Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 9. Leipzig (Sachsen), 4. März 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

[Beginn Spaltensatz] perser, endlich der Khalifen. Jm 9. Jahrh. bildeten sich
unabhängige Staaten und seitdem tritt Afghanistan
mehr in den geschichtlichen Vordergrund. Zu Anfang
des 11. Jahrh. entstand hier durch Mahmud von Ghizni
der Staat der Gasnaviden, der sich ostwärts bis Jn-
dien und westwärts bis tief nach Persien erstreckte und
Ghizni, 10 Meilen südlich von Kabul gelegen, zur
Hauptstadt hatte; 1183 wurde es die Beute der Mon-
golen und Kabul Hauptstadt des Mongolenreichs, dessen
größter Regent Baber seinen Lieblingssitz hier hatte. Als
das Mongolenreich zerfiel, waren die Afghanen unter
den Ersten, die sich frei machten. Sie scheinen Urein-
wohner des Gebirgslandes des Hindukusch und des
davon nach Süden abzweigenden Soliman= oder Salo-
monsgebirges zu sein. Sie selbst halten sich für Nach-
kommen der von den Assyrern und Babyloniern hierher
versetzten Jsraeliten.

Der Engländer Burnes, der die Länder vom
Jndus bis zum kaspischen Meere durchreiste, hält das
nicht für unwahrscheinlich, da sie in der That wie
Juden aussähen und auch manchen Gebrauch hätten,
den das Mosaische Gesetz vorschreibt.

Jm J. 1722 mußte ihnen der persische Schah
Sofi Hussein seinen Thron abtreten, den sie jedoch nicht
lange behaupteten. Nach dem Tode Nadir Schah's,
der sie aus Persien vertrieben und wieder Persien zins-
bar gemacht hatte, machten sie sich abermals unabhän-
gig, indem Achmed Khan Abdallah, vom Afghanen-
stamm der Durahner, zu Kandahar 1747 ein besonde-
res Reich gründete, das bald die benachbarten Provin-
zen an sich riß. Sein Sohn Timur Schah verlegte
seine Residenz nach Kabul, wovon das Afghanenreich
auch Kabulistan heißt. Nach seinem Tode 1793 zer-
fiel das Reich durch den Streit seiner Söhne. Sein
dritter Sohn Mahmud behauptete sich bis 1804, wo
sein jüngster Bruder, Schah Schudscha, den Thron in
Besitz nahm; 1809 kam Mahmud wieder auf, machte
sich aber durch die grausame Ermordung seines klugen
Veziers Fattih Ali seiner Macht wieder verlustig, in-
dem er vor den Brüdern desselben die Flucht ergreifen
mußte und in Herat zu einem Vasallen Persiens herab-
sank. Er starb 1829 und hinterließ einen Sohn Kam-
ran. Noch vor seinem Tode hatten die Brüder Fattih's
aus der Familie der Burukzi's dem Schah Schudscha
die Krone von Kabul angeboten, aber, durch seinen Stolz
beleidigt, seinen Bruder Ejub auf den Thron gesetzt, für
den indessen Fattih's ältester Sohn Asim Khan regierte.
Als dieser aber starb, brach in der Familie der Burukzis
ein Kampf aus, in dessen Folge der Schattenkönig Ejub
die Flucht ergriff und Afghanistan in mehre unabhängige
Staaten zerfiel, unter denen der des Dost Mohammed,
welcher Khan zu Kabul war, der mächtigste wurde.
Der Enkel des Stifters der Durahner=Dynastie lebte
in der Verbannung von einem Jahrgehalte der britischen
Regierung.

Jm J. 1836 wurde die englisch=indische Regierung
über die Vergrößerungsplane Dost Mohammed's unru-
hig und schickte den bekannten Sir Alexander Burnes
an seinen Hof, um ihm darüber Vorstellungen zu ma-
chen, aber er mußte unverrichteter Sache wieder zurück-
kehren. Die Belagerung Herats und die Unterstützung,
welche durch Dost Mohammed und seinen Bruder, den
Herren von Kandahar, Persien in seinen Absichten auf
Afghanistan zu Theil wurde, erregten neue Befürchtun-
gen bei der englisch=indischen Regierung. Da beschloß
man endlich, die Sache des Schah Schudscha kräftiger
zu betreiben als bisher und ihn auf den Thron zu brin-
gen. Sir William Macnaghten machte daher mit dem
[Spaltenumbruch] Herrn des Pendschab und Schah Schudscha einen Ver-
trag, der den Zweck hatte, Schah Schudscha die Re-
gierung zu verschaffen.

