Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 36. Leipzig (Sachsen), 9. September 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

[Beginn Spaltensatz] gleich eingehen, der mit Willen ihm, meinem Bruder,
zu Schaden wäre."

Als man darauf gemeinschaftlich vor Aachen rückte,
wich Lothar, ohne einen Kampf zu wagen, zurück und
die Bischöfe thaten nun den Spruch: "Da schon die
Schlacht von Fontenay als Gottesgericht entschieden und
Lothar, nachdem er selbst Kirchen und Klöster nicht ge-
schont, das Reich verlassen hat, so mahnen und befeh-
len wir Euch, Karl und Ludwig, aus göttlicher Voll-
macht, das Reich anzunehmen und nach Gottes Willen,
wie Jhr versprochen, zu regieren."

Dieser Ausspruch, der Lothar um jeden Antheil an
der väterlichen Hinterlassenschaft zu bringen drohte, bewog
ihn seinen Brüdern gütliche Vorschläge zu machen. Da-
durch kam es im August 843 zu dem Vertrage von
Verdun, dem zufolge Lothar mit der Kaiserwürde Jtalien
und alles Land zwischen dem Rhein und der Schelde bis
zur Nordsee, ebenso von dem Ursprunge der Maas bis
zum Einfluß der Saone in die Rhone und längs dieser
bis ans Mittelländische Meer, Ludwig Alles, was östlich
von diesem Länderstriche, und Karl Alles empfing, was
westlich davon lag.

Die Zusammenkunft der Brüder fand nicht in, son-
dern bei Verdun statt, denn jeder brachte einen Theil
seiner Heere und ein zahlreiches Gefolge mit. Der Ort,
wo sie bei Verdun zusammenkamen, heißt in einer aus
jener Zeit erhaltenen Urkunde Dungeich, d. h. die Ding-
eiche, eine Stätte, wo seit den ersten Zeiten der fränki-
schen Festsetzung unter einer Eiche das Gaugericht gehal-
ten ward, und war die Ding= oder Malstätte des Ver-
duner Gaus. Der Name hat sich inmitten einer gal-
lisch gewordenen Bevölkerung allmälig verwischt; aus
Dungeich ward im spätern Mittelalter Dungey und in
der neuesten Zeit Dugny. Der Ort liegt eine Stunde
oberhalb Verdun an einem Bache. Jn der Umgebung
dieses Ortes, also an beiden Seiten der Maas, welche
sich zwischen sanft abfallenden grünen, waldbekränzten
Höhen durchschlingt, waren die drei Heere gelagert, vor
deren Augen das feierliche Ereigniß stattfand, durch wel-
ches Deutschland seine Selbständigkeit empfing.

Schwieriger möchte es sein, den Tag auszumitteln,
an welchem der Vertrag zu Stande kam. Jn den Be-
richten aus der ältesten Zeit ist nur im Allgemeinen der
August angegeben; da indessen in einer Urkunde, die am
10. August 843 ausgestellt ist, bereits des Vertrags ge-
dacht wird, so muß der Tag zwischen dem I. und
10. August liegen.



Der elektromagnetische Telegraph auf der
Rheinischen Eisenbahn.

Der elektromagnetische Telegraph auf der Rheinischen
Eisenbahn ist durch den Mechanikus Moltrecht aus Ham-
burg errichtet worden. Zu jeder Station gehören drei
Tröge, jeder mit sechs Elementen aus Zink und Kupfer
versehen. Die Drähte, vier an der Zahl, schweben frei
in der Luft, sind aus starkem Eisendraht mit messingner
Kuppelung gefertigt und an hölzernen, etwa 9 Fuß hohen
Pfosten isolirt straff angezogen und befestigt, sodaß sie
von heftigen Winden nicht leiden können. Die Scheibe
enthält nur wenige Zeichen, und oben ist ein Kreuz, auf
welches die Maschine nach jedem Signal wieder aufge-
stellt wird. Die Zeichen bestehen aus Buchstaben, sechs
an der Zahl, A, B, C, D, T, S und dem Zeichen +,
also sehr einfach. Um die Lärmglocke am andern Ende
der Drähte zu läuten, wird eine Feder in der Mitte ge-
[Spaltenumbruch] drückt, und um die Lärmglocke in derselben Station zu
läuten, werden drei Federn, durch einen Communications-
stab zwei und eine mit dem Finger, gedrückt. Die Ma-
nipulation mit dem Jnstrumente geht so vor sich, daß
zum abwechselnden Schluß und zur Unterbrechung dessel-
ben ein kleines Rädchen herumgedreht wird, welches die
Gestalt eines horizontalen Steuerrades und etwa drei Zoll
Durchmesser hat. Die Maschine hat nur einen Zeiger
wie das Zifferblatt einer Wanduhr.



