Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[N. N.]: Von der Ode. In: Vermischte Beyträge zur Philosophie und den schönen Wissenschaften, 2,1 (1763), S. 152–177.

Bild:
<< vorherige Seite

ster Bedeutung genommen, unähnlich, also unordentlich. Sie ist also ein Gemälde der, in Vergleichung mit den Vorstellungen, unordentlichen Veränderungen des Affekts. Diese Unordnung besteht demnach darinn, daß man von einer Empfindung auf die andere übergeht, ohne daß uns der nächste Grund davon gleich in die Augen fällt. Diese Unordnung muß schön seyn. In der Ode müssen die Affekten natürlich, also in der möglichsten Aehnlichkeit, also vollkommen geschildert werden. Dieses Sinnlich vollkommne aber ist das Schöne.

Wenn die Uebereinstimmung dieser Unordnung im Gemählde mit dem wirklich gehabten Affekt lebhaft empfunden werden kann, so wollen wir es eine schöne Unordnung der Nachahmung nennen. Wenn aber die Bilder von dem Dichter so vortheilhaft verknüpft werden, daß sie die nachgeahmte Unordnung noch erhöhen, so nenne ich es die schöne Unordnung in der Zusammensetzung. Diese letzte unterscheidet sich demnach von der ersten darinn, daß sie mehrere Bilder von Empfindungen anbringt, als man ordentlich bey dem Affekte fühlt, oder daß sie eine vollkommnere Verknüpfung macht, oder daß sie mannichfaltigere Bilder in einer größern Uebereinstimmung mahlt.

Diese Eigenschaft kann auch aus dem Begriffe des Enthusiasmus hergeleitet werden. In der Begeisterung sehen wir den Gegenstand in einem so hellen Lichte, daß wir mit einer gewissen Geschwindigkeit zu demselben eilen, unsre Empfindungen sind zusammengedrängt, und die kleinen Nebenempfindungen ganz verdunkelt. Wir können also den nächsten Grund der Verbindung dieser lebhafen Bilder nicht augenblicklich entdecken. In dieser Verbindung aber besteht die schöne Unordnung.

Die Grade dieser Unordnung sind in einer jeden Ode unterschieden. Denn in der einen Ode kann mehr Enthusiasmus seyn, als in der andern. Also muß auch in der einen mehr Unordnung angetroffen werden, als in der andern.

ster Bedeutung genommen, unähnlich, also unordentlich. Sie ist also ein Gemälde der, in Vergleichung mit den Vorstellungen, unordentlichen Veränderungen des Affekts. Diese Unordnung besteht demnach darinn, daß man von einer Empfindung auf die andere übergeht, ohne daß uns der nächste Grund davon gleich in die Augen fällt. Diese Unordnung muß schön seyn. In der Ode müssen die Affekten natürlich, also in der möglichsten Aehnlichkeit, also vollkommen geschildert werden. Dieses Sinnlich vollkommne aber ist das Schöne.

Wenn die Uebereinstimmung dieser Unordnung im Gemählde mit dem wirklich gehabten Affekt lebhaft empfunden werden kann, so wollen wir es eine schöne Unordnung der Nachahmung nennen. Wenn aber die Bilder von dem Dichter so vortheilhaft verknüpft werden, daß sie die nachgeahmte Unordnung noch erhöhen, so nenne ich es die schöne Unordnung in der Zusammensetzung. Diese letzte unterscheidet sich demnach von der ersten darinn, daß sie mehrere Bilder von Empfindungen anbringt, als man ordentlich bey dem Affekte fühlt, oder daß sie eine vollkommnere Verknüpfung macht, oder daß sie mannichfaltigere Bilder in einer größern Uebereinstimmung mahlt.

Diese Eigenschaft kann auch aus dem Begriffe des Enthusiasmus hergeleitet werden. In der Begeisterung sehen wir den Gegenstand in einem so hellen Lichte, daß wir mit einer gewissen Geschwindigkeit zu demselben eilen, unsre Empfindungen sind zusammengedrängt, und die kleinen Nebenempfindungen ganz verdunkelt. Wir können also den nächsten Grund der Verbindung dieser lebhafen Bilder nicht augenblicklich entdecken. In dieser Verbindung aber besteht die schöne Unordnung.