Es wurden daher Truppen aus den Präsidentschaf-
ten Bengalen und Bombay abgesandt, um mit den
von dem Schah und den übrigen Alliirten ausgeho-
benen Contingenten unter dem Namen der Jndusarmee
für die Zwecke des Vertrags wirksam zu werden. Nach
einem langen Marsche durch Länder, welche nie vorher
britische Truppen gesehen hatten, und durch Engpässe,
welche zu den schwierigsten auf der ganzen Erde gehö-
ren, die nie ein Wagenrad berührt hat und wo man
oft erst Straßen bauen mußte, um das Gepäck fortzu-
bringen, erreichten endlich im Mai 1839 die vereinig-
ten Kräfte von Bengalen und Bombay Kandahar. Die
Bevölkerung äußerte eine enthusiastische Freude über die
Rückkehr des Schah Schudscha. Man zog nun gegen
Ghizni und Kabul. Am 23. Juli nahm man die Fe-
stung und Citadelle von Ghizni, welche in ganz Asien
für uneinnehmbar galt, nach einer Belagerung von nur
zwei Tagen. Am 7. August hielt die Armee ihren Ein-
zug in Kabul.

( Beschluß folgt in Nr. 10. )



Paletots.

Wie einst den Strohhüten und andern Moden, geht
es auch jetzt den Paletots. So erschienen zum Erstau-
nen der Brüsseler neulich die Gassenkehrer und die Fuhr-
leute, welche den Schmuz aus der Stadt wegschaffen,
sämmtlich in neuen Paletots nach dem englischen Mode-
schnitt. Überall blieb das Volk stehen und gaffte dieses
Wunder an. Am Ende stellte sich heraus, daß eine
Anzahl englischer Paletots in Belgien eingeführt worden
sei und daß die brüsseler Schneider die Schmuzmän-
ner mit gleichen Anzügen versehen hatten, um den Mode-
männern den Geschmack an dem Werke ihrer Concur-
renten zu verleiden.



Die Tabuhns der russischen Steppen.

Die spärliche Bevölkerung der russischen Steppen und
tausend andere Hindernisse machen es den reichen Grund-
besitzern daselbst unmöglich, bedeutende Strecken ihrer
Ländereien beackern zu lassen. Sie richten daher ihr
Augenmerk vorzüglich auf die Zucht der Schafe, Ochsen
und Pferde, von denen es nirgend auf der Erde größere
Heerden gibt. Am meisten eignet sich das Land zur
Zucht der Pferde, die sich wegen ihrer Leichtfüßigkeit
leicht von einem Ende der ausgedehnten Besitzungen des
Eigenthümers zum andern treiben lassen. Es finden sich
daher in diesen Gegenden so viele Pferde, daß sie fast
die gesammte Cavalerie des russischen Kaiserreichs remon-
tiren und jeden Augenblick einer neuen Armee ihren Be-
darf liefern können.

Will ein Grundbesitzer einen neuen Tabuhn errich-
ten, so schickt er eine kleine Anzahl von Hengsten und
Stuten unter der Obhut besonderer Hirten in die Steppe.
Diese bilden den Kern des Tabuhns oder Gestütes.
Man läßt nun die Heerde so lange anwachsen, bis die
Anzahl der Pferde so groß geworden ist, als es die
Subsistenzmittel des Gutes erlauben. Jndeß enthält ein
Tabuhn selten mehr als tausend Pferde, aber es gibt
Grundbesitzer, die acht bis zehn solcher Tabuhns besitzen,
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] perser, endlich der Khalifen. Jm 9. Jahrh. bildeten sich
unabhängige Staaten und seitdem tritt Afghanistan
mehr in den geschichtlichen Vordergrund. Zu Anfang
des 11. Jahrh. entstand hier durch Mahmud von Ghizni
der Staat der Gasnaviden, der sich ostwärts bis Jn-
dien und westwärts bis tief nach Persien erstreckte und
Ghizni, 10 Meilen südlich von Kabul gelegen, zur
Hauptstadt hatte; 1183 wurde es die Beute der Mon-
golen und Kabul Hauptstadt des Mongolenreichs, dessen
größter Regent Baber seinen Lieblingssitz hier hatte. Als
das Mongolenreich zerfiel, waren die Afghanen unter
den Ersten, die sich frei machten. Sie scheinen Urein-
wohner des Gebirgslandes des Hindukusch und des
davon nach Süden abzweigenden Soliman= oder Salo-
monsgebirges zu sein. Sie selbst halten sich für Nach-
kommen der von den Assyrern und Babyloniern hierher
versetzten Jsraeliten.

