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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 83. Leipzig (Sachsen), 27. Juli 1854.

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Mannichfaltiges. [Beginn Spaltensatz]

Der französische General Bosquet brachte unlängst
ganz Varna -- vom Pascha an bis zum gemeinsten Bettler
herab -- in Aufregung. Der quecksilberne Franzmann un-
tersuchte Alles, kehrte das Oberste zu unterst, hörte nicht
auf zu fragen, ließ sämmtliche Truppen aufmarschiren und
prüfte Waffen und Ausrüstung aufs genaueste. Er eröff-
nete den schläfrigen Türken, daß er alle Straßen reinigen,
die Häuser mit Nummern versehen, das Wasser von der
See in die Stadt leiten, seine Musikcorps alle Abend spie-
len und die Frauen zur Musik tanzen lassen werde. Sein
" Je ferai danser ces femmes " war ein Gräuel für die
Türken, die schon im Geiste ihre Weiber und Töchter nach
den frivolen Tönen eines Walzers mit den kleinen rothhösi-
gen französischen Jägern herumhüpfen sahen.



Jerusalem geht jetzt einer Wiedergeburt entgegen. Es
haben sich Schweizer in der Nähe dieser Weltstadt niederge-
lassen, um dort neue Quellen für die Jndustrie zu öffnen.
Es steht zu erwarten, daß die Familie Rothschild an solchen
Unternehmungen sich energisch betheiligen werde. Hatte sie
vor mehren Jahren 100,000 Francs für den Bau eines
Krankenhauses in Jerusalem bestimmt, welches aber aus
verschiedenen Ursachen nicht zu Stande kam, so möge sie da-
für den Grund zu Gesundenhäusern legen, damit die
Juden in Jerusalem Arbeit und Brot bekommen. Wenn
dort gewerbliche Anstalten gegründet werden, so wird ihnen
Schutz und Aufmunterung von Seiten der Regierung nicht
fehlen können. Eine einzige Fabrik für Bearbeitung der in
Palästina so reich sich erzeugenden Schafwolle in der Nähe
Jaffas, wo jetzt die Lloyddampfer regelmäßig landen und
von wo aus eine östreichische Post nach Jerusalem geht,
würde eine Erwerbsquelle für Tausende werden und sich
schnell heben, etwa wie Voltaire das Dörfchen Ferney in
wenigen Jahren zu einer Fabrikstadt machte und die armen
Proletarier daselbst zu wohlhabenden Bürgern erhob.



Regula Engel, die schweizerische Amazone, deren etwa
vor Jahr und Tag im Hospital von Zürich erfolgter Tod
von vielen Zeitschriften erwähnt ward, gehörte jedenfalls zu
den merkwürdigern Frauen. Jn der ganzen Schweiz war sie
unter den Namen der Oberstin ( der Generalin ) Engel aller-
wärts bekannt. Sie war in Zürich 1760 geboren; ihr Va-
ter Heinrich Egli, diente zu Anfang des Siebenjährigen
Kriegs in der preußischen Leibgarde. Sie hatte sich im Jahre
1778 mit Florian Engel verheirathet, der noch in demselben
Jahre in französische Kriegsdienste trat. Sie folgte ihrem
Manne in alle Campagnen, die er mitmachte und gebar ihm
21 Kinder, die zum Theil wieder merkwürdige Schicksale
erlebten. Regelmäßig kam sie jedes Jahr ein mal ins Wo-
chenbett, drei mal mit Zwillingen; mit erstaunlicher Leichtig-
keit erstand sie schnell aus ihren Wochenbetten, saß dann
immer bald wieder hoch im Sattel, focht in vielen Affairen
[Spaltenumbruch] mit und ward drei mal verwundet. Jm Jahre 1781 schiffte
sie sich mit ihrem Manne auch nach Aegypten ein und stand
bei Bonaparte in besonderer Gunst. Nach der Schlacht an
den Pyramiden kam Regula mit kerngesunden Zwillingen
nieder, die in Ermangelung eines Priesters eigens von Bo-
naparte die provisorische Taufe empfingen. Bei Jaffa avan-
cirte sie zu Lieutenantsrang und ihr sittlich=züchtiges Wesen
machte sie bei Freunden und Feinden geachtet und beliebt.



