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Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 23. Prag, 1836.

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Panorama des Universums.
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legen sie diese Thiere nie ab, sondern tagen sie
überall mit sich herum, wie das Schuppenthier
seinen Panzer, der Vogel seine Federn und die
Schnecke ihr Haus. Wenn die Schildkröte Kopf,
Beine und Schwanz eingezogen hat, so gleicht sie
einem leblosen Körper. Man bemerkt an ihr keine
Bewegung, und dieser Zustand ist hinlänglich, um
Gefahren zu entgehen. Feinde, wenn sie nicht etwa
das ganze Thier mit seinem Harnisch verschlucken
oder fortführen können, haben einen Felsen vor sich,
gegen den sie ihre Waffen vergeblich brauchen. Der
Rücken- oder Oberschild steht mit den Rippen des
Thieres und mit dem ganzen Rücken in genauester
Verbindung; der Unterschild ist mit den Knochen
verbunden, die das Brustbein trennen. Von den
Oeffnungen ist die eine für den Kopf und die Vor-
derbeine, die andere hinten für den Schwanz, den
After und die Hinterbeine. Die Meerschildkröten,
welche einen großen Kopf haben, sind nicht im
Stande, ihn ganz unter dem Schilde zu verstecken;
auch können sie die Schwimmfüsse nicht völlig ein-
ziehen. Der Rücken und der Bauch der Schildkröten
haben keinen andern Ueberzug, als die beiden Schilde;
der Kopf, der Hals, die Beine, der Schwanz und
der After sind dagegen mit einer Haut bedeckt, die
mit dem Rande des Rückenschildes und des Brust-
beins verwachsen ist. Sie legt sich in Falten, wenn
das Thier den Kopf und die Beine zurückzieht, und
ist mithin weit genug, um beim Gehen und
Schwimmen alle nöthigen Bewegungen zu gestat-
ten. Durch die kleinen Schuppen, womit diese
Haut bedeckt ist, erhalten die Schildkröten auch
in Hinsicht der äußern Bedeckung einige Aehn-
lichkeit mit den Eidechsen und Schlangen. Alle
Schildkröten haben einen nach vornhin zugerundeten
Kopf, an der Schnauze stehen vorn die Nasenlöcher,
die Mundöffnung liegt unterwärts, und reicht bis
hinter die Ohren, die obere Kinnlade ragt über die
untere hervor, beide sind bei den mehresten Gat-
tungen zwar zahnlos, bestehen aber aus harten,
scharfgeränderten Knochen, welche ziemlich feste Kör-
per zermalmen. Die Stellung und ganze Einrich-
tung der Schnauze bei diesen Amphibien ist ganz
dazu geeignet, die Seegewächse zu fassen, und zu
zerkäuen, die ihnen zum Theil zur Nahrung dienen.
Aeußere Ohren haben die Schildkröten nicht, und
die Stellen, wo die Gehörorgane liegen, sind nur
durch besondere Schuppen oder Schildchen bemerk-
bar. Die großen Augen stehen nur bei wenigen
hervor. Die merkwürdigsten äußern Theile der
Schildkröten sind die mehrmals erwähnten Schilde.
Sie bestehen aus mehreren festen Stücken mit ge-
zähnelten, mehr oder weniger in einander greifenden
Rändern. Bei manchen Gattungen sind die einzelnen
Stücke des Bauchschildes etwas beweglich. Sowohl
auf dem Rücken- als auf dem Bauchschilde befin-
den sich Schuppen, die der Größe, Gestalt und
[Spaltenumbruch] Zahl nach nicht nur bei den verschiedenen Gattun-
gen, sondern sehr oft bei einer und derselben Gat-
tung verschieden ausfallen. Bisweilen sind die
Schuppen den darunter liegenden Schalenstücken an
Zahl gleich. Diejenigen Schuppen, welche auf der
Mitte des Rückens liegen, und die Scheibe genannt
werden, unterscheiden sich in Hinsicht der Form von
den ringsum befindlichen Randschildchen. Die Schup-
pen fallen bisweilen von den Schilden der Schild-
kröten ab. Es sind durchscheinend biegsame, ela-
stische Körper, zum Theil von sehr schönen Farben.