Der Engländer Burnes, der die Länder vom
Jndus bis zum kaspischen Meere durchreiste, hält das
nicht für unwahrscheinlich, da sie in der That wie
Juden aussähen und auch manchen Gebrauch hätten,
den das Mosaische Gesetz vorschreibt.

Jm J. 1722 mußte ihnen der persische Schah
Sofi Hussein seinen Thron abtreten, den sie jedoch nicht
lange behaupteten. Nach dem Tode Nadir Schah's,
der sie aus Persien vertrieben und wieder Persien zins-
bar gemacht hatte, machten sie sich abermals unabhän-
gig, indem Achmed Khan Abdallah, vom Afghanen-
stamm der Durahner, zu Kandahar 1747 ein besonde-
res Reich gründete, das bald die benachbarten Provin-
zen an sich riß. Sein Sohn Timur Schah verlegte
seine Residenz nach Kabul, wovon das Afghanenreich
auch Kabulistan heißt. Nach seinem Tode 1793 zer-
fiel das Reich durch den Streit seiner Söhne. Sein
dritter Sohn Mahmud behauptete sich bis 1804, wo
sein jüngster Bruder, Schah Schudscha, den Thron in
Besitz nahm; 1809 kam Mahmud wieder auf, machte
sich aber durch die grausame Ermordung seines klugen
Veziers Fattih Ali seiner Macht wieder verlustig, in-
dem er vor den Brüdern desselben die Flucht ergreifen
mußte und in Herat zu einem Vasallen Persiens herab-
sank. Er starb 1829 und hinterließ einen Sohn Kam-
ran. Noch vor seinem Tode hatten die Brüder Fattih's
aus der Familie der Burukzi's dem Schah Schudscha
die Krone von Kabul angeboten, aber, durch seinen Stolz
beleidigt, seinen Bruder Ejub auf den Thron gesetzt, für
den indessen Fattih's ältester Sohn Asim Khan regierte.
Als dieser aber starb, brach in der Familie der Burukzis
ein Kampf aus, in dessen Folge der Schattenkönig Ejub
die Flucht ergriff und Afghanistan in mehre unabhängige
Staaten zerfiel, unter denen der des Dost Mohammed,
welcher Khan zu Kabul war, der mächtigste wurde.
Der Enkel des Stifters der Durahner=Dynastie lebte
in der Verbannung von einem Jahrgehalte der britischen
Regierung.

Jm J. 1836 wurde die englisch=indische Regierung
über die Vergrößerungsplane Dost Mohammed's unru-
hig und schickte den bekannten Sir Alexander Burnes
an seinen Hof, um ihm darüber Vorstellungen zu ma-
chen, aber er mußte unverrichteter Sache wieder zurück-
kehren. Die Belagerung Herats und die Unterstützung,
welche durch Dost Mohammed und seinen Bruder, den
Herren von Kandahar, Persien in seinen Absichten auf
Afghanistan zu Theil wurde, erregten neue Befürchtun-
gen bei der englisch=indischen Regierung. Da beschloß
man endlich, die Sache des Schah Schudscha kräftiger
zu betreiben als bisher und ihn auf den Thron zu brin-
gen. Sir William Macnaghten machte daher mit dem
[Spaltenumbruch] Herrn des Pendschab und Schah Schudscha einen Ver-
trag, der den Zweck hatte, Schah Schudscha die Re-
gierung zu verschaffen.

