Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 24. Leipzig (Sachsen), 17. Juni 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

[Beginn Spaltensatz] über das gute Herz den Sieg zu verschaffen; er war
jedoch zu edel, um jene für ihn so unglücklich abgelau-
fene gute Handlung unmännlich zu bereuen; er erinnerte
sich vielmehr an die Verpflichtungen, die er gegen Mar-
tha hatte und zog eilig seine Börse aus der Tasche,
um sie Martha als eine kleine Entschädigung für die
mit ihm gehabte Mühe zu überreichen. Martha machte
keine Umstände, sondern nahm die Börse dankbar an
und sagte tröstend zu dem Offizier:

Seid nur gutes Muthes, der liebe Gott wird noch
Alles wieder gut machen. Opfert Euer Leben nicht
muthwillig auf, damit Jhr Gelegenheit behaltet, noch
viel Gutes zu thun.

Wie Gott will, sagte der Offizier; mein Leben ge-
hört nicht mehr mir, es gehört dem großen Befreiungs-
kampfe, der nun bald entschieden werden muß. Sterb'
ich, so werde ich dem Himmel dafür danken; sterb' ich
nicht, nun so werde ich das Leben wie ein nothwendi-
ges Übel zu ertragen wissen.

Handri war während der Unterredung Marthen's
mit dem Obersten schon mehrmals auf dem Sprunge
gewesen, aber immer hatte er sich wieder gesetzt. Er
kämpfte offenbar mit sich selber. Ein edler Entschluß
wollte verwirklicht sein, aber eine innere mächtige Stimme
war dagegen. Als aber der Offizier von dem großen
Befreiungskampfe sprach, da flog er auf einmal in die
Kammer und kam mit seinem eben gefundenen Säbel
heraus.

Hier bring' ich Euch zu Eurem edlen Kampfe einen
Säbel, der seines Gleichen sucht, sagte er mit Thränen
in den Augen.

Der Oberst wollte seinen Augen nicht trauen. Er
sah bald den Säbel, bald den Jungen an, der seiner-
seits nicht wußte, was er glauben sollte.

Junge, wo hast du diesen Säbel her? fragte er mit
einer Simme, in welcher eine Welt entgegengesetzter
Gefühle zu Tage trat; das ist der Säbel meines theuer-
sten Freundes, des einzigen Schutzengels meiner Liebe,
dessen Einfluß der letzte Stern meiner Hoffnung war.
Jetzt ist auch dieser Stern erloschen und ich bin ganz
unglücklich.

Mein Gott, sagte Handri, seid nur nicht böse auf
mich; ich wollte Euch nicht kränken, ich wollte Euch
ein Werkzeug in die Hände geben, mit dem Jhr die
Franzosenköpfe abmähen solltet, wie ich die Distelköpfe.
Glaubt mir, es schneidet wie Gift. Man braucht die
Schärfe einem Distelhalse nur nahe zu bringen, so liegt
der Kopf auch schon auf der Erde. Jch glaube, Jhr
könnt damit ein ganzes Regiment in die Flucht jagen.

Jch zweifle nicht daran, mein Sohn, und wäre
auch ganz zufrieden mit deiner Gabe, wenn sie nur nicht
so schreckliche Ahnungen in mir rege machte, sagte Dol-
goruki mit einer Empfindung, die durch die Worte
Handri's offenbar eine lichtere Farbe bekommen hatte.

Was für schreckliche Ahnungen könnten denn wol
mit dem armen Säbel in Verbindung stehen? Jch habe
ihn im benachbarten Walde unter hohem Grase hervor-
gezogen, damit er nicht unthätig bleibe, sondern zu der
Franzosenvertreibung das Seinige beitrage. Offenbar
will Gott, daß Jhr den Säbel gebrauchen sollt, darum
lenkte er gerade heute meine Schritte zu der Stelle, wo
er verborgen lag, und ließ mich darauf treten und Un-
tersuchung halten, damit er ja nicht verborgen bliebe.
Freut Euch also lieber, Herr Offizier, daß Euch Gott
so sichtbar zu seinem Werkzeug erwählt hat, und traut
Euren schrecklichen Ahnungen nicht. Jch wollte, ich
wäre alt genug, Euch in den Kampf zu begleiten, denn
der alte Hans sagt, es wäre das ein heiliger Kampf
[Spaltenumbruch] und wer in ihm fiele, würde schnurstracks zum Himmel
auffahren und dort vom lieben Gott selber die Strah-
lenkrone des Verdienstes aufgesetzt erhalten, und wen
das Schwert nicht fressen würde, der würde die Frei-
heit neu geboren und durch die Bluttaufe für ewige Zei-
ten erstarkt sehen; sie würde ihren Sitz in ganz Europa
aufschlagen und mit dem ewigen Frieden zusammenwoh-
nen. Da würden denn Dinge geschehen, die wir uns
jetzt nicht träumen ließen, die er aber nicht mehr erle-
ben würde.

