Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 99. Leipzig (Sachsen), 23. November 1854.

Bild:
<< vorherige Seite


[Abbildung] Tableau von Jean von Brügge auf einem Altarblatt in der St.=Guddulakirche daselbst.


San=Francisco.
[Beginn Spaltensatz]

San=Francisco, die Hauptstadt von Californien, brei-
tet sich amphitheatralisch innerhalb zweier mit hohem
Buschwerk bewachsenen Höhen, welche in den Hafen
als Erdzungen hinausschießen, auf einem sandigen, ab-
schüssigen Erdstreifen aus, welcher weiterhin sich wie-
derum in ansehnliche Flugsandfelder erweitert. Zwi-
schen diesen dehnt sich die Stadt beinahe in einem
Viereck die ziemlich nackten Höhen, auf welchen der
oberste Theil liegt, hinauf, während der andere auf
Pfählen oder Schiffswracken in der See, die noch in
alle leeren Räume zwischen die niedrigsten Straßen
hineinspült, selbst erbaut ist. Dieser ganz niedrige
Theil der Stadt ruht blos auf Schutt, den man in
größter Eile zwischen die Pfähle niedergestürzt und auf
welchem man häufig ansehnliche Steingebäude aufge-
richtet hat, die deshalb auch nicht selten unausfüllbare
Risse haben oder gar einstürzen. Hier sind keine Stra-
ßen, sondern blos Brücken, welche, weil sie von De-
nen gebaut sind, die zuerst die Grundstücke einnahmen
und jetzt besitzen, sich in dem verfallensten Zustande
befinden, voll von Löchern und Lücken, ebenso gefähr-
[Spaltenumbruch] lich für Menschen und Thiere, wie häßlich anzusehen.
Vier oder fünf von diesen Brücken laufen sehr weit in
den Hafen hinaus und werden " wharfs " genannt. Um
diese liegt die aus mehren tausend Schiffen und aus
einer Menge Dampffahrzeuge bestehende Handelsflotte,
welche in allen möglichen Formen, von dem stattlichen
Clipperschiff bis zur kleinen Schaluppe, bald scharf
gebaut und schnellsegelnd, bald plump und schwerfällig,
bald neu angestrichen und aufgeputzt, bald deutliche
Spuren der Wuth des Meers und der Stürme tra-
gend, sich hier aus allen Weltmeeren sammelt und ihre
vielfarbigen Flaggen ausbreitet. Man findet ziemlich
häufig zwischen den Häusern auf diesen Brückenstraßen
hier und da ein altes mit Tauen befestigtes Schiffs-
wrack, das, jetzt müde von Jahren und Beschwerden
und nicht mehr tauglich, hergestellt zu werden, da
Alles so theuer ist, aufgehört hat, die falsche Woge
zu pflügen und nun der Ruhe pflegt als " store-ship "
( Vorrathsschiff ) , und Magazin für Waaren aller Art.
Ein großer Theil dieser Schiffe dient zur Aufbewah-
rung allerlei Geräthschaften der angekommenen Frem-
[Ende Spaltensatz]



[Abbildung] Tableau von Jean von Brügge auf einem Altarblatt in der St.=Guddulakirche daselbst.


San=Francisco.
[Beginn Spaltensatz]