Es wurden daher Truppen aus den Präsidentschaf-
ten Bengalen und Bombay abgesandt, um mit den
von dem Schah und den übrigen Alliirten ausgeho-
benen Contingenten unter dem Namen der Jndusarmee
für die Zwecke des Vertrags wirksam zu werden. Nach
einem langen Marsche durch Länder, welche nie vorher
britische Truppen gesehen hatten, und durch Engpässe,
welche zu den schwierigsten auf der ganzen Erde gehö-
ren, die nie ein Wagenrad berührt hat und wo man
oft erst Straßen bauen mußte, um das Gepäck fortzu-
bringen, erreichten endlich im Mai 1839 die vereinig-
ten Kräfte von Bengalen und Bombay Kandahar. Die
Bevölkerung äußerte eine enthusiastische Freude über die
Rückkehr des Schah Schudscha. Man zog nun gegen
Ghizni und Kabul. Am 23. Juli nahm man die Fe-
stung und Citadelle von Ghizni, welche in ganz Asien
für uneinnehmbar galt, nach einer Belagerung von nur
zwei Tagen. Am 7. August hielt die Armee ihren Ein-
zug in Kabul.

( Beschluß folgt in Nr. 10. )



Paletots.

Wie einst den Strohhüten und andern Moden, geht
es auch jetzt den Paletots. So erschienen zum Erstau-
nen der Brüsseler neulich die Gassenkehrer und die Fuhr-
leute, welche den Schmuz aus der Stadt wegschaffen,
sämmtlich in neuen Paletots nach dem englischen Mode-
schnitt. Überall blieb das Volk stehen und gaffte dieses
Wunder an. Am Ende stellte sich heraus, daß eine
Anzahl englischer Paletots in Belgien eingeführt worden
sei und daß die brüsseler Schneider die Schmuzmän-
ner mit gleichen Anzügen versehen hatten, um den Mode-
männern den Geschmack an dem Werke ihrer Concur-
renten zu verleiden.



Die Tabuhns der russischen Steppen.

Die spärliche Bevölkerung der russischen Steppen und
tausend andere Hindernisse machen es den reichen Grund-
besitzern daselbst unmöglich, bedeutende Strecken ihrer
Ländereien beackern zu lassen. Sie richten daher ihr
Augenmerk vorzüglich auf die Zucht der Schafe, Ochsen
und Pferde, von denen es nirgend auf der Erde größere
Heerden gibt. Am meisten eignet sich das Land zur
Zucht der Pferde, die sich wegen ihrer Leichtfüßigkeit
leicht von einem Ende der ausgedehnten Besitzungen des
Eigenthümers zum andern treiben lassen. Es finden sich
daher in diesen Gegenden so viele Pferde, daß sie fast
die gesammte Cavalerie des russischen Kaiserreichs remon-
tiren und jeden Augenblick einer neuen Armee ihren Be-
darf liefern können.

