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Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 155. Leipzig (Sachsen), 19. März 1836.

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Das Pfennig=Magazin.
[Beginn Spaltensatz] her, wo sie gefangen werden, und von der Nahrung, welche
sie dort finden. Jndeß macht man auch eine schlechte
Auster dadurch schmackhaft, daß man sie eine Zeit lang
in besondere Behälter bringt, wo möglich in der Nähe
der Küsten, wo sie gefangen wurden, und hier gut füt-
tert. Die Auster ändert dann bald ihre Farbe und
wird kräftiger und schmackhafter.

Weniger geschätzt als die Auster ist die sogenannte
eßbare Muschel Nr. 3. Auch von ihr gibt es ver-
schiedene Gattungen. Man findet sie in allen Meeren,
auch in stillen, süßen Wassern. Sie wachsen und ver-
mehren sich noch schneller als die Austern und häufen
sich an Küsten oft in solcher Menge an, daß sie das
Fahrwasser da, wo das Meer nur mäßig tief ist, förm-
lich versperren, und Schiffe oft die größte Mühe haben,
durchzukommen. Mehre Arten dieser Muschel werden
ihrer schönen Zeichnung wegen geschätzt.

Die Muschel Nr. 4 führt den Namen der Feld-
cythere.
Sie zeichnet sich durch ihre braunen, regel-
mäßigen Zackenlinien auf weißem Grunde aus. Cythe-
ren gibt es an 34 Arten. Einige derselben findet man
an den Kalkfelsen der französischen Küsten, ihre eigent-
liche Heimat aber ist das indische Meer.

Von der folgenden Muschelgattung Nr. 5, die man
wegen ihrer Gestalt die Kammmuschel nennt, gibt es
mehr als 100 Arten. Sie sind den Austern an Gestalt sehr
ähnlich, können sich aber, während jene still liegen oder
an Felsen hängen, beliebig bewegen und kommen oft
auf die Oberfläche des Wassers. Einige dieser Muscheln
sind prächtig gezeichnet und werden häufig als Trink-
schalen mit Silber eingefaßt in den Handel gebracht,
auch bedienten sich schon die alten Römer solcher Scha-
len z. B. zu Salzfässern.

Ebenfalls nach ihrer Gestalt hat man die Muschel
Nr. 6 die Arche Noah's genannt. Sie besteht wie
Nr. 2, 4 und 5 aus zwei Schalen, die das inwoh-
nende Thier öffnen und verschließen kann. Dieses hängt
sich mittels sehnenartiger Fäden, die es durch die Spalte
der Schale spinnt, an Felsen, zerreißt diese Fäden aber
wieder, so oft es sich an einen andern Ort begeben will.
Man findet diese Muscheln an den Antilleninseln, im
mittelländischen Meere, an den Küsten Afrikas und im
rothen Meere; sie sind eine Lieblingsspeise der Araber.

Die Schnecke, Nr. 7, kommt in fast unzähli-
gen Abarten vor. Man findet sie überall, große, kleine,
bunte und einfarbige. Die große Schnecke mit graugel-
bem Hause wird häufig als Delicatesse verspeist.

Die kreisförmige Muschel Nr. 8 heißt die Son-
nenuhr.
Auch von ihr unterscheidet man nach der
Zeichnung verschiedene Arten. Die hier abgebildete ist
die gestreifte Sonnenuhr. Diese Muschelgattung findet
sich nur im indischen Meere.

Nach ihrer Ähnlichkeit mit einem Helme wird die
Muschel Nr. 9 die Helmmuschel genannt. Man
zählt deren 21 Arten. Unter ihnen zeichnet sich durch
Schönheit und Größe die gestrickte Helmmuschel beson-
ders aus.

Zwei sehr schöne Muschelgattungen sind die un-
ter Nr. 10 und 11 abgebildeten Porzellanmuscheln,
so genannt wegen ihrer schön polirten, mit prächtigen
Farben und Zeichnungen geschmückten Schalen. Diese
Muscheln finden sich in allen Meeren, am schönsten aber
in den tropischen, und kommen häufig zu Dosen verar-
beitet in den Handel.