Der Schmuggler.

Der Spanier Martin Zurbano, der jetzt zu einem ho-
hen militairischen Posten sich aufgeschwungen, geboren
1789 zu Rioja d'Alava, war der Sohn eines Maul-
thiertreibers und Schleichhändlers, und noch jung zeigte
er sich so gelehrig, muthig und verschlagen, daß er bald
das Haupt einer Schmugglerbande wurde. Trotz aller
Bemühungen der Behörden gelang es doch nie, seiner
habhaft zu werden, denn theils seine Geschicklichkeit, theils
die Bestechungen der Zollsoldaten schützten ihn immer vor
der Gefangennahme.

Jndessen hatte das Glück ein Ende. Eine neue Ab-
theilung Zollwächter besetzte die Gegend, in welcher Zur-
bano sein Handwerk trieb. Noch unbestochen von dem
Golde Zurbano's, überfielen sie ihn 1832 in Rioja Ca-
stellana. Nach einem hitzigen Kampfe, in welchem er
eine große Anzahl seiner Leute verlor und er selbst ver-
wundet wurde, führten ihn die Zollwächter gefangen und
gefesselt im Triumphe nach Logronno. Hier saß er bis
zum September; schon hatte sich die Commission zu sei-
nem Urtheile versammelt, schon hatte er Abschied von
Weib und Kindern genommen und alle Hoffnung auf-
gegeben, als der Tod König Ferdinand's mit den dar-
aus folgenden Unruhen ihm neue Aussichten zur Ret-
tung bot. Über dem Ausbruche des Bürgerkriegs war
seine Strafe vergessen worden, gegen die Mitte des Jah-
res 1834 aber erinnerte man sich seiner wieder; Zur-
bano wurde verhört, verurtheilt und in die Kapelle ge-
bracht, um sich da auf sein Ende vorzubereiten.

Trotz seines Muthes vernichtete ihn das Urtel, denn
er hatte bis zu diesem Tage auf Befreiung gehofft. Die
Tröstungen der Religion wies er beharrlich zurück, bis
er endlich den Gedanken faßte, daß gerade sie ihn be-
freien könne. Von da an stellte er sich reuig und zer-
knirscht und bat, daß man den Superior der Francis-
caner zu ihm rufen möge. Der gute Priester eilte zu
ihm, denn es galt, eine Stufe mehr im Himmel zu
gewinnen, dem Teufel eine Seele zu entreißen.

Zurbano's Beichte war lang, mit einer Zerknirschung
und einem Anstriche von Reue, daß der Superior er-
staunte. "Ach, wenn ich gerettet würde", rief der Ban-
dit, gleich als wenn er einer göttlichen Eingebung nach-
gäbe, "würde ich mein Leben der Vertheidigung der ge-
heiligten Majestät Karl's V. widmen; all mein Blut
würde ihm gehören. Und Euch, ehrwürdiger Vater,
wenn Jhr mir hülfet, würde ich 500 Unzen Gold ge-
ben." "Fünfhundert Unzen?" rief mit schlecht verhehlter
Freude der fromme Pater. "Aber was soll ich denn thun,
was nicht verbrecherisch und gefährlich wäre?" " Verbre-
cherisch?" sagte Zurbano; "es ist vielmehr eine heilige
Pflicht, eine Handlung, die Euch in der andern Welt
vergolten werden wird, und in dieser schon", setzte er leise
hinzu. "Was die Gefahr betrifft, so sehe ich keine. Hört.
Ein Bataillon des Königs ist vor der Stadt; sie ist
schlecht vertheidigt. Schickt dem Befehlshaber des Ba-
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] gleich eingehen, der mit Willen ihm, meinem Bruder,
zu Schaden wäre.“

Als man darauf gemeinschaftlich vor Aachen rückte,
wich Lothar, ohne einen Kampf zu wagen, zurück und
die Bischöfe thaten nun den Spruch: „Da schon die
Schlacht von Fontenay als Gottesgericht entschieden und
Lothar, nachdem er selbst Kirchen und Klöster nicht ge-
schont, das Reich verlassen hat, so mahnen und befeh-
len wir Euch, Karl und Ludwig, aus göttlicher Voll-
macht, das Reich anzunehmen und nach Gottes Willen,
wie Jhr versprochen, zu regieren.“