Will ein Grundbesitzer einen neuen Tabuhn errich-
ten, so schickt er eine kleine Anzahl von Hengsten und
Stuten unter der Obhut besonderer Hirten in die Steppe.
Diese bilden den Kern des Tabuhns oder Gestütes.
Man läßt nun die Heerde so lange anwachsen, bis die
Anzahl der Pferde so groß geworden ist, als es die
Subsistenzmittel des Gutes erlauben. Jndeß enthält ein
Tabuhn selten mehr als tausend Pferde, aber es gibt
Grundbesitzer, die acht bis zehn solcher Tabuhns besitzen,
[Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0005" n="69"/><fw type="pageNum" place="top">69</fw><cb type="start"/>
perser, endlich der Khalifen. Jm 9. Jahrh. bildeten sich<lb/>
unabhängige Staaten und seitdem tritt Afghanistan<lb/>
mehr in den geschichtlichen Vordergrund. Zu Anfang<lb/>
des 11. Jahrh. entstand hier durch Mahmud von Ghizni<lb/>
der Staat der Gasnaviden, der sich ostwärts bis Jn-<lb/>
dien und westwärts bis tief nach Persien erstreckte und<lb/>
Ghizni, 10 Meilen südlich von Kabul gelegen, zur<lb/>
Hauptstadt hatte; 1183 wurde es die Beute der Mon-<lb/>
golen und Kabul Hauptstadt des Mongolenreichs, dessen<lb/>
größter Regent Baber seinen Lieblingssitz hier hatte. Als<lb/>
das Mongolenreich zerfiel, waren die Afghanen unter<lb/>
den Ersten, die sich frei machten. Sie scheinen Urein-<lb/>
wohner des Gebirgslandes des Hindukusch und des<lb/>
davon nach Süden abzweigenden Soliman= oder Salo-<lb/>
monsgebirges zu sein. Sie selbst halten sich für Nach-<lb/>
kommen der von den Assyrern und Babyloniern hierher<lb/>
versetzten Jsraeliten.</p><lb/>
        <p>Der Engländer Burnes, der die Länder vom<lb/>
Jndus bis zum kaspischen Meere durchreiste, hält das<lb/>
nicht für unwahrscheinlich, da sie in der That wie<lb/>
Juden aussähen und auch manchen Gebrauch hätten,<lb/>
den das Mosaische Gesetz vorschreibt.</p><lb/>
        <p>Jm J. 1722 mußte ihnen der persische Schah<lb/>
Sofi Hussein seinen Thron abtreten, den sie jedoch nicht<lb/>
lange behaupteten. Nach dem Tode Nadir Schah's,<lb/>
der sie aus Persien vertrieben und wieder Persien zins-<lb/>
bar gemacht hatte, machten sie sich abermals unabhän-<lb/>
gig, indem Achmed Khan Abdallah, vom Afghanen-<lb/>
stamm der Durahner, zu Kandahar 1747 ein besonde-<lb/>
res Reich gründete, das bald die benachbarten Provin-<lb/>
zen an sich riß. Sein Sohn Timur Schah verlegte<lb/>
seine Residenz nach Kabul, wovon das Afghanenreich<lb/>
auch Kabulistan heißt. Nach seinem Tode 1793 zer-<lb/>
fiel das Reich durch den Streit seiner Söhne. Sein<lb/>
dritter Sohn Mahmud behauptete sich bis 1804, wo<lb/>
sein jüngster Bruder, Schah Schudscha, den Thron in<lb/>
Besitz nahm; 1809 kam Mahmud wieder auf, machte<lb/>
sich aber durch die grausame Ermordung seines klugen<lb/>
Veziers Fattih Ali seiner Macht wieder verlustig, in-<lb/>
dem er vor den Brüdern desselben die Flucht ergreifen<lb/>
mußte und in Herat zu einem Vasallen Persiens herab-<lb/>
sank. Er starb 1829 und hinterließ einen Sohn Kam-<lb/>
ran. Noch vor seinem Tode hatten die Brüder Fattih's<lb/>
aus der Familie der Burukzi's dem Schah Schudscha<lb/>
die Krone von Kabul angeboten, aber, durch seinen Stolz<lb/>
beleidigt, seinen Bruder Ejub auf den Thron gesetzt, für<lb/>
den indessen Fattih's ältester Sohn Asim Khan regierte.<lb/>
Als dieser aber starb, brach in der Familie der Burukzis<lb/>
ein Kampf aus, in dessen Folge der Schattenkönig Ejub<lb/>
die Flucht ergriff und Afghanistan in mehre unabhängige<lb/>
Staaten zerfiel, unter denen der des Dost Mohammed,<lb/>
welcher Khan zu Kabul war, der mächtigste wurde.<lb/>
Der Enkel des Stifters der Durahner=Dynastie lebte<lb/>
in der Verbannung von einem Jahrgehalte der britischen<lb/>
Regierung.</p><lb/>
