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Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 13. Prag, 1836.

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Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] aufhob, und statt derselben die Entschuldigungs-
karten
einführte, deren Ertrag dem Privatver-
eine zur Unterstützung der Hausarmen
zu-
gewiesen wurde, welcher sich schon seit langer Zeit
der Sorge weihte, das Elend verschämter Dürftiger
zu lindern. -- Die Stadtwälle verwandelten sich in
freundliche Promenaden, welche dem Geschäftsmanne
und Personen, deren Gesundheitszustand keine weitern
Spaziergänge erlaubt, den Genuß der freien Luft
gewähren. -- Eine wohlgebaute Chaussee mit Bäu-
men bepflanzt, die sich terassenmäßig nächst dem ehe-
maligen, gefahrdrohenden Hohlwege hinaufzieht, er-
leichtert die Verbindung mit dem Baumgarten, und
auf dem Gipfel der Anhöhe, längs der Marien-
schanze und ihren Umgebungen ist, wie durch Zau-
bermittel, ein Volksgarten entstanden, der die
herrlichsten Uebersichten der Stadt darbietet. -- Auch
der Theinthurm erhielt seinen zweiten durch einen
Blitzstrahl vernichteten Thurm zurück, der sich bereits
in zierlicher Gestaltung wieder in die Wolken hebt.

Da es wenige Städte gibt, wo man so wenig
mit dem Flächenraume gespart hätte, als bei Prag,
daher trotz der oben erwähnten wachsenden Bevöl-
kerung diese dennoch mit dem Umfange, noch nicht
im Verhältniß steht, so ist es natürlich, daß der
Reisende, welcher aus Wien oder einer noch grö-
ßeren Stadt kommt, sie nicht lebhaft findet, und die
zahlreichen Seitenstraßen oft vereinsamt stehen. Der
Hauptzug geht vom Spittel = und Neu = Thor gegen
die Brücke und die Kleinseitner Plätze und auf der
Altstadt und Neustadt sind auch noch einige parallell
laufende Straßen ziemlich belebt. Auf diesem Raum
bewegt sich sowohl das Treiben der Gewerbe, als
die Thätigkeit der öffentlichen Stellen und die ele-
gante Welt, so daß der aus dem nördlichen Deutsch-
land kommende Reisende durch den ersten Eintritt
in die Stadt überrascht werden, und eine genugsame
Lebendigkeit finden wird: zierliche Equipagen, reno-
virte Fiakers mit lebenssatten Rosinanten bespannt,
und Karren und Leiterwagen der gewerbführenden
Klassen treiben sich gegen einander; reich geschmückte
Gewölber, Wirthshäuser und Krambuden reihen sich
aneinander, Glanz und Luxus, und Armuth und
Dürftigkeit erscheinen wechselweise wie in allen Städ-
ten von größerem Umfange, erhabene Kirchen und
Palläste neben kleinen Bürgerwohnungen, breite und
krumme dunkle und helle Straßen, wie sie nach und
nach ohne bestimmten Plan entstanden, und der Stadt
den bedeutenden Umfang verschafften, der sie vor den
meisten Städten Deutschlands auszeichnet, bilden ein
großes Labyrinth von Straßen, Plätzen und Gäß-
chen, welches dem Fremdling imponiren muß. Vor-
treffliche Gebäude, wahre Denkmähler der schönen
Baukunst, prangen in Haupt = und Seitenstraßen,
viele nur zu versteckt an Orten, die zu enge sind,
um die edlen und geschmackvollen Vorderseiten ge-
hörig würdigen zu können; zahllose alte und neue,
aufgehobene und frequente Kirchen und Klöster, mit
Thürmen und Thurmspitzen von allen Gestalten ver-
sehen, eine Menge schöner Privathäuser und öffent-
licher Gebäude zieren allseitig die Stadt, und ver-
söhnen vollkommen mit den Unregelmäßigkeiten der
Anlage. Prag hat auf einem Flächenraum von
1,245,792 Wiener Quadrat Klaftern 54 Plätze, 217
Gassen mit nahe an 3400 Häusern und 117,000
Einwohnern ( darunter eine Garnison von 6500 Mann,
und beinahe 8000 Jsraeliten ) . Die Moldau, über
welche eine feste Brücke seit beinahe einem halben
[Spaltenumbruch] Jahrtausend dem Zahn der Zeit trotzt, theilt die
Stadt in zwei ungleiche Theile. Am rechten Ufer
liegt die in der Ebene erbaute Altstadt nebst der
Judenstadt, und die von Karl IV. in der Mitte
des 14. Jahrhunderts begründete Neustadt, die sich
theils am Flußufer, theils auf Anhöhen hinzieht;
auf dem linken die Kleinseite -- eigentlich der äl-
teste Stadttheil -- und auf Bergesrücken prangend
der Hradschin mit der königlichen Hofburg, ( welche
gegenwärtig Karl Philipp von Bourbon, Graf von
Ponthieu, vormals Karl X., König von Frankreich,
mit seiner Familie und seinem Gefolge bewohnt ) ,
der erzbischöflichen Residenz und dem Theresianischen
Damenstifte.