Dein alter Hans hat Recht, sagte hier der Oberst,
durch die vernommenen Worte wie umgewandelt, von
dem bevorstehenden Kampfe hängt das Schicksal Euro-
pas ab. Es ist der wichtigste Kampf, der je auf Er-
den gekämpft worden ist, und Unrecht, wenn Jemand
nur an sich denkt und nicht freudig Gut und Blut der
großen Sache zum Opfer bringt. Jch nehme deinen
Säbel als Unterpfand, daß die gute Sache siegen werde,
mein lieber Junge, und wenn ich nicht bestimmt bin,
mein Blut zu der Taufe herzugeben, durch welche die
europäische Freiheit erstarken soll, werde ich dich und
deine Lehren nicht vergessen.

Hiermit drückte er Marthen, die über das dreiste
Wesen Handri's völlig sprachlos geworden war und
lange nicht recht wußte, ob sie ihn anklagen oder ent-
schuldigen sollte, einen zweiten vollen Beutel in die Hand
und ging mit dem Säbel davon.

( Fortsetzung folgt in Nr. 25. )



Die Kathedrale von Sevilla.
Nach der neuesten Schilderung von einem Franzosen.

Sie ist ein hohler Berg, ein umgestürztes Thal; die
pariser Notre=Dame könnte im Mittelschiff mit erhobe-
nem Haupte spazieren gehen; die thurmstarken Pfeiler,
welche so schwach erscheinen, daß ihr Anblick ein unwill-
kürliches Zittern erregt, erheben sich von dem Boden
oder senken sich von dem Gewölbe, wie die Stalaktiten
einer Riesengrotte. Die vier Seitenschiffe, obgleich we-
niger hoch als das Mittelschiff, könnten recht gut Kir-
chen sammt ihren Thürmen aufnehmen. Der Retablo
oder Hauptaltar mit seinen Treppen, seinen architektoni-
schen Überbauen, seinen etagenweise über einandergestell-
ten Säulenreihen ist für sich allein ein unermeßliches
Gebäude. Er steigt fast bis zum Gewölbe empor. Die
Osterkerze, groß wie ein Schiffsmast, wiegt 2050 Cent-
ner. Der eherne Leuchter, welcher sie trägt, ist eine
Art Vendomesäule; er ist nach dem Leuchter des Tem-
pels zu Jerusalem gearbeitet. Alles Übrige ist in dem-
selben Verhältnisse grandios.

Man verbrennt in der Kathedrale jährlich 20,000
Pfund Wachs und ebenso viel Öl; der Wein, den der
Meßdienst erfodert, beläuft sich auf 18,750 Litres, denn
man liest täglich an 80 Altären gegen 500 Messen.

Der Katafalk der Charwoche, das sogenannte Mo-
nument, ist gegen 100 Fuß hoch. Die Orgelpfeifen
haben das Ansehen der Basaltsäulen der Fingalshöhle,
und doch scheinen die Orkane und Donner, welche aus
den Pfeifen wie aus den Siegeskanonen herauskommen,
nur melodisches Gemurmel, liebliches Vögelgezwitscher
und himmlische Seraphmusik. Man zählt darin 83
Fenster mit Glasmalereien, nach den Cartons von Mi-
chel Angelo, Rafael, Dürer, Peregrino, Tibaldi und Lu-
cas Cambiaso; die ältesten und schönsten sind von dem
berühmten Glasmaler Arnold aus Flandern ausgeführt.
Die jüngern, welche von 1819 herrühren, zeigen, wie
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] über das gute Herz den Sieg zu verschaffen; er war
jedoch zu edel, um jene für ihn so unglücklich abgelau-
fene gute Handlung unmännlich zu bereuen; er erinnerte
sich vielmehr an die Verpflichtungen, die er gegen Mar-
tha hatte und zog eilig seine Börse aus der Tasche,
um sie Martha als eine kleine Entschädigung für die
mit ihm gehabte Mühe zu überreichen. Martha machte
keine Umstände, sondern nahm die Börse dankbar an
und sagte tröstend zu dem Offizier:

Seid nur gutes Muthes, der liebe Gott wird noch
Alles wieder gut machen. Opfert Euer Leben nicht
muthwillig auf, damit Jhr Gelegenheit behaltet, noch
viel Gutes zu thun.