        <p>Jm J. 1836 wurde die englisch=indische Regierung<lb/>
über die Vergrößerungsplane Dost Mohammed's unru-<lb/>
hig und schickte den bekannten Sir Alexander Burnes<lb/>
an seinen Hof, um ihm darüber Vorstellungen zu ma-<lb/>
chen, aber er mußte unverrichteter Sache wieder zurück-<lb/>
kehren. Die Belagerung Herats und die Unterstützung,<lb/>
welche durch Dost Mohammed und seinen Bruder, den<lb/>
Herren von Kandahar, Persien in seinen Absichten auf<lb/>
Afghanistan zu Theil wurde, erregten neue Befürchtun-<lb/>
gen bei der englisch=indischen Regierung. Da beschloß<lb/>
man endlich, die Sache des Schah Schudscha kräftiger<lb/>
zu betreiben als bisher und ihn auf den Thron zu brin-<lb/>
gen. Sir William Macnaghten machte daher mit dem<lb/><cb n="2"/>
Herrn des Pendschab und Schah Schudscha einen Ver-<lb/>
trag, der den Zweck hatte, Schah Schudscha die Re-<lb/>
gierung zu verschaffen.</p><lb/>
        <p>Es wurden daher Truppen aus den Präsidentschaf-<lb/>
ten Bengalen und Bombay abgesandt, um mit den<lb/>
von dem Schah und den übrigen Alliirten ausgeho-<lb/>
benen Contingenten unter dem Namen der Jndusarmee<lb/>
für die Zwecke des Vertrags wirksam zu werden. Nach<lb/>
einem langen Marsche durch Länder, welche nie vorher<lb/>
britische Truppen gesehen hatten, und durch Engpässe,<lb/>
welche zu den schwierigsten auf der ganzen Erde gehö-<lb/>
ren, die nie ein Wagenrad berührt hat und wo man<lb/>
oft erst Straßen bauen mußte, um das Gepäck fortzu-<lb/>
bringen, erreichten endlich im Mai 1839 die vereinig-<lb/>
ten Kräfte von Bengalen und Bombay Kandahar. Die<lb/>
Bevölkerung äußerte eine enthusiastische Freude über die<lb/>
Rückkehr des Schah Schudscha. Man zog nun gegen<lb/>
Ghizni und Kabul. Am 23. Juli nahm man die Fe-<lb/>
stung und Citadelle von Ghizni, welche in ganz Asien<lb/>
für uneinnehmbar galt, nach einer Belagerung von nur<lb/>
zwei Tagen. Am 7. August hielt die Armee ihren Ein-<lb/>
zug in Kabul.</p><lb/>
        <p> <hi rendition="#c">( Beschluß folgt in Nr. 10. )</hi> </p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr">Paletots.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">W</hi>ie einst den Strohhüten und andern Moden, geht<lb/>
es auch jetzt den Paletots. So erschienen zum Erstau-<lb/>
nen der Brüsseler neulich die Gassenkehrer und die Fuhr-<lb/>
leute, welche den Schmuz aus der Stadt wegschaffen,<lb/>
sämmtlich in neuen Paletots nach dem englischen Mode-<lb/>
schnitt. Überall blieb das Volk stehen und gaffte dieses<lb/>
Wunder an. Am Ende stellte sich heraus, daß eine<lb/>
Anzahl englischer Paletots in Belgien eingeführt worden<lb/>
sei und daß die brüsseler Schneider die Schmuzmän-<lb/>
ner mit gleichen Anzügen versehen hatten, um den Mode-<lb/>
männern den Geschmack an dem Werke ihrer Concur-<lb/>
renten zu verleiden.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr">Die Tabuhns der russischen Steppen.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>ie spärliche Bevölkerung der russischen Steppen und<lb/>
tausend andere Hindernisse machen es den reichen Grund-<lb/>
besitzern daselbst unmöglich, bedeutende Strecken ihrer<lb/>
Ländereien beackern zu lassen. Sie richten daher ihr<lb/>
Augenmerk vorzüglich auf die Zucht der Schafe, Ochsen<lb/>
und Pferde, von denen es nirgend auf der Erde größere<lb/>
Heerden gibt. Am meisten eignet sich das Land zur<lb/>
Zucht der Pferde, die sich wegen ihrer Leichtfüßigkeit<lb/>
leicht von einem Ende der ausgedehnten Besitzungen des<lb/>
Eigenthümers zum andern treiben lassen. Es finden sich<lb/>
daher in diesen Gegenden so viele Pferde, daß sie fast<lb/>
die gesammte Cavalerie des russischen Kaiserreichs remon-<lb/>