Dieser Ausspruch, der Lothar um jeden Antheil an
der väterlichen Hinterlassenschaft zu bringen drohte, bewog
ihn seinen Brüdern gütliche Vorschläge zu machen. Da-
durch kam es im August 843 zu dem Vertrage von
Verdun, dem zufolge Lothar mit der Kaiserwürde Jtalien
und alles Land zwischen dem Rhein und der Schelde bis
zur Nordsee, ebenso von dem Ursprunge der Maas bis
zum Einfluß der Saone in die Rhone und längs dieser
bis ans Mittelländische Meer, Ludwig Alles, was östlich
von diesem Länderstriche, und Karl Alles empfing, was
westlich davon lag.

Die Zusammenkunft der Brüder fand nicht in, son-
dern bei Verdun statt, denn jeder brachte einen Theil
seiner Heere und ein zahlreiches Gefolge mit. Der Ort,
wo sie bei Verdun zusammenkamen, heißt in einer aus
jener Zeit erhaltenen Urkunde Dungeich, d. h. die Ding-
eiche, eine Stätte, wo seit den ersten Zeiten der fränki-
schen Festsetzung unter einer Eiche das Gaugericht gehal-
ten ward, und war die Ding= oder Malstätte des Ver-
duner Gaus. Der Name hat sich inmitten einer gal-
lisch gewordenen Bevölkerung allmälig verwischt; aus
Dungeich ward im spätern Mittelalter Dungey und in
der neuesten Zeit Dugny. Der Ort liegt eine Stunde
oberhalb Verdun an einem Bache. Jn der Umgebung
dieses Ortes, also an beiden Seiten der Maas, welche
sich zwischen sanft abfallenden grünen, waldbekränzten
Höhen durchschlingt, waren die drei Heere gelagert, vor
deren Augen das feierliche Ereigniß stattfand, durch wel-
ches Deutschland seine Selbständigkeit empfing.

Schwieriger möchte es sein, den Tag auszumitteln,
an welchem der Vertrag zu Stande kam. Jn den Be-
richten aus der ältesten Zeit ist nur im Allgemeinen der
August angegeben; da indessen in einer Urkunde, die am
10. August 843 ausgestellt ist, bereits des Vertrags ge-
dacht wird, so muß der Tag zwischen dem I. und
10. August liegen.



Der elektromagnetische Telegraph auf der
Rheinischen Eisenbahn.

Der elektromagnetische Telegraph auf der Rheinischen
Eisenbahn ist durch den Mechanikus Moltrecht aus Ham-
burg errichtet worden. Zu jeder Station gehören drei
Tröge, jeder mit sechs Elementen aus Zink und Kupfer
versehen. Die Drähte, vier an der Zahl, schweben frei
in der Luft, sind aus starkem Eisendraht mit messingner
Kuppelung gefertigt und an hölzernen, etwa 9 Fuß hohen
Pfosten isolirt straff angezogen und befestigt, sodaß sie
von heftigen Winden nicht leiden können. Die Scheibe
enthält nur wenige Zeichen, und oben ist ein Kreuz, auf
welches die Maschine nach jedem Signal wieder aufge-
stellt wird. Die Zeichen bestehen aus Buchstaben, sechs
an der Zahl, A, B, C, D, T, S und dem Zeichen +,
also sehr einfach. Um die Lärmglocke am andern Ende
der Drähte zu läuten, wird eine Feder in der Mitte ge-
[Spaltenumbruch] drückt, und um die Lärmglocke in derselben Station zu
läuten, werden drei Federn, durch einen Communications-
stab zwei und eine mit dem Finger, gedrückt. Die Ma-
nipulation mit dem Jnstrumente geht so vor sich, daß
zum abwechselnden Schluß und zur Unterbrechung dessel-
ben ein kleines Rädchen herumgedreht wird, welches die
Gestalt eines horizontalen Steuerrades und etwa drei Zoll
Durchmesser hat. Die Maschine hat nur einen Zeiger
wie das Zifferblatt einer Wanduhr.



Der Schmuggler.

