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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 35. Leipzig (Sachsen), 1843-09-02

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Der Brand des königlichen Opernhauses in Berlin.
[Abbildung] Das Opernhaus vor dem Brande.
[Beginn Spaltensatz]

Friedrich der Große, welcher schon als Kronprinz den
Riß zu einem Opernhause gemacht hatte, ließ gleich nach
seinem Regierungsantritte den Bau besselben beginnen.
Jn den ersten Tagen des Juni im Jahre 1740 began-
nen die Grabarbeiten und der Bau des Fundaments,
am 5. September 1741 wurde der Grundstein gelegt
und am 7. December 1742 ward die erste Vorstellung
gegeben. Man nannte es damals das schönste Theater
der Welt. Es bildete ein längliches Viereck von 261
Fuß Länge und 103 Fuß Breite, an der Hauptfacade
mit einer Doppeltreppe, die zu einer Säulenhalle von
sechs korinthischen Säulen führte, ein Giebeldach bildend
mit den Statuen des Apoll's, der Melpomene. und der
Thalia, den göttlichen Beschützern und Förderern der
Kunst. Die Statuen des Aristophanes, Sophokles, Me-
nander und Euripides, der unsterblichen Vertreter des
Drama, standen in der Säulenhalle. Die Tiefe der
Bühne betrug 88 Fuß; das Haus, vier Reihen Logen,
ein Parquet und Parterre enthaltend, faßte 2500 Personen.

Am 7. December 1842 ward das 100jährige Ju-
biläum seiner Vollendung gefeiert, jetzt, acht Monate
später, liegt der glänzende Königsbau in Schutt und
Trümmern.

Am 18. August d. J., kurz nach Beendigung eines
Ballets, Nachts halb 11 Uhr, brach Feuer in dem
Opernhause aus; es zeigten sich die ersten Flämmchen
zuerst in dem südlichen Theile des Dachs, zunächst an
der katholischen Kirche. Es wurde sogleich bemerkt und
bald hatte das volkreiche Berlin seine Hunderttausende
versammelt, die herbeieilten, um zu retten, zu helfen.
Zuerst wurden die Fenster der Souterrains eingeschlagen,
um die Musikalien und Jnstrumente zu sichern; Einer
reichte dem Andern zu, die Musikalien wurden um die
Blücherstatue hoch aufgeschichtet, die Jnstrumente in nahe
Bürgerhäuser und in die neue Wache gebracht. Unter-
deß schritt das Feuer reißend schnell vor, von einem leich-
ten Südostwinde genährt. Während aber der Dachstuhl
schon in lichten Lohen flammte, sah man hinter den hel-
len Fenstern der Säle die rettenden Menschen gespenstig
vorbeihuschen. Um halb 11 Uhr, also fast unmittelbar
nach dem Ausbruche des Brandes, erschien die erste
Spritze, und doch waren die Dachräume schon in vollen
Flammen. Erst gegen 12 Uhr Nachts erschien die große
Dampfspritze und setzte sich in Thätigkeit. Um 12 Uhr
stand das Opernhaus ganz in Feuer, es hatte seine
höchste Höhe erreicht, hoch über das Gebäude schlugen
die Flammen empor und dicke Rauchwolken, bald schwarz
wie die Nacht, bald glühendroth, zogen schwer über die
[Spaltenumbruch] Häuser dahin. Die Glut machte die Nacht zum Tage,
während die Gasflammen nur düster flimmerten. Die
dem Brande zugekehrte Seite der französischen Kirche,
des Schauspielhauses und der neuen Kirche wie alle Ge-
bäude der Umgegend waren von einem röthlichweißen
Lichte übergossen, das einen geisterhaften Eindruck her-
vorbrachte. Die Thürme der Kirchen waren wie in Feuer
vergoldet anzusehen, kaum daß der Sterne Glänzen sicht-
bar war. Die Bildsäulen auf der Spitze der Gendar-
menthürme und die vergoldeten Kuppeln derselben strahl-
ten wie von der Sonne beschienen, und aus dem dun-
keln, blauen Nachthimmel schaute trüb und bleich der
Mond hernieder.

