht die interessanten Details dieser Mission? Es kommen dabei allerlei Geschichten von Abrasiren des Schnurrbarts, von Verkleidung als Postillon etc. vor. Wir geben eine neue Geschichte aus der ehrenwerthen v. d. Heidt'schen Familie, da es interessant ist zu sehen, wie sich die Elberfelder Mucker für solche kleine, sehr unchristliche Schmuggeleien gar leicht Absolution ertheilen. Frau v. d. Heidt schmuggelte vor einigen Jahren Spitzen über die preußische Gränze, indem sie dieselben so geschickt in ihre Kleider eingenähet hatte, daß es schien, sie sei in denjenigen interessanten Umständen, welche die Engländer jährlich das Vergnügen haben, bei ihrer Königin zu bewundern. Die Schmuggelei ging glücklich und unbemerkt von Statten. Leider war aber Frau v. d. Heidt unvorsichtig genug, sich dieser Heldenthat in der Diligence gegen einen jungen, ihr unbekannten Reisegefährten zu rühmen, denn o Schrecken, dieser junge Mann war ein Douanier, der sie aufforderte, auf der nächsten Station auszusteigen, wo sie auf dem Steueramte die Spitzen auszuliefern hatte, und der arme v. d. Heidt mußte wieder sehr, sehr viel Strafe bezahlen. 61 Breslau, 11. Mai. Heute sind wieder 4000 Russen über Kosel nach Oestreich geschleppt worden. Es waren vier Züge; sie bestanden aus Infanterie, Artillerie und Kavallerie. Die sämmtlichen Kerntruppen sahen ungeheuer zerlumpt und abgemergelt aus (siehe unter „Ratibor“). Die Zufuhren der russischen Mordmaschinen sollen 14 Tage dauern. Der Wiener Zug ist deshalb ausgeblieben und wird, damit wenig und späte Nachrichten ins Ausland kommen, jetzt wohl mehre Male ausbleiben. Die Inquisition gegen ankommende Fremde ist auf den hiesigen Bahnhöfen ganz russisch-impertinent und preußisch-brutal. Die Lieutenants spielen dabei seller die Polizeibüttel. X Ratibor, 11. März Nicht umsonst wurde der lange beschlossene Durchlaß russischer Truppen durch preußisches Gebiet in der letzten Zeit auf's Angelegentlichste widerrufen. Breslau mußte zuerst in Belagerungszustand versetzt werden, ehe der Unterknäs von Potsdam es wagen mochte, den Knutenbegnadeten die Gränzen zu öffnen. Breslau ist nun in Belagerungszustand in Folge eines mit sehr großer Geschicklichkeit hervorgerufenen Kampfes, und kaum hat dort die Entwaffnung begonnen, so sind die Russen auch schon auf der Oberschlesischen- und Wilhelmsbahn nach Oestreich befördert. Gestern, von 6 Uhr Nachmittags ab, langten auf 4 Extrazügen, zu denen alle schlesischen Eisenbahnen ihr Wagenkontingent hatten stellen müssen, 1500 „Söhne“ des Czaren Nikolai, Infanterie, Schützen und (1 Batterie) Artillerie, verwildertes, verlaufenes, bestialisches Gesindel, als Vortrab der ir diesen Tagen über Mislowitz, Gleiwitz, Cosel, Ratibor und Oderberg bis zur Höhe von 15,000 Mann fortzusetzenden Truppensendungen, bei uns an und begaben sich nach kurzem Aufenthalt auf der Eisenbahn nach Oderberg resp. Oestreich weiter, „um, wie sie selber sagen, dem zukünftigen Schwiegersohne ihres lieben Kaisers in dem Kampfe gegen die Ungarn beizustehen und sich seiner gnädigen Aufforderung gemäß wacker zu schlagen.