Der Spanier Martin Zurbano, der jetzt zu einem ho-
hen militairischen Posten sich aufgeschwungen, geboren
1789 zu Rioja d'Alava, war der Sohn eines Maul-
thiertreibers und Schleichhändlers, und noch jung zeigte
er sich so gelehrig, muthig und verschlagen, daß er bald
das Haupt einer Schmugglerbande wurde. Trotz aller
Bemühungen der Behörden gelang es doch nie, seiner
habhaft zu werden, denn theils seine Geschicklichkeit, theils
die Bestechungen der Zollsoldaten schützten ihn immer vor
der Gefangennahme.

Jndessen hatte das Glück ein Ende. Eine neue Ab-
theilung Zollwächter besetzte die Gegend, in welcher Zur-
bano sein Handwerk trieb. Noch unbestochen von dem
Golde Zurbano's, überfielen sie ihn 1832 in Rioja Ca-
stellana. Nach einem hitzigen Kampfe, in welchem er
eine große Anzahl seiner Leute verlor und er selbst ver-
wundet wurde, führten ihn die Zollwächter gefangen und
gefesselt im Triumphe nach Logron̄o. Hier saß er bis
zum September; schon hatte sich die Commission zu sei-
nem Urtheile versammelt, schon hatte er Abschied von
Weib und Kindern genommen und alle Hoffnung auf-
gegeben, als der Tod König Ferdinand's mit den dar-
aus folgenden Unruhen ihm neue Aussichten zur Ret-
tung bot. Über dem Ausbruche des Bürgerkriegs war
seine Strafe vergessen worden, gegen die Mitte des Jah-
res 1834 aber erinnerte man sich seiner wieder; Zur-
bano wurde verhört, verurtheilt und in die Kapelle ge-
bracht, um sich da auf sein Ende vorzubereiten.

Trotz seines Muthes vernichtete ihn das Urtel, denn
er hatte bis zu diesem Tage auf Befreiung gehofft. Die
Tröstungen der Religion wies er beharrlich zurück, bis
er endlich den Gedanken faßte, daß gerade sie ihn be-
freien könne. Von da an stellte er sich reuig und zer-
knirscht und bat, daß man den Superior der Francis-
caner zu ihm rufen möge. Der gute Priester eilte zu
ihm, denn es galt, eine Stufe mehr im Himmel zu
gewinnen, dem Teufel eine Seele zu entreißen.

