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Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 3. Prag, 1834.

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Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz]
Die St. Karlskirche in Wien.

Dieser prachtvolle Tempel des Herrn, unstreitig
die regelmäßigste Kirche der Kaiserstadt, ist auf den
Befehl Kaiser Karl VI. nach einem Gelübde, wel-
ches er dem heiligen Karl Borromäus zur Pest-
zeit 1713 gethan, sammt der daran stossenden Residenz
der von dem Kaiser hier eingesetzten Kreuzherren mit
dem rothen Stern, nach den Baurissen des berühmten
Johann Fischer von Erlach ( von dem alle große
Bauten Wiens aus jener Zeit herstammen ) von
Philipp Martinolly unter der Oberaufsicht jenes
großen Baukünstlers aufgeführt worden. Jm Jahre
1716 legte der Kaiser den Grundstein, und 1737 weihte
Kardinal Kollonitsch die vollendete Kirche ein.

Auf 10 großen steinernen Stufen steigt man zu
dem glanzvollen auf 6 Säulen von korinthischer Ord-
nung ruhenden Portale empor. Auf dessen Giebel,
der ein Dreieck bildet, erblickt man in halberhabner
Arbeit aus weißem Marmor Wien in den Nöthen
der Pest, darunter mit goldenen Buchstaben die
Worte des Psalmes:

" Vota mea reddam in conspectu timentium Deum."

( Jch will meine Gelübde lösen im Angesicht der-
jenigen, welche den Herrn fürchten. )

Zu beiden Seiten des Portals erheben sich,
ganz frei stehend, zwei hohe Säulen von 13 Fuß im
Durchmesser und 41 Fuß Höhe, mit Wendeltreppen
in ihrem Jnnern, die bis zu den Kapitälern führen.
Auf der einen ist das Leben und Hinscheiden des
heiligen Karl Borromäus, auf der andern seine
Wunder in einer von unten bis oben gewundenen
Reihe in halberhabener Arbeit von weißem Marmor
dargestellt. Jn jedem der kleinen Thürmchen an der
Spitze der Säulen befindet sich eine Glocke, und an
den Ecken der Kapitäler jeder Säule stehen 4 aus
cyprischem Erze gegossene, vergoldete Adler, die, mit
den Flügeln zusammenstossend, ein Geländer an der
obern Spitze bilden.

Jn der Mitte des Hauptgebäudes steigt eine
achteckige mit Kupfer gedeckte Kuppel empor, oben
durch eine sogenannte Laterne geschlossen. Zu beiden
Seiten der mit vielen Statuen ausgeschmückten Kirche
schließen sich an dieselbe zwei Nebengebäude in Gestalt
von Triumphbögen an, unter welchen man durch
Seitenthüren in die Kirche kommt. Oberhalb dersel-
ben befinden sich die Glocken und Uhren. Den Hoch-
altar ziert die himmlische Glorie des heiligen Karl
Borromäus
aus weißem Marmor. Das Decken-
gemählde, " Karl von der heiligen Jungfrau in den
Himmel eingeführt" ist von Rottmayer. Auf den
Seitenaltären erblicken wir die heilige Elisabeth
von Daniel Gran, St. Lucas von van Schup-
pen, Maria Hilf
von Ricci und die Witwe von
Naim von Altomonte.

Unter die Merkwürdigkeiten dieser Kirche gehört
noch das Denkmahl des allen Freunden seiner Muse
zu früh entschlafenen vaterländischen Dichters Jo-
hann Heinrich
von Collin, dessen Freund, Graf
Moritz von Dietrichstein zu diesem Behuf eine
Sammlung veranstaltete, die so reichlich ausfiel, daß
nach Vollendung des Denkmahls noch eine so bedeu-
tende Summe übrig blieb, daß aus selber ein Sti-
pendium für einen talentvollen Studirenden der Rechte
gebildet wurde, welches die Collinsche Stif-
tung heißt.

[Spaltenumbruch]

Dieses Momment, von dem Bildhauer Sautner
unter der Leitung der beiden Freunde des Verbli-
chenen, Füger und Zauner verfertigt, wurde
2 Jahre nach Collins Tode, am 9. September
1813 feierlich enthüllt.