Wie Gott will, sagte der Offizier; mein Leben ge-
hört nicht mehr mir, es gehört dem großen Befreiungs-
kampfe, der nun bald entschieden werden muß. Sterb'
ich, so werde ich dem Himmel dafür danken; sterb' ich
nicht, nun so werde ich das Leben wie ein nothwendi-
ges Übel zu ertragen wissen.

Handri war während der Unterredung Marthen's
mit dem Obersten schon mehrmals auf dem Sprunge
gewesen, aber immer hatte er sich wieder gesetzt. Er
kämpfte offenbar mit sich selber. Ein edler Entschluß
wollte verwirklicht sein, aber eine innere mächtige Stimme
war dagegen. Als aber der Offizier von dem großen
Befreiungskampfe sprach, da flog er auf einmal in die
Kammer und kam mit seinem eben gefundenen Säbel
heraus.

Hier bring' ich Euch zu Eurem edlen Kampfe einen
Säbel, der seines Gleichen sucht, sagte er mit Thränen
in den Augen.

Der Oberst wollte seinen Augen nicht trauen. Er
sah bald den Säbel, bald den Jungen an, der seiner-
seits nicht wußte, was er glauben sollte.

Junge, wo hast du diesen Säbel her? fragte er mit
einer Simme, in welcher eine Welt entgegengesetzter
Gefühle zu Tage trat; das ist der Säbel meines theuer-
sten Freundes, des einzigen Schutzengels meiner Liebe,
dessen Einfluß der letzte Stern meiner Hoffnung war.
Jetzt ist auch dieser Stern erloschen und ich bin ganz
unglücklich.

Mein Gott, sagte Handri, seid nur nicht böse auf
mich; ich wollte Euch nicht kränken, ich wollte Euch
ein Werkzeug in die Hände geben, mit dem Jhr die
Franzosenköpfe abmähen solltet, wie ich die Distelköpfe.
Glaubt mir, es schneidet wie Gift. Man braucht die
Schärfe einem Distelhalse nur nahe zu bringen, so liegt
der Kopf auch schon auf der Erde. Jch glaube, Jhr
könnt damit ein ganzes Regiment in die Flucht jagen.

Jch zweifle nicht daran, mein Sohn, und wäre
auch ganz zufrieden mit deiner Gabe, wenn sie nur nicht
so schreckliche Ahnungen in mir rege machte, sagte Dol-
goruki mit einer Empfindung, die durch die Worte
Handri's offenbar eine lichtere Farbe bekommen hatte.

Was für schreckliche Ahnungen könnten denn wol
mit dem armen Säbel in Verbindung stehen? Jch habe
ihn im benachbarten Walde unter hohem Grase hervor-
gezogen, damit er nicht unthätig bleibe, sondern zu der
Franzosenvertreibung das Seinige beitrage. Offenbar
will Gott, daß Jhr den Säbel gebrauchen sollt, darum
lenkte er gerade heute meine Schritte zu der Stelle, wo
er verborgen lag, und ließ mich darauf treten und Un-
tersuchung halten, damit er ja nicht verborgen bliebe.
Freut Euch also lieber, Herr Offizier, daß Euch Gott
so sichtbar zu seinem Werkzeug erwählt hat, und traut
Euren schrecklichen Ahnungen nicht. Jch wollte, ich
wäre alt genug, Euch in den Kampf zu begleiten, denn
der alte Hans sagt, es wäre das ein heiliger Kampf
[Spaltenumbruch] und wer in ihm fiele, würde schnurstracks zum Himmel
auffahren und dort vom lieben Gott selber die Strah-
lenkrone des Verdienstes aufgesetzt erhalten, und wen
das Schwert nicht fressen würde, der würde die Frei-
heit neu geboren und durch die Bluttaufe für ewige Zei-
ten erstarkt sehen; sie würde ihren Sitz in ganz Europa
aufschlagen und mit dem ewigen Frieden zusammenwoh-
nen. Da würden denn Dinge geschehen, die wir uns
jetzt nicht träumen ließen, die er aber nicht mehr erle-
ben würde.