“ Der rothe Grimm bemächtigte sich der Anwesenden, als ihnen der Truppendurchlaß über die Standrechtsabsichten ihres „konstitutionellen Königs“ die Augen öffnete. Auf jedem Gesicht las man die Wuth über einen König, der heute die Russen nach Oestreich befördert, um sie morgen, wenn er sie braucht, im eigenen Lande aufräumen zu lassen. Alle Bahnhöfe, welche die Russen passirten, und eine Strecke an den Eisenbahnschienen entlang, waren mit preußischen Soldaten angefüllt, die das sogenannte Observationskorps massenweise in Oberschlesien zusammengetrieben hat. Die adligen Krippenreiter, der krückenreitende Landrath und die noblen Bourgeois konnten ihre Freude über die Annäherung der ersehnten „Befreier“ nicht verbergen; ja sie gaben sie absichtlich zu erkennen, um die Massen auf's Aeußerste zu reizen. Die „deutschen Demokraten“ wurden laut für „feige Bestien“ erklärt, aller Hohn über sie gehäuft, und den angekommenen Russen wurde mit wollüstiger Niedertracht Schnaps, Wein u. s. w. verabreicht. Man scandalirte, man wollte den Perron räumen lassen, hetzte die Soldaten und Gensd'armen auf, die Masse zurückzudrängen, man wollte auch hier den Belagerungszustand herbeiführen, aber das Volk erkannte das und verhielt sich danach. Wir sind durch die Tausende von Soldaten geknebelt, die das Observationskorps um uns aufgestellt hat, unsere Hoffnung setzen wir auf die Magyaren und die Rheinprovinz. N. S. Bei den russischen Truppen, die gestern mit dem 4ten Zuge um 9 Uhr Abends hier anlangten, soll Paskiewitsch sich befinden. 10 Uhr Nachmittags (vom Bahnhofe). Das Ausfallssignal ist so eben gegeben worden; der östreichische Zug ist mithin irgendwo aufgehalten worden, entweder durch die Russentransporte oder — durch die Magyaren. Prag, 10. Mai, Morgens 10 1/2 Uhr. So eben wird der Belagerungszustand für Prag und Umgegend proklamirt!! Schon seit vorgestern durchkreuzten die unheimlichsten Gerüchte die Stadt; man sprach von der Anwesenheit polnischer und ungarischer Emissäre; deutscher Landsturm sollte im Verein mit den Führern der czechischen Partei nach Prag ziehen, und wie die Gerüchte noch immer lauten mögen. Heute früh wurden die Spaziergänger durch die allerseits getroffenen militärischen Maßregeln überrascht. Auf den Hauptplätzen der Kleinseite stehen Kanonen aufgefahren; die Basteien sind abgesperrt; Bahnhof und viele Plätze militärisch besetzt, die Thorbesatzungen verstärkt; das Wissehrader Thor sogar verbarrikadirt. Während man noch über die möglichen Gründe dieser außerordentlichen Maßregeln in Zweifel ist, erscheint an den Straßenecken ein Plakat, gezeichnet vom Kommandirenden: Khevenhüller. Aufrufe aus dem aufrührerischen Nachbarlande, heißt es darin, seien verbreitet worden; eine verbrecherische Fraktion wolle Revolution machen, darum werde Prag und 15 Ortschaften in Belagerungszustand erklärt. Die Nationalgarde bleibt fortbestehen, aus strategischen Rücksichten jedoch wird die Garde und Bürgerwehr der Kleinseite entwaffnet; die Kanonen aber überall der Garde abgenommen. Die Presse ist suspendirt, ohne Bewilligung der Militärbehörde darf nichts gedruckt werden, die politischen Behörden haben nur unter Aufsicht der Militärbehörde weiter zu fungiren. Die Stimmung ist sehr überrascht, jedoch nicht bedeutend aufgeregt. (12 Uhr Mittags.) Die Mitglieder der Slowanska Lipa: Sladkowski, (bereits früher aus den Junitagen bekannt), Gantsch, Rott sind verhaftet worden. (12 1/2 Uhr.) Eine telegraphische Depesche verkündet, daß der Wiener Bahnzug und Post nicht eintreffen werden. Die Ursache ist unbekannt. (D. A. Z.) Prag, 9. Mai. Aus Ungarn fehlen uns Nachrichten von Belang. Es kamen uns wohl Preßburger Briefe zu, jedoch enthalten dieselben durchaus nichts Neues und Interessantes. Ueberhaupt scheint Ungarn für uns immer