Es gibt in der That wenige Städte, die auf
den ersten Anblick so sehr imponiren, als Böhmens
Hauptstadt, die, von Bergen umgeben, sich in einem
muldenförmigen Thale in ein weites Oval ausdehnt.
Auf welchem der nachbarlichen Berge man auch die
weite Stadt mit ihren zahllosen Thürmen zuerst er-
blickt, überall tritt sie dem Schauer großartig ent-
gegen, und fesselt sein überraschtes Auge.

Prag hat so viele durch Schönheit, Alterthum
oder historische Erinnerungen merkwürdige Gebäude,
daß wir weit über die Grenzen unserer Blätter hin-
ausschreiten würden, wenn wir eine Aufzählung der-
selben unternehmen wollten, die wir demjenigen To-
pographen überlassen müssen, welchem ein größerer
Raum vergönnt ist. Von den Kirchen werden nebst
der Domkirche, welche die kaiserliche Gruft, und
andere landesfürstliche, wie die Grabmähler vieler
Helden der vaterländischen Geschichte, Kunstwerke
und andere historische Denkwürdigkeiten enthält, und
dem heiligen Hause St. Loreto mit dem reichen
Schatz frommer Alterthümer und Kleinodien, die Stra-
höwer Kirche mit dem Leichnam des heil. Norbert
auf dem Hradschin, auf der Kleinseite St. Niko-
laus
-- ein Werk des Jesuitenordens -- und St.
Thomas, auf der Altstadt aber vorzüglich die ur-
alte Theinkirche mit dem Grabmahl Tycho de
Brahe's vorzüglich besucht. Zu den Merkwürdig-
keiten der Judenstadt gehört die alte Schule, als
ein schönes Denkmahl altdeutscher Kunst, und der
uralte Friedhof.

Die vorzüglichsten Plätze der Stadt sind: der
sogenannte große Ring auf der Altstadt, ein unre-
gelmäßiges Viereck mit einer Statue der heiligen
Jungfrau auf einer hohen Säule, von Ferdinand
III. zum Andenken der Befreiung Prags von den
Schweden errichtet. Eine kurze Straße nächst dem
Rathhause verbindet jenen Platz mit dem kleinen
Ringe, nebst welchem die Altstadt noch eine Menge
kleiner Plätze besitzt. Auf der Neustadt zeich-
net sich der Roßmarkt durch Schönheit, der Vieh-
markt durch noch größern Umfang als jener aus.
Die Kleinseite hat nebst dem Kleinseitner Ring und
dem Welschen Platze auch nur noch einige unbedeu-
tende Plätzchen. Der Hradschiner Platz vor dem
Schlosse ist ein ziemlich großes Oblong, in dessen
Mitte sich eine Allee mit Ruhebänken befindet. Der
Loreto = Platz ist ganz uneben, und wird erst gepfla-
stert. An die Neustadt schließt sich die freie Berg-
stadt Wissehrad an, die zwar ein eignes Ganzes
ausmacht, doch aber mit der Hauptstadt in einem
Mauergürtel liegt, und zwischen Mauern und einem
Hohlweg gelangt man von dieser in das Castell mit
mehreren Ruinen alter Zeit, vorzüglich einer Warte
am malerischen Felsabhang, zu welcher wahrschein-
[Ende Spaltensatz]

Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] aufhob, und statt derselben die Entschuldigungs-
karten
einführte, deren Ertrag dem Privatver-
eine zur Unterstützung der Hausarmen
zu-
gewiesen wurde, welcher sich schon seit langer Zeit
der Sorge weihte, das Elend verschämter Dürftiger
zu lindern. — Die Stadtwälle verwandelten sich in
freundliche Promenaden, welche dem Geschäftsmanne
und Personen, deren Gesundheitszustand keine weitern
Spaziergänge erlaubt, den Genuß der freien Luft
gewähren. — Eine wohlgebaute Chaussée mit Bäu-
men bepflanzt, die sich terassenmäßig nächst dem ehe-
maligen, gefahrdrohenden Hohlwege hinaufzieht, er-
leichtert die Verbindung mit dem Baumgarten, und
auf dem Gipfel der Anhöhe, längs der Marien-
schanze und ihren Umgebungen ist, wie durch Zau-
bermittel, ein Volksgarten entstanden, der die
herrlichsten Uebersichten der Stadt darbietet. — Auch
der Theinthurm erhielt seinen zweiten durch einen
Blitzstrahl vernichteten Thurm zurück, der sich bereits
in zierlicher Gestaltung wieder in die Wolken hebt.

Da es wenige Städte gibt, wo man so wenig
mit dem Flächenraume gespart hätte, als bei Prag,
daher trotz der oben erwähnten wachsenden Bevöl-
kerung diese dennoch mit dem Umfange, noch nicht
im Verhältniß steht, so ist es natürlich, daß der
Reisende, welcher aus Wien oder einer noch grö-
ßeren Stadt kommt, sie nicht lebhaft findet, und die
zahlreichen Seitenstraßen oft vereinsamt stehen. Der
Hauptzug geht vom Spittel = und Neu = Thor gegen
die Brücke und die Kleinseitner Plätze und auf der
Altstadt und Neustadt sind auch noch einige parallell
laufende Straßen ziemlich belebt. Auf diesem Raum
bewegt sich sowohl das Treiben der Gewerbe, als
die Thätigkeit der öffentlichen Stellen und die ele-
gante Welt, so daß der aus dem nördlichen Deutsch-
land kommende Reisende durch den ersten Eintritt
in die Stadt überrascht werden, und eine genugsame
Lebendigkeit finden wird: zierliche Equipagen, reno-
virte Fiakers mit lebenssatten Rosinanten bespannt,
und Karren und Leiterwagen der gewerbführenden
Klassen treiben sich gegen einander; reich geschmückte
Gewölber, Wirthshäuser und Krambuden reihen sich
aneinander, Glanz und Luxus, und Armuth und
Dürftigkeit erscheinen wechselweise wie in allen Städ-
ten von größerem Umfange, erhabene Kirchen und
Palläste neben kleinen Bürgerwohnungen, breite und
krumme dunkle und helle Straßen, wie sie nach und
nach ohne bestimmten Plan entstanden, und der Stadt
den bedeutenden Umfang verschafften, der sie vor den
meisten Städten Deutschlands auszeichnet, bilden ein
großes Labyrinth von Straßen, Plätzen und Gäß-
chen, welches dem Fremdling imponiren muß. Vor-
treffliche Gebäude, wahre Denkmähler der schönen
Baukunst, prangen in Haupt = und Seitenstraßen,
viele nur zu versteckt an Orten, die zu enge sind,
um die edlen und geschmackvollen Vorderseiten ge-
hörig würdigen zu können; zahllose alte und neue,
aufgehobene und frequente Kirchen und Klöster, mit
Thürmen und Thurmspitzen von allen Gestalten ver-
sehen, eine Menge schöner Privathäuser und öffent-
licher Gebäude zieren allseitig die Stadt, und ver-
söhnen vollkommen mit den Unregelmäßigkeiten der
Anlage. Prag hat auf einem Flächenraum von
1,245,792 Wiener Quadrat Klaftern 54 Plätze, 217
Gassen mit nahe an 3400 Häusern und 117,000
Einwohnern ( darunter eine Garnison von 6500 Mann,
und beinahe 8000 Jsraeliten ) . Die Moldau, über
welche eine feste Brücke seit beinahe einem halben
[Spaltenumbruch] Jahrtausend dem Zahn der Zeit trotzt, theilt die
Stadt in zwei ungleiche Theile. Am rechten Ufer
liegt die in der Ebene erbaute Altstadt nebst der
Judenstadt, und die von Karl IV. in der Mitte
des 14. Jahrhunderts begründete Neustadt, die sich
theils am Flußufer, theils auf Anhöhen hinzieht;
auf dem linken die Kleinseite — eigentlich der äl-
teste Stadttheil — und auf Bergesrücken prangend
der Hradschin mit der königlichen Hofburg, ( welche
gegenwärtig Karl Philipp von Bourbon, Graf von
Ponthieu, vormals Karl X., König von Frankreich,
mit seiner Familie und seinem Gefolge bewohnt ) ,
der erzbischöflichen Residenz und dem Theresianischen
Damenstifte.

