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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 35. Leipzig (Sachsen), 1843-09-02

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[Beginn Spaltensatz] Kong in China ab, deren Gesammtwerth mehre hun-
derttausend Pf. St. betrug.

Am 18. fand auf der Paris=Orleans=Eisenbahn ein
Zusammenstoß eines Trains mit einer entgegenkommen-
den Locomotive statt, wobei mehre Passagiere getödtet
und gegen 20 verletzt wurden.

Am 19. wurde zu Bristol das neuerbaute eiserne
Riesendampfschiff "Großbritannien" vom Stapel gelassen.
Es ist 322 Fuß lang,56 1 / 2 Fuß breit und wird durch
vier Dampfmaschinen von 1000 Pferdekraft mit Anwen-
dung der archimedischen Schraube bewegt. Auf dem
Verdecke soll ein Truppencorps von 4000 Mann alle
seine Evolutionen bequem ausführen können.

An demselben Tage brannten in dem großherzoglich-
hessischen Orte Bromskirchen 63 Wohnhäuser und 51
Ökonomiegebäude ab. 92 Familien sind obdachlos ge-
worden.

Am 20. scheiterte das englische Dampfschiff " Pega-
sus " an der schottischen Küste, wobei von 50 Passagie-
ren nur ein einziger gerettet wurde.

An demselben Tage wurde in Sicilien ein Aufseher
der Güter des Herzogs von S. Marsino aus Rache
über seine Strenge durch einen Flintenschuß ermordet und
konnte mehre Tage nicht aufgefunden werden. Endlich
wurden die Nachsuchenden durch das Scharren seines
Hundes auf eine gewisse Stelle aufmerksam und fanden
darin den Leichnam eingescharrt.

An demselben Tage flog zu Belleville vor der Bar-
riere von Paris eine Zündhölzchenfabrik in die Luft.

Am 21. starben in Powitzko in Schlesien sieben Per-
sonen an dem Genusse giftiger Pilze.

An demselben Tage wurden durch den Präsidenten
der Commission des Kaisersgrabes dem Jnvalidenhause
zu Paris die Jnsignien der Ehrenlegion, welche Napo-
leon trug, als ein Geschenk Joseph Bonaparte's feierlich
übergeben.

Am 24. sprach zu Koblenz das daselbst vereinigte
Geschworenengericht das "Schuldig" über ein unnatürliches
Älternpaar aus. Mutter und Vater waren angeklagt,
ihre am 23. Februar d. J. verstorbene neunjährige Toch-
ter in der vorgefaßten Absicht, daß der Tod darauf er-
folgen sollte, durch wiederholt zugefügte rohe Behandlung,
Schläge, Entziehung hinreichender Nahrung und Pflege
mishandelt und dadurch deren Körper so zerrüttet zu ha-
ben, daß das Kind davon gestorben sein sollte. Der kö-
nigliche Assisenhof hatte die Angeklagten für nicht schuldig
erklärt; da aber die Geschworenen bei einer zweiten Ab-
urtheilung die Angeklagten noch immer schuldig fanden,
wurden diese von dem Assisenhofe zu fünf Jahren Ge-
fängniß, 130 Thlrn. Geldbuße und solidarisch in die
Kosten verurtheilt.

Der 25. wurde für Petersburg und ganz Rußland
für viele Witwen und Waisen dadurch ein Freudentag,
daß an ihm eine Verordnung des Kaisers erging, nach
welcher den Witwen und Waisen von Beamten, welche
bei Schiffbrüchen oder in Gefechten umgekommen oder
in Folge davon vor Ablauf von zehn Jahren an Wun-
den gestorben sind, der volle Gehalt der Verstorbenen,
ohne Rücksicht auf die Dauer ihres Dienstes, als Pen-
sion fortgezahlt werden soll.

Am 27. fand zu Grimma in Sachsen zum Anden-
ken an Albrecht den Beherzten, den Stammvater des
sächsischen Königshauses, der vor 400 Jahren hier das
Licht der Welt erblickte, eine patriotische Festfeier statt,
die zu gleicher Zeit dem ehrenden Gedächtnisse an die
aus Albrecht's Stamme hervorgegangenen Fürsten und
ganz besonders der treuen, dankbaren Liebe für den ge-
[Spaltenumbruch] genwärtig regierenden König und die Glieder seines Hau-
ses galt.