Zurbano's Beichte war lang, mit einer Zerknirschung
und einem Anstriche von Reue, daß der Superior er-
staunte. „Ach, wenn ich gerettet würde“, rief der Ban-
dit, gleich als wenn er einer göttlichen Eingebung nach-
gäbe, „würde ich mein Leben der Vertheidigung der ge-
heiligten Majestät Karl's V. widmen; all mein Blut
würde ihm gehören. Und Euch, ehrwürdiger Vater,
wenn Jhr mir hülfet, würde ich 500 Unzen Gold ge-
ben.“ „Fünfhundert Unzen?“ rief mit schlecht verhehlter
Freude der fromme Pater. „Aber was soll ich denn thun,
was nicht verbrecherisch und gefährlich wäre?“ „ Verbre-
cherisch?“ sagte Zurbano; „es ist vielmehr eine heilige
Pflicht, eine Handlung, die Euch in der andern Welt
vergolten werden wird, und in dieser schon“, setzte er leise
hinzu. „Was die Gefahr betrifft, so sehe ich keine. Hört.
Ein Bataillon des Königs ist vor der Stadt; sie ist
schlecht vertheidigt. Schickt dem Befehlshaber des Ba-
[Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0006" n="286"/><fw type="pageNum" place="top">286</fw><cb type="start"/>
gleich eingehen, der mit Willen ihm, meinem Bruder,<lb/>
zu Schaden wäre.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Als man darauf gemeinschaftlich vor Aachen rückte,<lb/>
wich Lothar, ohne einen Kampf zu wagen, zurück und<lb/>
die Bischöfe thaten nun den Spruch: &#x201E;Da schon die<lb/>
Schlacht von Fontenay als Gottesgericht entschieden und<lb/>
Lothar, nachdem er selbst Kirchen und Klöster nicht ge-<lb/>
schont, das Reich verlassen hat, so mahnen und befeh-<lb/>
len wir Euch, Karl und Ludwig, aus göttlicher Voll-<lb/>
macht, das Reich anzunehmen und nach Gottes Willen,<lb/>
wie Jhr versprochen, zu regieren.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Dieser Ausspruch, der Lothar um jeden Antheil an<lb/>
der väterlichen Hinterlassenschaft zu bringen drohte, bewog<lb/>
ihn seinen Brüdern gütliche Vorschläge zu machen. Da-<lb/>
durch kam es im August 843 zu dem Vertrage von<lb/>
Verdun, dem zufolge Lothar mit der Kaiserwürde Jtalien<lb/>
und alles Land zwischen dem Rhein und der Schelde bis<lb/>
zur Nordsee, ebenso von dem Ursprunge der Maas bis<lb/>
zum Einfluß der Saone in die Rhone und längs dieser<lb/>
bis ans Mittelländische Meer, Ludwig Alles, was östlich<lb/>
von diesem Länderstriche, und Karl Alles empfing, was<lb/>
westlich davon lag.</p><lb/>
        <p>Die Zusammenkunft der Brüder fand nicht in, son-<lb/>
dern bei Verdun statt, denn jeder brachte einen Theil<lb/>
seiner Heere und ein zahlreiches Gefolge mit. Der Ort,<lb/>
wo sie bei Verdun zusammenkamen, heißt in einer aus<lb/>
jener Zeit erhaltenen Urkunde Dungeich, d. h. die Ding-<lb/>
eiche, eine Stätte, wo seit den ersten Zeiten der fränki-<lb/>
schen Festsetzung unter einer Eiche das Gaugericht gehal-<lb/>
ten ward, und war die Ding= oder Malstätte des Ver-<lb/>
duner Gaus. Der Name hat sich inmitten einer gal-<lb/>
lisch gewordenen Bevölkerung allmälig verwischt; aus<lb/>
Dungeich ward im spätern Mittelalter Dungey und in<lb/>
der neuesten Zeit Dugny. Der Ort liegt eine Stunde<lb/>
oberhalb Verdun an einem Bache. Jn der Umgebung<lb/>
dieses Ortes, also an beiden Seiten der Maas, welche<lb/>
sich zwischen sanft abfallenden grünen, waldbekränzten<lb/>
Höhen durchschlingt, waren die drei Heere gelagert, vor<lb/>
deren Augen das feierliche Ereigniß stattfand, durch wel-<lb/>
ches Deutschland seine Selbständigkeit empfing.</p><lb/>
        <p>Schwieriger möchte es sein, den Tag auszumitteln,<lb/>
an welchem der Vertrag zu Stande kam. Jn den Be-<lb/>
richten aus der ältesten Zeit ist nur im Allgemeinen der<lb/>
August angegeben; da indessen in einer Urkunde, die am<lb/>
10. August 843 ausgestellt ist, bereits des Vertrags ge-<lb/>
dacht wird, so muß der Tag zwischen dem <hi rendition="#aq">I</hi>. und<lb/>
10. August liegen.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr">Der elektromagnetische Telegraph auf der<lb/>