Nachdem das Feuer diesen Höhepunkt erreicht hatte,
war an ein Dämpfen desselben nicht mehr zu denken.
Die Hauptsorge war nun, die umliegenden Gebäude, na-
mentlich die Bibliothek und den Palast des Prinzen von
Preußen, zu schützen. Unersetzlich wäre der Verlust der
Bibliothek mit ihren 250,000 Bänden und 4600 Hand-
schriften gewesen, und wie Ein Mann waren Alle be-
müht, zu schützen und vor der Feuerswuth zu vertheidi-
gen, denn Jeder fühlte, was da auf dem Spiele stehe.
Hauptsächlich das Dach und die unbeschützte Vorderseite
mußten geschützt werden, und es gelang dies auch zum
Heil der Wissenschaft und zur Abwehr einer Gefahr, die,
wenn die Bibliothek in Brand gerathen wäre, Berlin
vielleicht ein ähnliches Schicksal wie Hamburg bereitet
hätte. Fortwährendes Benässen des Dachs und der Fen-
ster wehrte das Feuer ab, und als gegen 12 Uhr das
Dach theilweise zusammenbrach und in der zweiten Mor-
genstunde ganz in sich zusammenstürzte, war die Gefahr
nicht nur für die nächsten Gebäude, sondern auch für
die entferntern Umgebungen vorüber, denn der heftige
Kohlen= und Feuerregen, der bis dahin nach der nord-
westlichen Seite des Brandes gefallen war -- es wur-
den faustgroße glühende Kohlen bis unter die Linden ge-
trieben -- hörte nun auf. Ein in der Nähe stehender
Brunnen gerieth in Brand. Am 19. August Nachmit-
tags brannte es noch im Jnnern und einzelne Flammen
zuckten hier und da aus dem feurigen Schlunde. Von
aller Pracht und Herrlichkeit stehen nur noch die Ring-
mauern und die massiven Verbindungsmauern und Bo-
gen im Jnnern.

Die Beleuchtung der Gendarmenthürme sah man so-
gar in einer Entfernung von zwei Stunden von Ber-
lin, selbst deutlicher noch als am Tage; dies war fast
unmittelbar nach dem Aufgange des Feuers. Nach und
nach, je mehr dasselbe um sich griff, traten auch andere
[Ende Spaltensatz]


Der Brand des königlichen Opernhauses in Berlin.
[Abbildung] Das Opernhaus vor dem Brande.
[Beginn Spaltensatz]

Friedrich der Große, welcher schon als Kronprinz den
Riß zu einem Opernhause gemacht hatte, ließ gleich nach
seinem Regierungsantritte den Bau besselben beginnen.
Jn den ersten Tagen des Juni im Jahre 1740 began-
nen die Grabarbeiten und der Bau des Fundaments,
am 5. September 1741 wurde der Grundstein gelegt
und am 7. December 1742 ward die erste Vorstellung
gegeben. Man nannte es damals das schönste Theater
der Welt. Es bildete ein längliches Viereck von 261
Fuß Länge und 103 Fuß Breite, an der Hauptfaçade
mit einer Doppeltreppe, die zu einer Säulenhalle von
sechs korinthischen Säulen führte, ein Giebeldach bildend
mit den Statuen des Apoll's, der Melpomene. und der
Thalia, den göttlichen Beschützern und Förderern der
Kunst. Die Statuen des Aristophanes, Sophokles, Me-
nander und Euripides, der unsterblichen Vertreter des
Drama, standen in der Säulenhalle. Die Tiefe der
Bühne betrug 88 Fuß; das Haus, vier Reihen Logen,
ein Parquet und Parterre enthaltend, faßte 2500 Personen.

Am 7. December 1842 ward das 100jährige Ju-
biläum seiner Vollendung gefeiert, jetzt, acht Monate
später, liegt der glänzende Königsbau in Schutt und
Trümmern.