Der Randschuppen oder Randschildchen gibt es ge-
meiniglich 22 bis 25, die Scheibe besteht gewöhn-
lich aus 13 bis 15 derselben, welche der Länge
nach in drei Reihen aufliegen. Die Zahl der Bauch-
schildchen wechselt bei einigen von 12 bis 14, bei
andern von 22 bis 24. Die Größe der verschiedenen
Schildkröten-Gattungen ist ungefähr eben so ver-
schieden, wie bei dem Eidechsengeschlechte. Der Schild
der größten mißt 4 bis 5 Fuß in der Länge, und 3
bis 4 Fuß in der Breite. Bei solchen Thieren
ist der ganze Körper in der Mitte, oder an der erha-
bensten Stelle nicht selten 4 Fuß dick, der Kopf 7
bis 8 Zoll lang, 6 bis 7 Zoll breit, Hals und
Schwanz fast eben so lang, und das Gewicht einer
solchen Schildkröte beträgt an 800 Pfund, wovon
auf die beiden Schilde die Hälfte kommt. Die klein-
sten Gattungen sind dagegen nur 2 bis 3 Zoll lang,
und wiegen oft kein ganzes Pfund. Die Schildkrö-
ten wachsen sehr langsam, und scheinen ein sehr
hohes Alter zu erreichen. Es ist gar nicht unglaub-
lich, daß, wie Niebuhr zu Surate sagte, eine
in dem dortigen Thierhospitale unterhaltene Land-
schildkröte 125 Jahre alt war. Die Lebenskraft
dieser Thiere ist sehr groß. Sie bleiben Monate
lang an feuchten Orten ohne Nahrung leben, und
sterben oft erst nach mehreren Tagen, wenn ihnen
der Kopf abgehauen ist. Das Fleisch der alten
Schildkröten ist für einen großen Theil der Erdbe-
wohner, und insbesondere auch für die Seefahrer
von der größten Wichtigkeit. Von den großen Land-
schildkröten rechnet man dasselbe zu den Leckereien.
Einige vergleichen ihr Fleisch mit dem Hühner-,
Andere mit dem Lammfleische. Die Leber ist der
delikateste Theil, und das weiße, flüssig bleibende
Fett schmeckt so gut und ist so gesund, daß man so
viel davon genießen kann, als man nur will, ohne
irgend Nachtheil davon zu empfinden. In manchen
Ländern dienen die Land- und Flußschildkröten zur
Fastenspeise. Man behauptet, daß ehemals ganze
Fuhren der letztern aus der Ukermark und Neumark
nach Schlesien und Böhmen wären geführt worden.
Zu den Feinden der erwachsenen Schildkröten kann
man, außer dem Menschen, die gefräßigen Haifische
rechnen, welche mäßige Thiere dieses Geschlechts
mit dem Schilde verschlucken. Einigen Nachrichten
zu Folge soll in Amerika der sogenannte Tiger oder
Jaguar ebenfalls ein Feind der Schildkröten seyn.
Man findet indeß nicht angegeben, wie er sich der
beharnischten Schildkröte bemächtige. Den Beobach-
tungen des Pater de la Coudreniere zu Folge
ist die große Schildkröte, Lacuane genannt, eine
Verfolgerin des Alligators, und man glaubt, daß
sie die Ursache sey, daß man jene Thiere oft mit
verstümmelten Beinen antrifft.   F.

[Ende Spaltensatz]

Druck und Verlag von Gottlieb Haase Söhne in Prag. -- Redaktion von W. A. Gerle.

Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] [Abbildung]
legen sie diese Thiere nie ab, sondern tagen sie
überall mit sich herum, wie das Schuppenthier
seinen Panzer, der Vogel seine Federn und die
Schnecke ihr Haus. Wenn die Schildkröte Kopf,
Beine und Schwanz eingezogen hat, so gleicht sie
einem leblosen Körper. Man bemerkt an ihr keine
Bewegung, und dieser Zustand ist hinlänglich, um
Gefahren zu entgehen. Feinde, wenn sie nicht etwa
das ganze Thier mit seinem Harnisch verschlucken
oder fortführen können, haben einen Felsen vor sich,
gegen den sie ihre Waffen vergeblich brauchen. Der
Rücken- oder Oberschild steht mit den Rippen des
Thieres und mit dem ganzen Rücken in genauester
Verbindung; der Unterschild ist mit den Knochen
verbunden, die das Brustbein trennen. Von den
Oeffnungen ist die eine für den Kopf und die Vor-
derbeine, die andere hinten für den Schwanz, den
After und die Hinterbeine. Die Meerschildkröten,
welche einen großen Kopf haben, sind nicht im
Stande, ihn ganz unter dem Schilde zu verstecken;
auch können sie die Schwimmfüsse nicht völlig ein-
ziehen. Der Rücken und der Bauch der Schildkröten
haben keinen andern Ueberzug, als die beiden Schilde;
der Kopf, der Hals, die Beine, der Schwanz und
der After sind dagegen mit einer Haut bedeckt, die
mit dem Rande des Rückenschildes und des Brust-
beins verwachsen ist. Sie legt sich in Falten, wenn
das Thier den Kopf und die Beine zurückzieht, und
ist mithin weit genug, um beim Gehen und
Schwimmen alle nöthigen Bewegungen zu gestat-
ten. Durch die kleinen Schuppen, womit diese
Haut bedeckt ist, erhalten die Schildkröten auch
in Hinsicht der äußern Bedeckung einige Aehn-
lichkeit mit den Eidechsen und Schlangen. Alle
Schildkröten haben einen nach vornhin zugerundeten
Kopf, an der Schnauze stehen vorn die Nasenlöcher,
die Mundöffnung liegt unterwärts, und reicht bis
hinter die Ohren, die obere Kinnlade ragt über die
untere hervor, beide sind bei den mehresten Gat-
tungen zwar zahnlos, bestehen aber aus harten,
scharfgeränderten Knochen, welche ziemlich feste Kör-
per zermalmen. Die Stellung und ganze Einrich-
tung der Schnauze bei diesen Amphibien ist ganz
dazu geeignet, die Seegewächse zu fassen, und zu
zerkäuen, die ihnen zum Theil zur Nahrung dienen.
Aeußere Ohren haben die Schildkröten nicht, und
die Stellen, wo die Gehörorgane liegen, sind nur
durch besondere Schuppen oder Schildchen bemerk-
bar. Die großen Augen stehen nur bei wenigen
hervor. Die merkwürdigsten äußern Theile der
Schildkröten sind die mehrmals erwähnten Schilde.
Sie bestehen aus mehreren festen Stücken mit ge-
zähnelten, mehr oder weniger in einander greifenden
Rändern. Bei manchen Gattungen sind die einzelnen
Stücke des Bauchschildes etwas beweglich. Sowohl
auf dem Rücken- als auf dem Bauchschilde befin-
den sich Schuppen, die der Größe, Gestalt und
[Spaltenumbruch] Zahl nach nicht nur bei den verschiedenen Gattun-
gen, sondern sehr oft bei einer und derselben Gat-
tung verschieden ausfallen. Bisweilen sind die
Schuppen den darunter liegenden Schalenstücken an
Zahl gleich. Diejenigen Schuppen, welche auf der
Mitte des Rückens liegen, und die Scheibe genannt
werden, unterscheiden sich in Hinsicht der Form von
den ringsum befindlichen Randschildchen. Die Schup-
pen fallen bisweilen von den Schilden der Schild-
kröten ab. Es sind durchscheinend biegsame, ela-
stische Körper, zum Theil von sehr schönen Farben.