San=Francisco, die Hauptstadt von Californien, brei-
tet sich amphitheatralisch innerhalb zweier mit hohem
Buschwerk bewachsenen Höhen, welche in den Hafen
als Erdzungen hinausschießen, auf einem sandigen, ab-
schüssigen Erdstreifen aus, welcher weiterhin sich wie-
derum in ansehnliche Flugsandfelder erweitert. Zwi-
schen diesen dehnt sich die Stadt beinahe in einem
Viereck die ziemlich nackten Höhen, auf welchen der
oberste Theil liegt, hinauf, während der andere auf
Pfählen oder Schiffswracken in der See, die noch in
alle leeren Räume zwischen die niedrigsten Straßen
hineinspült, selbst erbaut ist. Dieser ganz niedrige
Theil der Stadt ruht blos auf Schutt, den man in
größter Eile zwischen die Pfähle niedergestürzt und auf
welchem man häufig ansehnliche Steingebäude aufge-
richtet hat, die deshalb auch nicht selten unausfüllbare
Risse haben oder gar einstürzen. Hier sind keine Stra-
ßen, sondern blos Brücken, welche, weil sie von De-
nen gebaut sind, die zuerst die Grundstücke einnahmen
und jetzt besitzen, sich in dem verfallensten Zustande
befinden, voll von Löchern und Lücken, ebenso gefähr-
[Spaltenumbruch] lich für Menschen und Thiere, wie häßlich anzusehen.
Vier oder fünf von diesen Brücken laufen sehr weit in
den Hafen hinaus und werden „ wharfs “ genannt. Um
diese liegt die aus mehren tausend Schiffen und aus
einer Menge Dampffahrzeuge bestehende Handelsflotte,
welche in allen möglichen Formen, von dem stattlichen
Clipperschiff bis zur kleinen Schaluppe, bald scharf
gebaut und schnellsegelnd, bald plump und schwerfällig,
bald neu angestrichen und aufgeputzt, bald deutliche
Spuren der Wuth des Meers und der Stürme tra-
gend, sich hier aus allen Weltmeeren sammelt und ihre
vielfarbigen Flaggen ausbreitet. Man findet ziemlich
häufig zwischen den Häusern auf diesen Brückenstraßen
hier und da ein altes mit Tauen befestigtes Schiffs-
wrack, das, jetzt müde von Jahren und Beschwerden
und nicht mehr tauglich, hergestellt zu werden, da
Alles so theuer ist, aufgehört hat, die falsche Woge
zu pflügen und nun der Ruhe pflegt als „ store-ship
( Vorrathsschiff ) , und Magazin für Waaren aller Art.
Ein großer Theil dieser Schiffe dient zur Aufbewah-
rung allerlei Geräthschaften der angekommenen Frem-
[Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0005" n="373"/>
      <fw type="pageNum" place="top">373</fw><lb/>
      <div n="1">
        <figure>
          <head> <hi rendition="#fr">Tableau von Jean von Brügge auf einem Altarblatt in der St.=Guddulakirche daselbst.</hi> </head>
        </figure>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr">San=Francisco.</hi> </head><lb/>
        <cb type="start"/>
        <p><hi rendition="#in">S</hi>an=Francisco, die Hauptstadt von Californien, brei-<lb/>
tet sich amphitheatralisch innerhalb zweier mit hohem<lb/>
Buschwerk bewachsenen Höhen, welche in den Hafen<lb/>
als Erdzungen hinausschießen, auf einem sandigen, ab-<lb/>
schüssigen Erdstreifen aus, welcher weiterhin sich wie-<lb/>
derum in ansehnliche Flugsandfelder erweitert. Zwi-<lb/>
schen diesen dehnt sich die Stadt beinahe in einem<lb/>
Viereck die ziemlich nackten Höhen, auf welchen der<lb/>
oberste Theil liegt, hinauf, während der andere auf<lb/>
Pfählen oder Schiffswracken in der See, die noch in<lb/>
alle leeren Räume zwischen die niedrigsten Straßen<lb/>
hineinspült, selbst erbaut ist. Dieser ganz niedrige<lb/>
Theil der Stadt ruht blos auf Schutt, den man in<lb/>
größter Eile zwischen die Pfähle niedergestürzt und auf<lb/>
welchem man häufig ansehnliche Steingebäude aufge-<lb/>
richtet hat, die deshalb auch nicht selten unausfüllbare<lb/>
Risse haben oder gar einstürzen. Hier sind keine Stra-<lb/>
ßen, sondern blos Brücken, welche, weil sie von De-<lb/>
nen gebaut sind, die zuerst die Grundstücke einnahmen<lb/>
und jetzt besitzen, sich in dem verfallensten Zustande<lb/>
befinden, voll von Löchern und Lücken, ebenso gefähr-<lb/><cb n="2"/>
lich für Menschen und Thiere, wie häßlich anzusehen.<lb/>