Dein alter Hans hat Recht, sagte hier der Oberst,
durch die vernommenen Worte wie umgewandelt, von
dem bevorstehenden Kampfe hängt das Schicksal Euro-
pas ab. Es ist der wichtigste Kampf, der je auf Er-
den gekämpft worden ist, und Unrecht, wenn Jemand
nur an sich denkt und nicht freudig Gut und Blut der
großen Sache zum Opfer bringt. Jch nehme deinen
Säbel als Unterpfand, daß die gute Sache siegen werde,
mein lieber Junge, und wenn ich nicht bestimmt bin,
mein Blut zu der Taufe herzugeben, durch welche die
europäische Freiheit erstarken soll, werde ich dich und
deine Lehren nicht vergessen.

Hiermit drückte er Marthen, die über das dreiste
Wesen Handri's völlig sprachlos geworden war und
lange nicht recht wußte, ob sie ihn anklagen oder ent-
schuldigen sollte, einen zweiten vollen Beutel in die Hand
und ging mit dem Säbel davon.

( Fortsetzung folgt in Nr. 25. )



Die Kathedrale von Sevilla.
Nach der neuesten Schilderung von einem Franzosen.

Sie ist ein hohler Berg, ein umgestürztes Thal; die
pariser Notre=Dame könnte im Mittelschiff mit erhobe-
nem Haupte spazieren gehen; die thurmstarken Pfeiler,
welche so schwach erscheinen, daß ihr Anblick ein unwill-
kürliches Zittern erregt, erheben sich von dem Boden
oder senken sich von dem Gewölbe, wie die Stalaktiten
einer Riesengrotte. Die vier Seitenschiffe, obgleich we-
niger hoch als das Mittelschiff, könnten recht gut Kir-
chen sammt ihren Thürmen aufnehmen. Der Retablo
oder Hauptaltar mit seinen Treppen, seinen architektoni-
schen Überbauen, seinen etagenweise über einandergestell-
ten Säulenreihen ist für sich allein ein unermeßliches
Gebäude. Er steigt fast bis zum Gewölbe empor. Die
Osterkerze, groß wie ein Schiffsmast, wiegt 2050 Cent-
ner. Der eherne Leuchter, welcher sie trägt, ist eine
Art Vendômesäule; er ist nach dem Leuchter des Tem-
pels zu Jerusalem gearbeitet. Alles Übrige ist in dem-
selben Verhältnisse grandios.

Man verbrennt in der Kathedrale jährlich 20,000
Pfund Wachs und ebenso viel Öl; der Wein, den der
Meßdienst erfodert, beläuft sich auf 18,750 Litres, denn
man liest täglich an 80 Altären gegen 500 Messen.