Rheinischen Eisenbahn.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>er elektromagnetische Telegraph auf der Rheinischen<lb/>
Eisenbahn ist durch den Mechanikus Moltrecht aus Ham-<lb/>
burg errichtet worden. Zu jeder Station gehören drei<lb/>
Tröge, jeder mit sechs Elementen aus Zink und Kupfer<lb/>
versehen. Die Drähte, vier an der Zahl, schweben frei<lb/>
in der Luft, sind aus starkem Eisendraht mit messingner<lb/>
Kuppelung gefertigt und an hölzernen, etwa 9 Fuß hohen<lb/>
Pfosten isolirt straff angezogen und befestigt, sodaß sie<lb/>
von heftigen Winden nicht leiden können. Die Scheibe<lb/>
enthält nur wenige Zeichen, und oben ist ein Kreuz, auf<lb/>
welches die Maschine nach jedem Signal wieder aufge-<lb/>
stellt wird. Die Zeichen bestehen aus Buchstaben, sechs<lb/>
an der Zahl, <hi rendition="#aq">A, B, C, D, T, S</hi> und dem Zeichen +,<lb/>
also sehr einfach. Um die Lärmglocke am andern Ende<lb/>
der Drähte zu läuten, wird eine Feder in der Mitte ge-<lb/><cb n="2"/>
drückt, und um die Lärmglocke in derselben Station zu<lb/>
läuten, werden drei Federn, durch einen Communications-<lb/>
stab zwei und eine mit dem Finger, gedrückt. Die Ma-<lb/>
nipulation mit dem Jnstrumente geht so vor sich, daß<lb/>
zum abwechselnden Schluß und zur Unterbrechung dessel-<lb/>
ben ein kleines Rädchen herumgedreht wird, welches die<lb/>
Gestalt eines horizontalen Steuerrades und etwa drei Zoll<lb/>
Durchmesser hat. Die Maschine hat nur einen Zeiger<lb/>
wie das Zifferblatt einer Wanduhr.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr">Der Schmuggler.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>er Spanier Martin Zurbano, der jetzt zu einem ho-<lb/>
hen militairischen Posten sich aufgeschwungen, geboren<lb/>
1789 zu Rioja d'Alava, war der Sohn eines Maul-<lb/>
thiertreibers und Schleichhändlers, und noch jung zeigte<lb/>
er sich so gelehrig, muthig und verschlagen, daß er bald<lb/>
das Haupt einer Schmugglerbande wurde. Trotz aller<lb/>
Bemühungen der Behörden gelang es doch nie, seiner<lb/>
habhaft zu werden, denn theils seine Geschicklichkeit, theils<lb/>
die Bestechungen der Zollsoldaten schützten ihn immer vor<lb/>
der Gefangennahme.</p><lb/>
        <p>Jndessen hatte das Glück ein Ende. Eine neue Ab-<lb/>
theilung Zollwächter besetzte die Gegend, in welcher Zur-<lb/>
bano sein Handwerk trieb. Noch unbestochen von dem<lb/>
Golde Zurbano's, überfielen sie ihn 1832 in Rioja Ca-<lb/>
stellana. Nach einem hitzigen Kampfe, in welchem er<lb/>
eine große Anzahl seiner Leute verlor und er selbst ver-<lb/>
wundet wurde, führten ihn die Zollwächter gefangen und<lb/>
gefesselt im Triumphe nach Logron&#x0304;o. Hier saß er bis<lb/>
zum September; schon hatte sich die Commission zu sei-<lb/>
nem Urtheile versammelt, schon hatte er Abschied von<lb/>
Weib und Kindern genommen und alle Hoffnung auf-<lb/>
gegeben, als der Tod König Ferdinand's mit den dar-<lb/>
aus folgenden Unruhen ihm neue Aussichten zur Ret-<lb/>
tung bot. Über dem Ausbruche des Bürgerkriegs war<lb/>
seine Strafe vergessen worden, gegen die Mitte des Jah-<lb/>
res 1834 aber erinnerte man sich seiner wieder; Zur-<lb/>
bano wurde verhört, verurtheilt und in die Kapelle ge-<lb/>
bracht, um sich da auf sein Ende vorzubereiten.</p><lb/>
        <p>Trotz seines Muthes vernichtete ihn das Urtel, denn<lb/>
er hatte bis zu diesem Tage auf Befreiung gehofft. Die<lb/>
Tröstungen der Religion wies er beharrlich zurück, bis<lb/>
er endlich den Gedanken faßte, daß gerade sie ihn be-<lb/>
freien könne. Von da an stellte er sich reuig und zer-<lb/>
knirscht und bat, daß man den Superior der Francis-<lb/>
caner zu ihm rufen möge. Der gute Priester eilte zu<lb/>
ihm, denn es galt, eine Stufe mehr im Himmel zu<lb/>
gewinnen, dem Teufel eine Seele zu entreißen.</p><lb/>
        <p>Zurbano's Beichte war lang, mit einer Zerknirschung<lb/>
und einem Anstriche von Reue, daß der Superior er-<lb/>
staunte. &#x201E;Ach, wenn ich gerettet würde&#x201C;, rief der Ban-<lb/>
