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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 26. Leipzig (Sachsen), 1. Juli 1843.

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[Beginn Spaltensatz] stigungsarbeiten von Paris am Mont Valerien gegen
30 Arbeiter verschüttet und 11 getödtet, die übrigen
lebend hervorgezogen.

An demselben Tage wurde die Eisenbahn von Paris
nach Orleans, am 3. die von Paris nach Rouen eröffnet.

Der 3. war durch das in Nr. 23 dieser Blätter
ausführlich beschriebene Unglück auf der Eisenbahn von
Lüttich nach Brüssel merkwürdig.

Am 4. Nachmittags um 2 Uhr hatte man zu Hel-
singör das seltene Schauspiel einer sehr großartigen Fata
Morgana. Die ganze schwedische Küste sah man hoch
über den gewöhnlichen Horizont gehoben und alle hohen
Gegenstände, wie Mühlen und Thürme, waren in um-
gekehrter Stellung in der Luft abgespiegelt.

Am 5. ( dem Todestage Napoleon's ) bekam die Ven-
d omesäule zu Paris unerwartet zwei neue, sehr schön
gearbeitete Schilderhäuser. Die Träger setzten sie an der
Säule unter dem Vorwande nieder, daß sie ihnen zu
schwer wären, und entfernten sich, um einen Wagen
zu holen, kamen aber nicht wieder.

Am 6. fuhren, festlich geschmückt, unter angemesse-
ner Feierlichkeit und Kanonendonner die ersten Schiffe
auf dem Ludwigskanal mit voller Güterladung von Bam-
berg nach Nürnberg ab und eröffneten somit die Schiff-
fahrt auf der Kanalstrecke zwischen Bamberg, Forchheim,
Erlangen und Nürnberg.

An demselben Tage wurde in Nürnberg kurz vor
der Ankunft des ersten Kanalschiffs aus Bamberg in
einer der lebhaftesten Passagen, hart am Kornmarkte,
mit unerhörter Keckheit ein Einbruch vollbracht. Die
Bewohner des Hauses waren ausgegangen, nur die Magd
war zu Hause. Diese wurde von einer von zwei Jun-
gen begleiteten Weibsperson überfallen und gemishandelt.
Sie entging zwar durch die Flucht weitern Mishandlun-
gen und holte Hülfe, aber bei ihrer Rückkehr war bereits
alles Geld und Silberzeug gestohlen und die Diebe über
alle Berge.

Am 9. wurde in Domremy, dem Geburtsorte der
Jungfrau von Orleans, die Bildsäule dieser Heldin ein-
geweiht. Sie ist von Bronze nach der von der verstor-
benen Prinzessin Marie von Orleans gefertigten Statue
gegossen und vom Könige dem Orte geschenkt worden.

Jn der Nacht vom 12. auf den 13. stürzten zu
Bellai im Departement der obern Vienne, als Alles im
tiefsten Schlafe lag, zwei nebeneinander liegende Häuser
ein. Nach vielen und beschwerlichen Versuchen gelang
es, von sieben die beiden Häuser bewohnenden Personen
vier lebendig aus ihren Betten zu ziehen; die andern
drei waren von den einstürzenden Trümmern zerquetscht
worden.

Am 13. Mai wurde der Jngenieur Brunnel von
dem Goldstück ( einem halben Sovereign ) befreit, das
ihm vor sechs Wochen bei der Ausführung eines scherz-
haften Kunststücks in die Luftröhre geschlüpft war, und
zwar nicht mit Hülfe der Kunst, welche ihre Einschnitte
in die Kehle wiederholt vergeblich gemacht hatte, sondern
in Folge eines natürlichen Hustens. Merkwürdigerweise
hat das Goldstück weder das Athmen gehindert noch eine
Entzündung erzeugt.