Der Katafalk der Charwoche, das sogenannte Mo-
nument, ist gegen 100 Fuß hoch. Die Orgelpfeifen
haben das Ansehen der Basaltsäulen der Fingalshöhle,
und doch scheinen die Orkane und Donner, welche aus
den Pfeifen wie aus den Siegeskanonen herauskommen,
nur melodisches Gemurmel, liebliches Vögelgezwitscher
und himmlische Seraphmusik. Man zählt darin 83
Fenster mit Glasmalereien, nach den Cartons von Mi-
chel Angelo, Rafael, Dürer, Peregrino, Tibaldi und Lu-
cas Cambiaso; die ältesten und schönsten sind von dem
berühmten Glasmaler Arnold aus Flandern ausgeführt.
Die jüngern, welche von 1819 herrühren, zeigen, wie
[Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div xml:id="Saebel5" type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0007" n="191"/><fw type="pageNum" place="top">191</fw><cb type="start"/>
über das gute Herz den Sieg zu verschaffen; er war<lb/>
jedoch zu edel, um jene für ihn so unglücklich abgelau-<lb/>
fene gute Handlung unmännlich zu bereuen; er erinnerte<lb/>
sich vielmehr an die Verpflichtungen, die er gegen Mar-<lb/>
tha hatte und zog eilig seine Börse aus der Tasche,<lb/>
um sie Martha als eine kleine Entschädigung für die<lb/>
mit ihm gehabte Mühe zu überreichen. Martha machte<lb/>
keine Umstände, sondern nahm die Börse dankbar an<lb/>
und sagte tröstend zu dem Offizier:</p><lb/>
        <p>Seid nur gutes Muthes, der liebe Gott wird noch<lb/>
Alles wieder gut machen. Opfert Euer Leben nicht<lb/>
muthwillig auf, damit Jhr Gelegenheit behaltet, noch<lb/>
viel Gutes zu thun.</p><lb/>
        <p>Wie Gott will, sagte der Offizier; mein Leben ge-<lb/>
hört nicht mehr mir, es gehört dem großen Befreiungs-<lb/>
kampfe, der nun bald entschieden werden muß. Sterb'<lb/>
ich, so werde ich dem Himmel dafür danken; sterb' ich<lb/>
nicht, nun so werde ich das Leben wie ein nothwendi-<lb/>
ges Übel zu ertragen wissen.</p><lb/>
        <p>Handri war während der Unterredung Marthen's<lb/>
mit dem Obersten schon mehrmals auf dem Sprunge<lb/>
gewesen, aber immer hatte er sich wieder gesetzt. Er<lb/>
kämpfte offenbar mit sich selber. Ein edler Entschluß<lb/>
wollte verwirklicht sein, aber eine innere mächtige Stimme<lb/>
war dagegen. Als aber der Offizier von dem großen<lb/>
Befreiungskampfe sprach, da flog er auf einmal in die<lb/>
Kammer und kam mit seinem eben gefundenen Säbel<lb/>
heraus.</p><lb/>
        <p>Hier bring' ich Euch zu Eurem edlen Kampfe einen<lb/>
Säbel, der seines Gleichen sucht, sagte er mit Thränen<lb/>
in den Augen.</p><lb/>
        <p>Der Oberst wollte seinen Augen nicht trauen. Er<lb/>
sah bald den Säbel, bald den Jungen an, der seiner-<lb/>
seits nicht wußte, was er glauben sollte.</p><lb/>
        <p>Junge, wo hast du diesen Säbel her? fragte er mit<lb/>
einer Simme, in welcher eine Welt entgegengesetzter<lb/>
Gefühle zu Tage trat; das ist der Säbel meines theuer-<lb/>
sten Freundes, des einzigen Schutzengels meiner Liebe,<lb/>
dessen Einfluß der letzte Stern meiner Hoffnung war.<lb/>
Jetzt ist auch dieser Stern erloschen und ich bin ganz<lb/>
unglücklich.</p><lb/>
        <p>Mein Gott, sagte Handri, seid nur nicht böse auf<lb/>
mich; ich wollte Euch nicht kränken, ich wollte Euch<lb/>
ein Werkzeug in die Hände geben, mit dem Jhr die<lb/>
Franzosenköpfe abmähen solltet, wie ich die Distelköpfe.<lb/>
Glaubt mir, es schneidet wie Gift. Man braucht die<lb/>
Schärfe einem Distelhalse nur nahe zu bringen, so liegt<lb/>
der Kopf auch schon auf der Erde. Jch glaube, Jhr<lb/>
könnt damit ein ganzes Regiment in die Flucht jagen.</p><lb/>
        <p>Jch zweifle nicht daran, mein Sohn, und wäre<lb/>
auch ganz zufrieden mit deiner Gabe, wenn sie nur nicht<lb/>
so schreckliche Ahnungen in mir rege machte, sagte Dol-<lb/>
goruki mit einer Empfindung, die durch die Worte<lb/>
Handri's offenbar eine lichtere Farbe bekommen hatte.</p><lb/>
        <p>Was für schreckliche Ahnungen könnten denn wol<lb/>