Vier oder fünf von diesen Brücken laufen sehr weit in<lb/>
den Hafen hinaus und werden &#x201E; <hi rendition="#aq">wharfs</hi> &#x201C; genannt. Um<lb/>
diese liegt die aus mehren tausend Schiffen und aus<lb/>
einer Menge Dampffahrzeuge bestehende Handelsflotte,<lb/>
welche in allen möglichen Formen, von dem stattlichen<lb/>
Clipperschiff bis zur kleinen Schaluppe, bald scharf<lb/>
gebaut und schnellsegelnd, bald plump und schwerfällig,<lb/>
bald neu angestrichen und aufgeputzt, bald deutliche<lb/>
Spuren der Wuth des Meers und der Stürme tra-<lb/>
gend, sich hier aus allen Weltmeeren sammelt und ihre<lb/>
vielfarbigen Flaggen ausbreitet. Man findet ziemlich<lb/>
häufig zwischen den Häusern auf diesen Brückenstraßen<lb/>
hier und da ein altes mit Tauen befestigtes Schiffs-<lb/>
wrack, das, jetzt müde von Jahren und Beschwerden<lb/>
und nicht mehr tauglich, hergestellt zu werden, da<lb/>
Alles so theuer ist, aufgehört hat, die falsche Woge<lb/>
zu pflügen und nun der Ruhe pflegt als &#x201E; <hi rendition="#aq">store-ship</hi> &#x201C;<lb/>
( Vorrathsschiff ) , und Magazin für Waaren aller Art.<lb/>
Ein großer Theil dieser Schiffe dient zur Aufbewah-<lb/>
rung allerlei Geräthschaften der angekommenen Frem-<lb/><cb type="end"/>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[373/0005] 373 [Abbildung Tableau von Jean von Brügge auf einem Altarblatt in der St.=Guddulakirche daselbst.] San=Francisco. San=Francisco, die Hauptstadt von Californien, brei- tet sich amphitheatralisch innerhalb zweier mit hohem Buschwerk bewachsenen Höhen, welche in den Hafen als Erdzungen hinausschießen, auf einem sandigen, ab- schüssigen Erdstreifen aus, welcher weiterhin sich wie- derum in ansehnliche Flugsandfelder erweitert. Zwi- schen diesen dehnt sich die Stadt beinahe in einem Viereck die ziemlich nackten Höhen, auf welchen der oberste Theil liegt, hinauf, während der andere auf Pfählen oder Schiffswracken in der See, die noch in alle leeren Räume zwischen die niedrigsten Straßen hineinspült, selbst erbaut ist. Dieser ganz niedrige Theil der Stadt ruht blos auf Schutt, den man in größter Eile zwischen die Pfähle niedergestürzt und auf welchem man häufig ansehnliche Steingebäude aufge- richtet hat, die deshalb auch nicht selten unausfüllbare Risse haben oder gar einstürzen. Hier sind keine Stra- ßen, sondern blos Brücken, welche, weil sie von De- nen gebaut sind, die zuerst die Grundstücke einnahmen und jetzt besitzen, sich in dem verfallensten Zustande befinden, voll von Löchern und Lücken, ebenso gefähr- lich für Menschen und Thiere, wie häßlich anzusehen. Vier oder fünf von diesen Brücken laufen sehr weit in den Hafen hinaus und werden „ wharfs “ genannt. Um diese liegt die aus mehren tausend Schiffen und aus einer Menge Dampffahrzeuge bestehende Handelsflotte, welche in allen möglichen Formen, von dem stattlichen Clipperschiff bis zur kleinen Schaluppe, bald scharf gebaut und schnellsegelnd, bald plump und schwerfällig, bald neu angestrichen und aufgeputzt, bald deutliche Spuren der Wuth des Meers und der Stürme tra- gend, sich hier aus allen Weltmeeren sammelt und ihre vielfarbigen Flaggen ausbreitet. Man findet ziemlich häufig zwischen den Häusern auf diesen Brückenstraßen hier und da ein altes mit Tauen befestigtes Schiffs- wrack, das, jetzt müde von Jahren und Beschwerden und nicht mehr tauglich, hergestellt zu werden, da Alles so theuer ist, aufgehört hat, die falsche Woge zu pflügen und nun der Ruhe pflegt als „ store-ship “ ( Vorrathsschiff ) , und Magazin für Waaren aller Art. Ein großer Theil dieser Schiffe dient zur Aufbewah- rung allerlei Geräthschaften der angekommenen Frem-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig099_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig099_1854/5
Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 99. Leipzig (Sachsen), 23. November 1854, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig099_1854/5>, abgerufen am 21.11.2024.