tiren und jeden Augenblick einer neuen Armee ihren Be-<lb/>
darf liefern können.</p><lb/>
        <p>Will ein Grundbesitzer einen neuen Tabuhn errich-<lb/>
ten, so schickt er eine kleine Anzahl von Hengsten und<lb/>
Stuten unter der Obhut besonderer Hirten in die Steppe.<lb/>
Diese bilden den Kern des Tabuhns oder Gestütes.<lb/>
Man läßt nun die Heerde so lange anwachsen, bis die<lb/>
Anzahl der Pferde so groß geworden ist, als es die<lb/>
Subsistenzmittel des Gutes erlauben. Jndeß enthält ein<lb/>
Tabuhn selten mehr als tausend Pferde, aber es gibt<lb/>
Grundbesitzer, die acht bis zehn solcher Tabuhns besitzen,<lb/><cb type="end"/>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0005] 69 perser, endlich der Khalifen. Jm 9. Jahrh. bildeten sich unabhängige Staaten und seitdem tritt Afghanistan mehr in den geschichtlichen Vordergrund. Zu Anfang des 11. Jahrh. entstand hier durch Mahmud von Ghizni der Staat der Gasnaviden, der sich ostwärts bis Jn- dien und westwärts bis tief nach Persien erstreckte und Ghizni, 10 Meilen südlich von Kabul gelegen, zur Hauptstadt hatte; 1183 wurde es die Beute der Mon- golen und Kabul Hauptstadt des Mongolenreichs, dessen größter Regent Baber seinen Lieblingssitz hier hatte. Als das Mongolenreich zerfiel, waren die Afghanen unter den Ersten, die sich frei machten. Sie scheinen Urein- wohner des Gebirgslandes des Hindukusch und des davon nach Süden abzweigenden Soliman= oder Salo- monsgebirges zu sein. Sie selbst halten sich für Nach- kommen der von den Assyrern und Babyloniern hierher versetzten Jsraeliten. Der Engländer Burnes, der die Länder vom Jndus bis zum kaspischen Meere durchreiste, hält das nicht für unwahrscheinlich, da sie in der That wie Juden aussähen und auch manchen Gebrauch hätten, den das Mosaische Gesetz vorschreibt. Jm J. 1722 mußte ihnen der persische Schah Sofi Hussein seinen Thron abtreten, den sie jedoch nicht lange behaupteten. Nach dem Tode Nadir Schah's, der sie aus Persien vertrieben und wieder Persien zins- bar gemacht hatte, machten sie sich abermals unabhän- gig, indem Achmed Khan Abdallah, vom Afghanen- stamm der Durahner, zu Kandahar 1747 ein besonde- res Reich gründete, das bald die benachbarten Provin- zen an sich riß. Sein Sohn Timur Schah verlegte seine Residenz nach Kabul, wovon das Afghanenreich auch Kabulistan heißt. Nach seinem Tode 1793 zer- fiel das Reich durch den Streit seiner Söhne. Sein dritter Sohn Mahmud behauptete sich bis 1804, wo sein jüngster Bruder, Schah Schudscha, den Thron in Besitz nahm; 1809 kam Mahmud wieder auf, machte sich aber durch die grausame Ermordung seines klugen Veziers Fattih Ali seiner Macht wieder verlustig, in- dem er vor den Brüdern desselben die Flucht ergreifen mußte und in Herat zu einem Vasallen Persiens herab- sank. Er starb 1829 und hinterließ einen Sohn Kam- ran. Noch vor seinem Tode hatten die Brüder Fattih's aus der Familie der Burukzi's dem Schah Schudscha die Krone von Kabul angeboten, aber, durch seinen Stolz beleidigt, seinen Bruder Ejub auf den Thron gesetzt, für den indessen Fattih's ältester Sohn Asim Khan regierte. Als dieser aber starb, brach in der Familie der Burukzis ein Kampf aus, in dessen Folge der Schattenkönig Ejub die Flucht ergriff und Afghanistan in mehre unabhängige Staaten zerfiel, unter denen der des Dost Mohammed, welcher Khan zu Kabul war, der mächtigste wurde. Der Enkel des Stifters der Durahner=Dynastie lebte in der Verbannung von einem Jahrgehalte der britischen Regierung. Jm J. 1836 wurde die englisch=indische Regierung über die Vergrößerungsplane Dost Mohammed's unru- hig und schickte den bekannten Sir Alexander Burnes an seinen Hof, um ihm darüber Vorstellungen zu ma- chen, aber er mußte unverrichteter