Am 18. August d. J., kurz nach Beendigung eines
Ballets, Nachts halb 11 Uhr, brach Feuer in dem
Opernhause aus; es zeigten sich die ersten Flämmchen
zuerst in dem südlichen Theile des Dachs, zunächst an
der katholischen Kirche. Es wurde sogleich bemerkt und
bald hatte das volkreiche Berlin seine Hunderttausende
versammelt, die herbeieilten, um zu retten, zu helfen.
Zuerst wurden die Fenster der Souterrains eingeschlagen,
um die Musikalien und Jnstrumente zu sichern; Einer
reichte dem Andern zu, die Musikalien wurden um die
Blücherstatue hoch aufgeschichtet, die Jnstrumente in nahe
Bürgerhäuser und in die neue Wache gebracht. Unter-
deß schritt das Feuer reißend schnell vor, von einem leich-
ten Südostwinde genährt. Während aber der Dachstuhl
schon in lichten Lohen flammte, sah man hinter den hel-
len Fenstern der Säle die rettenden Menschen gespenstig
vorbeihuschen. Um halb 11 Uhr, also fast unmittelbar
nach dem Ausbruche des Brandes, erschien die erste
Spritze, und doch waren die Dachräume schon in vollen
Flammen. Erst gegen 12 Uhr Nachts erschien die große
Dampfspritze und setzte sich in Thätigkeit. Um 12 Uhr
stand das Opernhaus ganz in Feuer, es hatte seine
höchste Höhe erreicht, hoch über das Gebäude schlugen
die Flammen empor und dicke Rauchwolken, bald schwarz
wie die Nacht, bald glühendroth, zogen schwer über die
[Spaltenumbruch] Häuser dahin. Die Glut machte die Nacht zum Tage,
während die Gasflammen nur düster flimmerten. Die
dem Brande zugekehrte Seite der französischen Kirche,
des Schauspielhauses und der neuen Kirche wie alle Ge-
bäude der Umgegend waren von einem röthlichweißen
Lichte übergossen, das einen geisterhaften Eindruck her-
vorbrachte. Die Thürme der Kirchen waren wie in Feuer
vergoldet anzusehen, kaum daß der Sterne Glänzen sicht-
bar war. Die Bildsäulen auf der Spitze der Gendar-
menthürme und die vergoldeten Kuppeln derselben strahl-
ten wie von der Sonne beschienen, und aus dem dun-
keln, blauen Nachthimmel schaute trüb und bleich der
Mond hernieder.

Nachdem das Feuer diesen Höhepunkt erreicht hatte,
war an ein Dämpfen desselben nicht mehr zu denken.
Die Hauptsorge war nun, die umliegenden Gebäude, na-
mentlich die Bibliothek und den Palast des Prinzen von
Preußen, zu schützen. Unersetzlich wäre der Verlust der
Bibliothek mit ihren 250,000 Bänden und 4600 Hand-
schriften gewesen, und wie Ein Mann waren Alle be-
müht, zu schützen und vor der Feuerswuth zu vertheidi-
gen, denn Jeder fühlte, was da auf dem Spiele stehe.
Hauptsächlich das Dach und die unbeschützte Vorderseite
mußten geschützt werden, und es gelang dies auch zum
Heil der Wissenschaft und zur Abwehr einer Gefahr, die,
wenn die Bibliothek in Brand gerathen wäre, Berlin
vielleicht ein ähnliches Schicksal wie Hamburg bereitet
hätte. Fortwährendes Benässen des Dachs und der Fen-
ster wehrte das Feuer ab, und als gegen 12 Uhr das
Dach theilweise zusammenbrach und in der zweiten Mor-
genstunde ganz in sich zusammenstürzte, war die Gefahr
nicht nur für die nächsten Gebäude, sondern auch für
die entferntern Umgebungen vorüber, denn der heftige
Kohlen= und Feuerregen, der bis dahin nach der nord-
westlichen Seite des Brandes gefallen war — es wur-
den faustgroße glühende Kohlen bis unter die Linden ge-
trieben — hörte nun auf. Ein in der Nähe stehender
Brunnen gerieth in Brand. Am 19. August Nachmit-
tags brannte es noch im Jnnern und einzelne Flammen
zuckten hier und da aus dem feurigen Schlunde. Von
aller Pracht und Herrlichkeit stehen nur noch die Ring-
mauern und die massiven Verbindungsmauern und Bo-
gen im Jnnern.

Die Beleuchtung der Gendarmenthürme sah man so-
gar in einer Entfernung von zwei Stunden von Ber-
lin, selbst deutlicher noch als am Tage; dies war fast
unmittelbar nach dem Aufgange des Feuers. Nach und
nach, je mehr dasselbe um sich griff, traten auch andere
[Ende Spaltensatz]

