Schnee. Wenn sich Wolken bei einer Temperatur unter 0° bilden, so verwandeln sich die Wasserdünste in unendlich kleine und nadelförmige Krystalle, von welchen sich immer mehrere unter Winkeln von 60° und 120° zusammensetzen, wie die Nadeln des gefrierenden Wassers, und dadurch sehr verschiedenartige Krystallgestalten (das Wasser soll überhaupt nach Mitscherlich verschiedene Krystallformen annehmen) vom schönsten Ansehen, bilden, welche einander bei einem und demselben Schneewetter immer gleich sind. Sie wachsen im Fallen, wie die Regentropfen, und häufen sich oft zu grossen Flocken zusammen. Ueberhaupt gilt vom Schnee alles das, was ich vom Regen gesagt habe, und der Unterschied liegt blos in der Temperatur.
Bei einem windstillen und sehr kalten Tage fällt kein Schnee, weil kein Wassergas gefällt werden kann, sondern wenn es da schneien soll, muß aus eine weniger kalte und feuchtere Luft zugeführt werden. Diese wird dann abge- kühlt, setzt ihr Wasser ab und bildet Schnee. Daher pflegt auch die Luft kurz vor dem Schneien milder zu werden, als vorher. Gewöhnlich schreibt man diese Erscheinung der Krystallisation des Wassers zu, wobei die Wärmestoff des Gases frei würde; allein in diesem Falle würde der
Schnee. Wenn ſich Wolken bei einer Temperatur unter 0° bilden, ſo verwandeln ſich die Waſſerdünſte in unendlich kleine und nadelförmige Kryſtalle, von welchen ſich immer mehrere unter Winkeln von 60° und 120° zuſammenſetzen, wie die Nadeln des gefrierenden Waſſers, und dadurch ſehr verſchiedenartige Kryſtallgeſtalten (das Waſſer ſoll überhaupt nach Mitſcherlich verſchiedene Kryſtallformen annehmen) vom ſchönſten Anſehen, bilden, welche einander bei einem und demſelben Schneewetter immer gleich ſind. Sie wachſen im Fallen, wie die Regentropfen, und häufen ſich oft zu groſſen Flocken zuſammen. Ueberhaupt gilt vom Schnee alles das, was ich vom Regen geſagt habe, und der Unterſchied liegt blos in der Temperatur.
Bei einem windſtillen und ſehr kalten Tage fällt kein Schnee, weil kein Waſſergas gefällt werden kann, ſondern wenn es da ſchneien ſoll, muß aus eine weniger kalte und feuchtere Luft zugeführt werden. Dieſe wird dann abge- kühlt, ſetzt ihr Waſſer ab und bildet Schnee. Daher pflegt auch die Luft kurz vor dem Schneien milder zu werden, als vorher. Gewöhnlich ſchreibt man dieſe Erſcheinung der Kryſtalliſation des Waſſers zu, wobei die Wärmeſtoff des Gaſes frei würde; allein in dieſem Falle würde der
<TEI><text><body><divtype="session"n="46"><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0404"n="398."/><p><hirendition="#u">Schnee</hi>. Wenn ſich Wolken bei einer Temperatur unter<lb/>
0° bilden, ſo verwandeln ſich die Waſſerdünſte in unendlich<lb/>
kleine und nadelförmige Kryſtalle, von welchen ſich immer<lb/>
mehrere unter Winkeln von 60° und 120° zuſammenſetzen,<lb/>
wie die Nadeln des gefrierenden Waſſers, und dadurch<lb/>ſehr verſchiedenartige Kryſtallgeſtalten <choice><orig>/</orig><regresp="#BF">(</reg></choice>das Waſſer<lb/>ſoll überhaupt nach <hirendition="#aq"><persNameresp="#SB"ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-11858281X http://d-nb.info/gnd/11858281X">Mitſcherlich</persName></hi> verſchiedene Kryſtallformen<lb/>
annehmen<choice><orig>/</orig><regresp="#BF">)</reg></choice> vom ſchönſten Anſehen, bilden, welche einander<lb/>
bei einem und demſelben Schneewetter immer gleich ſind.<lb/>
Sie wachſen im Fallen, wie die Regentropfen, und häufen<lb/>ſich oft zu groſſen Flocken zuſammen. Ueberhaupt gilt<lb/>
vom Schnee alles das, was ich vom Regen geſagt habe,<lb/>
und der Unterſchied liegt blos in der Temperatur.</p><lb/><p>Bei einem windſtillen und ſehr kalten Tage fällt kein<lb/>
Schnee, weil kein Waſſergas gefällt werden kann, ſondern<lb/>
wenn es da ſchneien ſoll, muß aus eine weniger kalte<lb/>
und feuchtere Luft zugeführt werden. Dieſe wird dann abge-<lb/>
kühlt, ſetzt ihr Waſſer ab und bildet Schnee. Daher<lb/>
pflegt auch die Luft kurz vor dem Schneien milder zu werden,<lb/>
als vorher. Gewöhnlich ſchreibt man dieſe Erſcheinung der<lb/>
Kryſtalliſation des Waſſers zu, wobei die Wärmeſtoff<lb/>
des Gaſes frei würde; allein in dieſem Falle würde der<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[398./0404]
Schnee. Wenn ſich Wolken bei einer Temperatur unter
0° bilden, ſo verwandeln ſich die Waſſerdünſte in unendlich
kleine und nadelförmige Kryſtalle, von welchen ſich immer
mehrere unter Winkeln von 60° und 120° zuſammenſetzen,
wie die Nadeln des gefrierenden Waſſers, und dadurch
ſehr verſchiedenartige Kryſtallgeſtalten /das Waſſer
ſoll überhaupt nach Mitſcherlich verſchiedene Kryſtallformen
annehmen/ vom ſchönſten Anſehen, bilden, welche einander
bei einem und demſelben Schneewetter immer gleich ſind.
Sie wachſen im Fallen, wie die Regentropfen, und häufen
ſich oft zu groſſen Flocken zuſammen. Ueberhaupt gilt
vom Schnee alles das, was ich vom Regen geſagt habe,
und der Unterſchied liegt blos in der Temperatur.
Bei einem windſtillen und ſehr kalten Tage fällt kein
Schnee, weil kein Waſſergas gefällt werden kann, ſondern
wenn es da ſchneien ſoll, muß aus eine weniger kalte
und feuchtere Luft zugeführt werden. Dieſe wird dann abge-
kühlt, ſetzt ihr Waſſer ab und bildet Schnee. Daher
pflegt auch die Luft kurz vor dem Schneien milder zu werden,
als vorher. Gewöhnlich ſchreibt man dieſe Erſcheinung der
Kryſtalliſation des Waſſers zu, wobei die Wärmeſtoff
des Gaſes frei würde; allein in dieſem Falle würde der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[N. N.]: Die physikalische Geographie von Herrn Alexander v. Humboldt, vorgetragen im Semestre 1827/28. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. 398.. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_oktavgfeo79_1828/404>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.