Merkwürdige Brunnentrinker im
Karlsbade
.

Man hat oft mit Bewunderung und zum Theil
mit Lächeln von der ungeheuern Zahl von Bechern
der Karlsbader Heilquellen, welche die Curgäste ver-
gangener Zeiten zu sich genommen, gelesen und gehört;
ja man wollte es kaum glauben, daß 30 bis 40 Be-
cher der gewöhnliche Morgentrank mancher unserer
Vorfahren waren, und hält eine ähnliche Cur in
unsern Zeiten für eine unmögliche Sache. Wenn man
jedoch die Sache näher untersucht, so findet es sich,
daß noch zu Balbins Zeiten ( 1697 ) die Brunnen-
becher nur2 1 / 2 Unze hielten, und das gegenwärtige
Maß derselben erst gegen die Mitte des achtzehnten
Jahrhunderts eingeführt wurde. Nach dieser Epoche
erzählt uns der berühmte Brunnenarzt Becher von
einem Steinkranken, der täglich 24 Becher durch einen
Zeitraum von 11 Wochen mit dem besten Erfolg ge-
trunken. Ferner führt er einen armen Arbeitsmann
an, welcher bei einem ähnlichen Leiden es bis auf 40
Becher in einem Morgen brachte. Ein Hannövrischer
Arzt, welcher im Jahre 1828 das Karlsbad be-
suchte, und seine Cur mit der gewissenhaftesten Ge-
nauigkeit einhielt, trank jeden Morgen 22 Becher,
ohne davon angegriffen zu seyn, oder irgend eine
unangenehme Folge zu verspüren, und nahm des
Abends noch 8 Becher zu sich. Er litt an der Leber,
und war mit dem Erfolg seiner Cur sehr zufrieden.

Ein Prager Bürger von ungefähr 64 Jahren,
welcher seit einer geraumen Zahl von Jahren an hart-
näckigen Verstopfungen, kurzem Athem und abwechselnd
mehr oder minderen Schmerzen in der Leber leidet,
besucht das Karlsbad seit 16 Jahren regelmaßig,
und findet daselbst jährlich Linderung; doch über den
Winter kehrt gewöhnlich der vorige Zustand zurück.
Er trinkt täglich 35 bis 40 Becher vor seinem Mit-
tagsessen, und des Abends noch 8 bis 9 Becher.
Er steht des Morgens um 4 Uhr auf, und trinkt immer
2 Becher nacheinander, ohne überhaupt regelmäßige
Zwischenräume zu beobachten. Da er in seiner viel-
jährigen Erfahrung nie eine Verschiedenheit in der
Wirkung der Quellen gefunden hat, so trinkt er ohne
Unterschied von allen; doch ist ihm die Temperatur
des Neubrunns die angenehmste. Um genau zu be-
rechnen, wie viel er getrunken, füllt er eine seiner
Taschen mit Kreuzern an, von welchen er, so oft er
einen Becher trinkt, einen in die andere Tasche wirft.
Diese ungeheure Menge von Wasser schadet seinem
Appetit durchaus nicht, den er jedoch mit musterhafter
Mäßigung in Schranken zu halten versteht, und sich
einer vorzüglichen Diät befleißt. Sein Schlaf nach
einem leichten Abendessen ist vortrefflich; doch kann er
erst nach einer Brunnencur von 8 Tagen die Karlsbader
Berge besteigen.

Jn den Jahren 1831 und 1832 war ein Jsraelit
aus Olmütz im Karlsbade, der gleichfalls eine un-
geheure Menge Wasser trank. Es ist ein kleiner Mann
von etwa 33 Jahren mit einem sehr großen Unterleib,
der von Verhärtungen der Leber, Milz und der Gekröse-
[Ende Spaltensatz]

Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz]
Die St. Karlskirche in Wien.