Die Fahne des Propheten wird im dritten Hofe des
Serailpalastes aufbewahrt. Jn dem Gemach, wo dies
geschieht, brennen Tag und Nacht Kerzen auf silbernen
Candelabern und zwei Wächter hüten das Heiligthum. Die
Fahne ist grün, mit eingestickten Koransprüchen, hat 12 Qua-
dratfuß und auf der Fahnenstange einen viereckigen silbernen
Apfel, in dem ein vom Khalifen Osman geschriebener kleiner
Koran steckt. Wird die Fahne auf einen Kriegszug mitge-
nommen -- und dies geschieht, wenn der Sultan in Person
in den Krieg zieht -- so hat sie ihre besondern starken Wa-
chen, ein grünseidenes Zelt mit Pflöcken von Ebenholz und
silbernen Ringen für die Zeltstricke. Das letzte mal ward sie
1829 gegen die Russen getragen. Die Kriegsbegeisterung der
Türken beim Anblick der Propheten=Fahne ist unglaublich;
dennoch wird sie nur verehrt, nie als Reliquie angebetet.



Man muß sich zu helfen wissen. Jn der französi-
schen Revolutionszeit ward eines Tages der Stadt Koblenz
von den Franzosen die Lieferung einer Partie Schuhe und
Stiefeln aufgegeben. Die städtische Behörde gab zur Ant-
wort, daß aus Mangel an Leder die Requisition nicht effec-
tuirt werden könnte. Der berüchtigte Bourbotte, der zu dem
Verwaltungsrath der Franzosen gehörte, schlug der Munici-
palität vor, eine Volksversammlung zu halten und zu ver-
suchen, ob nicht irgend Jemand einen Ausweg anzugeben
wisse; auch solle die Versammlung durch Wachen gegen jede
Ungebühr geschützt werden. Die Versammlung kam zustande;
es strömten von allen Seiten Neugierige herbei. Endlich er-
greift Bourbotte das Wort, hält eine Rede, die am Ende
dahinausging, daß er sich aller Anwesenden Schuhe und Stie-
feln erbat. Er wirkte, durch die Bayonette seiner Wachen
unterstützt, hinreißend; das ganze männliche Koblenz ging
leichter, als es gekommen, nämlich barfuß nach Hause, und
die Franzosen hatten Stiefeln und Schuhe zum Auslesen.



Die ägyptischen Landpostboten sind Araber, eine
Art von Schnellläufer, welche am Fuße eine Glocke hängen
haben. Bei seiner Ankunft auf der Station wartet schon
wieder ein anderer Bote, der sich nach der Expedition durch
den Sekretär, den ein am Gürtel hängendes Tintenfaß und
eine Rohrfeder kenntlich macht, mit dem Briefsacke in Ga-
lopp setzt.

[Ende Spaltensatz]

Ankündigungen.
[Beginn Spaltensatz]

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Diese rühmlichst bekannten Pates Pectorales,
ein bewährtes Linderungsmittel bei Brustleiden aller
Art, Husten, Schnupfen, Katarrh , werden verkauft
in Leipzig bei

    L. Tilebein,
    Conditor in der Centralhalle.

[Ende Spaltensatz]

Verantwortlicher Redacteur: M. J. E. Volbeding. -- Druck und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig.


Mannichfaltiges. [Beginn Spaltensatz]

Der französische General Bosquet brachte unlängst
ganz Varna — vom Pascha an bis zum gemeinsten Bettler
herab — in Aufregung. Der quecksilberne Franzmann un-
tersuchte Alles, kehrte das Oberste zu unterst, hörte nicht
auf zu fragen, ließ sämmtliche Truppen aufmarschiren und
prüfte Waffen und Ausrüstung aufs genaueste. Er eröff-
nete den schläfrigen Türken, daß er alle Straßen reinigen,
die Häuser mit Nummern versehen, das Wasser von der
See in die Stadt leiten, seine Musikcorps alle Abend spie-
len und die Frauen zur Musik tanzen lassen werde. Sein
Je ferai danser ces femmes “ war ein Gräuel für die
Türken, die schon im Geiste ihre Weiber und Töchter nach
den frivolen Tönen eines Walzers mit den kleinen rothhösi-
gen französischen Jägern herumhüpfen sahen.