mit dem armen Säbel in Verbindung stehen? Jch habe<lb/>
ihn im benachbarten Walde unter hohem Grase hervor-<lb/>
gezogen, damit er nicht unthätig bleibe, sondern zu der<lb/>
Franzosenvertreibung das Seinige beitrage. Offenbar<lb/>
will Gott, daß Jhr den Säbel gebrauchen sollt, darum<lb/>
lenkte er gerade heute meine Schritte zu der Stelle, wo<lb/>
er verborgen lag, und ließ mich darauf treten und Un-<lb/>
tersuchung halten, damit er ja nicht verborgen bliebe.<lb/>
Freut Euch also lieber, Herr Offizier, daß Euch Gott<lb/>
so sichtbar zu seinem Werkzeug erwählt hat, und traut<lb/>
Euren schrecklichen Ahnungen nicht. Jch wollte, ich<lb/>
wäre alt genug, Euch in den Kampf zu begleiten, denn<lb/>
der alte Hans sagt, es wäre das ein heiliger Kampf<lb/><cb n="2"/>
und wer in ihm fiele, würde schnurstracks zum Himmel<lb/>
auffahren und dort vom lieben Gott selber die Strah-<lb/>
lenkrone des Verdienstes aufgesetzt erhalten, und wen<lb/>
das Schwert nicht fressen würde, der würde die Frei-<lb/>
heit neu geboren und durch die Bluttaufe für ewige Zei-<lb/>
ten erstarkt sehen; sie würde ihren Sitz in ganz Europa<lb/>
aufschlagen und mit dem ewigen Frieden zusammenwoh-<lb/>
nen. Da würden denn Dinge geschehen, die wir uns<lb/>
jetzt nicht träumen ließen, die er aber nicht mehr erle-<lb/>
ben würde.</p><lb/>
        <p>Dein alter Hans hat Recht, sagte hier der Oberst,<lb/>
durch die vernommenen Worte wie umgewandelt, von<lb/>
dem bevorstehenden Kampfe hängt das Schicksal Euro-<lb/>
pas ab. Es ist der wichtigste Kampf, der je auf Er-<lb/>
den gekämpft worden ist, und Unrecht, wenn Jemand<lb/>
nur an sich denkt und nicht freudig Gut und Blut der<lb/>
großen Sache zum Opfer bringt. Jch nehme deinen<lb/>
Säbel als Unterpfand, daß die gute Sache siegen werde,<lb/>
mein lieber Junge, und wenn ich nicht bestimmt bin,<lb/>
mein Blut zu der Taufe herzugeben, durch welche die<lb/>
europäische Freiheit erstarken soll, werde ich dich und<lb/>
deine Lehren nicht vergessen.</p><lb/>
        <p>Hiermit drückte er Marthen, die über das dreiste<lb/>
Wesen Handri's völlig sprachlos geworden war und<lb/>
lange nicht recht wußte, ob sie ihn anklagen oder ent-<lb/>
schuldigen sollte, einen zweiten vollen Beutel in die Hand<lb/>
und ging mit dem Säbel davon.</p><lb/>
        <p>
          <ref target="nn_pfennig_025_1843#Saebel6"> <hi rendition="#c">( Fortsetzung folgt in Nr. 25. )</hi> </ref>
        </p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head><hi rendition="#fr">Die Kathedrale von Sevilla.</hi><lb/>
Nach der neuesten Schilderung von einem Franzosen.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">S</hi>ie ist ein hohler Berg, ein umgestürztes Thal; die<lb/>
pariser Notre=Dame könnte im Mittelschiff mit erhobe-<lb/>
nem Haupte spazieren gehen; die thurmstarken Pfeiler,<lb/>
welche so schwach erscheinen, daß ihr Anblick ein unwill-<lb/>
kürliches Zittern erregt, erheben sich von dem Boden<lb/>
oder senken sich von dem Gewölbe, wie die Stalaktiten<lb/>
einer Riesengrotte. Die vier Seitenschiffe, obgleich we-<lb/>
niger hoch als das Mittelschiff, könnten recht gut Kir-<lb/>
chen sammt ihren Thürmen aufnehmen. Der Retablo<lb/>
oder Hauptaltar mit seinen Treppen, seinen architektoni-<lb/>
schen Überbauen, seinen etagenweise über einandergestell-<lb/>
ten Säulenreihen ist für sich allein ein unermeßliches<lb/>
Gebäude. Er steigt fast bis zum Gewölbe empor. Die<lb/>
Osterkerze, groß wie ein Schiffsmast, wiegt 2050 Cent-<lb/>
ner. Der eherne Leuchter, welcher sie trägt, ist eine<lb/>
Art Vendômesäule; er ist nach dem Leuchter des Tem-<lb/>
pels zu Jerusalem gearbeitet. Alles Übrige ist in dem-<lb/>
selben Verhältnisse grandios.</p><lb/>
        <p>Man verbrennt in der Kathedrale jährlich 20,000<lb/>
Pfund Wachs und ebenso viel Öl; der Wein, den der<lb/>
Meßdienst erfodert, beläuft sich auf 18,750 Litres, denn<lb/>