dit, gleich als wenn er einer göttlichen Eingebung nach-<lb/>
gäbe, &#x201E;würde ich mein Leben der Vertheidigung der ge-<lb/>
heiligten Majestät Karl's <hi rendition="#aq">V</hi>. widmen; all mein Blut<lb/>
würde ihm gehören. Und Euch, ehrwürdiger Vater,<lb/>
wenn Jhr mir hülfet, würde ich 500 Unzen Gold ge-<lb/>
ben.&#x201C; &#x201E;Fünfhundert Unzen?&#x201C; rief mit schlecht verhehlter<lb/>
Freude der fromme Pater. &#x201E;Aber was soll ich denn thun,<lb/>
was nicht verbrecherisch und gefährlich wäre?&#x201C; &#x201E; Verbre-<lb/>
cherisch?&#x201C; sagte Zurbano; &#x201E;es ist vielmehr eine heilige<lb/>
Pflicht, eine Handlung, die Euch in der andern Welt<lb/>
vergolten werden wird, und in dieser schon&#x201C;, setzte er leise<lb/>
hinzu. &#x201E;Was die Gefahr betrifft, so sehe ich keine. Hört.<lb/>
Ein Bataillon des Königs ist vor der Stadt; sie ist<lb/>
schlecht vertheidigt. Schickt dem Befehlshaber des Ba-<lb/><cb type="end"/>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[286/0006] 286 gleich eingehen, der mit Willen ihm, meinem Bruder, zu Schaden wäre.“ Als man darauf gemeinschaftlich vor Aachen rückte, wich Lothar, ohne einen Kampf zu wagen, zurück und die Bischöfe thaten nun den Spruch: „Da schon die Schlacht von Fontenay als Gottesgericht entschieden und Lothar, nachdem er selbst Kirchen und Klöster nicht ge- schont, das Reich verlassen hat, so mahnen und befeh- len wir Euch, Karl und Ludwig, aus göttlicher Voll- macht, das Reich anzunehmen und nach Gottes Willen, wie Jhr versprochen, zu regieren.“ Dieser Ausspruch, der Lothar um jeden Antheil an der väterlichen Hinterlassenschaft zu bringen drohte, bewog ihn seinen Brüdern gütliche Vorschläge zu machen. Da- durch kam es im August 843 zu dem Vertrage von Verdun, dem zufolge Lothar mit der Kaiserwürde Jtalien und alles Land zwischen dem Rhein und der Schelde bis zur Nordsee, ebenso von dem Ursprunge der Maas bis zum Einfluß der Saone in die Rhone und längs dieser bis ans Mittelländische Meer, Ludwig Alles, was östlich von diesem Länderstriche, und Karl Alles empfing, was westlich davon lag. Die Zusammenkunft der Brüder fand nicht in, son- dern bei Verdun statt, denn jeder brachte einen Theil seiner Heere und ein zahlreiches Gefolge mit. Der Ort, wo sie bei Verdun zusammenkamen, heißt in einer aus jener Zeit erhaltenen Urkunde Dungeich, d. h. die Ding- eiche, eine Stätte, wo seit den ersten Zeiten der fränki- schen Festsetzung unter einer Eiche das Gaugericht gehal- ten ward, und war die Ding= oder Malstätte des Ver- duner Gaus. Der Name hat sich inmitten einer gal- lisch gewordenen Bevölkerung allmälig verwischt; aus Dungeich ward im spätern Mittelalter Dungey und in der neuesten Zeit Dugny. Der Ort liegt eine Stunde oberhalb Verdun an einem Bache. Jn der Umgebung dieses Ortes, also an beiden Seiten der Maas, welche sich zwischen sanft abfallenden grünen, waldbekränzten Höhen durchschlingt, waren die drei Heere gelagert, vor deren Augen das feierliche Ereigniß stattfand, durch wel- ches Deutschland seine Selbständigkeit empfing. Schwieriger möchte es sein, den Tag auszumitteln, an welchem der Vertrag zu Stande kam. Jn den Be- richten aus der ältesten Zeit ist nur im Allgemeinen der August angegeben; da indessen in einer Urkunde, die am 10. August 843 ausgestellt ist, bereits des Vertrags ge- dacht wird, so muß der Tag zwischen dem I. und 10. August liegen. Der elektromagnetische Telegraph auf der Rheinischen Eisenbahn. Der elektromagnetische Telegraph auf der Rheinischen Eisenbahn ist durch den Mechanikus Moltrecht aus Ham- burg errichtet worden. Zu jeder Station gehören drei Tröge, jeder mit sechs Elementen aus Zink und Kupfer versehen. Die Drähte, vier an der Zahl, schweben frei in der Luft, sind aus starkem Eisendraht mit messingner Kuppelung gefertigt und an hölzernen, etwa 9 Fuß hohen Pfosten isolirt straff angezogen und befestigt, sodaß sie von heftigen Winden nicht leiden können. Die Scheibe enthält nur wenige