Jerusalem geht jetzt einer Wiedergeburt entgegen. Es
haben sich Schweizer in der Nähe dieser Weltstadt niederge-
lassen, um dort neue Quellen für die Jndustrie zu öffnen.
Es steht zu erwarten, daß die Familie Rothschild an solchen
Unternehmungen sich energisch betheiligen werde. Hatte sie
vor mehren Jahren 100,000 Francs für den Bau eines
Krankenhauses in Jerusalem bestimmt, welches aber aus
verschiedenen Ursachen nicht zu Stande kam, so möge sie da-
für den Grund zu Gesundenhäusern legen, damit die
Juden in Jerusalem Arbeit und Brot bekommen. Wenn
dort gewerbliche Anstalten gegründet werden, so wird ihnen
Schutz und Aufmunterung von Seiten der Regierung nicht
fehlen können. Eine einzige Fabrik für Bearbeitung der in
Palästina so reich sich erzeugenden Schafwolle in der Nähe
Jaffas, wo jetzt die Lloyddampfer regelmäßig landen und
von wo aus eine östreichische Post nach Jerusalem geht,
würde eine Erwerbsquelle für Tausende werden und sich
schnell heben, etwa wie Voltaire das Dörfchen Ferney in
wenigen Jahren zu einer Fabrikstadt machte und die armen
Proletarier daselbst zu wohlhabenden Bürgern erhob.



Regula Engel, die schweizerische Amazone, deren etwa
vor Jahr und Tag im Hospital von Zürich erfolgter Tod
von vielen Zeitschriften erwähnt ward, gehörte jedenfalls zu
den merkwürdigern Frauen. Jn der ganzen Schweiz war sie
unter den Namen der Oberstin ( der Generalin ) Engel aller-
wärts bekannt. Sie war in Zürich 1760 geboren; ihr Va-
ter Heinrich Egli, diente zu Anfang des Siebenjährigen
Kriegs in der preußischen Leibgarde. Sie hatte sich im Jahre
1778 mit Florian Engel verheirathet, der noch in demselben
Jahre in französische Kriegsdienste trat. Sie folgte ihrem
Manne in alle Campagnen, die er mitmachte und gebar ihm
21 Kinder, die zum Theil wieder merkwürdige Schicksale
erlebten. Regelmäßig kam sie jedes Jahr ein mal ins Wo-
chenbett, drei mal mit Zwillingen; mit erstaunlicher Leichtig-
keit erstand sie schnell aus ihren Wochenbetten, saß dann
immer bald wieder hoch im Sattel, focht in vielen Affairen
[Spaltenumbruch] mit und ward drei mal verwundet. Jm Jahre 1781 schiffte
sie sich mit ihrem Manne auch nach Aegypten ein und stand
bei Bonaparte in besonderer Gunst. Nach der Schlacht an
den Pyramiden kam Regula mit kerngesunden Zwillingen
nieder, die in Ermangelung eines Priesters eigens von Bo-
naparte die provisorische Taufe empfingen. Bei Jaffa avan-
cirte sie zu Lieutenantsrang und ihr sittlich=züchtiges Wesen
machte sie bei Freunden und Feinden geachtet und beliebt.



Die Fahne des Propheten wird im dritten Hofe des
Serailpalastes aufbewahrt. Jn dem Gemach, wo dies
geschieht, brennen Tag und Nacht Kerzen auf silbernen
Candelabern und zwei Wächter hüten das Heiligthum. Die
Fahne ist grün, mit eingestickten Koransprüchen, hat 12 Qua-
dratfuß und auf der Fahnenstange einen viereckigen silbernen
Apfel, in dem ein vom Khalifen Osman geschriebener kleiner
Koran steckt. Wird die Fahne auf einen Kriegszug mitge-
nommen — und dies geschieht, wenn der Sultan in Person
in den Krieg zieht — so hat sie ihre besondern starken Wa-
chen, ein grünseidenes Zelt mit Pflöcken von Ebenholz und
silbernen Ringen für die Zeltstricke. Das letzte mal ward sie
1829 gegen die Russen getragen. Die Kriegsbegeisterung der
Türken beim Anblick der Propheten=Fahne ist unglaublich;
dennoch wird sie nur verehrt, nie als Reliquie angebetet.