man liest täglich an 80 Altären gegen 500 Messen.</p><lb/>
        <p>Der Katafalk der Charwoche, das sogenannte Mo-<lb/>
nument, ist gegen 100 Fuß hoch. Die Orgelpfeifen<lb/>
haben das Ansehen der Basaltsäulen der Fingalshöhle,<lb/>
und doch scheinen die Orkane und Donner, welche aus<lb/>
den Pfeifen wie aus den Siegeskanonen herauskommen,<lb/>
nur melodisches Gemurmel, liebliches Vögelgezwitscher<lb/>
und himmlische Seraphmusik. Man zählt darin 83<lb/>
Fenster mit Glasmalereien, nach den Cartons von Mi-<lb/>
chel Angelo, Rafael, Dürer, Peregrino, Tibaldi und Lu-<lb/>
cas Cambiaso; die ältesten und schönsten sind von dem<lb/>
berühmten Glasmaler Arnold aus Flandern ausgeführt.<lb/>
Die jüngern, welche von 1819 herrühren, zeigen, wie<lb/><cb type="end"/>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[191/0007] 191 über das gute Herz den Sieg zu verschaffen; er war jedoch zu edel, um jene für ihn so unglücklich abgelau- fene gute Handlung unmännlich zu bereuen; er erinnerte sich vielmehr an die Verpflichtungen, die er gegen Mar- tha hatte und zog eilig seine Börse aus der Tasche, um sie Martha als eine kleine Entschädigung für die mit ihm gehabte Mühe zu überreichen. Martha machte keine Umstände, sondern nahm die Börse dankbar an und sagte tröstend zu dem Offizier: Seid nur gutes Muthes, der liebe Gott wird noch Alles wieder gut machen. Opfert Euer Leben nicht muthwillig auf, damit Jhr Gelegenheit behaltet, noch viel Gutes zu thun. Wie Gott will, sagte der Offizier; mein Leben ge- hört nicht mehr mir, es gehört dem großen Befreiungs- kampfe, der nun bald entschieden werden muß. Sterb' ich, so werde ich dem Himmel dafür danken; sterb' ich nicht, nun so werde ich das Leben wie ein nothwendi- ges Übel zu ertragen wissen. Handri war während der Unterredung Marthen's mit dem Obersten schon mehrmals auf dem Sprunge gewesen, aber immer hatte er sich wieder gesetzt. Er kämpfte offenbar mit sich selber. Ein edler Entschluß wollte verwirklicht sein, aber eine innere mächtige Stimme war dagegen. Als aber der Offizier von dem großen Befreiungskampfe sprach, da flog er auf einmal in die Kammer und kam mit seinem eben gefundenen Säbel heraus. Hier bring' ich Euch zu Eurem edlen Kampfe einen Säbel, der seines Gleichen sucht, sagte er mit Thränen in den Augen. Der Oberst wollte seinen Augen nicht trauen. Er sah bald den Säbel, bald den Jungen an, der seiner- seits nicht wußte, was er glauben sollte. Junge, wo hast du diesen Säbel her? fragte er mit einer Simme, in welcher eine Welt entgegengesetzter Gefühle zu Tage trat; das ist der Säbel meines theuer- sten Freundes, des einzigen Schutzengels meiner Liebe, dessen Einfluß der letzte Stern meiner Hoffnung war. Jetzt ist auch dieser Stern erloschen und ich bin ganz unglücklich. Mein Gott, sagte Handri, seid nur nicht böse auf mich; ich wollte Euch nicht kränken, ich wollte Euch ein Werkzeug in die Hände geben, mit dem Jhr die Franzosenköpfe abmähen solltet, wie ich die Distelköpfe. Glaubt mir, es schneidet wie Gift. Man braucht die Schärfe einem Distelhalse nur nahe zu bringen, so liegt der Kopf auch schon auf der Erde. Jch glaube, Jhr könnt damit ein ganzes Regiment in die Flucht jagen. Jch zweifle nicht daran, mein Sohn, und wäre auch ganz zufrieden mit deiner Gabe, wenn sie nur nicht so schreckliche Ahnungen in mir rege machte, sagte Dol- goruki mit einer Empfindung, die durch die Worte Handri's offenbar eine lichtere Farbe bekommen hatte. Was für schreckliche Ahnungen könnten denn wol mit dem armen Säbel in Verbindung stehen? Jch habe ihn im benachbarten Walde unter hohem Grase hervor- gezogen, damit er nicht unthätig bleibe, sondern zu der Franzosenvertreibung das Seinige beitrage. Offenbar will Gott, daß Jhr den Säbel gebrauchen sollt, darum lenkte er gerade heute meine Schritte zu der Stelle, wo er verborgen lag, und ließ mich