Zeichen, und oben ist ein Kreuz, auf welches die Maschine nach jedem Signal wieder aufge- stellt wird. Die Zeichen bestehen aus Buchstaben, sechs an der Zahl, A, B, C, D, T, S und dem Zeichen +, also sehr einfach. Um die Lärmglocke am andern Ende der Drähte zu läuten, wird eine Feder in der Mitte ge- drückt, und um die Lärmglocke in derselben Station zu läuten, werden drei Federn, durch einen Communications- stab zwei und eine mit dem Finger, gedrückt. Die Ma- nipulation mit dem Jnstrumente geht so vor sich, daß zum abwechselnden Schluß und zur Unterbrechung dessel- ben ein kleines Rädchen herumgedreht wird, welches die Gestalt eines horizontalen Steuerrades und etwa drei Zoll Durchmesser hat. Die Maschine hat nur einen Zeiger wie das Zifferblatt einer Wanduhr. Der Schmuggler. Der Spanier Martin Zurbano, der jetzt zu einem ho- hen militairischen Posten sich aufgeschwungen, geboren 1789 zu Rioja d'Alava, war der Sohn eines Maul- thiertreibers und Schleichhändlers, und noch jung zeigte er sich so gelehrig, muthig und verschlagen, daß er bald das Haupt einer Schmugglerbande wurde. Trotz aller Bemühungen der Behörden gelang es doch nie, seiner habhaft zu werden, denn theils seine Geschicklichkeit, theils die Bestechungen der Zollsoldaten schützten ihn immer vor der Gefangennahme. Jndessen hatte das Glück ein Ende. Eine neue Ab- theilung Zollwächter besetzte die Gegend, in welcher Zur- bano sein Handwerk trieb. Noch unbestochen von dem Golde Zurbano's, überfielen sie ihn 1832 in Rioja Ca- stellana. Nach einem hitzigen Kampfe, in welchem er eine große Anzahl seiner Leute verlor und er selbst ver- wundet wurde, führten ihn die Zollwächter gefangen und gefesselt im Triumphe nach Logron̄o. Hier saß er bis zum September; schon hatte sich die Commission zu sei- nem Urtheile versammelt, schon hatte er Abschied von Weib und Kindern genommen und alle Hoffnung auf- gegeben, als der Tod König Ferdinand's mit den dar- aus folgenden Unruhen ihm neue Aussichten zur Ret- tung bot. Über dem Ausbruche des Bürgerkriegs war seine Strafe vergessen worden, gegen die Mitte des Jah- res 1834 aber erinnerte man sich seiner wieder; Zur- bano wurde verhört, verurtheilt und in die Kapelle ge- bracht, um sich da auf sein Ende vorzubereiten. Trotz seines Muthes vernichtete ihn das Urtel, denn er hatte bis zu diesem Tage auf Befreiung gehofft. Die Tröstungen der Religion wies er beharrlich zurück, bis er endlich den Gedanken faßte, daß gerade sie ihn be- freien könne. Von da an stellte er sich reuig und zer- knirscht und bat, daß man den Superior der Francis- caner zu ihm rufen möge. Der gute Priester eilte zu ihm, denn es galt, eine Stufe mehr im Himmel zu gewinnen, dem Teufel eine Seele zu entreißen. Zurbano's Beichte war lang, mit einer Zerknirschung und einem Anstriche von Reue, daß der Superior er- staunte. „Ach, wenn ich gerettet würde“, rief der Ban- dit, gleich als wenn er einer göttlichen Eingebung nach- gäbe, „würde ich mein Leben der Vertheidigung der ge- heiligten Majestät Karl's V. widmen; all mein Blut würde ihm gehören. Und Euch, ehrwürdiger Vater, wenn Jhr mir hülfet, würde ich 500 Unzen Gold ge- ben.“ „Fünfhundert Unzen?“ rief mit schlecht verhehlter Freude der fromme Pater. „Aber was soll ich denn thun, was nicht verbrecherisch und gefährlich wäre?“ „ Verbre- cherisch?“ sagte Zurbano; „es ist vielmehr eine heilige Pflicht, eine Handlung, die Euch in der andern Welt vergolten werden wird, und in dieser schon“, setzte er leise hinzu. „Was die Gefahr betrifft, so sehe ich keine. Hört. Ein Bataillon des Königs ist vor der Stadt; sie ist schlecht vertheidigt. Schickt dem Befehlshaber des Ba-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig036_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig036_1843/6
Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 36. Leipzig (Sachsen), 9. September 1843, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig036_1843/6>, abgerufen am 10.06.2024.