Am 28. trug sich auf den Grenzrevieren der Forste
Wilhelmsthal und Ruhla bei Eisenach ein trauriges Er-
eigniß zu. Zwei Zöglinge der Forstschule des Oberforst-
raths König zu Eisenach, beide sehr befähigte kenntniß-
reiche junge Leute und intime Freunde, gingen in der
Morgenstunde mit einigen Kreisern und Begleitern auf
den Pirschgang. Der eine hieß Conta, der andere Bach.
Conta fängt an zu buschiren, ohne seinen Freund Bach
vorher davon benachrichtigt zu haben. Diesen täuscht in
der Dämmerung die aus Rehhaut verfertigte Jagdtasche
Conta's; er sieht seinen Busenfreund für ein Stück Wild
an, drückt sein Gewehr ab und Conta liegt entseelt in sei-
nem Blute. Mit Entsetzen bemerkt Bach alsbald, was
er gethan, ergreift das Gewehr des erschossenen Freundes
und zerschießt sich in der Verzweiflung das Gesicht, ohne
das Bewußtsein zu verlieren. Bald darauf kommt ein
Bruder Conta's; diesen bittet er, ihn vollends zu erschie-
ßen, aber dieser läuft nach den übrigen Begleitern. Un-
terdessen fällt ein dritter Schuß und Bach liegt mit zer-
schmettertem Haupte neben seinem Freunde. Nur mit
Mühe wird nun der jüngere Conta abgehalten, sich eben-
falls den Tod zu geben.

An demselben Tage früh stürzte in Rotterdam ein
Theil der colossalen Zuckerraffinerie der Herren van Oordt
und Comp. ein, wobei drei Menschen das Leben ver-
loren.

Am 30. Mittag brach zu Paris in dem Theater
Gymnase=Enfantin in der Passage de l'Opera ein star-
kes Feuer aus. Große Rauchwolken wälzten sich aus dem
Gebäude, alle Kaufleute der sehr belebten Passage räum-
ten ihre Läden, denn die Gefahr war sehr groß. Allein
in einer Viertelstunde waren die Pompiers schon da, Li-
nientruppen und Municipalgarde kamen von allen Seiten
herbei und in vier Stunden war das Feuer gelöscht und
zwar mit einer Ruhe und Ordnung, von der man sich
bei uns schwerlich einen Begriff machen kann. Man
hörte keine Sturmglocke, keine Trommel, kein Geschrei;
Alles arbeitete im Stillen, nur die Pfeife tönte, mit
welcher die Pompiersoffiziere ihre Mannschaft dirigiren.



Die Märker oder Brandenburger. *)

Der Herr hat den Sonnenschein verschieden über die
Länder ausgetheilt. Dort, wo die deutsche Zunge aus-
geht und die slawische anfängt, fiel die Spende seines
Sonnenlichts kärglich aus, so kärglich, daß es nicht
Macht hatte, die Sümpfe auszutrocknen, die das Meer
zurückließ, noch die dichten starren Wälder zu durchglü-
hen, noch den Boden zu erwärmen, daß er die Geschlech-
ter der Menschen freiwillig ernähre, welche der Strom
der Völker dahin verschlug. Diesen Geschlechtern war
die Aufgabe gestellt, mit der Natur zu ringen. Sie
sollten den Boden den Gewässern abzwingen, der warmen
Sonne einen Teppich ausbreiten und so sich ein Land
schaffen, das ihnen lieb wäre und den Andern ein froher
Anblick. Diese Aufgabe haben die Märker schon unter
den Askaniern gelöst.

Jn dem slawischen Lande, wo zwischen Meer und
Seen in den Brüchen und im Sande nur wendische
Blockhäuser und Lehmhütten standen, bauten sie reiche
und schöne Klöster, Dome mit gewaltigen Thürmen von
Granitquadern und gebranntem Mauerstein, so erhaben,
[Ende Spaltensatz]

*) Aus "Der falsche Woldemar" von W. Alexis.

[Beginn Spaltensatz] Kong in China ab, deren Gesammtwerth mehre hun-
derttausend Pf. St. betrug.

Am 18. fand auf der Paris=Orleans=Eisenbahn ein
Zusammenstoß eines Trains mit einer entgegenkommen-
den Locomotive statt, wobei mehre Passagiere getödtet
und gegen 20 verletzt wurden.