Jn der Nacht vom 16. auf den 17. wurde auf
einer Ziegelei bei Manchester in England ein grober Fre-
vel verübt. Der Besitzer der Ziegelei hatte vor einigen
Monaten neue Arbeiter angenommen, weil ihm die al-
ten in Folge einer Streitigkeit ihre fernern Dienste ver-
sagten. Das erregte nun eine gewaltige Wuth der letz-
tern gegen die erstern und veranlaßte sie zu allerlei Dro-
hungen und Gewaltthätigkeiten. Jn der erwähnten
Nacht machten sie endlich gar einen Angriff in Masse
[Spaltenumbruch] auf die Ziegelei, auf welcher der Aufseher und Geschäfts-
führer wohnte. 3--400 Menschen drangen wie wüthend
in das Ziegelfeld, zerschlugen die Ziegel, zerstörten, was sie
erreichen konnten und stürzten endlich auf die Wohnung
des Geschäftsführers los. Hier entspann sich ein wü-
thender Kampf zwischen den Angreifern und den Leuten
des Geschäftsführers, welche mit Flinten und Pistolen
bewaffnet waren. Die Angreifer theilten sich nun in
zwei Haufen, von denen der eine in die Wohnung
drang, die Frauen darin arg mishandelte und Alles zer-
schlug und zertrümmerte, während der andere die Ver-
theidiger der Besiegung nahe brachte. Glücklicherweise
zogen sie sich zurück, als die Vertheidiger ihre letzte La-
dung verschossen hatten und schon rettungslos verloren
zu sein glaubten. Auch der erste Haufe erreichte seinen
Hauptzweck nicht; der Versuch, das Haus in Brand zu
stecken, konnte noch zeitig genug fruchtlos gemacht wer-
den. Die Nacht hatte übrigens auch das Jhrige zum
Schutze der Vertheidiger gethan, denn nur zwei von ih-
nen wurden gefährlich verwundet.

Am 17. wurde zu London in einer Bücherauction
ein Autograph William Shakspeare's zum Kauf ausge-
boten und für die Bibliothek der City in Guildhall um
145 Pf. St. ( gegen 1000 Thlr. ) erstanden.

Am 18. wurde zu Paris das Leben eines hohen
Beamten durch eine feuchte Serviette gerettet. Es trat
nämlich, als er sich gerade rasirte, ein von ihm sehr be-
günstigter Unterbeamter, welcher vor einiger Zeit ver-
geblich um eine Versetzung nach Paris gebeten hatte,
plötzlich in sein Zimmer und schoß, als er ihn noch im-
mer seinen Wünschen abgeneigt fand, ein Pistol auf ihn
ab, verursachte ihm aber nur eine starke Contusion, da
die feuchte Serviette die Kugel auffing und ihre Kraft
lähmte.

Am 19. kam zu Gent wegen Ableitung der Gewäs-
ser Flanderns durch das holländische Gebiet ins Meer
zwischen Holland und Belgien eine Übereinkunft zu
Stande, wegen der man sich im 17. und 18. Jahr-
hundert vergeblich bemüht hatte.

Am 20. starb zu London eine Dame an den Fol-
gen unvorsichtigen Briefsiegelns einen sehr schmerzhaften
Tod. Während des Siegelns hatte sich an dem Lichte,
das man ihr zu ihrem Zwecke gebracht hatte, ihr Kleid
entzündet und war dermaßen in Flammen gerathen, daß
sie nicht mehr gerettet werden konnte und nach zwölf
Stunden starb.

Am 21.--23. wurde zu Schulpforta das 400jäh-
rige Stiftungsfest dieser berühmten gelehrten Schule
gefeiert.

Am 22. früh kam in Köln die Schnellpost von
Koblenz an, der man unterwegs das Brieffelleisen mit
circa 2000 Briefen gestohlen hatte. Am nächsten Tage
wurde es im Rheine gefunden.

Am 24. sah man zu Köln einen Mann auf dem
obersten Thurmgesimse sitzen. Der Polirer ging mit eini-
gen Gendarmen und Arbeitern hinauf und machte den
Mann auf die große Gefahr aufmerksam. Als ihm einer
der Arbeiter Hülfe leisten wollte, stürzte er sich von einer
Höhe von 180 Fuß auf das Straßenpflaster und war
auf der Stelle todt.