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[276/0004] 276 Der Brand des königlichen Opernhauses in Berlin. [Abbildung Das Opernhaus vor dem Brande. ] Friedrich der Große, welcher schon als Kronprinz den Riß zu einem Opernhause gemacht hatte, ließ gleich nach seinem Regierungsantritte den Bau besselben beginnen. Jn den ersten Tagen des Juni im Jahre 1740 began- nen die Grabarbeiten und der Bau des Fundaments, am 5. September 1741 wurde der Grundstein gelegt und am 7. December 1742 ward die erste Vorstellung gegeben. Man nannte es damals das schönste Theater der Welt. Es bildete ein längliches Viereck von 261 Fuß Länge und 103 Fuß Breite, an der Hauptfaçade mit einer Doppeltreppe, die zu einer Säulenhalle von sechs korinthischen Säulen führte, ein Giebeldach bildend mit den Statuen des Apoll's, der Melpomene. und der Thalia, den göttlichen Beschützern und Förderern der Kunst. Die Statuen des Aristophanes, Sophokles, Me- nander und Euripides, der unsterblichen Vertreter des Drama, standen in der Säulenhalle. Die Tiefe der Bühne betrug 88 Fuß; das Haus, vier Reihen Logen, ein Parquet und Parterre enthaltend, faßte 2500 Personen. Am 7. December 1842 ward das 100jährige Ju- biläum seiner Vollendung gefeiert, jetzt, acht Monate später, liegt der glänzende Königsbau in Schutt und Trümmern. Am 18. August d. J., kurz nach Beendigung eines Ballets, Nachts halb 11 Uhr, brach Feuer in dem Opernhause aus; es zeigten sich die ersten Flämmchen zuerst in dem südlichen Theile des Dachs, zunächst an der katholischen Kirche. Es wurde sogleich bemerkt und bald hatte das volkreiche Berlin seine Hunderttausende versammelt, die herbeieilten, um zu retten, zu helfen. Zuerst wurden die Fenster der Souterrains eingeschlagen, um die Musikalien und Jnstrumente zu sichern; Einer reichte dem Andern zu, die Musikalien wurden um die Blücherstatue hoch aufgeschichtet, die Jnstrumente in nahe Bürgerhäuser und in die neue Wache gebracht. 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Die dem Brande zugekehrte Seite der französischen Kirche, des Schauspielhauses und der neuen Kirche wie alle Ge- bäude der Umgegend waren von einem röthlichweißen Lichte übergossen, das einen geisterhaften Eindruck her- vorbrachte. Die Thürme der Kirchen waren wie in Feuer vergoldet anzusehen, kaum daß der Sterne Glänzen sicht- bar war. Die Bildsäulen auf der Spitze der Gendar- menthürme und die vergoldeten Kuppeln derselben strahl- ten wie von der Sonne beschienen, und aus dem dun- keln, blauen Nachthimmel schaute trüb und bleich der Mond hernieder. Nachdem das Feuer diesen Höhepunkt erreicht hatte, war an ein Dämpfen desselben nicht mehr zu denken. Die Hauptsorge war nun, die umliegenden Gebäude, na- mentlich die Bibliothek und den Palast des Prinzen von Preußen, zu schützen. Unersetzlich wäre der Verlust der Bibliothek mit ihren 250,000 Bänden und 4600 Hand- schriften gewesen, und wie Ein Mann waren Alle be- müht, zu schützen und vor der Feuerswuth zu vertheidi- gen, denn Jeder fühlte, was da auf dem Spiele stehe. Hauptsächlich das Dach und die unbeschützte Vorderseite mußten geschützt werden, und es gelang dies auch zum Heil der Wissenschaft und zur Abwehr einer Gefahr, die, wenn die Bibliothek in Brand gerathen wäre, Berlin vielleicht ein ähnliches Schicksal wie Hamburg bereitet hätte. Fortwährendes Benässen des Dachs und der Fen- ster wehrte das Feuer ab, und als gegen 12 Uhr das Dach theilweise zusammenbrach und in der zweiten Mor- genstunde ganz in sich zusammenstürzte, war die Gefahr nicht nur für die nächsten Gebäude, sondern auch für die entferntern Umgebungen vorüber, denn der heftige Kohlen= und Feuerregen, der bis dahin nach der nord- westlichen Seite des Brandes gefallen war — es wur- den faustgroße glühende Kohlen bis unter die Linden ge- trieben — hörte nun auf. Ein in der Nähe stehender Brunnen gerieth in Brand. Am 19. August Nachmit- tags brannte es noch im Jnnern und einzelne Flammen zuckten hier und da aus dem feurigen Schlunde. Von aller Pracht und Herrlichkeit stehen nur noch die Ring- mauern und die massiven Verbindungsmauern und Bo- gen im Jnnern. Die Beleuchtung der Gendarmenthürme sah man so- gar in einer Entfernung von zwei Stunden von Ber- lin, selbst deutlicher noch als am Tage; dies war fast unmittelbar nach dem Aufgange des Feuers. Nach und nach, je mehr dasselbe um sich griff, traten auch andere

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 35. Leipzig (Sachsen), 1843-09-02, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig035_1843/4>, abgerufen am 21.11.2024.