Der Randschuppen oder Randschildchen gibt es ge-
meiniglich 22 bis 25, die Scheibe besteht gewöhn-
lich aus 13 bis 15 derselben, welche der Länge
nach in drei Reihen aufliegen. Die Zahl der Bauch-
schildchen wechselt bei einigen von 12 bis 14, bei
andern von 22 bis 24. Die Größe der verschiedenen
Schildkröten-Gattungen ist ungefähr eben so ver-
schieden, wie bei dem Eidechsengeschlechte. Der Schild
der größten mißt 4 bis 5 Fuß in der Länge, und 3
bis 4 Fuß in der Breite. Bei solchen Thieren
ist der ganze Körper in der Mitte, oder an der erha-
bensten Stelle nicht selten 4 Fuß dick, der Kopf 7
bis 8 Zoll lang, 6 bis 7 Zoll breit, Hals und
Schwanz fast eben so lang, und das Gewicht einer
solchen Schildkröte beträgt an 800 Pfund, wovon
auf die beiden Schilde die Hälfte kommt. Die klein-
sten Gattungen sind dagegen nur 2 bis 3 Zoll lang,
und wiegen oft kein ganzes Pfund. Die Schildkrö-
ten wachsen sehr langsam, und scheinen ein sehr
hohes Alter zu erreichen. Es ist gar nicht unglaub-
lich, daß, wie Niebuhr zu Surate sagte, eine
in dem dortigen Thierhospitale unterhaltene Land-
schildkröte 125 Jahre alt war. Die Lebenskraft
dieser Thiere ist sehr groß. Sie bleiben Monate
lang an feuchten Orten ohne Nahrung leben, und
sterben oft erst nach mehreren Tagen, wenn ihnen
der Kopf abgehauen ist. Das Fleisch der alten
Schildkröten ist für einen großen Theil der Erdbe-
wohner, und insbesondere auch für die Seefahrer
von der größten Wichtigkeit. Von den großen Land-
schildkröten rechnet man dasselbe zu den Leckereien.
Einige vergleichen ihr Fleisch mit dem Hühner-,
Andere mit dem Lammfleische. Die Leber ist der
delikateste Theil, und das weiße, flüssig bleibende
Fett schmeckt so gut und ist so gesund, daß man so
viel davon genießen kann, als man nur will, ohne
irgend Nachtheil davon zu empfinden. In manchen
Ländern dienen die Land- und Flußschildkröten zur
Fastenspeise. Man behauptet, daß ehemals ganze
Fuhren der letztern aus der Ukermark und Neumark
nach Schlesien und Böhmen wären geführt worden.
Zu den Feinden der erwachsenen Schildkröten kann
man, außer dem Menschen, die gefräßigen Haifische
rechnen, welche mäßige Thiere dieses Geschlechts
mit dem Schilde verschlucken. Einigen Nachrichten
zu Folge soll in Amerika der sogenannte Tiger oder
Jaguar ebenfalls ein Feind der Schildkröten seyn.
Man findet indeß nicht angegeben, wie er sich der
beharnischten Schildkröte bemächtige. Den Beobach-
tungen des Pater de la Coudreniere zu Folge
ist die große Schildkröte, Lacuane genannt, eine
Verfolgerin des Alligators, und man glaubt, daß
sie die Ursache sey, daß man jene Thiere oft mit
verstümmelten Beinen antrifft.   F.

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Druck und Verlag von Gottlieb Haase Söhne in Prag. — Redaktion von W. A. Gerle.