Es gibt in der That wenige Städte, die auf
den ersten Anblick so sehr imponiren, als Böhmens
Hauptstadt, die, von Bergen umgeben, sich in einem
muldenförmigen Thale in ein weites Oval ausdehnt.
Auf welchem der nachbarlichen Berge man auch die
weite Stadt mit ihren zahllosen Thürmen zuerst er-
blickt, überall tritt sie dem Schauer großartig ent-
gegen, und fesselt sein überraschtes Auge.

Prag hat so viele durch Schönheit, Alterthum
oder historische Erinnerungen merkwürdige Gebäude,
daß wir weit über die Grenzen unserer Blätter hin-
ausschreiten würden, wenn wir eine Aufzählung der-
selben unternehmen wollten, die wir demjenigen To-
pographen überlassen müssen, welchem ein größerer
Raum vergönnt ist. Von den Kirchen werden nebst
der Domkirche, welche die kaiserliche Gruft, und
andere landesfürstliche, wie die Grabmähler vieler
Helden der vaterländischen Geschichte, Kunstwerke
und andere historische Denkwürdigkeiten enthält, und
dem heiligen Hause St. Loreto mit dem reichen
Schatz frommer Alterthümer und Kleinodien, die Stra-
höwer Kirche mit dem Leichnam des heil. Norbert
auf dem Hradschin, auf der Kleinseite St. Niko-
laus
— ein Werk des Jesuitenordens — und St.
Thomas, auf der Altstadt aber vorzüglich die ur-
alte Theinkirche mit dem Grabmahl Tycho de
Brahe's vorzüglich besucht. Zu den Merkwürdig-
keiten der Judenstadt gehört die alte Schule, als
ein schönes Denkmahl altdeutscher Kunst, und der
uralte Friedhof.