Dieser prachtvolle Tempel des Herrn, unstreitig
die regelmäßigste Kirche der Kaiserstadt, ist auf den
Befehl Kaiser Karl VI. nach einem Gelübde, wel-
ches er dem heiligen Karl Borromäus zur Pest-
zeit 1713 gethan, sammt der daran stossenden Residenz
der von dem Kaiser hier eingesetzten Kreuzherren mit
dem rothen Stern, nach den Baurissen des berühmten
Johann Fischer von Erlach ( von dem alle große
Bauten Wiens aus jener Zeit herstammen ) von
Philipp Martinolly unter der Oberaufsicht jenes
großen Baukünstlers aufgeführt worden. Jm Jahre
1716 legte der Kaiser den Grundstein, und 1737 weihte
Kardinal Kollonitsch die vollendete Kirche ein.

Auf 10 großen steinernen Stufen steigt man zu
dem glanzvollen auf 6 Säulen von korinthischer Ord-
nung ruhenden Portale empor. Auf dessen Giebel,
der ein Dreieck bildet, erblickt man in halberhabner
Arbeit aus weißem Marmor Wien in den Nöthen
der Pest, darunter mit goldenen Buchstaben die
Worte des Psalmes:

Vota mea reddam in conspectu timentium Deum.“

( Jch will meine Gelübde lösen im Angesicht der-
jenigen, welche den Herrn fürchten. )

Zu beiden Seiten des Portals erheben sich,
ganz frei stehend, zwei hohe Säulen von 13 Fuß im
Durchmesser und 41 Fuß Höhe, mit Wendeltreppen
in ihrem Jnnern, die bis zu den Kapitälern führen.
Auf der einen ist das Leben und Hinscheiden des
heiligen Karl Borromäus, auf der andern seine
Wunder in einer von unten bis oben gewundenen
Reihe in halberhabener Arbeit von weißem Marmor
dargestellt. Jn jedem der kleinen Thürmchen an der
Spitze der Säulen befindet sich eine Glocke, und an
den Ecken der Kapitäler jeder Säule stehen 4 aus
cyprischem Erze gegossene, vergoldete Adler, die, mit
den Flügeln zusammenstossend, ein Geländer an der
obern Spitze bilden.

Jn der Mitte des Hauptgebäudes steigt eine
achteckige mit Kupfer gedeckte Kuppel empor, oben
durch eine sogenannte Laterne geschlossen. Zu beiden
Seiten der mit vielen Statuen ausgeschmückten Kirche
schließen sich an dieselbe zwei Nebengebäude in Gestalt
von Triumphbögen an, unter welchen man durch
Seitenthüren in die Kirche kommt. Oberhalb dersel-
ben befinden sich die Glocken und Uhren. Den Hoch-
altar ziert die himmlische Glorie des heiligen Karl
Borromäus
aus weißem Marmor. Das Decken-
gemählde, „ Karl von der heiligen Jungfrau in den
Himmel eingeführt“ ist von Rottmayer. Auf den
Seitenaltären erblicken wir die heilige Elisabeth
von Daniel Gran, St. Lucas von van Schup-
pen, Maria Hilf
von Ricci und die Witwe von
Naim von Altomonte.

Unter die Merkwürdigkeiten dieser Kirche gehört
noch das Denkmahl des allen Freunden seiner Muse
zu früh entschlafenen vaterländischen Dichters Jo-
hann Heinrich
von Collin, dessen Freund, Graf
Moritz von Dietrichstein zu diesem Behuf eine
Sammlung veranstaltete, die so reichlich ausfiel, daß
nach Vollendung des Denkmahls noch eine so bedeu-
tende Summe übrig blieb, daß aus selber ein Sti-
pendium für einen talentvollen Studirenden der Rechte
gebildet wurde, welches die Collinsche Stif-
tung heißt.

[Spaltenumbruch]

Dieses Momment, von dem Bildhauer Sautner
unter der Leitung der beiden Freunde des Verbli-
chenen, Füger und Zauner verfertigt, wurde
2 Jahre nach Collins Tode, am 9. September
1813 feierlich enthüllt.



Merkwürdige Brunnentrinker im
Karlsbade
.

