Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 75. Leipzig (Sachsen), 1. Juni 1854.[Beginn Spaltensatz]
Aber ich muß sie sehen und sprechen, rief die Das kann schon darum nicht geschehen, weil sie Es war Margareth! Nun verstehe ich Alles! rief Und die beiden jungen Mädchen, die einst mitten O lieb', so lang' du lieben kannst, O lieb', so lang' du lieben magst; Die Stunde kommt, die Stunde kommt, Wo du an Gräbern stehst und klagst. [Spaltenumbruch] Napoleon's Geburtshaus in Ajaccio. Aus der Gasse St.=Charles tritt man auf einen klei- [Abbildung] Königscollegium in London. [Beginn Spaltensatz]
Aber ich muß sie sehen und sprechen, rief die Das kann schon darum nicht geschehen, weil sie Es war Margareth! Nun verstehe ich Alles! rief Und die beiden jungen Mädchen, die einst mitten O lieb', so lang' du lieben kannst, O lieb', so lang' du lieben magst; Die Stunde kommt, die Stunde kommt, Wo du an Gräbern stehst und klagst. [Spaltenumbruch] Napoleon's Geburtshaus in Ajaccio. Aus der Gasse St.=Charles tritt man auf einen klei- [Abbildung] Königscollegium in London. <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0004" n="180"/> <fw type="pageNum" place="top">180</fw> <cb type="start"/> <p>Aber ich muß sie sehen und sprechen, rief die<lb/> Kranke, sich rasch aufrichtend.</p><lb/> <p>Das kann schon darum nicht geschehen, weil sie<lb/> nach Brüssel abgereist ist, um dort eine Krankenan-<lb/> stalt einrichten zu helfen. Wir haben sie sehr ungern<lb/> fortgelassen und werden die trotz ihrer Jugend so be-<lb/> währte Pflegerin sehr vermissen; aber es war ihr be-<lb/> stimmter Wille so, sie hat sich selbst zu der Stelle ge-<lb/> meldet. Eben hat mein Wagen sie zur Eisenbahn ge-<lb/> bracht. Sie hat Jhnen übrigens noch tausend Grüße<lb/> zurückgelassen, aber Jhren Schlaf wollte sie nicht stö-<lb/> ren. Ja, ich sagte es schon einmal: Dies Mädchen<lb/> ist eine Perle ihres Geschlechts!</p><lb/> <p>Es war Margareth! Nun verstehe ich Alles! rief<lb/> Fanny, der es plötzlich wie Schuppen von den Augen<lb/> fiel, und schluchzend verbarg sie das Haupt in die<lb/> Kissen.</p><lb/> <p>Und die beiden jungen Mädchen, die einst mitten<lb/> im Lebensfrühlinge so herb voneinander geschieden wa-<lb/> ren, sahen sich niemals wieder.</p><lb/> <lg type="poem"> <l>O lieb', so lang' du lieben kannst,</l><lb/> <l>O lieb', so lang' du lieben magst;</l><lb/> <l>Die Stunde kommt, die Stunde kommt,</l><lb/> <l>Wo du an Gräbern stehst und klagst.</l> </lg> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb n="2"/> <div type="jArticle" n="1"> <head> <hi rendition="#fr">Napoleon's Geburtshaus in Ajaccio.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">A</hi>us der Gasse St.=Charles tritt man auf einen klei-<lb/> nen viereckigen Platz; ein Ulmenbaum steht dort vor<lb/> einem gelbgrau übertünchten alternden Hause mit plat-<lb/> tem Dache und einem Balconaufsatz darüber, mit sechs<lb/> Fenstern Fronte und mit verbraucht aussehenden Thü-<lb/> ren. An der Ecke dieses Hauses liest man die Auf-<lb/> schrift: <hi rendition="#aq">Place Letitia</hi>. Jenes Haus ist die <hi rendition="#aq">Casa Bo-<lb/> naparte</hi>, die jetzt, im Besitze der Familie Pietra Santa,<lb/> einem Todtengewölbe gleicht, früher aber, zur Zeit der<lb/> schönen Lätitia, ein großes Familienleben und frohe<lb/> Gastlichkeit umschloß. Jn ihm tummelte sich eine Schar<lb/> von Kindern, Joseph und Napoleon, Lucian, Louis,<lb/> Jerome, Karoline, Elise, Pauline — die Knaben echte<lb/> Schulbuben, die Mädchen ohne sonderliche Erziehung<lb/> aufwachsend. Der Vater hat ein mittelmäßiges Ein-<lb/> kommen, hat mit Jesuiten einen Proceß über ein be-<lb/> strittenes Gut zu führen, die Zukunft seiner Kinder<lb/> macht ihm Sorge. Und siehe da! Diese Kinder lan-<lb/> gen sich eines Tages eins nach dem andern die glän-<lb/> zendsten Kronen Europas. Napoleon ist europäischer<lb/> Kaiser, Joseph König von Spanien, Ludwig König<lb/> von Holland, Jerome König von Westfalen, Karoline<lb/> Königin von Neapel“ Pauline und Elise Fürstinnen<lb/> Jtaliens. Es gibt kein Märchen aus „Tausend und<lb/> Einer Nacht“, das märchenhafter wäre als die Ge-<lb/> schichte der Familie Bonaparte.</p> </div><lb/> <cb type="end"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="1"> <figure> <head> <hi rendition="#fr">Königscollegium in London.</hi> </head> </figure> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </body> </text> </TEI> [180/0004]
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Aber ich muß sie sehen und sprechen, rief die
Kranke, sich rasch aufrichtend.