Am 25. Nachmittags verunglückten sechs junge Leute
aus Stettin, während sie in einer Schaluppe eine Spa-
zierfahrt auf dem Parnitzstrome unternahmen. Jn der
Nähe der parnitzer Brücke fiel einem der jungen Leute
die Mütze ins Wasser; um sie wieder zu erlangen, neigte
sich die Mehrzahl so über Bord, daß die Schaluppe
umschlug.

Jn der Nacht vom 25. auf den 26. fiel zwischen
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] stigungsarbeiten von Paris am Mont Valérien gegen
30 Arbeiter verschüttet und 11 getödtet, die übrigen
lebend hervorgezogen.

An demselben Tage wurde die Eisenbahn von Paris
nach Orleans, am 3. die von Paris nach Rouen eröffnet.

Der 3. war durch das in Nr. 23 dieser Blätter
ausführlich beschriebene Unglück auf der Eisenbahn von
Lüttich nach Brüssel merkwürdig.

Am 4. Nachmittags um 2 Uhr hatte man zu Hel-
singör das seltene Schauspiel einer sehr großartigen Fata
Morgana. Die ganze schwedische Küste sah man hoch
über den gewöhnlichen Horizont gehoben und alle hohen
Gegenstände, wie Mühlen und Thürme, waren in um-
gekehrter Stellung in der Luft abgespiegelt.

Am 5. ( dem Todestage Napoleon's ) bekam die Ven-
d ômesäule zu Paris unerwartet zwei neue, sehr schön
gearbeitete Schilderhäuser. Die Träger setzten sie an der
Säule unter dem Vorwande nieder, daß sie ihnen zu
schwer wären, und entfernten sich, um einen Wagen
zu holen, kamen aber nicht wieder.

Am 6. fuhren, festlich geschmückt, unter angemesse-
ner Feierlichkeit und Kanonendonner die ersten Schiffe
auf dem Ludwigskanal mit voller Güterladung von Bam-
berg nach Nürnberg ab und eröffneten somit die Schiff-
fahrt auf der Kanalstrecke zwischen Bamberg, Forchheim,
Erlangen und Nürnberg.

An demselben Tage wurde in Nürnberg kurz vor
der Ankunft des ersten Kanalschiffs aus Bamberg in
einer der lebhaftesten Passagen, hart am Kornmarkte,
mit unerhörter Keckheit ein Einbruch vollbracht. Die
Bewohner des Hauses waren ausgegangen, nur die Magd
war zu Hause. Diese wurde von einer von zwei Jun-
gen begleiteten Weibsperson überfallen und gemishandelt.
Sie entging zwar durch die Flucht weitern Mishandlun-
gen und holte Hülfe, aber bei ihrer Rückkehr war bereits
alles Geld und Silberzeug gestohlen und die Diebe über
alle Berge.

Am 9. wurde in Domrémy, dem Geburtsorte der
Jungfrau von Orleans, die Bildsäule dieser Heldin ein-
geweiht. Sie ist von Bronze nach der von der verstor-
benen Prinzessin Marie von Orleans gefertigten Statue
gegossen und vom Könige dem Orte geschenkt worden.

Jn der Nacht vom 12. auf den 13. stürzten zu
Bellai im Departement der obern Vienne, als Alles im
tiefsten Schlafe lag, zwei nebeneinander liegende Häuser
ein. Nach vielen und beschwerlichen Versuchen gelang
es, von sieben die beiden Häuser bewohnenden Personen
vier lebendig aus ihren Betten zu ziehen; die andern
drei waren von den einstürzenden Trümmern zerquetscht
worden.

Am 13. Mai wurde der Jngenieur Brunnel von
dem Goldstück ( einem halben Sovereign ) befreit, das
ihm vor sechs Wochen bei der Ausführung eines scherz-
haften Kunststücks in die Luftröhre geschlüpft war, und
zwar nicht mit Hülfe der Kunst, welche ihre Einschnitte
in die Kehle wiederholt vergeblich gemacht hatte, sondern
in Folge eines natürlichen Hustens. Merkwürdigerweise
hat das Goldstück weder das Athmen gehindert noch eine
Entzündung erzeugt.