mehr eine terra incognita werden zu wollen, indem die Berichte von da immer spärlicher und seltener einlaufen, und das eigentliche Herz des Landes, die Hauptstadt, für uns ganz abgesperrt erscheint. (C. Bl. a. B.) Darmstadt, 11. Mai. Vier Compagnien Infanterie und eine kleine Abtheilung Reiterei ging heute früh nach Heppenheim ab, wie man hört, theils zum Schutze der Eisenbahn, theils wegen Steuerverweigerung in einem benachbarten Dorfe des Odenwaldes, vielleicht auch, wie Manche behaupten, zum Schutze der Gewehrsammlung eines aus jener Gegend abziehenden Forstbeamten. Dresden, 11. Mai. Diesen Morgen fand eine Dislocirung der in der Neustadt gefangen gehaltenen Personen statt. Gegen 60 derselben wurden aus den Militärgefängnissen hierselbst nach der Altstadt abgeführt, dagegen unter Andern der im neustädter Rathhaus in Gewahrsam gehaltene Bürgermeister Tzschucke aus Meißen und der hiesige Advocat Krause in die Strafkaserne gebracht. Der heute früh hier gefänglich eingebrachte Justizamtmann Heubner aus Freiberg ist in die Gefängnisse der Cavaleriekaserne abgeliefert worden; hier nämlich scheinen die am schwersten Gravirten gefangen gehalten zu werden. In der Gemäldegalerie sind ungefähr 80 Gemälde beschädigt worden. Unter dem Rathhause fand das Militär einen Pulvervorrath von einigen und dreißig Centnern. Den ganzen Vormittag fanden Truppenbewegungen statt, und unter Andern zog auch das rothe Husarenregiment hier durch und über Tharand nach Freiberg. Ein Bataillon des 24. Landwehrregiments ist heute Nachmittag auf der Eisenbahn über Leipzig nach Halle abgegangen. Neustadt und Antonstadt waren in der anbefohlenen Entwaffnung. Bis jetzt sind nach und nach 12,000 Preußen in Dresden mit der Eisenbahn eingetroffen. Leipzig, 11. Mai. Heute Mittag soll zwei Stunden von hier, und, wie es heißt, bei Liebertwolkwitz zwischen von hier ausgerücktem Militär und einem Trupp, wahrscheinlich von Dresden flüchtiger Freischärler ein Zusammentreffen stattgefunden haben, wobei das Militär gegen 20 Gefangene machte. (D. A. Z.) * Leipzig, 12. Mai. In der Leipziger Zeitung werden der Rechtscandidat Leo v. Zychlinski von Dresden und der Advokat und Gerichtsdirektor Hermann Marschall v. Biberstein ebendaher, Ersterer wegen staatsgefährlicher Handlungen, Letzterer wegen Theilnahme am Aufruhr und der Verleitung der Truppen zu verbrecherischen Handlungen, steckbrieflich verfolgt. Die aus Dresden nach Freiberg abgezogenen Kämpfer haben sich in Freiburg nur kurze Zeit aufgehalten und haben sich nach Chemnitz begeben. Braunschweig, 11. Mai. Große Unruhe erregt hier die Nachricht, die Preußische Regierung habe die Ansicht ausgesprochen, daß sie aus der in Braunschweig und Hannover herrschenden Aufregung die Veranlassung hernehmen müsse, ihre durch diese Länder führende Etappenstraße zu sichern. Diese diplomatische Ausdrucksweise wird hier in allen Kreisen nichts anders gedeutet, als daß sie ein Euphemismus sei und nichts Anderes sagen wolle, als eine Besetzung des Herzogthums durch preußische Truppen und eine Einmischung in die Angelegenheiten Hannovers. Daß dergleichen aber nicht geeignet ist, die, nach den Vorgängen in Dresden, herrschenden Besorgnisse zu zerstreuen, ist wohl erklärlich. (M. Z.) * Frankfurt, 12. Mai. Aus Heidelberg erfahren wir, daß gestern ein Theil des dasigen Arbeiter- wie des Turner-Vereins bewaffnet nach Speyer abmarschirt ist. In Aschaffenburg hat das Militär am 8. d. arge