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Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 10. Prag, 1834.

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Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz]
Fliegende Brücken in Süd = Amerika.

Lange Zeit ehe es den Europäern einfiel, Brü-
cken über Abgründe und Felsenschluchten zu bauen,
haben die Bewohner anderer Welttheile die Berge
auf diese Art mit einander verbunden. Die Jndiani-
schen Stämme des südlichen Amerika haben derglei-
chen fliegende Brücken, deren gefährliche Anlage ihnen
mit vollem Rechte den Namen von Teufelsbrücken
verleihen dürfte. Sie bestehen aus Strohmatten, die
durch lange, aus Baumrinden geflochtene Seile befe-
stigt sind. Der leiseste Wind bewegt sie, und bei
ihrer beträchtlichen Länge senken sie sich unter der
auf ihnen befindlichen Last so tief, daß man den Ueber-
gang kaum für möglich halten sollte. Die Jndianer
schreiten jedoch mit großer Schnelligkeit über diese
Brücken, obschon jeder ihrer Schritte denselben eine
Schwingung verursacht, die man an beiden Enden
bemerkt. Nur selten wagt es ein Europäer, ihnen
zu folgen, und sein Leben einer so gebrechlichen Stütze
anzuvertrauen, da diese Brücken weder einen Strick
noch ein Geländer haben, um sich bei einem Fehl-
tritt vor dem Hinabsturz in die unermeßliche Tiefe
zu retten, die bei der Ungewohnheit in die Abgründe
zu schauen, über welche man hier schreitet, leicht
Schwindel erzeugen kann.



Strenge Buße.

Der Reisende George Staunton besuchte in
Jndien einen Mann, der einen Mord begangen hatte,
und der nicht um nur sein Leben zu retten, sondern
was ihm von viel größerer Wichtigkeit war, sein
Gewissen zu reinigen, sich der ihm auferlegten Strafe
unterwarf, welche darin bestand, daß er sieben Jahre
in einer Bettstelle schlafen mußte, welche nicht nur
keine Matratze hatte, sondern inwendig durchaus mit
spitzigen eisernen Nägeln beschlagen war, welche jedoch
nicht so scharf waren, daß sie durch das Fleisch gin-
gen. Staunton sah ihn im fünften Jahre seiner
Prüfungszeit, seine Haut war damals wie die eines
Rhinoceros, nur noch knorpeliger, jedoch schlief er
ganz gemächlich bereits auf seinem "Stachelbett,"
und äußerte sich, daß, wenn seine Strafzeit vorüber
seyn würde, er aus freier Wahl diesen Gebrauch
beibehalten wolle, welchem er früher aus Nothwen-
digkeit sich unterwerfen mußte.     St.



Eine chinesische Mittagstafel.

Ein französisches Blatt liefert uns einen sehr
auffallenden Küchenzettel eines Mittagsmahles, wel-
ches ein chinesischer Kaufmann zu Sinkapur einigen
europäischen Handelsfreunden und englischen Offizie-
ren gab. Das Gastmahl war in seiner Art glänzend
und trug den Stempel des Ueberflusses. Es wurde
durch eine Suppe von Vogelnestern eröffnet, und
sechs andere Suppen folgten, sowohl von Hammel-
fleisch, als Fröschen und Entenlebern. Dann kam
ein Hachis ( Hackfleisch, oder jede andere Speise aus
welchen Bestandtheilen immer, die klein gehackt sind ) aus
Elephantenschweifen mit einer Sauce von Eidexen-
eiern, und ein in dem grünen Fett der Schildkröte
gedünstetes Stachelschwein, welches die Europäer
recht wohlschmeckend fanden. Ferner waren Fisch-
magen mit Seepflanzen vorhanden, und Wasserschne-
pfen mit Pfauenkämmen krönten die Tafel. Dieses
Gerücht ist das Höchste der chinesischen Kochkunst,
welches die Bewohner des himmlischen Reiches ihren
Gästen nur bei den festlichsten Gelegenheiten vorsetzen,
[Spaltenumbruch] auch kostet eine Schüssel desselben 400 bis 800 fl.
Der Nachtisch war in seiner Art nicht minder glän-
zend als die ganze übrige Tafel, und enthielt unter
andern eine Sulze, zu welcher die Haut des Rhinoceros
den wichtigsten Bestandtheil geliefert hatte. Die Früchte
waren eigens von Malacca gebracht worden, und
die sehr verschiedenen Weinsorten kamen aus Europa.