Jn der Nacht vom 16. auf den 17. wurde auf
einer Ziegelei bei Manchester in England ein grober Fre-
vel verübt. Der Besitzer der Ziegelei hatte vor einigen
Monaten neue Arbeiter angenommen, weil ihm die al-
ten in Folge einer Streitigkeit ihre fernern Dienste ver-
sagten. Das erregte nun eine gewaltige Wuth der letz-
tern gegen die erstern und veranlaßte sie zu allerlei Dro-
hungen und Gewaltthätigkeiten. Jn der erwähnten
Nacht machten sie endlich gar einen Angriff in Masse
[Spaltenumbruch] auf die Ziegelei, auf welcher der Aufseher und Geschäfts-
führer wohnte. 3—400 Menschen drangen wie wüthend
in das Ziegelfeld, zerschlugen die Ziegel, zerstörten, was sie
erreichen konnten und stürzten endlich auf die Wohnung
des Geschäftsführers los. Hier entspann sich ein wü-
thender Kampf zwischen den Angreifern und den Leuten
des Geschäftsführers, welche mit Flinten und Pistolen
bewaffnet waren. Die Angreifer theilten sich nun in
zwei Haufen, von denen der eine in die Wohnung
drang, die Frauen darin arg mishandelte und Alles zer-
schlug und zertrümmerte, während der andere die Ver-
theidiger der Besiegung nahe brachte. Glücklicherweise
zogen sie sich zurück, als die Vertheidiger ihre letzte La-
dung verschossen hatten und schon rettungslos verloren
zu sein glaubten. Auch der erste Haufe erreichte seinen
Hauptzweck nicht; der Versuch, das Haus in Brand zu
stecken, konnte noch zeitig genug fruchtlos gemacht wer-
den. Die Nacht hatte übrigens auch das Jhrige zum
Schutze der Vertheidiger gethan, denn nur zwei von ih-
nen wurden gefährlich verwundet.

Am 17. wurde zu London in einer Bücherauction
ein Autograph William Shakspeare's zum Kauf ausge-
boten und für die Bibliothek der City in Guildhall um
145 Pf. St. ( gegen 1000 Thlr. ) erstanden.

Am 18. wurde zu Paris das Leben eines hohen
Beamten durch eine feuchte Serviette gerettet. Es trat
nämlich, als er sich gerade rasirte, ein von ihm sehr be-
günstigter Unterbeamter, welcher vor einiger Zeit ver-
geblich um eine Versetzung nach Paris gebeten hatte,
plötzlich in sein Zimmer und schoß, als er ihn noch im-
mer seinen Wünschen abgeneigt fand, ein Pistol auf ihn
ab, verursachte ihm aber nur eine starke Contusion, da
die feuchte Serviette die Kugel auffing und ihre Kraft
lähmte.

Am 19. kam zu Gent wegen Ableitung der Gewäs-
ser Flanderns durch das holländische Gebiet ins Meer
zwischen Holland und Belgien eine Übereinkunft zu
Stande, wegen der man sich im 17. und 18. Jahr-
hundert vergeblich bemüht hatte.

Am 20. starb zu London eine Dame an den Fol-
gen unvorsichtigen Briefsiegelns einen sehr schmerzhaften
Tod. Während des Siegelns hatte sich an dem Lichte,
das man ihr zu ihrem Zwecke gebracht hatte, ihr Kleid
entzündet und war dermaßen in Flammen gerathen, daß
sie nicht mehr gerettet werden konnte und nach zwölf
Stunden starb.

Am 21.—23. wurde zu Schulpforta das 400jäh-
rige Stiftungsfest dieser berühmten gelehrten Schule
gefeiert.

Am 22. früh kam in Köln die Schnellpost von
Koblenz an, der man unterwegs das Brieffelleisen mit
circa 2000 Briefen gestohlen hatte. Am nächsten Tage
wurde es im Rheine gefunden.

Am 24. sah man zu Köln einen Mann auf dem
obersten Thurmgesimse sitzen. Der Polirer ging mit eini-
gen Gendarmen und Arbeitern hinauf und machte den
Mann auf die große Gefahr aufmerksam. Als ihm einer
der Arbeiter Hülfe leisten wollte, stürzte er sich von einer
Höhe von 180 Fuß auf das Straßenpflaster und war
auf der Stelle todt.