Ähnlich gestaltet wie die vorige, nur weit größer,
ist Nr. 12, die Mützen- oder Kegelmuschel, die
zu den Zierden jeder Muschelsammlung gehört. Sie hält
sich nur auf dem Meeresgrunde auf und ist deshalb
[Spaltenumbruch] schwer zu fangen. Es gibt mehre sehr schön gezeich-
nete Arten dieser Muschelgattung, die nach der Schön-
heit der Zeichnung besondere Ehrennamen erhalten
haben. So heißt eine derselben Cedo nulli, d. h. ich
weiche keiner, eine andere die Kaiser=, eine dritte die
Königsmuschel; wieder andere kennt der Muschelsamm-
ler unter den Namen Cardinal, Erzbischof, Bischof,
Gouverneur, Commandant, Gesandter u. s. w. Von
der Kegelmuschel gibt es viele Arten, und unter jedem
der angeführten Namen begreift man wieder mehre
Spielarten, unterschieden durch Farbe und Zeichnung.
Für Muscheln dieser Art zahlt der Kenner oft große
Summen, und in Frankreich wurde zu Anfange des
18. Jahrhunderts noch für eine Cedo nulli 1000 Francs
bezahlt, und für noch seltenere und ebenso schöne Mu-
scheln zahlt man noch heute wol das Dreifache. Die
meisten dieser Muschelarten finden sich in dem tropischen
Meere, nur einige weniger geschätzte in dem mittellän-
dischen.



Der Raub der englischen Kronjuwelen.

Zu den besondern Merkwürdigkeiten, auf welche der
Spießbürger Londons den Fremden vorzugsweise auf-
merksam machen zu müssen glaubt, gehören auch
die Herrlichkeiten, welche der alterthümliche Tower
in seinen festen Thürmen, dunklen Gewölben und gro-
ßen Hallen birgt, von denen aber wieder die Kronju-
welen als das Jnteressanteste bezeichnet werden. *) Da-
her wallfahrten auch noch jetzt jährlich viele Hunderte
zum Beschauen der alten Kronen und sonstigen Reichs-
insignien, so sehr auch dasselbe jetzt erschwert und
mit lästigen Formalitäten verbunden ist. Die Ver-
anlassung zu diesen außerordentlichen Vorsichtsmaß-
regeln, die vielleicht mancher unserer deutschen Lands-
leute unangenehm genug empfunden hat, ist in ihren
Einzelheiten noch so wenig bekannt, daß wir auf den
Dank unserer Leser rechnen zu dürfen glauben, wenn
wir dieselbe nach authentischen Berichten in diesen Blät-
tern mittheilen.

Erst seit der Regierung Karl II. wurden die
Reichsinsignien in dem Tower öffentlich ausgestellt und
dem Volke der Zutritt zu denselben gegen Erlegung ei-
nes bestimmten Eintrittsgeldes gestattet. Die Oberauf-
sicht über dieselben führte damals Sir Gilbert Talbot,
welcher es einem alten, treuen und zuverlässigen Die-
ner seines väterlichen Hauses, einem gewissen Talbot
Edwards, überließ, die schaulustigen Fremden herumzu-
führen und ihnen die Herrlichkeiten der Königswürde
in ihren Symbolen zu zeigen. Sein Name ist eng
verknüpft mit der Geschichte des Raubversuches, wel-
ches 1673 ausgeführt wurde, indem ein gewisser Blood,
der Sohn eines irländischen Grobschmieds, ein zu jedem
Bubenstücke fähiger und entschlossener Mensch, es ver-
suchte, sich der Juwelen, die seine Raubsucht gereizt
hatten, zu bemächtigen. Um dies bewerkstelligen zu
können, verschaffte sich dieser durchtriebene Schurke
unter der Maske und im vollen Ornat eines Geist-
lichen in Begleitung eines Weibes, das er seine
Frau nannte, Eingang in den Tower und wünschte,
die Kronjuwelen zu sehen; kaum aber waren sie in das
Zimmer getreten, als die Dame plötzlich unwohl zu
werden vorgab und die freundlichen Dienstleistungen der
Frau Edwards in Anspruch nahm. Diese brachte die
[Ende Spaltensatz]