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Alle Schildkröten haben einen nach vornhin zugerundeten Kopf, an der Schnauze stehen vorn die Nasenlöcher, die Mundöffnung liegt unterwärts, und reicht bis hinter die Ohren, die obere Kinnlade ragt über die untere hervor, beide sind bei den mehresten Gat- tungen zwar zahnlos, bestehen aber aus harten, scharfgeränderten Knochen, welche ziemlich feste Kör- per zermalmen. Die Stellung und ganze Einrich- tung der Schnauze bei diesen Amphibien ist ganz dazu geeignet, die Seegewächse zu fassen, und zu zerkäuen, die ihnen zum Theil zur Nahrung dienen. Aeußere Ohren haben die Schildkröten nicht, und die Stellen, wo die Gehörorgane liegen, sind nur durch besondere Schuppen oder Schildchen bemerk- bar. Die großen Augen stehen nur bei wenigen hervor. Die merkwürdigsten äußern Theile der Schildkröten sind die mehrmals erwähnten Schilde. Sie bestehen aus mehreren festen Stücken mit ge- zähnelten, mehr oder weniger in einander greifenden Rändern. Bei manchen Gattungen sind die einzelnen Stücke des Bauchschildes etwas beweglich. Sowohl auf dem Rücken- als auf dem Bauchschilde befin- den sich Schuppen, die der Größe, Gestalt und Zahl nach nicht nur bei den verschiedenen Gattun- gen, sondern sehr oft bei einer und derselben Gat- tung verschieden ausfallen. Bisweilen sind die Schuppen den darunter liegenden Schalenstücken an Zahl gleich. Diejenigen Schuppen, welche auf der Mitte des Rückens liegen, und die Scheibe genannt werden, unterscheiden sich in Hinsicht der Form von den ringsum befindlichen Randschildchen. Die Schup- pen fallen bisweilen von den Schilden der Schild- kröten ab. Es sind durchscheinend biegsame, ela- stische Körper, zum Theil von sehr schönen Farben. Der Randschuppen oder Randschildchen gibt es ge- meiniglich 22 bis 25, die Scheibe besteht gewöhn- lich aus 13 bis 15 derselben, welche der Länge nach in drei Reihen aufliegen. Die Zahl der Bauch- schildchen wechselt bei einigen von 12 bis 14, bei andern von 22 bis 24. Die Größe der verschiedenen Schildkröten-Gattungen ist ungefähr eben so ver- schieden, wie bei dem Eidechsengeschlechte. Der Schild der größten mißt 4 bis 5 Fuß in der Länge, und 3 bis 4 Fuß in der Breite. Bei solchen Thieren ist der ganze Körper in der Mitte, oder an der erha- bensten Stelle nicht selten 4 Fuß dick, der Kopf 7 bis 8 Zoll lang, 6 bis 7 Zoll breit, Hals und Schwanz fast eben so lang, und das Gewicht einer solchen Schildkröte beträgt an 800 Pfund, wovon auf die beiden Schilde die Hälfte kommt. Die klein- sten Gattungen sind dagegen nur 2 bis 3 Zoll lang, und wiegen oft kein ganzes Pfund. Die Schildkrö- ten wachsen sehr langsam, und scheinen ein sehr hohes Alter zu erreichen. Es ist gar nicht unglaub- lich, daß, wie Niebuhr zu Surate sagte, eine in dem dortigen Thierhospitale unterhaltene Land- schildkröte 125 Jahre alt war. Die Lebenskraft dieser Thiere ist sehr groß. 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Zu den Feinden der erwachsenen Schildkröten kann man, außer dem Menschen, die gefräßigen Haifische rechnen, welche mäßige Thiere dieses Geschlechts mit dem Schilde verschlucken. Einigen Nachrichten zu Folge soll in Amerika der sogenannte Tiger oder Jaguar ebenfalls ein Feind der Schildkröten seyn. Man findet indeß nicht angegeben, wie er sich der beharnischten Schildkröte bemächtige. Den Beobach- tungen des Pater de la Coudreniere zu Folge ist die große Schildkröte, Lacuane genannt, eine Verfolgerin des Alligators, und man glaubt, daß sie die Ursache sey, daß man jene Thiere oft mit verstümmelten Beinen antrifft. F. Druck und Verlag von Gottlieb Haase Söhne in Prag. — Redaktion von W. A. Gerle.

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Zitationshilfe: Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 23. Prag, 1836, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama23_1836/8>, abgerufen am 21.11.2024.