Am 19. wurde zu Bristol das neuerbaute eiserne
Riesendampfschiff „Großbritannien“ vom Stapel gelassen.
Es ist 322 Fuß lang,56 1 / 2 Fuß breit und wird durch
vier Dampfmaschinen von 1000 Pferdekraft mit Anwen-
dung der archimedischen Schraube bewegt. Auf dem
Verdecke soll ein Truppencorps von 4000 Mann alle
seine Evolutionen bequem ausführen können.

An demselben Tage brannten in dem großherzoglich-
hessischen Orte Bromskirchen 63 Wohnhäuser und 51
Ökonomiegebäude ab. 92 Familien sind obdachlos ge-
worden.

Am 20. scheiterte das englische Dampfschiff „ Pega-
sus “ an der schottischen Küste, wobei von 50 Passagie-
ren nur ein einziger gerettet wurde.

An demselben Tage wurde in Sicilien ein Aufseher
der Güter des Herzogs von S. Marsino aus Rache
über seine Strenge durch einen Flintenschuß ermordet und
konnte mehre Tage nicht aufgefunden werden. Endlich
wurden die Nachsuchenden durch das Scharren seines
Hundes auf eine gewisse Stelle aufmerksam und fanden
darin den Leichnam eingescharrt.

An demselben Tage flog zu Belleville vor der Bar-
rière von Paris eine Zündhölzchenfabrik in die Luft.

Am 21. starben in Powitzko in Schlesien sieben Per-
sonen an dem Genusse giftiger Pilze.

An demselben Tage wurden durch den Präsidenten
der Commission des Kaisersgrabes dem Jnvalidenhause
zu Paris die Jnsignien der Ehrenlegion, welche Napo-
leon trug, als ein Geschenk Joseph Bonaparte's feierlich
übergeben.

Am 24. sprach zu Koblenz das daselbst vereinigte
Geschworenengericht das „Schuldig“ über ein unnatürliches
Älternpaar aus. Mutter und Vater waren angeklagt,
ihre am 23. Februar d. J. verstorbene neunjährige Toch-
ter in der vorgefaßten Absicht, daß der Tod darauf er-
folgen sollte, durch wiederholt zugefügte rohe Behandlung,
Schläge, Entziehung hinreichender Nahrung und Pflege
mishandelt und dadurch deren Körper so zerrüttet zu ha-
ben, daß das Kind davon gestorben sein sollte. Der kö-
nigliche Assisenhof hatte die Angeklagten für nicht schuldig
erklärt; da aber die Geschworenen bei einer zweiten Ab-
urtheilung die Angeklagten noch immer schuldig fanden,
wurden diese von dem Assisenhofe zu fünf Jahren Ge-
fängniß, 130 Thlrn. Geldbuße und solidarisch in die
Kosten verurtheilt.

Der 25. wurde für Petersburg und ganz Rußland
für viele Witwen und Waisen dadurch ein Freudentag,
daß an ihm eine Verordnung des Kaisers erging, nach
welcher den Witwen und Waisen von Beamten, welche
bei Schiffbrüchen oder in Gefechten umgekommen oder
in Folge davon vor Ablauf von zehn Jahren an Wun-
den gestorben sind, der volle Gehalt der Verstorbenen,
ohne Rücksicht auf die Dauer ihres Dienstes, als Pen-
sion fortgezahlt werden soll.

Am 27. fand zu Grimma in Sachsen zum Anden-
ken an Albrecht den Beherzten, den Stammvater des
sächsischen Königshauses, der vor 400 Jahren hier das
Licht der Welt erblickte, eine patriotische Festfeier statt,
die zu gleicher Zeit dem ehrenden Gedächtnisse an die
aus Albrecht's Stamme hervorgegangenen Fürsten und
ganz besonders der treuen, dankbaren Liebe für den ge-
[Spaltenumbruch] genwärtig regierenden König und die Glieder seines Hau-
ses galt.