*) Vergl. über den Tower Pfennig=Magazin Nr. 82, wo
auch die Kronjuwelen ausführlich beschrieben sind.

Das Pfennig=Magazin.
[Beginn Spaltensatz] her, wo sie gefangen werden, und von der Nahrung, welche
sie dort finden. Jndeß macht man auch eine schlechte
Auster dadurch schmackhaft, daß man sie eine Zeit lang
in besondere Behälter bringt, wo möglich in der Nähe
der Küsten, wo sie gefangen wurden, und hier gut füt-
tert. Die Auster ändert dann bald ihre Farbe und
wird kräftiger und schmackhafter.

Weniger geschätzt als die Auster ist die sogenannte
eßbare Muschel Nr. 3. Auch von ihr gibt es ver-
schiedene Gattungen. Man findet sie in allen Meeren,
auch in stillen, süßen Wassern. Sie wachsen und ver-
mehren sich noch schneller als die Austern und häufen
sich an Küsten oft in solcher Menge an, daß sie das
Fahrwasser da, wo das Meer nur mäßig tief ist, förm-
lich versperren, und Schiffe oft die größte Mühe haben,
durchzukommen. Mehre Arten dieser Muschel werden
ihrer schönen Zeichnung wegen geschätzt.

Die Muschel Nr. 4 führt den Namen der Feld-
cythere.
Sie zeichnet sich durch ihre braunen, regel-
mäßigen Zackenlinien auf weißem Grunde aus. Cythe-
ren gibt es an 34 Arten. Einige derselben findet man
an den Kalkfelsen der französischen Küsten, ihre eigent-
liche Heimat aber ist das indische Meer.

Von der folgenden Muschelgattung Nr. 5, die man
wegen ihrer Gestalt die Kammmuschel nennt, gibt es
mehr als 100 Arten. Sie sind den Austern an Gestalt sehr
ähnlich, können sich aber, während jene still liegen oder
an Felsen hängen, beliebig bewegen und kommen oft
auf die Oberfläche des Wassers. Einige dieser Muscheln
sind prächtig gezeichnet und werden häufig als Trink-
schalen mit Silber eingefaßt in den Handel gebracht,
auch bedienten sich schon die alten Römer solcher Scha-
len z. B. zu Salzfässern.

Ebenfalls nach ihrer Gestalt hat man die Muschel
Nr. 6 die Arche Noah's genannt. Sie besteht wie
Nr. 2, 4 und 5 aus zwei Schalen, die das inwoh-
nende Thier öffnen und verschließen kann. Dieses hängt
sich mittels sehnenartiger Fäden, die es durch die Spalte
der Schale spinnt, an Felsen, zerreißt diese Fäden aber
wieder, so oft es sich an einen andern Ort begeben will.
Man findet diese Muscheln an den Antilleninseln, im
mittelländischen Meere, an den Küsten Afrikas und im
rothen Meere; sie sind eine Lieblingsspeise der Araber.

Die Schnecke, Nr. 7, kommt in fast unzähli-
gen Abarten vor. Man findet sie überall, große, kleine,
bunte und einfarbige. Die große Schnecke mit graugel-
bem Hause wird häufig als Delicatesse verspeist.

Die kreisförmige Muschel Nr. 8 heißt die Son-
nenuhr.
Auch von ihr unterscheidet man nach der
Zeichnung verschiedene Arten. Die hier abgebildete ist
die gestreifte Sonnenuhr. Diese Muschelgattung findet
sich nur im indischen Meere.