Exzesse begangen. Das Volk ist darüber in ungemeiner Aufregung. Frankfurt, 12. Mai. Einem Mannheimer Briefe vom gestrigen Datum an ein Mitglied der Reichsversammlung entlehnen wir folgende zuverlässige Mittheilungen: „Bei uns in Mannheim ist es ruhig, aber in der baierischen Pfalz sieht es kriegerisch aus und die Bewegung scheint die ganze Bevölkerung bis ins tiefste ergriffen zu haben. Heute Morgen haben das ganze sechste baierische Regiment und einige Kompagnieen des neunten erklärt, daß sie, so lange das Volk auf der Reichsverfassung besteht, nicht nur nicht gegen dasselbe kämpfen, sondern mit ihm treu gegen jeden Angriff auf die Verfassung stehen und fallen wollen. Sie haben ihre Offiziere, welche sich nicht für die Verfassung erklärten, eingesperrt und ihnen bemerkt, sie würden andere Offiziere wählen, wenn sie ihnen nicht beitreten sollten.“ (D. Z.) Frankfurt, 12. Mai. 218. Sitzung der National-Versammlung. Eröffnung der Sitzung um 9 1/2 Uhr. In Folge einer aus Nürnberg eingegangenen Adresse wird folgender von Reden gestellte Antrag: „In Erwägung der Nothwendigkeit, die Bewegung in den gesetzlichen Schranken zu halten, wolle die National-Versammlung beschließen, unter sofortiger Mittheilung dieses Beschlusses, das Reichsministerium aufzufordern, Reichscommissäre nach Franken zu senden und dieselben im Sinne des Beschlusses vom 10. d. M. zu instruiren,“ für dringlich erkannt und ohne Berathung angenommen. Die Beschlüsse der rheinischen Gemeindevertreter sind eingegangen und werden verlesen. Es treten wieder 17 (reactionäre) Mitglieder aus. Es folgt die Präsidentenwahl. Reh wird mit 165 von 313 Stimmen Präsident. Weiter steht auf der Tagesordnung Abstimmung über die Anträge des Kaiser-Ausschusses Sie werden zurückgezogen und der Ausschuß schließt sich den von Backhaus und Genossen ausgegangenen Anträgen an, die also lauten: Die National-Versammlung beschließt: 1) die gesammte bewaffnete Macht Deutschlands einschließlich der Landwehr und der Bürgerwehr ist zur Aufrechthaltung der endgültig beschlossenen Verfassung feierlich zu verpflichten; 2) die provisorische Centralgewalt wird aufgefordert, das demgemäß Erforderliche unverzüglich zu veranlassen, so weit in den einzelnen Staaten nicht sofort aus eigener Bewegung danach vorgeschritten wird. Diese Anträge werden mit 163 gegen 142 Stimmen angenommen, nachdem der Antrag der Minorität auf „Tagesordnung“ mit 172 gegen 143 Stimmen abgelehnt worden. v. Gagern: Es ist heute von der hohen Versammlung der Antrag des Hrn. v. Reden zum Beschluß erhoben worden, das Ministerium zur ungesäumten Absendung von Reichskommissarien nach Franken aufzufordern. Meine Herren, ich gebe es Ihrer Ueberlegung anheim, ob Sie künftig solche in die Exekutive eingreifende Anträge für dringlich erachten und sofort zum Beschlusse erheben wollen. Besonders in gegenwärtiger Krisis des Ministeriums. Allein blicken wir auf § 54 der deutschen Reichsverfassung selbst, auf die dort gegebenen Vorschriften, so hat eine Störung des Friedens in Franken noch nicht stattgefunden und ebenso ist keine Anrufung von Seiten der baierischen Regierung erfolgt. Mithin sind die Bedingungen zur Absendung eines Reichscommissars nach Franken nicht vorhanden. Ich vertraue der gesunden Vernunft des deutschen Volks, daß es die ausgedehnten ihm verliehenen Freiheiten in den gehörigen gesetzlichen Schranken zu gebrauchen und Zusammenstöße, wie die in Franken befürchteten, zu