Die Grade dieser Unordnung sind in einer jeden Ode unterschieden. Denn in der einen Ode kann mehr Enthusiasmus seyn, als in der andern. Also muß auch in der einen mehr Unordnung angetroffen werden, als in der andern.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0012" n="162"/>
ster Bedeutung genommen, unähnlich,   also unordentlich. Sie ist also ein Gemälde der, in Vergleichung mit den   Vorstellungen, unordentlichen Veränderungen des Affekts. Diese Unordnung   besteht demnach darinn, daß man von einer Empfindung auf die andere   übergeht, ohne daß uns der nächste Grund davon gleich in die   Augen fällt. Diese Unordnung muß schön seyn. In der Ode   müssen die Affekten natürlich, also in der möglichsten Aehnlichkeit,  also vollkommen geschildert werden. Dieses Sinnlich vollkommne aber ist das Schöne.  </p>
          <p>  Wenn die Uebereinstimmung dieser Unordnung im Gemählde mit dem   wirklich gehabten Affekt lebhaft empfunden werden kann, so wollen wir   es eine schöne <hi rendition="#fr">Unordnung</hi> der <hi rendition="#fr">Nachahmung</hi> nennen.   Wenn aber die Bilder von dem Dichter so vortheilhaft verknüpft werden,   daß sie die nachgeahmte Unordnung noch erhöhen, so nenne ich es   die schöne <hi rendition="#fr">Unordnung</hi> in der <hi rendition="#fr">Zusammensetzung</hi>. Diese letzte   unterscheidet sich demnach von der ersten darinn, daß sie mehrere Bilder   von Empfindungen anbringt, als man ordentlich bey dem Affekte fühlt,   oder daß sie eine vollkommnere Verknüpfung macht, oder daß   sie mannichfaltigere Bilder in einer größern Uebereinstimmung mahlt.  </p>
          <p>  Diese Eigenschaft kann auch aus dem Begriffe des Enthusiasmus hergeleitet   werden. In der Begeisterung sehen wir den Gegenstand in einem so hellen   Lichte, daß wir mit einer gewissen Geschwindigkeit zu demselben   eilen, unsre Empfindungen sind zusammengedrängt, und die kleinen   Nebenempfindungen ganz verdunkelt. Wir können also den nächsten   Grund der Verbindung dieser lebhafen Bilder nicht augenblicklich entdecken.   In dieser Verbindung aber besteht die schöne Unordnung.  </p>
          <p>  Die Grade dieser Unordnung sind in einer jeden Ode unterschieden.   Denn in der einen Ode kann mehr Enthusiasmus seyn, als in der andern.   Also muß auch in der einen mehr Unordnung angetroffen werden,   als in der andern.  </p>
          <p>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[162/0012] ster Bedeutung genommen, unähnlich, also unordentlich. Sie ist also ein Gemälde der, in Vergleichung mit den Vorstellungen, unordentlichen Veränderungen des Affekts. Diese Unordnung besteht demnach darinn, daß man von einer Empfindung auf die andere übergeht, ohne daß uns der nächste Grund davon gleich in die Augen fällt. Diese Unordnung muß schön seyn. In der Ode müssen die Affekten natürlich, also in der möglichsten Aehnlichkeit, also vollkommen geschildert werden. Dieses Sinnlich vollkommne aber ist das Schöne. Wenn die Uebereinstimmung dieser Unordnung im Gemählde mit dem wirklich gehabten Affekt lebhaft empfunden werden kann, so wollen wir es eine schöne Unordnung der Nachahmung nennen. Wenn aber die Bilder von dem Dichter so vortheilhaft verknüpft werden, daß sie die nachgeahmte Unordnung noch erhöhen, so nenne ich es die schöne Unordnung in der Zusammensetzung. Diese letzte unterscheidet sich demnach von der ersten darinn, daß sie mehrere Bilder von Empfindungen anbringt, als man ordentlich bey dem Affekte fühlt, oder daß sie eine vollkommnere Verknüpfung macht, oder daß sie mannichfaltigere Bilder in einer größern Uebereinstimmung mahlt. Diese Eigenschaft kann auch aus dem Begriffe des Enthusiasmus hergeleitet werden. In der Begeisterung sehen wir den Gegenstand in einem so hellen Lichte, daß wir mit einer gewissen Geschwindigkeit zu demselben eilen, unsre Empfindungen sind zusammengedrängt, und die kleinen Nebenempfindungen ganz verdunkelt. Wir können also den nächsten Grund der Verbindung dieser lebhafen Bilder nicht augenblicklich entdecken. In dieser Verbindung aber besteht die schöne Unordnung. Die Grade dieser Unordnung sind in einer jeden Ode unterschieden. Denn in der einen Ode kann mehr Enthusiasmus seyn, als in der andern. Also muß auch in der einen mehr Unordnung angetroffen werden, als in der andern.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Universität Duisburg-Essen, Projekt Lyriktheorie (Dr. Rudolf Brandmeyer): Bereitstellung der Texttranskription. (2018-07-16T15:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-16T15:00:00Z)

Weitere Informationen:

Die Transkription erfolgte nach den unter https://www.uni-due.de/lyriktheorie/beiwerk/projekt.html#edition formulierten Richtlinien.

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: keine Angabe;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_ode_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_ode_1763/12
Zitationshilfe: [N. N.]: Von der Ode. In: Vermischte Beyträge zur Philosophie und den schönen Wissenschaften, 2,1 (1763), S. 152–177, hier S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_ode_1763/12>, abgerufen am 23.11.2024.