darauf treten und Un- tersuchung halten, damit er ja nicht verborgen bliebe. Freut Euch also lieber, Herr Offizier, daß Euch Gott so sichtbar zu seinem Werkzeug erwählt hat, und traut Euren schrecklichen Ahnungen nicht. Jch wollte, ich wäre alt genug, Euch in den Kampf zu begleiten, denn der alte Hans sagt, es wäre das ein heiliger Kampf und wer in ihm fiele, würde schnurstracks zum Himmel auffahren und dort vom lieben Gott selber die Strah- lenkrone des Verdienstes aufgesetzt erhalten, und wen das Schwert nicht fressen würde, der würde die Frei- heit neu geboren und durch die Bluttaufe für ewige Zei- ten erstarkt sehen; sie würde ihren Sitz in ganz Europa aufschlagen und mit dem ewigen Frieden zusammenwoh- nen. Da würden denn Dinge geschehen, die wir uns jetzt nicht träumen ließen, die er aber nicht mehr erle- ben würde. Dein alter Hans hat Recht, sagte hier der Oberst, durch die vernommenen Worte wie umgewandelt, von dem bevorstehenden Kampfe hängt das Schicksal Euro- pas ab. Es ist der wichtigste Kampf, der je auf Er- den gekämpft worden ist, und Unrecht, wenn Jemand nur an sich denkt und nicht freudig Gut und Blut der großen Sache zum Opfer bringt. Jch nehme deinen Säbel als Unterpfand, daß die gute Sache siegen werde, mein lieber Junge, und wenn ich nicht bestimmt bin, mein Blut zu der Taufe herzugeben, durch welche die europäische Freiheit erstarken soll, werde ich dich und deine Lehren nicht vergessen. Hiermit drückte er Marthen, die über das dreiste Wesen Handri's völlig sprachlos geworden war und lange nicht recht wußte, ob sie ihn anklagen oder ent- schuldigen sollte, einen zweiten vollen Beutel in die Hand und ging mit dem Säbel davon. ( Fortsetzung folgt in Nr. 25. ) Die Kathedrale von Sevilla. Nach der neuesten Schilderung von einem Franzosen. Sie ist ein hohler Berg, ein umgestürztes Thal; die pariser Notre=Dame könnte im Mittelschiff mit erhobe- nem Haupte spazieren gehen; die thurmstarken Pfeiler, welche so schwach erscheinen, daß ihr Anblick ein unwill- kürliches Zittern erregt, erheben sich von dem Boden oder senken sich von dem Gewölbe, wie die Stalaktiten einer Riesengrotte. Die vier Seitenschiffe, obgleich we- niger hoch als das Mittelschiff, könnten recht gut Kir- chen sammt ihren Thürmen aufnehmen. Der Retablo oder Hauptaltar mit seinen Treppen, seinen architektoni- schen Überbauen, seinen etagenweise über einandergestell- ten Säulenreihen ist für sich allein ein unermeßliches Gebäude. Er steigt fast bis zum Gewölbe empor. Die Osterkerze, groß wie ein Schiffsmast, wiegt 2050 Cent- ner. Der eherne Leuchter, welcher sie trägt, ist eine Art Vendômesäule; er ist nach dem Leuchter des Tem- pels zu Jerusalem gearbeitet. Alles Übrige ist in dem- selben Verhältnisse grandios. Man verbrennt in der Kathedrale jährlich 20,000 Pfund Wachs und ebenso viel Öl; der Wein, den der Meßdienst erfodert, beläuft sich auf 18,750 Litres, denn man liest täglich an 80 Altären gegen 500 Messen. Der Katafalk der Charwoche, das sogenannte Mo- nument, ist gegen 100 Fuß hoch. Die Orgelpfeifen haben das Ansehen der Basaltsäulen der Fingalshöhle, und doch scheinen die Orkane und Donner, welche aus den Pfeifen wie aus den Siegeskanonen herauskommen, nur melodisches Gemurmel, liebliches Vögelgezwitscher und himmlische Seraphmusik. Man zählt darin 83 Fenster mit Glasmalereien, nach den Cartons von Mi- chel Angelo, Rafael, Dürer, Peregrino, Tibaldi und Lu- cas Cambiaso; die ältesten und schönsten sind von dem berühmten Glasmaler Arnold aus Flandern ausgeführt. Die jüngern, welche von 1819 herrühren, zeigen, wie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig024_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig024_1843/7
Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 24. Leipzig (Sachsen), 17. Juni 1843, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig024_1843/7>, abgerufen am 21.11.2024.