Man hat oft mit Bewunderung und zum Theil
mit Lächeln von der ungeheuern Zahl von Bechern
der Karlsbader Heilquellen, welche die Curgäste ver-
gangener Zeiten zu sich genommen, gelesen und gehört;
ja man wollte es kaum glauben, daß 30 bis 40 Be-
cher der gewöhnliche Morgentrank mancher unserer
Vorfahren waren, und hält eine ähnliche Cur in
unsern Zeiten für eine unmögliche Sache. Wenn man
jedoch die Sache näher untersucht, so findet es sich,
daß noch zu Balbins Zeiten ( 1697 ) die Brunnen-
becher nur2 1 / 2 Unze hielten, und das gegenwärtige
Maß derselben erst gegen die Mitte des achtzehnten
Jahrhunderts eingeführt wurde. Nach dieser Epoche
erzählt uns der berühmte Brunnenarzt Becher von
einem Steinkranken, der täglich 24 Becher durch einen
Zeitraum von 11 Wochen mit dem besten Erfolg ge-
trunken. Ferner führt er einen armen Arbeitsmann
an, welcher bei einem ähnlichen Leiden es bis auf 40
Becher in einem Morgen brachte. Ein Hannövrischer
Arzt, welcher im Jahre 1828 das Karlsbad be-
suchte, und seine Cur mit der gewissenhaftesten Ge-
nauigkeit einhielt, trank jeden Morgen 22 Becher,
ohne davon angegriffen zu seyn, oder irgend eine
unangenehme Folge zu verspüren, und nahm des
Abends noch 8 Becher zu sich. Er litt an der Leber,
und war mit dem Erfolg seiner Cur sehr zufrieden.

Ein Prager Bürger von ungefähr 64 Jahren,
welcher seit einer geraumen Zahl von Jahren an hart-
näckigen Verstopfungen, kurzem Athem und abwechselnd
mehr oder minderen Schmerzen in der Leber leidet,
besucht das Karlsbad seit 16 Jahren regelmaßig,
und findet daselbst jährlich Linderung; doch über den
Winter kehrt gewöhnlich der vorige Zustand zurück.
Er trinkt täglich 35 bis 40 Becher vor seinem Mit-
tagsessen, und des Abends noch 8 bis 9 Becher.
Er steht des Morgens um 4 Uhr auf, und trinkt immer
2 Becher nacheinander, ohne überhaupt regelmäßige
Zwischenräume zu beobachten. Da er in seiner viel-
jährigen Erfahrung nie eine Verschiedenheit in der
Wirkung der Quellen gefunden hat, so trinkt er ohne
Unterschied von allen; doch ist ihm die Temperatur
des Neubrunns die angenehmste. Um genau zu be-
rechnen, wie viel er getrunken, füllt er eine seiner
Taschen mit Kreuzern an, von welchen er, so oft er
einen Becher trinkt, einen in die andere Tasche wirft.
Diese ungeheure Menge von Wasser schadet seinem
Appetit durchaus nicht, den er jedoch mit musterhafter
Mäßigung in Schranken zu halten versteht, und sich
einer vorzüglichen Diät befleißt. Sein Schlaf nach
einem leichten Abendessen ist vortrefflich; doch kann er
erst nach einer Brunnencur von 8 Tagen die Karlsbader
Berge besteigen.