Man muß sich zu helfen wissen. Jn der französi-
schen Revolutionszeit ward eines Tages der Stadt Koblenz
von den Franzosen die Lieferung einer Partie Schuhe und
Stiefeln aufgegeben. Die städtische Behörde gab zur Ant-
wort, daß aus Mangel an Leder die Requisition nicht effec-
tuirt werden könnte. Der berüchtigte Bourbotte, der zu dem
Verwaltungsrath der Franzosen gehörte, schlug der Munici-
palität vor, eine Volksversammlung zu halten und zu ver-
suchen, ob nicht irgend Jemand einen Ausweg anzugeben
wisse; auch solle die Versammlung durch Wachen gegen jede
Ungebühr geschützt werden. Die Versammlung kam zustande;
es strömten von allen Seiten Neugierige herbei. Endlich er-
greift Bourbotte das Wort, hält eine Rede, die am Ende
dahinausging, daß er sich aller Anwesenden Schuhe und Stie-
feln erbat. Er wirkte, durch die Bayonette seiner Wachen
unterstützt, hinreißend; das ganze männliche Koblenz ging
leichter, als es gekommen, nämlich barfuß nach Hause, und
die Franzosen hatten Stiefeln und Schuhe zum Auslesen.



Die ägyptischen Landpostboten sind Araber, eine
Art von Schnellläufer, welche am Fuße eine Glocke hängen
haben. Bei seiner Ankunft auf der Station wartet schon
wieder ein anderer Bote, der sich nach der Expedition durch
den Sekretär, den ein am Gürtel hängendes Tintenfaß und
eine Rohrfeder kenntlich macht, mit dem Briefsacke in Ga-
lopp setzt.

[Ende Spaltensatz]

Ankündigungen.
[Beginn Spaltensatz]

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Diese rühmlichst bekannten Pates Pectorales,
ein bewährtes Linderungsmittel bei Brustleiden aller
Art, Husten, Schnupfen, Katarrh , werden verkauft
in Leipzig bei

    L. Tilebein,
    Conditor in der Centralhalle.

[Ende Spaltensatz]

Verantwortlicher Redacteur: M. J. E. Volbeding. — Druck und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig.