Sache wieder zurück- kehren. Die Belagerung Herats und die Unterstützung, welche durch Dost Mohammed und seinen Bruder, den Herren von Kandahar, Persien in seinen Absichten auf Afghanistan zu Theil wurde, erregten neue Befürchtun- gen bei der englisch=indischen Regierung. Da beschloß man endlich, die Sache des Schah Schudscha kräftiger zu betreiben als bisher und ihn auf den Thron zu brin- gen. Sir William Macnaghten machte daher mit dem Herrn des Pendschab und Schah Schudscha einen Ver- trag, der den Zweck hatte, Schah Schudscha die Re- gierung zu verschaffen. Es wurden daher Truppen aus den Präsidentschaf- ten Bengalen und Bombay abgesandt, um mit den von dem Schah und den übrigen Alliirten ausgeho- benen Contingenten unter dem Namen der Jndusarmee für die Zwecke des Vertrags wirksam zu werden. Nach einem langen Marsche durch Länder, welche nie vorher britische Truppen gesehen hatten, und durch Engpässe, welche zu den schwierigsten auf der ganzen Erde gehö- ren, die nie ein Wagenrad berührt hat und wo man oft erst Straßen bauen mußte, um das Gepäck fortzu- bringen, erreichten endlich im Mai 1839 die vereinig- ten Kräfte von Bengalen und Bombay Kandahar. Die Bevölkerung äußerte eine enthusiastische Freude über die Rückkehr des Schah Schudscha. Man zog nun gegen Ghizni und Kabul. Am 23. Juli nahm man die Fe- stung und Citadelle von Ghizni, welche in ganz Asien für uneinnehmbar galt, nach einer Belagerung von nur zwei Tagen. Am 7. August hielt die Armee ihren Ein- zug in Kabul. ( Beschluß folgt in Nr. 10. ) Paletots. Wie einst den Strohhüten und andern Moden, geht es auch jetzt den Paletots. So erschienen zum Erstau- nen der Brüsseler neulich die Gassenkehrer und die Fuhr- leute, welche den Schmuz aus der Stadt wegschaffen, sämmtlich in neuen Paletots nach dem englischen Mode- schnitt. Überall blieb das Volk stehen und gaffte dieses Wunder an. Am Ende stellte sich heraus, daß eine Anzahl englischer Paletots in Belgien eingeführt worden sei und daß die brüsseler Schneider die Schmuzmän- ner mit gleichen Anzügen versehen hatten, um den Mode- männern den Geschmack an dem Werke ihrer Concur- renten zu verleiden. Die Tabuhns der russischen Steppen. Die spärliche Bevölkerung der russischen Steppen und tausend andere Hindernisse machen es den reichen Grund- besitzern daselbst unmöglich, bedeutende Strecken ihrer Ländereien beackern zu lassen. Sie richten daher ihr Augenmerk vorzüglich auf die Zucht der Schafe, Ochsen und Pferde, von denen es nirgend auf der Erde größere Heerden gibt. Am meisten eignet sich das Land zur Zucht der Pferde, die sich wegen ihrer Leichtfüßigkeit leicht von einem Ende der ausgedehnten Besitzungen des Eigenthümers zum andern treiben lassen. Es finden sich daher in diesen Gegenden so viele Pferde, daß sie fast die gesammte Cavalerie des russischen Kaiserreichs remon- tiren und jeden Augenblick einer neuen Armee ihren Be- darf liefern können. Will ein Grundbesitzer einen neuen Tabuhn errich- ten, so schickt er eine kleine Anzahl von Hengsten und Stuten unter der Obhut besonderer Hirten in die Steppe. Diese bilden den Kern des Tabuhns oder Gestütes. Man läßt nun die Heerde so lange anwachsen, bis die Anzahl der Pferde so groß geworden ist, als es die Subsistenzmittel des Gutes erlauben. Jndeß enthält ein Tabuhn selten mehr als tausend Pferde, aber es gibt Grundbesitzer, die acht bis zehn solcher Tabuhns besitzen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig009_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig009_1843/5
Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 9. Leipzig (Sachsen), 4. März 1843, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig009_1843/5>, abgerufen am 16.07.2024.