Am 28. trug sich auf den Grenzrevieren der Forste
Wilhelmsthal und Ruhla bei Eisenach ein trauriges Er-
eigniß zu. Zwei Zöglinge der Forstschule des Oberforst-
raths König zu Eisenach, beide sehr befähigte kenntniß-
reiche junge Leute und intime Freunde, gingen in der
Morgenstunde mit einigen Kreisern und Begleitern auf
den Pirschgang. Der eine hieß Conta, der andere Bach.
Conta fängt an zu buschiren, ohne seinen Freund Bach
vorher davon benachrichtigt zu haben. Diesen täuscht in
der Dämmerung die aus Rehhaut verfertigte Jagdtasche
Conta's; er sieht seinen Busenfreund für ein Stück Wild
an, drückt sein Gewehr ab und Conta liegt entseelt in sei-
nem Blute. Mit Entsetzen bemerkt Bach alsbald, was
er gethan, ergreift das Gewehr des erschossenen Freundes
und zerschießt sich in der Verzweiflung das Gesicht, ohne
das Bewußtsein zu verlieren. Bald darauf kommt ein
Bruder Conta's; diesen bittet er, ihn vollends zu erschie-
ßen, aber dieser läuft nach den übrigen Begleitern. Un-
terdessen fällt ein dritter Schuß und Bach liegt mit zer-
schmettertem Haupte neben seinem Freunde. Nur mit
Mühe wird nun der jüngere Conta abgehalten, sich eben-
falls den Tod zu geben.

An demselben Tage früh stürzte in Rotterdam ein
Theil der colossalen Zuckerraffinerie der Herren van Oordt
und Comp. ein, wobei drei Menschen das Leben ver-
loren.

Am 30. Mittag brach zu Paris in dem Theater
Gymnase=Enfantin in der Passage de l'Opera ein star-
kes Feuer aus. Große Rauchwolken wälzten sich aus dem
Gebäude, alle Kaufleute der sehr belebten Passage räum-
ten ihre Läden, denn die Gefahr war sehr groß. Allein
in einer Viertelstunde waren die Pompiers schon da, Li-
nientruppen und Municipalgarde kamen von allen Seiten
herbei und in vier Stunden war das Feuer gelöscht und
zwar mit einer Ruhe und Ordnung, von der man sich
bei uns schwerlich einen Begriff machen kann. Man
hörte keine Sturmglocke, keine Trommel, kein Geschrei;
Alles arbeitete im Stillen, nur die Pfeife tönte, mit
welcher die Pompiersoffiziere ihre Mannschaft dirigiren.



Die Märker oder Brandenburger. *)

Der Herr hat den Sonnenschein verschieden über die
Länder ausgetheilt. Dort, wo die deutsche Zunge aus-
geht und die slawische anfängt, fiel die Spende seines
Sonnenlichts kärglich aus, so kärglich, daß es nicht
Macht hatte, die Sümpfe auszutrocknen, die das Meer
zurückließ, noch die dichten starren Wälder zu durchglü-
hen, noch den Boden zu erwärmen, daß er die Geschlech-
ter der Menschen freiwillig ernähre, welche der Strom
der Völker dahin verschlug. Diesen Geschlechtern war
die Aufgabe gestellt, mit der Natur zu ringen. Sie
sollten den Boden den Gewässern abzwingen, der warmen
Sonne einen Teppich ausbreiten und so sich ein Land
schaffen, das ihnen lieb wäre und den Andern ein froher
Anblick. Diese Aufgabe haben die Märker schon unter
den Askaniern gelöst.

Jn dem slawischen Lande, wo zwischen Meer und
Seen in den Brüchen und im Sande nur wendische
Blockhäuser und Lehmhütten standen, bauten sie reiche
und schöne Klöster, Dome mit gewaltigen Thürmen von
Granitquadern und gebranntem Mauerstein, so erhaben,
[Ende Spaltensatz]