Die Moschee des Omar zu Jerusalem.

Omar, ein reicher Kaufmann von Damaskus,
erbaute im 7ten Jahrhunderte eine Moschee in Je-
rusalem,
welche nach ihm genannt wurde. Jeder,
im Jnnern derselben betretene Christ, büßt seine Neu-
gierde mit dem Leben. Vor einigen Jahren wußte
sich ein reisender Christ einen Firman vom Groß-
herrn zu verschaffen, der ihm erlaubte, das Jnnere
der Moschee zu betreten.

Er übergab das schriftliche Erlaubnißschreiben
dem Bey, welcher ihm erklärte, der Eintritt sey ihm
ohne Weiteres verstattet. Nachdem unser Reisender
seine Neugierde gestillt hatte, wollte er die Moschee
verlassen, allein er fand den Eingang verschlossen,
und man rief ihm von Außen die Worte zu: "Der
Firman hat dir zwar allerdings den Eintritt, aber
keineswegs den Ausgang zugestanden."

Nachdem er eine Nacht voller Todesschauer im
Jnnern zugebracht hatte, ließ ihm der Bey am kom-
menden Morgen den Kopf abschlagen, und den Leich-
nam außerhalb der Mauer Jerusalems einscharren.



Geheime Gasthäuser.

Jn den meisten türkischen Städten findet man
griechische Gasthäuser, welche von den Vornehmen,
besonders des Nachts, häufig besucht werden. Sie
mie then sich ein Zimmer, welches gemeiniglich unter
der Erde angelegt ist, versammeln sich nach Sonnen-
Untergang, und fangen mit etwas Geräuchertem oder
Salzigem an. Hier gilt der Koran nicht; sie ergötzen
sich an Schweinefleisch und Fischen mit Schuppen,
welche er ihnen streng untersagt, und an dem nicht
weniger streng verbotenen Safte der Trauben. Doch
ziehen sie den Branntwein, und zwar den Danziger
allen andern Getränken vor, und trinken ihn sogar
öffentlich, weil sie sagen, er sey durch das Feuer
geläutert. -- Muskatwein hat ihnen Mahomed in
Krankheiten erlaubt. -- Wirft man ihnen Völlerei
vor, so antworten sie: Sultan Mustapha II., wel-
cher den Beinamen ( Beckris ) der Säufer führte,
machte es nicht besser, und war doch der Nachfolger
des Propheten. -- Der Verschwiegenheit des griechi-
schen Wirths sind sie übrigens gewiß, weil seine
eigene Sicherheit, und mehr als diese -- sein Vor-
theil dabei ins Spiel kommt.



Der Daubaschi und die Leibgardisten
zu Pondicheri.

Jn keinem Lande der Welt hat der wohlhabende
Bewohner eine so zahlreiche Bedienung, nirgend zeigt
man selbst dem Fremdling eine so große Dienstfertig-
keit als in Ostindien. Kaum hat der Reisende sich
dem Schlagbaum von Pondicheri genähert, so
drängt sich eine Menge von Menschen mit einer so
sonderbaren Geschäftigkeit um ihn, um seine Habse-
ligkeiten weiter zu bringen, daß ihre Beflissenheit fast
dem Gedränge beutelustiger Räuber gleicht. Unter
diesen muß er einen Daubaschi wählen, der ihn
[Ende Spaltensatz]

Panorama des Universums.
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Fliegende Brücken in Süd = Amerika.

Lange Zeit ehe es den Europäern einfiel, Brü-
cken über Abgründe und Felsenschluchten zu bauen,
haben die Bewohner anderer Welttheile die Berge
auf diese Art mit einander verbunden. Die Jndiani-
schen Stämme des südlichen Amerika haben derglei-
chen fliegende Brücken, deren gefährliche Anlage ihnen
mit vollem Rechte den Namen von Teufelsbrücken
verleihen dürfte. Sie bestehen aus Strohmatten, die
durch lange, aus Baumrinden geflochtene Seile befe-
stigt sind. Der leiseste Wind bewegt sie, und bei
ihrer beträchtlichen Länge senken sie sich unter der
auf ihnen befindlichen Last so tief, daß man den Ueber-
gang kaum für möglich halten sollte. Die Jndianer
schreiten jedoch mit großer Schnelligkeit über diese
Brücken, obschon jeder ihrer Schritte denselben eine
Schwingung verursacht, die man an beiden Enden
bemerkt. Nur selten wagt es ein Europäer, ihnen
zu folgen, und sein Leben einer so gebrechlichen Stütze
anzuvertrauen, da diese Brücken weder einen Strick
noch ein Geländer haben, um sich bei einem Fehl-
tritt vor dem Hinabsturz in die unermeßliche Tiefe
zu retten, die bei der Ungewohnheit in die Abgründe
zu schauen, über welche man hier schreitet, leicht
Schwindel erzeugen kann.