Das kann schon darum nicht geschehen, weil sie
nach Brüssel abgereist ist, um dort eine Krankenan-
stalt einrichten zu helfen. Wir haben sie sehr ungern
fortgelassen und werden die trotz ihrer Jugend so be-
währte Pflegerin sehr vermissen; aber es war ihr be-
stimmter Wille so, sie hat sich selbst zu der Stelle ge-
meldet. Eben hat mein Wagen sie zur Eisenbahn ge-
bracht. Sie hat Jhnen übrigens noch tausend Grüße
zurückgelassen, aber Jhren Schlaf wollte sie nicht stö-
ren. Ja, ich sagte es schon einmal: Dies Mädchen
ist eine Perle ihres Geschlechts!
Es war Margareth! Nun verstehe ich Alles! rief
Fanny, der es plötzlich wie Schuppen von den Augen
fiel, und schluchzend verbarg sie das Haupt in die
Kissen.
Und die beiden jungen Mädchen, die einst mitten
im Lebensfrühlinge so herb voneinander geschieden wa-
ren, sahen sich niemals wieder.
O lieb', so lang' du lieben kannst,
O lieb', so lang' du lieben magst;
Die Stunde kommt, die Stunde kommt,
Wo du an Gräbern stehst und klagst.
Napoleon's Geburtshaus in Ajaccio.
Aus der Gasse St.=Charles tritt man auf einen klei-
nen viereckigen Platz; ein Ulmenbaum steht dort vor
einem gelbgrau übertünchten alternden Hause mit plat-
tem Dache und einem Balconaufsatz darüber, mit sechs
Fenstern Fronte und mit verbraucht aussehenden Thü-
ren. An der Ecke dieses Hauses liest man die Auf-
schrift: Place Letitia. Jenes Haus ist die Casa Bo-
naparte, die jetzt, im Besitze der Familie Pietra Santa,
einem Todtengewölbe gleicht, früher aber, zur Zeit der
schönen Lätitia, ein großes Familienleben und frohe
Gastlichkeit umschloß. Jn ihm tummelte sich eine Schar
von Kindern, Joseph und Napoleon, Lucian, Louis,
Jerome, Karoline, Elise, Pauline — die Knaben echte
Schulbuben, die Mädchen ohne sonderliche Erziehung
aufwachsend. Der Vater hat ein mittelmäßiges Ein-
kommen, hat mit Jesuiten einen Proceß über ein be-
strittenes Gut zu führen, die Zukunft seiner Kinder
macht ihm Sorge. Und siehe da! Diese Kinder lan-
gen sich eines Tages eins nach dem andern die glän-
zendsten Kronen Europas. Napoleon ist europäischer
Kaiser, Joseph König von Spanien, Ludwig König
von Holland, Jerome König von Westfalen, Karoline
Königin von Neapel“ Pauline und Elise Fürstinnen
Jtaliens. Es gibt kein Märchen aus „Tausend und
Einer Nacht“, das märchenhafter wäre als die Ge-
schichte der Familie Bonaparte.
[Abbildung Königscollegium in London.]
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