Die vorzüglichsten Plätze der Stadt sind: der
sogenannte große Ring auf der Altstadt, ein unre-
gelmäßiges Viereck mit einer Statue der heiligen
Jungfrau auf einer hohen Säule, von Ferdinand
III. zum Andenken der Befreiung Prags von den
Schweden errichtet. Eine kurze Straße nächst dem
Rathhause verbindet jenen Platz mit dem kleinen
Ringe, nebst welchem die Altstadt noch eine Menge
kleiner Plätze besitzt. Auf der Neustadt zeich-
net sich der Roßmarkt durch Schönheit, der Vieh-
markt durch noch größern Umfang als jener aus.
Die Kleinseite hat nebst dem Kleinseitner Ring und
dem Welschen Platze auch nur noch einige unbedeu-
tende Plätzchen. Der Hradschiner Platz vor dem
Schlosse ist ein ziemlich großes Oblong, in dessen
Mitte sich eine Allee mit Ruhebänken befindet. Der
Loreto = Platz ist ganz uneben, und wird erst gepfla-
stert. An die Neustadt schließt sich die freie Berg-
stadt Wissehrad an, die zwar ein eignes Ganzes
ausmacht, doch aber mit der Hauptstadt in einem
Mauergürtel liegt, und zwischen Mauern und einem
Hohlweg gelangt man von dieser in das Castell mit
mehreren Ruinen alter Zeit, vorzüglich einer Warte
am malerischen Felsabhang, zu welcher wahrschein-
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Da es wenige Städte gibt, wo man so wenig mit dem Flächenraume gespart hätte, als bei Prag, daher trotz der oben erwähnten wachsenden Bevöl- kerung diese dennoch mit dem Umfange, noch nicht im Verhältniß steht, so ist es natürlich, daß der Reisende, welcher aus Wien oder einer noch grö- ßeren Stadt kommt, sie nicht lebhaft findet, und die zahlreichen Seitenstraßen oft vereinsamt stehen. Der Hauptzug geht vom Spittel = und Neu = Thor gegen die Brücke und die Kleinseitner Plätze und auf der Altstadt und Neustadt sind auch noch einige parallell laufende Straßen ziemlich belebt. 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Prag hat so viele durch Schönheit, Alterthum oder historische Erinnerungen merkwürdige Gebäude, daß wir weit über die Grenzen unserer Blätter hin- ausschreiten würden, wenn wir eine Aufzählung der- selben unternehmen wollten, die wir demjenigen To- pographen überlassen müssen, welchem ein größerer Raum vergönnt ist. Von den Kirchen werden nebst der Domkirche, welche die kaiserliche Gruft, und andere landesfürstliche, wie die Grabmähler vieler Helden der vaterländischen Geschichte, Kunstwerke und andere historische Denkwürdigkeiten enthält, und dem heiligen Hause St. Loreto mit dem reichen Schatz frommer Alterthümer und Kleinodien, die Stra- höwer Kirche mit dem Leichnam des heil. Norbert auf dem Hradschin, auf der Kleinseite St. Niko- laus — ein Werk des Jesuitenordens — und St. Thomas, auf der Altstadt aber vorzüglich die ur- alte Theinkirche mit dem Grabmahl Tycho de Brahe's vorzüglich besucht. Zu den Merkwürdig- keiten der Judenstadt gehört die alte Schule, als ein schönes Denkmahl altdeutscher Kunst, und der uralte Friedhof. Die vorzüglichsten Plätze der Stadt sind: der sogenannte große Ring auf der Altstadt, ein unre- gelmäßiges Viereck mit einer Statue der heiligen Jungfrau auf einer hohen Säule, von Ferdinand III. zum Andenken der Befreiung Prags von den Schweden errichtet. Eine kurze Straße nächst dem Rathhause verbindet jenen Platz mit dem kleinen Ringe, nebst welchem die Altstadt noch eine Menge kleiner Plätze besitzt. Auf der Neustadt zeich- net sich der Roßmarkt durch Schönheit, der Vieh- markt durch noch größern Umfang als jener aus. Die Kleinseite hat nebst dem Kleinseitner Ring und dem Welschen Platze auch nur noch einige unbedeu- tende Plätzchen. Der Hradschiner Platz vor dem Schlosse ist ein ziemlich großes Oblong, in dessen Mitte sich eine Allee mit Ruhebänken befindet. Der Loreto = Platz ist ganz uneben, und wird erst gepfla- stert. An die Neustadt schließt sich die freie Berg- stadt Wissehrad an, die zwar ein eignes Ganzes ausmacht, doch aber mit der Hauptstadt in einem Mauergürtel liegt, und zwischen Mauern und einem Hohlweg gelangt man von dieser in das Castell mit mehreren Ruinen alter Zeit, vorzüglich einer Warte am malerischen Felsabhang, zu welcher wahrschein-

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Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




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Zitationshilfe: Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 13. Prag, 1836, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama13_1836/2>, abgerufen am 21.11.2024.