Strenge Buße.

Der Reisende George Staunton besuchte in
Jndien einen Mann, der einen Mord begangen hatte,
und der nicht um nur sein Leben zu retten, sondern
was ihm von viel größerer Wichtigkeit war, sein
Gewissen zu reinigen, sich der ihm auferlegten Strafe
unterwarf, welche darin bestand, daß er sieben Jahre
in einer Bettstelle schlafen mußte, welche nicht nur
keine Matratze hatte, sondern inwendig durchaus mit
spitzigen eisernen Nägeln beschlagen war, welche jedoch
nicht so scharf waren, daß sie durch das Fleisch gin-
gen. Staunton sah ihn im fünften Jahre seiner
Prüfungszeit, seine Haut war damals wie die eines
Rhinoceros, nur noch knorpeliger, jedoch schlief er
ganz gemächlich bereits auf seinem „Stachelbett,“
und äußerte sich, daß, wenn seine Strafzeit vorüber
seyn würde, er aus freier Wahl diesen Gebrauch
beibehalten wolle, welchem er früher aus Nothwen-
digkeit sich unterwerfen mußte.     St.



Eine chinesische Mittagstafel.

Ein französisches Blatt liefert uns einen sehr
auffallenden Küchenzettel eines Mittagsmahles, wel-
ches ein chinesischer Kaufmann zu Sinkapur einigen
europäischen Handelsfreunden und englischen Offizie-
ren gab. Das Gastmahl war in seiner Art glänzend
und trug den Stempel des Ueberflusses. Es wurde
durch eine Suppe von Vogelnestern eröffnet, und
sechs andere Suppen folgten, sowohl von Hammel-
fleisch, als Fröschen und Entenlebern. Dann kam
ein Hachis ( Hackfleisch, oder jede andere Speise aus
welchen Bestandtheilen immer, die klein gehackt sind ) aus
Elephantenschweifen mit einer Sauce von Eidexen-
eiern, und ein in dem grünen Fett der Schildkröte
gedünstetes Stachelschwein, welches die Europäer
recht wohlschmeckend fanden. Ferner waren Fisch-
magen mit Seepflanzen vorhanden, und Wasserschne-
pfen mit Pfauenkämmen krönten die Tafel. Dieses
Gerücht ist das Höchste der chinesischen Kochkunst,
welches die Bewohner des himmlischen Reiches ihren
Gästen nur bei den festlichsten Gelegenheiten vorsetzen,
[Spaltenumbruch] auch kostet eine Schüssel desselben 400 bis 800 fl.
Der Nachtisch war in seiner Art nicht minder glän-
zend als die ganze übrige Tafel, und enthielt unter
andern eine Sulze, zu welcher die Haut des Rhinoceros
den wichtigsten Bestandtheil geliefert hatte. Die Früchte
waren eigens von Malacca gebracht worden, und
die sehr verschiedenen Weinsorten kamen aus Europa.



Die Moschee des Omar zu Jerusalem.

Omar, ein reicher Kaufmann von Damaskus,
erbaute im 7ten Jahrhunderte eine Moschee in Je-
rusalem,
welche nach ihm genannt wurde. Jeder,
im Jnnern derselben betretene Christ, büßt seine Neu-
gierde mit dem Leben. Vor einigen Jahren wußte
sich ein reisender Christ einen Firman vom Groß-
herrn zu verschaffen, der ihm erlaubte, das Jnnere
der Moschee zu betreten.

Er übergab das schriftliche Erlaubnißschreiben
dem Bey, welcher ihm erklärte, der Eintritt sey ihm
ohne Weiteres verstattet. Nachdem unser Reisender
seine Neugierde gestillt hatte, wollte er die Moschee
verlassen, allein er fand den Eingang verschlossen,
und man rief ihm von Außen die Worte zu: „Der
Firman hat dir zwar allerdings den Eintritt, aber
keineswegs den Ausgang zugestanden.“

Nachdem er eine Nacht voller Todesschauer im
Jnnern zugebracht hatte, ließ ihm der Bey am kom-
menden Morgen den Kopf abschlagen, und den Leich-
nam außerhalb der Mauer Jerusalems einscharren.