*) Aus „Der falsche Woldemar“ von W. Alexis.
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[278/0006] 278 Kong in China ab, deren Gesammtwerth mehre hun- derttausend Pf. St. betrug. Am 18. fand auf der Paris=Orleans=Eisenbahn ein Zusammenstoß eines Trains mit einer entgegenkommen- den Locomotive statt, wobei mehre Passagiere getödtet und gegen 20 verletzt wurden. Am 19. wurde zu Bristol das neuerbaute eiserne Riesendampfschiff „Großbritannien“ vom Stapel gelassen. Es ist 322 Fuß lang,56 1 / 2 Fuß breit und wird durch vier Dampfmaschinen von 1000 Pferdekraft mit Anwen- dung der archimedischen Schraube bewegt. Auf dem Verdecke soll ein Truppencorps von 4000 Mann alle seine Evolutionen bequem ausführen können. An demselben Tage brannten in dem großherzoglich- hessischen Orte Bromskirchen 63 Wohnhäuser und 51 Ökonomiegebäude ab. 92 Familien sind obdachlos ge- worden. Am 20. scheiterte das englische Dampfschiff „ Pega- sus “ an der schottischen Küste, wobei von 50 Passagie- ren nur ein einziger gerettet wurde. An demselben Tage wurde in Sicilien ein Aufseher der Güter des Herzogs von S. Marsino aus Rache über seine Strenge durch einen Flintenschuß ermordet und konnte mehre Tage nicht aufgefunden werden. Endlich wurden die Nachsuchenden durch das Scharren seines Hundes auf eine gewisse Stelle aufmerksam und fanden darin den Leichnam eingescharrt. An demselben Tage flog zu Belleville vor der Bar- rière von Paris eine Zündhölzchenfabrik in die Luft. Am 21. starben in Powitzko in Schlesien sieben Per- sonen an dem Genusse giftiger Pilze. An demselben Tage wurden durch den Präsidenten der Commission des Kaisersgrabes dem Jnvalidenhause zu Paris die Jnsignien der Ehrenlegion, welche Napo- leon trug, als ein Geschenk Joseph Bonaparte's feierlich übergeben. Am 24. sprach zu Koblenz das daselbst vereinigte Geschworenengericht das „Schuldig“ über ein unnatürliches Älternpaar aus. Mutter und Vater waren angeklagt, ihre am 23. Februar d. 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Nur mit Mühe wird nun der jüngere Conta abgehalten, sich eben- falls den Tod zu geben. An demselben Tage früh stürzte in Rotterdam ein Theil der colossalen Zuckerraffinerie der Herren van Oordt und Comp. ein, wobei drei Menschen das Leben ver- loren. Am 30. Mittag brach zu Paris in dem Theater Gymnase=Enfantin in der Passage de l'Opera ein star- kes Feuer aus. Große Rauchwolken wälzten sich aus dem Gebäude, alle Kaufleute der sehr belebten Passage räum- ten ihre Läden, denn die Gefahr war sehr groß. Allein in einer Viertelstunde waren die Pompiers schon da, Li- nientruppen und Municipalgarde kamen von allen Seiten herbei und in vier Stunden war das Feuer gelöscht und zwar mit einer Ruhe und Ordnung, von der man sich bei uns schwerlich einen Begriff machen kann. Man hörte keine Sturmglocke, keine Trommel, kein Geschrei; Alles arbeitete im Stillen, nur die Pfeife tönte, mit welcher die Pompiersoffiziere ihre Mannschaft dirigiren. Die Märker oder Brandenburger. *) Der Herr hat den Sonnenschein verschieden über die Länder ausgetheilt. Dort, wo die deutsche Zunge aus- geht und die slawische anfängt, fiel die Spende seines Sonnenlichts kärglich aus, so kärglich, daß es nicht Macht hatte, die Sümpfe auszutrocknen, die das Meer zurückließ, noch die dichten starren Wälder zu durchglü- hen, noch den Boden zu erwärmen, daß er die Geschlech- ter der Menschen freiwillig ernähre, welche der Strom der Völker dahin verschlug. Diesen Geschlechtern war die Aufgabe gestellt, mit der Natur zu ringen. Sie sollten den Boden den Gewässern abzwingen, der warmen Sonne einen Teppich ausbreiten und so sich ein Land schaffen, das ihnen lieb wäre und den Andern ein froher Anblick. Diese Aufgabe haben die Märker schon unter den Askaniern gelöst. Jn dem slawischen Lande, wo zwischen Meer und Seen in den Brüchen und im Sande nur wendische Blockhäuser und Lehmhütten standen, bauten sie reiche und schöne Klöster, Dome mit gewaltigen Thürmen von Granitquadern und gebranntem Mauerstein, so erhaben, *) Aus „Der falsche Woldemar“ von W. Alexis.

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 35. Leipzig (Sachsen), 1843-09-02, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig035_1843/6>, abgerufen am 21.11.2024.