Jn den Jahren 1831 und 1832 war ein Jsraelit
aus Olmütz im Karlsbade, der gleichfalls eine un-
geheure Menge Wasser trank. Es ist ein kleiner Mann
von etwa 33 Jahren mit einem sehr großen Unterleib,
der von Verhärtungen der Leber, Milz und der Gekröse-
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Auf dessen Giebel, der ein Dreieck bildet, erblickt man in halberhabner Arbeit aus weißem Marmor Wien in den Nöthen der Pest, darunter mit goldenen Buchstaben die Worte des Psalmes: „ Vota mea reddam in conspectu timentium Deum.“ ( Jch will meine Gelübde lösen im Angesicht der- jenigen, welche den Herrn fürchten. ) Zu beiden Seiten des Portals erheben sich, ganz frei stehend, zwei hohe Säulen von 13 Fuß im Durchmesser und 41 Fuß Höhe, mit Wendeltreppen in ihrem Jnnern, die bis zu den Kapitälern führen. Auf der einen ist das Leben und Hinscheiden des heiligen Karl Borromäus, auf der andern seine Wunder in einer von unten bis oben gewundenen Reihe in halberhabener Arbeit von weißem Marmor dargestellt. Jn jedem der kleinen Thürmchen an der Spitze der Säulen befindet sich eine Glocke, und an den Ecken der Kapitäler jeder Säule stehen 4 aus cyprischem Erze gegossene, vergoldete Adler, die, mit den Flügeln zusammenstossend, ein Geländer an der obern Spitze bilden. Jn der Mitte des Hauptgebäudes steigt eine achteckige mit Kupfer gedeckte Kuppel empor, oben durch eine sogenannte Laterne geschlossen. Zu beiden Seiten der mit vielen Statuen ausgeschmückten Kirche schließen sich an dieselbe zwei Nebengebäude in Gestalt von Triumphbögen an, unter welchen man durch Seitenthüren in die Kirche kommt. Oberhalb dersel- ben befinden sich die Glocken und Uhren. Den Hoch- altar ziert die himmlische Glorie des heiligen Karl Borromäus aus weißem Marmor. Das Decken- gemählde, „ Karl von der heiligen Jungfrau in den Himmel eingeführt“ ist von Rottmayer. Auf den Seitenaltären erblicken wir die heilige Elisabeth von Daniel Gran, St. Lucas von van Schup- pen, Maria Hilf von Ricci und die Witwe von Naim von Altomonte. 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Ein Hannövrischer Arzt, welcher im Jahre 1828 das Karlsbad be- suchte, und seine Cur mit der gewissenhaftesten Ge- nauigkeit einhielt, trank jeden Morgen 22 Becher, ohne davon angegriffen zu seyn, oder irgend eine unangenehme Folge zu verspüren, und nahm des Abends noch 8 Becher zu sich. Er litt an der Leber, und war mit dem Erfolg seiner Cur sehr zufrieden. Ein Prager Bürger von ungefähr 64 Jahren, welcher seit einer geraumen Zahl von Jahren an hart- näckigen Verstopfungen, kurzem Athem und abwechselnd mehr oder minderen Schmerzen in der Leber leidet, besucht das Karlsbad seit 16 Jahren regelmaßig, und findet daselbst jährlich Linderung; doch über den Winter kehrt gewöhnlich der vorige Zustand zurück. Er trinkt täglich 35 bis 40 Becher vor seinem Mit- tagsessen, und des Abends noch 8 bis 9 Becher. Er steht des Morgens um 4 Uhr auf, und trinkt immer 2 Becher nacheinander, ohne überhaupt regelmäßige Zwischenräume zu beobachten. Da er in seiner viel- jährigen Erfahrung nie eine Verschiedenheit in der Wirkung der Quellen gefunden hat, so trinkt er ohne Unterschied von allen; doch ist ihm die Temperatur des Neubrunns die angenehmste. Um genau zu be- rechnen, wie viel er getrunken, füllt er eine seiner Taschen mit Kreuzern an, von welchen er, so oft er einen Becher trinkt, einen in die andere Tasche wirft. Diese ungeheure Menge von Wasser schadet seinem Appetit durchaus nicht, den er jedoch mit musterhafter Mäßigung in Schranken zu halten versteht, und sich einer vorzüglichen Diät befleißt. Sein Schlaf nach einem leichten Abendessen ist vortrefflich; doch kann er erst nach einer Brunnencur von 8 Tagen die Karlsbader Berge besteigen. Jn den Jahren 1831 und 1832 war ein Jsraelit aus Olmütz im Karlsbade, der gleichfalls eine un- geheure Menge Wasser trank. Es ist ein kleiner Mann von etwa 33 Jahren mit einem sehr großen Unterleib, der von Verhärtungen der Leber, Milz und der Gekröse-

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Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




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Zitationshilfe: Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 3. Prag, 1834, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama03_1834/2>, abgerufen am 21.11.2024.