Nach ihrer Ähnlichkeit mit einem Helme wird die
Muschel Nr. 9 die Helmmuschel genannt. Man
zählt deren 21 Arten. Unter ihnen zeichnet sich durch
Schönheit und Größe die gestrickte Helmmuschel beson-
ders aus.

Zwei sehr schöne Muschelgattungen sind die un-
ter Nr. 10 und 11 abgebildeten Porzellanmuscheln,
so genannt wegen ihrer schön polirten, mit prächtigen
Farben und Zeichnungen geschmückten Schalen. Diese
Muscheln finden sich in allen Meeren, am schönsten aber
in den tropischen, und kommen häufig zu Dosen verar-
beitet in den Handel.

Ähnlich gestaltet wie die vorige, nur weit größer,
ist Nr. 12, die Mützen- oder Kegelmuschel, die
zu den Zierden jeder Muschelsammlung gehört. Sie hält
sich nur auf dem Meeresgrunde auf und ist deshalb
[Spaltenumbruch] schwer zu fangen. Es gibt mehre sehr schön gezeich-
nete Arten dieser Muschelgattung, die nach der Schön-
heit der Zeichnung besondere Ehrennamen erhalten
haben. So heißt eine derselben Cedo nulli, d. h. ich
weiche keiner, eine andere die Kaiser=, eine dritte die
Königsmuschel; wieder andere kennt der Muschelsamm-
ler unter den Namen Cardinal, Erzbischof, Bischof,
Gouverneur, Commandant, Gesandter u. s. w. Von
der Kegelmuschel gibt es viele Arten, und unter jedem
der angeführten Namen begreift man wieder mehre
Spielarten, unterschieden durch Farbe und Zeichnung.
Für Muscheln dieser Art zahlt der Kenner oft große
Summen, und in Frankreich wurde zu Anfange des
18. Jahrhunderts noch für eine Cedo nulli 1000 Francs
bezahlt, und für noch seltenere und ebenso schöne Mu-
scheln zahlt man noch heute wol das Dreifache. Die
meisten dieser Muschelarten finden sich in dem tropischen
Meere, nur einige weniger geschätzte in dem mittellän-
dischen.



Der Raub der englischen Kronjuwelen.

Zu den besondern Merkwürdigkeiten, auf welche der
Spießbürger Londons den Fremden vorzugsweise auf-
merksam machen zu müssen glaubt, gehören auch
die Herrlichkeiten, welche der alterthümliche Tower
in seinen festen Thürmen, dunklen Gewölben und gro-
ßen Hallen birgt, von denen aber wieder die Kronju-
welen als das Jnteressanteste bezeichnet werden. *) Da-
her wallfahrten auch noch jetzt jährlich viele Hunderte
zum Beschauen der alten Kronen und sonstigen Reichs-
insignien, so sehr auch dasselbe jetzt erschwert und
mit lästigen Formalitäten verbunden ist. Die Ver-
anlassung zu diesen außerordentlichen Vorsichtsmaß-
regeln, die vielleicht mancher unserer deutschen Lands-
leute unangenehm genug empfunden hat, ist in ihren
Einzelheiten noch so wenig bekannt, daß wir auf den
Dank unserer Leser rechnen zu dürfen glauben, wenn
wir dieselbe nach authentischen Berichten in diesen Blät-
tern mittheilen.