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[248/0008] 248 Mannichfaltiges. Der französische General Bosquet brachte unlängst ganz Varna — vom Pascha an bis zum gemeinsten Bettler herab — in Aufregung. Der quecksilberne Franzmann un- tersuchte Alles, kehrte das Oberste zu unterst, hörte nicht auf zu fragen, ließ sämmtliche Truppen aufmarschiren und prüfte Waffen und Ausrüstung aufs genaueste. Er eröff- nete den schläfrigen Türken, daß er alle Straßen reinigen, die Häuser mit Nummern versehen, das Wasser von der See in die Stadt leiten, seine Musikcorps alle Abend spie- len und die Frauen zur Musik tanzen lassen werde. Sein „ Je ferai danser ces femmes “ war ein Gräuel für die Türken, die schon im Geiste ihre Weiber und Töchter nach den frivolen Tönen eines Walzers mit den kleinen rothhösi- gen französischen Jägern herumhüpfen sahen. Jerusalem geht jetzt einer Wiedergeburt entgegen. Es haben sich Schweizer in der Nähe dieser Weltstadt niederge- lassen, um dort neue Quellen für die Jndustrie zu öffnen. Es steht zu erwarten, daß die Familie Rothschild an solchen Unternehmungen sich energisch betheiligen werde. Hatte sie vor mehren Jahren 100,000 Francs für den Bau eines Krankenhauses in Jerusalem bestimmt, welches aber aus verschiedenen Ursachen nicht zu Stande kam, so möge sie da- für den Grund zu Gesundenhäusern legen, damit die Juden in Jerusalem Arbeit und Brot bekommen. Wenn dort gewerbliche Anstalten gegründet werden, so wird ihnen Schutz und Aufmunterung von Seiten der Regierung nicht fehlen können. Eine einzige Fabrik für Bearbeitung der in Palästina so reich sich erzeugenden Schafwolle in der Nähe Jaffas, wo jetzt die Lloyddampfer regelmäßig landen und von wo aus eine östreichische Post nach Jerusalem geht, würde eine Erwerbsquelle für Tausende werden und sich schnell heben, etwa wie Voltaire das Dörfchen Ferney in wenigen Jahren zu einer Fabrikstadt machte und die armen Proletarier daselbst zu wohlhabenden Bürgern erhob. Regula Engel, die schweizerische Amazone, deren etwa vor Jahr und Tag im Hospital von Zürich erfolgter Tod von vielen Zeitschriften erwähnt ward, gehörte jedenfalls zu den merkwürdigern Frauen. Jn der ganzen Schweiz war sie unter den Namen der Oberstin ( der Generalin ) Engel aller- wärts bekannt. Sie war in Zürich 1760 geboren; ihr Va- ter Heinrich Egli, diente zu Anfang des Siebenjährigen Kriegs in der preußischen Leibgarde. Sie hatte sich im Jahre 1778 mit Florian Engel verheirathet, der noch in demselben Jahre in französische Kriegsdienste trat. Sie folgte ihrem Manne in alle Campagnen, die er mitmachte und gebar ihm 21 Kinder, die zum Theil wieder merkwürdige Schicksale erlebten. Regelmäßig kam sie jedes Jahr ein mal ins Wo- chenbett, drei mal mit Zwillingen; mit erstaunlicher Leichtig- keit erstand sie schnell aus ihren Wochenbetten, saß dann immer bald wieder hoch im Sattel, focht in vielen Affairen mit und ward drei mal verwundet. Jm Jahre 1781 schiffte sie sich mit ihrem Manne auch nach Aegypten ein und stand bei Bonaparte in besonderer Gunst. Nach der Schlacht an den Pyramiden kam Regula mit kerngesunden Zwillingen nieder, die in Ermangelung eines Priesters eigens von Bo- naparte die provisorische Taufe empfingen. Bei Jaffa avan- cirte sie zu Lieutenantsrang und ihr sittlich=züchtiges Wesen machte sie bei Freunden und Feinden geachtet und beliebt. Die Fahne des Propheten wird im dritten Hofe des Serailpalastes aufbewahrt. Jn dem Gemach, wo dies geschieht, brennen Tag und Nacht Kerzen auf silbernen Candelabern und zwei Wächter hüten das Heiligthum. Die Fahne ist grün, mit eingestickten Koransprüchen, hat 12 Qua- dratfuß und auf der Fahnenstange einen viereckigen silbernen Apfel, in dem ein vom Khalifen Osman geschriebener kleiner Koran steckt. Wird die Fahne auf einen Kriegszug mitge- nommen — und dies geschieht, wenn der Sultan in Person in den Krieg zieht — so hat sie ihre besondern starken Wa- chen, ein grünseidenes Zelt mit Pflöcken von Ebenholz und silbernen Ringen für die Zeltstricke. Das letzte mal ward sie 1829 gegen die Russen getragen. Die Kriegsbegeisterung der Türken beim Anblick der Propheten=Fahne ist unglaublich; dennoch wird sie nur verehrt, nie als Reliquie angebetet. Man muß sich zu helfen wissen. Jn der französi- schen Revolutionszeit ward eines Tages der Stadt Koblenz von den Franzosen die Lieferung einer Partie Schuhe und Stiefeln aufgegeben. Die städtische Behörde gab zur Ant- wort, daß aus Mangel an Leder die Requisition nicht effec- tuirt werden könnte. Der berüchtigte Bourbotte, der zu dem Verwaltungsrath der Franzosen gehörte, schlug der Munici- palität vor, eine Volksversammlung zu halten und zu ver- suchen, ob nicht irgend Jemand einen Ausweg anzugeben wisse; auch solle die Versammlung durch Wachen gegen jede Ungebühr geschützt werden. Die Versammlung kam zustande; es strömten von allen Seiten Neugierige herbei. Endlich er- greift Bourbotte das Wort, hält eine Rede, die am Ende dahinausging, daß er sich aller Anwesenden Schuhe und Stie- feln erbat. Er wirkte, durch die Bayonette seiner Wachen unterstützt, hinreißend; das ganze männliche Koblenz ging leichter, als es gekommen, nämlich barfuß nach Hause, und die Franzosen hatten Stiefeln und Schuhe zum Auslesen. Die ägyptischen Landpostboten sind Araber, eine Art von Schnellläufer, welche am Fuße eine Glocke hängen haben. Bei seiner Ankunft auf der Station wartet schon wieder ein anderer Bote, der sich nach der Expedition durch den Sekretär, den ein am Gürtel hängendes Tintenfaß und eine Rohrfeder kenntlich macht, mit dem Briefsacke in Ga- lopp setzt. Ankündigungen. [Abbildung] Diese rühmlichst bekannten Pates Pectorales, ein bewährtes Linderungsmittel bei Brustleiden aller Art, Husten, Schnupfen, Katarrh , werden verkauft in Leipzig bei L. Tilebein, Conditor in der Centralhalle. Verantwortlicher Redacteur: M. J. E. Volbeding. — Druck und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig.

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 83. Leipzig (Sachsen), 27. Juli 1854, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig083_1854/8>, abgerufen am 16.07.2024.