Geheime Gasthäuser.

Jn den meisten türkischen Städten findet man
griechische Gasthäuser, welche von den Vornehmen,
besonders des Nachts, häufig besucht werden. Sie
mie then sich ein Zimmer, welches gemeiniglich unter
der Erde angelegt ist, versammeln sich nach Sonnen-
Untergang, und fangen mit etwas Geräuchertem oder
Salzigem an. Hier gilt der Koran nicht; sie ergötzen
sich an Schweinefleisch und Fischen mit Schuppen,
welche er ihnen streng untersagt, und an dem nicht
weniger streng verbotenen Safte der Trauben. Doch
ziehen sie den Branntwein, und zwar den Danziger
allen andern Getränken vor, und trinken ihn sogar
öffentlich, weil sie sagen, er sey durch das Feuer
geläutert. — Muskatwein hat ihnen Mahomed in
Krankheiten erlaubt. — Wirft man ihnen Völlerei
vor, so antworten sie: Sultan Mustapha II., wel-
cher den Beinamen ( Beckris ) der Säufer führte,
machte es nicht besser, und war doch der Nachfolger
des Propheten. — Der Verschwiegenheit des griechi-
schen Wirths sind sie übrigens gewiß, weil seine
eigene Sicherheit, und mehr als diese — sein Vor-
theil dabei ins Spiel kommt.



Der Daubaschi und die Leibgardisten
zu Pondicheri.

Jn keinem Lande der Welt hat der wohlhabende
Bewohner eine so zahlreiche Bedienung, nirgend zeigt
man selbst dem Fremdling eine so große Dienstfertig-
keit als in Ostindien. Kaum hat der Reisende sich
dem Schlagbaum von Pondicheri genähert, so
drängt sich eine Menge von Menschen mit einer so
sonderbaren Geschäftigkeit um ihn, um seine Habse-
ligkeiten weiter zu bringen, daß ihre Beflissenheit fast
dem Gedränge beutelustiger Räuber gleicht. Unter
diesen muß er einen Daubaschi wählen, der ihn
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Jn den meisten türkischen Städten findet man griechische Gasthäuser, welche von den Vornehmen, besonders des Nachts, häufig besucht werden. Sie mie then sich ein Zimmer, welches gemeiniglich unter der Erde angelegt ist, versammeln sich nach Sonnen- Untergang, und fangen mit etwas Geräuchertem oder Salzigem an. Hier gilt der Koran nicht; sie ergötzen sich an Schweinefleisch und Fischen mit Schuppen, welche er ihnen streng untersagt, und an dem nicht weniger streng verbotenen Safte der Trauben. Doch ziehen sie den Branntwein, und zwar den Danziger allen andern Getränken vor, und trinken ihn sogar öffentlich, weil sie sagen, er sey durch das Feuer geläutert. — Muskatwein hat ihnen Mahomed in Krankheiten erlaubt. — Wirft man ihnen Völlerei vor, so antworten sie: Sultan Mustapha II., wel- cher den Beinamen ( Beckris ) der Säufer führte, machte es nicht besser, und war doch der Nachfolger des Propheten. — Der Verschwiegenheit des griechi- schen Wirths sind sie übrigens gewiß, weil seine eigene Sicherheit, und mehr als diese — sein Vor- theil dabei ins Spiel kommt. Der Daubaschi und die Leibgardisten zu Pondicheri. Jn keinem Lande der Welt hat der wohlhabende Bewohner eine so zahlreiche Bedienung, nirgend zeigt man selbst dem Fremdling eine so große Dienstfertig- keit als in Ostindien. Kaum hat der Reisende sich dem Schlagbaum von Pondicheri genähert, so drängt sich eine Menge von Menschen mit einer so sonderbaren Geschäftigkeit um ihn, um seine Habse- ligkeiten weiter zu bringen, daß ihre Beflissenheit fast dem Gedränge beutelustiger Räuber gleicht. Unter diesen muß er einen Daubaschi wählen, der ihn

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Zitationshilfe: Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 10. Prag, 1834, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama10_1834/7>, abgerufen am 14.06.2024.