Erst seit der Regierung Karl II. wurden die
Reichsinsignien in dem Tower öffentlich ausgestellt und
dem Volke der Zutritt zu denselben gegen Erlegung ei-
nes bestimmten Eintrittsgeldes gestattet. Die Oberauf-
sicht über dieselben führte damals Sir Gilbert Talbot,
welcher es einem alten, treuen und zuverlässigen Die-
ner seines väterlichen Hauses, einem gewissen Talbot
Edwards, überließ, die schaulustigen Fremden herumzu-
führen und ihnen die Herrlichkeiten der Königswürde
in ihren Symbolen zu zeigen. Sein Name ist eng
verknüpft mit der Geschichte des Raubversuches, wel-
ches 1673 ausgeführt wurde, indem ein gewisser Blood,
der Sohn eines irländischen Grobschmieds, ein zu jedem
Bubenstücke fähiger und entschlossener Mensch, es ver-
suchte, sich der Juwelen, die seine Raubsucht gereizt
hatten, zu bemächtigen. Um dies bewerkstelligen zu
können, verschaffte sich dieser durchtriebene Schurke
unter der Maske und im vollen Ornat eines Geist-
lichen in Begleitung eines Weibes, das er seine
Frau nannte, Eingang in den Tower und wünschte,
die Kronjuwelen zu sehen; kaum aber waren sie in das
Zimmer getreten, als die Dame plötzlich unwohl zu
werden vorgab und die freundlichen Dienstleistungen der
Frau Edwards in Anspruch nahm. Diese brachte die
[Ende Spaltensatz]

*) Vergl. über den Tower Pfennig=Magazin Nr. 82, wo
auch die Kronjuwelen ausführlich beschrieben sind.
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Zu den besondern Merkwürdigkeiten, auf welche der Spießbürger Londons den Fremden vorzugsweise auf- merksam machen zu müssen glaubt, gehören auch die Herrlichkeiten, welche der alterthümliche Tower in seinen festen Thürmen, dunklen Gewölben und gro- ßen Hallen birgt, von denen aber wieder die Kronju- welen als das Jnteressanteste bezeichnet werden. *) Da- her wallfahrten auch noch jetzt jährlich viele Hunderte zum Beschauen der alten Kronen und sonstigen Reichs- insignien, so sehr auch dasselbe jetzt erschwert und mit lästigen Formalitäten verbunden ist. Die Ver- anlassung zu diesen außerordentlichen Vorsichtsmaß- regeln, die vielleicht mancher unserer deutschen Lands- leute unangenehm genug empfunden hat, ist in ihren Einzelheiten noch so wenig bekannt, daß wir auf den Dank unserer Leser rechnen zu dürfen glauben, wenn wir dieselbe nach authentischen Berichten in diesen Blät- tern mittheilen. Erst seit der Regierung Karl II. wurden die Reichsinsignien in dem Tower öffentlich ausgestellt und dem Volke der Zutritt zu denselben gegen Erlegung ei- nes bestimmten Eintrittsgeldes gestattet. Die Oberauf- sicht über dieselben führte damals Sir Gilbert Talbot, welcher es einem alten, treuen und zuverlässigen Die- ner seines väterlichen Hauses, einem gewissen Talbot Edwards, überließ, die schaulustigen Fremden herumzu- führen und ihnen die Herrlichkeiten der Königswürde in ihren Symbolen zu zeigen. Sein Name ist eng verknüpft mit der Geschichte des Raubversuches, wel- ches 1673 ausgeführt wurde, indem ein gewisser Blood, der Sohn eines irländischen Grobschmieds, ein zu jedem Bubenstücke fähiger und entschlossener Mensch, es ver- suchte, sich der Juwelen, die seine Raubsucht gereizt hatten, zu bemächtigen. Um dies bewerkstelligen zu können, verschaffte sich dieser durchtriebene Schurke unter der Maske und im vollen Ornat eines Geist- lichen in Begleitung eines Weibes, das er seine Frau nannte, Eingang in den Tower und wünschte, die Kronjuwelen zu sehen; kaum aber waren sie in das Zimmer getreten, als die Dame plötzlich unwohl zu werden vorgab und die freundlichen Dienstleistungen der Frau Edwards in Anspruch nahm. Diese brachte die *) Vergl. über den Tower Pfennig=Magazin Nr. 82, wo auch die Kronjuwelen ausführlich beschrieben sind.

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 155. Leipzig (Sachsen), 19. März 1836, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig155_1836/2>, abgerufen am 14.08.2024.