Am 25. Nachmittags verunglückten sechs junge Leute
aus Stettin, während sie in einer Schaluppe eine Spa-
zierfahrt auf dem Parnitzstrome unternahmen. Jn der
Nähe der parnitzer Brücke fiel einem der jungen Leute
die Mütze ins Wasser; um sie wieder zu erlangen, neigte
sich die Mehrzahl so über Bord, daß die Schaluppe
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Jn der Nacht vom 25. auf den 26. fiel zwischen
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Die Angreifer theilten sich nun in zwei Haufen, von denen der eine in die Wohnung drang, die Frauen darin arg mishandelte und Alles zer- schlug und zertrümmerte, während der andere die Ver- theidiger der Besiegung nahe brachte. Glücklicherweise zogen sie sich zurück, als die Vertheidiger ihre letzte La- dung verschossen hatten und schon rettungslos verloren zu sein glaubten. Auch der erste Haufe erreichte seinen Hauptzweck nicht; der Versuch, das Haus in Brand zu stecken, konnte noch zeitig genug fruchtlos gemacht wer- den. Die Nacht hatte übrigens auch das Jhrige zum Schutze der Vertheidiger gethan, denn nur zwei von ih- nen wurden gefährlich verwundet. Am 17. wurde zu London in einer Bücherauction ein Autograph William Shakspeare's zum Kauf ausge- boten und für die Bibliothek der City in Guildhall um 145 Pf. St. ( gegen 1000 Thlr. ) erstanden. Am 18. wurde zu Paris das Leben eines hohen Beamten durch eine feuchte Serviette gerettet. Es trat nämlich, als er sich gerade rasirte, ein von ihm sehr be- günstigter Unterbeamter, welcher vor einiger Zeit ver- geblich um eine Versetzung nach Paris gebeten hatte, plötzlich in sein Zimmer und schoß, als er ihn noch im- mer seinen Wünschen abgeneigt fand, ein Pistol auf ihn ab, verursachte ihm aber nur eine starke Contusion, da die feuchte Serviette die Kugel auffing und ihre Kraft lähmte. Am 19. kam zu Gent wegen Ableitung der Gewäs- ser Flanderns durch das holländische Gebiet ins Meer zwischen Holland und Belgien eine Übereinkunft zu Stande, wegen der man sich im 17. und 18. Jahr- hundert vergeblich bemüht hatte. Am 20. starb zu London eine Dame an den Fol- gen unvorsichtigen Briefsiegelns einen sehr schmerzhaften Tod. Während des Siegelns hatte sich an dem Lichte, das man ihr zu ihrem Zwecke gebracht hatte, ihr Kleid entzündet und war dermaßen in Flammen gerathen, daß sie nicht mehr gerettet werden konnte und nach zwölf Stunden starb. Am 21.—23. wurde zu Schulpforta das 400jäh- rige Stiftungsfest dieser berühmten gelehrten Schule gefeiert. Am 22. früh kam in Köln die Schnellpost von Koblenz an, der man unterwegs das Brieffelleisen mit circa 2000 Briefen gestohlen hatte. Am nächsten Tage wurde es im Rheine gefunden. Am 24. sah man zu Köln einen Mann auf dem obersten Thurmgesimse sitzen. Der Polirer ging mit eini- gen Gendarmen und Arbeitern hinauf und machte den Mann auf die große Gefahr aufmerksam. Als ihm einer der Arbeiter Hülfe leisten wollte, stürzte er sich von einer Höhe von 180 Fuß auf das Straßenpflaster und war auf der Stelle todt. Am 25. Nachmittags verunglückten sechs junge Leute aus Stettin, während sie in einer Schaluppe eine Spa- zierfahrt auf dem Parnitzstrome unternahmen. Jn der Nähe der parnitzer Brücke fiel einem der jungen Leute die Mütze ins Wasser; um sie wieder zu erlangen, neigte sich die Mehrzahl so über Bord, daß die Schaluppe umschlug. Jn der Nacht vom 25. auf den 26. fiel zwischen

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 26. Leipzig (Sachsen), 1. Juli 1843, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig026_1843/6>, abgerufen am 03.12.2024.