vermeiden wissen werde. Nimmermehr hat aber die Mehrheit bei Fassung ihrer Beschlüsse vom 28. April und vom 4. Mai irgend welche gewaltsame Mittel zur Durchführung der Verfassung im Auge gehabt. Sie aber verlangen in dem betreffenden Beschlusse von dem abgetretenen Ministerium einen Schritt, der selbst über die Beschlüsse vom 10. Mai hinaus gehen würde. Wir sind nicht im Stande, ihn auszuführen. Ich bitte deshalb die Sache noch einmal in Erwägung zu ziehen und sogleich, denn die fränkischen Abgeordneten, die sich hier befinden, haben erklärt, daß der Reichskommissar morgen um 2 Uhr in Nürnberg eingetroffen sein müsse, wenn seine Sendung irgend von Wirksamkeit sein solle. Noch auf einen Punkt muß ich Sie aufmerksam machen. Das sind die drei Personen, welche von Nürnberg aus im Voraus für dies Reichskommissariat bezeichnet werden. Ich achte die Lauterkeit der Bestrebungen dieser Herren. Aber ich kann, und auch nach der Erfahrung an Hrn. Eisenstuck in der Pfalz, nicht annehmen, daß sich ihre Handlungsweise ganz und überall im Sinne des Ministeriums bewegen werde. Da auf diese Erklärung des Hrn. v. Gagern kein Antrag gestellt wird, so bleibt die Sache auf sich beruhen. Wigard stellt folgenden dringlichen Antrag: Die National-Versammlung möge beschließen, daß die sächsischen Minister als verantwortlich für das in Dresden vergossene Blut zu erklären seien, daß das preußische Militär Sachsen sofort zu verlassen habe. Daß, so lange die sächsische Regierung die Reichsverfassung nicht anerkannt habe, die ganzen sächsischen Truppen den Befehlen des Reichskommissärs unterzuordnen seien. Die Dringlichkeit wird nicht anerkannt und der Antrag dem Dreißiger-Ausschuß überwiesen. v. Gagern beantwortet für den abwesenden Kriegsminister v. Peucker die gestrige Interpellation Simons aus Trier: daß von den aus Homburg zurückkehrenden Exekutionstruppen allerdings eine halbe Schwadron östreichischer Dragoner in Frankfurt zurückbehalten worden sei, um der durch die Züge nach Schleswig-Holstein geschwächten Garnison den Dienst zu erleichtern. Die Wachen seien ferner angewiesen, bewaffnet auftretenden Nichtmilitärs die Waffen abzunehmen. Auch ist das Tragen rother Abzeichen verboten. In Folge dieser Antwort stellt L. Simon (Trier) zwei Dringlichkeits-Anträge: 1. daß das Ministerium aufgefordert werde, keine Truppen von Staaten hierher zu ziehen, die der Reichsversammlung den Krieg erklärt haben; 2. die National-Versammlung möge erklären, daß das gegen die Bürger einseitig erlassene Verbot von Tragen von Waffen und Abzeichen für nicht gesetzlich, nicht begründet und nur geeignet um Konflikte herbeizuführen. Beide Anträge werden für nicht dringlich erklärt. Schluß der heutigen Sitzung bald nach 12 Uhr; die nächste: Montag, 13. Mai Mannheim, 10. Mai. Auf den 12. d. ist ein allgemeiner Landeskongreß der Abgeordneten der Volksvereine in Offenburg und eben daselbst für den 13. d. eine Landes-Volksversammlung ausgeschrieben. 233 Ludwigshafen, 11. Mai. In Eile theile ich Ihnen mit, daß 80 Rekruten sammt der Eskorte-Mannschaft zu uns (den Pfälzern) übergegangen. Von allen Seiten eilen sowohl Soldaten wie andere Mannschaften herbei. Wir haben nicht Raum genug, sie hier unterzubringen und senden sie deshalb nach einem

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 298. Köln, 15. Mai 1849, S. 1696. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz298_1849/2>, abgerufen am 21.11.2024.